Zum Inhalt springen

#251 Wo kommen wir denn da hin? 

Über Himmel, Hölle und die Frage nach der Jenseits-Erwartung 

Hossa Talk meldet sich nach kurzer Feiertagspause zurück. In der ersten Folge 2025 stellen sich Jay, Marco und Gofi direkt mal einer der ganz großen Menschheit-Fragen: Gibt es eine Existenz nach oder über den Tod hinaus? Glaubst du daran? Hoffst du darauf? Und falls ja, wie kann man sich das konkret vorstellen und wie sind die biblischen Texte zu diesen Fragen zu verstehen? 

Ist diese Vorstellung eines wie auch immer gearteten Jenseits nicht einfach ein Überbleibsel aus grauer Vorzeit, das dem Menschen auf der einer Seite mit Höllenqualen Angst macht, um sie auf Linie zu halten und auf der anderen Seite mit Himmelsversprechungen auf später vertröstet?  Oder sind das nach wie vor hilfreiche Gedanken, die der menschlichen Existenz Hoffnung und Sinn verleihen?

Im Gespräch teilen Jay, Marco und Gofi ihre persönlichen Jenseits-Vorstellungen, was sie früher geglaubt haben und wie sich das verändert hat und die Diskrepanz zwischen Denken und Hoffen, die sich bei diesem Thema manchmal einstellt.

Ein Talk über Hoffnung, Erwartung und eine Erfahrung, die alle Menschen machen und über die trotzdem niemand etwas weiß. 

8 Kommentare

  1. Interessant, wie unterschiedlich Menschen sind. Ich z.B. finde es eine ganz furchtbare Vorstellung, irgendwann vollständig genichtet zu werden und bin da eher bei Dosto Jetski, der mal sowas meinte wie, dass er lieber eine Ewigkeit lang a là Sisyphos einen Stein einen Berg hochrollen würde als gar nicht zu sein. Wenn ich jedoch in meinen Bekanntenkreis schaue, dann seid ihr eher Mainstream und ich die Ausnahme. Heißt: Ich stoße selten auf Menschen die zugeben oder thematisieren würden, dass sie sich vor dem Nichtsein fürchten. Ich dagegen strecke bereits morgens im Bett die Hände zum Jubelsturm in die Höhe, dass ich „Oh, wie ist das schön – shalalala!“ zum Glück wieder bei Bewusstsein bin.

    Philosophisch bin ich allerdings auch durch die Bielefelder Uni geprägt, wo ein Materialismus gepredigt wurde, der keinen Gott und schon gar kein Weiterleben nach dem (Gehirn)-Tod zulässt. Die eschatologische Verortung unserer Zukunft im Diesseits, wie es die moderne Theologie – und ihr im Talk – gerne tut, passt da gut rein. Denn wenn alle jenseitigen Vorstellungen auf das Diesseits heruntergebrochen werden, indem man auf einen Himmel auf Erden hofft, dann ist es relativ einfach, Gott aus der Gleichung herauszustreichen und nur noch im positivistischen Sinne auf eine Welt zu hoffen, in der sich die Dinge dialektisch – und vor allem ohne Zutun einer übernatürlichen Macht – zum Guten entwickeln. Das wäre angesichts des (aktuellen) Weltgeschehens zwar nicht mehr als eine Utopie, aber sie hätte dieselbe Funktion wie die Jenseitsvorstellung – nämlich Hoffnung zu stiften, dass am Ende alles gut wird und sich deswegen das Leben lohnt.

    Für mich selber, der ich in demselben gesellschaftlichen Saft schwimme wie alle anderen, befürchte ich, dass ich, wenn ich mich nicht bewusst dagegen wehre, irgendwann so sehr von dem naturalistischen Geist durchsetzt bin, dass ich, ohne es überhaupt bemerkt zu haben, eines schönen – bzw. schrecklichen – Morgens gottlos aufwachen werde. Und daher ist es für mich umso wichtiger, alle jenseitigen Vorstellungen nicht kampflos aufzugeben, sondern sie, dem Zeitgeist zum Trotz, rational zu unterfüttern – eben, weil Kopf und Herz eine Einheit bilden und daher das, was im Kopf ist, irgendwann auch im Herzen landet.

  2. Jannik Jannik

    Hi,
    Mir ist beim Hören der Folge klar geworden, dass ich mir in den letzten Jahren tatsächlich viel Gedanken über das Jenseits gemacht habe. Bedeutung des gelebten Lebens ist da ein gutes Stichwort. Das, was mich umtreibt, ist allerdings nicht, dass das gelebte Leben irgendwann verloren gehen und letztlich sinnlos sein könnte, sondern dass ich in vielen Momenten einen riesigen, vergrabenen Sinnüberschuss, eine ungemeine Bedeutungsfülle im gelebten Leben wahrnehme, die hier nie gehoben werden kann. Wenn ich an den kommenden Zustand im Auferstehungsleib denke, dann stelle ich es mir irgendwie so vor, als würde sich das Gekommene und das Gewesene so verschränken, dass alle verschütteten, ungehobenen Möglichkeiten des gelebten Lebens erneut erscheinen und wir diese mit dem Blick der nun vollends aushaltbaren Liebe betrachten und in ihr leben können.
    Nehme ich es so, wird das Jetzt nicht für das Jenseits übergangen, sondern der Augenblick und das, was wir tun und sehen und erleben gewinnt im Gegenteil unheimlich dazu, weil das Jetzt mit dem Glanz des Zukünftigen umschienen wird, ohne mich voll und ganz im Diesseits (hoffnungslos? hedonistisch?) oder Jenseits (fatalistisch eskapistisch?) zu verlieren.

    LG
    Jannik

  3. Hallo zusammen,
    für mich spielt die Jenseits-Erwartung eine tragende Rolle im Glauben, da sie ein Teil des Spannungsbogens meiner Spiritualität ist, auf den ich hin hoffe. Ähnlich wie im Talk geäußert, hat sie für mich etwas aktivierendes und ich beziehe sie voll ins Diesseits auf die Vollendung und Wiederherstellung meiner Beziehungen (in meinem kleinen persönlichen Leben) als auch auf die globalen Verhältnisse. Auch wenn ich hoffe, Ansätze dieses erhofften Wirken Gottes im Diesseits zu erleben, glaube ich, dass Gottes Reich (oder wie mans nennen mag) hier und heute immer etwas zerbrechliches, korrumpierbares und mit anderen Kräften und Motiven verwobenes ist…

    Gerade die Diskussion zum Abschluss des Talks hat mich an ein Lied von mir erinnert, dass die Bedeutung & Kraft einer solchen Hoffnung zum Ausdruck bringt. Es skizziert die gegenwärtige Situation der Dunkelheit und der beschränkten Sicht, in der sich die Sonne (nicht namentlich benannt) zaghaft andeutet. Sie wird vielleicht (hoffentlich!) alles verändern und in einem neuen Glanz schmücken. Diese Vorahnung lockt uns auf dem Weg. Falls es jemanden interessiert, es heißt „Ein neuer Tag“ und findet sich u.a. auf Spotify, aber auch hier: https://soundcloud.com/olafeuler/ein-neuer-tag

    Viele Grüße
    Marian

    • Eli Eli

      Hi, Marian,das Lied ist unglaublich….super Lyrics, super Musik, stark gesungen….und ja, so stell ich es mir auch vor, das das Kommende kommen könnte.
      Ich erlebe es bei mir eigentlich so, dass mein Glaube an ein zukünftiges Reich, in dem alle Tränen getrocknet werden, mir Kraft für den Kampf für Gerechtigkeit und Hoffnung, wenn ich mal wieder voll fertig bin, weil ich denke,das Leid und die Ungerechtigkeit sind einfach zu schlimm, um hier auf der Erde zu heilen…

      Ich hab viel dekonstruiert, aber diese Hoffnung will ich nicht missen.

      Viele Grüße
      Eli
      Danke

      • Vielen Dank, Eli, für deine Rückmeldung!
        Da geht es uns ja sehr ähnlich.

  4. Ben Ben

    Ich persönlich finde die Vorstellung faszinierend, dass das jenseits einen Zustand ohne Zeit darstellt. In vielen religiösen und philosophischen Traditionen wird die Idee vertreten, dass Gott oder das Göttliche außerhalb unserer menschlichen Zeitlichkeit existiert. Das bedeutet, dass für Gott Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig existieren könnten.

    Besonders interessant finde ich die Berichte von Nahtoderfahrungen, die oft von Menschen stammen, die klinisch tot waren oder sich in einem lebensbedrohlichen Zustand befanden. Viele dieser Menschen berichten, dass sie in einen zeitlosen Zustand eingetreten sind, in dem die gewohnten Begrenzungen von Zeit und Raum nicht mehr gelten. Einige beschreiben ein Gefühl der Einheit mit allem, eine tiefe Einsicht in das Leben und ein übergeordnetes Verständnis von Liebe und Wahrheit.

    Ich glaube, dass solche Erfahrungen wertvolle Hinweise darauf geben können, wie wir den Zustand des Jenseits interpretieren. Sie könnten uns helfen, das Konzept von Zeit und Existenz aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Dennoch halte ich es für wichtig zu betonen, dass Nahtoderfahrungen subjektiv sind.

    Insgesamt bin ich der Meinung, dass sowohl philosophische Überlegungen als auch Berichte über Nahtoderfahrungen uns wertvolle Einsichten in das Verständnis von Gott, Himmel und der Natur der Zeit bieten können. Letztlich bleibt die endgültige Wahrheit darüber jedoch vielleicht jenseits unseres menschlichen Verstehens.

  5. Danke für Euer Thema und seine so unterschiedlichen Aspekte, die ihr da einbringt. Als nun schon Älterer beschäftigt mich das Jenseits schon länger. Allein der oben genannte Gedanke der Zeitlosigkeit oder Überzeilichkeit sprengt unser Vorstellungsvermögen. Da „oben“ gibt es ein Fest, es läuft schon und ich sitze – hoffe ich – schon an dieser Tafel…skurill, nicht wahr? Was mich zurzeit sehr interessiert, ist der Begriff Verwandlung oder Transformation. Alles wird verwandelt werden in etwas Unvorstellbares Anderes. Müssten wir dafür nicht Bilder entwiuckeln, die unserer Welterkenntnis entsprechen? (Und nicht der vor 2000 Jahren). Die Transformation unseres ganzen Kosmos in eine höherdimensionale Welt. Das ist physikalisch noch nicht einmal abwegig. Was mich dabei für mein Engagement in dieser alten Welt motiviert: Das Gute bleibt bei der Verwandlung erhalten. Hoffe ich!

  6. André Ay André Ay

    Marco hat keine begründete Hoffnung. Das ist sehr traurig. Da waren die Höllengläubigen im 13. Jhd, weiter:

    Recordare Iesu pie,
    Quod sum causa tuae viae:
    Ne me perdas illa die.
    Quaerens me, sedisti lassus:
    Redemisti crucem passus:
    Tantus labor non sit cassus.

    Qui Mariam absolvisti,
    Et latronem exaudisti,
    Mihi quoque spem dedisti.
    Preces meae non sunt dignae:
    Sed tu bonus fac benigne,
    Ne perenni cremer igne.

    Jesus hat mir also Hoffnung gegeben und vier Gründe dafür: 1. seine Mühen am Kreuz, die nicht umsonst sein sollen, 2. Maria, 3. der Schächer, 4. die Güte Gottes.
    „cremer“ scheint übrigens „verbrennen“ zu heißen. Im Krematorium dauert die Destruktion ja auch nicht ewig. Natürlich ist das Feuer bildhaft zu verstehen.

    Die Bilder von der positiven Seite sind ja auch nicht wörlich zu verstehen, z.B. das Völkerfestmahl in Jesaja 25. Auch wenn der Siggi erklärt hat, daß er sich schon drauf freut: https://worthaus.org/mediathek/der-lebensraum-des-menschen-der-garten-eden-genesis-2-8-9-3-2-1/?start=1985

    Fegefeuer hat nix mit ewiger Verdammnis zu tun. Da werft ihr alles durcheinander.

    Der Text der EKD zu Gottes Gerechtigkeit klingt tendenziös. Auf hebr. tsedakah paßt er so halb. Aber ich würde da lieber einen jüdischen Rabbi fragen für mehr Hintergrundinfos: https://rabbisacks.org/covenant-conversation/reeh/tzedakah-the-untranslatable-virtue/ . Im hebr. gibt es aber auch noch tsedek, was eher scheinbar immer im juristischen Kontext erscheint. Gr. dikaiosyne hat einen engeren Bedeutungsumfang und bezeichnet eher nur nur juristische Kontexte. Daher ist an diesem Begriff auch die reformatorische Rechtfertigungslehre aufgehängt.

    Jay will nicht vergessen werden; ich ooch nicht. Das wichtige Anliegen ist uralt:
    Psalm 112, 6: „Denn niemals wird er wanken, ewig wird der Gerechte im Gedächtnis sein.“

    Das „Reich Gottes“ ist eine Fehlübersetzung im Deutschen und den skandinavischen Sprachen. In den Bibel der katholischen und calvinistischen Länder ist die Übersetzung „Königreich Gottes“. Das ist aber auch noch irreführend. Hebr. malkuth und griech. basileia ist laut Ratzinger ein Nomen Actionis und bezeichnet das Handeln Gottes. Ähnliches meinten auch Dodd und Dietz/Faix. Was Jay erzählt, ist nix neues:
    „The kingdom of God is performative: it is God’s performance in which we actively participate.“ (Stassen / Gushee, p. 21)
    – Stassen, Glen H., Gushee, David P., Kingdom Ethics, Following Jesus in Contemporary Context, InterVarsity Press, 2003 Downers Grove IL

    Bei Jay ist eine Lernfortschritt zu loben: Er kann nun das Wort „Annihilation“ korrekt aussprechen. Die Anzahl der Bibelstellen dafür ist allerdings nicht 5-6, sondern ca. 50-60.
    Für die ewige Folter gibt es ca. 1-5.

    Das mit der Transformation sehr ich in der Bibel nicht. Jes 65, 17 und Jes 66, 22 und 2. Petr 3, 13 und Offb 21, 1 sprechen eher von einer Neuschöpfung.

    Jesu Höllenlehre ist ein sehr positives Trostwort:
    Matthäus 10: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können. Fürchtet euch mehr vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann.“
    Das richtet sich an Leute, die wegen ihres Glaubens willen verfolgt und ermordet werden. Sie und ihre überlebenden Verwandten dürfen wissen, daß ihre Verfolger letztlich nicht triumphieren werden, weil sie nicht die letzte Instanz sind. Das ist bis heute aktuell. Für die Verfolger ist die Nachricht natürlich schlecht. Das stört mich nicht.

    Marcos Aussage über die Bildsprache der Bibel klingt sehr weise.

    Gofis Aussage zu Joh 1 sehr ich auch so.

    Wenn der Tod kommt, dann soll man ihm Jagertee anbieten und ihn dann in einen Zug nach Salzburg setzen:
    https://www.youtube.com/watch?v=buw3GRbCtBI

    Alles Gute!

    André

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert