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Ein feministisch-theologischer Blick auf das Kreuz und das Ostergeschehen
„Gott bin ich und kein Mann“ sagt Gott im Text des Propheten Hosea über sich selbst. „Ja, aber was ist dann mit dem Begriff des Vaters und anderen vermeintlich eindeutig männlichen Gottesbildern?“ möchte mancher darauf vielleicht direkt erwidern. Ist Gott männlich? Oder eher weiblich? Oder beides? Über diese Fragen und vor allem, was all das mit Karfreitag und Ostern zu tun hat, unterhalten sich Jay, Marco und Gofi in der aktuellen Folge mit ihrer fantastischen Gästin und Podcast-Kollegin Evelyne Baumberger.
Evelyne ist Theologin, Bloggerin, Podcasterin und Co-Leiterin des RefLab, des „digitalen Lagerfeuers“ der Reformierten Landeskirche Zürich. In diesem Jahr wird sie außerdem die Eröffnungspredigt beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover halten. Auch darüber muss natürlich kurz gesprochen werden, aber vor allem unternimmt Evelyne mit den drei Hossa Talkern einen Streifzug durch die feministische Theologie, überraschende Entdeckungen in den Texten der Bibel und Gottesbildern jenseits der rein männlichen Deutungsbrille.
Besonders deutlich wird das im Hinblick auf die unterschiedlichen Deutungen und Betrachtungsweisen des Kreuzes. Was hat das Kreuz mit einer Geburt zu tun? Wieso haben bestimmte Lesarten des Leidens Christi immer wieder Unterdrückung begünstigt? Außerdem geht es um die Freundinnen von Jesus, die ersten Zeuginnen der Auferstehung und die Geschichte mit dem Gärtner.
Mit dieser spannenden Folge wünschen wir allen Hossarchist*innen frohe, inspirierende und gesegnete Ostertage.
Hier findest du als Ergänzung zu den Gedanen des Talks noch einen äußerst lesenswerten Oster-Text von Evelyne über die Frauen am Grab:https://www.reflab.ch/die-frauen-am-grab-auferstehung-feministische-theologie/
und hier geht es zu Evelynes Podcast „Unter freiem Himmel“: https://www.reflab.ch/category/podcasts/unter-freiem-himmel/
Hallo!
Nettes Gespräch!
Gibt es eigentlich im Tanach bei Gott mehr weibliche Attribute als im NT?
Gibt es eigentlich ein Online-Feminometer, wo man die Feminismus-Prozentzahl objektiv messen kann?
Was genau bemängeln Jays Frau und Tochter an ihm?
Alles Gute!
André
Dass feministische Theologie von vielen abgelehnt oder zumindest kritisch beäugt wird, hat, denke ich, damit etwas zu tun, dass der Begriff „Feminismus“ allein schon sehr aufgeladen ist. Ich habe auch mal eine Diskussionssendung im Fernsehen gesehen, da war auch eine Feministin dabei, die eigentlich gute Argumente hatte, aber ziemlich viel Ablehnung erfahren hat. Ich denke, ihre Argumente hätten mehr Leute angesprochen, wenn sie nicht explizit als „Feministin“ aufgetreten wäre und weniger „Feministen-Sprech“ benutzt hätte. Ich glaube, dass manche Leute einfach schon dicht machen, wenn sie so Wörter wie „Patriarchat“ hören, weil sie die Person (im Normalfall eine Frau ;)) dadurch automatisch in eine Schublade stecken. Ist halt wieder so eine von „denen“… Und wer schaut sich schon den Inhalt seiner Schubladen genauer an, wenn er ja angeblich genau weiß, was er da reingestopft hat?
Dabei kann es ja manchmal ganz interessant sein, sich mal mit dem Zeug in den Schubladen genauer zu beschäftigen. 😉
Ich finde, Evelyne kann man gut zuhören und es kommt auch sehr normal rüber, was sie zu sagen hat, nicht so übertrieben aktivistisch. 👍
Gott ist weder Mann noch Frau, Gott ist die Vernunft des Geistes / des Zentralbewusstseins der Schöpfung.
Mensch ist nicht Individualbewusstsein, Mensch bedeutet immer ALLE in Vernunftbegabung.
Die Philosophie der Bibel spricht nie einen individualbewussten/einzelnen Menschen, sondern immer nur das Ziel, das ganzheitlich-ebenbildliche Wesen Mensch an – Jesaja 55,8-11
Ach, wenn Gott einfach nur einen Busen hätte, dann würde ich mehr Gemeinschaft mit Gott haben.
I just kidding. Aber mir ‚reicht der Vater auch nicht aus‘. Und ich bin berührt über das, was Evelyne Baumberger sagt!
Sehe auch gerne ihre YouTube Videos.
Ich bete beim Vater Unser des öfteren die Mutter mit. Gott ist Geist, also ist alles vorhanden in Gott.
Vielen Dank für diesen Talk!
Sören
Hallo Hossa Talk,
Evelyne spricht davon, dass Jesus nicht ‚körperlich‘ auferstanden ist und ihn die Frauen am Grab und andere deswegen nicht erkennen. Sie sagt, dass es vorher so was noch nie gab. Was ist mit der Auferweckung von Lazarus? Sie ist mE ein Hinweis auf Jesus.Und was ist mit den Verletzungen, die Jesus später den Jüngern zeigt?
Hallo Annette,
zum einen spricht Evelyne nur davon, dass dies ein Topos ist, der in feministischen Theologien diskutiert wird. Auch hier gibt es unterschiedliche Ansichten dazu, wie Evelyne ja auch deutlich macht.
Zum anderen, gibt es schon eine Menge Unterschiede darin, wie die Auferweckungsgestalt von Lazarus und Jesus beschrieben wird. Lazarus wird bloß als Erweckung des toten Körpers beschrieben. Bei Jesu muss es anders gemeint sein. Mehrere Zeugen erkennen ihn nicht mehr (Maria Magdalena, Emmaus Jünger), er kann auf einmal durch Wände gehen etc. Das ist schon ziemlich einzigartig. Von daher sind die beiden Auferweckungen natürlich nicht 1zu1 miteinander vergleichbsr. Man kann also von Lazarus nicht einfach auf Jesus schließen.
Was das für den alten Körper von Jesus bedeutet, lässt das NT offen. Von daher sind hier durchaus unterschiedliche Interpretationen denkbar.
LG,
der Jay
Hallo ihr drei (Hallo Goofi, ich hoffe ich bin bald mal wieder in Marburg), das war ein toller Talk mit einer tollen Theologin. Bin ja inwischen ja auch Fan von euch (tolle Folge mit Martin Thoms – der hat was drauf!).
Über eine Sache aber denke ich immer viel nach, wenn ich Dinge aus der „postevangelikalen“ Bubble höre und lese: Ich verstehe nicht ganz euer Bild von der Bibel. Ihr habt so über Joh. 21 geredet, als sei das orginal so passiert („Gärtner“, Jesus war noch dreckig wegen der Auferstehung (???). Aber die Geschichte steht aber in einem Evangelium, dass ca. 70 Jahre (!!!) nach Jesu Tod nach einem Riesenkulturclash (Zerstörung Jerusamelems) in einem ganz anderen Kulturkreis entstanden ist (andere Sprache, keine jüdische Gemeinde). Und außerdem steht sie doch in eklatantem Widerspruch zu Mk. 16 und den anderen Grabgeschichten. Welche Geschichte ist denn dann für euch „historisch“ wahr? Wie seht ihr die Bibel? Darf da auch wissenschaftliche Theologie eine Rolle spielen?
Ist die Bibel eigentlich von vorne bis hinten wortwörtlich Gottes Wort? Ich würde ja sagen: Sie ist nicht Gottes Wort, sondern für uns ein heiliger Ort („Heilige Schrift“), weil uns in ihr immer wieder Gott begegnet. Und dann wird sie (reformatorisch durch Vermittlung und Heiligem Geist, und im Theolog*innentalk) je und je für uns zu Gottes Wort. Die Bibel an sich ist ein Buch, in dem Menschen zu ihrer Zeit auf ihre Weise über ihren Glauben und ihre Welt geschrieben haben. Und manchmal bleibt sie uns fremd (Vorstellung von Sklaverei, Verhältnis Mann/Frau, Krieg auf Anordnung Gottes mit Tötung von Frauen, Kindern etc.). Muss man an die Bibel „glauben“ oder darf man auch darüber nachdenken, ob ich das auch so sehen muss oder sehen kann, wie Menschen das in der Bibel aufgeschrieben haben? (Ganz zu schweigen davon, dass die Bibel kein Buch ist, sondern eine Sammlung von höchst unterschiedlichen Büchern, die vieles ganz unterschiedlich sehen).
Noch ein anderes Beispiel: Was ist das eigentlich mit dem Bibelstellen zitieren bei dogmatischen Fragen, wie das so (bei euch auch manchmal) gang und gäbe ist. Kann man „Wahrheit“ (historisch, dogmatisch, theologisch) so beweisen? Ich denke immer: Man kann doch auch sagen „Nein“ zu Bibelstellen (siehe Verhältnis zur Sklaverei, Stellung der Frau etc.). Man müsste eigentlich begründen, warum man die Bibelstellen wichtig findet. Es reicht doch nicht zu sagen: „Steht so in der Bibel“. Für mich ist die Bibel von vorne bis hinten eine gewichtige Autorität, und sie mir viele Menschenleben und viel Erfahrung voraus. Aber sie hat nicht von vorne herein recht bzw. Gott hat doch nichts dagegen, dass ich ehrlich über sie nachdenke? Oder doch?
Ich würde ja so gern mal mit Euch dreien über diese (für mich sehr grundsätzliche) Frage diskutieren. Bin ja auch Theologe (und am Ende Pastor) geworden, weil für mich persönlich solche Fragen sehr wichtig waren. Das kickt mich übrigens auch bei euch: Ihr stellt euch solchen Fragen.
Wollte ich mal loswerden.
LG aus Bremen, Jürgen
Hallo Jürgen,
du hörst uns noch nicht so lange, oder? Über das Thema haben wir schon oft miteinander im Talk gesprochen. Ist für die Frage, wie man Theologie treibt, ja auch kein unwesentliches. Ich teile eigentlich so gut wie alles, was Du über Dein Bibelverständnis schreibst (benutze dafür zum Teil vielleicht ein anderes wording). Ein klares Ja zu wissenschaftlicher Theologie, dazu die Bibel als das zu sehen, was sie ist: eine Schriftensammlung (Bibliothek) unterschiedlichster Genres. Das schöne an dieser Sammlung ist ja gerade, dass sie inhomogen ist und uns damit dazu einlädt mit ihr ins Gespräch zu kommen und uns Gedanken zu machen. Dazu gehören natürlich auch kritische Gedanken. Mir persönlich wäre deine Gegenüberstellung „entweder der Bibel glauben“ oder „über die Bibel kritisch nachdenken“ zu simpel. Dazwischen und daneben gibt es noch viele andere Zugänge, die ich nicht missen möchte. Und auch „daran glauben“ und „kritisches Nachdenken“ schließt sich ja nicht aus.
Theologie ist ja immer auch ein großes Stück Biographie. Das ist bei uns natürlich nicht anders. Wir kommen ja alle drei aus einer Evangelikalen Prägung, die idR eher dazu neigte, wörtliches Verständnis der Schrift einer allegorischen oder analogischen Auslegung vorzuziehen und oft von der Angst getrieben war, die Bibel könnte verwässert, zurechtgebogen oder sonstwie dazu benutzt werden, sich seine eigene Religion zu basteln. Irrtümer konnte es in der Bibel nicht geben. Und wenn die Wissenschaft dieses hinterfragte, lag der Fehler natürlich bei der Wissenschaft. Typisch evangelikal bis fundamentalistisch eben. Wie oben gesagt, entspricht dies heute nicht mehr unserem Verständnis und Umgang mit der Schrift. Aber da kommen wir her. Von daher liegt es uns nahe, eine Bibelgeschichte wie der Auferstehungsgeschichte im Johannesevangelium erst mal so zu lesen, als sei das ein historischer Bericht. Ich würde auch nicht sagen, dass es das auf keinen Fall sein will. Jedenfalls ist es die Version, die Johannes seinen Lesern mit auf den Weg gibt. Dass Markus seinen Lesern etwas ganz anderes mit auf den Weg gibt, ist ja offensichtlich. Ich muss das auch gar nicht harmonisieren oder entscheiden, welcher der Beiden, bzw 4, bzw 5 (wenn man 1. Kor 15 noch hinzunimmt) den wahren Hergang beschreibt (oder ob das überhaupt der Anspruch ist). Das kann ja keiner. Ich finde solche Texte mit verschiedenen theologischen „Brillen“ zu lesen ganz hilfreich. Denn manchmal entdeckt die eine Brille etwas, was der anderen komplett entgeht. Und so bleibt man mit den Texten unterwegs und wird nicht fertig mit ihnen.
So viel für heute,
LG,
der Jay
Das war von mir auch eine blöde Frage, ob bei Euch auch wissenschaftliche Theologie eine Rolle spielen darf. Das ist natürlich so. Ich wollte auch nicht die Alternative aufmachen „daran glauben“ oder „kritisch nachdenken“. Du hast recht, dass wäre eine falsche Alternative.
Man muss auch mal einfach in einen Text eintauchen und ihn so nehmen wie er ist. Auch die Ostergeschichten stehen mir beim Lesen „vor Augen“, und man kann sich auch alles kaputt machen, wenn alles von dieser Frage bestimmt ist „ist das auch wirklich so passiert“? Die Buddenbrocks von Thomas Mann sind auch nicht so passiert, udn es ist ja trotzdem ein „wahres“ Buch mit Message und macht so wie der „Herr der Ringe“ auch nur Spaß, wenn man wirklich drin ist.
Ich zucke nur manchmal eben ein bisschen zusammen, wenn so die Bibelstellen in Diskussionen durch den Raum fliegen oder es heißt „Jesus hat doch gesagt … “ oder als ob es klar wäre, dass Bibelgeschichten auch so passiert sind. Es liegt auch bestimmt daran, dass ich im Studium mal eine lange Arbeit über Maria Magdalena geschrieben habe..
Ich selber komme, wie Dir Gofi bestätigen kann, ja auch aus der evangelikalen Bubble (eine Zeitlang die gleiche Gemeinde) und hatte dann mit 18 ein umgekehrtes Bekehrungserlebnis. Da sind die Antennen für evangelikale Traditionen aber manchmal immer noch zu scharf gestellt. Das darf man aber natürlich auch sein. Nichts für ungut, vielleicht seid ihr ja auch mal in Bremen und wir lernen uns kennen.
Peace,
Jürgen