Ich finde das alles schwierig. Es geht viel um Unmittelbarkeit. Und dann wird wieder ein riesen Ding draus, mit riesigen Events und einer Struktur, die ich nur zu gut aus charismatischen Kreisen kenne. Und plötzlich geht es unterschwellig auch wieder um Macht der Macher. Brrr.
JK
Wer macht eigentlich immer diese Bilder?
Diesmal ist es obergeil geworden – Jay und Gofi als Ministranten.
Ihr wart viel zu kuschelig – ich hätte mir Clash erwartet.
Gerade beim Hartl.
Roland
Ich stimme zu!
ein Mensch
Ah übrigens: ihr habt nicht hart genug nachgefragt 😉
Können wir mit leben. Wir hatten ein gutes Gespräch, das war uns wichtiger. 🙂
ein Mensch
Weiß ich doch und find ich gut. War nur als Kommentar zu Goofis Bemerkung gemeint, dass sich dann jemand meldet, ihr hättet nicht hart genug nachgefragt.
Hatte de podcast direkt vor meinem Kommentar gehört.
ein Mensch
ich fands trotzdem einen super Talk, weil der Johannes eben so ein vielseitiger intellektuell sich gut ausdrückender und sympatischer Typ ist. Anders als jetzt zB.(Name der Redaktion bekannt) ein anderer Kritiker. Er hinterfragt sich auch selber und hat auch einen Zugang zur Mystik. Den Vortrag mus ich mir auch noch mal geben. Meine Frage wäre noch gewesen, ob er da auch von Richard Rohr beeinflusst worden ist?
Trotzdem hat er auch seine blinden Flecken und grade bei den Abschluss Statements hätte ich einige Anfragen zu Emergent und Postmoderne..
Patrick Rabe
Ich fand den Hartl super sympathisch. Ich werd jetzt Katholik. (Grins). Nee, eine sehr schöne Sendung, Leute! LG, Patrick
Werner
hallo zusammen,
sehr traurig, dass das letzte thema so abgehackt mit einer pauschalen verurteilung geendet hat, aber vielleicht ist das auch eine provokation zur baldigen fortsetzung? ich bin weder theologe, noch philosoph, ( noch künstler, ) aber die fortschrittte in der auslegung mancher alltags-relevanter biblischen aussagen so pauschal als vergängliche „mode“ abzutun, das ist deutlich unter dem niveau des ganzen bisherigen gesprächsverlaufs. dagegen spricht die geschichte der christenheit, in der viele inzwischen untragbare, einmal „bibeltreue“ interpretationen überholt wurden. selbst „fundis“ widersprechen nicht mehr, dass es sich vielfach um einen wirklichen, dringend nötigen fortschritt und nicht um eine mode handelte. wäre erschreckend, wenn wir wieder auf die lieblosen, teils gruseligen auslegungen zurückfielen. insoweit wäre eine differenzierte betrachtung der sogenannten „moden“ angemessen.
bis auf diesen absturz habe ich das gespräch sehr positiv und konstruktiv empfunden! ich bin auch nicht der ansicht, dass mehr konfrontation besser gewesen wäre. sich auf die vielen gemeinsamkeiten zu besinnen und sich darüber zu freuen hat nichts mit bequemem kuscheln ( oder gar feigem kuschen ) zu tun.
liebe grüße,
werner
Sebi
Gute Folge. Da Johannes Hartl aus einem anderen Kontext als ihr kommt, gab es viele Unterschiede zu erklären und zu besprechen. Auf diese seid ihr und er gut eingegangen. Hartl hat nachvollziehbar, reflektiert und meist freundlich argumentiert und ihr (u.a. auch durch die Fragen der Zuschauer) habt ihn gut dazu angeregt. Zudem vereint er viele Aspekte und Perspektiven des Glaubens auf eine interessante Art und Weise. Eine Folge mit Erkenntnisgewinn.
„Hart nachfragen“ und „Clash“ nur aus Prinzip, weil man ja ach so kritisch ist, bringt meiner Erfahrung nach auch nichts. In Gesprächen auf Augenhöhe, die auf Zuhörbereitschaft, echtem Interesse und sachlichem Argumentieren basieren, kann viel mehr verstanden und gelernt werden als in inquisitorischen pseudo-kritischen Auseinandersetzungen, in denen ein Gast nur defensiv auf Vorwürfe reagieren muss.
vielen Dank für das Interview. Das zeigt sehr schön auf, wie wir in einer Zeit leben, in der sich Konstellationen auf eine gewisse Weise dramatisch ändern (es gibt plötzlich evangelikal-charismatische Katholiken mit intelektuellem Anspruch) und in gewisser Weise die Fronten von vor 30 Jahren wohl immer noch auftauchen.
Allein schon der Begriff des „Liberalen“ (für Umweltschutz sein und seine eigene Epoche überschätzen) ist mir zu platt. Denn er sieht nicht, dass gerade in Deutschland sich vieles anders verhält. Die Kulturprotestanten zB sind zwar liberal, im Sinne von dogmatisch flexibel, sind aber kulturell stark im Bildungsbürgertum verwurzelt und politisch tendenziell konservativ.
Dann fällt es auf: Sexualethik wird immer noch als „identity marker“ genommen. Hier sollte man nicht den Fehler machen und einfach zB eine konservative Position bestreiten, sondern mal fragen: Warum ist DAS das entscheidende Thema und nicht zB das Thema Geld? Was haben Kenservative und „Progressive“ gemein, dass sie so fixiert auf das Thema Sex sind? Es wäre gut, einfach mal eine Zeit lang dieses Thema mal ausnahmsweise NICHT als großen Lackmustest für christliches Leben nimmt.
Das Thema der Ganzheitlichkeit und Spiritualität ist insofern interessant, als sich hier unter dem Stichwort „Ganzheitlichkeit“ plötzlich Positionen wiederfinden, die bei ethischen, theologischen und politischen Fragen eher weit auseinander sind. Es reicht vielleicht schon den Begriff des Ganzen zu ersetzen durch ein Synonym um zumindest zu zeigen: Ganzheitlichkeit muss nichts tolles sein. Wenn man nämlich den Begriff des Totalen oder Totalitären daneben setzt, wird einem gleich eher etwas unbehaglich.
Zuletzt: Emergent und die Postmoderne. Hach. Die Postmoderne ist keine kulturelle Mode. Und das gilt selbst dann, wenn man die Postmoderne verabschiedet oder – wie es Leute wie Alain Badiou und Slavoj Zizek machen- über sie hinaus gehen. Wie oben angedeutet: eine Person wie Johannes Hartl mit seinen sehr unterschiedlichen Hintergründen ist schon einmal ein typisch postmodernes Phänomen. So etwas hätte es in einer Welt, die auf sehr eindeutige Grenzziehungen „wie sie schon immer waren“ nicht geben können. Emergent ist zunächst nichts weiter als ein Ort, an dem sich Leute treffen und gemeinsam austauschen: was bedeutet es, dass wir in einer Welt leben, in der solche hybriden Glaubensformen entstehen? Übrigens gehört dazu auch die Frage: Wie stellt man von dieser Situation ausgehend die Wahrheitsfrage.
Kristian
Hey Arne,
ich glaube, dass das Thema Homosexualität immer noch ein „brauchbarer“ Lackmustest ist, weil damit automatisch viele andere Aspekte verknüpft sind, die über die bloße Thematik hinausgehen:
– Schriftverständnis und Hermeneutik
– Das Verhältnis zu Wissenschaft
– Verhältnis zu sich verändernden gesellschaftlichen Normen und Strukturen
– Sündenverständnis
– Täterzentrierte Soteriologie vs opferzentrierte Soteriologie*
– Drinnen/draußen-Denken vs inklusives Denken
– usw.
*Interessant z.B. wie Hartl davon ausgeht, dass „Menschen mit Brüchen in ihrer Biographie“ grundsätzlich erstmal selbst daran Schuld sind und etwas an sich ändern müssen.
*Interessant z.B. wie Hartl davon ausgeht, dass “Menschen mit Brüchen in ihrer Biographie” grundsätzlich erstmal selbst daran Schuld sind und etwas an sich ändern müssen.
Guter Punkt. Danke. Wäre mir glatt durch die Lappen gegangen.
LG,
der Jay
Nicht automatisch.
Die Orhtodoxen Kirchen können Homosexualität auch aus ganz anderen Gründen ablehnen als es zB evangelikale tun; da wird eher nicht eine biblizistische Hermeneutik das Problem sein.
Und was ist denn nun eine „täterzentrierte oder opferzentrierte Soteriologie“? Nenn mich naiv, aber sollte Soteriologie nicht Christuszentriert sein? Also geht es in der Soteriologie nicht darum, zu bezeugen, was Christus am Menschen tut? Und inwiefern ist hier die Kategorie von Tätern und Opfern wirklich hilfreich?
Und was genau ist denn inklusives Denken? Denken, dass so tut als gäbe es kein drinnen und draußen? Ich glaube, hier gerät man – wie Hartl richtig betont- eher schnell in Selbstwidersprüche (ist nicht das Postulat, jeder müsste inklusiv denken auch wieder sehr exklusiv?). Und ist denn überhaupt geklärt, dass inklusives Denken auch einer inklusiven Lebensform entspricht? Und wohin soll denn inkludiert werden? Was ist das „drinnen“ in das alle rein sollen? Wenn man hier wirklich bohrt, könnte auch diese Unterscheidung ziemlich ins Wanken kommen. Ich habe das mal das Paradox der Inklusivität genannt: Je inklusiver man sein will, desto schärfer wird derjenige exkludiert, der die eigenen Maßstäbe an Inklusivität nicht teilt: Inklusivität führt so paradoxerweise zu einer feinen, kaum benennbaren Exklusion.
Aber worum geht es bei solchen Gesprächen? Es wird nicht darum gehen, dass man den jeweils anderen überzeugt; ein geklärter Dissens kann schon sehr viel sein. Und man muss dann auch seine Machtlosigkeit einsehen: ich kann zur Zeit nichts daran ändern, dass sehr viele Kirchen – von den Evangelikalen bis hin zu den Orthodoxen – in diesen Lebensstilfragen weiterhin eine harte Linie fahren, die ich nicht teile. Ich glaube: die Einsicht, dass ich das jetzt gerade nicht ändern kann, ist Bedingung dafür, dass es einen langsamen „Wandel durch Annäherung“ geben kann. Und solange redet man erst einmal über andere Dinge, in denen die Fronten noch nicht so ganz knallhart sind.
Zum Beispiel die viel grundlegendere Frage: geht es im Christentum um EINE einheitliche Lebensform? Ich glaube – mit Gründen – Nein! Es geht eher darum, wie verschiedene Lebensformen – „Judenchristen“, „Heidenchristen“ etc. – zusammenkommen. Und: immer wieder: es geht mehr darum, wie Gott an Menschen handelt und somit menschliche Leben verändert und darum, wie das zu bezeugen ist. Wenn diese ganz und gar nicht selbstverständliche Vorraussetzung geklärt wäre, könnte man andere Dinge besser klären.
Kristian
Naja ich habe einfach mal ein paar Stichpunkte rausgehauen ohne sie weiter zu erläutern, das konnte ja nur zu Missverständnissen führen 😀
Unter „Täterzentrierte Soteriologie vs opferzentrierte Soteriologie“ meine ich ein Kontinuum, dessen Extreme sich nur auf Vergebung von Sünden oder nur auf Wiedergutmachung von Leid konzentrieren. Natürlich sind beide (Extrem)positionen unvollständig.
Deine Kritik am inklusiven Denken kann ich wirklich nicht nachvollziehen, ich sehe nur ein Verbiegen und Dehnen von Worten. Ist es nicht endlich offensichtlich, dass Ingroup-Outgroup-Denken und die damit verknüpfte soziale Gewalt keine befriedigende Antworten auf die Fragen des 21. Jahrhunderts sind. Natürlich gibt es „drinnen und draußen“. Das leugnet keiner. Aber die Frage ist, ob wir das fördern oder dagegen ankämpfen.
Die Haltung, dass man die konservativen Kirchen ja eh nicht ändern kann und es akzeptieren muss, betrachte ich mit gemischten Gefühlen. Diese Position wird aus meiner Sich dann untragbar, wo man beginnt Ablehnung von homosexuellen Menschen als eine Form von Menschenfeindlichkeit zu sehen genau so wie Rassismus oder Sexismus. Hätte Martin Luther King damals auch sagen sollen „Ich kann den Rassismus gerade nicht ändern, also muss ich ihn akzeptieren, dann kann es vielleicht einen langsamen Wandel durch Annäherung geben?“
PS:
Wenn ich eine Gruppe sehe, die dem Postmodernen Zeitgeist auf dem Leim gegangen ist, dann sind es zB AfD Wählende Christen oder US-Evangelikale. Warum? Weil es gibt kaum eine Bezugnahme, die so sehr die eigene Identität prägt, wie die Opposition. Ich glaube es gilt nciht so sehr Augustins: „Wir werden so wie die Dinge, die wir lieben“ und mehr „Wir werden vor allem geprägt durch die Dinge, die wir mit großer Vehemenz ablehnen.“ Und all die Anti-Genderisten sind im Wesentlichen Leute, die es zu ihrer Identität machen, pauschal und ganz vehement gegen die Entgrenzungen der Postmoderne zu sein. Eine Position, die von diesem Zeitgeist nur wenig geprägt wäre, wäre letztlich viel entspannter und gelassener als es Leute wie Birgit Kelle sind.
Kathrin
Servus in die Runde,
ich habe mich mit dem Talk echt schwer getan. Ich finde viele Positionen, mit denen ich bei ihm übereinstimme oder sagen würde, ja, das ist ein valider Punkt. Z.B. was Ganzheitlichkeit angeht. Oder das Überwinden von Grenzen. Aber ich möchte es von ihm nicht gelten lassen.
Für mich kam er (im Gegensatz zu anderen) total unsympathisch rüber, weil er einfach die ganze Zeit mit einer Bestimmtheit Sachen behauptet und sagt:
„Die einen sind so, die anderen sind so, wir Westler sind so, der Rest der Welt ist so, ich reise ja viel in Afrika und Asien, deswegen erzähl ich dir jetzt mal, wie die Welt ist.“
„Die Evangelikalen machen das falsch, die Katholen machen das falsch, aber das, was ich mache, das ist das wahre Christentum.“
Und hat er die Vorrednerin vom letzten Podcast für ihr Umweltengagement gedisst? „Ich war schon in den 80ern für Umweltschutz, ich kann da immer nur gelangweilt gähnen, wenn evangelikale Jugendliche jetzt Umweltschutz für sich entdecken.“ Wie kann ein Erwachsener sowas sagen und sich selbst noch ernst nehmen?
Nun arbeitet man sich ja immer am meisten an Leuten ab, die einem in entscheidenden Punkten ähnlich sind und die Frage danach, was wahr und richtig ist, ist auch die, die mein Leben mit am stärksten beeinflusst. Und gerade deswegen frustriert mich seine Behauptung von Wahrheiten so sehr. Weil er die Vorläufigkeit von Erkenntnis, mit denen er die Behauptungen von anderen niederbügelt, nicht für seine eigenen wahrzunehmen scheint.
Diese Haltung relativiert auch wieder viele Aussagen, denen ich durchaus zustimmten würde. Wer kann behaupten, dass man Grenzen überwinden muss, wenn man dadurch, wie man redet, die ganze Zeit Grenzen zieht? Ich fürchte, ich kann aus dem, was er erzählt, einfach leider keinen Gewinn ziehen…
DAAAAnke Kathrin !
Ich kann nur noch copy and paste dazu.
„ich habe mich mit dem Talk echt schwer getan. Ich finde viele Positionen, mit denen ich bei ihm übereinstimme oder sagen würde, ja, das ist ein valider Punkt. Z.B. was Ganzheitlichkeit angeht. Oder das Überwinden von Grenzen. Aber ich möchte es von ihm nicht gelten lassen.
Für mich kam er (im Gegensatz zu anderen) total unsympathisch rüber, weil er einfach die ganze Zeit mit einer Bestimmtheit Sachen behauptet und sagt:
“Die einen sind so, die anderen sind so, wir Westler sind so, der Rest der Welt ist so, ich reise ja viel in Afrika und Asien, deswegen erzähl ich dir jetzt mal, wie die Welt ist.”
“Die Evangelikalen machen das falsch, die Katholen machen das falsch, aber das, was ich mache, das ist das wahre Christentum.”
Und hat er die Vorrednerin vom letzten Podcast für ihr Umweltengagement gedisst? “Ich war schon in den 80ern für Umweltschutz, ich kann da immer nur gelangweilt gähnen, wenn evangelikale Jugendliche jetzt Umweltschutz für sich entdecken.” Wie kann ein Erwachsener sowas sagen und sich selbst noch ernst nehmen?
Nun arbeitet man sich ja immer am meisten an Leuten ab, die einem in entscheidenden Punkten ähnlich sind und die Frage danach, was wahr und richtig ist, ist auch die, die mein Leben mit am stärksten beeinflusst. Und gerade deswegen frustriert mich seine Behauptung von Wahrheiten so sehr. Weil er die Vorläufigkeit von Erkenntnis, mit denen er die Behauptungen von anderen niederbügelt, nicht für seine eigenen wahrzunehmen scheint.
Diese Haltung relativiert auch wieder viele Aussagen, denen ich durchaus zustimmten würde. Wer kann behaupten, dass man Grenzen überwinden muss, wenn man dadurch, wie man redet, die ganze Zeit Grenzen zieht? Ich fürchte, ich kann aus dem, was er erzählt, einfach leider keinen Gewinn ziehen…“
Mir ging es ganz ähnlich beim Hören. Vielen Dank, Kathrin.
Irgendwie war es doch letztendlich der Jargon aus den Jugendgottesdiensten und Gemeindeseminaren meiner Vergangenheit: Der böse Zeitgeist, die entkernte liberale Theologie, das arme Sünderherz … gäääääähn….
Britta
Ich fand die Gedanken zum Thema „Erweckung“ interessant – werde sie nochmal hören und mir Gedanken machen…
Gedanken zu Jesus und dem Vater mit dem „besessenen“ Sohn, den die Jünger nicht heilen konnten, hab ich mir schon gemacht ( :
Ganz spannend ist da finde ich, dass sowohl der Sohn, also auch der Vater UND Jesus hin-und her-gerissen sind: Der Sohn von dem unreinen Geist zwischen Wasser und Feuer, der Vater zwischen Glaube und Zwiefel und Jesus zwischen Himmel (da kommt er gerade mit Petrus, Johannes und Jakobus her) und Erde („Wie lange muss ich eigentlich noch hier bleiben?“ … oder so ; ).
Jesus ist wohl derjenige, dem bewusst ist, durch was für eine Hölle der Vater geht; wie es ihn in der Sorge um seinen Sohn und in seinem Nichtmehrkönnen zerreißt – es geht möglicherweise „einfach“ um Mitgefühl, Bar(m)herzigkeit! Selber fasten (also etwas nicht mehr haben) und beten (das Ringen mit Gott ums Leben) macht empathischer!
Jesus war 40 Tage in der Wüste und ist an den Rand des Todes gekommen – möglicherweise darüber hinaus, denn Engel dienten ihm am Ende! Und er weiß, was da für Gedanken auf dich einstürmen, wenn du am Sterben bist (in diesem Fall vor Hunger). Dann ist die Sache mit dem liebenden Gott – Jesus ist ja vom Heiligen Geist in diese Wüste geschickt worden!!! – und dem geliebten Sohn vielleicht auf einmal gar nicht mehr so klar…
Ich glaube, Jesus kann sich in die Not des Vaters einfühlen, weil er selber die Not des Hin-und- Hergerissenseins kennt; das Fasten, nicht im Himmel sein zu können und das Ringen im Gebet um den Willen seines Vaters .
Und darum kann er den Vater heilen – und seinen Sohn : )
Oft können wir ja genau für die Krankheiten gut beten, die wir selber schon erlebt haben und darum eher nachfühlen können, wie es sich für den anderen anfühlt.
Die Jünger waren in ihrer Selbst-Erkenntnis und Gottes-Erkenntnis noch lange nicht dort, wo Jesus war.
Die Offenbarungsstelle würde ich ja witzigerweise ganz anders auslegen… Da muss ich aber nochmal die Stelle lesen und auch nochmal hören, was Johannes Hartl dazu gesagt hat.
so long…
Ich muss ehrlich sagen, als er von sich erzählt hat war mir Johannes Hartl viel sympathischer als wenn er später so sehr tut, als wüsste er so gut Bescheid über alles. Dass er das richtige, eigentlich Christsein lebt, da klingeln bei mir Alarmglocken. Ein wenig mehr Selbstkritik hätte ich mir gewünscht. Auch diese viert Punkte, wo er behauptet zu wissen, wie Christen sein müssten, wie kann man beispielsweise auf Knopfdruck fröhlich sein? Und es gibt auch Leute, die mit Kunst eher wenig anfangen können, die einfach weniger kreativ sind. Das Einzige, wo ich finde, dass er dabei recht hat ist Empathie. Frage: Wie weit geht er da mit gutem Beispiel voran?
Seine Sicht auf Gebet teile ich aber zu einem großen Teil. Nur dieses „Du musst beten und fasten, damit du es nicht verpasst, aber eigentlich hast du keinen Einfluss darauf“ ist mir zu krass. Denn da ist wieder ganz viel Druck bei, traut Gott nicht zu, einfach etwas zu schenken, nein, er ist dann darauf angewiesen, dass wir etwas tun.
Patrick Rabe
Anarchie schreibt: „Eine Person wie Johannes Hartl mit seinen sehr unterschiedlichen Hintergründen ist schon einmal ein typisch postmodernes Phänomen.“ Word. Ein evangelikal-charismatischer Katholik. Aber Emergent ist eine Mode. Schon klar.
Patrick Rabe
Patrick Rabe
Man müsste Johannes fairer Weise die Möglichkeit geben, das mit der „Mode“ genauer zu erklären. Dass ich die veränderte Sexualmoral seit ’68 für keine „Mode“ halte, wisst ihr. Da geht es ja auch schon lange nicht mehr darum, dass jetzt jeder mit jedem poppt. Die Entwicklungen unter heutigen Jugendlichen sind eher gegenteilig. Da geht es aber darum, Menschen gleiche Rechte zuzusprechen, die sie vorher teils jahrhundertelang nicht hatten. (Frauen, Homosexuelle, von Transgendern mal ganz zu schweigen). Da geht es auch darum, sich klar zu machen, dass die jahrhundertelange Verteufelung von Sexualität eine Neurosenlage (kollektiv!!!) erschaffen hat, von deren Überwindung oder gar Heilung wir noch weit entfernt sind. Und natürlich basiert die Entkriminalisierung von Schwulen und Lesben auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und nicht auf Modeströmungen. Da geht es um (Mit-)Menschlichkeit. Und Emergent hin oder her. Die Kirche als Ganze würde gut daran tun, sich dem zu öffnen. Da geht es nicht um Mode. Da geht es um die Zuerkennung der Menschenwürde.
Dasselbe hab ich bei seinem Wahrheitsbergriff gedacht. Er und wir scheinen echt komplett unterschiedliche Begriffe davon zu haben, was man unter „Wahrheit“ verstehen kann.
Ina
Hallo Leute,
guter Talk, ich verstehe von Johannes‘ Hintergrund nun einiges mehr. Einige seiner Podcast-Folgen finde ich richtig gut, v.a. über Gebet und persönlichen Glauben. Ich finde Johannes‘ Ernsthaftigkeit sehr beeindruckend und manchmal richtig mitreißend. In einigen Fragen des Zeitgeistes teile ich sogar seine Meinung (Stichwort: muss ich jeden Konsum-Mist mitmachen, muss ich alles kennen und ausprobieren, nur weil alle es cool finden?). Seine Bibelauslegungen finde ich oft spannend, auch wenn ich prinzipiell ein anderes Schriftverständnis habe.
Bei den üblichen strittigen Fragen zu Homosexualität und Geschlechterordnung halte ich es eher mit Jens‘ Stangenberg und finde es völlig okay, dass Ihr da kein Beef gemacht habt, sondern eher „explorativ“ mehr von Johannes als Typ erfahren wolltet. Zum einen haben wir hier schon so oft über Geschlecht und Sexualität diskutiert, so dass es wenig sinnvoll wäre, nur wieder die gleichen Argumente auf allen Seiten auszupacken. Zum anderen ist die Frage Geschlecht und Sexualität tatsächlich zur alles bestimmenden Gretchenfrage bei allen Beteiligten mutiert, und ich persönlich verweigere mich persönlich inzwischen diesem ritualisierten gegenseitigen Vorwurfsverhalten aus allen Lagern.
Was ich hier an den Hörerkommentaren sehr erstaunlich finde, ist, dass man offenbar – je nach Prägung – Johannes sehr unterschiedlich wahrnimmt. Für mich hatte er im Talk überhaupt nichts von einem, der sich autoritär hinstellt und Wahrheit nach dem Prinzip „Friss und halt die Klappe“ verkündet. Ich bin aber auch in einer Old-school-Debattenkultur großgeworden, in der man knackig Thesen formuliert. Ich schätze das eher..
Und ja, er ist sehr belesen (auch wenn ich Teile der Philosophiegeschichte anders einschätze vermutlich). Warum macht ihn das schon zu jemandem, der so tut, als ob er Bescheid weiß? Und weit gereist ist er auch, und im Rest der Welt ist es tatsächlich wesentlich lauter als in Deutschland. (Wer mal in einem afrikanischen Gottesdienst war, egal von welcher Denomination, weiß, was er meint.) Warum kommt das bei manchen Hörern als Besserwisserei an?
Kann es sein, dass diejenigen, die unter freikirchlichem Dogmatismus gelitten haben, nun GAR niemanden mehr ertragen, der nicht permanent die Relativität seiner Erkenntnisse betont? (Das fänd ich furchtbar, denn ich bin eine entschiedene Anhängerin produktiver Streitkultur.)
Es ist auch nicht so, dass er Umweltschutz „gedisst“ hat, sondern er hat den jüngeren Evangelikalen was zum Nachdenken gegeben, als er sagte „Ihr seid aber früh dran“. Er kommt (wie ich) aus der Volkskirche. (Dass ich evangelisch bin und er katholisch, ist ziemlich egal, weil sich die Jüngeren in den beiden Volkskirchen in den 80er und 90ern sehr ähnlich waren in punkto Umweltschutz, Friedensbewegung und Kapitalismuskritik.) Jetzt entdecken das die Freikirchler und tun so, als seien sie die ersten Christen zu diesen Themen. Auch vieles der Emergent-Bewegung hatten wir damals schon.
Für die Einheit der Christenheit wäre es doch hilfreich, den anderen in seiner Geschichte wahrzunehmen oder? Ansonsten bleibt dieser emergente Aufbruch womöglich eine rein freikirchliche Befreiungsbewegung (siehe meine Erfahrungen mit Emergent 2016 in der Kommentarabteilung von Hossa-Talk #53).
Eine Fortsetzung des Talks fänd ich echt klasse. Dann mit mehr Abstecher ins Eingemachte. 😉
Mich würde interessieren, was Johannes eigentlich unter Wahrheit versteht (und inwieweit das Hand in Hand mit einem bestimmten Bibelverständnis geht). Der Gegensatz zwischen klassischem Wahrheitsbegriff und poststrukturalistischer De-Konstruktion von bestimmten Wahrheitsansprüchen (was etwas anderes ist als Destruktion von Wahrheit „an sich“!) wäre doch spannend.
Zumal ich den Eindruck habe, dass die ganze Rede von der „Postmoderne“ v.a. ideologisch ist (sowohl von Emergenten wie von Konservativen ), dass Johannes das sehr wohl weiß, aber dann doch wieder alles reduziert auf „Modernismus“. Und das gleichsetzt mit liberaler Theologie.
But it’s not so easy, you know! 😉
ich kann deinen ganzen Kommentar nur so unterschreiben.
Mir geht es auch so, dass aus zB postmodernen Anfragen überhaupt nicht folgen sollte, dass man nur noch im Gestus der Bescheidenheit oder der ironischen Brechung von Wahrheit und seinen Überzeugungen reden sollte.
Mir ging es auch so, dass ich nicht das Problem sehe, dass Menschen mit Überzeugung Dinge behaupten, solange sie offen für Anfragen sind. Das scheint mir bei Hartl im höheren Maße gegeben zu sein, als zB bei einem Parzany oder so. Ich hatte beim Hören zwar hin und wieder genervt die Augen gerollt, aber das lag strikt an einem „evangelikalen Tonfall“ – eher also an einer gewissen Art zu sprechen. Das ist aber nur ein ästhetisches Urteil und somit: Geschmackssache.
Aber ich schreibe Dir wegen Deinen Erfahrungen beim Emergent Forum. Ich bin selbst seit 10 Jahren aktives Mitglied bei Emergent und ich kann die Erfahrungen gut verstehen. Zu gerne nur hätte ich sie als direkte Rückmeldung an Emergent gehabt. Jetzt habe ich mehr als ein Jahr später durch Zufall in einem Forum von Ihnen gelesen. Uns hätte das sehr geholfen bei der Nachbereitung des Forums.
Denn wir haben eigentlich seit dem 2. Emergent Forum gesehen: wir möchten nicht ausschließlich eine therapeutischer Raum für Postevangelikale sein, die sich an ihrem Evangelikalen Trauma abarbeiten.
Das entscheidende ist da: die „Reaktanz“ also die Trotzhaltung sich aus bestimmten Engführungen zu befreien, indem man nun etwa „ganz radikal“ „einfach nur Fragen stellt“. Meistens bleibt man dabei in einem evangelikalen Problemfeld stecken (zB die unhistorisch Art seinen Glauben zu verstehen und einen gewissen theologischen Provinzialismus, der sich dann in so Sätzen ausdrückt wie „Wir Christen haben das Problem, dass“).
Uns ist es eigentlich wichtig zu sagen: das ist nicht alles, was bei Emergent passiert. Es wird immer wieder passieren, weil immer wieder neue Leute kommen, die erstmal den therapeutischen Rahmen benötigen. Ich selber gucke mit größerer Distanz auf die evangelikale Bewegung und viele bei Emergent haben gar keinen freikirchlichen Hintergrund. Zu den Einseitigkeiten zB in Bezug auf eine „Angst vor der Wahrheitsfrage“ habe ich hier etwas geschrieben: https://failingforward.wordpress.com/2016/09/14/emergent-forum-soundbites/
Ich hätte bei Emergent gerne mehr Stimmen wie Deine, denn das hilft dabei auch mal wirklich zu „neuen Ufern“ aufzubrechen. Am Samstag, den 2.12. treffen wir uns mit allen, die Interesse haben hier die Zukunft von Emergent mit zu prägen in Kassel. Das wird sicher zu kurzfristig sein – ich weiß ja nicht, wo Du wohnst! – aber dennoch: herzliche Einladung. Aber ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn Du vielleicht Deine Eindrücke nochmal kurz aufschreibst und aus Deiner Perspektive mal formulierst: was würdest Du Dir von Emergent wünschen? Was wären zukünftige Themen etc.?
Wenn Du Interesse hättest, schreib mir mal!
Ina
Hey, danke für Dein Feed-Back.
Und für den Hinweis, dass Dich v.a. Johannes‘ „evangelikaler Tonfall“ hat die Augen rollen lassen. Das ist nämlich womöglich genau der Punkt, warum wir als Hörer so unterschiedlich auf ihn reagieren. Ich selbst kenne diesen Stil nicht besonders gut (ich habe mich v.a. in der EKHN herumgetrieben.) und kann mich wahrscheinlich einfach gut abgrenzen, während manche andere es als fast schon übergriffig empfinden. Es erreicht mich anscheinend nicht so arg (?). Von daher: auch der Ton macht die Musik, Ästhetik ist nicht unwichtig. 😉
Ja, guter Punkt, dass Du Dir meine Erfahrungen als direkten Input nach Emergent 2016 gewünscht hättest. Ich habe damals auch darüber nachgedacht, mich dann aber dagegen entschieden, weil ich es nicht allgemein ausformulieren konnte und nicht persönlich werden wollte…
Euer Vorbereitungstreffen würde mich interessieren, aber ich bin terminlich schon verplant. Prinzipiell bin ich total bei dem, was Du mir hier geantwortet hast und was Du auf Deinem Blog über Emergent schreibst. Ich melde mich also mal bei Dir. 🙂
Ina schreibt: „Mich würde interessieren, was Johannes eigentlich unter Wahrheit versteht (und inwieweit das Hand in Hand mit einem bestimmten Bibelverständnis geht). Der Gegensatz zwischen klassischem Wahrheitsbegriff und poststrukturalistischer De-Konstruktion von bestimmten Wahrheitsansprüchen (was etwas anderes ist als Destruktion von Wahrheit “an sich”!) wäre doch spannend.“
Johannes Hartl ist nämlich so klasse, das man vieles erst beim zweiten mal hört,
das die Worte nicht eindeutig sind und damit nicht gefüllt!
Deswegen müsste die Frage auch heißen, wie sie Hartl selber stellt: „Meine Frage ist, was genau unbiblisch oder falsch sei an dem, was ich öffentlich verkündige?“
spannend, wie unterschiedlich Leute den Johannes wahrnehmen. Ich denke, das und die Sache mit der Debattenkultur ist sicher ne Sache von Prägung, aber auch ne Sache von Persönlichkeit. Denn bei mir zieht sich innerlich alles zusammen, wenn ich kontrovers diskutiere. Aber dann kann ich es auch nicht einfach so stehen lassen 😉 so here goes nothing:
Nur vorneweg um deine Annahme zu korrigieren, ich habe erst mal nichts mit der emergenten Bewegung zu tun. Ich würde nicht sagen, dass ich in meiner Jugend einem freikirchlichen Dogmatismus gelitten habe. Ich bin sowohl im evangelikalen als auch im kirchlichen Kontext sozialisiert. Seit meiner Jugend hatte ich ein Faible für Fantasy, weswegen ich wohl den evangelikalen Kontext mit einem Glauben an Übernatürliches, echte Wunder und Dämonen sexier fand, als die rationalistische evangelische Kirche. Aber dann wird man älter, sieht was von der Welt und dann schämt man sich für seine alten Überzeugungen. Z.B. dass man gewissen evangelikalen verschwörungstheoretischen Schinken aus den 80ern jemals Glauben geschenkt hat ;p
Vor diesem Hintergrund (also meiner Geschichte/Sozialisierung) höre ich bei Johannes Hartl einfach gewisse Plattitüden, die mir zum Hals raushängen. Natürlich ist er weit gereist und belesen, dass stelle ich gar nicht in Abrede, aber wie oft habe ich schon die Sätze gehört „In Afrika, Asien und Lateinamerika passieren einfach viel mehr Wunder“, „Die haben dort einen viel lebendigeren Glauben, wir sind die, die komisch sind.“ Ich finde es prinzipiell gut, wenn man mal anerkennt, dass der Großteil der Kirche im globalen Süden ist und das Kirche dort ganz andere Fragen bewegt als bei uns, aber ich finde es albern, so zu tun, als müssten wir hier traurig sein, dass wir oft eine so ernsthafte und zweifelende Glaubenspraxis haben. Und statt dass man überlegt, welche historisch-kulturellen Faktoren dazu beitragen könnten, dass die Christen dort von mehr Wundern berichten, wird das immer so als großes Mysterium aus dem Hut gezaubert, wahlweise mit den Innuendos „Wir glauben nicht genug“, „Die Säkularisierung beeinträchtigt das Wirken des Heiligen Geistes“, „Wir müssen mehr von deren Glaubenskultur übernehmen, damit das bei uns auch passiert“. Ich bin vielleicht nicht so viel gereist wie er, aber doch lange und weit genug, um zu wissen, dass es gut ist, wie es anderswo ist und dass es auch gut ist, wie es hier ist, aber dass es natürlich hier wie dort Probleme gibt.
Eine weitere Ansammlung von Plattitüden hörte ich, als Johannes über sich erzählt hat. Du hast da vielleicht Interessantes über ihn erfahren, ich habe da nur eine typische übernatürliche Bekehrungsgeschichte gehört nach dem Muster: „Mein Leben vorher war sinnlos – dann lernte ich Jesus kennen und alles wurde besser.“ Wobei man ihm wohl zu Gute halten muss, dass er auf Nachfrage dann doch noch die Schattierungen von „natürlich hielt dieses Gefühl der Verliebtheit nicht an“ und „manche Freunde, die sich bekehrt hatten, wollten danach gar nichts mehr damit zu tun haben“ hereingebracht hat.
Ich hätte gerne mehr über seinen Ausbildungsweg erfahren, wie seine Überzeugungen gewachsen sind, usw. Dazu hat er meiner Meinung nach reichlich wenig durchblicken lassen.
Und im Bezug auf sein Auftreten: Ich glaube, du vergisst, dass Johannes Hartl nicht nur Privatperson ist, sondern tatsächlich auch das Icon des Gebetshauses. Ich finde, so eine Person hat die Verantwortung, Leute zu einer selbstbestimmten Glaubenspraxis zu führen und nicht zu einer, die seinen persönlichen Präferenzen entspricht. Und ja, ich rede hier von führen, weil ich den Eindruck habe, dass er als charismatischer (im Sinne von Austrahlung) Leiter des Gebetshauses natürlich großen Einfluss auf seine Fans und Unterstützer hat. Das ist aber auch keine Kritik, die ich nur an Hartl richte, sondern an viele charismatische Leiter von Institutionen.
Zu dem Punkt mit dem Umweltschutz: Ich glaube, ich weiß immer noch nicht, auf welche Geschichtsvergessenheit in der Hinsicht er und du da anspielen? Wenn er sich auf auf Doro und die Organisation aus der letzten Folge bezieht, dann ist die Kritik eindeutig unangebracht, weil sie sich ja sehr der Geschichte bewusst sind. Wo tun evangelikale Christen bitte so, als wären sie die ersten Christen, die sich für Umweltschutz engagieren? Das wäre natürlich dämlich, aber mich würde mal interessieren, wo die Behauptung herkommt.
Du sagst, „Für die Einheit der Christenheit wäre es doch hilfreich, den anderen in seiner Geschichte wahrzunehmen oder?“, und da stimme ich dir voll zu. Aber ich finde dazu darf auch gehören, dass man für sich zu dem Punkt kommt, dass einem jemand in einer bestimmten Lebenssituation einfach nichts Gewinnbringendes zu sagen hat. Ich kann aus mir selbst nicht raus und deshalb höre bei Hartl einfach die ganze Zeit evangelikale Plattitüden. Das heißt ja nicht, dass andere ihn nicht mit Gewinn hören dürfen. Und ich freue mich, wenn ich in ein paar Jahren solchen Leuten mit mehr Gnade zuhören kann, aber in der Zwischenzeit schäme ich mich nicht dafür, mein Unwohlsein darüber auszudrücken. Warum auch?
Lieben Gruß,
Kathrin
Ina
Hallo Kathrin,
danke für Deine Erklärungen. Ich verstehe nun besser, was Du meinst. Da ich diesen Teil der Christenheit nicht kenne, ist vieles von dem, was Johannes sagte, für mich keine Plattitüde. Manches finde ich sogar fast erfrischend, da ich eher aus einem sehr intellektuellen (sogenannten „aufgeklärten“) Glauben komme (aber dann irgendwann meine Erfahrungen mit Gott gemacht habe, über die ich mit vielen meiner liberalen Glaubendgeschwister nicht sprechen kann – da gibt es nämlich allzu oft auch Denkverbote, die aber andere sind…). Was für Dich wie eine der üblichen Bekehrungsgeschichten klingt, hört sich für mich an wie etwas, was ich in Teilen meines liberalen Umfeldes nicht äußern dürfte – obwohl ich solche Erfahrungen gemacht habe. Ich würde bei den aufgeklärten Liberalen meine intellektuelle Redlichkeit aufs Spiel setzen.
Ich stimme Dir zu, dass man aus der Andersheit der Christen anderer Erdteile keinen Exotismus machen und es nicht den hiesigen Christen „erzieherisch“ vorhalten darf (schon gar nicht, um Säkularisierung zu verteufeln). Es ist aber für mich doch so gewesen, dass mir, als ich sowieso gerade an der liberalen Glaubenskultur meiner Kirche verzweiflte und dann aus beruflichen Gründen eine zeitlang außerhalb Europas lebte, diese anderen Christen vor Augen geführt haben, dass mir etwas fehlt (auch wenn ich gleichzeitig sehr genau wusste, dass ich ihren Weg nicht gehen kann).
Auf wen sich Johannes bezog, als er über Umweltschutz sprach, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, was für Schlüsse er aus seiner volkskirchlichen Jugend in bezug auf dieses Thema für sich gezogen hat. Vermutlich gibt es da gar keine großartigen Parallelen zwischen ihm und mir (denn schließlich vertritt er teilweise eine Theologie, mit der ich nichts anfangen kann).
Ich beziehe mich „nur“ darauf, dass ich schon häufiger mit anderen Christen (aus einem anderen Umfeld als ich) das Thema hatte, dass sie nun einen „modernen“ Glauben für sich entdecken: politisch aktiv (Schöpfungsbewahrung, globale Gerechtigkeit), Jesus als Sozialkritiker, Pete Rollins oder was auch immer. Das ist ihr gutes Recht und diese Position ist nicht „falsch“. Ich hatte das aber schon (damals gab es zwar Rollins noch nicht, aber Dorothee Sölle…) und möchte dahin nicht mehr zurück, es ist mir in manchen Spielarten zu wenig. Ich habe in diesem „säkularen“ Glauben meinen Glauben verloren und lange nicht wiedergefunden (und habe hier im Forum häufiger schon dazu geschrieben, will das deshalb jetzt nicht wieder auswalzen). Wenn wir über innerchristliche Grenzen hinweg miteinander zu tun haben wollen (womöglich sogar für einen Aufbruch arbeiten wollen), müssen solche historischen Unterschiede berücksichtigt werden. Viele Ex-Evangelikale haben für die Traditionen anderer aber kein großes Bewusstsein, das ist mein Punkt.
Siegfried Zimmer hat übrigens vor kurzem einen Vortrag gehalten über seinen Traum von einem christlichen Aufbruch, der weder evangelikal noch liberal ist. Das kommt meinen Vorstellungen sehr nahe. Spannend finde ich seine Aussage (eher gegen Ende des Vortrags), dass ehemalige Evangelikale nicht zu schnell und unkritisch in liberale Vorstellungen springen sollten, da diese auch ihre Schwierigkeiten haben. (Vielleicht verstehst Du meine Position dann eher?)
youtube. com/watch?v=eKY7nTHwr8g
Ich stimme Dir darin übrigens auch zu, dass ich einige von Johannes‘ Gebetshaus-Vorträgen dogmatisch bedenklich finde, weil sie mir einen Tacken zu „indoktrinatorisch“ sind.
Lieben Gruß von Ina
Kristian
Ich fand es eine der spannendsten Folgen seit langem. Die Fragen waren gut gewählt und ich fand es auch eine gute Entscheidung von J&G nicht zu heftig auf Konfrontationskurs zu gehen. Bis auf ein kleineres Ärgernis (s.U.), fand ich das meiste was Hartl sagt sehr wohlüberlegt und erfrischend und hat viele Vorurteile widerlegt. Und dann zum Schluss der große Schock, auf einmal kommt viel undurchdachter, vorurteils-beladener Mist von wegen „Modeerscheinung Liberalismus“ und so. Damit fällt dann doch die Maske und Johannes zeigt sein wahres reaktionäres Gesicht.
Was mich schon die ganze Zeit geärgert hatte: diese pauschale Abwertung von allem „Westlichen“ und die Erhöhung der nicht-europäischen Kulturen. Wir Europäer sind verkopft und langweilig und die Afrikaner/Asiaten sind leidenschaftlich, spirituell und mystisch. So ein Quatsch. Ich finde es ja gut, wenn man dem Eurozentrismus gegensteuert, aber die Romantisierung der „Anderen“ wie Hartl sie betreibt ist letztenendes auch wieder Eurozentrismus, nur ein verdrehter selbst-hassender. Mag sein, dass wir „rationaler“ sind als die Menschen/Christen in anderen Ländern, aber darin liegt ja auch eine große Stärke. Man schaue sich nur mal an, was afrikanische Christen mit Homosexuellen und angeblichen „Hexen“ anstellen…
Dr. Johannes Hartl @ HossaTalk: Unglaublich wie sich dieser Prince Charming der theologisch neo-konservativen Reconquista mit ein paar popkulturell-biographischen Codes emotionalen Zutritt ins emergente Allerheiligste verschafft. Dann holt er die grauen Eminenzen ganz großartig mit Mystik (Jay) und Kunst (Gofi) in ihren vertrauten Lebenswelten ab. Ganz en passant verbittet er sich unreflektierte AFD-Kritik, um dann in einer dramatisch spitzenmäßig getimten Schlußszene den ganzen liberalen Palast zum Einsturz zu bringen. Wow! https://www.youtube.com/watch?v=8pbdLqTh_x4&index=19&list=PLc89_7PzfoPDeN0H-MIGpVAM5xzCnbG57
Also mal ehrlich: ich habe mir mal deine Seite kurz angeschaut.
Netterweise steht immer links neben den Artikeln, wer genau der Feind ist (denn der Feind steht IMMER links!1!): Postmodernismus, Liberalismus, EKD, Linksevangelikalismus etc. pp.
Alles klar – Haters gonna hate.
Aber: mal ganz abgesehen davon: Du scheinst Dich nach einem Kulturkampf in US-amerikansichen Maßstäben zu seh(n)en. Denn so klingen die Feindbilder: Kulturlinke der Frankfurter Schule (ernsthaft ? Nenn mir doch mal einen wichtigen lebenden Vertreter der Frankfurter Schule! Und Habermas zählt da ganz sicher nicht rein!) übernehmen unsere Kirchen.
Kann man machen. Man kann jetzt nach amerikanischem Vorbild so einen Kulturkampf führen – übrigens: das wird dann ein Kulturkampf zwischen den 0,1% – höchstens 1 % Evangeliaklen und Post-Evangelikalen. Der Rest der Christenheit in Deutschland nimmt das überhaupt nicht wahr.
Es ist immer gut zu wissen wer der Feind ist und sich selbst ein bisschen wichtigtuerisch in einem „großen Kampf“ zu sehen. ch rede nicht von inhaltlichen Auseinandersetzungen oder Gegnerschaft – ich rede von Feindschaft und von der Unerbittlichkeit, die nur Sieg oder Niederlage kennt. Ich rede von der Hysterie eines Kulturkampfes. Und ich rede davon, einfach die Kämpfe des amerikansichen Christentums inklusive seiner Kampfbegriffe zu übernehmen.
Aber dann frage man sich bitte: will man das?
Dann gucke man sich mal das amerikanische Christentum an – ALLE Seiten. Und frage sich: wird hier das Zeugnis von Jesus Christus eher erhellt oder eher verdunkelt? Ich glaube ehrlichgesagt: das amerikanische Christentum ist einige Jahrzehnte lang kaputt. Die Rhetorik von Francis Schaeffer und co, der sich mit dem Zeitgeist ins Bett gelegt hat und so einen Kulturkampf begonnen hat führte nun direkt zur Wahl Donald Trumps, wo dieser Kulturkampf sich so verselbstständigt hat, dass dieses Bedürfnis einen Kulturkampf zu führen ein richtiger Götze wurde und das Zeugnis von Jesus Christus vollständig untergraben hat.
(Und ja: sowas kann „links“ genauso passieren; ich tue das meine dafür zu sorgen, dass dem nicht so ist).
Ich sage nur: kann man alles machen. Wenn da die NeoKons so einen Kampf wollen gibt es natürlich nur eine Taktik: sich diesem Kampf entziehen und nicht in die „Konservativ vs. Liberal Falle“ tappen.
Vielen Dank für den vollkommen richtigen Hinweis Arne!
Korrekt muss es natürlich heissen „theo-konservative Reconquista“. Hatte das auch schon überall korrigieren können, leider gibt es aber ausgerechnet hier keine Überarbeitungsfunktion. Mittlerweile hat sich neben Dir auch Johannes selber schon wegen der seiner Meinung nach „phantastisch geschriebene vernichtende Kritik“ gemeldet, sodaß es wahrscheinlich wirklich am allerbesten wäre hier nochmal die von mir überarbeitete Version reinzustellen:
>>Dr. Johannes Hartl @ HossaTalk: Unglaublich wie sich dieser Prince Charming der theo-konservativen Reconquista mit ein paar popkulturell-biographischen Codes emotionalen Zutritt ins emergente Allerheiligste verschafft. Wie er diese happy-go-lucky-Stimmung aufbaut und die grauen Eminenzen dann ganz großartig mit Mystik (Jay) und Kunst (Gofi) in ihren vertrauten Lebenswelten abholt. Ganz en passant verbittet er sich unreflektierte AFD-Kritik (unwidersprochen von J&G!!!), um dann in einer dramatisch spitzenmäßig getimten Schlußszene den ganzen liberalen Palast zum Einsturz zu bringen. Wow! https://www.youtube.com/watch?v=8pbdLqTh_x4&index=19&list=PLc89_7PzfoPDeN0H-MIGpVAM5xzCnbG57<<
Ich habe mich nicht am Begriff „konservativ“ oder „neokonsertiv“ gestört, sondern am Begriff „Rekonquista“.
Wer führt hier eine Rekonquista? Und gegen wen? Ist das jetzt die Rhetorik der Stunde? Nochmal: kann man ja machen – aber dann: weißt Du, was Du damit tust und sagst? Welche implizite Theologie steckt in solchen Begriffen?
Und: was soll das heißen: Johannes fand jetzt was genau gut?
Diesen kurzen Teaser Text?
Der Text ist ja in Teilen lustig und auch treffend: nämlich durch bestimmte Codes findet man Gehör. Ok, und: das spricht jetzt GEGEN den Podcast oder dafür? Was willst Du denn? Lieber eine Welt, wo man keine Chance hat, Gehör zu finden? Nochmal: willst Du lieber gegenseitiges Anbrüllen oder freundlich indifferentes Ignorieren?
Und zuletzt: warum bist Du eigentlich so fixiert auf die Postevangelikale Bewegung? Warum guckst Du da so fasziniert hin auf die 2,3 Leute, die sich da finden? Der Küchenpsychologe in mir sagt: „You are what you hate!“.
Du Arne, wir müssen uns unbedingt ein anderes mal weiterunterhalten, mein Vater wurde heute reanimiert und liegt im Koma. Ich muss mich jetzt kümmern …
CU OrthodoxPop https://g.co/kgs/euniqT
Johannes‘ Thesen zum Umgang mit politischer Debatte waren für mich herausfordernd, aber er konnte mich doch in einigen wesentlichen Punkten überzeugen. Das war genau so ein Erlebnis, von dem im Talk auch die Rede war: sich auf die „andere Seite“ einlassen und dabei etwas lernen und mitnehmen. Toll.
Das ganze hat aber einen fahlen Beigeschmack für mich. Anlässlich der Trump-Wahl war sich Hartl nämlich nicht zu schade, den Mythos zu verbreiten, die Organisation „Planned Parenthood“, die in den USA medizinische Versorgung für schwangere Frauen zur Verfügung stellt (wozu auch Abtreibungen gehören), mache Profit durch den Verkauf der Körperteile toter Babys.
Diese haarsträubende Horrorstory hat unter US-Evangelikalen und Republikanern für enormen politischen Wirbel gesorgt, ist aber inzwischen mehrfach ausführlich widerlegt worden.
Dass jemand, der sich politische Zurückhaltung und den eigenen Doktortitel so breit auf die Fahnen schreibt, solches Zeug verbreitet, macht mich ziemlich nachdenklich…
Elbenfrau
Puh, so sehr beschäftigt hat mich schon lange kein Talk mehr.
Mein erster Eindruck war: sehr lockerer, interessanter Typ. Eine Bereicherung in der christlichen Landschaft, der eine Menge anderer Aspekte reinbringt. Ernsthaft. Hingebungsvoll. Intelligent. Und keine Angst, in ein Fettnäpfchen zu treten, sein eigenen Ding zu machen, ob es die anderen toll finden, oder nicht. Was schon in seiner Jugend auffällt. Ich mag solche Leute total, ohne sie würde echt was fehlen. Sie sind selbstbewusst und trauen sich, auch ungewöhnliche Dinge zu sagen.
Manchmal wünschte ich aber, dass ihr Starken irgendwie klarer Position für die Ausgegrenzten beziehen würdet. Die evangelikal-charismatische Bewegung hat damit ein ganz schön großes Problem… für die heilige Einheit der Leiter werden schon mal ein paar Aussenseiter übersehen. Das erinnert mich daran, wie es bei Ärzten ist, die halten zusammen, sagt man, bis dahin, dass sie aus Kollegialtität auch Kunstfehler decken. Es ist ja auch ok, verschiedener Meinung zu sein, und das kann auch bekannt sein und muss überhaupt nicht zu einer Trennung führen. Nur zwischendurch gibt es Themen, da wär „Opferschutz“ meine erste Option. Für einen rausgemobbten LGBTTI ist es warscheinlich einfacher, einen Talk mit einem Satanisten zu hören, als einen Talk mit jemand, der eben mit all den anderen super kann…. das hat nix mit „erwachsen werden“ zu tun.
Bei Hossatalk gibt es halt eine Menge Leute, die aus einem für sie sehr ungesunden System kommen, dass der Kontext für sie eher abschreckend sein kann. (Lobpreisband, Konferenzen, mehr Predigt als Gespräch, und auch sehr viel Zusammenarbeit mit Leuten, von unglaublich von ihrem eigenen Wissen überzeugt sind). Ich kenne schon ein paar trans- und homosexuelle Menschen und Familienangehörige, die sich in diese Szene nicht reintrauen, mit guten Gründen.
Auch Leute, die z.B. viel unbegreifliches Leid erleben mussten, oder die heftige Zweifelphasen hatten, haben manchmal nicht mehr so viel Vertrauen ins System. Eher so: es kann gut gehen, es kann aber auch so laufen, dass mich ein blöder Spruch total abfertigt. Vielleicht verstehst du, warum es diese Skepsis gibt.
Also, gemischte Gefühle…..
Aber, hey, was mich dann echt total gewundert hat, war der Vortrag über Mystik, den ich mir dann reingezogen hab. Dieser Vortrag spricht mir unglaublich aus der Seele und ehrlich gesagt, diese Aussagen und der Respekt, den er der Mystik in allen Religionen entgegenbringt, hat mir selbst totalen Stress eingebracht, und zwar in meiner alten Pfingstgemeinde. Trotzdem war und bin ich überzeugt, dass der mystische Weg ein guter und gottgefälliger Weg ist, und somit kam ich damals schon etwas auf die „schwarze Liste der gefährlichen Personen“.
Gerade dieser Weg wird in der postmodernen, oder emergenten Bewegung begrüßt und in der evangelikal-charismatischen eher sehr skeptisch betrachtet, selbt bei Formen, die lang nicht so weit gehen, wie Johannes in seinem Vortrag.
Ich mag die Emerging Church so sehr, weil sie anerkennen, wie viele Menschen heute sind. Dass uns Autoritäten und Pseudofestlegungen enttäuscht haben, und wir das Vertrauen in ein System, dass damit auch die Schafe kurzhalten wollte, verloren haben. Und weil sie sagen, da ist eine Unsicherheit, aber in dieser Unsicherheit lässt sich Gott finden. In den ungelösten Fragen, die wir haben: „Warum das Leid? Warum bin ich so, wie ich bin? Wie bist du denn wirklich Gott?“ Eine Kirche, die zuviel redet und mir diese Fragen beantworten will, finde ich inzwischen sehr schwierig.
Eine Kirche, die sagt, auch wir haben offene Fragen, aber komm, lass uns Platz schaffen und Wege teilen, um unser Leben mit Gott zu verbinden, da fühle ich mich daheim und meine eigene Realität zeigt, dass ich in diesem Umfeld, wo was offen bleiben kann, das, was ich wirklich glaube (Gott ist mit uns) eine unglaublich tiefe Kraft entfaltet, und eine sehr schwer in Worte zu fassende Gewissheit.
Deshalb hat es mich schon etwas überrascht, diese schroffe Abgrenzung von Johannes Hartl zur emergenten Bewegung… passt halt gar nicht zusammen.
Bin mal gespannt, ob du, Johannes dir all unsere Kommentare reinziehst und ich hoffe auf eine Fortsetzung.
Und empfehle, wie gesagt allen, den Vortrag über „Mystik“.
die Elbenfrau
Gut, dass Gott auch für die da ist, und dass der Weg z.B. der Mystik und des Gebets für uns alle mit unserem ganzen So-Sein frei ist. Das Nicht-Richten, sondern sich Anvertrauen und dann in eine Jüngerbeziehung kommen.
Ich wünschte, die evangelikal-charismatische Christenheit würde sich wirklich mehr als Suchende und Lernende und ihre Wissen als Stückwerk verstehen und anderen Suchenden und Lernenden eine stärkere Rückendeckung geben. In diesem Mystik-Vortrag ist es super gut ausgearbeitet. Das ist ein heißer Tip für echt alle.
Der Hossatalk ist cool für alle, ausgenommen für die noch von übergriffigen Christen geschädigten Leute, andererseits muss man ja irgendwann auch anfangen, zu schauen, wie nah man sich wieder dranwagt.
Bin mal gespannt, ob sich Johannes all unsere Antworten reinzieht.
.
Kathrin
Das war wohltuend zu lesen.
Peter
Hm. Ich tue mir schwer mit diesem Talk.
Zum einen kommt Johannes Hartl sehr sympathisch rüber und sagt viele kluge und gute Dinge, die ich so unterschreiben würde. Aber es bleibt für mich ein fahler Beigeschmack, weil er nach meinem Empfinden zum einen recht widersprüchlich erscheint und zum anderen doch auch eine gewisse „ich-weiß-alles“-Arroganz ausstrahlt.
Ich versuch das etwas auszuführen: in Bezug auf die Politik will er inhaltliche Argumente führen und kein Schubladendenken betreiben. Schön und gut – aber er vermittelt damit den Eindruck, als seien einige Positionen der AfD (erinnert sei an die rassistischen Ausfälle von „Bernd“ Höcke) ganz normale inhaltliche Positionen, über die man irgendwie abwägen und nach längerem drüber Nachdenken vielleicht zu dem Schluss kommen könnte, dass dieses Positionen gar nicht so falsch sind. Das halte ich für mehr als gefährlich. Zumal er drei Sätze weiter überhaupt kein Problem damit hat, alles mögliche unter „liberaler Theologie“ zusammenzufassen und abzulehnen. Da geht’s dann plötzlich nicht mehr um Inhalte.
Oder dieses Ausführungen darüber, wie wenig intellektuell/wissenschaftlich/ästhetisch die Evangelikalen sind. Das ist zwar was, was ich durchaus verstehen kann, aber er vermittelt den Eindruck, dass er es im Gegensatz zu den Evangelikalen eben blickt und in Bezug auf all diese Dinge ziemlich der Hecht ist.
Ich erinnere mich auch an eine Diskussion auf Facebook zum Thema „Demo für alle“, die zumindest in der Anfangszeit von Beatrix von Storch von der AfD organisiert wurde. Im Impressum der Demo für alle steht das natürlich nicht drin (da ist irgendeine Strohmann-Organisation), aber mit etwas Recherche findet man die entsprechenden Nachweise im Netz (von Storch hatte selbst gesagt, dass sie das organisiert). Obwohl ich die Argumente angeführt hatte, kam von seiner Seite nur „ich glaube, was im Impressum steht“. Für jemanden, der doch nach eigener Ansage so sehr an wissenschaftlichen Aussagen/Methoden interessiert ist, ist das eher schwach.
Was er zum Umgangston in Sachen AfD sagt, ist schon ganz richtig. Ich finde es aber auch schade, dass er wieder die Gelegenheit nicht wahrnimmt, sich inhaltlich klar zu positionieren. Und keine Position ist eben auch eine Position. In puncto Rassismus etc ist es halt nicht die Position, die wir einnehmen sollten.
Ralf
Zur Bemerkung, Hartl habe eine Gelegenheit verpasst sich klar zu positionieren.
Solche Forderungen sind derzeit schwer in Mode. Das macht mich nachdenklich über die Motive dahinter.
Dazu eine Szene aus dem Programm „Amen“ des Kabarettisten Andreas Rebers, der auf der Bühne mit seiner Kunstfigur Frau Hammer (eine Nachbarin, die bei den Grünen aktiv ist) folgenden Dialog führt.
Hammer: „Herr Rebers, was sie da gesagt haben, also das war für mich jetzt nicht Links.“ Rebers: „Wieso?“ Hammer: „Na, Sie sagen nicht ‚Links‘. – Und was haben sie überhaupt gegen die Grünen? Wir sind doch die Guten.“ Rebers: „Ich hab nichts gegen die Grünen. – Ich habe was gegen die Guten. Weil die Guten immer sagen, wir sind gut und weil sie immer diese Gutheit vor sich hertragen. Im Englischen heißt das übrigens Wellness. Ich habe kein Interesse an Ihrer moralischen Wellnesserei, Frau Hammer. Sich hinzustellen, auf andere zu zeigen und zu sagen, die sind Rechts, das ist ganz einfach.“ Hammer: „Aber Herr Rebers, was soll ich jetzt denken?“ Rebers: „ … dann versuchen sie es einfach einmal. Ich bin ja nicht für Ihren Applaus zuständig.“ Hammer: „Äh, nein ich meine, wie soll ich Sie denn nun politisch verorten?“ Rebers: „Sagen wir mal so: Ich bin das Dritte, von dem die meisten sagen, es gibt nur zwei.“ Hammer: „Also nein, Herr Rebers, was soll denn das bedeuten?“ Rebers: „Ich bin sozusagen die radikale Mitte. Ich möchte nicht, dass die Mitte irgendwann tiefer liegt, als die Ränder. Wenn wir weiterhin bestimmte Themen ignorieren, dann werden die Ränder immer breiter und wir bekommen eine Art Kloschüssel. Irgendwann passt eine Klobrille drauf und dann fehlt nur noch der passende Arsch.“ Hammer „Ja, und dann?“ Rebers: „Mensch, Frau Hammer, das ist doch klar. Alles, was uns dann nur noch entgegenkommen kann, ist richtig Scheiße. Und das will ich nicht. Die Themen sollen in der Mitte bleiben und dort ganz exzellent verhackstückt werden.“
Ein Motto der fiktiven, von Rerbers erdachten, Religionsgemeinschaft der „Schlesischen Bitocken“ lautet übrigens: „Wir suchen das Gemeinsame. Das Trennende überlassen wir anderen.“
Werner
ihr lieben leute,
hab das gefühl, dass hier gerade ein intellektueller club debattiert, aber der durchschnitts-hossa-hörer und alles darunter ist ausgeschlossen.
intelligenz zeigt sich daran, ob man schwieriges einfach darstellen kann, und nicht dadurch, dass man demonstriert, ein bestimmtes vokabular drauf zu haben, durch dessen intensiven gebrauch man die, denen das nicht geschenkt ist, frustriert und fern hält.
ich bitte euch – vermutlich auch im namen all derer, die ihre brötchen mit der schaffung konkreter werte verdienen, und deshalb eher bodenständiger denken – dass ihr euch bei jedem satz, der zum verständnis eine fachspezifische bildung mindestens eures niveaus voraussetzt, überlegt, ob man das, was ihr sagen wollt, nicht auch mit einfachen deutschen worten sagen kann. wenn nicht, wäre das ein grund darüber nachzudenken, ob es hier in der großen runde gesagt werden muss, mit dem effekt, durchaus einige ( oder gar viele? ), die von dem diskutieren durchaus betroffen und daran interessiert sind, auszugrenzen. muss glaube so kompliziert sein, wenn ….logie ins spiel kommt?
ich hasse rassismus ( = ausgrenzung ) in jeder form.
ist so mein starkes empfinden, kann man nicht drüber diskutieren, entweder man nimmt darauf rücksicht – herzlicher dank denen -, oder man lässt es bleiben, dann lasse ich es auch bleiben und bin dann mal weg.
liebe grüße euch allen,
werner
Ina
Lieber Werner,
gut, dass Du Bescheid gibst!
Ich weiß jetzt leider nur nicht, was genau Du nicht verstehst… Meinst Du etwas von meinen Kommentaren oder von wem?
Bitte bitte, sei so gut und stelle genaue Fragen. Ich verstehe gerade nämlich auch nicht alles (z.B. OrthodoxPop will anscheinend ehemalige Liberale für einen eher konservativen Glauben zurückgewinnen, verwendet dabei aber Ausdrücke, über die sich Arnarchie zu recht aufregt – falls ich das nun richtig interpretiere). Vielleicht habe aber auch ich selber etwas geschrieben, was Du unverständlich findest?
Es ist total wichtig, dass Du Bescheid gibst, dass es Dir unbehaglich wird! Es hilft nur nicht viel, es zu allgemein zu machen… Deshalb gib mal bitte ein Beispiel, was Du nicht verstehst, ja?
Danke Dir & liebe Grüße
Ina
Knulpi
Hm. war sehr gespannt auf den Talk, habe ihn dann erst mit Verspätung gehört. War ein guter Auftakt in eine hoffentlich noch fortzusetzende Folge. Johannes Hartl sucht ja die Diskussion. Wäre cool.
Mir war ein Punkt vor allem aufgefallen, als er davon sprach, wie mit denen umzugehen ist, die in Brüchen leben. Empathie ist wichtig ja, aber auch die Bereitschaft sich zu verändern. Nur wer bestimmt wohin? Solange viele Evangelikale (und so empfinde ich Johannes Hartl auch) immer auch eine Haltung mitbringen „wir sind zwar nett, aber Du musst dich auch verändern“, wird es nicht wirklich emphatisch. Denn diese setzt auch voraus dem anderen zuzugestehen seinen eigenen Weg mit Jesus zu finden. Dazu ist es aber notwendig dem Drang zu widerstehen zu glauben man müsse den anderen immer sagen, wie sie zu leben haben.
Kristian
Ich finde es cool, dass ihr Hossianer so einen scharfen Blick habt und Dingen auf den Grund geht und sie hinterfragt. Super, dass hier so eine einflussreiche und wichtige Person auch kritisch durchleuchtet wird.
Aber auch das Lob sollte nicht zu kurz kommen, daher wollte ich nochmal betonen: Ich finde es von allen Dreien super, dass sie das Gespräch führen – und zwar wohlwollend – und miteinander reden, statt nur übereinander zu reden/podcasten/bloggen. Das will ich öfter haben 🙂
Elbenfrau
Noch mal was…ich habe jetzt noch bei Jesus.de einen Thread verfolgt, und muss sagen, es ist wirklich ein harter Stil, den die Evangelikalen so fahren. Das sind die theologischen Diskussionen, in denen er sich wahrscheinich normalerweise bewegt. Ruckzuck wird da jemand wegen einzelner Aussagen als Irrlehrer, Ketzer, gefährlich bezeichnet.
Ich hatte danach ein ganz schlechtes Gewissen, wegen meiner erwähnten Minuspunkte.
Ich finde den Stil hier viel fairer. Vor allem menschlicher. Jemand hat halt ne Meinung, wo man nicht mitgehen kann… so what? Ist interessant, vielleicht auch ärgerlich. Aber weil man nicht auf einem Sockel steht, muss man sich auch nicht so drüber aufregen.
Diese ganze christliche „Inquisition“ zeigt doch eigentlich nur ein völliges „nicht drüber wegkommen-können“, dass es andere Meinungen gibt. Wahrscheinlich liegt uns das so sehr im Blut, dass noch viele unsinnige Diskussionen geführt werden, ob im Westen oder anderswo.
Knulpi, was du schreibst:
„Solange viele Evangelikale (und so empfinde ich Johannes Hartl auch) immer auch eine Haltung mitbringen “wir sind zwar nett, aber Du musst dich auch verändern”, wird es nicht wirklich emphatisch. Denn diese setzt auch voraus dem anderen zuzugestehen seinen eigenen Weg mit Jesus zu finden. Dazu ist es aber notwendig dem Drang zu widerstehen zu glauben man müsse den anderen immer sagen, wie sie zu leben haben.“
ist wahrscheinlich der Punkt… Ex-Evangelikale sind da aber genauso schlimm. Es ergibt sich einfach aus diesem komischen „Schaf vs. theologisch richtiggläubiger Leiter“ Denken, das gibt denen viel zu viel Macht. Ändern kann es sich erst dann, wenn wir ruhig, freundlich und friedlich sagen könnten: „Nein, seh ich anders“. ohne, dass es mich aufwühlt. Oder ich überlege, was wühlt mich denn jetzt so unglaublich auf, weil ich vielleicht total verletzt wurde, und erst mal einen Schutzraum brauche.
Und vielleicht dabei noch ein bißchen nach denen schaue, die auch gerade nicht so gut mit conträren Meinungen klarkommen.
Müssen wir echt lernen und dann genauso selbstbewusst Jungs wie Johannes entgegentreten. Und er ist evt. einer, der damit klarkommt, Jay und Gofi, ich finde, ihr habts gut gemacht!
BB 🙂
ein Mensch
wer sich für die Mystik Vortragsreihe von J.H. interessiert: Den 2. Teil gibt es im Gebetshaus Shop zum hören. Das sind dann schon mal 2,5 stunden
insgesamt sind es 7 Teile 😯 da bin ich schon am überlegen.
Konrad
Jay und Gofi, ich finde euren Podcast richtig klasse! Ganz herzlichen Dank dafür! Ich bin erst vor kurzem darauf aufmerksam geworden und bin nun dabei, alle 85 Folgen nachzuhören.
Ich denke, ich gehöre nicht zu eurer typischen Hörerschaft. Ich bin liberal–konservativ, verstehe die Bibel zumeist wörtlich und wähle die AfD. Igitt. Und trotzdem finde ich euch gut. Ich mag eure Ehrlichkeit, dass ihr Dinge und auch euch selbst hinterfragt und bereit seid Neues zu entdecken und zu lernen.
Ich habe eure Folge zur AfD mit Andreas Malessa noch nicht gehört und kenne eure Einstellung dazu noch nicht. Aber den Kommentaren nach zu urteilen, scheint bei vielen eurer Hörer die Haltung zur AfD ein Lackmustest zu sein, Christ oder kein für voll zu nehmender Christ (Mensch). Ich finde, das ist genau das Muster, was ihr bei den Evangelikalen kritisiert.
Viele Grüße
Konrad
Florian
Hallo Konrad
Du hast Recht: das sich als „progressiv“ identifizierende Hossa Publikum verortet sich politisch meist eher links und hat mit der AfD oft Schwierigkeiten. Dazu zähle ich mich auch. Und Du hast auch sehr treffend beobachtet, dass das oft als Lackmustest herhält, was wiederum zentralen liberalen Ideen eher entgegensteht. Ich finde sehr gut, dass (und wie) Du das ansprichst. Danke!
Meine eigenen bisherigen Gesprächsversuche mit AfD-Anhängern endeten eher darin, beschimpft zu werden. Bei Dir ist das vielleicht anders.
Magst Du vielleicht skizzieren, was für Dich eine „wörtliche“ Bibelauslegung ist? Und warum eine solche Perspektive bei der AfD Deiner Auffassung nach gut (oder besser als woanders) aufgehoben ist?
Freu mich!
Konrad
Hallo Florian,
deine Antwort freut mich richtig! Ich habe dieselbe Erfahrung mit umgekehrten Vorzeichen gemacht. Meist war das Vokabular von den „Progressiven“ in Bezug auf die AfD derart übel und die Haltung so intolerant, dass ich mich nicht einmal getraut habe, Farbe zu bekennen. Und wenn doch, dann kam ich mir vor wie im Verhör und wurde nur noch beschossen. Bei dir scheint das anders zu sein!
Das ist übrigens einer der wichtigsten Punkte, warum ich für die AfD gestimmt habe. Ich finde es unerträglich, wie die Meinungsfreiheit unterdrückt wird. „Kein Fußbreit dem Faschismus.“
Die AfD Politiker die sich dem aussetzen – und dazu gehören neben verbalen Angriffen, auch abgebrannte Autos, Körperverletzung und Jobverlust – verdienen meinen Respekt. Außerdem hatten wir nach gefühlt 12 Jahren großer Koalition keine echte Opposition mehr im Bundestag.
Natürlich ist die AfD keine „christliche“ Partei und schon gar kein Heilsbringer. Der Heilsbringer ist Jesus! Christliche Parteien erreichen nicht über 0,5% und sind eher verschenkte Stimmen.
Die wörtliche Bibelauslegung zu der ich neige, hat jetzt nicht mit der AfD zu tun. Das war nur ein anderer Punkt, bei dem ich anders denke als Jay&Gofi, wobei ich ihre Gedanken dazu spannend finde und auch bereit bin, dazuzulernen.
Was meine ich mit wörtlicher Bibelauslegung? Also ich habe wenig Probleme, zuzulassen, das es Hiob nicht gegeben haben könnte, sondern eine fiktive Figur ist. Ob man das so oder so sieht, macht eigentlich nichts aus. Anders ist das bei Adam und Eva und der Arche Noah. Wenn ich das als fiktive Erzählungen deute, hat das massive Konsequenzen und meine Glaubensgebäude bricht zusammen. Wie soll man dann folgende Stellen aus dem NT verstehen?
Römer 5,19: „Genauso, wie durch den Ungehorsam eines Einzigen alle zu Sündern wurden, werden durch den Gehorsam eines Einzigen alle zu Gerechten.“
Matthäus 24,37: „Bei der Wiederkunft des Menschensohnes wird es wie in den Tagen Noahs sein.“ Wenn es Noah gar nicht gegeben hat, warum spricht Jesus dann von ihm?
ich denke, was den Umgang mit Politikern angeht, werden wir uns schnell einig. Ich halte es auch für ein Unding, wenn Parteibüros demoliert, Wahlkampfplakate abgerissen, Politiker angepöbelt werden etc. Gerade erst hat der Bürgermeister von Altena, der sich für die Aufnahme von Flüchtlingen engagiert hat, die Messerattacke eines Rechtsextremen überlebt. Solche Aktionen, egal von welcher Seite sie kommen, schaden natürlich der Demokratie ganz erheblich.
Zur wörtlichen Schriftauslegung hätte ich auch Fragen, mir scheint das Politische jetzt aber wichtiger. Ich sehe da eine Art Dilemma. Wenn man gegen den bisherigen politischen Konsens ist (Euro-Rettung, Flüchtlinge, meinetwegen auch Gender-Politik), bleibt einem natürlich nur die AfD zu wählen übrig, das ist schon richtig.
Andererseits finde ich das, was ich von ihren Vertretern höre, absolut erschreckend. Nur die prominentesten Beispiele:
1) Höcke hat das Holocaust-Mahnmal ein Mahnmal der Schande genannt. In derselben Woche (!) hat die AfD BW gegen die Verlängerung der Subventionen für Holocaust-Gedenkstätten gestimmt und Frauke Petry die EU allen Ernstes mit Nazi-Deutschland verglichen.
2) Jörg Meuthen glaubt, „sehen“ zu können, wer deutsch ist und wer nicht.
3) Jens Maier warnt vor „Mischvölkern“
4) Alexander Gauland will „unser Volk zurück“ haben
5) Wolfgang Gedeon, der sich wiederholt offen antisemitisch positioniert hat, ist immer noch Parteimitglied (wenn auch nicht mehr in der Landtagsfraktion BW)
Die Liste wäre beliebig fortzusetzen. Alles das sind in meinen Augen hochgradig rassistische Äußerungen. Ich weiß nicht, ob Du das ähnlich siehst. Ist diese Einstellung für Dich denn das „kleinere Übel“?
Die zweite Frage, die ich gerne an Dich richten würde, betrifft die für die AfD ziemlich zentrale Losung „der Islam gehört nicht zu Deutschland“. Kann ich wollen, dass die Politik festlegt, welche Religionen in diesem Land erwünscht sind und welche nicht? Als Bürger eines freiheitlichen Staates habe ich da enorme Schwierigkeiten, als Zugehöriger einer Religionsgemeinschaft natürlich erst Recht. Wie gehst Du mit dieser Frage um?
Konrad
Hallo Florian,
zunächst zu den Aussagen von AfD Politikern. Du nennst das „hochgradig rassistisch“. Wie nennst du dann Aussagen von Hitler? Hast du da weitere Superlative? Mir scheint, dass wir da in unserer Gesellschaft recht hysterisch sind und problematische Aussagen gleich in schärfster Form ächten, nach dem Motto „wehret den Anfängen“. Darunter leidet die Meinungsvielfalt.
Soweit ich weiß fallen rassistische Äußerungen unter den Straftatbestand der Volksverhetzung. Wurden diese Leute verklagt und verurteilt?
Ich bin dankbar über das Recht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 5 GG). Meinem Empfinden nach haben AfD Sympathisanten zwar formal dieses Recht, aber die soziale Ächtung und Bedrohung führt dann doch dazu, dass viele lieber still sind. Diese Form der Unfreiheit ist für mich tatsächlich das größere Übel gegenüber den problematischen Aussagen, die man so und so verstehen kann.
Ich bin für die Freiheit des Menschen und finde, dass wir die Grenze nicht so eng ziehen sollten. Ich glaube, deswegen gefällt mir HossaTalk auch so gut. Hier gibt es wenig Redeverbote und J&G nehmen sich die Freiheit, auch mal etwas ins Unreine zu sagen, was sie ggf. wieder revidieren.
Zur zweiten Frage:
Kann ich wollen, dass die Politik zwar grundsätzlich Religionsfreiheit gewährleistet, aber manche Religionen fördert und andere nicht fördert? (Ich habe die Frage etwas anders formuliert, aber in diesem Sinne habe ich sie verstanden.) Ja, das kann man wollen. Wenn wir als Gesellschaft der Meinung sind, dass Religion x (z.B. Buddhismus) für das Volk besser ist als Religion y (z.B. Salafismus), dann darf die Politik das entsprechend umsetzen.
Ich persönlich neige eher dazu, dass der Staat möglichst neutral sein sollte.
ein Mensch
Ich hätte auch noch eine Frage bezüglich der Meinungsunterdrückung und der AfD als angeblich einzig wahre Oppositionspartei.
Ist es nicht viel mehr so, dass in allen möglicchen Formaten wie Talkshows usw. AfD Positionen breiter Raum eingeräumt wurde?
Und erst dadurch die großen Gewinne bei Landtags- und Bundestagswahlen möglich wurden?
Also von unterdrückter Meinung seh ich da nix..
Konrad
Ja, es gab tatsächlich eine Zeit, da waren AfD´ler in vielen Talkshows und haben die Themen gesetzt. Dem folgte dann Anfang dieses Jahres eine Phase, von mehreren Monaten, in denen sie nicht mehr eingeladen wurden. Dass hat sich dann geändert, als die OSZE angerufen wurde, die Wahl (inkl. Wahlkampfphase) zu beobachten. Peinlich für Deutschland!
Die unterdrückte Meinungsfreiheit sieht man aber vor allem an anderen Orten, z.B. bei Guido Reil, ehemaliger SPD´ler. Nur unter Polizei- und Personenschutz, unter wüsten Beschimpfungen und versuchten Angriffen gelang er zu Wahlkampfveranstaltungen: https://www.youtube.com/watch?v=FiXJvA604fk
Schau mal in das Video rein. Ich finde das schockierend und beschämend! Willst du immer noch anzweifeln, dass hier Meinungsvielfalt unterdrückt wird?
„ja, die AfD war weniger in Talkshows präsent. Das hatte hauptsächlich mit den Themen zu tun. Zu Brexit, Frankreich oder USA hat die AfD schlicht nichts gesagt. “
Is klar. Ausgerechnet die EU-kritische und Anti-Establishment Partei hat zu diesen Themen nichts zu sagen gehabt. Sorry, das kauf´ ich nicht!
Für mich ist das ein schönes Beispiel, wie man nur noch die eigenen Sichtweisen für richtig hält und immun gegen Argumente von außen wird. Ich nehme mich da übrigens selbst nicht aus. Kann mir und uns allen passieren.
„Ganz sicher hat es nichts mit der OSZE zu tun, denn Talkshows sind kein Teil des Wahlkampfes.“
Ist das wirklich so? Talkshows sind kein Teil des Wahlkampfes?? Kann man so sehen. Diese Sichtweise finde ich allerdings ziemlich seltsam. Oder meintest du nur, dass die OSZE das Thema Talkshows ignoriert, weil es z.B. nicht zum offiziellen Wahlprozess gehört? Mag sein, kann ich nicht beurteilen. Steht das irgendwo geschrieben?
Freundliche Grüße
Konrad
Peter
Ok, natürlich ist letztlich alles irgendwie eine Wahlkampfbühne. Vom Haus-zu-Haus-Besuch über das persönliche Gespräch am Stammtisch, dem Flyer-verteilen in der Fußgängerzone bis hin zu Talkshows. Damit ein Wahlkampf fair und gerecht verläuft, müssen bestimmte Dinge gegeben sein – z. B. müssen Medien Platz für Wahlwerbespots einräumen. Der Auftritt in Talkshows gehört jedoch nicht dazu. Wären Talkshows „offizieller“ Teil des Wahlkampfes, dann müssten dort zwingend Vertreter aller Parteien sitzen. Also nicht nur die, die im Parlament sind, sondern auch die, die dort nicht vertreten sind. Piraten, Tierschutzpartei, MLPD….
Die OSZE kommt übrigens zu dem Fazit: „Lob gab es für die pluralistische Medienlandschaft Deutschlands. Der hohe journalistische Standard sei grundsätzlich erfolgreich darin, Auswirkungen sogenannter „fake news“ zu begrenzen.“
Zu der Aussage, dass die AfD doch auch zu anderen Themen was zu sagen hätte, sagt der Medienlinguist Michel: „Das Problem ist bei der AfD hausgemacht. Wer mit fast ausschließlich einem Thema Stimmung macht, um Stimmen zu bekommen, muss sich am Ende nicht wundern, wenn er nur genau dazu eingeladen wird.“ Zudem: „Wenn die AfD zu einem Thema nichts anderes beizutragen hat als etwa die CDU, ergibt sich kein zwingender Grund, sie einzuladen.“
Quelle: https://www.derwesten.de/kultur/fernsehen/afd-guckt-bei-maischberger-und-co-immer-oefter-nur-zu-id210095081.html
Ich halte es für sehr eigenartig, zu denken, die AfD würde nicht in Talkshows eingeladen, weil die Medien deren Meinung absichtlich unterdrücken wollte. Das ist eine nette Verschwörungstheorie, ein Opfermythos, den die AfD pflegt. Aber mit der Realität nichts zu tun hat.
Ich finde es gut, dass Du so offen „in die Höhle des Löwens“ – also in einer Gruppe, von der Du glauben musst, dass sie anders tickt – gehst! Das gibt es zu selten!
Ich finde es gut, dass mit dem Aufkommen der AfD – das ich so nicht gebraucht hätte – wenigstens etwas Bewegung in die politische Landschaft gekommen ist. Auch ich fühlte mich wenig vertreten und fand: es fehlte dieser Politik der Mitte immer eine politische Vision. Das wird nun auch vielen klar. Nur glaube ich, dass wir leider weniger über viele Themen, die ich für sehr wichtig halte, reden; weil wir die ganze Zeit nur „Flüchtlinge hier, Islam dort“ bla bla machen. Themen wie zum Beispiel Altersarmut und Pflegenotstand betreffen meine Familie jetzt und heute und es wäre schade, dass diese „weniger emotionalen Themen“ einfach untergehen.
Zum Niederbrüllen der AfD: ja, das gibt es. Und nein, das find ich nicht gut. ABER. Das gehört zur Strategie der großen Köpfe der AfD. Die wissen ganz genau: je mehr Unfug die Antifa macht, desto mehr können sie sich als Opfer hinstellen. Die Gesprächsstrategie ist ganz klar: Du kannst Dir das hier angucken: https://www.youtube.com/watch?v=qZtd3Mn5d4Q Es geht also darum: das, was gestern noch undenkbar war, soll morgen hoffähig werden. Es ist also die Stretegie den Rahmen des „Sagbaren“ (und diesen gibt es immer: niemand von uns würde mit Menschen reden, die Vergewaltigung gut finden; schon beim Thema Folter hat sich dieser Rahmen leider massiv verschoben) zu verschieben. Wenn dem so ist, dann kann man nicht mehr unbefangen miteinander reden. Denn es geht ja grundsätzlich darum, heute undenkbares als normal hinzustellen.
Ich glaube am Ende kommen in dieser Strategie die Sachfragen zu kurz. Beispiel: ich kenne niemanden, der sagt: Integration läuft super. Aber wir haben jetzt eine Situation, in der man eben nicht mehr öffentlich über diese Fragen streiten kann, weil das Terrain von der AfD besetzt ist und man sofort damit in Verbindung gebracht wird. Der AfD ist es wirklich gelungen, die politische Landschaft umzukrempeln. Aber ich frage mich: wirklich zum Besseren?
Die Wunden, die dadurch in dieser Gesellschaft entweder neu entstanden sind oder erstmals ans Licht kamen, sind glaube ich sehr tief und es wird nicht leicht die zu heilen.
Um doch noch eine Sachfrage zu bringen: „Kann ich wollen, dass die Politik zwar grundsätzlich Religionsfreiheit gewährleistet, aber manche Religionen fördert und andere nicht fördert? (Ich habe die Frage etwas anders formuliert, aber in diesem Sinne habe ich sie verstanden.) Ja, das kann man wollen. Wenn wir als Gesellschaft der Meinung sind, dass Religion x (z.B. Buddhismus) für das Volk besser ist als Religion y (z.B. Salafismus), dann darf die Politik das entsprechend umsetzen.“
Das klingt nach einem Abweichen von einer liberalen Position! Diese würde mit einer ganz formalen juristischen Freiheit argumentieren: es ist völlig egal, ob eine Mehrheit einer Religion zustimmt oder diese für förderlich betrachtet (was soll das sein? wer betrachtet denn eine Religion, der er nicht angehört für förderlich?) – die Freiheit gilt, wenn die formalen Kriterien eingehalten werden. Und die Argumentation ist auch etwas verkürzt: wer ist dieses „Wir“ der Gesellschaft oder das „Wir“ des Volkes? Sind wir wieder bei den alten Vorstellungen eines volonté general? Ich dachte, die hätten wir ein für alle Mal überwunden. Ist dieses Wir nicht im Kern schon plural? Und gilt nicht: die moderne Demokratie lebt nicht nur vom Mehrheitsprinzip, sondern muss sich besonders darin zeigen, dass sie Minderheiten schützt? So zumindest wird derzeit unsere Rechtsordnung interpretiert. Will die AfD daran etwas ändern?
Konrad
Hallo Arnachie,
danke für deine freundlichen Worte zu Eingang! Cooles Pseudonym übrigens. Ich bin zunächst voll darauf reingefallen und dachte mir, was ist das wohl für ein Typ, der sich „Anarchie“ nennt? 😀
Du scheinst philosophisch bewandert zu sein. Ich bin es leider nicht und muss zugeben, dass ich gar nicht weiß, was sich hinter den „alten Vorstellungen eines Volonté générale“ verbirgt und warum die überwunden sind bzw. sein sollten. Der Wikipedia Artikel dazu hilft mir nicht wirklich weiter.
Ich will hier auch nicht als der Anwalt der AfD auftreten. Ich finde auch nicht alles gut, was die machen. Mich nervt nur die Bevormundung, dass wir bloß nicht AfD wählen sollten. Als ob der mündige Bürger (und Christ) das nicht selbst entscheiden könnte.
Sorry, dass ich auf deine Fragen gar nicht eingehe, aber auf diesem philosophischen Level kann ich nicht mithalten.
Ich habe auf deinem Blog gesehen, dass du Theologe bist. Mich würde mal interessieren, wie du zu der Frage stehst, ob der Muezzinruf fünfmal am Tag erschallen darf, genauso laut wie das Glockengeläut? Und ob Minarette gebaut werden dürfen, die genauso hoch oder gar höher sind als der größte Kirchturm in der Stadt?
Grüße
Konrad
Florian
Ich darf mal übersetzen. „Volonté general“ ist ein Begriff aus der Staatstheorie von J.-J. Rousseau und meint das, was im gemeinsamen aufgeklärten Interesse der Staatsbürger liegt. Also das, was Ich wollen muss, wenn ich für alle anderen mit denke (Z. B. dass der Staat Steuern eintreibt). Zur AfD Position passt der Begriff allerdings m. E. nicht so besonders (sorry Anarchie), da die staatliche Regelung des persönlichen Bekenntnisses natürlich eher nicht in diesem Interesse liegt.
Daher jetzt nochmal meine Frage an Dich: Was genau sollte die Politik denn bzgl des Islams „umsetzen“, wie Du oben schreibst? Mir ist das noch nicht ganz klar.
sorry für das Fremdwort. Was damit gemeint ist, ist die Idee: wenn man alle Leute, die in Deutschland sind, zusammennimmt: gibt es so etwas, wie einen gemeinsamen Volkswillen – so eine Art objektives „Wir als Deutsche wollen dies oder jenes“? Das höre ich raus, wenn man sagt: „Wir sind das Volk“ oder fragt: „Nützt uns der Islam etwas?“. Auf diese Idee kommt man immer wieder schon in kleinen Gruppen: man denkt immer: im Grunde sind wir uns doch einig. Und dann stimmt man ab: „Wer ist dafür, dass wir beim Gemeindefest eine Band spielen lassen?“ und dann stellt sich raus: ach, das wollten gar nicht alle. Das ist halt die Grundidee es gibt verschiedene Gruppen mit verschiedenen Interessen und auch verschiedenen Ideen, wie man gut miteinander zusammenleben kann. Wenn jetzt eine Gruppe sagt: „Wir repräsentieren aber eigentlich alle oder die schweigende Mehrhheit“ dann erkennt man nicht an, dass andere das anders sehen.
Ob der Kirchturm höher sein muss, als andere Gebäude ist mir eigentlich egal. Vor 100 Jahren als die Fabrikschornsteine höher wurden als die Kirchtürme und vor 50 Jahren als die Hochhäuser der Banken und Versicherungen höher wurden, hatte darin niemand ein Problem gesehen. Über die alltäglichen Götzen, die wir uns schaffen und die wir selbst mit unserem Lebensstil anbeten, sehen wir großzügig hinweg.
Zu Jesus Zeiten waren das die gleichen Fragen: die Juden waren in einer Situation der Pluralität angekommen – und die waren nun wirklich unterdrückt, während wir in Europa eher die Herrscher sind. Und da hat man sich an solchen Symbolen der nationalen Stärke, der religiösen Reinheit und der kulturellen Einheit geklammert. Welche Symbole waren das?
Der Tempel, das Feiern des Sabbats, die Vorschriften, wer mit wem gemeinsamen Essen darf, Reinheitsgebote, Sabbat und Beschneidung. Und das waren exakt die Themen, die Jesus uminterpretiert hat: der Tempel, dass ist nicht mehr ein heiliger Ort gegen andere heilige Orte; der Tempel wird niedergerissen und ich bin der wahre Tempel, Unreinheit ist nicht mehr: mit den falschen Leuten Kontakt haben, sondern Unreinheit kommt aus Deinem Herzen, auch am Sabbat darf man Menschen helfen, und es geht um die Beschneidung der Herzen.
Das war, was Jesus an Kreuz gebracht hat: sein Konflikt mit den heiligen Symbolpolitiken.
Es geht mir nicht darum, die Privilegien von Kirchen oder ein christliches Abendland zu verteidigen. Ich muss Gott nicht verteidigen. Wird Gott etwa aufhören, Menschen zu rufen, Menschen zu erlösen und Menschen mit Gott und mit anderen Menschen zu versöhnen? Entsteht nicht überall, wo er das tut, Kirche neu? Entstehen nicht Menschen, die aus der Kraft der Zuwendung Gottes heraus leben und weil sie bei Gott als etwas zählen nicht mehr ängstlich um den Verlust ihrer Identität fürchten müssen? Entsteht nicht dort, wo Gott Menschen ruft, ein Geist, der sich nicht vordrängeln muss, der nicht sich selbst durchsetzen muss, sondern der Raum für andere lässt, weil bei Gott Raum für sie selbst ist?
Gerade weil das versöhnende, aufrichtende, fürsorgliche Handeln Gottes für mich eine unerschütterliche Wahrheit ist, muss ich nicht in meinen Ängsten aufgehen: Angst vor fremden Ideen, Angst vor anderen Religionen oder Angst vor einer Welt, die noch ganz unversöhnt ist.
Ralf
Ein paar Gedanken dazu, ausgelöst durch einen zitierten Satz am Anfang dieses Kommentars.
Arnachie schrieb: „ […] gibt es so etwas, wie einen gemeinsamen Volkswillen – so eine Art objektives “Wir als Deutsche wollen dies oder jenes”? Das höre ich raus, wenn man sagt: “Wir sind das Volk” […] Wenn jetzt eine Gruppe sagt: “Wir repräsentieren aber eigentlich alle oder die schweigende Mehrhheit” dann erkennt man nicht an, dass andere das anders sehen. […]“
@Arnachie: Vermutlich bist du etwas zu jung, um die Demonstrationen 1989 in der DDR bewusst miterlebt zu haben. Das ist kein Vorwurf meinerseits; nur halte ich es für unabdingbar, historische Ereignisse und Aussagen zunächst aus dem damaligen Kontext heraus verstehen zu wollen, sonst entstehen MIssdeutungen in der Gegenwart. (Darin sehe ich eine Gemeinsamkeit mit der biblischer Exegese.)
„Wir sind das Volk“ war der Slogan der DDR-Bürger, die gegen die Herrschaft der SED-Kader in der zweiten deutschen Diktatur des 20. Jahrhunderts 1989 in Leipzig auf die Straße gingen. Es war eine Bewegung, die sich für Freiheit, gegen verkrustete Machtstrukturen, gegen staatlich-institutionelle Bevormundung, gegen gezielte Desinformation und gegen das Leugnen von Alltagsproblemen wendete, und zwar in einem Staat, der jegliche Opposition unterdrückte und sich demokratisch nannte. Es war ein Ruf der Unterdrückten gegen die Unterdrücker. Was dieser mutige, öffentliche Protest mit ungewissem Ausgang den damaligen DDR-Bürger emotionnal bedeutet hat, ist mit einem kurzen erklärenden Satz nicht zu beschreiben. Wenn man die damalige Zeit nicht miterlebt hat – egal ob im Westen oder im Osten – dann hat man es heute deutlich schwerer, die Vielzahl möglicher Motive hinter dem Satz „Wir sind das Volk“ einzuordnen.
Ich werde nicht vergessen, als in den Tagesthemen 1989 plötzlich aus der DDR herausgeschmuggelte Filme gesendet wurden und ich im Westen mitfieberte und betete, dass diese mutigen Menschen nicht niedergeschossen werden, wie es fast zeitgleich in China geschah. Darum ein Vorschlag: Bitte 45 Minuten Zeit opfern und eine Dokumentation (ZDFinfo) von 2015 ansehen, in der die Tage der friedlichen Revolution aus der Sicht von DDR-Oppositionellen geschildert werden, die den Protestzug 1989 aus dem Turm der Reformierten Kirche in Leipzig heimlich filmten und schießlich aus dem Land schmuggelten. (Ja, es gab tatsächlich kein Internet, kein Youtube, kein Facebook, keine Smartphones, es war eine vollkommen andere Welt damals.) https://youtu.be/w98RwWozwOM
Lieber Arnachie, „wir als Deutsche“ sollten tatsächlich etwas Gemeinsames wollen.
Ich teile die Weltsicht der Menschen nicht, die heute „Wir sind das Volk“ rufen. Aber ich verstehe, woher ihre Ängste herrühren und ahne, warum sich ein großes Misstrauen gegenüber staatlichen Instututionen und propagierten Alternativlosigkeiten bei ihnen entwickelt hat.
Wir sollten unbedingt wollen, aus der ersten deutschen Diktatur (1933 bis 1945) weiterhin unsere Lehren zu ziehen und wachsam zu bleiben. Nazis sind heute sehr bunt, stammen nicht mehr nur aus unserer Mitte sondern kommen auch aus anderen Ländern und unter anderer Flagge als dem Hakenkreuz zu uns.
In gleicher Weise sollten wir auch wollen aus der 2. deutschen Diktatur, die erst vor knapp einer Generation endete, unsere Lehren zu ziehen. – Was aber bedeutet es für uns (also besonders die „Wessis“), Lehren aus der 2. deutschen Diktatur zu ziehen? Darüber lohnt es sich ausführlicher nachzudenken und zu forschen. (Wie ich vorhin bei einer kurzen Nachfrage bei 5 jungen Erwachsenen feststellte, haben sie in der Schule kaum Informationen über das Leben in der DDR erhalten. Nicht gut… )
Arnachie
Lieber Ralf,
vielen Dank für Deine Anregungen.
Damit rennst Du bei mir offene Türen ein! Ich bin Jahrgang 85 und Thüringer. Ich war gezwungen mich intensiv mit dieser Zeit auseinanderzusetzen. Und habe auch meine Abschlussprüfung in Kirchengeschichte über die Kirchen in der DDR gemacht.
Aber danke für den Link zur Doku.
Das heute sich viele Ostdeutsche in ähnlicher Weise gegängelt fühlen, sollte uns alle alarmieren. Wir sollten schauen: inwiefern haben zB Westeliten die Spitzenpositionen im Osten inne und wie könnte man das ändern? Inwiefern haben die Wessis wirklich mal Ossis zugehört, ihre Biographie verstanden, ihre Literatur gelesen, die ostdeutsche Protestkultur kennengelernt? Hat man sich mal damit beschäftigt, was es hieß unter diesen Umständen zu versuchen ein normales Leben zu führen? DAS wären die „Lehren“, die ich mir von vielen Westdeutschen erhoffe: einfach mal zuhören, wahrnehmen und Raum machen für Ostdeutsche Erfahrungen. Ansonsten würde ich die Aufabreitung den Ostdeutschen überlassen. Ich sag mal ganz frech: die Probleme der anderen aufzuarbeiten ist immer einfach (Türkei, Rußland, DDR) – wir haben noch einen völlig unaufgearbeiteten NSU Skandal, für den sich gerade niemand so richtig interessiert. Dort wäre ein guter Startpunkt!
Konrad
Hallo Arnachie,
ein schönes Plädoyer! Wenn ich so darüber nachdenke, bin ich kurz davor mich dem anzuschließen. Die Welt geht nicht unter, wenn die Minarette größer sind als Kirchtürme. Das Reich Gottes ist nicht von dieser Welt. Wir können anderen den Vortritt geben.
Etwas unbehaglich ist mir zwar noch, da es wohl um einen Machtanspruch geht, den wir aufgeben würden. Zumal die Christen in vielen islamischen Ländern unterdrückt und verfolgt werden. Aber vermutlich entspricht es wirklich dem Geist Christi, dass wir hier freiwillig verzichten.
Allerdings kann man so eine Haltung nur von Jesus-Nachfolgern verlangen. Ob unsere Gesellschaft diesen Weg gehen sollte? Rein menschlich gesehen, müssten die Muslime doch damit zufrieden sein, wenn sie sich in Moscheen versammeln dürfen – auch ohne Muezzin-Ruf.
Nochmal zurück zu Volonté générale. Danke für die Erläuterung! Ich denke es ist klar, dass es ganz unterschiedliche Meinungen und Wünsche und nicht die Einheitsmeinung gibt. Insofern ist Volonté générale überwunden.
Wir haben Mehrheiten und Minderheiten. Meist nur einfache Mehrheiten und nur selten absolute Mehrheiten. Ich finde es voll in Ordnung, dass Rahmenbedingungen geschafft werden, die sich die (absolute) Mehrheit wünscht, wobei Minderheiten nicht unterdrückt werden dürfen. Aktuell haben wir wohl eine (leichte) Bevorzugung des Christentums gegenüber dem Islam, wobei der Islam nicht unterdrückt wird. Ich finde das fair.
Ina
Hallo Arnarchie,
Dein Kommentar in Ehren (ich teile Deine Hoffnung auf Gottes Geist für die Erneuerung des christlichen Glaubens!), aber damit bewegst Du Dich voll in einer unproduktiven Diskussion, die unserer Gesellschaft sowohl von bestimmten Islamvertretern als auch Rechtskonservativen bis Rechten aufgenötigt bekommt und die von ihnen am Laufen gehalten wird.
Die Kirchenkrise mit Minaretten zusammen zu diskutieren ist unproduktiv und meiner Ansicht nach auch falsch. Die Frage, wie hoch Minarette gebaut werden dürfen oder ob ein Muezzin rufen darf, sollte (und kann!) nicht christlich-theologisch beantwortet werden, sondern zivilgesellschaftlich.
Es ist eine gesellschaftliche und politische Frage, in welchem Verhältnis Religionsfreiheit und sozialer Friede stehen. (Sozialer Friede ist sogar im schiitischen Islam ein wichtiges Prinzip der Sozialethik für die Muslime, die in nicht-muslimischen Ländern leben. Sie sollen demnach in ihrer Religionsausübung auch die Prinzipien des Zusammenlebens in ihrer Gastgebergesellschaft anerkennen. – Vielleicht sind es u.a. deshalb nicht die schiitischen Islamverbände, die hier die Forderungen stellen, sondern v.a. die, deren Finanzierung aus Ländern kommt, die für aggressive Außenpolitik und Unterstützung radikaler Kräfte stehen?).
Jede Freiheit geht bis maximal dahin, wo die Freiheit anderer anfängt (anderer Menschen und anderer Rechtsprinzipien). Wenn sich Anwohner durch einen Muezzin gestört fühlen, dann ist das ernst zu nehmen. Das sind kulturelle Aushandlungsprozesse, deren Ausgang man nicht normativ einfordern kann (das ist etwas, was auch manche Linke nicht verstehen). Dass Religionsfreiheit unter Umständen Grenzen findet, zeigen ja auch die Debatten über Jungenbeschneidung und Kopftuch im öffentlichen Dienst. Schächtungen unterliegen Tierschutzbestimmungen. (Und so einige amerikanische Christen müssten hier ihr Kind in die Schule schicken und Evolutionstheorie lernen lassen, weil auch der Staat einen Erziehungsauftrag hat, zur Not gegen die Religion.)
Ich bin nicht bereit und willens, solche Prinzipien und Prozesse der Willensbildung aufzugeben – weder gegenüber Islamverbänden, die einseitig Religionsfreiheit hochhalten, noch der AfD, die das Recht auf Meinungsfreiheit überstrapaziert. Beide schlittern permanent am Rand dieser Rechte entlang und versuchen, ihre Grenzen für eigene Zwecke auszuweiten. Das halte ich in beiden Fällen für brandgefährlich, zumal sie sich gegenseitig aufschaukeln. Da werde ich keinem von beiden den Vortritt lassen. Das lese ich auch nicht in der Bibel, dass ich das sollte.
Jesus hat meiner Ansicht nach mit „haltet die andere Wange hin“ und „tragt das Gepäck noch einen Kilometer weiter“ Anweisung zum Umgang mit den römischen Besatzern gegeben, gegen die die Juden keine Chance hatten. Es haben permanent Aufstände stattgefunden. Man kann Jesu Worte (zumindest zum Teil) daher auch so verstehen, dass er die endgültige Vernichtung seines Volkes verhindern wollte, denn die Römer hatten kein Problem mit Völkermord und Versklavung, wenn es ihnen zu unruhig wurde.
Wir sind hier in einer völlig anderen Situation. Wir haben die Gestaltungsmöglichkeit für das Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit und Politik – ein Verhältnis, das die Schriftpropheten immer wieder angemahnt haben. Recht sollte dynamisch, nie statisch zum Vorteil einer Gruppe sein. So zumindest meine Lesart im 21. Jahrhundert.
Ich glaube auch nicht, dass es Jesus hauptsächlich um die Abschaffung „heiliger Symbole“ ging. Er hat sich gegen Erstarrung und Missbrauch kultischer und rechtlicher Normen gewandt (ganz in der Tradition der Schriftpropheten). Gegen die Beschneidung hat er sich nie ausgesprochen (die Beschneidung der Herzen ist ein Ausdruck schon aus dem AT). Und die Tempelaktion scheint mir sehr vielschichtig.
Der Tempel war doch eine Quelle der Selbstbereicherung derjenigen geworden, die sowieso schon mit den Römern paktierten, während der Großteil der jüdischen Bevölkerung verelendet war. V.a. stieß er ja die Tische um, an denen Geld verdient wurde mit dem Opferbetrieb. Er hat aber nicht den heiligen Bezirk beschädigt oder so etwas. Matthäus verweist auf Hosea, um Jesu Kritik klarzumachen. Das zeigt, dass es um den „rechten“ Gottesdienst ging (großes Thema schon im AT) und dass die falsche Kultpraxis (bei Hosea: „Eure Opfer will ich nicht, sondern Eure Herzen“) von Gott trennt und zu falschem Handeln führt (Pharisäer, Geldwechsler, Vogelverkäufer und alle, die vom Tempel profitierten, während der Rest Israels weiter verarmte).
Jesu Auftreten war also sowohl Religions- als auch Politik-Kritik. Die beiden Aspekte kann man nur schwer voneinander isolieren. Dass er gegen „heilige Symbole“ vorgegangen sei, ist mir zu einfach. Jesus hatte mehr drauf. 😉
LG, Ina
Arnachie
Ina,
Vielen Dank,
ich kann Dein Kommentar fast zu 100% unterschreiben, bin aber gerade in dem Gespräch woanders gewesen.
Ich glaube NICHT, dass wir in einer Diskussion von den Rechtspopulisten bis zu den Islamvertretern stecken, die in dieser Form theologisch ist. Ich glaube aber, dass implizite Theologien in den Streitigkeiten stecken (zB die Idee Gott wäre dafür da, eine bestimmte Identität abzusichern).
Ich glaube auch, in manchen Teilen des Christentums kommst Du nicht weiter, wenn Du nicht theologisch argumentierst. Aber das ist eine Frage von dem, was man „Christengemeinde und Bürgergemeinde“ (Karl Barth) nennt. Natürlich rede ich als politisch interessierter Mensch nicht in der Form theologisch, sondern suche nach einer sachlichen Klärung und rede „etsi deus non daretur“ – als ob Gott nicht gegeben wäre. Aber nichtsdestoweniger stehen in diesem Forum theologische Fragen in Raum und ich muss Gott nicht ausblenden. Ich würde auch sagen: mir geht es um eine Offenheit aus Prinzip keine prinzipienlose Beliebigkeit – ein Problem das der liberale Rechtsstaat übrigens nicht lösen kann. Ich kann die Situation der Offenheit ertragen aus theologischen Gründen; zB weil ich weiß, dass ich nicht das Zentrum des Universums bin. Ich gehe hier einen anderen Weg als viele liberale. Die sagen: bloß nicht zu viel Glauben und Leidenschaft und sie verlangen, dass man lieber „gemäßigt“ glaubt. Ich würde sagen: mit großer Überzeugung und Leidenschaft glauben aber der Glaube an Gott öffnet mich gerade für diejenigen die anders denken als ich.
Dann – ich switche in den Modus „Bürgergemeinde“ – ja Du hast Recht, was diese Aushandlungsprozesse anbelangt. Die dürfen nicht vorher entschieden werden. Ja: wenn es die Leute stört, gibts eben kein Muezzin Ruf. Aber ich bin skeptisch, wenn Du vor allem juristich argumentiert. Ich bin eben tatsächlich – auch politisch – kein liberaler. Der liberaler Rechtstaat ist für mich unhintergehbar, aber auf der Ebene der Gesetze sind eben nicht alle Probleme zu lösen. Das liebrale Menschenbild ist für mich steril – Interessen, Vernunft, Aushandlung ja!, Leidenschaften, Stimmungen, Begehren und Ängste, Narrativen – Nein! Die Probleme ist doch, dass dieses Wort „Aushandlung“ eigentlich an der Realität vorbeigeht. Aushandeln klingt viel zu versöhnlich – zu merkantil. Diese Prozesse werden vor Ort viel existentieller, viel kämpferischer erlebt.
Deshalb auch der Verweis auf das Frühe Christentum. Meine Wette ist ja, hier eher eine starke Kontinuität mit heute zu ziehen. Zwar sind die Fragen heute nicht mehr Götzenopferfleisch und Beschneidung, aber die Dynmamiken sind ähnlich oder haben sich sogar ncoh verschärft. Ich würde nicht sagen: das sind „nur heilige Symbole“, sondern würde sagen: was gibt es grundlegenderes als solche Symbole, Narrativen etc? Deine Ergänzungen sehe ich auch; ich würde nur sagen: im Prinzip sind diese ganzen Fragen, die das NT (vor allem Paulus zB im Galtherbrief) beschäftigt eine hochaktuelle Auseinandersetzung mit „identity politics“. Dafür siehe: Alain Badiou – Paulus.
PS: Ina, ich habe Deine Mail erst jetzt gesehen. Bei mir landet zZ sehr viel im Spam Ordner. Ich werde gerne die Tage mal antworten.
Arnachie
PS: Sorry für die vielen Typos – hab das ganz schnell vor einem Termin dahingeschrieben.
Konrad
Hallo Florian,
zunächst einmal ist wohl für alle (inkl. der AfD) klar, dass die Religionsfreiheit gewährleistet sein muss (Artikel 4 GG). Wenn in einzelnen Moscheen allerdings verfassungsfeindliche Lehren gepredigt werden, darf der Staat hier genau hinschauen und eingreifen.
Ich habe mich nicht näher damit beschäftigt, wo die Ursachen für die vielen Terroranschläge im Namen des Islam liegen. Ich denke, hier bedarf es der ehrlichen Analyse und ein Ringen um einen guten Weg. Dieser muss m.E. irgendwo in der Mitte liegen zwischen den Randpositionen „Der Terror hat nichts mit dem Islam zu tun“ und „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“.
Ralf
Vielen Dank, Gofi und Jay!
Genau so kann man miteinander reden, sich kennenlernen, Vorurteile abbauen, sich näherkommen und voneinander lernen, auch wenn man bei bedeutenden Lebensfragen unterschiedliche Überzeugungen vertritt. Ich freu mich auf baldige Fortsetzung und weitere pointierte Auseinandersetzungen, besonders dann, wenn es ans Eingemachte geht. – Ihr macht das sehr gut so.
Jule
Hui, Gofi und Jay, jetzt hatte ich mir vorgenommen, doch erstmal alle Folgen durchzuhören, bevor ich wieder was kommentiere (und ich denke wirklich nach JEDER Folge „wow, das war ja interessant, da guck ich noch mal mehr nach…. und jetzt muss ich denen doch ein feedback geben, aber nee, da sind sooo viele lange Kommentare, das kann ja niemand alles lesen also halt dich zurück und schreib einmal ganz zum Schluß“) und jetzt klappt´s schon nich… (habe erst Folge 82 und 83 gehört, dann die ersten sieben und dachte mir warum auch immer, „nee, jetzt erst von 84 bis Ende und dann höre ich nach und nach und nach die alten Folgen chronologisch und immer die aktuellen dazwischen, wenn sie rauskommen“).
Und zwar deswegen, weil Ihr mir ja anbietet, mir die Welt zu erklären (jaaa, is ´n Scherz, hab ich schon verstanden) und ich genau das gerade suche und nicht finde. Und das in Berlin, da sollte es doch eigentlich so ziehmlich alles im Angebot geben ;-).
Noch mal vom Urschleim: Ich bin in einer nicht religiösen Familie kulturell lutherisch großgeworden, habe immer irgendwie an „Gott“ geglaubt, aber ab der Teenagerzeit nüscht mit Dingenskirchens am Hut gehabt ( Davor gab´s ne Kindergruppe und den Kinderchor, weil da halt in den Achtzigern in unser Kleinstadt einige aus der Schule waren.) Da war dann erst mal saufen, kiffen, diverse andere Drogen, Kerle, wilde Partys, diverse Szenen von Punk, Hippie, Gothik, Goatrance, blabla; Bruch mit den Eltern, usw. dran. Wirklich krasses Leben, die Schule habe ich mit 16 als ehemals Hochbegabte dann auch geschmissen, bin erst nach HH und dann nach Berlin, linksalternative Szene, schwullesbifeministisch bunt, gegen Nazis… Das Bild ist klar, oder? Würde ich so nicht noch mal machen, war aber auch nicht alles scheiße und eben meine Lebenserfahrung, die mich zu dem Menschen gemacht hat, der ich heute bin.
Dann war ich mit 24 im Chaos ohne Ausbildung, Kerl, Familie, Geld, unterstützendem Freundeskreis mit schrecklichem Liebeskummer ungeplant allein schwanger, alle rieten mir dringend abzutreiben und ich hatte bei aller Panik und obwohl ich nach wie vor allen Frauen unbedingt das Recht zuspreche, sich aus verschiedenen Gründen auch gegen ein Kind zu entscheiden, das Gefühl „nee, das hat irgendwas mit Gott zu tun und das geht deswegen jetzt nicht“. Dann bin ich bewußt in eine katholische Beratungsstelle, habe dort erklärt, ich würde das Kind wohl bekommen, möchte aber auch über meine komischen Gottgedanken mal sprechen und bitte mehr als einen Termin.
So war ich dann Monate später auf deren Rat bei einem tollen Jesuiten (der inzwischen ausgetreten und verheirateter Psychotherapeut ist 😉 bei der „Offenen Tür Berlin“ zu Beratungsgesprächen. Weil ich ja immer alles genau wissen, alles einordnen, im System verstehen will, habe ich dann ganz viele Bücher über z.B. Ordensgeschichte aus der Bibliothek geliehen und gelesen.
Als alleinerziehende linke Feministin wurde mir die katholische Kirche so neu erlebt zwar sehr überraschend symphatisch (das mit dem sinnlichen Erleben haben die echt besser drauf!), aber irgendwie war mir das doch fremd und ohne Frauenoordination und das Ding mit Marienverehrung…
Also doch back to the roots, ergo evangelisch? Eine Frau aus der Stillgruppe war bei der SELK. Da ich wirklich niemand kannte der irgendwas mit Kirche zu tun hatte, habe ich immer mal nachgefragt. Um es abzukürzen: Die SELK ist mir viel zu konservativ, aber dort war ich als Erwachsene die ersten Male wieder in einer Kirche, später auch beim Bibelkreis und wir sind seit damals über 15 Jahre befreundet.
Irgendwann habe ich mich dann mit klopfendem Herzen allein in eine „ganz normale Kirche nebenan“ getraut und habe mir das alles sehr intensiv angeschaut. Verkürzt gesagt, kamen dann einige Phasen, wo ich jeden Sonntag hingegangen bin und sehr viel nachgedacht, gelesen, verglichen, ausprobiert habe und einige Jahre später habe ich mich dann endlich taufen lassen, weil der Schritt immer noch fehlte und ich endlich „richtig dazugehören“ wollte. Aber EIGENTLICH hatte ich noch ganz viele Fragen und da waren so viele Widersprüche… Und die sind ja leider nicht weniger geworden…
Mein Dilemma ist, dass ich im Freundeskreis bis auf die SELKis immer noch die einzige Gläubige bin. Und ich bin eben immer noch linke angeökte vegane Feministin mit lesbischen und schwulen Freunden; da fühle ich mich nach wie vor zuhause. Das mit den Drogen und den Partys war ab der Schwangerschaft vorbei und dann verändert sich halt das Leben, man wird älter und spießiger. Das ist ja bei wahrscheinlich jedem so, ob gläubig oder nicht. Aber das Bedürfnis, sich mit dem Christentum auseinanderzusetzen und den Konsequenzen auf mein Leben, dass haben meine anderen Freunde eben so nicht, da fehlen mir Gesprächspartner. Ich habe mich ja bewusst für die janz normale Landeskirche entschieden, weil das am ehesten meine religiöse Sprache ist und ich mich da insgesamt wohl fühle und auch weltanschaulich zwar nicht die Mehrheit repräsentiere, aber eben auch kein Exot bin. Aber da fehlt mir viel! So was wie mystische Erfahrungen, ohne damals zu wissen, was das ist, habe ich bisher nur in seltenen katholischen Andachten mit meditativer Stille oder tatsächlich in der Natur gemacht. Beten ist sonst bei mir meist eher ein Ringen um Schuld, Bitte um Vergebung, Anlage an Gott, Wut („Warum mutest Du mir das alles zu! Das ist zuviel, scheiße noch mal!“) und der Bitte um Trost und mich nicht loszulassen, wenn ich mich immer wieder von Gott entferne und der Gesprächsfaden abreißt und der Alltagsscheiß und die seelischen Altlasten mich völlig absorbieren.
Inzwischen gehe ich nach einigem Frust mit meiner Kirche im allgemeinen und im persönlichen Umgang untereinander nach dem Umzug im letzten Herbst gelegentlich wieder zum Gottesdienst hier (was auch schön ist, ist ´ne nette Gemeinde, in deren newsletter ja tatsächlich auch der link zu HOSSATALK Folge 82 war ;-)), aber ansonsten ist da meist religiöse Ödnis in meinem Leben.
Wenn ich mich auf die Suche machte nach dem, was ich mir wünsche (junge Leute in meinem Alter, moderne Gottesdienstformen, Gemeinschaft im Alltag, Bibelkreis und bitte endlich mal jemanden, der sich meine Fragen anhört und mich zu Antworten hin begleitet) landete ich dann oft bei Leuten, die mir „komisch“ vorkamen und immer noch vorkommen. Erst mal sehen die „normal“ aus, aber dann denke ich, ich bin in einer Sekte gelandet, irgendwie spooky… Und dann diese engstirnigen Ansichten zu Homosexualität und Abtreibung, wie passt das denn zusammen?
Inzwischen weiß ich, aha, das ist freikirchlich, charismatisch, pfingstlich, irgendwas. Okay. Für mich als verkopfte Norddeutsche lutherischer Prägung eben sehr fremd.
Und jetzt höre ich euren geilen podcast und lerne: Ach, das alles ist also evangelikal? Ich dachte immer, evangelikal, das sind diese reaktionären Spinner um Gorge DoubleU in Amiland, die mit Bomben auf die Achse des Bösen, dem Kreationismus, der Hölle für liberale Linke wie mich usw. Sorry, aber von Partyleben auf Christin in der EKBO war schon mit ganz viel Lernen und Lesen verbunden, da habe ich dieses Spektrum bisher noch nicht systematisch betrachtet.
Nach den ersten Folgen habe ich dann ganz viel gegooglet, weil ich immer wieder gestutzt habe und für mich so viel ganz neu ist. Und jetzt gibt´s auch noch linksevangelikal, postevangelikal, usw??? Puh. Und wo pass ich da mit meinem Glaubenserleben rein?
Für mich so von außen ist das suuuperspannend, ich kenne fast keinen eurer Gäste oder der angesprochenen Leute, ich denke immer wieder „Häh, was´n das, Erweckung? Übergabegebete? Wieso glaubt da wirklich jemand, das die Welt demnächst untergeht. Häh?“ Das muss für euch schwer vorstellbar sein, aber für mich ist das nochmal ne völlig neue Welt. Und obwohl ich bei vielem bestimmt oft ganz andere Ansichten habe, bin ich so dankbar für euren podcast!!! Da wird mir so viel angeboten, was ich bisher nur gestreift habe (Richard Rohr z.B. habe ich tatsächlich schon mal angelesen 😉 ), von verschiedenen Standpunkten beleuchtet, ganz viele meiner Vorurteile werden abgeräumt (Danke!) und – was mir selbst ganz wichtig ist: Gegensätze benannt und im respektvollen Miteinander stehen gelassen und ausgehalten. Ich hatte bis vor dieser Folge noch nie von Herrn Hartl gehört und kann mich mit ihm bestimmt ganz trefflich über vieles streiten, aber ich bei den meisten Dingen, die er da gesagt hat, rennt er bei mir offene Türen ein, ich fand ihn sehr sympathisch und ich bin ganz neugierig auf mehr.
Tja, und das ging mir eben bis jetzt bei euch immer so. Schön!
Boah, bin ich gespannt, was Ihr mir da noch alles so offenbaren werdet.
Scheiße, dass das mit dem croudfundig für die CD vorbei ist, das Angebot für ne Stunde persönliches Welterklären wäre es mir ja selbst bei meinem ergänzenden ALG II wert gewesen 😉
Ich wünsche mir einen persönlichen HOSSATALK-Coach! Das wäre doch geil, oder?
Oje, es ist halb vier nachts, viel zu spät und jetzt gehts mit mir durch…
Also, Räusper, ich hoffe es war nicht zu wirr und ich konnte mich einigermaßen verständlich erklären, ich hoffe weiter, dass das, was ich im Gespräch mit Mimik und Gestik als Ironie o.ä. kenntlich machen kann, hier nicht als böswillige Provokation missverstanden wird und möchte mich nochmal ganz dolle bei euch bedanken, dass Ihr diesen tollen podcast anbietet. Hossa!
Gofi
Ganz herzlichen Dank, Jule!!! Alle Ironie komplett verstanden. Ich freu mich total, dass wir dir ein bisschen weiterhelfen können! Liebe Grüße!
Nur ein Hossa am Ende? Das find ich schwierig, Konventionen sind wichtig und sollten unreflektiert übernommen werden, sonst geht schnell die Orientierung verloren. Goatrance ist mir zu Crossover. Ansonsten interessanter Beitrag, geschrieben von einer Frau, der, wie Foucault das sagen würde, ihr Sein zu denken gibt.
Kann fast alles, was Hartl gesagt hat, eigentlich nachvollziehen (wenn man den Christ ist, von was ich mich immer wie mehr entferne od. schon entfernt habe, weil es def. Wichtigeres gibt, als sich als Christ abzustrampeln), aber def. nicht seine Ausgestaltung dieser am Schluss erwähnten Wahlchallenge. Ich gebe da der Fragestellerin Anna völlig Recht, dass sie Bedenken hat, dass man immer für Einheit beten soll (wenn man überhaupt beten soll) und auch für die AfD, etc. Ich bin ganz klar der Meinung, dass es unerlässlich ist, gegen rassistisches Gedankengut, Hass, etc. anzukämpfen. Und zwar real und nicht betend. Und wenn Hartl sagt, dass er in allen Parteien Schwieriges finden kann, dann muss ich sagen, dass z.B. Rassismus def. erkennbar ist und eben nicht in allen Parteien gleichermassen. Und dann gibt es ja immer wieder auch belegbare Aussagen von Parteimitgliedern. Und dann einfach für diese zu beten. Nee. Sorry.
Ich finde das alles schwierig. Es geht viel um Unmittelbarkeit. Und dann wird wieder ein riesen Ding draus, mit riesigen Events und einer Struktur, die ich nur zu gut aus charismatischen Kreisen kenne. Und plötzlich geht es unterschwellig auch wieder um Macht der Macher. Brrr.
Wer macht eigentlich immer diese Bilder?
Diesmal ist es obergeil geworden – Jay und Gofi als Ministranten.
Ihr wart viel zu kuschelig – ich hätte mir Clash erwartet.
Gerade beim Hartl.
Ich stimme zu!
Ah übrigens: ihr habt nicht hart genug nachgefragt 😉
Können wir mit leben. Wir hatten ein gutes Gespräch, das war uns wichtiger. 🙂
Weiß ich doch und find ich gut. War nur als Kommentar zu Goofis Bemerkung gemeint, dass sich dann jemand meldet, ihr hättet nicht hart genug nachgefragt.
Hatte de podcast direkt vor meinem Kommentar gehört.
ich fands trotzdem einen super Talk, weil der Johannes eben so ein vielseitiger intellektuell sich gut ausdrückender und sympatischer Typ ist. Anders als jetzt zB.(Name der Redaktion bekannt) ein anderer Kritiker. Er hinterfragt sich auch selber und hat auch einen Zugang zur Mystik. Den Vortrag mus ich mir auch noch mal geben. Meine Frage wäre noch gewesen, ob er da auch von Richard Rohr beeinflusst worden ist?
Trotzdem hat er auch seine blinden Flecken und grade bei den Abschluss Statements hätte ich einige Anfragen zu Emergent und Postmoderne..
Ich fand den Hartl super sympathisch. Ich werd jetzt Katholik. (Grins). Nee, eine sehr schöne Sendung, Leute! LG, Patrick
hallo zusammen,
sehr traurig, dass das letzte thema so abgehackt mit einer pauschalen verurteilung geendet hat, aber vielleicht ist das auch eine provokation zur baldigen fortsetzung? ich bin weder theologe, noch philosoph, ( noch künstler, ) aber die fortschrittte in der auslegung mancher alltags-relevanter biblischen aussagen so pauschal als vergängliche „mode“ abzutun, das ist deutlich unter dem niveau des ganzen bisherigen gesprächsverlaufs. dagegen spricht die geschichte der christenheit, in der viele inzwischen untragbare, einmal „bibeltreue“ interpretationen überholt wurden. selbst „fundis“ widersprechen nicht mehr, dass es sich vielfach um einen wirklichen, dringend nötigen fortschritt und nicht um eine mode handelte. wäre erschreckend, wenn wir wieder auf die lieblosen, teils gruseligen auslegungen zurückfielen. insoweit wäre eine differenzierte betrachtung der sogenannten „moden“ angemessen.
bis auf diesen absturz habe ich das gespräch sehr positiv und konstruktiv empfunden! ich bin auch nicht der ansicht, dass mehr konfrontation besser gewesen wäre. sich auf die vielen gemeinsamkeiten zu besinnen und sich darüber zu freuen hat nichts mit bequemem kuscheln ( oder gar feigem kuschen ) zu tun.
liebe grüße,
werner
Gute Folge. Da Johannes Hartl aus einem anderen Kontext als ihr kommt, gab es viele Unterschiede zu erklären und zu besprechen. Auf diese seid ihr und er gut eingegangen. Hartl hat nachvollziehbar, reflektiert und meist freundlich argumentiert und ihr (u.a. auch durch die Fragen der Zuschauer) habt ihn gut dazu angeregt. Zudem vereint er viele Aspekte und Perspektiven des Glaubens auf eine interessante Art und Weise. Eine Folge mit Erkenntnisgewinn.
„Hart nachfragen“ und „Clash“ nur aus Prinzip, weil man ja ach so kritisch ist, bringt meiner Erfahrung nach auch nichts. In Gesprächen auf Augenhöhe, die auf Zuhörbereitschaft, echtem Interesse und sachlichem Argumentieren basieren, kann viel mehr verstanden und gelernt werden als in inquisitorischen pseudo-kritischen Auseinandersetzungen, in denen ein Gast nur defensiv auf Vorwürfe reagieren muss.
Liebe Hossa-Leute,
vielen Dank für das Interview. Das zeigt sehr schön auf, wie wir in einer Zeit leben, in der sich Konstellationen auf eine gewisse Weise dramatisch ändern (es gibt plötzlich evangelikal-charismatische Katholiken mit intelektuellem Anspruch) und in gewisser Weise die Fronten von vor 30 Jahren wohl immer noch auftauchen.
Allein schon der Begriff des „Liberalen“ (für Umweltschutz sein und seine eigene Epoche überschätzen) ist mir zu platt. Denn er sieht nicht, dass gerade in Deutschland sich vieles anders verhält. Die Kulturprotestanten zB sind zwar liberal, im Sinne von dogmatisch flexibel, sind aber kulturell stark im Bildungsbürgertum verwurzelt und politisch tendenziell konservativ.
Dann fällt es auf: Sexualethik wird immer noch als „identity marker“ genommen. Hier sollte man nicht den Fehler machen und einfach zB eine konservative Position bestreiten, sondern mal fragen: Warum ist DAS das entscheidende Thema und nicht zB das Thema Geld? Was haben Kenservative und „Progressive“ gemein, dass sie so fixiert auf das Thema Sex sind? Es wäre gut, einfach mal eine Zeit lang dieses Thema mal ausnahmsweise NICHT als großen Lackmustest für christliches Leben nimmt.
Das Thema der Ganzheitlichkeit und Spiritualität ist insofern interessant, als sich hier unter dem Stichwort „Ganzheitlichkeit“ plötzlich Positionen wiederfinden, die bei ethischen, theologischen und politischen Fragen eher weit auseinander sind. Es reicht vielleicht schon den Begriff des Ganzen zu ersetzen durch ein Synonym um zumindest zu zeigen: Ganzheitlichkeit muss nichts tolles sein. Wenn man nämlich den Begriff des Totalen oder Totalitären daneben setzt, wird einem gleich eher etwas unbehaglich.
Zuletzt: Emergent und die Postmoderne. Hach. Die Postmoderne ist keine kulturelle Mode. Und das gilt selbst dann, wenn man die Postmoderne verabschiedet oder – wie es Leute wie Alain Badiou und Slavoj Zizek machen- über sie hinaus gehen. Wie oben angedeutet: eine Person wie Johannes Hartl mit seinen sehr unterschiedlichen Hintergründen ist schon einmal ein typisch postmodernes Phänomen. So etwas hätte es in einer Welt, die auf sehr eindeutige Grenzziehungen „wie sie schon immer waren“ nicht geben können. Emergent ist zunächst nichts weiter als ein Ort, an dem sich Leute treffen und gemeinsam austauschen: was bedeutet es, dass wir in einer Welt leben, in der solche hybriden Glaubensformen entstehen? Übrigens gehört dazu auch die Frage: Wie stellt man von dieser Situation ausgehend die Wahrheitsfrage.
Hey Arne,
ich glaube, dass das Thema Homosexualität immer noch ein „brauchbarer“ Lackmustest ist, weil damit automatisch viele andere Aspekte verknüpft sind, die über die bloße Thematik hinausgehen:
– Schriftverständnis und Hermeneutik
– Das Verhältnis zu Wissenschaft
– Verhältnis zu sich verändernden gesellschaftlichen Normen und Strukturen
– Sündenverständnis
– Täterzentrierte Soteriologie vs opferzentrierte Soteriologie*
– Drinnen/draußen-Denken vs inklusives Denken
– usw.
*Interessant z.B. wie Hartl davon ausgeht, dass „Menschen mit Brüchen in ihrer Biographie“ grundsätzlich erstmal selbst daran Schuld sind und etwas an sich ändern müssen.
Guter Punkt. Danke. Wäre mir glatt durch die Lappen gegangen.
LG,
der Jay
Nicht automatisch.
Die Orhtodoxen Kirchen können Homosexualität auch aus ganz anderen Gründen ablehnen als es zB evangelikale tun; da wird eher nicht eine biblizistische Hermeneutik das Problem sein.
Und was ist denn nun eine „täterzentrierte oder opferzentrierte Soteriologie“? Nenn mich naiv, aber sollte Soteriologie nicht Christuszentriert sein? Also geht es in der Soteriologie nicht darum, zu bezeugen, was Christus am Menschen tut? Und inwiefern ist hier die Kategorie von Tätern und Opfern wirklich hilfreich?
Und was genau ist denn inklusives Denken? Denken, dass so tut als gäbe es kein drinnen und draußen? Ich glaube, hier gerät man – wie Hartl richtig betont- eher schnell in Selbstwidersprüche (ist nicht das Postulat, jeder müsste inklusiv denken auch wieder sehr exklusiv?). Und ist denn überhaupt geklärt, dass inklusives Denken auch einer inklusiven Lebensform entspricht? Und wohin soll denn inkludiert werden? Was ist das „drinnen“ in das alle rein sollen? Wenn man hier wirklich bohrt, könnte auch diese Unterscheidung ziemlich ins Wanken kommen. Ich habe das mal das Paradox der Inklusivität genannt: Je inklusiver man sein will, desto schärfer wird derjenige exkludiert, der die eigenen Maßstäbe an Inklusivität nicht teilt: Inklusivität führt so paradoxerweise zu einer feinen, kaum benennbaren Exklusion.
Aber worum geht es bei solchen Gesprächen? Es wird nicht darum gehen, dass man den jeweils anderen überzeugt; ein geklärter Dissens kann schon sehr viel sein. Und man muss dann auch seine Machtlosigkeit einsehen: ich kann zur Zeit nichts daran ändern, dass sehr viele Kirchen – von den Evangelikalen bis hin zu den Orthodoxen – in diesen Lebensstilfragen weiterhin eine harte Linie fahren, die ich nicht teile. Ich glaube: die Einsicht, dass ich das jetzt gerade nicht ändern kann, ist Bedingung dafür, dass es einen langsamen „Wandel durch Annäherung“ geben kann. Und solange redet man erst einmal über andere Dinge, in denen die Fronten noch nicht so ganz knallhart sind.
Zum Beispiel die viel grundlegendere Frage: geht es im Christentum um EINE einheitliche Lebensform? Ich glaube – mit Gründen – Nein! Es geht eher darum, wie verschiedene Lebensformen – „Judenchristen“, „Heidenchristen“ etc. – zusammenkommen. Und: immer wieder: es geht mehr darum, wie Gott an Menschen handelt und somit menschliche Leben verändert und darum, wie das zu bezeugen ist. Wenn diese ganz und gar nicht selbstverständliche Vorraussetzung geklärt wäre, könnte man andere Dinge besser klären.
Naja ich habe einfach mal ein paar Stichpunkte rausgehauen ohne sie weiter zu erläutern, das konnte ja nur zu Missverständnissen führen 😀
Unter „Täterzentrierte Soteriologie vs opferzentrierte Soteriologie“ meine ich ein Kontinuum, dessen Extreme sich nur auf Vergebung von Sünden oder nur auf Wiedergutmachung von Leid konzentrieren. Natürlich sind beide (Extrem)positionen unvollständig.
Deine Kritik am inklusiven Denken kann ich wirklich nicht nachvollziehen, ich sehe nur ein Verbiegen und Dehnen von Worten. Ist es nicht endlich offensichtlich, dass Ingroup-Outgroup-Denken und die damit verknüpfte soziale Gewalt keine befriedigende Antworten auf die Fragen des 21. Jahrhunderts sind. Natürlich gibt es „drinnen und draußen“. Das leugnet keiner. Aber die Frage ist, ob wir das fördern oder dagegen ankämpfen.
Die Haltung, dass man die konservativen Kirchen ja eh nicht ändern kann und es akzeptieren muss, betrachte ich mit gemischten Gefühlen. Diese Position wird aus meiner Sich dann untragbar, wo man beginnt Ablehnung von homosexuellen Menschen als eine Form von Menschenfeindlichkeit zu sehen genau so wie Rassismus oder Sexismus. Hätte Martin Luther King damals auch sagen sollen „Ich kann den Rassismus gerade nicht ändern, also muss ich ihn akzeptieren, dann kann es vielleicht einen langsamen Wandel durch Annäherung geben?“
PS:
Wenn ich eine Gruppe sehe, die dem Postmodernen Zeitgeist auf dem Leim gegangen ist, dann sind es zB AfD Wählende Christen oder US-Evangelikale. Warum? Weil es gibt kaum eine Bezugnahme, die so sehr die eigene Identität prägt, wie die Opposition. Ich glaube es gilt nciht so sehr Augustins: „Wir werden so wie die Dinge, die wir lieben“ und mehr „Wir werden vor allem geprägt durch die Dinge, die wir mit großer Vehemenz ablehnen.“ Und all die Anti-Genderisten sind im Wesentlichen Leute, die es zu ihrer Identität machen, pauschal und ganz vehement gegen die Entgrenzungen der Postmoderne zu sein. Eine Position, die von diesem Zeitgeist nur wenig geprägt wäre, wäre letztlich viel entspannter und gelassener als es Leute wie Birgit Kelle sind.
Servus in die Runde,
ich habe mich mit dem Talk echt schwer getan. Ich finde viele Positionen, mit denen ich bei ihm übereinstimme oder sagen würde, ja, das ist ein valider Punkt. Z.B. was Ganzheitlichkeit angeht. Oder das Überwinden von Grenzen. Aber ich möchte es von ihm nicht gelten lassen.
Für mich kam er (im Gegensatz zu anderen) total unsympathisch rüber, weil er einfach die ganze Zeit mit einer Bestimmtheit Sachen behauptet und sagt:
„Die einen sind so, die anderen sind so, wir Westler sind so, der Rest der Welt ist so, ich reise ja viel in Afrika und Asien, deswegen erzähl ich dir jetzt mal, wie die Welt ist.“
„Die Evangelikalen machen das falsch, die Katholen machen das falsch, aber das, was ich mache, das ist das wahre Christentum.“
Und hat er die Vorrednerin vom letzten Podcast für ihr Umweltengagement gedisst? „Ich war schon in den 80ern für Umweltschutz, ich kann da immer nur gelangweilt gähnen, wenn evangelikale Jugendliche jetzt Umweltschutz für sich entdecken.“ Wie kann ein Erwachsener sowas sagen und sich selbst noch ernst nehmen?
Nun arbeitet man sich ja immer am meisten an Leuten ab, die einem in entscheidenden Punkten ähnlich sind und die Frage danach, was wahr und richtig ist, ist auch die, die mein Leben mit am stärksten beeinflusst. Und gerade deswegen frustriert mich seine Behauptung von Wahrheiten so sehr. Weil er die Vorläufigkeit von Erkenntnis, mit denen er die Behauptungen von anderen niederbügelt, nicht für seine eigenen wahrzunehmen scheint.
Diese Haltung relativiert auch wieder viele Aussagen, denen ich durchaus zustimmten würde. Wer kann behaupten, dass man Grenzen überwinden muss, wenn man dadurch, wie man redet, die ganze Zeit Grenzen zieht? Ich fürchte, ich kann aus dem, was er erzählt, einfach leider keinen Gewinn ziehen…
DAAAAnke Kathrin !
Ich kann nur noch copy and paste dazu.
„ich habe mich mit dem Talk echt schwer getan. Ich finde viele Positionen, mit denen ich bei ihm übereinstimme oder sagen würde, ja, das ist ein valider Punkt. Z.B. was Ganzheitlichkeit angeht. Oder das Überwinden von Grenzen. Aber ich möchte es von ihm nicht gelten lassen.
Für mich kam er (im Gegensatz zu anderen) total unsympathisch rüber, weil er einfach die ganze Zeit mit einer Bestimmtheit Sachen behauptet und sagt:
“Die einen sind so, die anderen sind so, wir Westler sind so, der Rest der Welt ist so, ich reise ja viel in Afrika und Asien, deswegen erzähl ich dir jetzt mal, wie die Welt ist.”
“Die Evangelikalen machen das falsch, die Katholen machen das falsch, aber das, was ich mache, das ist das wahre Christentum.”
Und hat er die Vorrednerin vom letzten Podcast für ihr Umweltengagement gedisst? “Ich war schon in den 80ern für Umweltschutz, ich kann da immer nur gelangweilt gähnen, wenn evangelikale Jugendliche jetzt Umweltschutz für sich entdecken.” Wie kann ein Erwachsener sowas sagen und sich selbst noch ernst nehmen?
Nun arbeitet man sich ja immer am meisten an Leuten ab, die einem in entscheidenden Punkten ähnlich sind und die Frage danach, was wahr und richtig ist, ist auch die, die mein Leben mit am stärksten beeinflusst. Und gerade deswegen frustriert mich seine Behauptung von Wahrheiten so sehr. Weil er die Vorläufigkeit von Erkenntnis, mit denen er die Behauptungen von anderen niederbügelt, nicht für seine eigenen wahrzunehmen scheint.
Diese Haltung relativiert auch wieder viele Aussagen, denen ich durchaus zustimmten würde. Wer kann behaupten, dass man Grenzen überwinden muss, wenn man dadurch, wie man redet, die ganze Zeit Grenzen zieht? Ich fürchte, ich kann aus dem, was er erzählt, einfach leider keinen Gewinn ziehen…“
Mir ging es ganz ähnlich beim Hören. Vielen Dank, Kathrin.
Irgendwie war es doch letztendlich der Jargon aus den Jugendgottesdiensten und Gemeindeseminaren meiner Vergangenheit: Der böse Zeitgeist, die entkernte liberale Theologie, das arme Sünderherz … gäääääähn….
Ich fand die Gedanken zum Thema „Erweckung“ interessant – werde sie nochmal hören und mir Gedanken machen…
Gedanken zu Jesus und dem Vater mit dem „besessenen“ Sohn, den die Jünger nicht heilen konnten, hab ich mir schon gemacht ( :
Ganz spannend ist da finde ich, dass sowohl der Sohn, also auch der Vater UND Jesus hin-und her-gerissen sind: Der Sohn von dem unreinen Geist zwischen Wasser und Feuer, der Vater zwischen Glaube und Zwiefel und Jesus zwischen Himmel (da kommt er gerade mit Petrus, Johannes und Jakobus her) und Erde („Wie lange muss ich eigentlich noch hier bleiben?“ … oder so ; ).
Jesus ist wohl derjenige, dem bewusst ist, durch was für eine Hölle der Vater geht; wie es ihn in der Sorge um seinen Sohn und in seinem Nichtmehrkönnen zerreißt – es geht möglicherweise „einfach“ um Mitgefühl, Bar(m)herzigkeit! Selber fasten (also etwas nicht mehr haben) und beten (das Ringen mit Gott ums Leben) macht empathischer!
Jesus war 40 Tage in der Wüste und ist an den Rand des Todes gekommen – möglicherweise darüber hinaus, denn Engel dienten ihm am Ende! Und er weiß, was da für Gedanken auf dich einstürmen, wenn du am Sterben bist (in diesem Fall vor Hunger). Dann ist die Sache mit dem liebenden Gott – Jesus ist ja vom Heiligen Geist in diese Wüste geschickt worden!!! – und dem geliebten Sohn vielleicht auf einmal gar nicht mehr so klar…
Ich glaube, Jesus kann sich in die Not des Vaters einfühlen, weil er selber die Not des Hin-und- Hergerissenseins kennt; das Fasten, nicht im Himmel sein zu können und das Ringen im Gebet um den Willen seines Vaters .
Und darum kann er den Vater heilen – und seinen Sohn : )
Oft können wir ja genau für die Krankheiten gut beten, die wir selber schon erlebt haben und darum eher nachfühlen können, wie es sich für den anderen anfühlt.
Die Jünger waren in ihrer Selbst-Erkenntnis und Gottes-Erkenntnis noch lange nicht dort, wo Jesus war.
Die Offenbarungsstelle würde ich ja witzigerweise ganz anders auslegen… Da muss ich aber nochmal die Stelle lesen und auch nochmal hören, was Johannes Hartl dazu gesagt hat.
so long…
Ich muss ehrlich sagen, als er von sich erzählt hat war mir Johannes Hartl viel sympathischer als wenn er später so sehr tut, als wüsste er so gut Bescheid über alles. Dass er das richtige, eigentlich Christsein lebt, da klingeln bei mir Alarmglocken. Ein wenig mehr Selbstkritik hätte ich mir gewünscht. Auch diese viert Punkte, wo er behauptet zu wissen, wie Christen sein müssten, wie kann man beispielsweise auf Knopfdruck fröhlich sein? Und es gibt auch Leute, die mit Kunst eher wenig anfangen können, die einfach weniger kreativ sind. Das Einzige, wo ich finde, dass er dabei recht hat ist Empathie. Frage: Wie weit geht er da mit gutem Beispiel voran?
Seine Sicht auf Gebet teile ich aber zu einem großen Teil. Nur dieses „Du musst beten und fasten, damit du es nicht verpasst, aber eigentlich hast du keinen Einfluss darauf“ ist mir zu krass. Denn da ist wieder ganz viel Druck bei, traut Gott nicht zu, einfach etwas zu schenken, nein, er ist dann darauf angewiesen, dass wir etwas tun.
Anarchie schreibt: „Eine Person wie Johannes Hartl mit seinen sehr unterschiedlichen Hintergründen ist schon einmal ein typisch postmodernes Phänomen.“ Word. Ein evangelikal-charismatischer Katholik. Aber Emergent ist eine Mode. Schon klar.
Patrick Rabe
Man müsste Johannes fairer Weise die Möglichkeit geben, das mit der „Mode“ genauer zu erklären. Dass ich die veränderte Sexualmoral seit ’68 für keine „Mode“ halte, wisst ihr. Da geht es ja auch schon lange nicht mehr darum, dass jetzt jeder mit jedem poppt. Die Entwicklungen unter heutigen Jugendlichen sind eher gegenteilig. Da geht es aber darum, Menschen gleiche Rechte zuzusprechen, die sie vorher teils jahrhundertelang nicht hatten. (Frauen, Homosexuelle, von Transgendern mal ganz zu schweigen). Da geht es auch darum, sich klar zu machen, dass die jahrhundertelange Verteufelung von Sexualität eine Neurosenlage (kollektiv!!!) erschaffen hat, von deren Überwindung oder gar Heilung wir noch weit entfernt sind. Und natürlich basiert die Entkriminalisierung von Schwulen und Lesben auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und nicht auf Modeströmungen. Da geht es um (Mit-)Menschlichkeit. Und Emergent hin oder her. Die Kirche als Ganze würde gut daran tun, sich dem zu öffnen. Da geht es nicht um Mode. Da geht es um die Zuerkennung der Menschenwürde.
Dasselbe hab ich bei seinem Wahrheitsbergriff gedacht. Er und wir scheinen echt komplett unterschiedliche Begriffe davon zu haben, was man unter „Wahrheit“ verstehen kann.
Hallo Leute,
guter Talk, ich verstehe von Johannes‘ Hintergrund nun einiges mehr. Einige seiner Podcast-Folgen finde ich richtig gut, v.a. über Gebet und persönlichen Glauben. Ich finde Johannes‘ Ernsthaftigkeit sehr beeindruckend und manchmal richtig mitreißend. In einigen Fragen des Zeitgeistes teile ich sogar seine Meinung (Stichwort: muss ich jeden Konsum-Mist mitmachen, muss ich alles kennen und ausprobieren, nur weil alle es cool finden?). Seine Bibelauslegungen finde ich oft spannend, auch wenn ich prinzipiell ein anderes Schriftverständnis habe.
Bei den üblichen strittigen Fragen zu Homosexualität und Geschlechterordnung halte ich es eher mit Jens‘ Stangenberg und finde es völlig okay, dass Ihr da kein Beef gemacht habt, sondern eher „explorativ“ mehr von Johannes als Typ erfahren wolltet. Zum einen haben wir hier schon so oft über Geschlecht und Sexualität diskutiert, so dass es wenig sinnvoll wäre, nur wieder die gleichen Argumente auf allen Seiten auszupacken. Zum anderen ist die Frage Geschlecht und Sexualität tatsächlich zur alles bestimmenden Gretchenfrage bei allen Beteiligten mutiert, und ich persönlich verweigere mich persönlich inzwischen diesem ritualisierten gegenseitigen Vorwurfsverhalten aus allen Lagern.
Was ich hier an den Hörerkommentaren sehr erstaunlich finde, ist, dass man offenbar – je nach Prägung – Johannes sehr unterschiedlich wahrnimmt. Für mich hatte er im Talk überhaupt nichts von einem, der sich autoritär hinstellt und Wahrheit nach dem Prinzip „Friss und halt die Klappe“ verkündet. Ich bin aber auch in einer Old-school-Debattenkultur großgeworden, in der man knackig Thesen formuliert. Ich schätze das eher..
Und ja, er ist sehr belesen (auch wenn ich Teile der Philosophiegeschichte anders einschätze vermutlich). Warum macht ihn das schon zu jemandem, der so tut, als ob er Bescheid weiß? Und weit gereist ist er auch, und im Rest der Welt ist es tatsächlich wesentlich lauter als in Deutschland. (Wer mal in einem afrikanischen Gottesdienst war, egal von welcher Denomination, weiß, was er meint.) Warum kommt das bei manchen Hörern als Besserwisserei an?
Kann es sein, dass diejenigen, die unter freikirchlichem Dogmatismus gelitten haben, nun GAR niemanden mehr ertragen, der nicht permanent die Relativität seiner Erkenntnisse betont? (Das fänd ich furchtbar, denn ich bin eine entschiedene Anhängerin produktiver Streitkultur.)
Es ist auch nicht so, dass er Umweltschutz „gedisst“ hat, sondern er hat den jüngeren Evangelikalen was zum Nachdenken gegeben, als er sagte „Ihr seid aber früh dran“. Er kommt (wie ich) aus der Volkskirche. (Dass ich evangelisch bin und er katholisch, ist ziemlich egal, weil sich die Jüngeren in den beiden Volkskirchen in den 80er und 90ern sehr ähnlich waren in punkto Umweltschutz, Friedensbewegung und Kapitalismuskritik.) Jetzt entdecken das die Freikirchler und tun so, als seien sie die ersten Christen zu diesen Themen. Auch vieles der Emergent-Bewegung hatten wir damals schon.
Für die Einheit der Christenheit wäre es doch hilfreich, den anderen in seiner Geschichte wahrzunehmen oder? Ansonsten bleibt dieser emergente Aufbruch womöglich eine rein freikirchliche Befreiungsbewegung (siehe meine Erfahrungen mit Emergent 2016 in der Kommentarabteilung von Hossa-Talk #53).
Eine Fortsetzung des Talks fänd ich echt klasse. Dann mit mehr Abstecher ins Eingemachte. 😉
Mich würde interessieren, was Johannes eigentlich unter Wahrheit versteht (und inwieweit das Hand in Hand mit einem bestimmten Bibelverständnis geht). Der Gegensatz zwischen klassischem Wahrheitsbegriff und poststrukturalistischer De-Konstruktion von bestimmten Wahrheitsansprüchen (was etwas anderes ist als Destruktion von Wahrheit „an sich“!) wäre doch spannend.
Zumal ich den Eindruck habe, dass die ganze Rede von der „Postmoderne“ v.a. ideologisch ist (sowohl von Emergenten wie von Konservativen ), dass Johannes das sehr wohl weiß, aber dann doch wieder alles reduziert auf „Modernismus“. Und das gleichsetzt mit liberaler Theologie.
But it’s not so easy, you know! 😉
Liebe Grüße
Ina
Liebe Ina,
ich kann deinen ganzen Kommentar nur so unterschreiben.
Mir geht es auch so, dass aus zB postmodernen Anfragen überhaupt nicht folgen sollte, dass man nur noch im Gestus der Bescheidenheit oder der ironischen Brechung von Wahrheit und seinen Überzeugungen reden sollte.
Mir ging es auch so, dass ich nicht das Problem sehe, dass Menschen mit Überzeugung Dinge behaupten, solange sie offen für Anfragen sind. Das scheint mir bei Hartl im höheren Maße gegeben zu sein, als zB bei einem Parzany oder so. Ich hatte beim Hören zwar hin und wieder genervt die Augen gerollt, aber das lag strikt an einem „evangelikalen Tonfall“ – eher also an einer gewissen Art zu sprechen. Das ist aber nur ein ästhetisches Urteil und somit: Geschmackssache.
Aber ich schreibe Dir wegen Deinen Erfahrungen beim Emergent Forum. Ich bin selbst seit 10 Jahren aktives Mitglied bei Emergent und ich kann die Erfahrungen gut verstehen. Zu gerne nur hätte ich sie als direkte Rückmeldung an Emergent gehabt. Jetzt habe ich mehr als ein Jahr später durch Zufall in einem Forum von Ihnen gelesen. Uns hätte das sehr geholfen bei der Nachbereitung des Forums.
Denn wir haben eigentlich seit dem 2. Emergent Forum gesehen: wir möchten nicht ausschließlich eine therapeutischer Raum für Postevangelikale sein, die sich an ihrem Evangelikalen Trauma abarbeiten.
Das entscheidende ist da: die „Reaktanz“ also die Trotzhaltung sich aus bestimmten Engführungen zu befreien, indem man nun etwa „ganz radikal“ „einfach nur Fragen stellt“. Meistens bleibt man dabei in einem evangelikalen Problemfeld stecken (zB die unhistorisch Art seinen Glauben zu verstehen und einen gewissen theologischen Provinzialismus, der sich dann in so Sätzen ausdrückt wie „Wir Christen haben das Problem, dass“).
Uns ist es eigentlich wichtig zu sagen: das ist nicht alles, was bei Emergent passiert. Es wird immer wieder passieren, weil immer wieder neue Leute kommen, die erstmal den therapeutischen Rahmen benötigen. Ich selber gucke mit größerer Distanz auf die evangelikale Bewegung und viele bei Emergent haben gar keinen freikirchlichen Hintergrund. Zu den Einseitigkeiten zB in Bezug auf eine „Angst vor der Wahrheitsfrage“ habe ich hier etwas geschrieben: https://failingforward.wordpress.com/2016/09/14/emergent-forum-soundbites/
Ich hätte bei Emergent gerne mehr Stimmen wie Deine, denn das hilft dabei auch mal wirklich zu „neuen Ufern“ aufzubrechen. Am Samstag, den 2.12. treffen wir uns mit allen, die Interesse haben hier die Zukunft von Emergent mit zu prägen in Kassel. Das wird sicher zu kurzfristig sein – ich weiß ja nicht, wo Du wohnst! – aber dennoch: herzliche Einladung. Aber ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn Du vielleicht Deine Eindrücke nochmal kurz aufschreibst und aus Deiner Perspektive mal formulierst: was würdest Du Dir von Emergent wünschen? Was wären zukünftige Themen etc.?
Wenn Du Interesse hättest, schreib mir mal!
Hey, danke für Dein Feed-Back.
Und für den Hinweis, dass Dich v.a. Johannes‘ „evangelikaler Tonfall“ hat die Augen rollen lassen. Das ist nämlich womöglich genau der Punkt, warum wir als Hörer so unterschiedlich auf ihn reagieren. Ich selbst kenne diesen Stil nicht besonders gut (ich habe mich v.a. in der EKHN herumgetrieben.) und kann mich wahrscheinlich einfach gut abgrenzen, während manche andere es als fast schon übergriffig empfinden. Es erreicht mich anscheinend nicht so arg (?). Von daher: auch der Ton macht die Musik, Ästhetik ist nicht unwichtig. 😉
Ja, guter Punkt, dass Du Dir meine Erfahrungen als direkten Input nach Emergent 2016 gewünscht hättest. Ich habe damals auch darüber nachgedacht, mich dann aber dagegen entschieden, weil ich es nicht allgemein ausformulieren konnte und nicht persönlich werden wollte…
Euer Vorbereitungstreffen würde mich interessieren, aber ich bin terminlich schon verplant. Prinzipiell bin ich total bei dem, was Du mir hier geantwortet hast und was Du auf Deinem Blog über Emergent schreibst. Ich melde mich also mal bei Dir. 🙂
Ina schreibt: „Mich würde interessieren, was Johannes eigentlich unter Wahrheit versteht (und inwieweit das Hand in Hand mit einem bestimmten Bibelverständnis geht). Der Gegensatz zwischen klassischem Wahrheitsbegriff und poststrukturalistischer De-Konstruktion von bestimmten Wahrheitsansprüchen (was etwas anderes ist als Destruktion von Wahrheit “an sich”!) wäre doch spannend.“
Johannes Hartl ist nämlich so klasse, das man vieles erst beim zweiten mal hört,
das die Worte nicht eindeutig sind und damit nicht gefüllt!
Deswegen müsste die Frage auch heißen, wie sie Hartl selber stellt:
„Meine Frage ist, was genau unbiblisch oder falsch sei an dem, was ich öffentlich verkündige?“
Und auch Inas Text wird hier beantwortet: „Was ich hier an den Höhrerkommentaren sehr erstaunlich finde, ist, dass man offenbar – je nach Prägung – Johannes sehr unterschiedlich wahrnimmt.“
https://johanneshartl.org/an-die-geschaetzten-protestanten-unter-meinen-kritikern/
Hallo Ina,
spannend, wie unterschiedlich Leute den Johannes wahrnehmen. Ich denke, das und die Sache mit der Debattenkultur ist sicher ne Sache von Prägung, aber auch ne Sache von Persönlichkeit. Denn bei mir zieht sich innerlich alles zusammen, wenn ich kontrovers diskutiere. Aber dann kann ich es auch nicht einfach so stehen lassen 😉 so here goes nothing:
Nur vorneweg um deine Annahme zu korrigieren, ich habe erst mal nichts mit der emergenten Bewegung zu tun. Ich würde nicht sagen, dass ich in meiner Jugend einem freikirchlichen Dogmatismus gelitten habe. Ich bin sowohl im evangelikalen als auch im kirchlichen Kontext sozialisiert. Seit meiner Jugend hatte ich ein Faible für Fantasy, weswegen ich wohl den evangelikalen Kontext mit einem Glauben an Übernatürliches, echte Wunder und Dämonen sexier fand, als die rationalistische evangelische Kirche. Aber dann wird man älter, sieht was von der Welt und dann schämt man sich für seine alten Überzeugungen. Z.B. dass man gewissen evangelikalen verschwörungstheoretischen Schinken aus den 80ern jemals Glauben geschenkt hat ;p
Vor diesem Hintergrund (also meiner Geschichte/Sozialisierung) höre ich bei Johannes Hartl einfach gewisse Plattitüden, die mir zum Hals raushängen. Natürlich ist er weit gereist und belesen, dass stelle ich gar nicht in Abrede, aber wie oft habe ich schon die Sätze gehört „In Afrika, Asien und Lateinamerika passieren einfach viel mehr Wunder“, „Die haben dort einen viel lebendigeren Glauben, wir sind die, die komisch sind.“ Ich finde es prinzipiell gut, wenn man mal anerkennt, dass der Großteil der Kirche im globalen Süden ist und das Kirche dort ganz andere Fragen bewegt als bei uns, aber ich finde es albern, so zu tun, als müssten wir hier traurig sein, dass wir oft eine so ernsthafte und zweifelende Glaubenspraxis haben. Und statt dass man überlegt, welche historisch-kulturellen Faktoren dazu beitragen könnten, dass die Christen dort von mehr Wundern berichten, wird das immer so als großes Mysterium aus dem Hut gezaubert, wahlweise mit den Innuendos „Wir glauben nicht genug“, „Die Säkularisierung beeinträchtigt das Wirken des Heiligen Geistes“, „Wir müssen mehr von deren Glaubenskultur übernehmen, damit das bei uns auch passiert“. Ich bin vielleicht nicht so viel gereist wie er, aber doch lange und weit genug, um zu wissen, dass es gut ist, wie es anderswo ist und dass es auch gut ist, wie es hier ist, aber dass es natürlich hier wie dort Probleme gibt.
Eine weitere Ansammlung von Plattitüden hörte ich, als Johannes über sich erzählt hat. Du hast da vielleicht Interessantes über ihn erfahren, ich habe da nur eine typische übernatürliche Bekehrungsgeschichte gehört nach dem Muster: „Mein Leben vorher war sinnlos – dann lernte ich Jesus kennen und alles wurde besser.“ Wobei man ihm wohl zu Gute halten muss, dass er auf Nachfrage dann doch noch die Schattierungen von „natürlich hielt dieses Gefühl der Verliebtheit nicht an“ und „manche Freunde, die sich bekehrt hatten, wollten danach gar nichts mehr damit zu tun haben“ hereingebracht hat.
Ich hätte gerne mehr über seinen Ausbildungsweg erfahren, wie seine Überzeugungen gewachsen sind, usw. Dazu hat er meiner Meinung nach reichlich wenig durchblicken lassen.
Und im Bezug auf sein Auftreten: Ich glaube, du vergisst, dass Johannes Hartl nicht nur Privatperson ist, sondern tatsächlich auch das Icon des Gebetshauses. Ich finde, so eine Person hat die Verantwortung, Leute zu einer selbstbestimmten Glaubenspraxis zu führen und nicht zu einer, die seinen persönlichen Präferenzen entspricht. Und ja, ich rede hier von führen, weil ich den Eindruck habe, dass er als charismatischer (im Sinne von Austrahlung) Leiter des Gebetshauses natürlich großen Einfluss auf seine Fans und Unterstützer hat. Das ist aber auch keine Kritik, die ich nur an Hartl richte, sondern an viele charismatische Leiter von Institutionen.
Zu dem Punkt mit dem Umweltschutz: Ich glaube, ich weiß immer noch nicht, auf welche Geschichtsvergessenheit in der Hinsicht er und du da anspielen? Wenn er sich auf auf Doro und die Organisation aus der letzten Folge bezieht, dann ist die Kritik eindeutig unangebracht, weil sie sich ja sehr der Geschichte bewusst sind. Wo tun evangelikale Christen bitte so, als wären sie die ersten Christen, die sich für Umweltschutz engagieren? Das wäre natürlich dämlich, aber mich würde mal interessieren, wo die Behauptung herkommt.
Du sagst, „Für die Einheit der Christenheit wäre es doch hilfreich, den anderen in seiner Geschichte wahrzunehmen oder?“, und da stimme ich dir voll zu. Aber ich finde dazu darf auch gehören, dass man für sich zu dem Punkt kommt, dass einem jemand in einer bestimmten Lebenssituation einfach nichts Gewinnbringendes zu sagen hat. Ich kann aus mir selbst nicht raus und deshalb höre bei Hartl einfach die ganze Zeit evangelikale Plattitüden. Das heißt ja nicht, dass andere ihn nicht mit Gewinn hören dürfen. Und ich freue mich, wenn ich in ein paar Jahren solchen Leuten mit mehr Gnade zuhören kann, aber in der Zwischenzeit schäme ich mich nicht dafür, mein Unwohlsein darüber auszudrücken. Warum auch?
Lieben Gruß,
Kathrin
Hallo Kathrin,
danke für Deine Erklärungen. Ich verstehe nun besser, was Du meinst. Da ich diesen Teil der Christenheit nicht kenne, ist vieles von dem, was Johannes sagte, für mich keine Plattitüde. Manches finde ich sogar fast erfrischend, da ich eher aus einem sehr intellektuellen (sogenannten „aufgeklärten“) Glauben komme (aber dann irgendwann meine Erfahrungen mit Gott gemacht habe, über die ich mit vielen meiner liberalen Glaubendgeschwister nicht sprechen kann – da gibt es nämlich allzu oft auch Denkverbote, die aber andere sind…). Was für Dich wie eine der üblichen Bekehrungsgeschichten klingt, hört sich für mich an wie etwas, was ich in Teilen meines liberalen Umfeldes nicht äußern dürfte – obwohl ich solche Erfahrungen gemacht habe. Ich würde bei den aufgeklärten Liberalen meine intellektuelle Redlichkeit aufs Spiel setzen.
Ich stimme Dir zu, dass man aus der Andersheit der Christen anderer Erdteile keinen Exotismus machen und es nicht den hiesigen Christen „erzieherisch“ vorhalten darf (schon gar nicht, um Säkularisierung zu verteufeln). Es ist aber für mich doch so gewesen, dass mir, als ich sowieso gerade an der liberalen Glaubenskultur meiner Kirche verzweiflte und dann aus beruflichen Gründen eine zeitlang außerhalb Europas lebte, diese anderen Christen vor Augen geführt haben, dass mir etwas fehlt (auch wenn ich gleichzeitig sehr genau wusste, dass ich ihren Weg nicht gehen kann).
Auf wen sich Johannes bezog, als er über Umweltschutz sprach, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, was für Schlüsse er aus seiner volkskirchlichen Jugend in bezug auf dieses Thema für sich gezogen hat. Vermutlich gibt es da gar keine großartigen Parallelen zwischen ihm und mir (denn schließlich vertritt er teilweise eine Theologie, mit der ich nichts anfangen kann).
Ich beziehe mich „nur“ darauf, dass ich schon häufiger mit anderen Christen (aus einem anderen Umfeld als ich) das Thema hatte, dass sie nun einen „modernen“ Glauben für sich entdecken: politisch aktiv (Schöpfungsbewahrung, globale Gerechtigkeit), Jesus als Sozialkritiker, Pete Rollins oder was auch immer. Das ist ihr gutes Recht und diese Position ist nicht „falsch“. Ich hatte das aber schon (damals gab es zwar Rollins noch nicht, aber Dorothee Sölle…) und möchte dahin nicht mehr zurück, es ist mir in manchen Spielarten zu wenig. Ich habe in diesem „säkularen“ Glauben meinen Glauben verloren und lange nicht wiedergefunden (und habe hier im Forum häufiger schon dazu geschrieben, will das deshalb jetzt nicht wieder auswalzen). Wenn wir über innerchristliche Grenzen hinweg miteinander zu tun haben wollen (womöglich sogar für einen Aufbruch arbeiten wollen), müssen solche historischen Unterschiede berücksichtigt werden. Viele Ex-Evangelikale haben für die Traditionen anderer aber kein großes Bewusstsein, das ist mein Punkt.
Siegfried Zimmer hat übrigens vor kurzem einen Vortrag gehalten über seinen Traum von einem christlichen Aufbruch, der weder evangelikal noch liberal ist. Das kommt meinen Vorstellungen sehr nahe. Spannend finde ich seine Aussage (eher gegen Ende des Vortrags), dass ehemalige Evangelikale nicht zu schnell und unkritisch in liberale Vorstellungen springen sollten, da diese auch ihre Schwierigkeiten haben. (Vielleicht verstehst Du meine Position dann eher?)
youtube. com/watch?v=eKY7nTHwr8g
Ich stimme Dir darin übrigens auch zu, dass ich einige von Johannes‘ Gebetshaus-Vorträgen dogmatisch bedenklich finde, weil sie mir einen Tacken zu „indoktrinatorisch“ sind.
Lieben Gruß von Ina
Ich fand es eine der spannendsten Folgen seit langem. Die Fragen waren gut gewählt und ich fand es auch eine gute Entscheidung von J&G nicht zu heftig auf Konfrontationskurs zu gehen. Bis auf ein kleineres Ärgernis (s.U.), fand ich das meiste was Hartl sagt sehr wohlüberlegt und erfrischend und hat viele Vorurteile widerlegt. Und dann zum Schluss der große Schock, auf einmal kommt viel undurchdachter, vorurteils-beladener Mist von wegen „Modeerscheinung Liberalismus“ und so. Damit fällt dann doch die Maske und Johannes zeigt sein wahres reaktionäres Gesicht.
Was mich schon die ganze Zeit geärgert hatte: diese pauschale Abwertung von allem „Westlichen“ und die Erhöhung der nicht-europäischen Kulturen. Wir Europäer sind verkopft und langweilig und die Afrikaner/Asiaten sind leidenschaftlich, spirituell und mystisch. So ein Quatsch. Ich finde es ja gut, wenn man dem Eurozentrismus gegensteuert, aber die Romantisierung der „Anderen“ wie Hartl sie betreibt ist letztenendes auch wieder Eurozentrismus, nur ein verdrehter selbst-hassender. Mag sein, dass wir „rationaler“ sind als die Menschen/Christen in anderen Ländern, aber darin liegt ja auch eine große Stärke. Man schaue sich nur mal an, was afrikanische Christen mit Homosexuellen und angeblichen „Hexen“ anstellen…
Dr. Johannes Hartl @ HossaTalk: Unglaublich wie sich dieser Prince Charming der theologisch neo-konservativen Reconquista mit ein paar popkulturell-biographischen Codes emotionalen Zutritt ins emergente Allerheiligste verschafft. Dann holt er die grauen Eminenzen ganz großartig mit Mystik (Jay) und Kunst (Gofi) in ihren vertrauten Lebenswelten ab. Ganz en passant verbittet er sich unreflektierte AFD-Kritik, um dann in einer dramatisch spitzenmäßig getimten Schlußszene den ganzen liberalen Palast zum Einsturz zu bringen. Wow!
https://www.youtube.com/watch?v=8pbdLqTh_x4&index=19&list=PLc89_7PzfoPDeN0H-MIGpVAM5xzCnbG57
🙂
„theologisch neo-konservativen Reconquista“
Seriously: wtf?
Also mal ehrlich: ich habe mir mal deine Seite kurz angeschaut.
Netterweise steht immer links neben den Artikeln, wer genau der Feind ist (denn der Feind steht IMMER links!1!): Postmodernismus, Liberalismus, EKD, Linksevangelikalismus etc. pp.
Alles klar – Haters gonna hate.
Aber: mal ganz abgesehen davon: Du scheinst Dich nach einem Kulturkampf in US-amerikansichen Maßstäben zu seh(n)en. Denn so klingen die Feindbilder: Kulturlinke der Frankfurter Schule (ernsthaft ? Nenn mir doch mal einen wichtigen lebenden Vertreter der Frankfurter Schule! Und Habermas zählt da ganz sicher nicht rein!) übernehmen unsere Kirchen.
Kann man machen. Man kann jetzt nach amerikanischem Vorbild so einen Kulturkampf führen – übrigens: das wird dann ein Kulturkampf zwischen den 0,1% – höchstens 1 % Evangeliaklen und Post-Evangelikalen. Der Rest der Christenheit in Deutschland nimmt das überhaupt nicht wahr.
Es ist immer gut zu wissen wer der Feind ist und sich selbst ein bisschen wichtigtuerisch in einem „großen Kampf“ zu sehen. ch rede nicht von inhaltlichen Auseinandersetzungen oder Gegnerschaft – ich rede von Feindschaft und von der Unerbittlichkeit, die nur Sieg oder Niederlage kennt. Ich rede von der Hysterie eines Kulturkampfes. Und ich rede davon, einfach die Kämpfe des amerikansichen Christentums inklusive seiner Kampfbegriffe zu übernehmen.
Aber dann frage man sich bitte: will man das?
Dann gucke man sich mal das amerikanische Christentum an – ALLE Seiten. Und frage sich: wird hier das Zeugnis von Jesus Christus eher erhellt oder eher verdunkelt? Ich glaube ehrlichgesagt: das amerikanische Christentum ist einige Jahrzehnte lang kaputt. Die Rhetorik von Francis Schaeffer und co, der sich mit dem Zeitgeist ins Bett gelegt hat und so einen Kulturkampf begonnen hat führte nun direkt zur Wahl Donald Trumps, wo dieser Kulturkampf sich so verselbstständigt hat, dass dieses Bedürfnis einen Kulturkampf zu führen ein richtiger Götze wurde und das Zeugnis von Jesus Christus vollständig untergraben hat.
(Und ja: sowas kann „links“ genauso passieren; ich tue das meine dafür zu sorgen, dass dem nicht so ist).
Ich sage nur: kann man alles machen. Wenn da die NeoKons so einen Kampf wollen gibt es natürlich nur eine Taktik: sich diesem Kampf entziehen und nicht in die „Konservativ vs. Liberal Falle“ tappen.
Vielen Dank für den vollkommen richtigen Hinweis Arne!
Korrekt muss es natürlich heissen „theo-konservative Reconquista“. Hatte das auch schon überall korrigieren können, leider gibt es aber ausgerechnet hier keine Überarbeitungsfunktion. Mittlerweile hat sich neben Dir auch Johannes selber schon wegen der seiner Meinung nach „phantastisch geschriebene vernichtende Kritik“ gemeldet, sodaß es wahrscheinlich wirklich am allerbesten wäre hier nochmal die von mir überarbeitete Version reinzustellen:
>>Dr. Johannes Hartl @ HossaTalk: Unglaublich wie sich dieser Prince Charming der theo-konservativen Reconquista mit ein paar popkulturell-biographischen Codes emotionalen Zutritt ins emergente Allerheiligste verschafft. Wie er diese happy-go-lucky-Stimmung aufbaut und die grauen Eminenzen dann ganz großartig mit Mystik (Jay) und Kunst (Gofi) in ihren vertrauten Lebenswelten abholt. Ganz en passant verbittet er sich unreflektierte AFD-Kritik (unwidersprochen von J&G!!!), um dann in einer dramatisch spitzenmäßig getimten Schlußszene den ganzen liberalen Palast zum Einsturz zu bringen. Wow!
https://www.youtube.com/watch?v=8pbdLqTh_x4&index=19&list=PLc89_7PzfoPDeN0H-MIGpVAM5xzCnbG57<<
chill mal ein bisschen. Bei mir wurde da nichts „zum Einsturz“ gebracht.
Ich habe mich nicht am Begriff „konservativ“ oder „neokonsertiv“ gestört, sondern am Begriff „Rekonquista“.
Wer führt hier eine Rekonquista? Und gegen wen? Ist das jetzt die Rhetorik der Stunde? Nochmal: kann man ja machen – aber dann: weißt Du, was Du damit tust und sagst? Welche implizite Theologie steckt in solchen Begriffen?
Und: was soll das heißen: Johannes fand jetzt was genau gut?
Diesen kurzen Teaser Text?
Der Text ist ja in Teilen lustig und auch treffend: nämlich durch bestimmte Codes findet man Gehör. Ok, und: das spricht jetzt GEGEN den Podcast oder dafür? Was willst Du denn? Lieber eine Welt, wo man keine Chance hat, Gehör zu finden? Nochmal: willst Du lieber gegenseitiges Anbrüllen oder freundlich indifferentes Ignorieren?
Und zuletzt: warum bist Du eigentlich so fixiert auf die Postevangelikale Bewegung? Warum guckst Du da so fasziniert hin auf die 2,3 Leute, die sich da finden? Der Küchenpsychologe in mir sagt: „You are what you hate!“.
Du Arne, wir müssen uns unbedingt ein anderes mal weiterunterhalten, mein Vater wurde heute reanimiert und liegt im Koma. Ich muss mich jetzt kümmern …
CU OrthodoxPop
https://g.co/kgs/euniqT
Johannes‘ Thesen zum Umgang mit politischer Debatte waren für mich herausfordernd, aber er konnte mich doch in einigen wesentlichen Punkten überzeugen. Das war genau so ein Erlebnis, von dem im Talk auch die Rede war: sich auf die „andere Seite“ einlassen und dabei etwas lernen und mitnehmen. Toll.
Das ganze hat aber einen fahlen Beigeschmack für mich. Anlässlich der Trump-Wahl war sich Hartl nämlich nicht zu schade, den Mythos zu verbreiten, die Organisation „Planned Parenthood“, die in den USA medizinische Versorgung für schwangere Frauen zur Verfügung stellt (wozu auch Abtreibungen gehören), mache Profit durch den Verkauf der Körperteile toter Babys.
https://johanneshartl.org/einige-gedanken-zu-trump/
Diese haarsträubende Horrorstory hat unter US-Evangelikalen und Republikanern für enormen politischen Wirbel gesorgt, ist aber inzwischen mehrfach ausführlich widerlegt worden.
http://www.factcheck.org/2015/07/unspinning-the-planned-parenthood-video/
Dass jemand, der sich politische Zurückhaltung und den eigenen Doktortitel so breit auf die Fahnen schreibt, solches Zeug verbreitet, macht mich ziemlich nachdenklich…
Puh, so sehr beschäftigt hat mich schon lange kein Talk mehr.
Mein erster Eindruck war: sehr lockerer, interessanter Typ. Eine Bereicherung in der christlichen Landschaft, der eine Menge anderer Aspekte reinbringt. Ernsthaft. Hingebungsvoll. Intelligent. Und keine Angst, in ein Fettnäpfchen zu treten, sein eigenen Ding zu machen, ob es die anderen toll finden, oder nicht. Was schon in seiner Jugend auffällt. Ich mag solche Leute total, ohne sie würde echt was fehlen. Sie sind selbstbewusst und trauen sich, auch ungewöhnliche Dinge zu sagen.
Manchmal wünschte ich aber, dass ihr Starken irgendwie klarer Position für die Ausgegrenzten beziehen würdet. Die evangelikal-charismatische Bewegung hat damit ein ganz schön großes Problem… für die heilige Einheit der Leiter werden schon mal ein paar Aussenseiter übersehen. Das erinnert mich daran, wie es bei Ärzten ist, die halten zusammen, sagt man, bis dahin, dass sie aus Kollegialtität auch Kunstfehler decken. Es ist ja auch ok, verschiedener Meinung zu sein, und das kann auch bekannt sein und muss überhaupt nicht zu einer Trennung führen. Nur zwischendurch gibt es Themen, da wär „Opferschutz“ meine erste Option. Für einen rausgemobbten LGBTTI ist es warscheinlich einfacher, einen Talk mit einem Satanisten zu hören, als einen Talk mit jemand, der eben mit all den anderen super kann…. das hat nix mit „erwachsen werden“ zu tun.
Bei Hossatalk gibt es halt eine Menge Leute, die aus einem für sie sehr ungesunden System kommen, dass der Kontext für sie eher abschreckend sein kann. (Lobpreisband, Konferenzen, mehr Predigt als Gespräch, und auch sehr viel Zusammenarbeit mit Leuten, von unglaublich von ihrem eigenen Wissen überzeugt sind). Ich kenne schon ein paar trans- und homosexuelle Menschen und Familienangehörige, die sich in diese Szene nicht reintrauen, mit guten Gründen.
Auch Leute, die z.B. viel unbegreifliches Leid erleben mussten, oder die heftige Zweifelphasen hatten, haben manchmal nicht mehr so viel Vertrauen ins System. Eher so: es kann gut gehen, es kann aber auch so laufen, dass mich ein blöder Spruch total abfertigt. Vielleicht verstehst du, warum es diese Skepsis gibt.
Also, gemischte Gefühle…..
Aber, hey, was mich dann echt total gewundert hat, war der Vortrag über Mystik, den ich mir dann reingezogen hab. Dieser Vortrag spricht mir unglaublich aus der Seele und ehrlich gesagt, diese Aussagen und der Respekt, den er der Mystik in allen Religionen entgegenbringt, hat mir selbst totalen Stress eingebracht, und zwar in meiner alten Pfingstgemeinde. Trotzdem war und bin ich überzeugt, dass der mystische Weg ein guter und gottgefälliger Weg ist, und somit kam ich damals schon etwas auf die „schwarze Liste der gefährlichen Personen“.
Gerade dieser Weg wird in der postmodernen, oder emergenten Bewegung begrüßt und in der evangelikal-charismatischen eher sehr skeptisch betrachtet, selbt bei Formen, die lang nicht so weit gehen, wie Johannes in seinem Vortrag.
Ich mag die Emerging Church so sehr, weil sie anerkennen, wie viele Menschen heute sind. Dass uns Autoritäten und Pseudofestlegungen enttäuscht haben, und wir das Vertrauen in ein System, dass damit auch die Schafe kurzhalten wollte, verloren haben. Und weil sie sagen, da ist eine Unsicherheit, aber in dieser Unsicherheit lässt sich Gott finden. In den ungelösten Fragen, die wir haben: „Warum das Leid? Warum bin ich so, wie ich bin? Wie bist du denn wirklich Gott?“ Eine Kirche, die zuviel redet und mir diese Fragen beantworten will, finde ich inzwischen sehr schwierig.
Eine Kirche, die sagt, auch wir haben offene Fragen, aber komm, lass uns Platz schaffen und Wege teilen, um unser Leben mit Gott zu verbinden, da fühle ich mich daheim und meine eigene Realität zeigt, dass ich in diesem Umfeld, wo was offen bleiben kann, das, was ich wirklich glaube (Gott ist mit uns) eine unglaublich tiefe Kraft entfaltet, und eine sehr schwer in Worte zu fassende Gewissheit.
Deshalb hat es mich schon etwas überrascht, diese schroffe Abgrenzung von Johannes Hartl zur emergenten Bewegung… passt halt gar nicht zusammen.
Bin mal gespannt, ob du, Johannes dir all unsere Kommentare reinziehst und ich hoffe auf eine Fortsetzung.
Und empfehle, wie gesagt allen, den Vortrag über „Mystik“.
die Elbenfrau
Gut, dass Gott auch für die da ist, und dass der Weg z.B. der Mystik und des Gebets für uns alle mit unserem ganzen So-Sein frei ist. Das Nicht-Richten, sondern sich Anvertrauen und dann in eine Jüngerbeziehung kommen.
Ich wünschte, die evangelikal-charismatische Christenheit würde sich wirklich mehr als Suchende und Lernende und ihre Wissen als Stückwerk verstehen und anderen Suchenden und Lernenden eine stärkere Rückendeckung geben. In diesem Mystik-Vortrag ist es super gut ausgearbeitet. Das ist ein heißer Tip für echt alle.
Der Hossatalk ist cool für alle, ausgenommen für die noch von übergriffigen Christen geschädigten Leute, andererseits muss man ja irgendwann auch anfangen, zu schauen, wie nah man sich wieder dranwagt.
Bin mal gespannt, ob sich Johannes all unsere Antworten reinzieht.
.
Das war wohltuend zu lesen.
Hm. Ich tue mir schwer mit diesem Talk.
Zum einen kommt Johannes Hartl sehr sympathisch rüber und sagt viele kluge und gute Dinge, die ich so unterschreiben würde. Aber es bleibt für mich ein fahler Beigeschmack, weil er nach meinem Empfinden zum einen recht widersprüchlich erscheint und zum anderen doch auch eine gewisse „ich-weiß-alles“-Arroganz ausstrahlt.
Ich versuch das etwas auszuführen: in Bezug auf die Politik will er inhaltliche Argumente führen und kein Schubladendenken betreiben. Schön und gut – aber er vermittelt damit den Eindruck, als seien einige Positionen der AfD (erinnert sei an die rassistischen Ausfälle von „Bernd“ Höcke) ganz normale inhaltliche Positionen, über die man irgendwie abwägen und nach längerem drüber Nachdenken vielleicht zu dem Schluss kommen könnte, dass dieses Positionen gar nicht so falsch sind. Das halte ich für mehr als gefährlich. Zumal er drei Sätze weiter überhaupt kein Problem damit hat, alles mögliche unter „liberaler Theologie“ zusammenzufassen und abzulehnen. Da geht’s dann plötzlich nicht mehr um Inhalte.
Oder dieses Ausführungen darüber, wie wenig intellektuell/wissenschaftlich/ästhetisch die Evangelikalen sind. Das ist zwar was, was ich durchaus verstehen kann, aber er vermittelt den Eindruck, dass er es im Gegensatz zu den Evangelikalen eben blickt und in Bezug auf all diese Dinge ziemlich der Hecht ist.
Ich erinnere mich auch an eine Diskussion auf Facebook zum Thema „Demo für alle“, die zumindest in der Anfangszeit von Beatrix von Storch von der AfD organisiert wurde. Im Impressum der Demo für alle steht das natürlich nicht drin (da ist irgendeine Strohmann-Organisation), aber mit etwas Recherche findet man die entsprechenden Nachweise im Netz (von Storch hatte selbst gesagt, dass sie das organisiert). Obwohl ich die Argumente angeführt hatte, kam von seiner Seite nur „ich glaube, was im Impressum steht“. Für jemanden, der doch nach eigener Ansage so sehr an wissenschaftlichen Aussagen/Methoden interessiert ist, ist das eher schwach.
Was er zum Umgangston in Sachen AfD sagt, ist schon ganz richtig. Ich finde es aber auch schade, dass er wieder die Gelegenheit nicht wahrnimmt, sich inhaltlich klar zu positionieren. Und keine Position ist eben auch eine Position. In puncto Rassismus etc ist es halt nicht die Position, die wir einnehmen sollten.
Zur Bemerkung, Hartl habe eine Gelegenheit verpasst sich klar zu positionieren.
Solche Forderungen sind derzeit schwer in Mode. Das macht mich nachdenklich über die Motive dahinter.
Dazu eine Szene aus dem Programm „Amen“ des Kabarettisten Andreas Rebers, der auf der Bühne mit seiner Kunstfigur Frau Hammer (eine Nachbarin, die bei den Grünen aktiv ist) folgenden Dialog führt.
Hammer: „Herr Rebers, was sie da gesagt haben, also das war für mich jetzt nicht Links.“ Rebers: „Wieso?“ Hammer: „Na, Sie sagen nicht ‚Links‘. – Und was haben sie überhaupt gegen die Grünen? Wir sind doch die Guten.“ Rebers: „Ich hab nichts gegen die Grünen. – Ich habe was gegen die Guten. Weil die Guten immer sagen, wir sind gut und weil sie immer diese Gutheit vor sich hertragen. Im Englischen heißt das übrigens Wellness. Ich habe kein Interesse an Ihrer moralischen Wellnesserei, Frau Hammer. Sich hinzustellen, auf andere zu zeigen und zu sagen, die sind Rechts, das ist ganz einfach.“ Hammer: „Aber Herr Rebers, was soll ich jetzt denken?“ Rebers: „ … dann versuchen sie es einfach einmal. Ich bin ja nicht für Ihren Applaus zuständig.“ Hammer: „Äh, nein ich meine, wie soll ich Sie denn nun politisch verorten?“ Rebers: „Sagen wir mal so: Ich bin das Dritte, von dem die meisten sagen, es gibt nur zwei.“ Hammer: „Also nein, Herr Rebers, was soll denn das bedeuten?“ Rebers: „Ich bin sozusagen die radikale Mitte. Ich möchte nicht, dass die Mitte irgendwann tiefer liegt, als die Ränder. Wenn wir weiterhin bestimmte Themen ignorieren, dann werden die Ränder immer breiter und wir bekommen eine Art Kloschüssel. Irgendwann passt eine Klobrille drauf und dann fehlt nur noch der passende Arsch.“ Hammer „Ja, und dann?“ Rebers: „Mensch, Frau Hammer, das ist doch klar. Alles, was uns dann nur noch entgegenkommen kann, ist richtig Scheiße. Und das will ich nicht. Die Themen sollen in der Mitte bleiben und dort ganz exzellent verhackstückt werden.“
Ein Motto der fiktiven, von Rerbers erdachten, Religionsgemeinschaft der „Schlesischen Bitocken“ lautet übrigens: „Wir suchen das Gemeinsame. Das Trennende überlassen wir anderen.“
ihr lieben leute,
hab das gefühl, dass hier gerade ein intellektueller club debattiert, aber der durchschnitts-hossa-hörer und alles darunter ist ausgeschlossen.
intelligenz zeigt sich daran, ob man schwieriges einfach darstellen kann, und nicht dadurch, dass man demonstriert, ein bestimmtes vokabular drauf zu haben, durch dessen intensiven gebrauch man die, denen das nicht geschenkt ist, frustriert und fern hält.
ich bitte euch – vermutlich auch im namen all derer, die ihre brötchen mit der schaffung konkreter werte verdienen, und deshalb eher bodenständiger denken – dass ihr euch bei jedem satz, der zum verständnis eine fachspezifische bildung mindestens eures niveaus voraussetzt, überlegt, ob man das, was ihr sagen wollt, nicht auch mit einfachen deutschen worten sagen kann. wenn nicht, wäre das ein grund darüber nachzudenken, ob es hier in der großen runde gesagt werden muss, mit dem effekt, durchaus einige ( oder gar viele? ), die von dem diskutieren durchaus betroffen und daran interessiert sind, auszugrenzen. muss glaube so kompliziert sein, wenn ….logie ins spiel kommt?
ich hasse rassismus ( = ausgrenzung ) in jeder form.
ist so mein starkes empfinden, kann man nicht drüber diskutieren, entweder man nimmt darauf rücksicht – herzlicher dank denen -, oder man lässt es bleiben, dann lasse ich es auch bleiben und bin dann mal weg.
liebe grüße euch allen,
werner
Lieber Werner,
gut, dass Du Bescheid gibst!
Ich weiß jetzt leider nur nicht, was genau Du nicht verstehst… Meinst Du etwas von meinen Kommentaren oder von wem?
Bitte bitte, sei so gut und stelle genaue Fragen. Ich verstehe gerade nämlich auch nicht alles (z.B. OrthodoxPop will anscheinend ehemalige Liberale für einen eher konservativen Glauben zurückgewinnen, verwendet dabei aber Ausdrücke, über die sich Arnarchie zu recht aufregt – falls ich das nun richtig interpretiere). Vielleicht habe aber auch ich selber etwas geschrieben, was Du unverständlich findest?
Es ist total wichtig, dass Du Bescheid gibst, dass es Dir unbehaglich wird! Es hilft nur nicht viel, es zu allgemein zu machen… Deshalb gib mal bitte ein Beispiel, was Du nicht verstehst, ja?
Danke Dir & liebe Grüße
Ina
Hm. war sehr gespannt auf den Talk, habe ihn dann erst mit Verspätung gehört. War ein guter Auftakt in eine hoffentlich noch fortzusetzende Folge. Johannes Hartl sucht ja die Diskussion. Wäre cool.
Mir war ein Punkt vor allem aufgefallen, als er davon sprach, wie mit denen umzugehen ist, die in Brüchen leben. Empathie ist wichtig ja, aber auch die Bereitschaft sich zu verändern. Nur wer bestimmt wohin? Solange viele Evangelikale (und so empfinde ich Johannes Hartl auch) immer auch eine Haltung mitbringen „wir sind zwar nett, aber Du musst dich auch verändern“, wird es nicht wirklich emphatisch. Denn diese setzt auch voraus dem anderen zuzugestehen seinen eigenen Weg mit Jesus zu finden. Dazu ist es aber notwendig dem Drang zu widerstehen zu glauben man müsse den anderen immer sagen, wie sie zu leben haben.
Ich finde es cool, dass ihr Hossianer so einen scharfen Blick habt und Dingen auf den Grund geht und sie hinterfragt. Super, dass hier so eine einflussreiche und wichtige Person auch kritisch durchleuchtet wird.
Aber auch das Lob sollte nicht zu kurz kommen, daher wollte ich nochmal betonen: Ich finde es von allen Dreien super, dass sie das Gespräch führen – und zwar wohlwollend – und miteinander reden, statt nur übereinander zu reden/podcasten/bloggen. Das will ich öfter haben 🙂
Noch mal was…ich habe jetzt noch bei Jesus.de einen Thread verfolgt, und muss sagen, es ist wirklich ein harter Stil, den die Evangelikalen so fahren. Das sind die theologischen Diskussionen, in denen er sich wahrscheinich normalerweise bewegt. Ruckzuck wird da jemand wegen einzelner Aussagen als Irrlehrer, Ketzer, gefährlich bezeichnet.
Ich hatte danach ein ganz schlechtes Gewissen, wegen meiner erwähnten Minuspunkte.
Ich finde den Stil hier viel fairer. Vor allem menschlicher. Jemand hat halt ne Meinung, wo man nicht mitgehen kann… so what? Ist interessant, vielleicht auch ärgerlich. Aber weil man nicht auf einem Sockel steht, muss man sich auch nicht so drüber aufregen.
Diese ganze christliche „Inquisition“ zeigt doch eigentlich nur ein völliges „nicht drüber wegkommen-können“, dass es andere Meinungen gibt. Wahrscheinlich liegt uns das so sehr im Blut, dass noch viele unsinnige Diskussionen geführt werden, ob im Westen oder anderswo.
Knulpi, was du schreibst:
„Solange viele Evangelikale (und so empfinde ich Johannes Hartl auch) immer auch eine Haltung mitbringen “wir sind zwar nett, aber Du musst dich auch verändern”, wird es nicht wirklich emphatisch. Denn diese setzt auch voraus dem anderen zuzugestehen seinen eigenen Weg mit Jesus zu finden. Dazu ist es aber notwendig dem Drang zu widerstehen zu glauben man müsse den anderen immer sagen, wie sie zu leben haben.“
ist wahrscheinlich der Punkt… Ex-Evangelikale sind da aber genauso schlimm. Es ergibt sich einfach aus diesem komischen „Schaf vs. theologisch richtiggläubiger Leiter“ Denken, das gibt denen viel zu viel Macht. Ändern kann es sich erst dann, wenn wir ruhig, freundlich und friedlich sagen könnten: „Nein, seh ich anders“. ohne, dass es mich aufwühlt. Oder ich überlege, was wühlt mich denn jetzt so unglaublich auf, weil ich vielleicht total verletzt wurde, und erst mal einen Schutzraum brauche.
Und vielleicht dabei noch ein bißchen nach denen schaue, die auch gerade nicht so gut mit conträren Meinungen klarkommen.
Müssen wir echt lernen und dann genauso selbstbewusst Jungs wie Johannes entgegentreten. Und er ist evt. einer, der damit klarkommt, Jay und Gofi, ich finde, ihr habts gut gemacht!
BB 🙂
wer sich für die Mystik Vortragsreihe von J.H. interessiert: Den 2. Teil gibt es im Gebetshaus Shop zum hören. Das sind dann schon mal 2,5 stunden
insgesamt sind es 7 Teile 😯 da bin ich schon am überlegen.
Jay und Gofi, ich finde euren Podcast richtig klasse! Ganz herzlichen Dank dafür! Ich bin erst vor kurzem darauf aufmerksam geworden und bin nun dabei, alle 85 Folgen nachzuhören.
Ich denke, ich gehöre nicht zu eurer typischen Hörerschaft. Ich bin liberal–konservativ, verstehe die Bibel zumeist wörtlich und wähle die AfD. Igitt. Und trotzdem finde ich euch gut. Ich mag eure Ehrlichkeit, dass ihr Dinge und auch euch selbst hinterfragt und bereit seid Neues zu entdecken und zu lernen.
Ich habe eure Folge zur AfD mit Andreas Malessa noch nicht gehört und kenne eure Einstellung dazu noch nicht. Aber den Kommentaren nach zu urteilen, scheint bei vielen eurer Hörer die Haltung zur AfD ein Lackmustest zu sein, Christ oder kein für voll zu nehmender Christ (Mensch). Ich finde, das ist genau das Muster, was ihr bei den Evangelikalen kritisiert.
Viele Grüße
Konrad
Hallo Konrad
Du hast Recht: das sich als „progressiv“ identifizierende Hossa Publikum verortet sich politisch meist eher links und hat mit der AfD oft Schwierigkeiten. Dazu zähle ich mich auch. Und Du hast auch sehr treffend beobachtet, dass das oft als Lackmustest herhält, was wiederum zentralen liberalen Ideen eher entgegensteht. Ich finde sehr gut, dass (und wie) Du das ansprichst. Danke!
Meine eigenen bisherigen Gesprächsversuche mit AfD-Anhängern endeten eher darin, beschimpft zu werden. Bei Dir ist das vielleicht anders.
Magst Du vielleicht skizzieren, was für Dich eine „wörtliche“ Bibelauslegung ist? Und warum eine solche Perspektive bei der AfD Deiner Auffassung nach gut (oder besser als woanders) aufgehoben ist?
Freu mich!
Hallo Florian,
deine Antwort freut mich richtig! Ich habe dieselbe Erfahrung mit umgekehrten Vorzeichen gemacht. Meist war das Vokabular von den „Progressiven“ in Bezug auf die AfD derart übel und die Haltung so intolerant, dass ich mich nicht einmal getraut habe, Farbe zu bekennen. Und wenn doch, dann kam ich mir vor wie im Verhör und wurde nur noch beschossen. Bei dir scheint das anders zu sein!
Das ist übrigens einer der wichtigsten Punkte, warum ich für die AfD gestimmt habe. Ich finde es unerträglich, wie die Meinungsfreiheit unterdrückt wird. „Kein Fußbreit dem Faschismus.“
Die AfD Politiker die sich dem aussetzen – und dazu gehören neben verbalen Angriffen, auch abgebrannte Autos, Körperverletzung und Jobverlust – verdienen meinen Respekt. Außerdem hatten wir nach gefühlt 12 Jahren großer Koalition keine echte Opposition mehr im Bundestag.
Natürlich ist die AfD keine „christliche“ Partei und schon gar kein Heilsbringer. Der Heilsbringer ist Jesus! Christliche Parteien erreichen nicht über 0,5% und sind eher verschenkte Stimmen.
Die wörtliche Bibelauslegung zu der ich neige, hat jetzt nicht mit der AfD zu tun. Das war nur ein anderer Punkt, bei dem ich anders denke als Jay&Gofi, wobei ich ihre Gedanken dazu spannend finde und auch bereit bin, dazuzulernen.
Was meine ich mit wörtlicher Bibelauslegung? Also ich habe wenig Probleme, zuzulassen, das es Hiob nicht gegeben haben könnte, sondern eine fiktive Figur ist. Ob man das so oder so sieht, macht eigentlich nichts aus. Anders ist das bei Adam und Eva und der Arche Noah. Wenn ich das als fiktive Erzählungen deute, hat das massive Konsequenzen und meine Glaubensgebäude bricht zusammen. Wie soll man dann folgende Stellen aus dem NT verstehen?
Römer 5,19: „Genauso, wie durch den Ungehorsam eines Einzigen alle zu Sündern wurden, werden durch den Gehorsam eines Einzigen alle zu Gerechten.“
Matthäus 24,37: „Bei der Wiederkunft des Menschensohnes wird es wie in den Tagen Noahs sein.“ Wenn es Noah gar nicht gegeben hat, warum spricht Jesus dann von ihm?
Lieber Konrad,
ich denke, was den Umgang mit Politikern angeht, werden wir uns schnell einig. Ich halte es auch für ein Unding, wenn Parteibüros demoliert, Wahlkampfplakate abgerissen, Politiker angepöbelt werden etc. Gerade erst hat der Bürgermeister von Altena, der sich für die Aufnahme von Flüchtlingen engagiert hat, die Messerattacke eines Rechtsextremen überlebt. Solche Aktionen, egal von welcher Seite sie kommen, schaden natürlich der Demokratie ganz erheblich.
Zur wörtlichen Schriftauslegung hätte ich auch Fragen, mir scheint das Politische jetzt aber wichtiger. Ich sehe da eine Art Dilemma. Wenn man gegen den bisherigen politischen Konsens ist (Euro-Rettung, Flüchtlinge, meinetwegen auch Gender-Politik), bleibt einem natürlich nur die AfD zu wählen übrig, das ist schon richtig.
Andererseits finde ich das, was ich von ihren Vertretern höre, absolut erschreckend. Nur die prominentesten Beispiele:
1) Höcke hat das Holocaust-Mahnmal ein Mahnmal der Schande genannt. In derselben Woche (!) hat die AfD BW gegen die Verlängerung der Subventionen für Holocaust-Gedenkstätten gestimmt und Frauke Petry die EU allen Ernstes mit Nazi-Deutschland verglichen.
2) Jörg Meuthen glaubt, „sehen“ zu können, wer deutsch ist und wer nicht.
3) Jens Maier warnt vor „Mischvölkern“
4) Alexander Gauland will „unser Volk zurück“ haben
5) Wolfgang Gedeon, der sich wiederholt offen antisemitisch positioniert hat, ist immer noch Parteimitglied (wenn auch nicht mehr in der Landtagsfraktion BW)
Die Liste wäre beliebig fortzusetzen. Alles das sind in meinen Augen hochgradig rassistische Äußerungen. Ich weiß nicht, ob Du das ähnlich siehst. Ist diese Einstellung für Dich denn das „kleinere Übel“?
Die zweite Frage, die ich gerne an Dich richten würde, betrifft die für die AfD ziemlich zentrale Losung „der Islam gehört nicht zu Deutschland“. Kann ich wollen, dass die Politik festlegt, welche Religionen in diesem Land erwünscht sind und welche nicht? Als Bürger eines freiheitlichen Staates habe ich da enorme Schwierigkeiten, als Zugehöriger einer Religionsgemeinschaft natürlich erst Recht. Wie gehst Du mit dieser Frage um?
Hallo Florian,
zunächst zu den Aussagen von AfD Politikern. Du nennst das „hochgradig rassistisch“. Wie nennst du dann Aussagen von Hitler? Hast du da weitere Superlative? Mir scheint, dass wir da in unserer Gesellschaft recht hysterisch sind und problematische Aussagen gleich in schärfster Form ächten, nach dem Motto „wehret den Anfängen“. Darunter leidet die Meinungsvielfalt.
Soweit ich weiß fallen rassistische Äußerungen unter den Straftatbestand der Volksverhetzung. Wurden diese Leute verklagt und verurteilt?
Ich bin dankbar über das Recht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 5 GG). Meinem Empfinden nach haben AfD Sympathisanten zwar formal dieses Recht, aber die soziale Ächtung und Bedrohung führt dann doch dazu, dass viele lieber still sind. Diese Form der Unfreiheit ist für mich tatsächlich das größere Übel gegenüber den problematischen Aussagen, die man so und so verstehen kann.
Ich bin für die Freiheit des Menschen und finde, dass wir die Grenze nicht so eng ziehen sollten. Ich glaube, deswegen gefällt mir HossaTalk auch so gut. Hier gibt es wenig Redeverbote und J&G nehmen sich die Freiheit, auch mal etwas ins Unreine zu sagen, was sie ggf. wieder revidieren.
Zur zweiten Frage:
Kann ich wollen, dass die Politik zwar grundsätzlich Religionsfreiheit gewährleistet, aber manche Religionen fördert und andere nicht fördert? (Ich habe die Frage etwas anders formuliert, aber in diesem Sinne habe ich sie verstanden.) Ja, das kann man wollen. Wenn wir als Gesellschaft der Meinung sind, dass Religion x (z.B. Buddhismus) für das Volk besser ist als Religion y (z.B. Salafismus), dann darf die Politik das entsprechend umsetzen.
Ich persönlich neige eher dazu, dass der Staat möglichst neutral sein sollte.
Ich hätte auch noch eine Frage bezüglich der Meinungsunterdrückung und der AfD als angeblich einzig wahre Oppositionspartei.
Ist es nicht viel mehr so, dass in allen möglicchen Formaten wie Talkshows usw. AfD Positionen breiter Raum eingeräumt wurde?
Und erst dadurch die großen Gewinne bei Landtags- und Bundestagswahlen möglich wurden?
Also von unterdrückter Meinung seh ich da nix..
Ja, es gab tatsächlich eine Zeit, da waren AfD´ler in vielen Talkshows und haben die Themen gesetzt. Dem folgte dann Anfang dieses Jahres eine Phase, von mehreren Monaten, in denen sie nicht mehr eingeladen wurden. Dass hat sich dann geändert, als die OSZE angerufen wurde, die Wahl (inkl. Wahlkampfphase) zu beobachten. Peinlich für Deutschland!
Die unterdrückte Meinungsfreiheit sieht man aber vor allem an anderen Orten, z.B. bei Guido Reil, ehemaliger SPD´ler. Nur unter Polizei- und Personenschutz, unter wüsten Beschimpfungen und versuchten Angriffen gelang er zu Wahlkampfveranstaltungen: https://www.youtube.com/watch?v=FiXJvA604fk
Schau mal in das Video rein. Ich finde das schockierend und beschämend! Willst du immer noch anzweifeln, dass hier Meinungsvielfalt unterdrückt wird?
Wenn ich hier mal einhaken darf: ja, die AfD war weniger in Talkshows präsent. Das hatte hauptsächlich mit den Themen zu tun. Zu Brexit, Frankreich oder USA hat die AfD schlicht nichts gesagt. https://www.merkur.de/tv/afd-politiker-unbeliebte-gaeste-in-talkshows-8533015.html
Ganz sicher hat es nichts mit der OSZE zu tun, denn Talkshows sind kein Teil des Wahlkampfes. Insofern ist das auch nicht „peinlich für Deutschland“. Die OSZE entsandte auch keine Beobachter auf die Anfrage der AfD – schon 2009 und 2013 waren Beobachter im Land und dieses Jahr ging das auf Einladung der Bundesregierung. Ergebnis übrigens: alles ok. http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bundestagswahl/alle-schlagzeilen/osze-beobachter-bundestagswahl-lief-transparent-und-ohne-manipulation/20375142.html
https://www.welt.de/politik/deutschland/article164182930/Bundesregierung-bat-OSZE-lange-vor-AfD-um-Wahlbeobachter.html
Davon abgesehen kritisiert die OSZE die Möglichkeit des „Stellvertreterwahlkampfes“, von dem übrigens ausgerechnet die AfD profitierte. http://www.br.de/nachrichten/stellvertreter-wahlkampf-fuer-die-afd-osze-kritisiert-fehlende-regelungen-100.html
Hallo Peter!
„ja, die AfD war weniger in Talkshows präsent. Das hatte hauptsächlich mit den Themen zu tun. Zu Brexit, Frankreich oder USA hat die AfD schlicht nichts gesagt. “
Is klar. Ausgerechnet die EU-kritische und Anti-Establishment Partei hat zu diesen Themen nichts zu sagen gehabt. Sorry, das kauf´ ich nicht!
Für mich ist das ein schönes Beispiel, wie man nur noch die eigenen Sichtweisen für richtig hält und immun gegen Argumente von außen wird. Ich nehme mich da übrigens selbst nicht aus. Kann mir und uns allen passieren.
„Ganz sicher hat es nichts mit der OSZE zu tun, denn Talkshows sind kein Teil des Wahlkampfes.“
Ist das wirklich so? Talkshows sind kein Teil des Wahlkampfes?? Kann man so sehen. Diese Sichtweise finde ich allerdings ziemlich seltsam. Oder meintest du nur, dass die OSZE das Thema Talkshows ignoriert, weil es z.B. nicht zum offiziellen Wahlprozess gehört? Mag sein, kann ich nicht beurteilen. Steht das irgendwo geschrieben?
Freundliche Grüße
Konrad
Ok, natürlich ist letztlich alles irgendwie eine Wahlkampfbühne. Vom Haus-zu-Haus-Besuch über das persönliche Gespräch am Stammtisch, dem Flyer-verteilen in der Fußgängerzone bis hin zu Talkshows. Damit ein Wahlkampf fair und gerecht verläuft, müssen bestimmte Dinge gegeben sein – z. B. müssen Medien Platz für Wahlwerbespots einräumen. Der Auftritt in Talkshows gehört jedoch nicht dazu. Wären Talkshows „offizieller“ Teil des Wahlkampfes, dann müssten dort zwingend Vertreter aller Parteien sitzen. Also nicht nur die, die im Parlament sind, sondern auch die, die dort nicht vertreten sind. Piraten, Tierschutzpartei, MLPD….
Die OSZE kommt übrigens zu dem Fazit: „Lob gab es für die pluralistische Medienlandschaft Deutschlands. Der hohe journalistische Standard sei grundsätzlich erfolgreich darin, Auswirkungen sogenannter „fake news“ zu begrenzen.“
Von daher: die AfD hat zwar behauptet, die OSZE sei auf ihr Betreiben hin gekommen, das stimmt aber nicht. Ich empfehle diese verlinkten Artikel zu lesen:
http://faktenfinder.tagesschau.de/inland/wahlbeobachter-103.html
http://www.sueddeutsche.de/politik/bundestagswahl-osze-schickt-so-viele-wahlbeobachter-wie-noch-nie-1.3680031
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bundestagswahl/alle-schlagzeilen/osze-beobachter-bundestagswahl-lief-transparent-und-ohne-manipulation/20375142.html
Zu der Aussage, dass die AfD doch auch zu anderen Themen was zu sagen hätte, sagt der Medienlinguist Michel: „Das Problem ist bei der AfD hausgemacht. Wer mit fast ausschließlich einem Thema Stimmung macht, um Stimmen zu bekommen, muss sich am Ende nicht wundern, wenn er nur genau dazu eingeladen wird.“ Zudem: „Wenn die AfD zu einem Thema nichts anderes beizutragen hat als etwa die CDU, ergibt sich kein zwingender Grund, sie einzuladen.“
Quelle: https://www.derwesten.de/kultur/fernsehen/afd-guckt-bei-maischberger-und-co-immer-oefter-nur-zu-id210095081.html
Ich halte es für sehr eigenartig, zu denken, die AfD würde nicht in Talkshows eingeladen, weil die Medien deren Meinung absichtlich unterdrücken wollte. Das ist eine nette Verschwörungstheorie, ein Opfermythos, den die AfD pflegt. Aber mit der Realität nichts zu tun hat.
Liebe Konrad,
Ich finde es gut, dass Du so offen „in die Höhle des Löwens“ – also in einer Gruppe, von der Du glauben musst, dass sie anders tickt – gehst! Das gibt es zu selten!
Ich finde es gut, dass mit dem Aufkommen der AfD – das ich so nicht gebraucht hätte – wenigstens etwas Bewegung in die politische Landschaft gekommen ist. Auch ich fühlte mich wenig vertreten und fand: es fehlte dieser Politik der Mitte immer eine politische Vision. Das wird nun auch vielen klar. Nur glaube ich, dass wir leider weniger über viele Themen, die ich für sehr wichtig halte, reden; weil wir die ganze Zeit nur „Flüchtlinge hier, Islam dort“ bla bla machen. Themen wie zum Beispiel Altersarmut und Pflegenotstand betreffen meine Familie jetzt und heute und es wäre schade, dass diese „weniger emotionalen Themen“ einfach untergehen.
Zum Niederbrüllen der AfD: ja, das gibt es. Und nein, das find ich nicht gut. ABER. Das gehört zur Strategie der großen Köpfe der AfD. Die wissen ganz genau: je mehr Unfug die Antifa macht, desto mehr können sie sich als Opfer hinstellen. Die Gesprächsstrategie ist ganz klar: Du kannst Dir das hier angucken: https://www.youtube.com/watch?v=qZtd3Mn5d4Q Es geht also darum: das, was gestern noch undenkbar war, soll morgen hoffähig werden. Es ist also die Stretegie den Rahmen des „Sagbaren“ (und diesen gibt es immer: niemand von uns würde mit Menschen reden, die Vergewaltigung gut finden; schon beim Thema Folter hat sich dieser Rahmen leider massiv verschoben) zu verschieben. Wenn dem so ist, dann kann man nicht mehr unbefangen miteinander reden. Denn es geht ja grundsätzlich darum, heute undenkbares als normal hinzustellen.
Ich glaube am Ende kommen in dieser Strategie die Sachfragen zu kurz. Beispiel: ich kenne niemanden, der sagt: Integration läuft super. Aber wir haben jetzt eine Situation, in der man eben nicht mehr öffentlich über diese Fragen streiten kann, weil das Terrain von der AfD besetzt ist und man sofort damit in Verbindung gebracht wird. Der AfD ist es wirklich gelungen, die politische Landschaft umzukrempeln. Aber ich frage mich: wirklich zum Besseren?
Die Wunden, die dadurch in dieser Gesellschaft entweder neu entstanden sind oder erstmals ans Licht kamen, sind glaube ich sehr tief und es wird nicht leicht die zu heilen.
Um doch noch eine Sachfrage zu bringen: „Kann ich wollen, dass die Politik zwar grundsätzlich Religionsfreiheit gewährleistet, aber manche Religionen fördert und andere nicht fördert? (Ich habe die Frage etwas anders formuliert, aber in diesem Sinne habe ich sie verstanden.) Ja, das kann man wollen. Wenn wir als Gesellschaft der Meinung sind, dass Religion x (z.B. Buddhismus) für das Volk besser ist als Religion y (z.B. Salafismus), dann darf die Politik das entsprechend umsetzen.“
Das klingt nach einem Abweichen von einer liberalen Position! Diese würde mit einer ganz formalen juristischen Freiheit argumentieren: es ist völlig egal, ob eine Mehrheit einer Religion zustimmt oder diese für förderlich betrachtet (was soll das sein? wer betrachtet denn eine Religion, der er nicht angehört für förderlich?) – die Freiheit gilt, wenn die formalen Kriterien eingehalten werden. Und die Argumentation ist auch etwas verkürzt: wer ist dieses „Wir“ der Gesellschaft oder das „Wir“ des Volkes? Sind wir wieder bei den alten Vorstellungen eines volonté general? Ich dachte, die hätten wir ein für alle Mal überwunden. Ist dieses Wir nicht im Kern schon plural? Und gilt nicht: die moderne Demokratie lebt nicht nur vom Mehrheitsprinzip, sondern muss sich besonders darin zeigen, dass sie Minderheiten schützt? So zumindest wird derzeit unsere Rechtsordnung interpretiert. Will die AfD daran etwas ändern?
Hallo Arnachie,
danke für deine freundlichen Worte zu Eingang! Cooles Pseudonym übrigens. Ich bin zunächst voll darauf reingefallen und dachte mir, was ist das wohl für ein Typ, der sich „Anarchie“ nennt? 😀
Du scheinst philosophisch bewandert zu sein. Ich bin es leider nicht und muss zugeben, dass ich gar nicht weiß, was sich hinter den „alten Vorstellungen eines Volonté générale“ verbirgt und warum die überwunden sind bzw. sein sollten. Der Wikipedia Artikel dazu hilft mir nicht wirklich weiter.
Ich will hier auch nicht als der Anwalt der AfD auftreten. Ich finde auch nicht alles gut, was die machen. Mich nervt nur die Bevormundung, dass wir bloß nicht AfD wählen sollten. Als ob der mündige Bürger (und Christ) das nicht selbst entscheiden könnte.
Sorry, dass ich auf deine Fragen gar nicht eingehe, aber auf diesem philosophischen Level kann ich nicht mithalten.
Ich habe auf deinem Blog gesehen, dass du Theologe bist. Mich würde mal interessieren, wie du zu der Frage stehst, ob der Muezzinruf fünfmal am Tag erschallen darf, genauso laut wie das Glockengeläut? Und ob Minarette gebaut werden dürfen, die genauso hoch oder gar höher sind als der größte Kirchturm in der Stadt?
Grüße
Konrad
Ich darf mal übersetzen. „Volonté general“ ist ein Begriff aus der Staatstheorie von J.-J. Rousseau und meint das, was im gemeinsamen aufgeklärten Interesse der Staatsbürger liegt. Also das, was Ich wollen muss, wenn ich für alle anderen mit denke (Z. B. dass der Staat Steuern eintreibt). Zur AfD Position passt der Begriff allerdings m. E. nicht so besonders (sorry Anarchie), da die staatliche Regelung des persönlichen Bekenntnisses natürlich eher nicht in diesem Interesse liegt.
Daher jetzt nochmal meine Frage an Dich: Was genau sollte die Politik denn bzgl des Islams „umsetzen“, wie Du oben schreibst? Mir ist das noch nicht ganz klar.
Konrad,
sorry für das Fremdwort. Was damit gemeint ist, ist die Idee: wenn man alle Leute, die in Deutschland sind, zusammennimmt: gibt es so etwas, wie einen gemeinsamen Volkswillen – so eine Art objektives „Wir als Deutsche wollen dies oder jenes“? Das höre ich raus, wenn man sagt: „Wir sind das Volk“ oder fragt: „Nützt uns der Islam etwas?“. Auf diese Idee kommt man immer wieder schon in kleinen Gruppen: man denkt immer: im Grunde sind wir uns doch einig. Und dann stimmt man ab: „Wer ist dafür, dass wir beim Gemeindefest eine Band spielen lassen?“ und dann stellt sich raus: ach, das wollten gar nicht alle. Das ist halt die Grundidee es gibt verschiedene Gruppen mit verschiedenen Interessen und auch verschiedenen Ideen, wie man gut miteinander zusammenleben kann. Wenn jetzt eine Gruppe sagt: „Wir repräsentieren aber eigentlich alle oder die schweigende Mehrhheit“ dann erkennt man nicht an, dass andere das anders sehen.
Ob der Kirchturm höher sein muss, als andere Gebäude ist mir eigentlich egal. Vor 100 Jahren als die Fabrikschornsteine höher wurden als die Kirchtürme und vor 50 Jahren als die Hochhäuser der Banken und Versicherungen höher wurden, hatte darin niemand ein Problem gesehen. Über die alltäglichen Götzen, die wir uns schaffen und die wir selbst mit unserem Lebensstil anbeten, sehen wir großzügig hinweg.
Zu Jesus Zeiten waren das die gleichen Fragen: die Juden waren in einer Situation der Pluralität angekommen – und die waren nun wirklich unterdrückt, während wir in Europa eher die Herrscher sind. Und da hat man sich an solchen Symbolen der nationalen Stärke, der religiösen Reinheit und der kulturellen Einheit geklammert. Welche Symbole waren das?
Der Tempel, das Feiern des Sabbats, die Vorschriften, wer mit wem gemeinsamen Essen darf, Reinheitsgebote, Sabbat und Beschneidung. Und das waren exakt die Themen, die Jesus uminterpretiert hat: der Tempel, dass ist nicht mehr ein heiliger Ort gegen andere heilige Orte; der Tempel wird niedergerissen und ich bin der wahre Tempel, Unreinheit ist nicht mehr: mit den falschen Leuten Kontakt haben, sondern Unreinheit kommt aus Deinem Herzen, auch am Sabbat darf man Menschen helfen, und es geht um die Beschneidung der Herzen.
Das war, was Jesus an Kreuz gebracht hat: sein Konflikt mit den heiligen Symbolpolitiken.
Es geht mir nicht darum, die Privilegien von Kirchen oder ein christliches Abendland zu verteidigen. Ich muss Gott nicht verteidigen. Wird Gott etwa aufhören, Menschen zu rufen, Menschen zu erlösen und Menschen mit Gott und mit anderen Menschen zu versöhnen? Entsteht nicht überall, wo er das tut, Kirche neu? Entstehen nicht Menschen, die aus der Kraft der Zuwendung Gottes heraus leben und weil sie bei Gott als etwas zählen nicht mehr ängstlich um den Verlust ihrer Identität fürchten müssen? Entsteht nicht dort, wo Gott Menschen ruft, ein Geist, der sich nicht vordrängeln muss, der nicht sich selbst durchsetzen muss, sondern der Raum für andere lässt, weil bei Gott Raum für sie selbst ist?
Gerade weil das versöhnende, aufrichtende, fürsorgliche Handeln Gottes für mich eine unerschütterliche Wahrheit ist, muss ich nicht in meinen Ängsten aufgehen: Angst vor fremden Ideen, Angst vor anderen Religionen oder Angst vor einer Welt, die noch ganz unversöhnt ist.
Ein paar Gedanken dazu, ausgelöst durch einen zitierten Satz am Anfang dieses Kommentars.
Arnachie schrieb: „ […] gibt es so etwas, wie einen gemeinsamen Volkswillen – so eine Art objektives “Wir als Deutsche wollen dies oder jenes”? Das höre ich raus, wenn man sagt: “Wir sind das Volk” […] Wenn jetzt eine Gruppe sagt: “Wir repräsentieren aber eigentlich alle oder die schweigende Mehrhheit” dann erkennt man nicht an, dass andere das anders sehen. […]“
@Arnachie: Vermutlich bist du etwas zu jung, um die Demonstrationen 1989 in der DDR bewusst miterlebt zu haben. Das ist kein Vorwurf meinerseits; nur halte ich es für unabdingbar, historische Ereignisse und Aussagen zunächst aus dem damaligen Kontext heraus verstehen zu wollen, sonst entstehen MIssdeutungen in der Gegenwart. (Darin sehe ich eine Gemeinsamkeit mit der biblischer Exegese.)
„Wir sind das Volk“ war der Slogan der DDR-Bürger, die gegen die Herrschaft der SED-Kader in der zweiten deutschen Diktatur des 20. Jahrhunderts 1989 in Leipzig auf die Straße gingen. Es war eine Bewegung, die sich für Freiheit, gegen verkrustete Machtstrukturen, gegen staatlich-institutionelle Bevormundung, gegen gezielte Desinformation und gegen das Leugnen von Alltagsproblemen wendete, und zwar in einem Staat, der jegliche Opposition unterdrückte und sich demokratisch nannte. Es war ein Ruf der Unterdrückten gegen die Unterdrücker. Was dieser mutige, öffentliche Protest mit ungewissem Ausgang den damaligen DDR-Bürger emotionnal bedeutet hat, ist mit einem kurzen erklärenden Satz nicht zu beschreiben. Wenn man die damalige Zeit nicht miterlebt hat – egal ob im Westen oder im Osten – dann hat man es heute deutlich schwerer, die Vielzahl möglicher Motive hinter dem Satz „Wir sind das Volk“ einzuordnen.
Ich werde nicht vergessen, als in den Tagesthemen 1989 plötzlich aus der DDR herausgeschmuggelte Filme gesendet wurden und ich im Westen mitfieberte und betete, dass diese mutigen Menschen nicht niedergeschossen werden, wie es fast zeitgleich in China geschah. Darum ein Vorschlag: Bitte 45 Minuten Zeit opfern und eine Dokumentation (ZDFinfo) von 2015 ansehen, in der die Tage der friedlichen Revolution aus der Sicht von DDR-Oppositionellen geschildert werden, die den Protestzug 1989 aus dem Turm der Reformierten Kirche in Leipzig heimlich filmten und schießlich aus dem Land schmuggelten. (Ja, es gab tatsächlich kein Internet, kein Youtube, kein Facebook, keine Smartphones, es war eine vollkommen andere Welt damals.)
https://youtu.be/w98RwWozwOM
Lieber Arnachie, „wir als Deutsche“ sollten tatsächlich etwas Gemeinsames wollen.
Ich teile die Weltsicht der Menschen nicht, die heute „Wir sind das Volk“ rufen. Aber ich verstehe, woher ihre Ängste herrühren und ahne, warum sich ein großes Misstrauen gegenüber staatlichen Instututionen und propagierten Alternativlosigkeiten bei ihnen entwickelt hat.
Wir sollten unbedingt wollen, aus der ersten deutschen Diktatur (1933 bis 1945) weiterhin unsere Lehren zu ziehen und wachsam zu bleiben. Nazis sind heute sehr bunt, stammen nicht mehr nur aus unserer Mitte sondern kommen auch aus anderen Ländern und unter anderer Flagge als dem Hakenkreuz zu uns.
In gleicher Weise sollten wir auch wollen aus der 2. deutschen Diktatur, die erst vor knapp einer Generation endete, unsere Lehren zu ziehen. – Was aber bedeutet es für uns (also besonders die „Wessis“), Lehren aus der 2. deutschen Diktatur zu ziehen? Darüber lohnt es sich ausführlicher nachzudenken und zu forschen. (Wie ich vorhin bei einer kurzen Nachfrage bei 5 jungen Erwachsenen feststellte, haben sie in der Schule kaum Informationen über das Leben in der DDR erhalten. Nicht gut… )
Lieber Ralf,
vielen Dank für Deine Anregungen.
Damit rennst Du bei mir offene Türen ein! Ich bin Jahrgang 85 und Thüringer. Ich war gezwungen mich intensiv mit dieser Zeit auseinanderzusetzen. Und habe auch meine Abschlussprüfung in Kirchengeschichte über die Kirchen in der DDR gemacht.
Aber danke für den Link zur Doku.
Das heute sich viele Ostdeutsche in ähnlicher Weise gegängelt fühlen, sollte uns alle alarmieren. Wir sollten schauen: inwiefern haben zB Westeliten die Spitzenpositionen im Osten inne und wie könnte man das ändern? Inwiefern haben die Wessis wirklich mal Ossis zugehört, ihre Biographie verstanden, ihre Literatur gelesen, die ostdeutsche Protestkultur kennengelernt? Hat man sich mal damit beschäftigt, was es hieß unter diesen Umständen zu versuchen ein normales Leben zu führen? DAS wären die „Lehren“, die ich mir von vielen Westdeutschen erhoffe: einfach mal zuhören, wahrnehmen und Raum machen für Ostdeutsche Erfahrungen. Ansonsten würde ich die Aufabreitung den Ostdeutschen überlassen. Ich sag mal ganz frech: die Probleme der anderen aufzuarbeiten ist immer einfach (Türkei, Rußland, DDR) – wir haben noch einen völlig unaufgearbeiteten NSU Skandal, für den sich gerade niemand so richtig interessiert. Dort wäre ein guter Startpunkt!
Hallo Arnachie,
ein schönes Plädoyer! Wenn ich so darüber nachdenke, bin ich kurz davor mich dem anzuschließen. Die Welt geht nicht unter, wenn die Minarette größer sind als Kirchtürme. Das Reich Gottes ist nicht von dieser Welt. Wir können anderen den Vortritt geben.
Etwas unbehaglich ist mir zwar noch, da es wohl um einen Machtanspruch geht, den wir aufgeben würden. Zumal die Christen in vielen islamischen Ländern unterdrückt und verfolgt werden. Aber vermutlich entspricht es wirklich dem Geist Christi, dass wir hier freiwillig verzichten.
Allerdings kann man so eine Haltung nur von Jesus-Nachfolgern verlangen. Ob unsere Gesellschaft diesen Weg gehen sollte? Rein menschlich gesehen, müssten die Muslime doch damit zufrieden sein, wenn sie sich in Moscheen versammeln dürfen – auch ohne Muezzin-Ruf.
Nochmal zurück zu Volonté générale. Danke für die Erläuterung! Ich denke es ist klar, dass es ganz unterschiedliche Meinungen und Wünsche und nicht die Einheitsmeinung gibt. Insofern ist Volonté générale überwunden.
Wir haben Mehrheiten und Minderheiten. Meist nur einfache Mehrheiten und nur selten absolute Mehrheiten. Ich finde es voll in Ordnung, dass Rahmenbedingungen geschafft werden, die sich die (absolute) Mehrheit wünscht, wobei Minderheiten nicht unterdrückt werden dürfen. Aktuell haben wir wohl eine (leichte) Bevorzugung des Christentums gegenüber dem Islam, wobei der Islam nicht unterdrückt wird. Ich finde das fair.
Hallo Arnarchie,
Dein Kommentar in Ehren (ich teile Deine Hoffnung auf Gottes Geist für die Erneuerung des christlichen Glaubens!), aber damit bewegst Du Dich voll in einer unproduktiven Diskussion, die unserer Gesellschaft sowohl von bestimmten Islamvertretern als auch Rechtskonservativen bis Rechten aufgenötigt bekommt und die von ihnen am Laufen gehalten wird.
Die Kirchenkrise mit Minaretten zusammen zu diskutieren ist unproduktiv und meiner Ansicht nach auch falsch. Die Frage, wie hoch Minarette gebaut werden dürfen oder ob ein Muezzin rufen darf, sollte (und kann!) nicht christlich-theologisch beantwortet werden, sondern zivilgesellschaftlich.
Es ist eine gesellschaftliche und politische Frage, in welchem Verhältnis Religionsfreiheit und sozialer Friede stehen. (Sozialer Friede ist sogar im schiitischen Islam ein wichtiges Prinzip der Sozialethik für die Muslime, die in nicht-muslimischen Ländern leben. Sie sollen demnach in ihrer Religionsausübung auch die Prinzipien des Zusammenlebens in ihrer Gastgebergesellschaft anerkennen. – Vielleicht sind es u.a. deshalb nicht die schiitischen Islamverbände, die hier die Forderungen stellen, sondern v.a. die, deren Finanzierung aus Ländern kommt, die für aggressive Außenpolitik und Unterstützung radikaler Kräfte stehen?).
Jede Freiheit geht bis maximal dahin, wo die Freiheit anderer anfängt (anderer Menschen und anderer Rechtsprinzipien). Wenn sich Anwohner durch einen Muezzin gestört fühlen, dann ist das ernst zu nehmen. Das sind kulturelle Aushandlungsprozesse, deren Ausgang man nicht normativ einfordern kann (das ist etwas, was auch manche Linke nicht verstehen). Dass Religionsfreiheit unter Umständen Grenzen findet, zeigen ja auch die Debatten über Jungenbeschneidung und Kopftuch im öffentlichen Dienst. Schächtungen unterliegen Tierschutzbestimmungen. (Und so einige amerikanische Christen müssten hier ihr Kind in die Schule schicken und Evolutionstheorie lernen lassen, weil auch der Staat einen Erziehungsauftrag hat, zur Not gegen die Religion.)
Ich bin nicht bereit und willens, solche Prinzipien und Prozesse der Willensbildung aufzugeben – weder gegenüber Islamverbänden, die einseitig Religionsfreiheit hochhalten, noch der AfD, die das Recht auf Meinungsfreiheit überstrapaziert. Beide schlittern permanent am Rand dieser Rechte entlang und versuchen, ihre Grenzen für eigene Zwecke auszuweiten. Das halte ich in beiden Fällen für brandgefährlich, zumal sie sich gegenseitig aufschaukeln. Da werde ich keinem von beiden den Vortritt lassen. Das lese ich auch nicht in der Bibel, dass ich das sollte.
Jesus hat meiner Ansicht nach mit „haltet die andere Wange hin“ und „tragt das Gepäck noch einen Kilometer weiter“ Anweisung zum Umgang mit den römischen Besatzern gegeben, gegen die die Juden keine Chance hatten. Es haben permanent Aufstände stattgefunden. Man kann Jesu Worte (zumindest zum Teil) daher auch so verstehen, dass er die endgültige Vernichtung seines Volkes verhindern wollte, denn die Römer hatten kein Problem mit Völkermord und Versklavung, wenn es ihnen zu unruhig wurde.
Wir sind hier in einer völlig anderen Situation. Wir haben die Gestaltungsmöglichkeit für das Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit und Politik – ein Verhältnis, das die Schriftpropheten immer wieder angemahnt haben. Recht sollte dynamisch, nie statisch zum Vorteil einer Gruppe sein. So zumindest meine Lesart im 21. Jahrhundert.
Ich glaube auch nicht, dass es Jesus hauptsächlich um die Abschaffung „heiliger Symbole“ ging. Er hat sich gegen Erstarrung und Missbrauch kultischer und rechtlicher Normen gewandt (ganz in der Tradition der Schriftpropheten). Gegen die Beschneidung hat er sich nie ausgesprochen (die Beschneidung der Herzen ist ein Ausdruck schon aus dem AT). Und die Tempelaktion scheint mir sehr vielschichtig.
Der Tempel war doch eine Quelle der Selbstbereicherung derjenigen geworden, die sowieso schon mit den Römern paktierten, während der Großteil der jüdischen Bevölkerung verelendet war. V.a. stieß er ja die Tische um, an denen Geld verdient wurde mit dem Opferbetrieb. Er hat aber nicht den heiligen Bezirk beschädigt oder so etwas. Matthäus verweist auf Hosea, um Jesu Kritik klarzumachen. Das zeigt, dass es um den „rechten“ Gottesdienst ging (großes Thema schon im AT) und dass die falsche Kultpraxis (bei Hosea: „Eure Opfer will ich nicht, sondern Eure Herzen“) von Gott trennt und zu falschem Handeln führt (Pharisäer, Geldwechsler, Vogelverkäufer und alle, die vom Tempel profitierten, während der Rest Israels weiter verarmte).
Jesu Auftreten war also sowohl Religions- als auch Politik-Kritik. Die beiden Aspekte kann man nur schwer voneinander isolieren. Dass er gegen „heilige Symbole“ vorgegangen sei, ist mir zu einfach. Jesus hatte mehr drauf. 😉
LG, Ina
Ina,
Vielen Dank,
ich kann Dein Kommentar fast zu 100% unterschreiben, bin aber gerade in dem Gespräch woanders gewesen.
Ich glaube NICHT, dass wir in einer Diskussion von den Rechtspopulisten bis zu den Islamvertretern stecken, die in dieser Form theologisch ist. Ich glaube aber, dass implizite Theologien in den Streitigkeiten stecken (zB die Idee Gott wäre dafür da, eine bestimmte Identität abzusichern).
Ich glaube auch, in manchen Teilen des Christentums kommst Du nicht weiter, wenn Du nicht theologisch argumentierst. Aber das ist eine Frage von dem, was man „Christengemeinde und Bürgergemeinde“ (Karl Barth) nennt. Natürlich rede ich als politisch interessierter Mensch nicht in der Form theologisch, sondern suche nach einer sachlichen Klärung und rede „etsi deus non daretur“ – als ob Gott nicht gegeben wäre. Aber nichtsdestoweniger stehen in diesem Forum theologische Fragen in Raum und ich muss Gott nicht ausblenden. Ich würde auch sagen: mir geht es um eine Offenheit aus Prinzip keine prinzipienlose Beliebigkeit – ein Problem das der liberale Rechtsstaat übrigens nicht lösen kann. Ich kann die Situation der Offenheit ertragen aus theologischen Gründen; zB weil ich weiß, dass ich nicht das Zentrum des Universums bin. Ich gehe hier einen anderen Weg als viele liberale. Die sagen: bloß nicht zu viel Glauben und Leidenschaft und sie verlangen, dass man lieber „gemäßigt“ glaubt. Ich würde sagen: mit großer Überzeugung und Leidenschaft glauben aber der Glaube an Gott öffnet mich gerade für diejenigen die anders denken als ich.
Dann – ich switche in den Modus „Bürgergemeinde“ – ja Du hast Recht, was diese Aushandlungsprozesse anbelangt. Die dürfen nicht vorher entschieden werden. Ja: wenn es die Leute stört, gibts eben kein Muezzin Ruf. Aber ich bin skeptisch, wenn Du vor allem juristich argumentiert. Ich bin eben tatsächlich – auch politisch – kein liberaler. Der liberaler Rechtstaat ist für mich unhintergehbar, aber auf der Ebene der Gesetze sind eben nicht alle Probleme zu lösen. Das liebrale Menschenbild ist für mich steril – Interessen, Vernunft, Aushandlung ja!, Leidenschaften, Stimmungen, Begehren und Ängste, Narrativen – Nein! Die Probleme ist doch, dass dieses Wort „Aushandlung“ eigentlich an der Realität vorbeigeht. Aushandeln klingt viel zu versöhnlich – zu merkantil. Diese Prozesse werden vor Ort viel existentieller, viel kämpferischer erlebt.
Deshalb auch der Verweis auf das Frühe Christentum. Meine Wette ist ja, hier eher eine starke Kontinuität mit heute zu ziehen. Zwar sind die Fragen heute nicht mehr Götzenopferfleisch und Beschneidung, aber die Dynmamiken sind ähnlich oder haben sich sogar ncoh verschärft. Ich würde nicht sagen: das sind „nur heilige Symbole“, sondern würde sagen: was gibt es grundlegenderes als solche Symbole, Narrativen etc? Deine Ergänzungen sehe ich auch; ich würde nur sagen: im Prinzip sind diese ganzen Fragen, die das NT (vor allem Paulus zB im Galtherbrief) beschäftigt eine hochaktuelle Auseinandersetzung mit „identity politics“. Dafür siehe: Alain Badiou – Paulus.
PS: Ina, ich habe Deine Mail erst jetzt gesehen. Bei mir landet zZ sehr viel im Spam Ordner. Ich werde gerne die Tage mal antworten.
PS: Sorry für die vielen Typos – hab das ganz schnell vor einem Termin dahingeschrieben.
Hallo Florian,
zunächst einmal ist wohl für alle (inkl. der AfD) klar, dass die Religionsfreiheit gewährleistet sein muss (Artikel 4 GG). Wenn in einzelnen Moscheen allerdings verfassungsfeindliche Lehren gepredigt werden, darf der Staat hier genau hinschauen und eingreifen.
Ich habe mich nicht näher damit beschäftigt, wo die Ursachen für die vielen Terroranschläge im Namen des Islam liegen. Ich denke, hier bedarf es der ehrlichen Analyse und ein Ringen um einen guten Weg. Dieser muss m.E. irgendwo in der Mitte liegen zwischen den Randpositionen „Der Terror hat nichts mit dem Islam zu tun“ und „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“.
Vielen Dank, Gofi und Jay!
Genau so kann man miteinander reden, sich kennenlernen, Vorurteile abbauen, sich näherkommen und voneinander lernen, auch wenn man bei bedeutenden Lebensfragen unterschiedliche Überzeugungen vertritt. Ich freu mich auf baldige Fortsetzung und weitere pointierte Auseinandersetzungen, besonders dann, wenn es ans Eingemachte geht. – Ihr macht das sehr gut so.
Hui, Gofi und Jay, jetzt hatte ich mir vorgenommen, doch erstmal alle Folgen durchzuhören, bevor ich wieder was kommentiere (und ich denke wirklich nach JEDER Folge „wow, das war ja interessant, da guck ich noch mal mehr nach…. und jetzt muss ich denen doch ein feedback geben, aber nee, da sind sooo viele lange Kommentare, das kann ja niemand alles lesen also halt dich zurück und schreib einmal ganz zum Schluß“) und jetzt klappt´s schon nich… (habe erst Folge 82 und 83 gehört, dann die ersten sieben und dachte mir warum auch immer, „nee, jetzt erst von 84 bis Ende und dann höre ich nach und nach und nach die alten Folgen chronologisch und immer die aktuellen dazwischen, wenn sie rauskommen“).
Und zwar deswegen, weil Ihr mir ja anbietet, mir die Welt zu erklären (jaaa, is ´n Scherz, hab ich schon verstanden) und ich genau das gerade suche und nicht finde. Und das in Berlin, da sollte es doch eigentlich so ziehmlich alles im Angebot geben ;-).
Noch mal vom Urschleim: Ich bin in einer nicht religiösen Familie kulturell lutherisch großgeworden, habe immer irgendwie an „Gott“ geglaubt, aber ab der Teenagerzeit nüscht mit Dingenskirchens am Hut gehabt ( Davor gab´s ne Kindergruppe und den Kinderchor, weil da halt in den Achtzigern in unser Kleinstadt einige aus der Schule waren.) Da war dann erst mal saufen, kiffen, diverse andere Drogen, Kerle, wilde Partys, diverse Szenen von Punk, Hippie, Gothik, Goatrance, blabla; Bruch mit den Eltern, usw. dran. Wirklich krasses Leben, die Schule habe ich mit 16 als ehemals Hochbegabte dann auch geschmissen, bin erst nach HH und dann nach Berlin, linksalternative Szene, schwullesbifeministisch bunt, gegen Nazis… Das Bild ist klar, oder? Würde ich so nicht noch mal machen, war aber auch nicht alles scheiße und eben meine Lebenserfahrung, die mich zu dem Menschen gemacht hat, der ich heute bin.
Dann war ich mit 24 im Chaos ohne Ausbildung, Kerl, Familie, Geld, unterstützendem Freundeskreis mit schrecklichem Liebeskummer ungeplant allein schwanger, alle rieten mir dringend abzutreiben und ich hatte bei aller Panik und obwohl ich nach wie vor allen Frauen unbedingt das Recht zuspreche, sich aus verschiedenen Gründen auch gegen ein Kind zu entscheiden, das Gefühl „nee, das hat irgendwas mit Gott zu tun und das geht deswegen jetzt nicht“. Dann bin ich bewußt in eine katholische Beratungsstelle, habe dort erklärt, ich würde das Kind wohl bekommen, möchte aber auch über meine komischen Gottgedanken mal sprechen und bitte mehr als einen Termin.
So war ich dann Monate später auf deren Rat bei einem tollen Jesuiten (der inzwischen ausgetreten und verheirateter Psychotherapeut ist 😉 bei der „Offenen Tür Berlin“ zu Beratungsgesprächen. Weil ich ja immer alles genau wissen, alles einordnen, im System verstehen will, habe ich dann ganz viele Bücher über z.B. Ordensgeschichte aus der Bibliothek geliehen und gelesen.
Als alleinerziehende linke Feministin wurde mir die katholische Kirche so neu erlebt zwar sehr überraschend symphatisch (das mit dem sinnlichen Erleben haben die echt besser drauf!), aber irgendwie war mir das doch fremd und ohne Frauenoordination und das Ding mit Marienverehrung…
Also doch back to the roots, ergo evangelisch? Eine Frau aus der Stillgruppe war bei der SELK. Da ich wirklich niemand kannte der irgendwas mit Kirche zu tun hatte, habe ich immer mal nachgefragt. Um es abzukürzen: Die SELK ist mir viel zu konservativ, aber dort war ich als Erwachsene die ersten Male wieder in einer Kirche, später auch beim Bibelkreis und wir sind seit damals über 15 Jahre befreundet.
Irgendwann habe ich mich dann mit klopfendem Herzen allein in eine „ganz normale Kirche nebenan“ getraut und habe mir das alles sehr intensiv angeschaut. Verkürzt gesagt, kamen dann einige Phasen, wo ich jeden Sonntag hingegangen bin und sehr viel nachgedacht, gelesen, verglichen, ausprobiert habe und einige Jahre später habe ich mich dann endlich taufen lassen, weil der Schritt immer noch fehlte und ich endlich „richtig dazugehören“ wollte. Aber EIGENTLICH hatte ich noch ganz viele Fragen und da waren so viele Widersprüche… Und die sind ja leider nicht weniger geworden…
Mein Dilemma ist, dass ich im Freundeskreis bis auf die SELKis immer noch die einzige Gläubige bin. Und ich bin eben immer noch linke angeökte vegane Feministin mit lesbischen und schwulen Freunden; da fühle ich mich nach wie vor zuhause. Das mit den Drogen und den Partys war ab der Schwangerschaft vorbei und dann verändert sich halt das Leben, man wird älter und spießiger. Das ist ja bei wahrscheinlich jedem so, ob gläubig oder nicht. Aber das Bedürfnis, sich mit dem Christentum auseinanderzusetzen und den Konsequenzen auf mein Leben, dass haben meine anderen Freunde eben so nicht, da fehlen mir Gesprächspartner. Ich habe mich ja bewusst für die janz normale Landeskirche entschieden, weil das am ehesten meine religiöse Sprache ist und ich mich da insgesamt wohl fühle und auch weltanschaulich zwar nicht die Mehrheit repräsentiere, aber eben auch kein Exot bin. Aber da fehlt mir viel! So was wie mystische Erfahrungen, ohne damals zu wissen, was das ist, habe ich bisher nur in seltenen katholischen Andachten mit meditativer Stille oder tatsächlich in der Natur gemacht. Beten ist sonst bei mir meist eher ein Ringen um Schuld, Bitte um Vergebung, Anlage an Gott, Wut („Warum mutest Du mir das alles zu! Das ist zuviel, scheiße noch mal!“) und der Bitte um Trost und mich nicht loszulassen, wenn ich mich immer wieder von Gott entferne und der Gesprächsfaden abreißt und der Alltagsscheiß und die seelischen Altlasten mich völlig absorbieren.
Inzwischen gehe ich nach einigem Frust mit meiner Kirche im allgemeinen und im persönlichen Umgang untereinander nach dem Umzug im letzten Herbst gelegentlich wieder zum Gottesdienst hier (was auch schön ist, ist ´ne nette Gemeinde, in deren newsletter ja tatsächlich auch der link zu HOSSATALK Folge 82 war ;-)), aber ansonsten ist da meist religiöse Ödnis in meinem Leben.
Wenn ich mich auf die Suche machte nach dem, was ich mir wünsche (junge Leute in meinem Alter, moderne Gottesdienstformen, Gemeinschaft im Alltag, Bibelkreis und bitte endlich mal jemanden, der sich meine Fragen anhört und mich zu Antworten hin begleitet) landete ich dann oft bei Leuten, die mir „komisch“ vorkamen und immer noch vorkommen. Erst mal sehen die „normal“ aus, aber dann denke ich, ich bin in einer Sekte gelandet, irgendwie spooky… Und dann diese engstirnigen Ansichten zu Homosexualität und Abtreibung, wie passt das denn zusammen?
Inzwischen weiß ich, aha, das ist freikirchlich, charismatisch, pfingstlich, irgendwas. Okay. Für mich als verkopfte Norddeutsche lutherischer Prägung eben sehr fremd.
Und jetzt höre ich euren geilen podcast und lerne: Ach, das alles ist also evangelikal? Ich dachte immer, evangelikal, das sind diese reaktionären Spinner um Gorge DoubleU in Amiland, die mit Bomben auf die Achse des Bösen, dem Kreationismus, der Hölle für liberale Linke wie mich usw. Sorry, aber von Partyleben auf Christin in der EKBO war schon mit ganz viel Lernen und Lesen verbunden, da habe ich dieses Spektrum bisher noch nicht systematisch betrachtet.
Nach den ersten Folgen habe ich dann ganz viel gegooglet, weil ich immer wieder gestutzt habe und für mich so viel ganz neu ist. Und jetzt gibt´s auch noch linksevangelikal, postevangelikal, usw??? Puh. Und wo pass ich da mit meinem Glaubenserleben rein?
Für mich so von außen ist das suuuperspannend, ich kenne fast keinen eurer Gäste oder der angesprochenen Leute, ich denke immer wieder „Häh, was´n das, Erweckung? Übergabegebete? Wieso glaubt da wirklich jemand, das die Welt demnächst untergeht. Häh?“ Das muss für euch schwer vorstellbar sein, aber für mich ist das nochmal ne völlig neue Welt. Und obwohl ich bei vielem bestimmt oft ganz andere Ansichten habe, bin ich so dankbar für euren podcast!!! Da wird mir so viel angeboten, was ich bisher nur gestreift habe (Richard Rohr z.B. habe ich tatsächlich schon mal angelesen 😉 ), von verschiedenen Standpunkten beleuchtet, ganz viele meiner Vorurteile werden abgeräumt (Danke!) und – was mir selbst ganz wichtig ist: Gegensätze benannt und im respektvollen Miteinander stehen gelassen und ausgehalten. Ich hatte bis vor dieser Folge noch nie von Herrn Hartl gehört und kann mich mit ihm bestimmt ganz trefflich über vieles streiten, aber ich bei den meisten Dingen, die er da gesagt hat, rennt er bei mir offene Türen ein, ich fand ihn sehr sympathisch und ich bin ganz neugierig auf mehr.
Tja, und das ging mir eben bis jetzt bei euch immer so. Schön!
Boah, bin ich gespannt, was Ihr mir da noch alles so offenbaren werdet.
Scheiße, dass das mit dem croudfundig für die CD vorbei ist, das Angebot für ne Stunde persönliches Welterklären wäre es mir ja selbst bei meinem ergänzenden ALG II wert gewesen 😉
Ich wünsche mir einen persönlichen HOSSATALK-Coach! Das wäre doch geil, oder?
Oje, es ist halb vier nachts, viel zu spät und jetzt gehts mit mir durch…
Also, Räusper, ich hoffe es war nicht zu wirr und ich konnte mich einigermaßen verständlich erklären, ich hoffe weiter, dass das, was ich im Gespräch mit Mimik und Gestik als Ironie o.ä. kenntlich machen kann, hier nicht als böswillige Provokation missverstanden wird und möchte mich nochmal ganz dolle bei euch bedanken, dass Ihr diesen tollen podcast anbietet. Hossa!
Ganz herzlichen Dank, Jule!!! Alle Ironie komplett verstanden. Ich freu mich total, dass wir dir ein bisschen weiterhelfen können! Liebe Grüße!
Nur ein Hossa am Ende? Das find ich schwierig, Konventionen sind wichtig und sollten unreflektiert übernommen werden, sonst geht schnell die Orientierung verloren. Goatrance ist mir zu Crossover. Ansonsten interessanter Beitrag, geschrieben von einer Frau, der, wie Foucault das sagen würde, ihr Sein zu denken gibt.
Noch mal ein Artikel der sich mit dem Gebetshaus und dem dahinter stehenden Frömmigkeitsstil auseinandersetzt: https://y-nachten.de/2018/06/mein-lieber-herr-gebetshaus-verein/
Kann fast alles, was Hartl gesagt hat, eigentlich nachvollziehen (wenn man den Christ ist, von was ich mich immer wie mehr entferne od. schon entfernt habe, weil es def. Wichtigeres gibt, als sich als Christ abzustrampeln), aber def. nicht seine Ausgestaltung dieser am Schluss erwähnten Wahlchallenge. Ich gebe da der Fragestellerin Anna völlig Recht, dass sie Bedenken hat, dass man immer für Einheit beten soll (wenn man überhaupt beten soll) und auch für die AfD, etc. Ich bin ganz klar der Meinung, dass es unerlässlich ist, gegen rassistisches Gedankengut, Hass, etc. anzukämpfen. Und zwar real und nicht betend. Und wenn Hartl sagt, dass er in allen Parteien Schwieriges finden kann, dann muss ich sagen, dass z.B. Rassismus def. erkennbar ist und eben nicht in allen Parteien gleichermassen. Und dann gibt es ja immer wieder auch belegbare Aussagen von Parteimitgliedern. Und dann einfach für diese zu beten. Nee. Sorry.