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#97 „… im Angesicht meiner Feinde.“

Markus Blog findet ihr hier.

Und hier seinen Glaubensgrundkurs Aufatmen in Gottes Gegenwart.

Seine beiden Artikel, in denen er sich freundlich, kritisch mit uns auseinandersetzt sind hier zu finden:

Die Krise von Wahrheit und Irrtum

6 Gründe für die “Flucht aus Evangelikalien”

377 Kommentare

  1. Ina Ina

    Hey Leute,

    sehr starker Talk! Und da es um meine Landeskirche geht, umso spannender für mich. 🙂

    Markus‘ Blog kenne ich und nehme ihn sehr ernst. Auch wenn ich ihn meist zu polemisch finde, legt er natürlich plakativ die Finger in so manche Wunden. Für ein differenziertes Feedback muss ich aber nochmal in mich gehen…

    Ich mache mir auch Sorgen um meine Kirche und habe auch so meine Probleme mit einigen Aspekten der Universitätstheologie der Gegenwart. Die Auferstehung und die Gottessohnschaft ist nicht verhandelbar.
    Aaaaber: Nein, keine Pfarrer aus unabhängigen Ausbildungsstätten!

    Wenn meine Pfarrerin nicht mehr weiß, wie sie mir die Beichte abnehmen soll (und ich sie dazu zwingen muss, mir überhaupt einen Termin dafür zu geben), dann stimmt mit meiner Kirche was nicht. Die Lösung heißt aber nicht, zurück zum wörtlichen Bibelverständnis.

    Problematisch scheint mir eher das Selbstverständnis der Theologie im Konzert der Wissenschaften. Und dass die da anscheinend keine Seelsorge lernen.

    Ein Uni-Theologe sagte mir kürzlich, die meisten seiner Studenten beten nicht… Kann man niemand dazu zwingen, schon klar. Wenn die dann allerdings Pfarrer werden, wundert mich nicht mehr, dass meine Pfarrerin kein gescheites Beicht-/Seelsorgegespräch mit mir hinkriegt. Bei einem evangelikalen Sühneopferprediger würde ich aber auch nicht beichten gehen.

    Die Lösung für meine Kirche muss anders aussehen! Sorry, Markus. Ich will nicht mehr zurückfallen hinter die positiven Aspekte der liberalen Theologie, auch wenn sie durchaus Nachteile hat.

    Es ging übrigens los mit Friedrich Schleiermacher, by the way (ich sag’s nur, weil Markus meinte, er erarbeitet sich gerade erst die liberale Tradition, und die startete halt schon 1799 mit seiner Schrift „Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern“ – kleiner Tipp). Theologen von unabhängigen Ausbildungsstätten, die das nicht ernst nehmen (und noch nicht mal verstehen), will ich definitiv nicht auf der Kanzel sehen.

    Aber ich ringe immer gerne mit konservativen Geschwistern in meiner Kirche. Nur so kommen wir ins nächste Jahrhundert. 😉

    So viel erstmal. Ich muss noch mal mehr nachdenken…

    Lieben Gruß von Ina

    • Ina Ina

      P.S. @Markus

      Ich habe den Eindruck, dass viele Konservative etwas unter liberaler Theologie verstehen, was man eher als Kulturprotestantismus bezeichnen muss. Das ist nicht das gleiche.

      Liberale Theologie ist älter, siehe Schleiermacher. Er hat auf die „gefühlsmäßige“ Evidenz des persönlichen Glaubens verwiesen, bevor die klassischen Erweckungsbewegungen in die Vollen gingen und lange bevor es den Begriff „charismatisch“ überhaupt gab. 😉

    • Markus Markus

      Hallo Ina, ich bin offen gesagt fest überzeugt, dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen dem Verdunsten der Spiritualität (Seelsorge, Gebet, …) und der liberalen Theologie. Das mag bei den Postevangelikalen weniger der Fall sein, weil die das von früher her noch kennen und oft auch schätzen gelernt haben. Aber in meiner Kirche sehe ich diesen Zusammenhang ganz deutlich, wenn ich mich in den konservativen und liberalen Gemeinden so umschaue. Dass das ganze Drama mit Schleiermacher begann habe ich auch erst vor einiger Zeit gelernt (ich bin ja kein theologischer Profi) und z.B. in meinem Artikel zur Kreuzestheologie erwähnt (http://blog.aigg.de/?p=3887). Findest Du wirklich, dass man das wissen muss, um ernst genommen werden zu können? Und findest Du wirklich, dass Schleiermacher in unserer Kirche als theologische Autorität für alle gesetzt sein muss?

      • Naive Zwischenfrage, lieber Markus: Was genau meinst Du denn mit „die liberale Theologie“?

        • Markus Markus

          Es ist natürlich schwierig, den Begriff der „liberalen Theologie“ zu definieren. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten ist der Begriff sehr zerfleddert. Jemand hat mal versucht, die liberale Theologie als Schule zu definieren, die in etwa das vertritt, was die Theologen Schleiermacher, Troeltsch und Bultmann gemeinsam haben. Wobei ich dann wieder gelernt habe, Bultmann sei Offenbarungstheologe und nicht klassisch „liberal“… Wie auch immer: In meinem Artikel „Stolz und Vorurteil? Wie wissenschaftlich ist die Bibelwissenschaft?“ (http://blog.aigg.de/?p=3940) hab ich mal den theologischen Klassiker Conzelmann & Lindemann aus Sicht eines Naturwissenschaftlers analysiert. Eine solche Theologie, die per Definition Wunder, Offenbarung und alles Übernatürliche als unwissenschaftlich ablehnt und die das Selbstzeugnis der biblischen Autoren für nicht vertrauenswürdig hält und damit auch deren Aussageabsicht nicht ernst nimmt, ist für mich liberale Theologie.

          • Kathi Kathi

            @Markus

            Ich glaube, das, was Du beschreibst, diese „liberale Theologie“, das Ablehnen von übernatürlichen Ereignissen – das ist in der Tat ein Problem in der evangelischen Landeskirche. Der Vater einer (atheistischen) Freundin von mit ist Pfarrer. Er glaubt noch nicht mal das Jesus geheilt hat, er glaubt, dass die Leute alle psychosomatische Krankheiten hatten, die dann durch den Placeboeffekt weggingen. Er glaubt sicherlich auch nicht an eine leibliche Auferstehung. Für ihn ist Jesus nur so eine Art moralischer Lehrer. Und dadurch hat er es leider auch seiner Tochter sehr schwer gemacht, Zugang zum Glauben an Gott zu finden. Wenn ich mit ihr über Glauben rede, erzählt sie mir nämlich immer „Mein Vater sieht das so…und der ist Pfarrer, der kennt sich aus…“.

            Aber das ist – soweit ich das aus eigener Erfahrung sagen kann – keine Problematik bei Postevangelikalen oder der emergenten Bewegung.

            Freikirchen sind sehr stark durch amerikanische Theologie beeinflusst. Das heißt, je nachdem, wo wir herkommen, haben wir eher Probleme mit dem Wohlstandsevangelium oder calvinistischen Lehren und einer gewissen Engstirnigkeit und mit einem Schwarz-Weiß-Denken.

            Ich gebe mal ein paar Beispiele aus meiner Gemeindezeit, wo ich gemerkt habe, ich habe ein anderes Bibelverständnis als mein Pastor/Person XY aus meiner Gemeinde:

            Einmal sagte mein Pastor „Der Teufel hat die Dinosaurierknochen vergraben.“ Er meinte es ernst. Er glaubt nicht an Dinosaurier.

            Ein andermal sollte ich Kindergottesdienst vorbereiten und mit den Kindern die Schöpfungsgeschichte durchgehen. Meine Leiterin hat mir Material gegeben, da war u.A. ein Quiz dabei mit der Frage „Was ist Evolution?“. Die richtige Antwort wäre gewesen: „Eine Lehre des Satans.“ Dazu stand dann noch mehr, nämlich, dass Naturwissenschaftler Instrumente des Teufels sind. Ich hab das Material weggeschmissen und mein eigenes Ding gemacht.

            Diesselbe Leiterin bei einem Teamtreffen: „Wir müssen den Kindern christliche Werte beibringen, z.B., dass man kein Harry Potter liest.“ Ich – absoluter Harry Potter Fan, außerdem fallen mir wichtigere Werte ein.

            Ein Mädchen aus meiner Jugendgruppe durfte keine weltliche Musik hören. Ihre Eltern meinten, das käme vom Teufel. Sie durfte nur christliche Musik hören.

            In einer anderen Gemeinde, in der ich kurz war, durften Frauen nichts leiten, keines der Serviceteams, keinen Hauskreis, keinen Lobpreis, durften auch kein Abendmahl verteilen. Der amerikanische Pastor dort nutzte das Voreheseminar, um bei meinem Mann Wahlkampf für Trump zu machen. Er verbreitete ganz gemeine Artikel über Clinton auf Facebook. Er nutzte die Seite der Gemeinde um Artikel aus christlichen Blogs zu teilen, die stark von amerikanischen rechten Ideologien geprägt waren.

            Im Frauenhauskreis musste ich lich verteidigen, dass ich zum Fastnachtsumzug gehe (politische Fastnacht in Rheinhessen), denn das käme ja auch vom Teufel.

            Also, das ist eher mein Problem, das ständig Sachen verteufelt werden. Und wenn man das dann macht, dann lädt man quasi Dämonen ein und lässt sich von Dämonen gefangen nehmen. Mit so einem Schwachsinn plage ich mich rum. Und vor allem damit, wie gerne Christen andere Menschen verleumden, wenn sie ihnen unterstellen, sie kämen vom Teufel. Ganz beliebt ist es ja auch, andere Kirchen zu verteufeln, v.A. die katholische Kirche. Ich will nicht wissen wie viele Menschen vielleicht schon gegen den Heiligen Geist gelästert haben, indem sie ihre Brüder und Schwestern als Satansanbeter oder Instrumente Satans bezeichnet haben. Das passiert nämlich viel zu oft.

          • Markus Markus

            @ Kathi
            Das ist ja gruselig, was Du da berichtest. So eine Wissenschaftsfeindlichkeit und Dämonenfixierung ist in der Tat schlimm. Ich kann verstehen, dass Dir das sehr zu schaffen macht. Aber andererseits kann ich nicht bestätigen, dass diese Skepsis gegenüber dem Übernatürlichen bei Postevangelikalen oder Progressiven kein Thema wäre. Zumindest fiel mir das bei der Analyse der Worthausvorträge auf, die ja bei den Postevangelikalen sehr beliebt sind. Z.B. der Vortrag von Prof. Schreiber über den „historischen Jesus“ enthält m.E. genau das gleiche Gedankengut. (Falls es Dich interessiert: In diesem Artikel habe ich das dokumentiert: http://blog.aigg.de/?p=3940) Und ich nehme wahr, dass Skepsis gegenüber Wundern als historische Ereignisse wie z.B. die Jungfrauengeburt auch sonst durchaus nicht selten sind und sogar ein Anlass dafür, warum man den evangelikalen Glauben hinter sich gelassen hat. Ist sicher nicht bei allen so, ich kann auch nicht einschätzen, wie weit das verbreitet ist. Aber vorhanden ist es definitiv.

          • Kathi Kathi

            @Markus

            Ich kann jetzt nicht für andere sprechen, aber ich persönlich kenne gar nicht alle Worthaus-Vorträge. Ich höre.mir nur die an, die ich interessant finde und wenn ich merke, dass ich was langweilig finde, dann hör ich mir das gar nicht an und viele Worthaus-Beiträge find ich ehrlich gesagt etwas dröge. Ich höre mir gerne die Beiträge von Prof. Zimmer an, was wahrscheinlich auch damit zusammenhängt, dass er frei spricht und nicht vom Skript liest. Ich find das angenehmer. Ich weiß nicht, ob sich alle, die gerne Worthaus mögen auch immer jeden Vortrag anhören…Du hast jetzt alle analysiert, aber so geht ja nicht jemand an die Sache ran, der sich nur gezielt das herauspickt, was er spannend findet.

            Also, wenn ich über mich spreche, ich habe absolut kein Problem mit dem Übernatürlichen. Die Jungfrauengeburt ist für mich indiskutabel. Das ist Bestandteil des Glsubensbekenntnisses. Und ich sehe keinen Grund darin, warum ich an etwas anderes glauben müsste. Allerdings ist die Verbindung bei Matthäus mit der Immanuel-Prophezeiung unsinnig und an den Haaren herbeigezogen, der Matthäus hätte mal einen Hermeneutik-Kurs besuchen sollen. Aber, dass ich glaube, dass diese Verbindung schräg ist und dass ich keine messianische Prophezeiung in dieser Geschichte im AT sehe und dass ich glaube, dass der Immanuel damals nicht von einer Jungfrau, sondern von einer jungen Frau geboren wurde und der Matthäus die Septuaginta gelesen hat und etwas verwirrt war als er nach irgendeiner Prophezeiung gesucht hat, die dadurch erfüllt wurde – das ändert nichts an der Geschichte von dieser wundersamen Geburt. Das nehme ich einfach so hin wie es beschrieben wird. Es macht für mich auch Sinn, dass wenn Gott Mensch wird, das nicht einfach ein Kind von einem Mann und einer Frau sein kann, denn das wäre ja einfach irgendein neuer Mensch. Aber ich glaube ja, dass Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch war. Da muss mehr dahinter stecken.

            Aber ich ziehe da eine Grenze, wo wirklich alles darauf hindeutet, dass es eben anders ist als die Bibel zu sagen scheint. Zum Beispiel bei der Frage wie alt die Erde ist und welche Form die Erde hat und wie der Mensch enstanden ist.

            Mein Vater hat z.B. einen Freund, der ist Flacherdler und der geht meinem Vater damit total auf die Nerven. Sagt „Du musst an die flache Erde glauben, das steht so in der Bibel! Sonst bist du ein schlechter Christ!“. Und der ist eigentlich für meinem Vater immer wie ein Bruder gewesen, aber wegen diesem Schwachsinn ist das jetzt ganz schön schwer geworden.

            Oder halt eben, wenn man schief angeguckt wird, weil man die Wissenschaftler ernst nimmt und halt eben nicht alles wortwörtlich und historisch sieht in der Schöpfungsgeschichte. Das geht mir tierisch auf den Keks.

            Dazu kommt, dass meine Schwiegermutter Amerikanerin ist und da kommt jetzt noch der ganze Schwachsinn mit Prämillenialismus und Prätribulationismus und Entrückung und der Furcht vor der Eine-Welt-Regierung hinzu. Es ist soweit, dass meine Schwiegermutter an die Illuminaten glaubt, weil irgendso ein messianisch-jüdischer Prophet davon erzählt hat.

            Ich habe ein Jahr in einer amerikanisch-deutschen Gemeinde verbracht und es hat mich geistig ausgelaugt. In der Zeit haben mich Worthaus-Beiträge und Sachen wie Hossa-Talk einigermaßen über Wasser gehalten, weil ich so frustriert war mit den Leuten um mich herum (meine Schwiegermutter und ihre Verschwörungstheorien, die Leute in der Gemeinde…).

            Vielleicht ist nicht alles gut bei Worthaus, da werden auch Fehler dabei sein, aber ich finde es super, dass es das gibt. Als Ausgleich für den ganzen Müll auf Youtube, der von anderen Christen produziert wird, wo es nur um Verschwörungen und Endzeit geht und was vom Teufel ist und so. Der Youtube-Kanal „The Vigilant Christian“ zum Beispiel hat eine halbe Millionen Subscriber und besteht zum Großteil aus sowas. Ein deutscher Kanal, der mir Sorgen bereitet, wäre z.B. „Endzeitreporter McM“ mit knapp 60.000 Abonnenten oder „Nature23“ mit knapp 15.000 Abonnenten. Und dahinter stehen wirklich unbiblische Lehren und soweit ich weiß auch Sekten. Dadurch wird vielmehr Schaden angerichtet, wenn Leute sich das reinziehen.

          • Markus Markus

            @Kathi

            Puh, Du hast ja mit Typen zu tun. Flacherdler und Endzeit-Verschwörungstheoretiker. Gruselig. Die Internetseiten, die Du da nennst, kenne ich nicht. Deine Schilderungen ermutigen mich nicht, das zu ändern. Also ich hoffe, Du wirfst mich nicht mit solchen Leuten in einen Topf.

          • Kathi Kathi

            @Markus

            Nein, keine Sorge. Ich wollte nur sagen, dass man es als Christ, je nachdem welchen Hintergrund man hat, mit unterschiedlichen Problematiken zu tun hat.
            Der Grund, warum ich mich dem Postevangelikalen angenähert hab und warum ich Worthaus so sehr mag (obwohl ich immer noch in meine Gemeinde gehe und mitmache, ich denke, dass ist sehr wichtig), ist, dass ich manchmal einen intellektuellen Input brauche. Ich finde es trotzdem wichtig, die Sachen dann immer nochmal durchzudenken und zu überprüfen. Kritisch denken ist immer wichtig, aber das gilt halt auch für Dinge, die ich mal in der Gemeinde gelernt habe.

            Ich glaube meine Lieblingsvorträge von Worthaus sind die von Prof. Zimmer zur Schöpfung und zum Sündenfall, auch besonders der zur Schlange. Ich finde das nicht schlimm, dass mal gesagt wird, dass die Schlange eben nicht der Teufel ist. Diese Interpretation können wir ja nur machen, weil wir die Offenbarung haben und der Teufel dort als alte Schlange bezeichnet wird. Und überhaupt haben Christen zum Teufel komische Vorstellungen entwickelt, z.B. dass er mal Luzifer hieß. Da hat irgendein Kirchenvater gemeint, diese alttestamentarische Warnung an den König von Babylon beziehe sich eigentlich auf einen gefallenen Engel und seitdem scheint das jetzt Standard zu sein. Und dann kommt mal in einer katholischen Ostermesse des Vatikans das Wort „Lucifer“ vor und die Endzeit-Verschwörer flippen aus und sehen das als Zeichen dafür, dass der Vatikan den Teufel anbetet oder sowas.

            Da kann es schon helfen, wenn man manchmal das, was man schon gelernt hat, beiseite legt und unvereingenommen an eine Textstelle rangeht.

          • Markus Markus

            @ Kathi

            Da stimme ich Dir im Prinzip schon zu, v.a. was diesen Verschwörungsblödsinn angeht. Aber zum einen finde ich auch hervorragende intellektuelle Quellen außerhalb von Worthaus (kennst Du z.B. meinen Lieblingstheologen Prof. Armin Baum? Er hat vor einiger Zeit einen sehr guten wissenschaftlichen Beitrag über einen Vortrag von S. Zimmer verfasst: https://www.weisses-kreuz.de/dynamo/files/user_uploads/mediathek/Weitere/WKExtra_Zimmer_Ehe.pdf). Und zweitens habe ich – meine ich – in meinen Artikeln nachgewiesen, dass die Worthaus Referenten eben gerade nicht unvoreingenommen an die Bibelstellen herangehen sondern immer wieder den in der liberalen Theologie gängigen Denkmustern folgen, die ich persönlich in Bezug auf die Bibel für schlicht und einfach inadäquat halte (der Artikel wurde im Talk auch erwähnt: http://blog.aigg.de/?p=3940).

          • Kathi Kathi

            @Markus

            Man muss immer alles kritisch hinterfragen. Ich nehme auch nicht alles, was Prof. Zimmer behauptet als Tatsachen. Bei manchem muss man dann schon selber nochmal nachforschen.

            Der Artikel hat natürlich ein heikles Thema und auch da muss ich sagen, dass ich zwar auch eine einigermaßen konservative Sexualethik vertrete, aber das Problem eher darin sehe, wie das v.A. in Jugendgruppen gelehrt wird und verstehe, warum man es dann kritisiert. So, mal wieder, wie ich das erlebt habe: Im Konfi-Unterricht wurde uns gesagt „Sex gehört in den schützenden Rahmen der Ehe“, aber wo ist denn bitteschön heutzutage die Ehe ein schützender Rahmen? Eher muss man die Ehe schützen, da würde ich fast eher sagen, dass die Ehe in den schützenden Rahmen eines guten Verantwortungsbewusstseins gehört, dass einem anerzogen werden muss. Da nützt es einem auch nix, wenn man bis zur Ehe gewartet hat, wenn man dann nach zwei Jahren von seinem Partner die Schnauze voll hat und beim ersten großen Streit das Handtuch wirft. Die Scheidungsrate ist auch unter Christen enorm hoch.

            Dann später kamen die Kuchenallegorien oder Weihnachtsgeschenkallegorien.Sex ist wie ein Kuchen, jedesmal, wenn man mit jemandem schläft gibt man ein Stück Kuchen weg und am Ende bleibt nur noch eine vollgekrümmelte Kuchenplatte übrig, die man dann seinem Ehepartner, wenn man endlich heiratet, übergeben kann. Oder: vorehelicher Sex ist wie wenn man sein Weihnachtsgeschenk im Schrank der Eltern findet und schon auspackt und damit spielt. An Weihnachten macht es dann keinen Spaß mehr.

            Irgendwas läuft schief. Ich würde eher an das Verantwortungsbewusstsein appellieren als irgendwelche Geschichten über Kuchenstücke zu erfinden. Ich weiß auch, dass Freunde von mir damals, die eben schon sexuelle Erfahrungen gemacht haben, sich ganz mies gefühlt haben, als ob sie jetzt nichts mehr wert sind (eben nur noch krümmelige Kuchenplatten). Man muss auch beachten, dass man nicht wissen kann, wer da in der Jugendgruppe sitzt, der vielleicht sexuelle Gewalt erlebt hat und solche Vergleiche sind dann vielleicht total destruktiv. Man muss da ein bisschen sensibler an die Sache rangehen.

          • Katja Katja

            @Kathi und Markus,
            zum Thema „Sex vor der Ehe“ empfehle ich den Hossa-Talk #61 Freddi entdeckt den Sex. Da hab ich einige Ideen zum Weiter-Durchdenken bekommen. Den Artikel von Dr. Baum habe ich auch gelesen und gute Aspekte drin gefunden, v.a. weil ich bei Herrn Zimmers Vortrag mir schon dachte (nach dem, was ich so über die Antike im Hinterkopf hatte), dass das mit dem „in der Antike gabs keine Jugend“ nicht so stimmt (siehe auch den Wibilex-Artikel zu „Jugend AT“: https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/jugend-at/ch/8288a446599b38b1fd114f5984b3ad42/)
            Katja

          • Kathi Kathi

            @Katja

            Wobei Jugend in der Antike schon anders war, aber es kommt auch auf die Gegend an. Also in Griechenland gab es ja die Tradition vor der Hochzeit die Puppen zu verbrennen, also war da der Übergang von Kindheit zum Erwachsensein schon relativ fließend. Abgesehen davon durfte man das Haus nicht verlassen außer bei religiösen Festen. Aber das war so bei den Griechen, bei den Römern war es wieder anders. Und bei den Israeliten wahrscheinlich auch. Aber die griechischen Mädchen mussten schon jung heiraten.

          • Katja Katja

            @Kathi
            Danke für deine Ergänzungen!! Ich hatte beim Hören von Herrn Zimmers Vortrag den Eindruck, er baut seine ganze Argumentation auf den Thesen auf, dass es in der (gesamten) Antike (und zwar überall) kein Konzept von Jugend (und auch keine Begriffe dafür) gab und dass grundsätzlich Kinder (v.a. Mädchen) kurz nach oder sogar vor der Geschlechtsreife verheiratet wurden. Und das fand ich zu undifferenziert. Und es hat mich sehr gewundert, weil er ja sonst so großen Wert darauf legt, dass man differenziert arbeitet. Who knows? Vielleicht habe ich mich verhört…

      • Peter Peter

        @Markus
        „Und zweitens habe ich – meine ich – in meinen Artikeln nachgewiesen, dass die Worthaus Referenten eben gerade nicht unvoreingenommen an die Bibelstellen herangehen sondern immer wieder den in der liberalen Theologie gängigen Denkmustern folgen…“

        Siehst Du, das ist das, was ich meine. Du sagst, dass andere voreingenommen sind. Etwas, was ich als „Progressiver“ sogar in gewisser Weise bestätigen würde, weil ich der Meinung bin, dass wir alle die Bibel durch unsere persönliche Brille lesen.
        Das Problem ist, dass Du offensichtlich davon ausgehst, dass Du ihm Gegensatz zu Zimmer völlig unvoreingenommen an die Bibel rangehst. Das ist aber falsch – auch Du liest die Bibel durch Deine persönliche Brille, die vor allem durch Deine Prägung und Erfahrung gefärbt ist. Als Ergebnis tust Du so, als ob Deine Deutung der Bibel die einzig mögliche Deutung ist, während die Deutung der Anderen falsch, ketzerisch, heuchlerisch whatever ist. Hinzu kommt, dass Du beispielsweise Zimmer als Anhänger der liberalen Theologie einordnest – was Zimmer ganz sicher nicht gerecht wird.

        • Markus Markus

          Lieber Peter, Du hast recht, natürlich hat JEDER eine Brille auf beim Bibellesen. Auch ich habe Prägungen, Erfahrungen und dazu hermeneutische Grundentscheidungen getroffen, wenn ich die Bibel lese. Allerdings glaube ich tatsächlich, dass mein entscheidendes hermenutisches Prinzip sehr einfach ist: Die Bibel muss sich selbst auslegen. Wir brauchen immer die ganze Schrift, um einzelne Bibelstellen richtig zu verstehen. Dadurch behält die Schrift aus meiner Sicht ihre höchste Autorität. Das macht meine Bibelauslegung natürlich nicht unfehlbar, überhaupt nicht. Ich erkenne nur undeutlich wie durch einen Spiegel. Aber ich glaube, wir sind näher an der befreienden Wahrheit des Evangeliums dran, wenn wir der Schrift die höchste Autorität geben als wenn wir unseren Verstand oder die Wissenschaft oder naturalistische Einflüsse oder sonstiges außerbiblisches Gedankengut zum Richter über richtig und falsch in der Bibel machen. Falls es Dich interessiert: Hier habe ich meine Sichtweise zur Bibel genauer erläutert: http://blog.aigg.de/?p=203

          • Ich halte das für einen Trugschluss. Wenn Bibelstelle y mir Bibelstelle x erklären soll, muss ich Bibelstelle y schon verstehen, wofür ich Bibelstelle z schon verstehen müsste usw

            einText kann nie alleine selbst sagen, was er bedeutet. Das hängt immer ganz entscheidend von den Fragen ab, die wir an den Text stellen etc

          • Peter Peter

            Und schon wieder stellst Du Deine Bibelauslegung als besser oder „näher dran“ dar. Geh doch mal davon aus, dass Progressive die Bibel mindestens genauso ernst nehmen wie Du. Und wenn ich mir anschaue, wie viel Schaden Teile der konservativen Theologie schon angerichtet haben, dann finde ich das diese Annahme, dass das Konservative näher an Gott dran ist, geradezu grotesk. Das ist genau der blinde Fleck von dem ich sprach. Konservative Theologie kann ganz schön toxisch sein – zum Beispiel in Bezug auf den Umgang mit Schwulen und Lesben. So oft wird die Reinhaltung der Lehre über das Wohlergehen von Menschen gestellt. Da krieg ich einen Föhn.

          • Markus Markus

            @Peter: Ich hab den Spiegel, Du den Föhn, das passt doch… 🙂 O.K. Scherz beiseite. Es stimmt: Konservative Theologie kann toxisch sein, wenn ihr Herz und Geist fehlt, wenn sie nur Buchstabe, nur verkopfte Erkenntnis ist und nicht die Weite einer befreienden Liebesbeziehung zum himmlischen Vater atmet. Aber das ist m.E. kein Problem der Bibel sondern unseres menschlichen Stolzes. Steht auch in meinem Artikel zum Bibelverständnis…

          • ein Mensch ein Mensch

            Auf deinen Kommentar hier und unten. Und Konservative tragen keine äusseren Einflüsse bei der Bibellektüre mit rein? Dann müssten in den Gemeinden heute noch die Frauen getrennt und mit Kopftuch sitzen. Und Männer dürften keine langen Haare tragen.
            . Also der Verstand darf und wird von Konservativen auch benutzt.
            Natürlich trägt man seine Vorstellungen über eine christliche Kultur n den Text heran und liest das als Bedtätigung wieder heraus. Z.B. die Sexualethik, die gab es kulturübergreifend schon immer immer irgendwie und dann findet man zur Bestätigung natürlich auch die richtigen Bibelstellen.
            Und meinst du nicht , dass auch liberale Theologie durchaus den befreienden Geist einer himmlischen Beziehung und Befreiung atmen kann?

          • Chris Chris

            @Markus,

            deine Sichtweise zur Bibel habe ich zwar nicht gelesen, aber ich denke, dass das von dir verwendete Wort „SICHTWEISE“, genau richtig gewählt ist!

            Ich frage mich manchmal, wieso wir Gläubigen so extrem unterschiedliche Sichtweisen entwickeln können, wo wir doch alle den gleichen Geist der Wahrheit in uns haben.
            Gottes Plan scheint nicht zu sein, dass wir alle den gleichen Blickwinkel, nicht die gleichen Erkenntnisse erhalten.
            Das Bild vom Leib Christi beschreibt die verschiedenen Glieder aus meiner Sicht so, dass diese auch als Bild für die verschiedenen Sichtweisen dienen können.

            Dass du dir so viel Mühe machst und dir Zeit für Antworten nimmst, finde ich bockstark!

            Die Auseinandersetzung und den Austausch finde ich hervorragend und wichtig.

            So habe ich auch den aktuellen Talk mit Siggi Zimmer gehört und die Kommentare dazu gelesen.

            Beim Blick auf diese Auseinandersetzung wünsche ich uns allen das Bewusstsein, dass die Wahrheit nur in Jesus zu finden ist. Da der Geist der Wahrheit uns Gläubigen aber offenbar jeweils verschiedene Gedanken, Erkenntnisse und Sichtweisen aufschließt – man könnte auch sagen „schenkt“ oder „zumutet“ – halte ich es für extrem wichtig, dass wir alle den Blick auf das richten, was uns verbindet, damit uns nicht trennt, was uns unterscheidet!!

            Ich habe das Gefühl, dass wir alle viel zu oft „Rechthaben“ mit „Wahrheit“ verwechseln!

            Und dabei entsteht folgendes Problem: „Rechthaben“ führt dazu, dass Zimmer und Till sich voneinander entfernen, dass sie nicht unterscheiden, sondern trennen. Trennung führt beispielsweise dazu, dass sie sich nicht an einen Tisch setzen und womöglich nicht gemeinsam das Abendmahl zu sich nehmen…
            „Wahrheit“ hingegen führt nicht dazu, dass sich Zimmer und Till entfernen. Wahrheit verbindet! Wahrheit würde Trennung in Verbindung wandeln! Daher bin ich mir sicher, dass Wahrheit nicht dem einen oder dem anderen Theologen oder bestimmten Gläubigen gehört, sondern beim Blick auf Jesus zu finden ist!

            Beim Blick auf Jesus, bzw. beim Blick auf die Wahrheit, entsteht also Verbindung, welche Till und Zimmer an einen gemeinsamen Tisch bringen möchte. Ob die beiden Herren dort ein Bier trinken oder direkt Abendmahl feiern würden, das kann ich nicht beurteilen, aber sie würden sicherlich über Unterschiede reden und nicht Trennung produzieren!

            Daher denke ich, dass im „Rechthaben“ nichts geistliches zu finden ist – nichts was einen Menschen voran bringt, nichts Erbauliches. Und bei aller Wertschätzung für Diskussion und Auseinandersetzung, empfehle ich uns deshalb allen sehr, dass wir uns immer einer Sache bewusst sind:
            Rechthaben ist etwas für wenige – Wahrheit hingegen ist für alle da!!

            Rechthaberei kommt vom Menschen, Wahrheit aber kommt von Gott!

            Dementsprechend wünsche ich uns allen, dass wir die verschiedenen Sichtweisen nicht in den Vordergrund rücken und uns nicht einbilden darin die Wahrheit zu sehen. Sondern ich möchte uns ermutigen, dass wir unseren Blick (aus den unterschiedlichen Blickwinkeln) auf den richten, der von sich selbst sagt, dass er die Wahrheit ist – Jesus!!!

      • Kathi Kathi

        @Katja

        Es war schon verallgemeinernd. Über Jugend in der Antike kann man Bücher schreiben. Aber ich glaube, man kann schon sagen, dass vorehelicher Sex in der Antike eher etwas war, wozu junge Männer die Gelegenheit hatten. Bordelle waren auch nicht versteckelt in den Seitengassen. Ich glaube, es war in Ephesus, das Bordell war gleich neben dem Stadttor.
        In Rom war es für Mädchen evtl. etwas anders, weil Frauen dort etwas emanzipierter waren. Deshalb auch der berüchtigte Vers im Römerbrief, der wohl auch auf lesbische Beziehungen hinweist. Ich denke, dass Paulus da auf die Orgien in Patrizierkreisen anspielt. Seneca hat darüber berichtet und der war nun mal Zeitgenosse von Paulus – da kriegt man einen guten Eindruck zumindest von dem, was so in Rom abging. Also, römische Frauen konnten Affären haben, für griechische dürfte es schwierig gewesen sein, weil man halt immer im Haus blieb. Muss ein langweiliges Dasein gewesen sein. Auch da bekommt der Satz „Männer, liebt eure Frauen.“ nochmal ein anderes Gewicht.

  2. Gabi Müller Gabi Müller

    Lieber Jay und lieber Gofi, ich mag die Art, wie ihr die Themen angeht, sie auf links dreht und von allen Seiten beleuchtet. So möchte ich auch über den Glauben reden und nicht in einem Tonfall und einer Sprache, die ich sonst nicht benutze. Sicher ist eure derbe Ausdrucksweise nicht jedermanns/Frau Sache, aber ich kenne kaum jemanden, der sich so intensiv und offen mit dem christlichen Glauben auseinandersetzt. Ihr schreckt vor nichts zurück ohne polemisch zu werden. Diese Art der Auseinandersetzung brauchen wir in unseren Gemeinden. Jesus hat nicht gesagt: ihr sollt immer recht haben, sondern folgt meinem Beispiel. Er hat Einheit vorgelebt und nicht dogmatische Spaltung. Darum zu ringen und liebend auf Menschen zu zugehen, sollte uns wichtiger sein, als anderen „unsere Wahrheit“ über zu stülpen. Da bin ich ganz bei Gofi, selbstkritisch und demütig zu realisieren, dass ich die Wahrheit nicht besitze (steht auch schon in der Bibel, dass unser Wissen Stückwerk ist) und immer dazu lerne, gerade, wenn ich mir die Beweggründe für andere Meinungen anhöre. Soweit erstmal, ich wünsche euch alles Gute und Shalom und uns noch viele Hossatalks!

  3. Gabi Müller Gabi Müller

    Sorry, mein Kommentar bezieht sich auf den letzten Talk zum Thema Einheit.;)

  4. toblog toblog

    Zum Sühnetodproblem stelle ich unter dem Titel „Kann Gott bedingunglos vergeben? – Der Begriff vom stellvertretenden Sühnetod ist missverständlich“ einen systematischen Ansatz zur Lösung dieses theologischen Problems vor. Dieser Ansatz ist in der Lage, einerseits die Sühne, Erlassung und Tilgung von Schuld für uns zu behalten und gleichzeitig mit der Vorstellung aufzuräumen, dass Gott Blut sehen muss, um vergeben zu können. Ich bin hier auf eine Spur gekommen, indem ich der Frage nachgegangen bin: Wie hat Jesus eigentlich unsere Schuld wieder losbekommen? Wenn man das Kreuz und die Kreuzestheologie nur auf den Aspekt der Sündenvergebung reduziert, springt man m. E. viel zu kurz. Es ist ein tiefgehenderes, radikaleres Erlösungswerk notwendig. Und dessen Basis und Quelle ist durch Kreuz und Auferstehung auch erfolgreich gelegt worden. http://churchinbalance.de/kann-gott-bedingungslos-vergeben/

  5. Christa Christa

    Vielen Dank für diesen gehaltvollen Talk. Viele meiner Ängste und Unsicherheiten wurden durch Marcus benannt und durch Euch aufgelöst. (z. B. sitzt die Angst auf einen Irrweg zu geraten weil ich die Bibel eben nicht mehr so verstehe wie man es mich in der charismatischen Gemeinde gelehrt hat ect. ect. )
    Aber Eure Argumente haben mich wirklich überzeugt. Und ich freue mich immer wieder über Euer aufrichtiges Ringen um die Wahrheit.

  6. Dam Dam

    Super sympathischer Gesprächspartner. Ihr alle 3 sehr vorbildlich!

    Ich musste daran denken, dass die Vorliebe für eine „Glaubenstradition/Lesart“ wahrscheinlich auch sehr stark von der Persönlichkeit abhängt. Was brauche ich?

    Ich z.B. brauche insgesamt sehr wenig Regeln und Regelmäßigkeit in meinen Alltag (Essenszeiten, Abendroutine, Reihenfolgen z.B. im Haushalt,…), an der Arbeit macht es mir nichts aus in hochgradigen Unsicherheitssituationen zu arbeiten, bei Freundschaften sehe ich manche regelmäßiger andere nicht so, usw… und entsprechend brauche ich mit Blick auf den Glauben wenige/keine Dogmen (nenne ich es jetzt mal), keine Grenzziehung.
    Ich kenne andere, die ohne ihre Morgenroutine oder typischen Tagesablauf völlig neben der Spur sind. Entsprechend braucht diese Person auch einen anderen Weg zu glauben.

    Bringt neben dem von Jay angerissenen Thema der gefühlten Zugehörigkeit zu einer zeitlichen Strömung (genannt wurde Postmoderne) noch mal den psychologischen Aspekt rein.

    Dazu ein Talk wäre auch noch mal Spannend. Das bekannteste wäre wohl sich dem Thema über das Enneagram zu nähern, kenne ich jetzt aber nicht genauer .

  7. elbenfrau elbenfrau

    Hi… schön, dieser Punkt, dass wir uns alle in der Defensive befinden, Marcus vom liberalen Mainstream und Jay und Gofi sogar soweit, dass eine Trennung vom evangelikalen Mainstream nötig wurde, damit sie wieder Luft zum Selberglauben kriegten.

    @Marcus, du bekommt es allerdings hin, in deiner Kirche sehr frei und doch mit viel Rückhalt deiner Getreuen deine Position zu leben. Was ich gut finde und dir gönne. Aber das ist schon ein Unterschied zu den Erfahrungen der meisten Postevangelikalen. Es gibt in Freikirchen doch meistens die Entscheidung zwischen „Schweig einfach zu deinen abweichenden Glaubensmeinungen“ und „Wenn du nicht schweigst, bist du eben weg“. Die Glaubenswächter sind auf der Hut. Bis hin zu diesen Irrlehrejägern. Das hast du in der Zeit, in der du dich mit Charismatischen Erfahrungen beschäftigt hast, gut mitgekriegt, oder?

    Mein Wunsch an euch wäre schon, nicht gleich die Bruderschaft aufzukündigen, wenn jemand nicht mehr so bibeltreu glauben kann. Das Abendmahl erst mal theologisch durchzuforsten, bevor man es zusammen nehmen kann, ist auf jeden Fall wirklich komisch. Jesus hat seinen hingebungsvollsten Jüngern zugemutet, es zusammen mit Judas, der damals schon beschlossen hatte, zum Verräter zu werden, zu nehmen. Und ein Thomas war sowieso dabei, und Jesus wußte bei allen, wie sie wirklich innerlich zu ihm standen, incl. alle Schattenseiten.

    In meiner evangelikalen End-Phase machten mir meine „thomashaften“ Anteile richtig zu schaffen und andere hatten noch mal mehr Probleme damit. Doch ich habe herausgefunden, dass es sogar meinen Glauben stärkt, wenn die Zweiflerin in mir auch Heimat findet und einen Gott, der sich Lehrer und sogar Freund nennt, und mit dem ich über all das Seltsame und sogar Verstörende, was ich nicht zusammenkriege, ohne Angst reden kann. Und zwar auf Grund dessen, dass er mich dazu einläd. Es ist für mich eigentlich sogar ein Ort, an dem ich Gott noch stärker gefunden habe, als die Zeiten, in mir sich manche Fragen noch gar nicht stellten.

    Ich befürchte, dass ein dominanter Umgang mit Zweiflern (mundtot machen), Ängste schüren) und der Umgang mit den eigenen Zweifeln oft der selbe ist, und dass es kein gesunder Umgang ist, sondern dass man eher dann zu dem Schluss kommt, ok,für mich gehts nicht ohne Zweifel. Dann muss ich wohl irgendwann alles aufgeben. Weil ich mich nicht länger verbiegen kann, ohne daran kaputt zu gehen.

    Nun hast du dich aber als ziemlich netter Mensch erwiesen und vielleicht will dir ja Jesus etwas mehr über deine Geschwister auf der Postevangelikalen Ebene beibringen. Vielleicht, dass wir nicht die „alles egal Typen“ sind, die sich eben nicht festlegen wollen, oder dem Zeitgeist gefallen wollen. Und dass wahrscheinlich die meisten von uns theologisch ziemlich weit von diesem verkopften Liberalismus entfernt sind, der Dir in der evangelischen Kirche so viele Bedenken macht. Wir wollen ja Jesus/ Gott verstehen und bei ihm bleiben. Weil er uns mega-wichtig ist.

    Vielleicht erlaubt uns aber der Zeitgeist, uns mal endlich zu erkennen zu geben, und trotzdem nicht gleich in die Nichtchrist-Schublade einsortiert zu werden (wo wir uns auch nicht daheim fühlen). Das ist ein positiver Aspekt der heutigen Zeit, die natürlich auch negative Aspekte hat.

    @Gofi, bei deiner Anmerkung musste ich sooo grinsen: „Ladet uns bitte nicht in konservative Gruppen ein“. Ihr lasst euch ja schon grillen.. mehr muß es ganz bestimmt echt nicht sein.

    Ich würde einen Talk mögen über ZusammenARBEIT von unterschiedlichen Christen… wie schafft man es, sozusagen am Reich Gottes mitzuarbeiten, obwohl man in vielem nicht einer Meinung ist. Geht das? Gibt es Sichtweisen, die es leichter machen? Hab letztens den Film „Come Sunday“ gesehen, in dem ein Pastor nach einer kurzen aber heftigen Glaubenskrise vom eifrigen Seelenretter zum einem Anhänger der Allversöhnung wurde. Auf NETFLIX.!!! sogar der Zeitgeist beschäftigt sich inzwischen mit theologischen Fragen … und da kamen auch viele Fragen in mir auf. Gott lässt ja anscheinend schon sehr viele unterschiedliche Bibelauslegungen zu. In beiden Phasen war der Pastor absolut aufrichtig und ernsthaft und auch sehr liebevoll… in beiden hat er Gutes getan, gebetet, gedient. Ich dachte, könnte man sich darauf einigen, dass man Fragen offen und ehrlich als ungeklärt bezeichnet, würde sich auf dieser Welt noch massenhaft Zeug zu tun finden.

    LG, die elbenfrau

    • Markus Markus

      Vielen Dank für Deine Rückmeldung. Dass Leute wie ihr nicht die “alles egal Typen” seid habe ich ja schon im Talk hoffentlich deutlich gemacht. Und keine Sorge: In einer evangelischen Kirchengemeinde – auch in meiner – wäre es völlig unmöglich, ein einheitliches theologisches Denken jedem Mitglied vorzuschreiben. Da sind wir auch sehr gelassen, auch bei Mitarbeitern. Aber als Gemeinde brauchen wir insgesamt trotzdem eine Ausrichtung. Wenn auch in der Leitung jeder auf ein anderes Tor zielt können wir kein Spiel gewinnen. Genau das beobachte ich in vielen Gemeinden: Viel Frust, weil es keine gemeinsame Begeisterung für ein gemeinsames Ziel mehr gibt, weil man sich nicht einmal mehr über minimale Glaubenskernpunkte einig ist. Meist wird darüber nicht gestritten sondern die Leute stimmen einfach mit den Füßen ab und verlassen die Gemeinden. Daher mein Votum: Lieber leidenschaftliche Richtungsgemeinden bauen mit einer klaren Ausrichtung, die sich gegenseitig respektieren und frei geben, eigene Wege zu gehen. Und da höre ich aber viele Stimmen von Evangelikalen, die sagen: In den meisten evangelischen Gemeinden gibt es keinen wirklichen Raum mehr, evangelikale Frömmigkeit nach kräften zu fördern, weil die Gemeindeleitung das nicht nur nicht unterstützt sondern mehr oder weniger dagegen ist. Meine Situation ist also wirklich eine Ausnahme. Und wie gesagt: Ist ja auch kein Wunder, wenn sämtliche Ausbildungsstätten für die Leiter ausschließlich liberal geprägt sind. Schade.

    • Britta Britta

      Danke(!!), liebe Elbenfrau,
      für die Erinnerung daran, dass Jesus mit Verräter, Verleugner, Zweifeler und Feiglingen Abendmahl gefeiert hat, die alle noch ein völlig schräges Bild von ihm im Hirn hatten!
      Aber sie wollten IHN und mit ihm feiern, sie liebten ihn auf ihre „schräge“, sehr durchwachsene Art und Weise. Und Jesus wollte die Gemeinschaft mit ihnen!

      @ Markus: Dich auf den Richter-Platz zu stellen und zu jemandem quasi zu sagen:
      „So feiere ich nicht mit dir Abendmahl! (Weil du nicht das Richtige glaubst)“, halte ich ehrlich gesagt für eine ungeheure Anmaßung, zumal du ja überhaupt nicht in einen Menschen hineinschauen/geschweige denn sein Herz erkennen kannst!

      Und nach den Worten von Jesus in Matth.7, dass wir nicht richten sollen, weil wir mit demselben Gericht rechnen müssen und am Ende auf einmal selber die Verurteilten sein könnten, ist das sogar ziemlich „riskant“ – für DICH, nicht für den „Ausgeschlossenen“!…
      An der Stelle hab ICH „Schnappatmung“ gekriegt – oder war das ein Witz, den ich nicht kapiert habe?
      Was passiert denn eigentlich deiner Meinung nach mit Menschen, die nicht so richtig glauben wie du? Und was wäre, wenn dir tatsächlich eines Tages aufgehen würde, dass dein bisheriger „Glaube“ (Ich würde eher sagen „Denke“, denn der wahre Glaube stekct m.E. Viel tiefer) mehr auf Missverständnissen basierte als auf der göttlichen Wahrheit!
      (Du:„Oh, dann habe ich anscheindend 40 Jahre lang falsch Abendmahl gefeiert“ – oder so ähnlich) Was wäre, wenn es tatsächlich so wäre?
      Glaubst du an einen Gott, der damit klar kommt und dessen Barmherzigkeit größer ist?
      Und machst du das Theologie-Ding, weil es dir Freude macht, dich in diese Ansichten hinein zu fressen und zu denken, im dunklen Berg nach Edelsteinen und Gold zu graben; Weisheit zu suchen?
      Oder machst du das letztlich doch nur aus Angst, sonst auf der falschen Seite zu landen und doch noch deine Strafe selber tragen zu müssen?

      Entschuldige, sonst reagiere ich ja nicht so scharf… Aber da mache ich mir gerade tatsächlich eher „Sorgen“ um dich als um andere Sucher, die zu ihren Zweifeln stehen und zu unbeantworteten Fragen und dem großen Geheimnis des großen Gottes und Hirten ja sagen können.

      Bitte verstehe mich nicht falsch!
      Ich denke, du hast eine tiefe Liebe und Begeisterung für Jesus und eine große Ernsthaftigkeit im Glauben und in der Verantwortung, die du für deine „Schäfchen“ siehst! Und ich frage mich, ob Jesus dich vielleicht in deiner zweiten Lebenshälfte zu ein bisschen mehr heiterer Gelassenheit einlädt, weill er und sein Vater ja auch noch da sind? Und ihre Sicht und ihr Herz möglicherweise noch etwas weiter und nicht enger sind als unsere…

      Hach, was könnten wir mit all der Zeit anfangen, die wir sparen würden, wenn wir nicht kommentieren müssten ; ))
      So, ich mach jetzt was anderes ; )
      In Jesus verbunden!!
      Britta

      • Markus Markus

        @ Britta, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, Deine Gedanken aufzuschreiben. Das gibt mir Gelegenheit, kurz 2 Missverständnisse zu klären:
        – Natürlich feiere ich mit massenhaft Leuten Abendmahl, bei denen ich überhaupt nicht weiß, was ihre Motivation ist. Das ist gerade in meiner evangelischen Kirchengemeinde ja gar nicht zu vermeiden. Aber wenn jemand vorne steht und sein Abendmahlsverständnis in einer ausführlichen Lehre erklärt und ich erkenne, dass es da um Kern um etwas ganz anderes geht als bei meinem Abendmahlsverständnis, dann finde ich es nicht anmaßend sondern ganz einfach ehrlich und authentisch, wenn wir dann diese Differenz voreinander eingestehen und sagen: Dann sollten wir das nicht übertünchen, indem wir äußerlich so tun, als wären wir gleich unterwegs. Das ist zumindest meine Meinung.
        – Was mit Menschen passiert, die ein anderes Bibelverständnis haben als ich? Wie gut, dass ich das nicht beantworten muss. Denn Gott ist ja der Richter, nicht ich. Ich kann die Menschen also getrost in seine gnädige Hand legen. Aber ich finde, dieses richtige Argument sollte nicht dazu führen, dass man sagt, es ist völlig egal, was jemand glaubt und alles ist gleich richtig. Zumindest glaube ich nicht, dass diese Haltung mit dem NT vereinbar ist. Paulus konnte z.B. äußerst unangenehm werden, wenn er den Eindruck bekam, dass das Evangelium verändert wird. Ich bin sicher, dass es ihm dabei nicht um Angst ging sondern um den tiefen Wunsch, dass die Menschen mit der freimachenden Wahrheit in Berührung kommen statt mit einer kraftlosen Fälschung. Ich finde es wichtig, gemeinsam darum zu ringen, dass wir diese Wahrheit miteinander immer mehr entdecken, statt zu sagen, es ist alles egal und jeder kann einfach glauben was er will.
        Ich hoffe, ich hab Dir mit dieser Antwort nicht wieder Zeit geklaut… 🙂

        • Wenn wir unterschiedliche Auslegungen etc nebeneinander stehen lassen, heißt das doch nicht, dass wir es für egal erklären, was wir glauben und dass alles gleich richtig sei. Es bedeutet lediglich, dass wir die Begrenztheit unserer Erkenntnis eingestehen.

          Ich würde Dürr w aber auf jeden Fall zustimmen, dass wir – gerade dafür – Differenzen auch klar benennen müssen (so lange das nicht das erste und einzige Gesprächsthema bleibt).

          Das Problem sind dann eher die unterschiedlichen Prioritäten. Ich könnte vermutlich am Ende damit leben, wenn jemand aufgrund des Abendmahlverständnisses kein gemeinsames Abendmahl mit mir feiert. das liegt aber einfach daran, dass diese Praxis für mein Leben einfach keinen so hohen Stellenwert hat wie für andere Menschen.

          Die Crux ist doch, dass alle sagen, die „Kernpunkte“ müssen stimmen (das wiederholst Du im Talk ja häufig), dass Christen aber z. T. unterschiedliche Auffassungen haben können, was überhaupt Kernpunkte sind, was sie konkret bedeuten und was überhaupt einen Kernpunkt zu einem Kernpunkt macht.

        • Britta Britta

          Nein, DU klaust mir ja nicht meine Zeit! Die „klaue“ ich mir schon fleißig selber ; ) Das war ein lahmer Witz, weil ich an der Stelle wieder gemerkt habe, wie schnell die Zeit beim Formulieren vergeht…
          Und nochmal: Danke, dass du dir Zeit zum Antworten nimmst!

          – Zu Punkt 2: Da bin ich froh, dass du das jüngste Gericht einem größeren Richter überlässt und um Seine Gnade weißt!
          Und ich gebe dir Recht, dass es gut ist, sich seiner Positionen bewusst zu werden, und wo geht das besser als im Gespräch mit anderen!
          Dass ich das aus bestimmten Gründen nicht gut gelernt habe, erst seit ein paar Jahren damit angefangen habe und immer noch gerne harmonisieren, zudecken möchte, ist mein „Ding“… da kriege ich immer noch ganz schnell die Krise, wenn es sich irgendwo für mich zu spannend anfühlt… Ich muss auch immer noch die Augen und Ohren zuhalten oder aufs Klo, wenn es im Film zu spannend wird ?
          – zu Punkt 1. Was ich bei deiner Aussage zu Zimmers Abendmahl-Vortrag gehört habe, war eher, dass du mit ihm danach nicht zusammen das Abendmahl gefeiert hättest. Überhört habe ich eher, dass du mit ihm gesprochen hättest.
          Ich habe mir den Vortrag auch nochmal angehört.
          Ich vermute, wir haben auf allen Seiten vom Pferd so unsere „allergischen“ Reaktionen… Deine war in diesem Fall vielleicht das Fehlen von Aussagen, dir für dich in eine Predigt zum Abendmahl einfach dazugehören, zumal du ein „Jüngerschafts-Prediger“ bist.
          Zimmer ist bei seinem Vortrag sicher davon ausgegangen, dass die allermeisten seiner Zuhörer das, was immer dazu gesagt wird, in- und auswendig kennen. Er provoziert gerne und bringt in seinen bibelwissenschaftlichen Ausführungen oft das Unerwartete! Das Unbekannte. Das macht es ja gerade so interessant!

          Was er immer wieder mal nebenbei in seinen Vorträgen fallenlässt, ist, dass auch er eine Beute dieses Jesus von Nazareth ist. Er liebt Jesus!
          Und er „glaubt nicht“ an das Kreuz oder an die Bibel, sondern an Jesus Christus und an einen hingebungsvollen, zugewandten Gott! Ich auch!

          Das Kreuz und das Abendmahl sind in erster Linie Zeichen, Bilder, die auf etwas unendlich(!) viel Größeres hinwiesen, das wir diesseits der Ewigkeit noch gar nicht wirklich erfassen können! Dieses Geheimnis dürfen wir versuchen ein wenig zu lüften und zu erklären, sollten uns allerdings nicht anmaßen, DIE richtige Auslegung /Deutung zu kennen und anders Denkende danach einzuteilen.
          Wenn jemand das Abendmahl – dieses göttliche Geheimnis in ganz alltäglichen, überlebenswichtigen Zeichen – mit Jesus feiern möchte, wie kann es dann sein, dass er dazu erst noch befragt werden muss? Jesus will!

          Mal angenommen, Herr Zimmer hätte in deiner Gemeinde gesprochen (ich weiß, dass du ihn sicher nicht einladen würdest, aber mal angenommen, man hätte vermutet, dass er das Thema anders betrachtet), und anschließend sollte Abendmahl gefeiert werden. Hättest du ihn tatsächlich vorher noch zur Rede gestellt und ggf. gebeten, woanders zu feiern??
          Nachdem er das mit den Sündern und Versagern so deutlich gemacht hat?
          Und einfach begeistert ist von der Menschenliebe Jesu bzw. Gottes?
          Festzustellen, dass uns andere Schwerpunkte wichtig sind, ist die eine Seite…

          • Gofi Gofi

            „Der Tod Jesu darf nicht ZUERST und einseitig als „sacrifice“ interpretiert, sondern muss ZUNÄCHST als „victim“ ernst genommen werden. (…) Besonders verfehlt ist es, den Tod Jesu als ein Opfer (sacrifice) zu deuten, DAS DER SOHN SEINEM VATER BRINGT. Als ob Gott ein Menschenopfer gebraucht oder verlangt hätte als Ausgleich für die Sünden der Menschheit. Als ob der „Zorn Gottes“ nur durch das unschuldige Opfer seines Sohnes besänftigt werden könnte.“ Hervorhebungen von mir. Zimmers Position ist differenzierter, als du es ihm unterstellst, Markus. Aus diesen Sätzen lässt sich nicht ableiten, dass er das sacrifice Jesu an und für sich ablehnt, sondern er lehnt die Vorstellung ab, dass Gott ein Menschenopfer benötigt hat, um vergebn zu können. Damit lehnt er das Sühneopfer Jesu nicht an sich ab, sondern eine ganz bestimmte Interpretation, nämlich die von Anselm von Canterbury. (Satisfaktion durch stellvertretende Bestrafung Jesu durch Gott.) Und wenn du behauptest, dass die anselmische Interpretation die einzig legtime oder mögliche Interpretation des Sühnetodes Jesu ist, liegst du schlicht und einfach falsch.

          • Yep.
            Markus, ich finde auch, du liest in Zimmers Statement das rein, was du von ihm erwartest. Ich bin da bei Gofi. Deine Rezeption ist schon sehr einseitig.
            LG,
            Der Jay

          • Markus Markus

            Lieber Gofi, lieber Jay,
            ich muss euch kurz ein kleines Déjà Vu erzählen, das ich in den letzten Monaten so oft erlebt habe: Praktisch immer, wenn ich einen Theologen damit konfrontiert habe, dass seine Aussage m.E. nicht zur biblischen Botschaft passt, wurde ich mit 2 Aussagen ausgekontert:
            1. Du hast die Aussage nicht richtig verstanden.
            2. Deine Position entspricht der Position des Theologen XY (den ich zumeist kaum kannte), und die ist ja höchstens eine unter vielen möglichen Positionen.

            Daher zuerst einmal: Ich habe in meinem Leben noch nie etwas von Anselm von Canterbury gelesen. Deshalb kann ich auch seine Theologie nicht verteidigen geschweige denn behaupten, dass sie die einzig richtige wäre. Bei John Stott habe ich gelesen, dass er sich vom Genugtuungs-Verständnis Anselms distanziert, weil dieses „an einen Feudalherrn erinnert, der Ehre fordert und Unehrerbietigkeit bestraft“ (siehe Anhang 39 in meinem Kreuz-Artikel, in dem erläutert wird, warum J. Stott Anselms Sichtweise ablehnt aber trotzdem mahnt, die theologischen Begriffe „Genugtuung“ und „Stellvertretung“ unter keinen Umständen aufzugeben).

            Aber jetzt zu S. Zimmer: Seine starke Betonung von „Victim“ passt zu seiner Überzeugung, dass Jesus frühestens in Jerusalem zu der Überzeugung gelangte, dass sein Tod offenbar unausweichlich sei. Das steht aber im vollständigen Gegensatz zu den vielfachen biblischen Aussagen, dass der Kreuzestod ein aktiver Hingabeakt war, den Gott vorausgesagt und von langer Hand geplant hatte (siehe dazu der „Bibelstellenstapel“ im Anhang 23 meines Artikels). Jesus war eben gerade nicht ein Justizopfer. Er musste nicht wegen den bösen Römern/Priestern sterben sondern wegen der Sünde der Menschheit, auf die es keine andere rettende Antwort gibt als das stellvertretende Leiden des Gotteslamms.

            In meinem Artikel habe ich versucht herauszuarbeiten: Der entscheidende Knackpunkt in der Diskussion um das Sühneopfer liegt in der Frage, ob das Kreuz nicht nur für uns Menschen notwendig war, sondern eben auch, um dem heiligen Charakter Gottes Genüge zu tun. Hier positioniert sich Zimmer klar und eindeutig (und übrigens fast wortgleich wie Breuer und Härle): „Als ob Gott ein Menschenopfer gebraucht oder verlangt hätte als Ausgleich für die Sünden der Menschheit. Als ob der „Zorn Gottes“ nur durch das unschuldige Opfer seines Sohnes besänftigt werden könnte.“ Und da lese ich eben vielfach in der Bibel: Doch! Genau darum geht es! Das unschuldige Opfer des Gottessohns als Ausgleich (Loskauf) für die Sünden der Menschen und als einziger Weg zur Versöhnung mit einem Gott, der in seinem ganzen Wesen Liebe ist und deshalb zwangsläufig auch zornig ist über unser zutiefst menschenfeindliches Verhalten. Und ich stimme der Diagnose von J. Stott zu, dass die weit verbreitete Seichtigkeit und fehlende Gottesfurcht in der westlichen Kirche die direkte Folge einer Theologie ist, die Gottes Zorn ignoriert.

            Also ich finde es ja schön, dass ihr, die ihr das stellvertretende Sühneopfer ausdrücklich ablehnt, nun den Glauben Siegfried Zimmers an das Sühneopfer verteidigt. Aber seid ihr euch sicher, dass ihr da nicht einseitig etwas in Zimmers Aussage hineinlest? 😉

          • Katja Katja

            Lieber Markus,
            hierzu ein paar Überlegungen von mir: ich bin mit dieser Sühneopfertheologie, mit dem Ernstnehmen von Gottes Zorn aufgewachsen. Für mich war das immer das Normalste von der Welt und völlig einleuchtend. Ich habe nie eine alternative Deutung des Kreuzestodes gekannt – und deshalb auch im Lichte dieser Sühneopfertheologie alle möglichen Bibelstellen, die man damit in Zusammenhang bringen kann, verstanden. Ich frage mich: Wäre ich mit einer anderen Theologie aufgewachsen (à la Zimmer, Breuer, Härle u.v.a) – wie hätte ich dann alle diese Bibelstellen gelesen?
            Ich erinnere mich an einen für mich entscheidenden Weihnachtsgottesdienst, in dem die Pfarrerin über das große Geschenk der Menschwerdung Gottes predigte und ihre Predigt mit der „frohmachenden“ Botschaft für uns Sünder beendete, dass Gott seinen Sohn geopfert hat, weil er uns (andere) Kinder so sehr liebt (aber gerecht ist und zornig auf die Sünden) und wir nur durch die Opferung wieder in Gemeinschaft mit ihm kommen können.
            Für mich war diese Aussage ja eigentlich immer Standard und unhinterfragt logisch. Als ich das an diesem Weihnachtsabend hörte, hat sich in mir alles zusammengezogen, mir lief ein Schauer über den Rücken und mich hat das erste Mal Entsetzen über diese Grausamkeit Gottes gepackt. Ich bin weinend aus dem Gottesdienst gegangen und es war das schrecklichste Weihnachtsfest, das ich jemals erlebt habe. Danach hatte ich ernsthaft vor, Atheistin zu werden. Stell dir das vor: Jemand geht in einen Weihnachtsgottesdienst und anstatt erfüllt von Gottes Liebe wieder herauszukommen, ist er drauf und dran, den Glauben hinzuschmeißen. Und DAS ist die frohe Botschaft?
            Ich habe den Eindruck, bei dieser Pfarrerin hieß es nicht: Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn gab… Sondern: Also war Gott zornig auf die Sünden der Welt, dass er seinen Sohn gab, damit er grausam sterben musste.
            Ich habe noch keine abschließende Antwort auf die Frage gefunden, warum Jesus sterben musste, aber mich hat dieses Weihnachtserlebnis tief getroffen und ich glaube nicht, dass es mich umsonst getroffen hat.

          • Markus Markus

            @ Katja Hm, das tut mir leid. Ich kenne natürlich nicht den Wortlaut der Predigt. Für mich liegt das Problem immer darin, wenn man nicht genügend betont, dass Jesus ja Gott ist. Das heißt: Er nimmt selbst diese Strafe auf sich. Ich finde das gewaltig, tröstlich, befreiend. Im Ernst: Es rührt mich immer wieder zu Tränen. Und ein wenig schocken soll uns diese Botschaft ja tatsächlich. Denn die Grausamkeit des Kreuzes ist ja nur Abbild für das Grauen der menschlichen Sünde. Darüber zu erschrecken ist doch eigentlich ganz gesund. Es ist doch wie bei der Sünderin, die Jesus mit ihren Tränen die Füße wusch: Je mehr wir begreifen, wie groß die Vergebung ist, umso größer wird die Liebe und Leidenschaft für Jesus. Anders gesagt: Solange wir noch nicht erschrocken sind über die Größe unserer Schuld, solange ist Vergebung und Gnade billig und lässt unseren Glauben lau und unseren Jubel über unsere Erlösung leise bleiben. Für mich ist das der Hauptgrund, warum unsere Gottesdienste meist so trocken, freudlos und zäh sind und warum die Kirche keine Ausstrahlung hat. Nietzsche hat gesagt: „“Die Christen müssten mir erlöster aussehen. Bessere Lieder müssten sie mir singen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte.“ Ich wünsche mir von Herzen, dass der Jubel der Erlösten wieder erklingt in unserem Land. Und dafür dürfen wir die Größe unserer Schuld nicht verdrängen sondern neu staunen lernen über die Höhe des Preises, den Jesus für unsere Rettung bezahlt hat.

          • Katja Katja

            @ Markus
            Hmm. Also da muss ich mal tief Luft holen…
            Ich bin in einer Gemeinde – Landeskirche mit pietistisch-erwecklichem Einschlag – aufgewachsen, in der genau das, was Du sagst, im Zentrum stand: Dass wir die Größe der Schuld auf keinen Fall verdrängen dürfen und dass es von entscheidender Wichtigkeit ist, immer wieder über diese Schuld zu erschrecken und sich das Grauen dieser Schuld vor Augen zu halten, damit wir die Erlösung auch WIRKLICH annehmen uns von Herzen freuen können. Und alle haben immer darüber gesprochen, wie super erlöst sie doch sind… Diese Weihnachtspredigt (dann in einer anderen Landeskirchengemeinde) hat dann nochmal einen drauf gesetzt mit dieser Trennung von Gott und Jesus (nicht mehr eine Person, sondern der Sohn als das eine Kind, was stellvertretend für die anderen Kinder stirbt).
            Genau dieses Denken hat bei mir dazu geführt, dass ich immer weniger dazu fähig war, Gottes Liebe zu sehen und anzunehmen (war ich doch so eine furchtbare Sünderin, deren Sünde Jesus ans Kreuz gebracht hat und die Gottes Zorn verdient hat) und schlussendlich auch nicht mehr in der Lage war, mein Leben zu bestreiten, weil mich dieses Denken so klein, wertlos und böse gemacht hat, dass ich darüber verkümmert bin. Nach einem Zusammenbruch habe ich nur durch säkulare und buddhistische Impulse begonnen zu lernen, Liebe anzunehmen und auch mich selbst. Und ich entdecke gerade erst und ganz neu (zB durch Worthaus oder HossaTalk), dass es auch im christlichen Glauben möglich ist, Liebe zu denken, anzunehmen und ein Gefühl von Selbstwert zu entwickeln und denken zu dürfen, dass ich auch gute Seiten habe. Und dass das von Gott gewollt ist. Und dass es existenziell wichtig ist, dass es die Liebe Gottes ist, die mich in seine Arme zieht, und die schon da war ALS ICH NOCH SÜNDER WAR und es nicht das Grauen meiner Sünde ist, das mich in Gottes Arme zwingt, weil mir sonst als Unerlöste die Hölle droht und ich ewig von Gottes Liebe abgeschnitten bleibe.
            Also: Es ist toll, dass Du das alles für Dich so stimmig annehmen kannst, aber ich wünsche Dir sehr, dass du lernst, nachzuvollziehen, dass das Denken, was für Dich stimmig ist, nicht für jeden Menschen auf dieselbe Weise heilsam ist und dass es durchaus heilsamer sein kann, anders zu denken.
            Katja

          • Kathi Kathi

            @Katja

            Ich versteh Dich da, mir geht es da auch so. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich auch denke, dass in der Bibel wesentlich weniger von individueller Schuld die Rede ist als vielmehr von einer Gefangenheit durch die Sünde, von der wir befreit worden sind. Jesus hat durch seinen Tod die Macht des Todes und der Sünde selbst vernichtet. Er hat uns dort freigekauft und kann uns jetzt an sich heranziehen.

            Es wird immer auf der Postmoderne herumgehackt, aber jetzt will ich mal sagen: dieses individualistische Denken, die persönliche, einzelne Schuld des Menschen hervorzuheben – das ist ein Konzept aus der Moderne. Ist hier aber auch problematisch.

            Was mich an der Sühneopfertheologie auch etwas stört ist danb der Aspekt, dass das angenommen werden muss oder dass es nur für die Auserwählten gilt (ist ja eine calvinistische Lehre, also begrenzte Sühne, nicht unbegrenzt). Weil, wenn Gott einfach für alle individuellen Schulden bezahlt – dann müsste ja eigentlich keiner mehr in die Hölle. Aber ich glaube, weil es eben um etwas komplizierteres geht, ist es auch so wichtig sich damit zu vereinigen. Deswegen müssen wir in der Taufe mit Jesus sterben und auferstehen und ein neuer Mensch werden.

          • Markus Markus

            @ Katja, hm, ich frag mich wirklich, was da schief gelaufen ist. In unserem Glaubenskurs betonen wir genau die Dinge, die ich geschrieben habe. Wir erleben, dass es die Menschen frei macht und ihnen Würde verleiht. Dass es die Tür zur befreienden Gnade öffnet, die uns aus Leistungsdruck befreit und von dem Drang, uns durch eigene Erfolge eine Identität bauen zu müssen, weil Gott uns eine wunderbare Identität als Königskinder schenkt. Ich wünsche Dir Gottes Segen für Deinen Weg und dass Du IHM in seiner unfassbaren Gnade und Liebe immer tiefer begegnen kannst.

          • Katja Katja

            Lieber Markus,
            ich kann dir recht genau sagen, was da schief gelaufen ist: Dass eine Gemeinde eine bestimmte Theologie vertreten hat und die als die einzig richtige angesehen wurde und niemand im Blick hatte, dass eine Gemeinde aus verschiedenen Menschen mit unterschiedlichen Charakteren, Prägungen, Lebensfragen und wunden Punkten besteht, denen Gott auf unterschiedliche Weise begegnen kann und die an verschiedenen Stellen Gottes heilende Kraft brauchen. (Gott sei Dank ist diese Gemeinde mittlerweile etwas offener und es gibt viele Mitglieder, die sich inspirieren lassen von anderen – ebenfalls Evangelikalen – die ihre Schwerpunkte im Glauben anders setzen).
            Gerade bei den überlieferten Abendmahlsworten in der Bibel wird mir deutlich, dass Gott unterschiedliche Perspektiven der Menschen „gelten lässt“. Die Synoptiker und Paulus hatten ja ganz offenbar unterschiedliche Schwerpunkte im Abendmahlsverständnis. Oder stell dir mal vor, jemand liest nur das Johannesevangelium, kommt zum lebendigen Glauben an Gott und da stehen überhaupt keine Einsetzungsworte (und ich glaube, auch kein Abendmahl)… Jesus hat an seinem letzten Lebens-Abend mit Menschen Abendmahl gefeiert, von denen er wusste, dass sie ihn vorsätzlich verraten oder aus Feigheit verleumden werden oder von denen er ahnen konnte („Bin ich es etwa??“), das sie wegrennen. Und dann gibt es Christen, die mit anderen Christen kein Abendmahl feiern wollen, weil sie der Meinung sind, die hätten ein falsches Abendmahlsverständnis. Ich finde das nicht Jesus-mäßig.
            Ich kann nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die die Lehre, die ihr in euren Glaubenskursen weitergebt, hilfreich und für sich heilsam finden. Und dass es wichtig ist, etwas zu haben, wo man sagen kann „Das ist einfach klar so“. Aber meine Lebens-Erfahrung zeigt mir, dass es fatal ist, wenn man daraus ableitet, dass es für alle Menschen gleichsam gut und richtig sein muss.
            Ich habe viel Leid und Schmerzen erfahren, dadurch, dass ich mein Leben durch eine für mich un-heil-volle Theologie an die Wand gefahren habe und ich denke, dass es noch etliche Jahre dauern wird, bis ich die großen Brocken einigermaßen aufgearbeitet habe. Aber ich erfahre dadurch, dass ich mich neu aufstellen lassen muss, sehr viel mehr Glaubensfreiheit und Tiefgang und es tut mir so gut, bei Worthaus zu hören und hier bei HossaTalk von so unterschiedlichen Menschen zu lesen, wie sie glauben und Glaubensthemen verstehen, weil das meinen Horizont weitet (Danke an alle hier, v.a. Britta, Ina, Kathi und Christa)
            Zum Thema „Worthaus ist ein Spaltpilz“ will ich noch sagen, dass du dir vielleicht bewusst werden solltest, dass „deine“ Kirche, wie du sie nennst, auch nur entstanden ist, weil es vor 500 Jahren einen Spaltpilz gab, der alle möglichen theologischen Traditionen auf den Kopf gestellt hat. Und ich frage mich, warum es nicht sein darf, dass der Grundsatz heute noch gilt „ecclesia semper reformanda“ – so wie auch wir Menschen uns unserer geschöpflichen Unvollkommenheit immer wieder bewusst werden sollten und uns hinterfragen und offen sein sollten für Gottes Veränderungen.
            Und ich sehe das nicht so, dass Kirchen/Bewegungen/Gemeinden, die sich von der Universitätstheologie inspirieren lassen, nicht wachsen. Ich sehe, dass Worthaus immer mehr Zuhörer und Teilnehmer hat und dass HossaTalk immer mehr Leute hören. Als ich auf Worthaus gestoßen bin, habe ich ein bisschen im Internet recherchiert, was es wohl damit auf sich hat und ich habe evangelikal-konservative Statements dazu gelesen, die es als Bedrohung empfinden, dass die Postevangelikale Bewegung jetzt auch in die evangelikalen Kreise schwappt und immer mehr Evangelikale sich davon anstecken lassen. Das nenn ich mal Gemeindewachstum… Und ich kenne auch sehr konservative, bibeltreue Kreise (@ein Mensch: ja, es gibt Gemeinden, wo Männer und Frauen getrennt sind, Frauen nicht leiten und predigen dürfen, Kopfbedeckungen und Röcke tragen müssen und Männer keine langen Haare haben dürfen, weil NUR das biblisch ist), die u.a. die wachsende postevangelikale Bewegung/Gemeinschaft als ein deutliches Zeichen der Endzeit interpretieren, weil in der Endzeit immer mehr Leute verführt werden und nur die richtig standhaften Bibeltreuen dann übrig bleiben und entrückt bzw. in den Himmel aufgenommen werden können. Also hier ist dann wieder ein Argument für die Richtigkeit der Lehre, dass es möglichst wenig Leute sind, die ihr folgen. Aber das mit dem unsicheren Maßstab „Gemeindewachstum“ kam ja hier schonmal in anderen Beiträgen vor. Meine frühere Gemeinde ist z.B. vor allem dadurch gewachsen, dass ihre Mitglieder Kinder bekommen oder „Ungläubige“ geheiratet haben…
            Und ich glaube nicht daran, dass der Himmel so funktioniert, dass wir dann alle mal gucken, wie erfolgreich unsere Theologie war, sondern dass wir alle nur noch staunen über Gottes wirkliches Wesen und uns freuen, dass wir endlich eins sind bei Gott.

          • Markus Markus

            Liebe Katja,
            danke für Deine offene Schilderung. Ich will das jetzt einfach gerne so stehen lassen und wünsche Dir von Herzen, dass Du die schmerzlichen Brocken weiter abbauen und von Herzen aufatmen kannst in Gottes liebevoller Gegenwart!

  8. ChristianSO ChristianSO

    Nach dem sensationellen Talk über Einheit, nun direkt der Talk mit praktisch gelebter Einheit. Wie cool. Bitte nachahmen da draußen.

    Genau so muss das sein, ein tolles Vorbild von beiden Seiten, nein von drei Seiten ?

  9. Zusammenbrötler Zusammenbrötler

    Die Forderung nach einheitlicherem Verhalten machen in meinen Augen keinen Sinn, wenn Markus den Kern seines Glaubens bei liberalen Theologen nicht erkennen kann. Da ist es doch nur folgerichtig: Wenn fundamental entgegenstehende Glaubenssysteme aufeinander prallen, dann geht es um einen freundlichen Dialog (wie geschehen), um sich zuhören und argumentieren – aber nicht um einen gemeinsamen Weg.
    Interessieren würde mich noch ob jemand Zahlen weiß über das Wachsen und Schrumpfen von Gemeinden und ob man daraus ableiten kann, dass liberale Theologie der Totengräber des Christentums ist.
    Ich habe im weltweiten Bereich gehört, dass die charismatischen Gemeinden stark wachsen – und die Freikirche der Methodisten ist zumindest in Deutschland erkennbar am schrumpfen (ob das mit ihrer theologischen Entwicklung zum Liberalen hin zusammenhängt weiß ich nicht)

    • Diw Frage wäre doch, ab wann man von „fundamental entgegenstehende Glaubenssystemen“ sprechen sollte.
      LG,
      Der Jay

    • Meine Frage wäre hier: Was genau sagt die Anhängerzahl denn aus? Dass es nach bestimmten Kirchen mehr Nachfrage gibt als nach anderen. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn 80 % Kirche a brauchen, kann Kirche b für mindestens 20% immer noch ein Angebot sein.

      Und wenn in hundert Jahren kein Christ mehr glaubt, was ich heute glaube / was meine Kirche heute vertritt, dann… ja, was dann? Wen juckt’s?

      🙂

      • Ich geh jetzt mal noch einen Schritt weiter: Ist das Denken in Mitgliederzahlen nicht einfach auch einfach eine undurchschaute neoliberale Denkfigur, die in die Gemeinden durchgesickert ist? „Wachstum ist gut, Stagnation oder Rückgang ist schlecht.“ Warum eigentlich? Wer sagt denn das?

        • Ina Ina

          Yess, meine Rede!
          Man darf ja nicht vergessen, dass „der deutsche Evangelikalismus“ in den 1990er Jahren amerikanisiert wurde.

          Vorher ging es in vielen Freikirchen eher um „guten alten Pietismus“ (der im 19. Jahrhundert eine Neubelebung aus verschiedenen Gründen hatte, ich sag jetzt mal platt: als Reaktion auf den offiziellen preußischen Kulturprotestantismus… Bin da aber keine Spezialistin und lasse mich gerne näher aufklären!)

          Und seither haben wir (auch international in Asien und Afrika) wachsende Gemeinden des Erweckungsevangelikalismus, der amerikanischen Ursprungs ist (und von dort seit 25-30 Jahren bezahlt wurde, hab ich selber mitgekriegt in den 90ern…).

          Calvinismus reloaded unter marktradikalen kapitalistischen Bedingungen. (In seinerkrassesten Form: Mit Jesus gelingt Dir alles – und Du wirst wohlhabend und gesund. – EIN Grund, meiner Ansicht nach, warum die so einen Erfolg in armen Ländern haben.) Dass sich das auch an marktstrategischen Planungen und Erfolgsbewertungen zeigt, ist für mich vollkommen klar.

          Die Gemeinde, in der ich als Kind noch in die Jungschar ging (neben meiner landeskirchlichen Hauptbindung) hat sich inzwischen Ende der 90er – wie viele – neu aufgestellt. Markus nannte das: moderne Formen mit traditionellen Inhalten (oder so ähnlich). Man könnte natürlich auch sagen: zeitgenössische Event- und Konsumkultur auf christlich. Hauptsache, es wuppt…

          ———————–

          @Markus
          Ich bin gerade auf dem Sprung zwischen zwei Kurzreisen und kann Dir nicht zum „Problem“ der liberalen Theologie kurz antworten. Falls ich es nicht mehr schaffe, bitte ich um Geduld. Ich sage noch was in spätestens 2-3 Tagen dazu, weil es echt wichtig ist!

          Ich wertschätze Deine Gesprächsbereitschaft und Deine Differenziertheit übrigens total! Ich sag’s nur für den Fall, dass ich meinen ersten Kommentar zu schnell rausgehauen habe und das missverständlich klang. Ich hatte ja noch geschrieben, ich muss noch weiter nachdenken. 😉

    • Kathi Kathi

      Ich glaube, die Zahl der Kirchenaustritte ist wieder zurückgegangen. Der Höhepunkt war im Jahr 1992 laut Statistiken, einen zweiten etwas niedrigeren Peak gab es 2014. Heute sind die Zahlen wieder etwas niedriger. Ich glaube nicht, dass es mit „liberaler Theologie“ zu tun hat. Die Zeiten haben sich einfach geändert, der soziale Druck ist nicht mehr da. Früher musste man zur Kirche, weil sich sonst die Leute das Maul zerrissen hätten über einen. Da ist man halt einfach zur Kirche gegangen, weil sich das so gehört. Es war also eine Sitte. Das ist es heute einfach nicht mehr, wie vieles andere auch nicht. Das ist eine generelle Entwicklung unserer Gesellschaft, hat nichts mit Theologie zu tun. Als ob sich Otto Normalverbraucher dafür interessieren täte. Der freut sich einfach, dass er sonntags ausschlafen kann.

    • Markus Markus

      Das Wachstum einer Gemeinde hängt von zahlreichen Faktoren ab. Deshalb wird man wohl nie eindeutig feststellen können, ob das Bibelverständnis Auswirkungen darauf hat, ob sie wächst oder nicht. Aber die Megatrends zeigen m.E. eindeutig, dass festes Vertrauen in die Verlässlichkeit der Bibel zwar noch lange keine Garantie für Wachstum ist aber ganz offensichtlich eine gute Voraussetzung dafür, dass Kirche nachhaltig wachsen kann. Die verschiedenen Erweckungsbewegungen von den Reformatoren bis zu den Pfingstlern haben praktisch alle der Bibel vollkommen vertraut. Wikipedia sieht es gar als grundlegendes Element von Erweckungsbewegungen an, dass konfessionelle Dogmen hinter ein „direkt aus der Bibel entnommenes Evangeliums zurücktreten“. Dazu noch ein paar Fakten:
      – Eine kanadische Studie von 2016 hat gezeigt, dass eine konservative Theologie gepaart mit innovativen Gottesdienstformen eine deutlich messbare positive Auswirkung auf das Gemeindewachstum hat. („Theology Matters: Comparing the Traits of Growing and Declining Mainline Protestant Church Attendees and Clergy, Rev Relig Res, 2016“)
      – Der Religionssoziologe Detlef Pollack hat festgestellt, dass es der evangelischen Kirche dort am besten geht, wo sie „evangelikal oder sogar fundamentalistisch“ ist. (https://www.kirche-und-leben.de/artikel/soziologe-pollack-konservative-positionen-halten-religion-lebendig/)
      – Christian Schwarz hat in seinem Buch „Natürliche Gemeindeentwicklung“ ein interessantes Ergebnis seiner systematischen Untersuchung von 45.000 Gemeinden aus der ganzen Welt präsentiert: „Das Theologiestudium hat eine stark negative Beziehung sowohl zum Wachstum als auch zur Qualität der Gemeinde.“
      Aber wie gesagt: Ich will darüber nicht streiten. Lass uns doch einfach in der Praxis schauen, was funktioniert. Wenn es liberale Gemeinden gibt, die wachsen und gedeihen, und wenn Du eine solche Gemeinde bauen willst, dann freue ich mich. Ich persönlich kenne halt kein Beispiel einer blühenden, wachsenden Gemeinde, in der die Leitung z.B. nicht von einer leiblichen Auferstehung ausgeht. Aber ich lerne gerne dazu. 🙂

      • Warum ist Wachstum denn ein entscheidendes Kriterium?

        Der Islam ist auch ziemlich lange gewachsen. Und hierzulande wächst v a die Säkularisierung.

        Ich höre von konservativer Seite entweder: wer wächst, hat recht – oder, wenn das Wachstum überhaupt nicht funktioniert, heißt es dann im Gegenteil: Geht ein durch die schmale Pforte. Dann ist gerade die Kleinheit der Gemeinschaft der Beweis, auf dem richtigen Weg zu sein.

        Merkwürdig, oder?

        • Christa Christa

          Diese Erklärmethode kenne ich auch von früher. Wurde der Hauskreis gut besucht lag das daran, dass der Mitglieder/Teilnehmer alles richtig machen und eine super Lehre, Anbetung ect. geboten wurde, quasi alles im grünen Bereich. Gab es Rückschläge und/oder die Besucherzahlen ließen nach, war der „Feind“ am Werk und damit die Ursache für die „Erfolglosigkeit“. Dass es evtl. an Ihnen oder an einer falschen Lehre, Lieblosigkeit u.ä. liegen könnte, darauf kam keiner.

  10. Britta Britta

    Markus, wie verstehst du denn den Satz von Jesus:
    „Wer mein Jünger sein will, der … nehme SEIN KREUZ auf sich und folge mir nach“?

    Der Mann, der neben Jesus gekreuzigt wurde und feststellte, dass er ganz zurecht dort hängt, der zahlt ja quasi selber und bekommt – darum?? – von Jesus die Zusage, dass er mit ihm zusammen im Paradies sein wird… Oder? Was „mach“ ich dann damit?

    • Britta Britta

      … und in Offenbarung 7 wird von der unzählbaren Menge berichtet, auch in weißen Gewändern und ohne den Zusatz, dass sie ihre Kleider im Blut des Lammes gewaschen haben -, die aus der „großen Bedrängnis“ gekommen sind (heißt: „nur“ durch diese Not hier gelandet!?).

  11. Britta Britta

    Am besten gefiel mir die Stelle, an der ihr euch alle als OPFER-TÄTER „geoutet“ habt : )
    Das ist für mich einer der Buße-/Umkehr-/Umdenk-Momente des Lebens – da kann dann wirklich Barmherzigkeit und Versöhnung losgehen!
    Danke!

    • Markus Markus

      Das freut mich. Aber Deine theologische Frage hab ich offen gesagt nicht verstanden. Inwiefern „bezahlt“ der selber? Sein Tod am Kreuz hat ihn ja nicht gerettet (genauso wenig wie den 3. Gekreuzigten) sondern seine Reue und sein Gebet.

      • Britta Britta

        Stimmt…
        Obwohl hier ja nicht gesagt wird, dass der eine gerettet wird, der andere nicht.
        – darauf schließen wir aufgrund des Gleichnisses vom nicht gerechten Pharisäer und dem gerechten, weil einsichtigen Zöllner.
        Ich bin gespannt, wie der dritte Gekreuzigte und der Pharisäer von Jesus gerettet wurde/werden ; ))
        Allerdings hast du damit noch nicht meine Frage beantwortet, was es deiner Meinung nach bedeutet, dass wir (Geretteten?) dann unser Kreuz (= „Strafe“? Konsequenzen unserer Ansichten? unserer Taten?) auf uns nehmen sollen, wenn wir Jesus nachfolgen wollen.
        Aber vielleicht gehört dieses Thema auch nicht wirklich hier dazu? Du musst auch nicht darauf antworten.

        Danke übrigens für deine intensive Beteiligung hier!
        Toll, dass du dir dafür die Zeit nimmst!
        Liebe Grüße
        Britta

        • Markus Markus

          Sehr gerne, finde ich echt spannend hier. Ja, was bedeutet es, das Kreuz auf sich zu nehmen? Das ist in der Tat eine ganz, ganz wichtige Frage. Ehrlich gesagt eigentlich mein absolutes Lieblingsthema. In dem Glaubenskurs, den ich entwickelt hab, geht ein ganzer Vortrag über diese Frage. Es würde den Rahmen hier sprengen, Dir das aufzuschreiben. In meinem Buch beschäftigt sich das 7. Kapitel „Am Scheideweg – Befreit durch das Kreuz und verwandelt durch Gnade“ genau mit dieser Frage. Falls es Dich je mal interessieren sollte: Du kannst das Buch online lesen unter http://www.aigg.de/resources/Buch+AiGG+01+2018.pdf
          Das 7. Kapitel startet auf Seite 76.

          • Britta Britta

            Vielen Dank für den Link, bin dabei, das Kapitel 7 zu lesen.
            Den Aspekt, dass mein Erkennen meines Scheiterns und meiner Sünde (für mich: Schuld, Fehl-Handlung oder Worte/Gedanken aufgrund meiner Missverständnisse) mich erst wirklich an die Gnade und das Erbarmen Gottes heranbringt und mich im Grunde auch dann erst befähigt, selber mit anderen barmherzig zu sein und aufs Steinewerfen zu verzichten (s. Jesus und die Ehebrecherin), kann ich voll nachvollziehen und unterschreiben.
            Das bedeutet für mich vielleicht am stärkesten das „mein Kreuz“ auf mich nehmen.
            Mein Wissen/Bewusstsein um meine eigene Schwachheit und Fehlbarkeit (auch die in meinen vermeintlichen Stärken!!) macht es mir erst möglich, mit Jesus zusammen auf die Menschen mit ihrer – oft viel größeren inneren – Not zuzugehen und sie mit seinen Augen anzusehen – tiefer zu blicken, so, wie ich auch den tieferen Blick Jesu erlebt habe, der eben nicht nur meine Stärken und Schwächen, sondern vielmehr meinen „Schatz im Acker“, der darunter vergraben ist, sieht: meine Sehnsucht nach Leben und Heil und Shalom – nach IHM.

  12. Kathi Kathi

    Hallo zusammen!

    Also beim Thema Sühneopfertheologie hatte ich das Gefühl, dass ein bisschen nebeneinander her geredet wurde. Es ist ein unglaublich kompliziertes Thema und im deutschsprachigen Raum sind wir da leider etwas benachteiligt, weil wir die Fachbegriffe für gewisse Lehren nicht nutzen und deshalb auch oft nicht kennen. Im englischsprachigen Raum höre ich z.B. oft Begriffe wie „penal substitutionary atonement“, aber ich kenne ehrlich gesagt nicht den deutschen Begriff dafür. Substitutionslehre wäre nämlich etwas völlig anderes. Dann gibt es noch die „ransom theory“, die ähnlich ist, aber älter und nicht 100%ig das Gleiche. Und ich glaube im deutschen Sprachraum werfen wir beides gerne in den gleichen Topf unter dem Namen „Sühneopfertheologie“, wobei man, wenn man einen evangelikalen Hintergrund hat darunter sicherlich eher „penal substitutionary atonement“ meint, weil das die Lehre ist die hauptsächlich von amerikanischen Neocalvinisten vertreten wird, die einen großen Einfluss auf Freikirchen haben, wobei die Landeskirchler vielleicht eher das Verständnis der „ransom theory“ haben, evtl. noch die Satisfaktionslehre von Anselm, aber das ist eben auch wieder was anderes.
    Die englische Wikipedia-Seite fasst alle möglichen Theorien zum Thema Sühne ganz gut zusammen: https://en.wikipedia.org/wiki/Atonement_in_Christianity und welche Richtung von welcher Kirche vertreten wird. Ich persönlich glaube an die Ransom Theory und Christus Victor, die beiden ältesten Lehren. Wichtig ist die Frage und hier bin ich mir nicht sicher, bei wem man Schulden hatte, die getilgt worden sind? Hatte ich Schulden bei Gott oder beim Teufel bzw. beim Tod? Der Sündenbock, mit dem Jesus auch immer mal gerne verglichen wird, ist ja auch kein Opfer für Gott, sondern für Asasel, einen Wüstendämon. C.S. Lewis zeigt in „Der König von Narnia“, was ja eine Allegorie ist, auch eher den Gedanken, dass Aslan (bzw. Jesus) sterben musste, um der Weißen Hexe (bzw. dem Teufel) zu geben, was ihr versprochen wurde, nicht etwa einen wütenden Gott zu beruhigen. Das ist meiner Meinung nach der Punkt, an dem sich die Geister scheiden und was auch unser Gottesbild stark betrifft. Ich persönlich kann z.B. auch nicht glauben, dass Gott so wütend war und ein blutiges Opfer brauchte, um sich zu beruhigen.
    Das finde ich naiv und zu menschlich, erinnert mich zu sehr an den Drachen, der jedes Jahr eine Jungfrau verlangt, damit er nicht alles abfackelt. Ich glaube in der Tat, dass die Schulden an den Tod gezahlt worden sind und dass Jesus durch sein Opfer den Tod besiegt hat.

    Ich glaube auch, dass Gott für uns sterben musste, um seine Liebe zu beweisen. Da muss ja etwas Handfestes dahinter sein, wenn er Liebe ist. Ein Gott kann nicht Liebe sein und sich dann aber nicht kümmern. Für mich ist das essenziell, weil die Sünde (die Trennung von Gott) letztlich nur dadurch beseitigt werden kann, dass Gott uns nah kommt und uns seine Liebe beweist. Er hatte da eigentlich die Bringschuld als Schöpfer, nicht das Geschöpf. Genauso wie eine Mutter (oder auch ein Vater) eine Verantwortung hat ihr neugeborenes Kind zu lieben und zu versorgen, weil es sonst zwangsläufig stirbt, wenn es vernachlässigt wird. Und unser Gott im Christentum ist meiner Meinung nach der einzige, der seine Schöpfung so liebt und sich so hingibt und das muss man betonen in unserer Theologie von Erlösung, dass wir einen Gott haben, der von Anfang an versprochen hat, uns zu retten und dieses Versprechen auch gehalten hat.

  13. Simone Simone

    Hallo,

    ich will nur ergänzen, dass die theologische Wissenschaft ergebnissoffen arbeitet. Durch Worthaus werden diese Ergebnisse ehrlich, lebendig und verständlich vorgetragen.
    Die theologische Wissenschaft ist weder liberal noch konservativ.
    Siegfried Zimmer gibt auch Dinge an auf die keine Antwort gefunden werden konnte und betitelt sie als Geheimnis, welches auch Gott ist.
    Interessant ist hier auch Siegfrieds Zimmers Leitbild, womit alles wichtige gesagt wäre.

    http://siegfriedzimmer.de/theologisches-leitbild/

    • Simone Simone

      Übrigens geht es mir auch so, dass ich selbst Antworten auf meine Fragen von Texten der Bibel gefunden habe noch lange bevor ich auf Worthaus im Internet stieß.
      Dass es andere, ja sogar eine Wissenschaft gibt, die diese Deutungen vertritt macht mich unheimlich glücklich und ich sehe neue Chancen die Menschen mit Gottes Liebe zu überzeugen. Im Zusammenhang mit der antiken Lebensweise machen auch endlich z.B. die Gleichnisse einen echten Sinn und können begeistern.
      Sie unterstreicht ein positives Gottesbild.

      • Simone Simone

        Ich nehme verschiedene gute Angebote ev. , katholischer oder anderer christlichen Gruppen war und hole mir verschieden Input aus dem Internet, am liebsten aber aus Vorträgen von Siggi. Trotz allem bin ich in einer evangelikalen Pfingsgemeinde integriert und auch sehr engagiert. Somit gebe ich ein gutes Beispiel und halte fest an der Hoffnung, dass Gott mich segnet.

  14. Christa Christa

    Nach diesem Talk weiß ich jedenfalls wieder ganz sicher dass ich nie wieder in eine Gemeinde möchte, in der- Gofi hat das schön gesagt- eine doppelte Botschaft verkündet (und auch gelebt) wird, nämlich dass Gott Dich genauso haben will und dich so liebt wie du bist während auf der anderen Seite Du nicht „heilig“, oder nicht schön, nicht interessant, nicht engagiert, nicht begabt ect. genug bist um überhaupt wahrgenommen, geschweige denn akzeptiert zu werden.
    Mein Selbstwertgefühl hat dadurch einen großen Schaden genommen. In der ev. Gemeinde, in der ich jetzt bin, gibt es solche Spielchen nicht. Es gibt allerdings auch wenig Verbindlichkeit. Ich möchte aber auch nicht mehr in einen Hauskreis oder so, wo wieder die Gefahr besteht, dass man von übergriffigen Leitern/Mitgliedern fertig gemacht werden könnte. Natürlich unter dem Deckmäntelchen der „Liebe“.
    Ich hoffe, das war nicht OT

    • Hey Christa, es scheint, dass du echt negative Erfahrungen mit Christen gemacht hast. Das tut mir echt leid. Einige Christen sind leider nicht so sensibel und können schon mal jemanden vor dem Kopf stoßen oder unnötig Druck ausüben. Dennoch hat mich dein Kommentar ins Nachdenken gebracht, hier ein paar generelle Anmerkungen, die nichts mit deinem konkreten Fall zu tun haben:

      Ich empfinde es als etwas gefährlich, jegliche Form von gegenseitiger Ermutigung, Ansporngeben (Lasst uns… XY) oder Interessensfragen (zB Wie geht es dir geistlich?) als „Fertigmachen“ oder mangelnde Akzeptanz zu verstehen. Wie so eine Botschaft rüberkommt hängt natürlich maßgeblich vom Taktgefühl, Timing und Kontext ab. Sie hängt aber auch vom Empfänger ab. Einige empfinden herausfordernde Predigten als Druck, andere als notwendigen Ansporn. Da spielen sicherlich eigene Dispositionen, Vorerfahrungen und Identitätsaspekte eine große Rolle.

      Ich glaube, dass viele Prediger ein gutes Herz haben, sogar die Freikirch-Fundis. Sie wollen ihre Gemeindemitglieder dazu anregen, Gott mehr zu erfahren und ihm Raum zu geben, weil sie davon überzeugt sind, dass das gut für sie ist und den Menschen gut tut. Manchmal tun sie es auch, weil sie es für ihre biblische Pflicht halten. Sie glauben, Gott hat ihnen Verantwortung für ihre Schäfchen gegeben, entsprechend handeln sie. Kaum einer macht bewusst andere Christen fertig oder empfindet sogar Freude daran.

      Ich habe über die letzten Jahre wahrgenommen, dass in Kirchen immer häufiger vor Leistungsdruck gewarnt wird. Jeglicher Imperativ gilt heute schon als gefährlich und übergriffig. Ich frage mich jedoch, ob wir nicht ins andere Extrem gerutscht sind. Die Bibel und auch Jesu Worte enthalten sowohl Indikative (Gott liebt dich, rettet dich etc.) als auch Imperative (Dient nicht 2 Herren, heiligt euch, betet ohne Unterlass, liebt einander etc.). Wie gehen wir mit letzteren um, ohne ungesunden Leistungsdruck zu erzeugen?

      • Christa Christa

        Korrektur ist wichtig, aber dann bitte gegenseitig und auf Augenhöhe. Nicht das dem einen ins persönliche Leben hineingeredet wird, der andere aber „unantastbar“ ist, weil er als „von Gott eingesetzter Leiter“ nicht kritisiert werden darf. Das alles und viel mehr in einer (ehemals großen) berliner charismatischen Gemeinde.

        • Das verstehe ich sehr gut! Solchen geistlichen Missbrauch lehne ich entschieden ab. Das scheint mir ein besonderes Phänomen in charismatischen Gemeinden zu sein, wenn auch sicherlich nicht ausschließlich nur dort. Der Glaube an von Gott eingesetzte Propheten, teils ausgestattet mit besonderen Gaben, erzeugt anscheinend die Haltung, man dürfe nichts gegen solche Propheten sagen. Das halte ich für sehr gefährlich, weil auch von Gott berufene Menschen eben Menschen sind und Fehler machen, Dinge falsch einschätzen etc.. Selbst die Propheten in der Bibel haben sich manchmal selbst ver- und geirrt und mussten von Gott zurechtgewiesen oder ermutigt werden (z.B. Elia, der glaubte, er wäre der einzig übriggebliebene Christ).

          • Christa Christa

            Danke 🙂

  15. Katja Katja

    Hallo ihr Lieben,
    vielen Dank für diesen HossaTalk! Es war mir eine große Hilfe, Markus mal live zu hören.
    Ich habe vor einiger Zeit seinen Artikel zu Worthaus gelesen und hatte – im Gegensatz zu dir, Jay – witzigerweise folgenden Eindruck: Wow – hat der die Vorträge überhaupt angehört? Und warum reißt er so vieles aus dem Zusammenhang, sodass man es nur falsch verstehen KANN?
    Ich habe nämlich so vieles ganz anders gehört und verstanden, was du, Markus kritisierst.
    Ich denke, das Schwierige bei Worthaus ist, dass man als Nicht-teilgenommen-Habender eben nur die Videos hat und nicht mitkriegt, was auf den Diskussionen bei Worthaus so alles zur Sprache kommt und wo auch Klärungen stattfinden (können). Mein Tipp für dich, Markus: Wende dich doch vertrauensvoll direkt an die Referenten, dann kannst du direkt in den Austausch gehen und möglicherweise Missverständnisse aus dem Weg räumen.
    Als ich die Vorträge von Herrn Breuer gehört hab, hab ich auch erstmal ordentlich Schwindel bekommen. Als ich mich dann nochmal genauer damit auseinandergesetzt habe, ist mir zum Beispiel bei der Sühnetodsache aufgefallen, dass es ihm in seinem Vortrag darum ging, darauf den Blick zu lenken, dass das LEBEN Jesu genauso heilsentscheidend war wie das Sterben und dass man Leben und Sterben zusammendenken muss, und nicht einseitig auf diesen Tod fixiert sein sollte. Und bei intensiveren Recherchen habe ich festgestellt: das mit dem Sühnetod ist eine ganz knifflige Angelegenheit, da muss man echt viel Hintergrundwissen aus der jüdischen Opfer- und Ritentradition mitbringen, weil nämlich Sühne bei den Juden etwas anderes bedeutet hat, als bei uns heute. Ich bin noch nicht ganz durchgestiegen, deshalb will ich dazu jetzt kein „so isses“ hier posten, aber ich empfehle euch, da mal tiefer einzusteigen und nachzuforschen, was es eigentlich mit dieser Sühne auf sich hat. Soviel hab ich glaub ich verstanden: Dass das Blut im Judentum in Verbindung mit dem Sühneritus nicht ein Symbol für den Tod und das Sterben des Opfertieres ist, sondern für das in ihm fließende Leben.
    In Sachen Auferstehung habe ich mir auch den Breuer-Vortrag öfter angehört und verstehe seine Aussagen folgendermaßen: Es geht ihm nicht darum, die Auferstehung zu negieren, sondern zu zeigen, dass nicht dieser gekreuzigte Leichnam wieder herumlief. Ich habe mir beim Bibellesen schon immer die Frage gestellt: Warum erkennt Maria Jesus nicht? Warum kann ein leiblich Auferstandener durch verschlossene Türen gehen? Warum erkennen ihn die Emmausjünger nicht? – wenn er doch der leiblich auferstandene Gekreuzigte war. Der Vortrag von Herrn Breuer hat mir geholfen, auf diese Fragen eine Antwort zu finden – nämlich, dass da, wie Herr Breuer es sagt, kein „Zombie“ vor den JüngerInnen stand, sondern NEUER Jesus, eben der Auferstandene.

    Insgesamt ist mir aus den Worthaus-Vorträgen, die ich bisher gehört habe, nicht der Eindruck entstanden, dass sie auf ganzer Linie liberale Theologen sind (sonst würden sie ja zB Jesus nur als historische Person sehen, was sie definitiv nicht tun), sondern wirklich gründlich schauen, was es an Hilfreichem in der liberalen Theologie gibt, was eben so Schwierigkeiten mit dem schweren Sühnetodbegriff o.ä. beantworten könnte, aber dass sie an einen lebendigen, persönlich erfahrbaren, auferstandenen (wenngleich auch nicht in „Zombieform“) Jesus glauben. Ich hab auch einen Vortrag gehört, in dem sich Herr Zimmer von den Liberalen direkt distanziert (ich glaube es war der über Gerechtigkeit und Liebe, den er bei bedingungs-los gehalten hat).

    Zu dem Problem mit Lukas, dem Historiker, habe ich folgende, vielleicht hilfreiche Idee für euch: Ich durfte mich einige Jahre mit griechisch-römischer antiker Literatur beschäftigen und habe daraus gelernt, dass Leute, die in der Antike Historiker oder Biographen waren, ein anderes Berufsverständnis hatten, als wir heute. Heute sind Historiker und Biographen Leute, bei denen etwas wahr und richtig ist, wenn es chronologisch richtig und faktisch nachprüfbar ist. Die Autoren der Antike haben immer aus ihrem persönlichen Blickwinkel heraus geschrieben und hatten immer eine Message, die sie durch die Art der Textanordnung oder die Darstellung des Biographierten transportieren wollten. Ich glaube, hier liegt ein Grundproblem, dass immer wieder in der Diskussion mit Bibeltreuen auftaucht: Dass die Bibeltreuen (witzigerweise) ein Fakten- und Geschichtsschreibungsverständnis haben, das total vom modernen Zeitgeist geprägt ist, das aber nicht dem der Antike entspricht und deshalb einiges verzerrt, verengt oder sie dann zu mehr oder weniger bunten Theorien greifen müssen, um die Texte in ihr Faktenverständnis hineinzupressen. Und da kann echt die Universitätstheologie helfen, dass man da einen weiteren Blick bekommt und dadurch auch viel Tiefes der biblischen Texte zum Vorschein kommt, was mit dem modernen Fakten-Verständnis gar nicht die Gelegenheit hat, sich zu entfalten.

    Das war jetzt viel… Vielleicht konnte ich euch ein bisschen weiterhelfen.
    Ganz herzliche Grüße!

    • Yep. So ähnlich hatte ich den Breuer-Vortrag auch gehört, wollte nur im Talk nicht Breuers Auferstehungsverständnis diskutieren. Auch was Markus Worthausartikel angeht, liegt unsere Einschätzung gar nicht weit auseinander. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich im Talk ja nicht gesagt, dass ich den Artikel super finde (finde ich nicht! Das weiß Markus auch.), sondern lediglich, dass er recht akribisch gearbeitet hat (auf die Zitiererei etc. bezogen). Dass er Siggi Zimmer dabei missversteht, bzw. aus seinem Bibelverständnis heraus nur missverstehen kann, liegt auf der Hand.
      LG,
      der Jay

    • Markus Markus

      Liebe Katja, danke für Deine Zeilen! Sei versichert: Ich habe mich mit vielen Worthausvorträgen wirklich intensiv auseinandergesetzt. Die wichtigsten, auf die ich mich im Artikel beziehe, habe ich mehrfach angehört. Mit 2 Referenten habe ich mich persönlich in Verbindung gesetzt, mit einem habe ich ausführliche Diskussionen per Mail geführt (und führe sie immer noch). Es ist O.K., wenn Du zu anderen Schlussfolgerungen kommst, aber ich finde es immer schade, wenn man dem Anderen schnell mal unterstellt, er sei ein Dünnbrettbohrer. 😉
      Die These mit dem anderen Geschichtsverständnis der antiken Historiker habe ich jetzt schon so oft gehört. Ich antworte darauf mal mit den Worten von Prof. Armin Baum. 2001 hatte Prof. Lindemann in einem SPIEGEL-Interview formuliert: „Es ist … ein Missverständnis der biblischen Texte, wenn sie als Tatsachenberichte aufgefasst werden“. Dazu schreibt Prof. Baum: „Diese These halte ich für falsch. Einer der Evangelisten hat sich dazu, ganz im Stil der antiken Historiographie, ausdrücklich geäußert: „Es erschien mir gut, nachdem ich allem bis auf die Anfänge nachgegangen war, es exakt und der Reihe nach aufzuschreiben“ (Lk 1,3). Und es ist meines Wissens kein einziger antiker Leser nachweisbar, der den Evangelien eine historische Absicht abgesprochen hätte. Die christlichen Leser (von Papias bis Augustinus) haben den historischen Angaben der Evangelien zugestimmt; die nichtchristlichen Leser (wie Celsus, Galen und Porphyrius) haben ihnen widersprochen. Antike Stimmen, die behauptet hätte, die Evangelien wollten keine Tatsachenberichte sein, hat es nicht gegeben. … Sicher verfolgen die Evangelisten nicht nur ein historisches Interesse. Aber daß sie ihrem Selbstverständnis nach auch Geschichtsschreiber waren, sollte man nicht bestreiten. In dieser Hinsicht haben die antiken Leser die Intention der neutestamentlichen Schriften besser verstanden als manche modernen. Wer die historiographische Intention der Evangelien bestreitet, bürstet sie gegen den Strich.“
      Aber ich hab jetzt noch eine Frage an Dich und an Jay: Also ich hab jetzt so oft gehört: Die Breuer-Vorträge seien ja die schlechtesten der Worthaus-Vorträge, Prof. Breuer ginge viel zu weit und den würden auch viele Progressiven ablehnen, weil sie ja z.B. an die leibliche Auferstehung glauben. Hm, jetzt aber doch keine Distanzierung von Breuer? Also doch kein Problem, wenn man lehrt, dass der Leichnam Jesu im Grab verwest ist? Damit ihr mich nicht missversteht: Ich will euch nicht hier auffordern, euch von Prof. Breuer zu distanzieren. Ihr dürft ja glauben, was ihr wollt. Ich bin jetzt nur verwirrt, weil ich jetzt so oft gehört habe, ich solle doch nicht auf den Vorträgen von Breuer herumreiten, weil der wäre ja nicht repräsentativ für Worthaus. Und dann aber will man sich doch nicht von Breuers Theologie distanzieren… Hm, also was denn jetzt?

      • Mir ist Deine Rechnung zu schwarz-weiß, die, sobald ein Theologe ein anderes Denkmodell an die Auferstehung anlegt als das körperliche, Verrat ruft. Ich habe Breuer so verstanden, dass er sehr wohl an die Auferstehung glaubt, nur eben in einem anderen Denkmodell. Ich verstehe an der Stelle nicht, warum es ihm das leichter macht, an die Auferstehung zu glauben (er spricht ja von der Erscheinung des Auferstandenen, wenn ich mich richtig erinnere, und wieso eine Erscheinung leichter rational zu begründen sei als ein leiblich Auferstandener, erschließt sich mir nicht; die Toten erscheinen ja in der Regel genauso wenig wie sie auferstehen…). Ich folge ihm hier auch nicht, sondern sehe das wie Du: Das Grab ist leer. Jubilate! Aber ich würde eben nicht sofort Verrat rufen, wenn jemand, der sich weiterhin zur Auferstehung bekennt, mit einem anderen Denkmodell arbeitet. (Und jetzt höre ich Dich natürlich schon mit den Zähnen knirschen… 😉 ). Wie Jesus auferstanden ist, daran ändert sich ja nichts, dadurch, wie Du oder Herr Breuer oder ich daran glauben… Distanzieren muss ich mich von dem Worthausvortrag nun aber wirklich nicht (auch wenn ich ihm nicht zustimme), ich distanziere mich ja auch von Dir nicht, obwohl auch Du allerlei Käse auf Deiner Webseite stehen hast… 🙂
        LG,
        der Jay

        • toblog toblog

          Dass wir die Qualität des Auferstehungsleibes Jesu mit unseren Begriffen nicht fassen können deutet darauf hin, dass es sich vermutlich um eine Substanz aus einer Neuschöpfung handelt. Interessant ist, dass sich die Evangelien darin zurückhalten wie Jesus genau ausgesehen hat (bis auf die Wundmale) und er erst ist Offb. 1 wieder beschrieben wird.

          Wenn Jesus allerdings nicht auferstanden ist, dann gibt es auch kein ewiges Leben für uns. Denn wir sind die Reben am Weinstock – und ohne Auferstehung keinen Weinstock. Dann lasst uns essen und trinken…

          • Das Jesus auferstanden ist, steht doch gar nicht zur Debatte. Auch nicht für Breuer.
            LG
            Der Jay

          • Markus Markus

            @Jay
            Breuer im O-Ton: „Ich bin überzeugt: Wenn man damals eine Videokamera am Grab Jesu installiert hätte, wäre nichts zu sehen gewesen. Nichts!“ Auch bei den Erscheinungen des Auferstandenen hätte eine Videokamera nichts gefilmt. Nur „sehr konservative Christen“ legten Wert auf das leere Grab. Aber eigentlich sei es genau wie die Jungfrauengeburt für den Glauben nicht von Bedeutung. Zwar sei der Tod Jesu ein historisches Ereignis, aber Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten auf keinen Fall. Die Tagesangaben zwischen diesen Ereignissen hätten nur metaphorische Bedeutung. Die Auferstehung war nur eine „Erkenntnis“ der Jünger, dass Jesus im Geist unter ihnen ist. Auch Paulus Begegnung mit dem auferstandenen Jesus sei eine „legendarische Ausschmückung“ von Lukas.

          • Peter Peter

            @Markus: ich hab mir jetzt extra nochmal den Vortrag von Breuer angehört, weil Du mit Deiner (vom aigg Blogg kopierten) Aussage den Eindruck vermittelst, Breuer würde die Uaferstehung leugnen. Tut er aber nicht. Er sagt zwar, dass er nicht an eine leibliche Auferstehung/Auferweckung Jesu glaubt. Aber nirgendwo sagt er, dass er die Auferstehung an sich ablehnt. Im Gegenteil. Er sagt (ab ca. 1:09 im Video), dass die Auferstehung Sache des Glaubens ist und man das nur glauben kann, wenn man entsprechende Erfahrungen gemacht hat. Sprich: die Jünger haben den Auferstandenen erlebt, sonst hätten sie nicht an ihn geglaubt. Ob das jetzt leiblich oder nicht leiblich passiert ist – das kann man sicher von beiden Seiten betrachten. Aber offensichtlich scheint es nicht so wichtig, siehe auch der Hinweis, dass Paulus ganz oft von der Auferstehung spricht, aber nicht einmal vom leeren Grab.

            Könnte es sein, dass Du nur gehört hast, was Du hören wolltest? Um irgendein Argument zu finden, mit dem man Worthaus diskreditieren kann? Weil es eben Deiner Theologie widerspricht?

          • Markus Markus

            @ Jay, @ Peter,

            „ob das jetzt leiblich oder nicht leiblich passiert ist … scheint nicht wichtig“.

            Seht ihr, genau da sind wir halt weit auseinander. Die Bibel wehrt sich ausdrücklich gegen die Idee einer nicht leiblichen Auferstehung. Jesus sagt extra: Fasst mich an. Gebt mir etwas zu essen. Deswegen auch die ausführlichen, dramatischen Schilderungen vom leeren Grab. Eine Auferstehung, bei der der Leichnam Jesu gleichzeitig im Grab verrottet ist, ist keine Auferstehung, die damals irgendjemand vom Hocker gerissen hätte. Erfahrungen mit Verstorbenen und Erscheinungen gibt es ohne Ende. Hab erst kürzlich von den Marienerscheinungen gelesen. Beeindruckend, was die Menschen da alles gesehen und gehört haben wollen. Und doch belanglos. Darauf wollte ich mich nicht im Leben und im Sterben verlassen müssen. Es wäre für die Angehörigen von Lazarus nett gewesen, wenn Jesus gesagt hätte: Lazarus lebt! Ich hab ihn gesehen! Ich hab ihn erlebt! Klingt tröstlich. Hätte aber nichts daran geändert, dass er nebenan im Grab verrottet wäre. Es gibt nun einmal einen grundlegenden Unterschied zwischen leiblicher Auferstehung und allen anderen Erscheinungen aller Art. Genauso glaube ich, dass es für die Kirche und unseren Glauben einen entscheidenden Unterschied macht, ob wir fröhlich und von Herzen gemeinsam singen können: „Freuet euch das Grab ist leer! Er ist auferstanden!“ DAS ist der Osterjubel. Für diese Nachricht haben zahllose Christen der ersten Generation ihr Leben gegeben. Wenn wir das leere Grab aufgeben, dann hat das gravierende Auswirkungen für unseren Glauben, unsere Botschaft und unsere Hoffnung. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

          • Peter Peter

            @Markus: Und das darfst Du für Dich auch gerne so sehen. Aber es wird eben fundamentalistisch und ausgrenzend, wenn Du sagst, dass es alle anderen bitte exakt genauso sehen müssen. Und wenn Du Leuten, die diesen Teilaspekt (und mehr ist es nicht) anders einschätzen und glauben, ihren Glauben absprichst oder ihnen vorwirfst, sie seien Irrlehrer, die eine Gefahr für die Kirche darstellen.

            Das Problem beginnt immer dann, wenn wir unsere Meinung verabsolutieren. Wenn wir sagen: nur wir haben recht. Das ist das Merkmal einer Sekte. Wir sollten immer so demütig bleiben und bedenken, dass auch andere recht haben könnten. Und dass manche Stellen in der Schrift durchaus anders gemeint sein könnten.

            Wie lange wurde Pfingstlern und Charismatikern in Deutschland vorgehalten, dass sie dem „Geist von unten“ folgen würden? Nur weil sie gemerkt haben, dass die Charismen auch heute noch existieren?
            Wie lange wurde Frauen das Leitungs- und Predigtamt in der Kirche verwehrt?
            Wie lange war man der Meinung, Sklaven zu halten sei völlig gerechtfertigt?
            Und alles jeweils mit einer vermeintlich guten biblischen Begründung.

            Allein das sollte uns doch die Augen öffnen, dass die Aussage „die Bibel sagt glasklar…“ in den seltensten Fällen wirklich so glasklar ist…

            Noch mal kurz zur Frage der Auferstehung: wenn das leere Grab wirklich so unabdingbar notwendige Voraussetzung für den Glaube an die Auferstehung ist – warum spricht dann Paulus nicht ein einziges mal davon?

          • Kathi Kathi

            @Markus @Peter

            Ich bin auch der Meinung, dass der Glaube an die leibliche Auferstehung Christi ein ganz zentraler Aspekt unseres Glaubens ist / sein sollte. Ich weiß nicht, was dagegen spricht, daran zu glauben (abgesehen vom Zweifel am Übernatürlichen, aber das sollte für Menschen, die an Gott glauben eher kein Problem darstellen).

            Es gibt keine alttestamentarische Prophezeiung, welche die Auferstehung des Messias vorhersagt und mir wäre auch keine apokryphe bekannt – den Evangelisten kann es also nicht darum gegangen sein, irgendetwas zu erfinden, damit irgendeine Prophezeiung erfüllt werden würde.

            Außerdem wäre eine geistige Auferstehung, also ein pneumatische Auferstehung ja eher im Sinne des Platonismus, der sicherlich eine gewisse Wirkung auf die hellenistischen Juden gehabt hat (z.B. Lehre vom Logos), aber teilweise auch scharf in den Paulusbriefen kritisiert wird. Unser Ziel ist ja auch nicht, Pneumatiker zu werden und in das Pleroma aufgenommen zu werden, sondern den alten Menschen zu begraben, in Christus aufzuerstehen und eines Tages im Reich Gottes zu leben, was auch nicht nur im Himmel ist, sondern der Himmel ist, der auf die Erde herunterkommt. Ein neuer Himmel und eine neue Erde. Nicht nur ein geistiges Himmelsreich.

            Inwiefern sich dieser Auferstehungsleib vom jetzigen Körper unterscheidet – darüber lässt sich nur spekulieren. Genauso ist es Spekulation, was man sehen würde, wenn man eine Videokamera im Grab installiert hätte. Wenn es nichts wäre, dann wird ja zumindest mal die Behauptung abgelehnt, die Jünger hätten Jesus Leiche geklaut. Das hätte man ja dann auf der Kamera sehen müssen.

            Aber es bleibt dabei, dass man darüber gar keine Aussagen treffen kann und dass es eigentlich keinen Grund gibt, die Evangelien hier anzuzweifeln.

            Außerdem frage ich mich, warum Saulus zum Paulus geworden wäre, vom Verfolger zum Christusnachfolger, wenn er diese Begegnung mit dem Auferstandenen nicht gehabt hätte.

          • Katja Katja

            @Markus, Jay & Peter
            Also zu der Auferstehung habe ich ja etliche Fragen. Ich hatte das ja in einem Beitrag schon einmal geschrieben. Ich formuliere hier nochmal meine Anfragen – vielleicht habt ihr aus eurer Perspektive Antworten darauf. Ich sehe in der Bibel nicht, dass sie sich „ausdrücklich gegen die Idee einer nicht leiblichen Auferstehung wehrt“, sondern ich lese unterschiedliche Aussagen zu Jesus als dem Auferstandenen: sowohl welche, die auf die leibliche Auferstehung (im Sinne von: der Leichnam ist wieder zum Leben erweckt worden, wie zB Lazarus) hindeuten (leeres Grab, Wundmale, Essen&Trinken), als auch solche, bei denen der Auferstandene offenbar nicht mehr seinen alten Leib hatte oder die Auferstehungstatsache sich in etwas anderem ausdrückte als in dem aus dem Grab hervorgekommenen Leib.
            Meine Anfragen sind (Zitate aus der Zürcher Bibelübersetzung):
            Warum sind die Erzählungen, wer wann am leeren Grab war und was er/sie dort gesehen hat/haben, so unterschiedlich?
            Warum schreibt Johannes (20,8bf.): Und er sah (das leere Grab), und darum glaubte er. DENN noch hatten sie die Schrift, dass er von den Toten auferstehen müsse, nicht verstanden“. Ist also der Glaube an die Auferstehung, weil das Grab leer ist, der Ausdruck dafür, dass sie die Schrift nicht verstanden haben?
            Warum betonen die Engel so sehr den Gegensatz „ihr sucht den Gekreuzigten – er ist aber auferweckt worden“ (zB Mt 28,5-6)?
            Warum hielt Maria den auferstandenen Jesus für den Gärtner und hat ihn erst erkannt, als er sie mit Namen ansprach (war es vllt nur seine Stimme, die dieselbe war?)? Und warum will Jesus nicht, dass sie ihn anfasst (Thomas sagt er aber, dass er seine Wundmale berühren soll?)
            Warum schreibt Markus, dass Jesus, nachdem er Maria von Magdala erschienen war, zwei Jüngern „in anderer Gestalt“ erschien (Mk 16,12)?
            Warum erkannten ihn die Emmaus-Jünger nicht, während er neben ihnen herlief und ihnen die Schrift erklärte (hier kann es ja nicht die Stimme gewesen sein, die ihn identifizierte)? Was meint das „ihre Augen waren gehalten“? (Lk 24,16)
            Wie konnte Jesus durch die verschlossenen (das wird ja betont, Joh 20,19) Türen zu den Jüngern hereinkommen, wenn er doch ein leiblich Auferstandener (wie Lazarus) war?
            Paulus hat den Auferstandenen nie „leibhaftig“ gesehen, sondern hatte eine Erscheinung, die zu seiner Bekehrung führte. Er hat sich aber vehement dafür stark gemacht, dass die Auferstehung ein Fakt ist, ohne den unser ganzer Glaube sinnlos wäre. Braucht es also einen leibhaftigen Auferstandenen, um an die Auferstehung zu glauben?
            Wie kann ein menschlicher Körper „in den Himmel fahren“? Wird er vaporisiert oder was passiert mit dem Leib?

            Ich freu mich über weiterhelfende Antworten!!
            Katja

          • Hallo Katja (und Markus),

            die von dir genannten Stellen sind ja gerade diejenigen, die liberale Theologen dazu bewegen, die „Technik der Auferstehung“ anders zu deuten/ aufzufassen. Ich nehme diese unterschiedlichen Beschreibungen in der Bibel auch wahr. Und ich bin mir hier keineswegs so sicher, wie Markus (nicht der biblische, sonder Till 😉 – der biblische Markus kennt übrigens als einziges Evangelium sogar nur einen verkündeten Auferstandenen (der Auferstandene tritt darin nicht selber auf), die letzten Verse seines Evangeliums finden sich in den ältesten Abschriften nicht, wurden also erst später hinzugefügt), dass die Autoren des Neuen Testamentes dieses Erlebnis allesamt gleich geschildert und gedeutet haben. Haben sie nicht. Was sie da geschildert haben, haben sie natürlich selber nicht verstanden (so würde es uns ja auch gehen). Wie soll man so etwas wie die Auferstehung auch „ordentlich“ aufschreiben? Deshalb empfinde ich hier auch – anders als Markus – mehr SPIELraum mit den Vorstellungen davon. Deshalb würde ich die Grenze hier auch nicht ziehen, obwohl ich selber glaube und fröhlich bekenne, „das Grab ist leer. Jubilate!“ Für mich ist die leibliche Auferstehung keine Nebensache, ich verstehe aber, wie andere Christen hier zu anderen Vorstellungen kommen (und dass sie hier anscheinend einen anderen Anfahrtsweg haben (brauchen?)). Und da ich nicht glaube, dass meine Vorstellung eine Auswirkung darauf haben kann, wie es wirklich geschehen ist, kann ich DEM AUFERSTANDENEN auch zutrauen, dass er sich, so wie in der Bibel auch, nicht zu sehr von unseren unterschiedlichen Vorstellungen irritieren lässt. 🙂

            LG,
            der Jay

          • toblog toblog

            @Peter

            Eine Vielfalt der Meinungen ist auf der Suche nach einer Lösung ja grundsätzlich gut und wichtig. Bleibt man jedoch in der Auferstehungsfrage darauf stehen, dann wird suggeriert, dass es sich lediglich um ein sekundäres akademisches Auslegungsproblem handelt. Wenn die Auferstehung Christi allerdings Bedingung für mein Überleben ist, weil ich selbst kein unsterbliches Leben in mir habe, dann ist das Thema kein akademisches, sondern ein existenzielles!

          • Aber entscheidend ist doch nicht meine Ansicht der Auferstehung, sondern die Auferstehung. Christus hat den Tod besiegt und nicht meine Vorstellung davon, wie er es getan hat.

            LG,
            der Jay

          • Kathi Kathi

            @ Katja

            Auch, wenn die Fragen nicht an mich gerichtet waren, ich werde mal versuchen ein paar Antworten zu geben.

            Also, erstmal: der Vergleich mit Lazarus ist problematisch. Lazarus wurde zwar von den Toten leiblich auferweckt, aber nur um danach noch ein bisschen weiterzuleben und dann erneut zu sterben. Jesus ist nach der Auferstehung unsterblich, also er hat nicht einfach lustig weitergelebt, er hat auch keine Reise nach Japan gemacht und liegt dort heute nicht in einem Bergdorf begraben (obwohl es ein angebliches Grab Christi in Japan gibt). Also, egal, Auferweckung von Lazarus ist anders als die Auferstehung von Jesus. Denn mit der Auferstehung von Jesus wird eigentlich nach orthodoxem Glauben schon die Auferstehung aller Toten eingeleitet. Denn – und jetzt wird es etwas abgefahren – Jesus ist ja in das Totenreich hinabgestiegen (in den Sheol bzw. Hades), hat dort den Teufel besiegt und die Seelen der Gerechten befreit. Deshalb sind da nach der Kreuzigung auch Gespenster in Jerusalem. Laut orthodoxer Lehre wurde der Teufel damals schon gebunden und somit setzt die Zeit der Herrschaft Christi durch die Kirche ein (Prämillenialisten würden hier heftig widersprechen, aber die Landeskirchen sind normalerweise Amillenialisten). Jedenfalls gilt Jesus nun als erster der Auferstandenen (nicht Lazarus, auch nicht die Tochter des Jairus) und so sollen wir auch mal auferstehen, eben zum ewigen Leben.

            Natürlich muss so ein Körper dann irgendwie anders sein. Bei Jesus kommt noch hinzu, dass er seine göttlichen Kräfte wieder zurückbekommem hat. Durch eine verschlossene Tür gehen ist dann kein Problem. Er könnte auch an mehreren Orten gleichzeitig sein. Aber er hat durchaus noch Substanz. Er ist nicht immateriell.

            Dass sich die Evangelien unterscheiden – naja, sie erzählen halt alle eine Geschichte und wollen auch eine theologische Idee übermitteln. Markus schreibt sich meiner Meinung nach immer ganz gern selbst in sein Evangelium rein (der mysteriöse Jüngling). Matthäus ist manchmal etwas apologetisch, Johannes einfach nur sehr theologisch komplex…es wäre ja auch langweilig, wenn alle genau das Gleiche schreiben. Manche Leute sagen immer, dass diese Unterschiede bedeuten, dass alles gelogen ist, aber wenn alle haargenau das Gleiche geschrieben hätten, würde einfach feststehen, dass alle von einem abgeschrieben haben und dann wäre halt der der Lügner.

            Ich glaube, was nur sehr wichtig ist, ist, dass man sich vor der Idee der leiblichen Auferstehung nicht sträubt aus Zweifel vor dem Übernatürlichen. Diese Tendenz alle Wunder wegzuerklären gibt es auch. Dann hatten halt alle Leute psychosomatische Erkrankungen, die der Jesus geheilt hat – so im Reliunterricht gelernt. Und dann ist man ganz schnell beim netten, lieben Jesus, der ein toller moralischer Lehrer war, vielleicht auch ein sozialer Revoluzzer, aber halt eben kein Erlöser und auch kein Gott.

          • Markus Markus

            @Katja

            Natürlich ist die Auferstehung Jesu (anders als bei Lazarus) noch mehr als nur die Wiederbelebung des Leichnams. Die Bibel sagt ja auch für unsere Auferstehung vorher, dass wir nicht nur aus den Gräbern auferstehen (Joh.5,28-29) sondern auch „verwandelt“ werden (1.Kor.15,51-52), aber eben nicht in ein Geistwesen sondern in einen Menschen mit einem neuen, materiellen Leib. Der hat allerdings offenbar noch ein paar mehr Fähigkeiten als unser bisheriger… 🙂 Aber das ändert nichts daran: Die Auferstehung hat eine leibliche Dimension. Der Tod ist besiegt. Das Grab war leer, der Leichnam war verschwunden. Sonst wäre die Auferstehung keine Auferstehung. Das ist (und war aus meiner Sicht schon immer) ein absolut unaufgebbarer Kern des christlichen Glaubens.

          • Katja Katja

            @Kathi, Markus und Jay,
            Danke für eure nachdenkenswerten und erhellenden Antworten! Ich hatte tatsächlich bei manchen Aussagen von Markus den Eindruck, dass er den auferstandenen Jesus so sieht wie den Lazarus, also wie einen Toten, der halt wieder anfängt zu atmen und zu laufen, ohne zusätzliche Dimension… Daher auch meine Anfragen/Bedenken/Einwände.
            Ich werde wohl noch eine Weile darüber nachdenken, wie ich mir die Auferstehung vorstellen kann. DASS Jesus auferstanden ist, steht für mich auch nicht zur Debatte.

          • toblog toblog

            @Hossa-Jay

            Die Vorstellung des „Wie“ der Auferstehung hat m. E. sehr wohl Auswirkungen auf meine persönliche Auferstehungshoffnung. Vieles von dem, was Breuer unter seinem Begriff der „Auferstehung“ versteht, würde man ohne Weiteres auch Wirkungen von vorbildhaften Menschen wie Martin Luther King, Ghandi oder Bonhoeffer zuschreiben können. Von keinem dieser Personen wird aber eine Auferstehung berichtet. Keine dieser Personen kann mir auch eine glaubhafte Begründung und Hoffnung auf meine persönliche Auferstehung liefern und meine Todesfurcht mindern. Bei den Jüngern damals hatte ihre Erfahrung vom „Wie“ der Auferstehung andere Kraftwirkungen, wenn in Hebr. 2,15 gesagt wird: Und erlöste die, so durch Furcht vor dem Tode im ganzen Leben Knechte sein mussten.

          • Was Deine persönliche Auferstehungshoffnung angeht, kannst Du das ja handhaben, wie Du möchtest. Wenn Du anfängst, das auch für andere zu entscheiden, bzw. für diese meinst entscheiden zu können, was deren Auerstehungshoffnung/ -vorstellung „leisten kann“, dann finde ich das vermessen.
            LG,
            Der Jay

          • Kathi Kathi

            @Katja

            Manche Dinge sind für uns vielleicht auch einfach noch nicht vorstellbar.

            Ich weiß nicht wie gut dein Englisch ist, aber möchte dir trotzdem ganz gerne empfehlen, dir mal anzuhören, was N. T. Wright zu dem Thema erzählt: https://youtu.be/KnkNKIJ_dnw

            Er ist einer meiner Lieblingstheologen, hat immer eine ziemlich klare Sicht auf viele Dinge und kann sie gut erklären.

          • Katja Katja

            @toblog, Jay, Markus, Kathi
            Für mich sind (momentan) gerade die biblische Vielfalt der Beschreibungen des Auferstandenen und die unterschiedlichen Arten der Begegnung mit ihm Hinweise darauf, dass es tatsächlich kein eindeutiges „Wie“ gibt. Und bei Paulus sehe ich, dass man auch fest von einer Auferstehung und ihren lebens- (und tod-)verändernden Auswirkungen auf uns überzeugt sein kann, wenn man dem Auferstandenen „nur“ als Licht und Stimme begegnet ist (oder gibts bei Paulus noch eine leibhaftige Begegnung, die ich nur noch nicht gelesen habe? Dann wäre meine These ja nicht stimmig). Da wären wir wieder bei dem Denken, dass etwas nur wahr sein kann, wenn es faktisch überprüfbar ist und – in diesem Falle – greifbar und mit klaren Umrissen…

          • Kathi Kathi

            @Katja

            Also, so wie es in der Apostelgeschichte erzählt wird sieht Paulus nur ein Licht vom Himmel (!) und hört eine Stimme. Wir müssen beachten, dass Lukas das Damaskusereignis zeitlich nach der Himmelfahrt und Pfingsten ansetzt, d.h. Paulus kann hier gar keinem leibhaften Jesus begegnen – das wäre mehr als verwirrend, denn der soll ja erst später beim zweiten Kommen Christi wiederkommen (Apg 1,11). Da würde sich Lukas ja selber widersprechen.

            Paulus selber beschreibt gar nicht genau wie er das ganze erlebt hat in 1. Korinther 15, aber reiht sich unter vielen Personen ein, die Begegnungen mit dem Auferstandenen hatten.

            Heute gibt es ja auch noch so Geschichten von Leuten, die angeblich einen Busfahrer getroffen haben, der ihnen von Gott erzählt hat und hinterher erkennen sie, dass der Busfahrer genauso ausgesehen hat wie die Christus-Ikone auf dem Kaminsims von der Oma und bekehren sich daraufhin zum Christentum. Das ist so eine christliche Urban Legend. Trotzdem bedeutet das nicht, dass Jesus schon wieder da ist und jetzt Busfahrer in Mexico City ist oder so.

            Auch wenn es das Problem jetzt nicht löst, kann man schon sagen, dass Lukas zwischen den Begegnungen der Jünger mit dem Auferstandenen vor der Himmelfahrt und der Vision, die Paulus hatte differenziert. Und das durch die Beschreibung auch ganz bewusst macht, z.B. eben dadurch, dass das Licht vom Himmel kommt, weil Jesus ja im Himmel ist.

          • Markus Markus

            @Jay @toblog
            Da die Auferstehungsdiskussion inzwischen am Ende weitergeht antworte ich mal ganz unten.

      • Katja Katja

        Hallo Markus,
        vielen Dank für deine ausführliche Antwort!
        Wie du meinem Kommentar entnehmen kannst, habe ich dir nicht „mal schnell unterstellt, ein Dünnbrettbohrer zu sein“, sondern hatte beim Lesen den Eindruck, dass vieles aus dem Zusammenhang gerissen war oder dass du manches nicht gehört hast, was ich für mich als wichtig zum Verständnis der Vorträge erachtet habe.
        Danke auch für das Zitat von Dr. Baum, das ist hilfreich – allerdings muss man natürlich beachten, dass er als Evangelikaler auch eher versucht, seine Position zu untermauern. Aber seine Ausführungen geben mir gute weitere Denkanstöße.
        Mit deiner Frage zu Herrn Breuer kann ich nicht viel anfangen… Also ich weiß nicht, warum es meine Aufgabe sein soll, mich von Herrn Breuer zu distanzieren oder nicht. Ich bin ja nicht das Worthaus-Team… Ich fand manche Aussagen von ihm schwierig zu verstehen oder verwirrend und bei manchem kann ich nicht mitgehen (z.B. dass es weder wörtlich noch bildlich gesprochen eine Hölle gibt), aber manches hat mir beim genaueren Recherchieren doch gute Gedankenanstöße gegeben.
        Ich hoffe, dass du mit meiner Antwort zurecht kommst.
        Liebe Grüße!

        • Markus Markus

          Na klar komme ich mit eurer Antwort zurecht! Ich knirsche weder mit den Zähnen noch rufe ich „Verrat“. Und ich fordere auch keine Distanzierung. Ich stelle einfach nüchtern fest, dass wir da unterschiedlich unterwegs sind. Denn „Erscheinung“ ist für mich etwas qualitativ anderes als „Auferstehung“. Erscheinungen sind in vielen Religionen nichts ungewöhnliches. Eine leibliche Auferstehung, bei der ein volles Grab plötzlich leer ist und zahlreiche Menschen berichten, mit diesem Menschen geredet, ihn angefasst und mit ihm gegessen zu haben, schon. Für mich ist letzteres essenziell und unaufgebbar, unter anderem weil m.E. nur dieses leibliche Verständnis zu den Berichten in den Evangelien passt (da hängt also die Glaubwürdigkeit der Evangelisten und der ersten Christen dran). Und ich glaube, so ist es für die weit überwiegende Mehrheit der Christen. Mich überzeugt die These nicht, die auch im vorigen Hossa-Talk vertreten wurde, dass der Auferstandene die Mitte unserer Einheit sein soll, wir aber doch bitte nicht definieren sollen, ob der Leichnam Jesu im Grab verrottet ist oder nicht. Für mich gilt die Aussage von Paulus: „Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden.“ Und der Begriff „auferstanden“ hat auch für Paulus m.E. eindeutig eine leibliche Dimension. Deshalb glaube ich auch nicht, dass man mit dieser Theologie, wie Breuer sie darstellt (und übrigens auch Prof. Schreiber in seinem Vortrag über den „historischen Jesus“) realistischerweise auf eine Einheit unter Christen hoffen kann.

      • Wenn ich das Argument der Tatsachenberichte richtig verstehe, dann ist der Punkt der, dass die Textgattung der wissenschaftlichen Biografie in der Antike noch nicht erfunden gewesen sei. Dass es keine antiken Leser gibt, die die Bibel ausdrücklich nicht als Tatsachenbericht lesen, liege einfach daran, dass jemand auf die Idee gekommen sei, was ein Tatsachenbericht überhaupt ist.

        Ob das stimmt, können jetzt Philologen wohl besser beantworten.

        • Edit: dass NIEMAND auf die Idee gekommen sei…

          (Zählt die Autokorrektur als elfte Plage?)

          • Katja Katja

            Hey Florian,
            jaa, ich glaube, die Autokorrektur ist die elfte Plage 🙂
            Ich denke aus meiner altphilologischen Prägung so in die Richtung – dass die Leute damals Tatsachenberichte als etwas anderes gesehen haben, als wir wissenschaftlich-säkular geprägten Menschen heute. Und auch, dass Wahrheit für sie damals etwas viel Tiefgehenderes war, als nur die Überprüfbarkeit von Fakten oder dass etwas schwarz auf weiß gedruckt so in einem Buch steht. Man sagt ja auch „Das muss wahre Liebe sein“ und meint damit nicht, dass jemand auf einen Zettel geschrieben hat „Ich liebe dich“ oder dass es ganz exakt bestimmte Parameter gibt, an denen man die Wahrheit von Liebe messen kann – ich denke, in dieser Aussage schimmert das so ein bisschen durch, was ich denke, dass die Leute damals als „Wahrheit“ verstanden haben (und was wir auch heute noch hin und wieder darunter verstehen, leider viele gerade nicht dort, wo es um die ganz tiefe, letztlich für uns unergründbare Wahrheit Gottes geht)
            Aber wie gesagt, dass ist so meine Denkrichtung, vielleicht stimmts auch nicht…

    • Kathi Kathi

      Zu Worthaus will ich auch nochmal sagen, dass das ja eher im Stil einer akademischen Tagung gestaltet ist, soweit ich das erkennen kann. Das heißt, es gibt bestimmt Austausch und Diskussion hinterher und man wird auch hier und da dem Referenten heftig widersprechen. Das sind ja keine Predigten, sondern wissenschaftliche Vorträge!!! Ich glaube, das wird gerne von dem ein oder anderen Christen missverstanden.

      Außerdem will ich sagen, dass zumindest einer der Professoren, der mal Referent war, früher den Jugendhauskreis meiner Eltern geleitet hat und bei ihm kann ich mir nicht vorstellen, dass er z.B. alles Übernatürliche ablehnt.

  16. Liebe Leute,

    eine echt starke Folge. Und vor allem ein starker Auftritt von Markus, der hier in „fremdem“ Terrain sehr klar formuliert hat, aber für mein Gefühl nicht verurteilt hat, Brücken gebaut und sehr ehrlich und selbstkritisch von sich selbst geredet hat. Chapeau!

    Wenn ein Dialog so ablaufen kann, ist – mal überspitzt gesagt – fast schon egal, was dabei rauskommt.

    Die Position, die Markus hier vor allem vertreten hat, war eigentlich nicht übermäßig anstößig: Er möchte, dass das, was ihm in seinem Glauben wichtig ist, in seiner eigenen Kirche mehr vorkommt. Das ist absolut legitim. Ich kann mich da gut hineinfühlen, wenn ich etwa mal an den Abschlussgottesdienst des Evangelischen Kirchentags in Köln zurückdenke. Auf den Poller Wiesen hörte ich damals eine Predigt über den Afghanistan-Einsatz und den Mindestlohn. Absolut wichtige Themen, inhaltlich konnte ich weitgehend folgen, aber ich dachte: Wann kommt jetzt der Teil mit „Kirche“?

    Ich fand Gofis Erkenntnis auch absolut schlagend: Ihr sprecht jeweils aus einer defensiven Position innerhalb Eurer eigenen Sozialisation. Dadurch habt Ihr zwar entgegengesetzte Standpunkte, aber sozusagen einen sehr ähnlichen Standort. Und in Verbindung damit kann ich mir jetzt eine kritische Rückfrage an Jay und Gofi kann ich nicht verkneifen. Ihr habt ganz zurecht darauf hingewiesen, dass die konservative Seite der „liberalen“ / „progressiven“ oft Motivationen unterstellt, die deren Selbstbeschreibung geradezu widersprechen (z. B. „Ihr passt Euch einfach und bequem dem Zeitgeist an“ etc) – Danke dafür!

    Aber Ihr ahnt, was jetzt kommt: Könnte es solche Unterstellungen auch in die andere Richtung geben? Welche Brille habt Ihr auf, wenn Ihr über „die“ redet? Wollen Konservative z. B. wirklich ein „einfaches Weltbild“? Sind sie wirklich signifikant anfälliger für Machtmissbrauch als alle anderen Gruppierungen es sowieso auch immer sind?

    Das sind jetzt wirklich keine rhetorischen Fragen. Und es ist irre schwer, wenn nicht gar unmöglich, die Brille vor der eigenen Nase zu sehen, ich könnte das auch nicht ohne weiteres. Würde mich aber mal sehr interessieren, was Ihr dazu denkt.

    Euer *großer* Fan

    • Ja, gute Anfrage. Berechtigt.
      Ich weiß ehrlich gesagt auch (noch) gar nicht so richtig, was ich darauf antworten soll. Ich fühle mich ja zB auch immer angesprochen, wenn Jesus mit den Pharisäern schimpft. Ich habe so einen in mir. Ich versuche dagegen zu halten (nicht gegen die Schimpfe, sondern gegen meinen Pharisäer), auf ein großes „Wir“ zu setzen, fernab von den Brillen, die wir tragen. Aber gelingt mir das immer? Nein. Oft finde ich die Schubladen, in die ich andere stecke auch ganz hilfreich. Feindbilder helfen ja auch die eigene Kontur zu spüren… Und sie vereinfachen vieles so schön… Glücklich bin ich damit aber nicht. Das ist ja einer der Gründe, warum ich den Dialog suche, warum ich mich von „den Konservativen“ nicht trennen will. Letztlich sitzen wir ja sowieso und auch gerade mit unseren Mechanismen in einem Boot. Wir alle hätten gerne (auf unsere Weise) eine einfachere Welt. Die kriegen wir aber nicht!

      Darum gibt es weder Juden noch Griechen, Männer noch Frauen, Sklaven noch Freie, Konservative noch Progressive… Alle sind eins in Christus.

      Das wäre vielleicht ein Glaubensbekenntnis für mich.

      Aber mehr habe ich da gerade (noch) nicht zu bieten… 🙂

      LG,
      der Jay

  17. Esther Esther

    @Markus
    Ein Anruf meiner erwachsenen Tochter vor Ostern:
    „Mama, habe den Vortrag von Herrn Breuer über die Sühneopfertheologie gehört.
    „Noch nie“ (jeder kann ja nur für sich sprechen) wurde so etwas wahrlich Befreiendes am Ostersonntag gepredigt.
    Das ist ein frohmachende Osterbotschaft! Das hat mein Herz tief berührt.“

    Soweit.

    LG
    Esther

  18. Siegmund Murer Siegmund Murer

    Vielen Dank für dieses interessante Gespräch!!
    Eine Sache ist mir aufgefallen, eine Sache, die ich schon öfter beobachtet. Marcus sagte (sinngemäß): „Jemand hat Unrecht getan und dies MUSS betraft werden. Gott kann das nicht ungestraft lassen…“ Darauf baut ja dann die ganze Sühnetheologie auf. (Jesus trug für uns diese Strafe…) Und genau hier würde ich schon einhaken. Dieses Strafe-Sühne Denken steckt so tief in uns drin und taucht täglich irgendwo auf. In der Politik, im Fußball, in Unternehmen…. Immer wenn jemand einen Fehler macht, muss jemand dafür büßen – eben der sprichwörtlich gewordene „Sündenbock“.
    Ich denke, genau damit wollte Jesus aufräumen. Niemand muss mehr büßen, kein Opfer muss mehr gebracht werden. Gott wollte nie und will nie wieder Opfer.

    Die Sühnetheologie ist dann wieder durch das Priesterdenken ins Christentum reingeschwappt. Aber das war nicht Jesu Botschaft. Seine war: Du bist frei. Du musst keine Opfer mehr bringen. Gott ist schon längst an deiner Seite.

    Seit etlichen Jahren gibt es schon in der Pädagogik und in der Psychologie im Umgang mit (Schwerst-) Kriminellen einen Weg zur Heilung jenseits der Strafe. Marshall Rosenberg (Gewaltfreie Kommunikation) ist für mich ein unglaubliches Vorbild, wie man allein durch Verstehen und Empathie Menschen heilen kann. (Täter-Opfer Ausgleich; Versöhnen durch Verstehen…)
    Er sagt (sinngemäß): „Jeder Mensch hat für das was er tut immer gute Gründe. Wenn wir uns einfühlen und diese Gründe verstehen, wenn die Bedürfnisse dahinter (auch hinter der grauenvollen Tat) zur Sprache kommen dürfen, ist Heilung möglich.“

    Diese Gedanken halte ich für sehr viel fortschrittlicher und hilfreicher als unsere (und auch alttestamentliche) Strafmaßnahmen. Deshalb sind die Verse für mich, in denen Gott als strafender Gott auftritt, Projektionen des Menschen (wir bestrafen böses Verhalten, also muss Gott es ja auch tun – aber natürlich bis ins unendliche potenziert). Ist natürlich schwer sich davon zu verabschieden, denn das ganze Machtsystem von Kirche baute und baut ja auch auf diesem Strafgedanken und auf das latent schlechte Gewissen der Gläubigen auf.

    Ich kann beim besten Willen nicht (mehr) an einen Gott glauben, der ein Opfer „brauchte“, weil ja jede Strafe gesühnt werden muss. Und die Dankbarkeit Gott gegenüber gründet bei mir nicht (mehr) auf der Rettung von einer Strafe, sondern fußt auf das unendliche Verstehen Gottes von allen (meinen) menschlichen Abgründen.

    • Wenn ich da mal einhaken darf. Ich denke eher, wir müssen die Semantik und die Diskursfelder von „Strafe“ klarer kriegen.

      Wenn z B Männer Frauen misshandeln oder Leute mit Cum-Ex-Geschäften die Staatskasse plündern, steht für mich der Wunsch, mich in den Täter (noch) besser einzufühlen und ihn zu verstehen, nicht alleine im Vordergrund. Sondern die Gesellschaft muss da per Strafe erst mal klar machen, welche Taten sie duldet und welche nicht, bei aller Liebe zur Pädagogik. Die (Re)sozialisierung des Täters ist da nicht der einzige Zweck.

      Mein Problem mit dem Begriff Strafe in der Sühnopfer-lehre ist eher, dass er unserem Verständnis von gerechter Strafe komplett widerspricht. Wenn ein Unrecht begangen wurde, dann will man doch vernünftigerweise, dass DER TÄTER bestraft wird, nicht IRGENDJEMAND. Wenn z B die Cum-Ex- Täter straffrei davon kommen und jemand anders freiwillig für sie büßt, ist das nicht etwa „edelmütig“, sondern schlicht ungerecht.

      Wenn Strafe nicht vollzogen werden kann (Bsp Love Parade), dann wächst vielleicht tatsächlich der Wunsch, endlich „irgendwen“ zu bestrafen. Das ist aber eher ein Überdruckventil der Emotionen und gerade nicht ein rationales Urteil.

      Sühnetheologie basiert auf der Annahme, dass aus Gerechtigkeitsgrūnden Strafe vollzogen werden muss, verwendet dann aber eine augenscheinlich ziemlich ungerechte Vorstellung von Strafe. Das wirkt auf selbwidersprüchlich.

      • Siegmund Siegmund

        @Florian Vielen Dank für diesen wichtigen Einwand – auf die gesellschaftlichen Notwendigkeit von Sanktionen (auch im Sinne von Eigen- und Fremdschutz) wollte ich hier nicht eingehen – ich glaube, wir hätten schon sehr viel gewonnen, wenn diese andere Sicht etwas mehr in den Fokus rücken würde… Wir sind weit davon entfernt auf der anderen Seite vom Pferd zu fallen 😉

        Deine Ergänzung bzw. dein Problem mit der Sühnetheologie teile ich uneingeschränkt und möchte noch ergänzen, wie (boshaft) ungerecht eine Strafe ist, die sich bis in alle Ewigkeit (Hölle) verlängert. Als Gott wäre ich beleidigt, wenn mich Menschen für so grausam halten würden und noch meinen, damit absolut richtig zu liegen.

    • Kathi Kathi

      Das sehe ich ähnlich, wobei ich nicht komplett damit aufräumen würde. Dass Jesus das Opferlamm ist, dass die Sünde der Welt wegnimmt, ist schon ein biblischer Gedanke. Aber ich glaube gemeint ist ja das Passahlamm, dessen Blut dem Engel des Todes ein Zeichen war, dass er dort nichts wegnehmen darf.

      Ein wesentlich wichtigerer Aspekt ist aber, dass man durch dir Taufe mit Jesus stirbt und aufersteht. Jesus ist für mich gestorben, aber ich sterbe auch mit ihm. Der alte Mensch stirbt und ein neuer Mensch steht auf. Man stirbt für das Gesetz und somit auch für die Sünde – aber das ist glaube ich schwer zu begreifen, Paulus ist nicht unbedingt leicht zu verstehen.

      • toblog toblog

        Ich habe mich Anfang dieses Jahres intensiv mit der Sühenopferthematik befasst und bin zu folgender Überzeugung gelangt: Ich glaube auch nicht, dass Gott ein Opfer zu seiner Besänftigung gebraucht hat. Das Problem ist nicht, dass Gott nicht bedingungslos vergeben kann – also ohne ein Todesopfer zu benötigen. Das ist in der Bibel ja mehrfach belegt (z. B. Luk 5,24). Das Problem ist, dass der Mensch immer wieder in Sünde fällt und das Erlösungswerk radikaler ansetzen muss – nämlich einen neuen Menschen zu schaffen, der nicht mehr in den Tod kommen kann.

        Und diesen neuen Menschen schafft sich Gott durch Jesu Menschwerdung, Kreuz und Auferstehung zusammengenommen. Einfach indem er 1.) diesem Menschen alle Sünde zurechnet (zur Sünde gemacht)2.) ihn deswegen in den Tod schickt 3.) ihm bedingungslos alle Sünden erlässt wie der Vater dem verlorenen Sohn und ihn wieder annimmt und 4.) ihn wieder auferweckt. D. h. das Leben dieses neuen Menschen ist resistent gegen den Tod. Denn es gibt keine Sünde, für das dieser Mensch nicht schon die Folge davon – nämlich den Tod – erlitten hat. Dieses Leben ist sozusagen resistent gegen den Tod. Das ist das Thema von Christi Blut.

        Wenn man aber bedenkt, dass dieser Mensch kein Roboter ist und gewisse Wahlfreiheit in seinem Handeln hat, kann er nicht mehr durch den Tod unschädlich gemacht werden, sollte er Gottes Universum durcheinander bringen. Von daher ist verständlich, dass Gott-Vater dies nur mit dem Leben und Wesen seines Sohns durchziehen konnte. Durch sein Leben auch Erden hat er ihn bis hin zur Feindesliebe vollkommen gemacht. Das ist das Thema von Christi Leib.

        Unsere Zukunft erhalten wir, indem wir Anteil an diesem neuen unsterblichen Menschen gewinnen (imputatio in christus). Von daher gesehen: Wenn Jesus nicht auferstanden ist, dann können wir das ewige Leben vergessen.

        Den ausführlichen Beitrag dazu findet ihr unter churchinbalance.de.

  19. Britta Britta

    Lieber Siegmund,
    Diese untendrunter schauende Entwicklung finde ich auch wunderbar!
    Und ich finde sie tatsächlich von Anfang an in der Bibel!
    Gott macht den Menschen nach dem sogenannten Sündenfall nicht zum Sündenbock, sondern gibt ihm einen Raum zu wachsen, seine eigene Ansicht umzusetzen und zu erleben und daran zu reifen, das bedeutet für mich sogar, schon den Weg zurück einzuschlagen.

    JHWH macht auch Kain nicht zum Sündenbock (so, wie der seinen Bruder), er tötet ihn eben NICHT, sondern gibt ihm die Möglichkeit, am eigenen Leib zu spüren, was es heißt, auf einmal so schwach zu sein, wie sein Bruder und dem Boden nichts mehr durch die eigene Kraft abringen zu können. Und das bringt – in der „Gottesferne“ – in Kain jede Menge Leben und offensichtlich auch Erkenntnis hervor, Kreativität, Schönheit und sogar neue „Abels“:die Nomaden.
    In diesem „Verhalten“ Gottes steckt für mich schon das, was Jesus als die Konsequenzen von „Lästerung“ gegen den Vater (und ihn, seine Worte) und den Heiligen Geist anspricht.
    Gott ist durch das Verhalten Kains nicht in dem Sinne abgestoßen, dass er ihm nun nur noch den Tod bringen will. Im Gegenteil, er ist ganz FÜR ihn und für sein Leben: Dadurch, dass er Kain die Gelegenheit gibt, seine Schuld (gegen Abel ) zu tragen/ auf sich zu nehmen, bringt er neues Leben in ihm hervor.
    Kain einfach nur zu sagen: Ach, Schwamm drüber, ich erwecke den Abel einfach wieder zu neuem Leben und gut is‘, hätte Kain letztlich viel weniger Leben gebracht, als der Weg, auf den Gott ihn geschickt hat.
    Und das sehe ich eben auch in dem Bild(!) des („Sühne“)Opfers, das Gott seinem Volk/dem Menschen gibt: Du hast eine Sünde begangen (womöglich sogar gerade beim Versuch, alles richtig zu machen, aber durch dein Missverstehen dessen, was ich – JHWH – gemeint habe, hast du eine Folge von Schuld auf dich geladen, Menschen wurden verletzt – geopfert). Jetzt, wo dir das aufgegangen ist, tut es dir leid. Das wolltest du eigentlich nicht. Nun zeige ICH – JHWH – dir, was ich mit solchen (versehentlichen) Sünden bzw. Sündern mache:
    ICH kann das/dich trennen und einordnen!
    Jemand (dein Priester) übernimmt/bewahrt(?) das Fell/die Haut – das Äußere.
    Das Blut – das Leben – gebe ICH für DICH (und die Menschen, die unter deiner Sünde gelitten haben?) an den Altar; an diesen heiligen Ort, wo der gerechte Zorn (meiner und deiner!?) und die Barmherzigkeit brennt.
    Dein (v.a. inneres) Fett – (deine tiefe Sehnsucht nach Leben, Heil, Shalom, nach MIR!?) kenne ich, rieche ich und freue mich daran! Ich werde es/Dich nicht vergessen!
    Und dann ist da noch der Rest, inclusive dem stinkenden Mist. Lass uns den verbrennen – bis zum nächsten Morgen, wenn mein Priester (in einem anderen Gewand) die Asche herausholt und sie an einen besonderen Ort bringt, wo fruchtbare neue Erde daraus werden und Neues darin wachsen kann.

    Wir Menschen können i.d.R. Oder erstmal nur im Entweder-Oder denken.
    Vielleicht „denkt“ Gott viel mehr im Sowohl-als-auch. Schon von Anfang an.
    So auf die Art: „Meine Schafe hab ich schon, mach ich doch jetzt noch aus den Wölfen Hütehunde – weil ich sogar in den Wölfen das Schaf sehen kann ; )“

    Das kann in vollendeter – und vollendender – Form sicher nur Jesus bzw. Gott selber.
    Dass wir Menschen das nun ebenfalls anfangen einzuüben – in unserer Gesprächskultur, im Umgang mit Kriminellen u.a. – finde ich genial! Wie im Himmel, so auf Erden…

  20. ein Mensch ein Mensch

    Amen, richtig gut. Gott denkt eben nicht in unseren menschlichen Gerechtigkeitskategorien, sondern in integralen universalen Kategorien.
    Alle Nationen, Weltanschuungen, Prägungen, Lebensstile sind in ihm(Vater, Muttter,etc.) erlöst und nicht nur wenn ich bekenne „ich bin klein, mein Herz ist rein..“
    Das presst Gott wieder in die Schublade zorniger patriachaler Vater, der mir für mein Lebenszeugnis die kalte Schulter zeigt, weil ich dann doch nicht alles glauben oder leben will/kann.

  21. Simone Simone

    Meine Meinung zu Herr Breuer:
    ich finde Herrn Breuers Art außergewöhnlich und cool.
    Wenn sich Worthaus von ihm distanzieren wollen würde, würden sie seine Vorträge nicht veröffentlichen.
    Das ist doch nur künstliches Aufpuschen und Verunsichern oder Nachplappern von Möchtegernzurechtrückern.

    • Simone Simone

      Was ich leider eindeutig bestätigen kann ist, dass in manchen evangelikalen Kreisen im Deckmantel des Reden und Willen Gottes
      Leiter, die Leistungsdruck haben, manipulieren was das Zeug hält und anderen Mitarbeitern wird der Druck weitergegeben mit der Begründung für das Reich Gottes zu arbeiten.
      Auch sind die Lebensweise und die geschwollende geistliche Sprache meistens nicht authentisch.
      Oft kapseln sie sich von der bösen“Welt“ ab aus Angst verführt zu werden, bieten aber fast ausschließlich nur geistliche Programme für ihre Anhänger an.
      Zu alle dem werden ehemalige Mitglieder, die nicht mehr ihren Gottesdienst besuchen schnell und leicht als ungläubig oder abgefallen angesehen. Sie denken leider immer noch oft, dass nur ihre Gruppe die richtige sei.

      Gott sei Dank hat aber in diesen Jammertälern einiges an Entwicklung stattgefunden.
      Vorallem in meiner Gemeinde.

      Die Gemeinden ändern zwangsweise ihre Einstellungen, damit die Mitarbeiter nicht davon laufen und Gemeindehopping stattfindet.

      Wann begreift die christliche Welt endlich, dass man sich der Moderne nicht entziehen kann??

  22. Peter Peter

    Spannender Talk. Und vor allem Jay hat viele Fragen gestellt, die ich auch gestellt hätte. Danke Dir!

    Zwei wesentliche Dinge sind mir aufgefallen bzw. hängen geblieben:
    Ihr kommt aus unterschiedlichen Richtungen. Dinge, die für „Postevangelikale“ klar sind (wie z. B.: wir nehmen die Bibel ernst), sind in der Landeskirche nicht unbedingt klar. Wenn Postevangelikale nun Kritik an bestimmten konservativen Punkten üben, dann denken Leute wie Markus all diese unklaren Punkte der Landeskirche unterschwellig mit – obwohl die weder gemeint noch gesagt sind. Und natürlich umgekehrt. Das macht manches für mich zumindest nachvollziehbarer.

    Irritierend finde ich nach wie vor, dass die „Hossarchisten“ bereit sind, mit anderen ins Gespräch zu kommen und sich nebeneinander stehen zu lassen, während „Biblipedia-Leute“ sehr hartnäckig an ihrer Sicht der Dinge festhalten und das zur unumstößlichen Wahrheit erklären – und damit den „Hossarchisten“ den rechten Glauben absprechen und noch nicht mal mit ihnen Abendmahl feiern würden. Und in eurem Talk wird gut deutlich (wie auch in vielen Diskussionen, die ich geführt habe), dass Markus (stellvertretend für die Biblipedias) das noch nicht mal als Problem wahrnimmt. Das ist wie ein blinder Fleck, der so groß ist, dass man noch nicht mal merkt, dass man da einen blinden Fleck hat.

    • Markus Markus

      Danke Peter für Deine Gedanken! Kurz 4 Punkte dazu:
      1. Wie kann ich eigentlich noch besser zeigen, dass ich ebenso gerne ins Gespräch mit Christen mit anderer Meinung komme? Wie Jay erwähnt hat nehme ich mir sehr viel Zeit nicht nur für diesen Talk sondern darüber hinaus für viele Diskussionen, gerne auch für den Dialog mit Dir. 😉
      2. In meinen ausführlichen Diskussionen mit Jay wurde mir deutlich: Wir schenken uns gegenseitig absolut nichts in Bezug auf die Hartnäckigkeit, mit der wir an unserer jeweiligen Sicht der Dinge festhalten. 🙂
      3. Ich habe nie gesagt, dass ich generell mit keinem „Hossarchisten“ jemals das Abendmahl feiern würde. Ich habe vielmehr dargelegt, dass ich nach dem Vortrag von Siegfried Zimmer, in dem er m.E. den zentralen Kern des Abendmahls ausgelassen hat, nicht so einfach tun könnte, als wäre nichts gewesen. Das ist kein blinder Fleck sondern im Gegenteil ein ehrlicher Umgang mit einer Differenz, die den innersten Kern des Glaubens betrifft. Ich finde das besser, authentischer, ehrlicher als die Augen zuzumachen, die Differenz zu übertünchen und so zu tun, als wäre nichts gewesen.
      4. Engstirnig, gesetzlich, kleingeistig, dumm, … Bitte glaub mir: Ihr Progressiven habt durchaus auch die Fähigkeit, Konservativen wie mir den rechten Glauben abzusprechen. Hör Dir nur mal einen Vortrag von Siegfried Zimmer an…
      Ich will mit diesen Gedanken nicht „zurückschießen“. Ich werbe nur dafür, dass wir wahrnehmen, dass die Dinge aus Sicht der Anderen immer etwas anders aussehen. Nicht jeder vermeintliche blinde Fleck ist wirklich einer. In dieser Vorsicht muss ich mich natürlich selbst auch immer üben. Und ich muss sagen: Ich habe schon Manches gelernt in den Diskussionen mit Jay und Gofi.
      Herzliche Grüße, Markus

      • Peter Peter

        Niemand spricht Dir den Glauben ab. Selbst wenn man Dich oder Konservative als engstirnig oder dumm bezeichnet.

        Umgekehrt ist es anders. Konservative sind sehr schnell dabei, andere als Irrlehrer zu brandmarken oder ihnen den Glauben abzusprechen. Siehe die ganze Diskussion um Michael Diener, der meinte, man müsse Christen respektieren, wenn sie aus der Bibel z. B. in Bezug auf Homosexualität zu anderen Schlüssen kommen als die Konservativen. Parzany hat daraufhin „Bibel und Bekenntnis“ gegründet, jeder, der Homosexualität nicht als Sünde betrachtet, wird nicht als rechtgläubig angesehen. Sobald es von der gängigen Lesart abweicht, ist der andere ein Ketzer.

        DAS ist das Problem. Und dass Du dieses Problem noch nicht mal wahrzunehmen scheinst (auch nicht in Deiner Antwort auf meinen Kommentar) bestätigt nur meine Aussage vom blinden Fleck.

      • Peter Peter

        Und zur Frage: „Wie kann ich eigentlich noch besser zeigen…“: geh wohlwollend mit Progressiven um. Unterstelle ihnen grundsätzlich, dass sie durch gründliches Bibelstudium zu ihrer Meinung gekommen sind, auch wenn sie von Deiner abweicht. Sprich anderen nicht den Glauben ab, nur weil sie anders glauben als Du. Gewöhne Dir an zu denken, dass es möglich sein könnte, dass sie richtiger liegen könnten mit ihrer Ansicht, als Du. Und feiere fröhlich mit allen Abendmahl, die das mit Dir feiern möchten.

        • Markus Markus

          Peter, mal ganz konkret gefragt: Wo und womit hab ich Anderen den Glauben abgesprochen? Und sprichst Du allen Katholiken und Protestanden den Glauben ab, nurweil sie der Meinung sind, dass es angesichts unterschiedlicher Abendmahlsverständnisse besser ist, das nicht zu übertünchen und lieber getrennt Abendmahl zu feiern, auch wenn es schmerzlich ist?

          • Peter Peter

            Ok, ich bring Dir mal ein paar Beispiele von Deinem Blogg. Die stammen aus dem Artikel über Worthaus.

            „Vielmehr zeigt sich wieder einmal, dass die moderne Bibelkritik eine seifige, schiefe Ebene ist, die in ein unklares und letztlich in ein anderes Evangelium mündet.“

            „Worthaus ist ein Spaltpilz, weil es mit evangelikaler Theologie und Frömmigkeit grundsätzlich unvereinbar ist. Worthaus wird, wenn es unkritisch aufgenommen wird, der evangelikalen Bewegung die Kraft und die Spitze nehmen, weil es ihre Botschaften verunklart und im Extremfall sogar durchstreicht.“

            „Meine feste Überzeugung ist deshalb: Wenn sich die evangelikale Bewegung dieser Theologie weiter öffnet, wird sie letztlich das Schicksal der liberalen Kirchen in der ganzen westlichen Welt teilen: Keine klare Botschaft mehr, keine Einheit mehr – und folglich zunehmend auch keine Mitglieder mehr.“

            Auf gut deutsch: Menschen, die die Worthaus-Vorträge gut finden, folgen einem anderen Evangelium, sie tragen zu Gemeindespaltungen bei , sie vertreiben letztlich Menschen aus der Kirche.

            Ernsthaft? Kannst Du Dir nicht vorstellen, dass es eine ganze Menge Menschen gibt, die einen unglaublichen Segen durch Worthaus erfahren haben? Und das sprichst Du all diesen Menschen auf einen Streich ab? Du machst genau das, was Du Zimmer und Co. vorwirfst, wenn Du Dich über deren Polemik aufregst. Alles in einen Topf, kräftig rumgerührt und undifferenziert draufgehauen.

            Zum Abendmahl: ich habe nirgendwo gesagt, dass jemand, der mit anderen kein Abendmahl feiert, keinen Glauben hat. Aber ich würde mir wünschen, dass man einigermaßen problemlos miteinander das Abendmahl feiern kann. Evangelisch/Katholisch ist noch mal ein Spezialproblem – wobei ich das auch nicht wirklich verstehe. Da gibt es zumindest eine ziemlich lange Geschichte, dass das so ist. Aber unter evangelischen Christen sollte es doch eigentlich kein Problem sein, miteinander das Abendmahl zu feiern.

          • Markus Markus

            Ich werde niemals einem bestimmten Menschen den Glauben absprechen, denn Gott allein ist der Richter, der das beurteilen kann. Aber darf man denn deshalb keine theologische Auseinandersetzung mehr führen? Ich habe ja nicht geschrieben, dass alle Worthaus-Hörer einem anderen Evangelium folgen. Aber ich habe dargestellt, dass bei Worthausvorträgen nun einmal zahlreichen zentralen Glaubensgrundsätzen (z.B. der DEA) klar widersprochen wird. Ich finde, es gehört zur Ehrlichkeit, dass man das transparent macht. Denn ja: Natürlich gibt es Spaltung, wenn man sich nicht einmal mehr auf die zentralsten Kernsätze des Glaubens einigen kann. Und ja: Ich bin überzeugt davon, dass liberale Theologie Kirchen schrumpfen lässt, wie ich oben schon dargestellt habe. Deshalb schreibe ich aus Liebe zu meiner Kirche und aus Sorge um die Menschen. Polemik wäre es, wenn ich objektiv etwas Falsches geschrieben hätte und Worthaus-Referenten etwas unterstellt hätte, was sie nicht gesagt haben. Siehst Du denn solche objektiven Falschdarstellungen? Ich freue mich übrigens, dass Du gerne mit mir das Abendmahl feiern möchtest, das zeigt mir, dass Dir am Miteinander mit uns Konservativen liegt. So geht es mir auch, deshalb engagiere ich mich ja hier. Ich habe ja nirgends geschrieben, dass ich mit Hossa- und Worthaus-Fans grundsätzlich kein Abendmahl feiern würde. Aber ich finde, es macht wenig Sinn, das zu tun, wenn man zuvor geklärt hat, dass man etwas vollkommen anderes darunter versteht. Diese Einheit ist doch dann nur noch eine leere Hülle, die überhaupt nicht tragfähig ist. Ich glaube, der Weg zur Einheit beginnt dort, wo wir uns ehrlich voreinander machen in Bezug auf die Differenzen, die bestehen, statt vom Anderen zu verlangen, dass er diese Differenzen nicht benennen darf. Und dann möchte ich versuchen, den Anderen trotz der Differenzen als Menschen zu respektieren und zu schätzen, ohne von ihm etwas zu verlangen, was er nicht möchte. Ich freue mich zum Beispiel, dass ich Jay und Gofi wirklich schätzen lernen konnte. Ich hoffe, Du glaubst mir das. Herzliche Grüße, Markus

          • Peter Peter

            Niemand hat was gegen theologische Diskussion. Aber ich hab was dagegen, wenn Konservative denken, sie alleine wüssten, was „richtig“ und „falsch“ ist und die Diskussion nicht auf Augenhöhe stattfindet. Ich zitiere Dich mal:

            „Aber ich habe dargestellt, dass bei Worthausvorträgen nun einmal zahlreichen zentralen Glaubensgrundsätzen (z.B. der DEA) klar widersprochen wird. Ich finde, es gehört zur Ehrlichkeit, dass man das transparent macht.“

            Damit definierst Du, dass DEINE Theologie die zentralen Glaubensgrundsätze bestimmt und DEINE Theologie darin richtig liegt. Während Worthaus da falsch liegt. Und Du unterstellst gar Transparenzlosigkeit und Unehrlichkeit, wenn man das nicht so sieht. Das ist schon starker Tobak.

            Ich mach Dir ein anderes Beispiel. „Bibel und Bekenntnis“ wurde aufgrund des Disputs zwischen Diener und Parzany gegründet. Und warum? Weil Diener geäußert hatte, dass er zwar Homosexualität als Sünde sieht, aber dass man doch bitte Christen, die die Bibel diesbezüglich anders verstehen, respektieren solle. Da ging ein Aufschrei durch die evangelikale Welt, Diskussionen ohne Ende bei idea-Spektrum und Diener wurde fast schon aus dem Amt als Allianz-Vorsitzender gedrängt. Und das nur, weil er anerkennen wollte, dass man theologisch auch in heiklen Fragen andere Schlüsse ziehen kann. Und das auch noch bei einem Thema, das in der Bibel – je nach Zählung – 5 bis 6 mal erwähnt wird. Das allein ist schon ein Indiz darauf, dass das im Gegensatz zu vielen anderen Themen nicht so wichtig ist, wie es von manchen gemacht wird. Das wird geradezu als Lackmus-Test verwendet – je nachdem, wie jemand das Thema betrachtet, wird er als richtiger Christ oder eben nicht angesehen. Das kann es doch nicht sein.

            „Bibel und Bekenntnis“ geriert sich seitdem als „Hüter des rechten Glaubens“, und die Plattform „Biblipedia“, wo Du ja auch dabei bist, verlangt, dass man dem „Kommunique“ von „Bibel und Bekenntnis“ zustimmt. Man muss also nicht der Bibel zustimmen, sondern man muss einer bestimmten theologischen Auslegung der Bibel zustimmen, um mitmachen zu können. Es ist also eine Verengung des Glaubens und der Lehre – die sich obendrein auch noch für einigermaßen einzige Wahrheit darstellt. Hat das nicht schon sektiererische Züge, weil alle, die es anders sehen, scheinbar nicht richtig glauben?

          • Peter Peter

            @Markus

            Nee, Deine Aussage war nicht, dass die „Worthaus-Theologie“ den Glaubensgrundsätzen der DEA widerspricht. Sondern Deine Aussage war: „Aber ich habe dargestellt, dass bei Worthausvorträgen nun einmal zahlreichen zentralen Glaubensgrundsätzen (z.B. der DEA) klar widersprochen wird.“

            Das ist ein großer Unterschied. Damit legst Du fest, was zentrale Glaubensgrundsätze sind. Und implizierst damit, dass Du Dich an all diese hältst, während die „Worhäusler“ in zahlreichen zentralen Glaubensgrundsätzen wohl anderer Meinung sind und offenbar falsch liegen (Deiner Meinung nach). Das heißt: Du (bzw. die Theologen, denen Du zustimmst) legst fest, was richtig und was falsch ist, Du legst fest, wie die Bibel zu verstehen ist und es gibt daneben keine alternative Deutung, die aus Deiner Sicht schriftgemäß ist. Das ist mehr als nur eine Meinung vertreten. Damit sprichst Du anderen den rechten Glauben ab.

            Und das ist genau der blinde Fleck, von dem ich sprach. Du sprichst anderen den Glauben ab und merkst es nicht mal.

          • Markus Markus

            @Peter

            „Deine Aussage war nicht, dass die „Worthaus-Theologie“ den Glaubensgrundsätzen der DEA widerspricht. Sondern Deine Aussage war: „Aber ich habe dargestellt, dass bei Worthausvorträgen nun einmal zahlreichen zentralen Glaubensgrundsätzen (z.B. der DEA) klar widersprochen wird. Das ist ein großer Unterschied.“

            Hä? Was ist der Unterschied?

          • Peter Peter

            @Markus

            1) Der VfB hat in dieser Saison Bayern geschlagen.
            2) Der VfB hat in dieser Saison viele Mannschaften geschlagen (z. B. Bayern).

            Diese Sätze sind nicht gleich. Der eine sagt, dass die Bayern vom VfB geschlagen wurden. Der andere sagt, dass der VfB viele Mannschaften geschlagen hat, unter anderem die Bayern.

            Analog:
            Worthaus widerspricht zahlreichen zentralen Glaubensgrundsätzen (z. B. der DEA) ist wie Satz 2. Während Du sagst, Du hättest Satz 1 gesagt.

            Mal ganz abgesehen davon: welchem zentralen Glaubensgrundsätzen der DEA widerspricht Worthaus denn? Und selbst wenn: was wäre so schlimm daran? Ich dachte, die Bibel sollte der Maßstab sein? Was, wenn die DEA sich irrt?

          • Markus Markus

            Natürlich spreche ich nicht von DER „Worthaus-Theologie“, weil es diese ja nicht gibt (Zitat aus meinem Artikel: „Worthaus ist kein einheitlicher Block mit einheitlicher Theologie.“ Deshalb wird in meinem Artikel der Begriff „Worthaus-Theologie“ in Anführungszeichen gesetzt.) Worthaus ist ein Sammelsurium von Theologen, die nicht in allen Punkten einer Meinung sind (wobei es – wie ich ebenfalls schildere – sehr wohl eine gemeinsame Ausrichtung und Tendenz gibt). Deshalb ist mein Satz genau so sachlich korrekt: In Worthausvorträgen wird zahlreichen zentralen Glaubensgrundsätzen der DEA klar widersprochen. Worin diese offenkundigen Widersprüche liegen ist ja ausführlich in meinem Artikel nachzulesen. Wenn Du die Glaubensgrundsätze der DEA für unbiblisch hältst, dann ist das ja Deine Sache und Deine Entscheidung. Es ist nur ehrlich, das dann auch offen auszusprechen.

          • Peter Peter

            @Markus

            Also wenn ich mir die Aufzählung der Allianz anschaue: https://ead.de/ueber-uns/
            dann würde ich sagen, dass Worthaus ein paar dieser Punkte anders betont und ein Stück weit anders versteht oder auslegt, als das Hartmut Steeb machen würde, aber ich sehe hier zunächst keinen grundlegenden Widerspruch. Wo genau siehst Du den?

        • Markus Markus

          Boah, Peter, es tut mir leid, aber Du verdrehst meine Aussagen. So macht es mir wenig Freude zu diskutieren. Wo habe ich gesagt, dass ich alleine wüsste, was „richtig“ und „falsch“ ist? Ich habe halt eine Meinung, eine Position, die ich vertrete. Und ich habe nüchtern festgestellt, dass die Worthaus-Theologie den Glaubenssätzen der DEA widerspricht. Und ich sage, es ist gut, diesen Widerspruch transparent zu machen. Du drehst mir daraus aber: Wer nicht meiner Meinung sei, sei unehrlich und intransparent…

          Schade, dass Du offenbar so schwer damit klarkommst, dass jemand eine klare andere Meinung hat als Du, wobei ich mich wundere, dass Du das bei mir so anstößig findest und bei S. Zimmer damit scheinbar kein Problem hast. Hat S. Zimmer auch sektiererische Züge, weil er sich dauernd über Konservative lustig macht und den Glauben verengt, indem er konservative Positionen als balla balla bezeichnet?

          Weißt Du was? Ich will da nicht weiter diskutieren. Ich würde mich einfach freuen, wenn wir uns da respektvoll gegenseitig loslassen und stehen lassen könnten. Ich wünsch Dir von Herzen alles Gute und Gottes Segen!

          • Peter Peter

            @Markus

            Ich bring Dir noch ein Beispiel, dass es vielleicht klarer macht. Im „Kommuniqué“ von Parzanys „Netzwerk und Bekenntnis“, dem Du ja offenbar folgst (sonst würdest Du ja nicht für Biblipedia schreiben), steht:

            „So widersprechen wir Ansichten wie zum Beispiel: Man müsse für zentrale biblische Wahrheiten eintreten, doch gleichzeitig seien gegensätzliche Verständnisse und Lesarten der Bibel zu akzeptieren.“

            Eine Interpretation der Bibel, die dem Parzany-Schriftverständnis widerspricht, wird von vornherein abgelehnt. Nur mal als Reminder: die evangelische Kirche ist entstanden, weil ein gewisser Martin Luther in bestimmten Punkten eine gegensätzliche Lesart der Bibel betrieben hat. Jeglicher Diskurs wird von vornherein abgewürgt. Und es wird vermittelt, als sei Parzany im Besitz der allein-seligmachenden Theologie.

            Noch ein Satz aus diesem Kommuniqué:
            „Wir widersprechen der falschen Lehre, gleichgeschlechtliche Beziehungen entsprächen dem Willen Gottes und dürften von den Kirchen gesegnet werden.“

            Es reicht nicht, dass man der Lehre widerspricht – man nennt sie auch gleich „falsch“. Dabei gibt es gute Gründe, einen anderen Schluss zu ziehen und Homosexuelle zu segnen oder zu trauen (so sie das möchten).

            Insofern: es geht nicht darum, eine andere Meinung zu haben. Jeder darf seine haben. Das Problem ist, dass die Meinung der anderen als „falsch“ abgewertet wird.

          • Markus Markus

            Lieber Peter, ich weiß, das ist für Postmoderne schwer zu verdauen. Aber eine bestimmte Position als richtig und eine andere als falsch zu bezeichnen, das macht man z.B. in der Wissenschaft immer so, denn nur so gibt es Erkenntnisfortschritt. Entweder ist die Erde eine Kugel oder eine Scheibe. Wenn wir sagen: Jeder hat irgendwie recht, nur um niemand weh zu tun, dann mag das nett sein. Aber dann wären wir immer noch im finsteren Mittelalter. Und was mich – wie bereits gesagt – so wundert ist, wie sehr Dich das beim Netzwerk BuB stört und bei Worthaus offenbar gar nicht. Denn Sigfried Zimmer unterscheidet ja ganz genau so zwischen richtiger und falscher Lehre. Dauernd. Nur sagt er nicht so sachlich „falsche Lehre“ zu den Sachen die er für falsch hält sondern er sagt z.B. „balla balla“ wenn er sich z.B. darüber lustig macht, dass manche Christen doch tatsächlich glauben, dass der Teufel eine Person ist. Oder er sagt, Christen seien „eiskalt“, wenn sie glauben, dass man ohne Jesus am Ende verloren geht. Also da finde ich die Positionierung des Netzwerk BuB wesentlich nüchterner und sachlicher.
            Also: Du darfst meine theologische Position gerne als falsch bezeichnen. Dann haben wir einen geklärten Standpunkt. Das finde ich in Ordnung. Aber ich habe immer weniger Lust, als Sektierer und ähnliches bezeichnet zu werden, nur weil ich eine Meinung und einen Standpunkt habe und nicht auf den postmodernen Zug aufspringen will, der angeblich alles als gleich gültig stehen lassen will aber bei genauerer Betrachtung dann doch rasch sehr intolerant wird.

          • Kathi Kathi

            @ Markus

            Ich glaube Prof. Zimmer meinte mal in einem Vortrag, dass es die Postmoderne gar nicht gibt oder dass der Begriff zu oft verwendet wird. Ich habs nimmer genau im Kopf, aber ich bezweifle, dass er sich und seine Denkweise als postmodern bezeichnen würde.

            Darüberhinaus merke ich sehr wie der Begriff von Kritikern auf den Aspekt reduziert wird, dass die Postmoderne eine absolute Wahrheit ablehnt. Soweit ich mich jetzt damit theoretisch beschäftigt habe, geht es aber nicht darum die Dichotomie von wahr und falsch aufzulösen, lediglich der Wahrheitsanspruch von sogenannten Metanarrativen wird angezweifelt, und wenn ich es richtig kapiert habe sind solchr Metanarrativen in der Moderne entstanden, z.B. der Marxismus oder der Kapitalismus, der Darwinismus, evtl. auch die wissenschaftlichr Methode, …in der Moderne, die ihren Höhepunkt in der Aufklärung hatte wurden viele solcher Ideen entwickelt, die seitdem in manchen Kulturen als die einzig wahre Idee präsentiert wurden, z.B. Kapitalismus in den USA. Die Postmoderne versucht diese eingefrorenen Denkmuster aufzulockern und das ist auch notwendig, weil man sonst stagniert. Und ja – es wird auch auf Religion angewendet, z.B. indem man im Protestantismus mal anfängt neu zu denken und nicht nur das, was Martin Luther erdacht hat als einzig wahre Lehre zu denken. Es ist meiner Meinung nach ein absolut notwendiger Schritt für die ökumenische Bewegung, denn wenn wir immer nur auf unserer Lehre beharren und uns weigern, Dinge neu zu denken und andere Aspekte zu sehen, werden wir als Kirche niemals wieder zusammenkommen. Und schau mal, was die Moderne mit der Kirche gemacht hat. Zerrupft und zerpflückt in lauter kleine Denominationen. Das kann es doch auch nicht sein.

          • Peter Peter

            @Markus:

            Da geht ein wenig was durcheinander. Zunächst mal: wenn wir in der Postmoderne leben, dann sind wir alle postmodern. Auch Du. Es ist also nicht so, dass man so tun könnte, als sei man kein Teil davon.
            Weil Du die Wissenschaft anführst: ja, es gibt Dinge, die sind ganz klar schwarz/weiß. Die Erde ist eine Kugel und keine Scheibe. So was gibt es auch im Glauben. Gott ist der Urgrund allen Seins. Jesus Christus mit seinem Leben und Sterben und Auferstehen der Grund und das Zentrum des christlichen Glaubens. Natürlich hat Jesus gelebt. Und noch einiges mehr.
            Aber gerade aus der Wissenschaft wissen wir doch, dass sich Ergebnisse, die heute als ganz klar und gesichert gelten, morgen überholt sein können. Ebenfalls im Glauben zu finden – Frauen in Leitung, Sklavenhaltung.
            Und ebenfalls aus der Wissenschaft wissen wir, dass manche Dinge überhaupt nicht klar sind. Siehe die Quantenphysik und das Doppelspaltexperiment, mit dem nachgewiesen, dass Elektronen sowohl Teilchen- als auch Welleneigenschaften haben. Und zwar abhängig davon, ob sie beim Experiment beobachtet/gemessen werden oder nicht. Falls Du das nicht kennst, dann schlag’s im Netz nach, es ist hochinteressant. Oder hör die Podcast-Folge der Liturgists an, wo das auch als Thema vorkommt – leider auf englisch, aber extrem hörenswert. http://www.theliturgists.com/podcast/2017/2/21/how-do-we-know-what-we-know-epistemology
            Und so gibt es auch im Glauben Dinge, die weder schwarz noch weiß sind, sondern irgendwie zwischendrin und nicht erklärbar. Wir können sie – wie beim Doppespaltexperiment auch – gerade mal beobachten.

            Du findest es nüchterner, wenn man anderen den Glauben abspricht (wie BuB), als wenn man andere Theologie als „eiskalt“ bezeichnet? Gleichzeitig regst Du Dich drüber auf, dass man Dir sektiererische Züge vorwirft? Das passt irgendwie nicht ganz, oder meinst Du nicht?

            Und ja: manche Theologie ist eiskalt, weil beispielsweise über Homosexualität gesprochen wird, als ginge es um irgendeine theologische Theorie und nicht um Menschen, auf deren Leben diese Theologie einen massiven Einfluss hat – Menschen, die sich zum Teil deswegen das Leben nehmen. Oder würdest Du das als warmherzig bezeichnen?

            Ich halte Deine theologische Position nicht für falsch, aber teilweise für einseitig und für verengt. Der christliche Glaube ist meines Erachtens weiter und mehr. Und wenn ich einen Blick in die Evangelien werfe, dann sehe ich Jesus, der immer auf der Seite der Ausgestoßenen und Sünder war, sich meist mit denen gestritten hat, die sich für besonders rechtgläubig gehalten haben, und der Sätze gesagt hat wie „der Sabbat ist für den Menschen da, und nicht umgekehrt“. Warum also sollten wir mehr wert auf die Reinhaltung der Lehre legen, anstatt auf den Menschen?

            Jetzt sagst Du möglicherweise, dass die „reine Lehre“ das Beste für den Menschen ist – da würde ich prinzipiell zustimmen. Und genau deswegen müssen wir an ein paar Stellen deutlich justieren, wenn wir feststellen, dass unsere Lehre für Menschen schädlich ist. Siehe Homosexualität (oder in der Vergangenheit Frauen und Sklaven). Siehe Wissenschaft – was heute als gesichert gilt, könnte morgen überholt sein. Dem liegt aber meines Erachtens ein falsches Verständnis zugrunde. Wir wissen dass Gott und sein Wort ewig sind. Korrekt. Aber: da wir die Bibel IMMER subjektiv lesen und verstehen, ist die Lehre, die wir verteidigen, nahezu immer UNSER Verständnis der Bibel. Und das kann auf jeden Fall irren und falsch sein (und DAS kreide ich BuB an und auch Biblipedia, die sich auf das BibelVERSTÄNDNIS von BuB berufen). Und da habe ich noch nicht mal thematisiert, dass die Bibel von Menschen geschrieben wurde, die ihre Erlebnisse mit Gott niedergeschrieben haben und damit ein bestimmtes Verständnis transportieren, die möglicherweise heute anders eingeordnet werden muss, wenn wir das richtig verstehen wollen. Ebenfalls ist noch nicht thematisiert, dass das Wort Gottes natürlich Jesus ist – und nicht die Bibel. Und um Missverständnisse zu vermeiden: ich halte die Bibel für wichtig, es ist die wichtigste Quelle für Christen, um etwas über Gott/Jesus zu erfahren und ich halte jedes Buch, das in der Bibel ist, für wichtig und von Gott dort gewollt. Es bleibt eben ein Spannungsfeld, aber auch das kennen wir ja von der Bibel. Das Reich Gottes ist bereits angebrochen, aber es ist auch noch nicht vollständig da.

          • Peter Peter

            EDIT: der Satz ist unverständlich. Es muss natürlich heißen:

            „Dem Festhalten und nicht-justieren unserer Positionen liegt aber meines Erachtens ein falsches Verständnis zugrunde.“

          • Markus Markus

            @Peter und Kathi,
            ich füge meine Antwort ganz unten ein, damit wir unten wieder zusammen sind und es übersichtlicher wird.

      • Katja Katja

        Hallo Markus,
        hier an der Stelle erstmal: vielen Dank, dass du dich so in diese Diskussion investierst!
        Ich möchte dir noch einen Denkanstoß bzgl der Abendmahlsauslegung geben. Herr Zimmer hat in seinem Vortrag den Text aus dem Markusevangelium ausgelegt und wenn ich mich recht erinnere (ist schon länger her, dass ich ihn gehört hab), ging er auch auf die Fragestellung in der Wissenschaft ein, wie denn die ursprünglichen Abendmahlsworte ausgesehen haben könnten (da ja im NT vier verschiedene Einsetzungswort-Versionen stehen). Als evangelischer Landeskirchler hat man beim Abendmahl immer diese Liturgie im Kopf, wo es heißt „zur Vergebung der Sünden“. Das steht aber bei Markus nicht. Deswegen kann Herr Zimmer, wenn er den Markustext auslegt und eng am Text bleibt, auch gar nicht auf „deinen“ Abendmahlskern eingehen.
        Ich dachte auch immer, dass das voll klar ist mit dem AM und der Vergebung der Sünden, bis ich dann mal gesehen habe, dass es in der Bibel vier verschiedene Versionen der Einsetzungsworte gibt und dann kam mir (wie so oft in diesen theologischen Diskussionen) Herbert Grönemeyer und die Fanta4 in den Sinn: Es köönnt‘ alles so einfach sein – isses aaaaber nich!
        Zum Weiterdenken hier ein (für mich) sehr anspruchsvoller Text, der mir interessante Aspekte zu der Einsetzungswortthematik gegeben hat: http://www.kaththeol.uni-muenchen.de/lehrstuehle/bibl_einleitung/downloads/rep_wirkenjesu/wusrep7.pdf
        Ist halt Unitheologie – aber wenn ich manche deiner Kommentare hier lese, denke ich, du bist nicht so halsstarrig und informierst dich auch zu viel links und rechts, als dass du es kategorisch ablehnen würdest, dich da reinzulesen.
        Aus dem Text geht für mich übrigens auch hervor, dass es in der Unitheologie überhaupt nicht platt zugeht, sondern dass da ein echtes Ringen um Wahrheit stattfindet.

        • Hey, danke für den Link. Sehr spannender Artikel.
          LG,
          der Jay

          • Katja Katja

            Hey Jay,
            bitte gern. Ich hab ihn schon paarmal gelesen und noch nicht alles 100% verstanden, aber ich bleibe am Ball 🙂 Wenn du ihn ganz verstanden hast, lass gern mal hören!
            Katja

      • Katja Katja

        Hallo Markus nochmal,
        das liegt mir so auf dem Herzen…: ich möchte noch was ergänzen zu den Begriffen „Zuwendungslust“ und „Zuwendungskraft“, die Herr Zimmer verwendet hat: Ich finde, er hat sich mit der Wortwahl keinen großen Gefallen getan, weil das zwei Begriffe sind, die, wenn man sie ohne den Kontext liest (vgl mein Eindruck bei deinem Worthaus-Artikel, dass manches aus dem Zusammenhang gerissen wird und man es deshalb nur falsch verstehen KANN), den Eindruck von so einem weichgespühlten Wohlfühl-Abendmahls-Verständnis vermitteln. Als ich den Vortrag gehört habe, war bei mir aber das Gegenteil der Fall: ich war zu Tränen gerührt und tief getroffen, als ich das erste Mal gehört habe, dass sich im AM ganz besonders deutlich zeigt, welche große Sehnsucht (Hr. Zimmer: „Lust“) Gott danach hat, sich mir trotz aller meiner Schwächen und Fehler zuzuwenden und welche verändernde Kraft in der Zuwendung Gottes zu mir liegt. Und gerade deshalb sollten wir auch mit Leuten Abendmahl feiern, mit denen wir schwer auskommen, weil wir genau in diesem Sakrament die Möglichkeit haben, auf der Grundlage der bedingungslosen Zuwendung Gottes zu uns fehlerhaften Menschen uns auch den anderen Menschen in ihren Schwächen und Fehlern zuzuwenden und das zu feiern.
        Katja

  23. Erwin Wandel Erwin Wandel

    Der ganze evangelische Laden führt doch immer mehr ins Nirvana, Werdet lieber katholisch. Aber da macht die Liberalisierung besonders angeregt durch den jetzingen Papst und manche Bischöfe auch Fortschritte. Wie wollen die Menschen einmal vor dem lebendigen Gott, er auch Richter ist, sich rechtfertigen, wenn sie den Glauben weitgehend verleugnen und sich eigene Gottesbilder machen, die weit weg sind von dem, was die Bibel und die christliche Tradition lehren und fordern.

    • ein Mensch ein Mensch

      tja blöd nur, dass dich JEDER sein Gottesbild zusammenbastelt, wie er will. Ob ich jetzt jeden Bibelvers auswendigkenne oder nicht.
      Da spielt doch einfach meine Sozialisation und psychologische Persönlichkeit eine große Rolle.
      Aber wenn du den Richter brauchst, bitte schön. Versuche bitte nicht, den anderen auch überzustülpen.

      • Erwin Wandel Erwin Wandel

        Gottesbild zusammenbasteln? Das stimmt aber nur da, wo es keine Lehrinstanz gibt wie bei den Protestanten. Da kann jeder sein eigener Papst sein und auch die vielen verschiedenen Gemeinden bzw. Gemeindeleiter können den eigenen Papst spielen. Sozialisation usw. spielen dann auch mitherein, Bei der katholischen Kirche ist das nur wenig der Fall, weil deren Lehre überJahrhunderte fest steht. Nur neuerdings und mit dem jetzigen Papst wird das geändert, wenn auch nicht offiziell, so aber doch praktisch. Auch einige Bischöfe lehren etliches anderes als früher, wobei das falsch ist. Ich spiele hiermit auf die Juden und den Holocaust an. Weil der war, wollen einige den Juden eine eigene Heilsversion ohne Jesus zumessen, was aber nicht geht, weil Jesus für ALLE Menschen gestorben ist, also auch für die Juden. Christen können nicht antisemitisch sein, aber dürfen wegen der Nazizeit die biblische Lehre auch nicht ändern. Ohne Jesus kein Heil.

        • Ina Ina

          Na ja, das ist eine seeehr vereinfachte Lesart katholischer Traditionen. Die zentrale Lehrinstanz in Rom hatte auch immer Gegenspieler, v.a. in den Köstern.

          Dass Ignatius von Loyola nicht verbrannt wurde (obwohl er schon im Kerker lag), ist ein echtes Wunder! Um ihn zu entschärfen, hat man ihn heilig gesprochen, eine Möglichkeit, die wir natürlich nicht haben… – kleine Polemik, die nicht von mir stammt, sondern von einem katholischen Podcast, den ich regelmäßig höre. 😉

          Aber im Ernst: Franziskus provoziert gerade Frontlinien, die äußerst kompliziert sind. Da stellen sich plötzlich Superkonservative (die seine Inhalte gar nicht teilen) auf seine Seite, weil es um das Papsttum an sich geht. Während ihn Konservative, die sich selbst als Hüter des Katholizismus sehen, angreifen. Die inhaltlichen Auseinandersetzungen zwischen Konservativen und sog. Progressiven laufen im übrigen auf genau das gleiche raus wie in evangelischen Kreisen.

          Ich kann hierzu nur den katholischen Podcast „Gretchenfrage“ empfehlen, den ich regelmäßig selber höre, speziell die Folge „Wie hälts Du’s mit dem Papst“:

          https://www.gretchenfrage.net/2017/03/06/gfst04-gretchenfrage-crossover-stammtisch-wie-haltst-dus-mit-dem-papst/

          Die Kommentare zu dieser Folge haben sich derart überschlagen und es wurde so unterirdisch, dass die Betreiber erstmals gelöscht (!) und Regeln für das Kommentieren aufgestellt haben! Da muss ich zur Harmonie des Papsttums ja nicht noch mehr sagen…

          Geschwisterliche Grüße!

  24. Da es hier teilweise auch um das Sühneverständnis geht, ich lese gerade die Losung von heute:

    Jesus spricht im Gleichnis: Der Zöllner stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus.

    Das ist ja interessant, ein einfaches Gebet scheint den Zöllner bereits zu rechtfertigen.

    Ebenso sagt Jesus zu dem Gelähmten „Deine Sünden sind dir vergeben!“, wobei die Reaktion der Pharisäer (Nur Gott kann Sünden vergeben) darauf hindeutet, dass Gott das einfach so machen kann.

    Wenigstens demnach scheint es so zu sein, dass Jesus nicht sterben musste, UM Sünden zu vergeben, sondern WEIL er Sünden vergibt.

    Denn das ist ja auch klar: Indem er Sünden vergibt und somit Menschen freisetzt und einen Neuanfang gewährt, nimmt er den Privilegierten und Mächtigen deren mächtigste Waffe weg, die Unterprivilegierten und Ohnmächtigen kleinzuhalten. Denn gängeln, bestrafen und stigmatisieren und somit gefügig machen kann man nur Menschen, die in der Schuld stehen.

    Wenn also die Sünde der Mächtigen ihr MITTEL ist, um die Ohnmächtigen kleinzuhalten und die Sünde der Ohnmächtigen eine FOLGE Ihrer Ohnmacht, dann stirbt Jesus für beide. Vergebung gibt es nur, wenn die Ohnmächtigen in Jesus den Mächtigen sehen, der sie von ihrer Sünde reinwaschen und rehabilitieren kann und die Mächtigen in Jesus den Ohnmächtigen sehen, an dem sie sündig geworden sind.
    Wenn es aber Vergebung nur geben kann, wenn sich nicht nur Gott mit den Menschen identifiziert, sondern sich (in Jesus) der Mensch mit dem Mitmenschen identifiziert, dann geschieht am Kreuz das, wofür Jesus im hohepriesterlichen Gebet bittet: Dass sie alle eins sein sollen.

    Ich mach an der Stelle mal Punkt. Ich muss es noch zu Ende denken.

    Und ja, guter Talk 🙂 Buchtipp dazu: Antifragilität von Nassim Ben Taleb. Ich denke widersprüchliche Meinungen sind wichtig, da Reibung den Glauben antifragil macht.

    • Ina Ina

      Ha!!! Das sind ja mal spannende Gedanken! Vielen Dank dafür! 🙂

  25. Ina Ina

    Hallo Markus,

    das mag sein, dass der Verlust seelsorgerlicher Kompetenz etwas damit zu tun hat, dass manche Pfarrer selber nicht besonders „spirituell“ sind. (Neben der betreffenden Pfarrerin habe ich allerdings auch andere kennengelernt!)

    Dann frage ich mich aber 1., was ist mit Spiritualität gemeint? Wenn jemand wie Du, der aus dem schwäbischen Pietismus stammt, das sagt, dann klingt das einigermaßen schräg. Bis in die 80er Jahre war der Pietismus, wie ich ihn kennengelernt habe (ich komme auch aus einem pietistischen Kernland), die trockenste Angelegenheit, die man sich vorstellen kann. Vor der charismatischen Erneuerung ab den 90ern waren für einen Pietisten alle „Schwärmer“ Ketzer… 2. muss ich dazu kritisch anmerken, ob das tatsächlich der liberalen Theologie angelastet werden kann. Liberale Theologen sind so unterschiedlich, dass man das weniger gut definieren kann, als man spontan glaubt. Manche waren klassische Offenbarungsvertreter, andere eher Anhänger der natürlichen Theologie. Da gab es einige, die persönlich sehr fromm waren, das aber in einer Sprache ausdrücken, die Du als Abfall vom Glauben interpretierst. Bultmann z.B. (von dem ich kein Fan bin, aber ich verteidige ihn jetzt mal, weil ich die evangelikale Kritik an ihm total unfair finde) war ganz sicher ein gläubiger Mensch.

    Oft wird unter liberaler Theologie verstanden, dass man Glaubensinhalte säkularisiert und das Übernatürliche abschafft. Das sehe ich nicht bei allen. Wenn Bultmann sagt, Christus sei auferstanden in die Verkündigung, dann ist das nicht weniger übernatürlich. (Und v.a. ist es nicht das gleiche, was man heutzutage gern unter „liberal“ versteht: Auferstehung in die Herzen = Erinnerung) Ich teile seine Ansicht nicht, halte sie aber auch nicht für falsch (wenn auch ergänzungsbedürftig). Mit einem modernisierten Luther könnte man nämlich sagen, dass Christus sich ereignet, v.a. in der Predigt mit Hilfe des Heiligen Geistes (Verkündigung und Zusagen Gottes – „solo verbo“). Die (Ent-)Mythologisierungsdebatte lasse ich jetzt mal weg, da folge ich ihm überhaupt nicht, würde aber sagen, er hat sich daran abgearbeitet, dass Christen ihre Sprachfähigkeit nicht verlieren dürfen, daraus aber falsche Schlüsse gezogen. Deshalb würde ich aber nicht den kompletten Bultmann in die Tonne treten.

    Tillich, ein anderer klassischer liberaler Theologe, hat sich mit einem ähnlichen Problem beschäftigt und anders gelöst (er war halt auch kein Offenbarungstheologe). Was meinen wir, wenn wir von Gott sprechen? Also hier wieder das Thema Sprachfähigkeit. Von Tillich habe ich enorm viel gelernt, obwohl er mir grundsätzlich viel zu abstrakt ist. Seine Beschäftigung mit dem Gebet z.B. ist tiefer, als ich es von einem Pietisten oder Lutheraner jemals gehört habe! Er hat außerdem sehr intelligent darüber geschrieben, was eigentlich passiert, wenn ein Mensch vom Nicht-Glauben in den Glauben wechselt. Und damit letztlich Offenbarung von der subjektiv-aneignenden Seite behandelt. Daran knüpfen inzwischen einige hermeneutische Theologen an (z.B. Ingolf Dalferth, der KEIN Liberaler ist).

    Schließlich Schleiermacher, der Urknall der liberalen Theologie. Wenn man ihn – wie Du – als Anfang „des Dramas“ bezeichnet, dann versteht man überhaupt nicht, worauf er reagiert hat. Durch die Aufklärung hatte sich eine Philosophie entwickelt, die Gott durchsäkularisiert hat: als Vernunft oder Weltgeist. Vom persönlich relevanten Glauben blieb nicht mehr viel übrig. Und genau dagegen wendet sich Schleiermacher, wenn er von der absoluten und unbedingten Abhängigkeit von Gott spricht und wenn er darauf hinweist, dass der Buchstabe tot ist, wenn er nicht auch empfunden wird. Geistesgeschichtlich gehört er also in die Epoche der Romantik, die eine Kritik des Rationalismus der Aufklärung war. (Romantik meint nicht – wie im heutigen Sprachgebrauch – „Gefühlsduselei“, sondern eine philosophische und politische Strömung, Heinrich Heine und die Revolution von 1848 gehören hier auch hin.)

    Alle diese Epochen sind geistig bis heute wirksam, parallel als Deutungsangebote der Wirklichkeit. Wenn man das nicht ernst nimmt, versteht man unsere Welt nicht. Ein normaler Christ muss das auch nicht unbedingt, aber ein Theologe.

    Die Theologen von unabhängigen (nämlich evangelikalen) Ausbildungsstätten lernen das nicht, sondern sie verteufeln alles, was ihrer eigenen Theologie nicht entspricht. (Selbstverständlich gibt es Ausnahmen.) Sie meinen, ihre Auffassung sei die „richtige“ und „traditionelle“, von der alle anderen abfallen. Sie lernen nicht, sich selber auch historisch einzuordnen. Der Pietismus des 17. Jahrhunderts war eine Reaktion auf die erstarrten Strukturen der lutherischen Orthodoxie. Im 19. Jahrhundert blühte der Pietismus neu, weil der Kulturprotestantismus ein Hoch hatte (dem hätte Schleiermacher garantiert widersprochen, obwohl beides unter „liberal“ läuft). Im 20. Jahrhundert veränderte sich der Pietismus, weil er einen evangelikalen Re-Import aus den USA erlebte (die schon immer eine andere Theologie vertraten als die Mehrheit der deutschen Protestanten), übernahm schließlich auch charismatische Elemente (die sich wiederum erst nach Schleiermacher entwickelten und ihn gar nicht kennen, schade eigentlich).

    Evangelikale Theologen haben oft solche Denkverbote, dass sie die verteufelten Bücher noch nicht mal lesen. Ich habe erst einen einzigen getroffen, der tatsächlich Bultmann gelesen und verstanden und dann nüchtern eingeordnet hat und sagte: „Der kocht auch nur mit Wasser.“ – DAS wünsche ich mir von evangelikaler Seite!

    „Liberal“ scheint ein Etikett zu sein, das man all denen aufklebt, die eine flexiblere Art zu denken haben. Und das überträgt man dann auf die gesamte Universitätstheologie. Was Unsinn ist. Eine Arbeit in der heutigen Systematischen Theologie muss v.a. Karl Barth draufhaben und sich dazu positionieren, nicht unbedingt Tillich oder Bultmann. Da werden dann Leute als Liberale eingeordnet, die definitiv nicht liberal (im Sinne von säkular oder anti-orthodox) sind. Siegfried Zimmer (an dem ich im Detail auch immer mal wieder Kritik habe) ist kein Liberaler. Wilfried Härle, dessen „Dogmatik“ ein theologisches Standardwerk an den Universitäten ist, ist kein Liberaler. Beide predigen allerdings keinen Zorn Gottes, darauf legen ja viele Evangelikale wert. Sondern dass Gott ein „Backofen voller Liebe“ ist. Aber das ist nicht liberal, sondern wörtlich Luther.

    Sie führen den lutherischen Ansatz fort, weil die Reformation nie abgeschlossen ist. Der Kern hierbei ist: Gott hat sein grundsätzliches Wesen in Christus offenbart. Wenn ich da eine Spaltung in Gott wieder einführe (Liebe gegen Zorn), verrate ich Christus. Die Bibel ist in diesem Licht zu lesen und (in der Deutungsgemeinschaft der Christen) zu gewichten. Selbst Autoritäten wie Paulus sind davon nicht prinzipiell ausgenommen, das steht schon bei Luther.

    Die starke evangelikale Betonung von Gottes Zorn und das flache Lesen der Bibel (alle Teile sind gleich wichtig) wird übrigens auch von Alttestamentlern infrage gestellt. Lies mal Jörg Jeremias zur „Reue Gottes“ und zur theologischen Entwicklungsdynamik im AT. Der Ausdruck „Reue“ ist biblisch, das hat er nicht erfunden. Jeremias ist auch mal wieder kein Liberaler, sondern gehört zu den Universitätstheologen, die sehr ernst nehmen, dass die Bibel die Geschichte Gottes mit den Menschen und seine fortschreitende Offenbarung beschreibt. Wir sind eine geschichtliche Religion! Deshalb wird seit 2000 Jahren immer wieder unter neuen historischen Bedingungen verhandelt, in welchem Verhältnis neu und alt stehen und was überhaupt jeweils neu und alt ist! Man könnte z.B. sagen, dass der Evangelikalismus, wie Du ihn vertrittst, relativ neu ist, während der „Backofen voller Liebe“ ziemlich alt ist.

    Falls ich mich irgendwie komisch ausgedrückt habe, frag gerne nach! Ich neige dazu, gedankliche Zwischenschritte auszulassen und bin dann manchmal nicht gut verständlich… *grmpf* Ich bin jetzt aber über Pfingsten wieder weg und könnte nicht sofort antworten.

    Lieben Gruß, Ina

    P.S.
    Nur um es nochmal deutlich zu sagen: Ich bin selber keine Liberale, schätze aber deren Beiträge.

    Ich lehne auch den Sühne-Gedanken nicht komplett ab, denn er ist biblisch (wenn auch nicht der einzige, wenn es um das Kreuz oder Sünde geht). Ich lehne lediglich die Betonung des Opfers (im Sinne von Gott opfert seinen Sohn), den anthropomorphen Zorn und die Idee ab, Gott müsse Blut sehen. Wie Gofi schreibt, ist das nicht DIE Sühnetheologie, sondern eine bestimmte (die des Anselm).

    Wenn man die Dreifaltigkeit Gottes ernstnimmt, darf man Gott nicht mehr aufspalten in Zorn des Vaters, der seinen Sohn opfert. Sondern dann hat Gott SICH SELBST geopfert. FÜR UNS (Luther).

    • Peter Peter

      Tierischer Beitrag Ina, den hab ich sehr gern gelesen und einiges gelernt. Danke, dass Du Dir die Mühe gemacht hast!

    • Das sind brilliante Linien, die du zeichnest. Ich würde sie vielleicht um die ganz große ergänzen, dass seit 2000 Jahren die Christen einfach wissen, dass Jesus „für ihre Schuld bezahlt hat“ oder sie wahlweise „gerettet“ hat, selbst wenn die meisten das gar nicht theologisch korrekt artikulieren oder gar begründen können. Reinhard Lauth spricht hier in Ergänzung zu Evidenz von Sazienz: man lässt sich von dem, was einem (am Kreuz) begegnet, ergreifen. Nicht nur geht also der Existenz die Essenz voraus, sondern scheinbar auch das Ergriffen sein dem Begreifen. (Das habe ich schön gesagt). Und das ist wahrscheinlich dann auch der Punkt, an dem Christen trotz aller Theololügen eins sind.

    • Super prägnante Übersicht. Respekt und vielen Dank, Ina.

      In den letzten Jahren sind so viele populärwissenschaftliche Bücher und Podcasts zu ass Klassikern der Philosophie oder Soziologie auf den Markt gekommen, da wünsche ich mir aus theologischer Laie manchmal was Entsprechendes zu Klassikern der Theologie.

      Mich stört auch immer dieser „warnende“, brandmarkende Ton von konservativer Seite. Es ist eine Sache, Standpunkt x besser zu finden als y oder z. Es ist eine ganz andere Sache, zu sagen, man „darf“ eigentlich nur x vertreten und sich mit y und z nur unter der Bedingung beschäftigen, dass am Ende bitte auf jeden Fall x rauskommt. Das ist intellektuell unredlich und ideologisch verdächtig.

    • Senfkorn Senfkorn

      Liebe Ina,

      ich finde deinen Beitrag total gut. Ich kann deine Vorbehalte gegenüber freien „evangelikalen“ Ausbildungsstätten zu 100% bestätigen, da ich selbst eine solche Ausbildungsstätte besucht habe. Dort wurde Theologie durch Abgrenzung betrieben. Als Feind Nr. 1 musste ein ums andere Mal die Universitätstheologie herhalten. „Stellt euch einmal vor, dort glauben sie nicht einmal mehr, dass…“ Alle saßen mit großen Augen im Unterrichtssaal und haben nur mit dem Kopf über die böse Universitätstheologie geschüttelt. Eine differenzierte Beschäftigung mit unterschiedlichen theologischen Strömungen und deren Anliegen fand zu keiner Zeit statt. Auch blieben die Errungenschaften der Theologie gänzlich unerwähnt. Ohne die akribische Arbeit an den Universitäten hätten wir keine kritischen Textausgaben des griechischen Neuen oder des hebräischen Alten Testaments und damit keine tragfähige Grundlage für eine deutsche Bibelübersetzung.
      In meiner eigenen Beschäftigung mit der Bibel haben sich mir immer wieder kritische Fragen aufgedrängt. Diese hatten an der Ausbildungsstätte keinen Raum. Die Bibel ist fehlerlos und hat keine Widersprüche, das ist zu glauben, auch wenn mir mein Verstand etwas anderes sagt…

      Das ist ja auch so in etwa von Markus gegen Ende des Talks behauptet worden. Wort Gottes und Fehler bzw. Widersprüche würden nicht zusammenpassen. Da stellt sich mir immer die Frage, was die entsprechenden Personen mit „Wort Gottes“ meinen. Ist die Lutherbibel „Wort Gottes“ oder muss ich dafür zum griechischen bzw. hebräischen Urtext (den es so ja überhaupt nicht mehr gibt) greifen? Ganz neben bei bemerkt ist die Zusammenstellung des Kanons in der Lutherbibel nicht unproblematisch. In der Lutherbibel begegnet uns ein Hybridkanon, den es vor Luther in dieser Form überhaupt nicht gegeben hat. Luther hat sich nämlich auf den Umfang des hebräischen Alten Testaments zurückbesonnen, gleichzeitig aber die Buchabfolge der Vulgata (lateinische Bibelübersetzung) beibehalten. Dadurch ist ein vollkommen neuer Kanon entstanden. Leitend für Luther war dabei eine bestimmte theologische Überzeugung. Endgültig erschüttert wurde mein Glaube an die Fehlerlosigkeit der biblischen Schriften als ich mich mit Textkritik beschäftigt habe, der Wissenschaft, die versucht, aus der Fülle der antiken Bibelhandschriften (die qualitativ große Unterschiede aufweisen) eine möglichst alte Textform zu rekonstruieren. Den Urtext haben wir nämlich leider nicht mehr.

      Für mich ist entscheidend, dass Gott sein Wort den Menschen anvertraut hat. Damit hat er automatisch in Kauf genommen, dass Fehler passieren werden. Außerdem behaupten die biblischen Schriften nirgends, Wort Gottes zu sein. Von Jesus Christus wird gesagt, dass er das Wort Gottes ist. Von daher würde ich sagen: In der Bibel kann ich Gottes Wort begegnen, aber: „Die Bibel“ ist nicht Gottes Wort. Ich hoffe, das war nicht zu konfus.
      Viele Grüße

      • Markus Markus

        Liebe Ina, liebe alle, wenn ihr so begeistert seid von Bultmann und Co., dann gründet und baut Gemeinden mit dieser Theologie! Und wenn eure Gemeinden blühen und wachsen freue ich mich. Ich persönlich glaube nicht daran (zumindest sehe ich es nirgends) und möchte es deshalb mit einer konservativen Theologie versuchen, weil ich in meinem Umfeld erlebe, wie viel positive Frucht daraus wächst. Aber ihr dürft euch freuen: Es gibt haufenweise Ausbildungsstätten, in der Leute wie ihr in die ganze Tiefe und Breite der theologischen Welt eindringen können. In meiner Kirche darf sowieso keiner Pfarrer werden, ohne tief in diese ganze liberale Theologie einzudringen. Ich sehe nicht, dass meine Kirche davon profitiert, ganz im Gegenteil. Deshalb würde ich mir wünschen, dass ihr respektiert, dass es Christen und Gemeinden gibt, die sich eine konservative Theologie wünschen, in der ein paar Dinge einfach klar sind. In der man z.B. einfach fröhlich singen kann: „Freuet euch das Grab ist leer“ ohne dass jemand auf die Idee kommt, hinterher noch anzumerken, dass es ja wahrscheinlich in Wirklichkeit gar nicht leer war. Und deshalb würde ich mir wünschen, dass ihr respektiert, dass solche Gemeinden sich wünschen, dass die paar wenigen konservativen Ausbildungsstätten auch konservativ bleiben. Das fände ich zumindest respektvoll. Ich hoffe, wir treffen uns im Himmel, und dann können wir sehen, welche Theologie mehr Frucht gebracht hat… 🙂

        • Britta Britta

          Lieber Markus,
          Wovor hast du eigentlich wirklich Angst?
          Wenn „deine Lehre“ die richtige ist, meinst du nicht, dass Gott dann das Gute und Wahre bewahren wird in den Menschen, die sie hören und für sich als grundlegend erkennen?
          Glaubst du nicht auch, dass der Vater, den Jesus uns gezeigt hat, größer und barmherziger und reicher und tiefer und „listiger“ ist, als alles, was wir – egal, ob du, die Evangelikalen, Hossa, Worthaus, der Papst und wer sonst auch immer – glauben erkannt zu haben?
          Worthaus, Hossa u.a. sind nicht sonderlich „missionarisch“ in dem Sinne, dass sie deine Kirche stürmen, alle anpredigen und weg-überzeugen werden, um sie auf dem Irrweg ins Sonstwohin zu entführen.
          Und falls doch, habe ich den guten Hirten in Joh. 10 und Hes. 34 so verstanden, dass er sich aufmachen, sein Leben hingeben, sie aus dem Tod wieder herausreißen und ihnen das ewige Leben schenken wird – überströmendes Leben!
          Darin sind sich Jesus und sein Vater total einig!
          … Und Jesus wäre dafür einmal mehr fast gesteinigt worden …

          Jede Kirche und Philosophie mit ihrem Glaubens-, bzw. Denk-System wird sich irgendwann einmal „auflösen“ müssen – wie ein Samenkorn, das in die Erde fällt und stirbt – damit sich zeigt, was Lebendiges, Leben-bringendes in darin steckt!
          Das ist sicher immer sehr verunsichernd, wenn das passiert – sogar Jesus hat es bis ins Mark erschüttert!
          Ich finde es sehr bezeichnend, dass er genau in dem Moment, als Philippus ihn mit der Gruppe Griechen (den Denkern, Philosophen) zusammenbringen will, nichts weiter dazu sagt, als das Gleichnis vom Weizenkorn!
          Letztlich geht es nie nur um die Ideen und Interpretationen und Glaubenssätze, sondern darum, zu was für Menschen sie uns machen!
          Das kann für „äußere“ Augen lange unsichtbar bleiben, weil wir Menschen oft so schwerfällig und zerrissen sind wie eine Titanic nach dem Eisberg-Crash…
          Aber Jesus sieht das Neue vom Reich Gottes her schon wachsen!

          Ich glaube, du brauchst die Welt nicht zu retten, das macht der gute Gott schon – auch durch das, was er uns in Jesus vor Augen gemalt hat!
          Fürchte dich nicht : )

          • Britta Britta

            … und noch ein Gedanke zu deinen Abendmals-Gemeinschafts-Denken:
            Der Mann, der in Jesu Gleichnis vom Nächsten unter die Räber gefallen ist, hat die Theologie /den „unsauberen Glauben“ der Samaritaner vorher möglicherweise auch abgelehnt und keine Gemeinschaft mit ihnen gehabt. Doch als sein Leben am seidenen Faden hing, wäre es nicht so weise gewesen, seine Hilfe und Hingabe abzulehnen…
            Vielleicht weigerst du dich, mit einem „Sigi Zimmer-Christen“ Abendmahl zu feiern, aber im Falle eines schweren Blutverlusts würdest du wohl nicht nein sagen, wenn er dir sein Blut opfern/spenden würde, damit du Leben hättest… oder ?
            Und ich denke, ein Sigi Zimmer, Gofi oder Jay würde es dir nicht verweigern ; )

        • Senfkorn Senfkorn

          Lieber Markus,
          ich respektiere es und finde es legitim, wenn freie Ausbildungsstätten sich ein konservatives Profil geben. Ich bin auch sicher, dass es konservative Ausbildungsstätten gibt, die eine gute Arbeit machen. Ich kann nur für das sprechen, was ich erlebt habe. Meine Erfahrungen waren leider anders. Ich finde es auch vollkommen in Ordnung, wenn es Gemeinden mit einer konservativen Prägung gibt. Für diese Gemeinden ist es natürlich wichtig, dass sie bei einem Pfarrerwechsel keinen „Liberalen“ vor die Nase gesetzt bekommen.
          Du hast in deinem Beitrag von Respekt gesprochen. Diesen Respekt vermisse ich häufig von konservativer Seite. Schade finde ich, dass ein gemeinsames Miteinander schon am Bibelverständnis scheitert. Wenn ich sage, dass ich nicht an die Irrtumslosigkeit und Widerspruchsfreiheit der Bibel glaube, dann gibt es in den Augen vieler Konservativer keine Gesprächsgrundlage mehr. Dabei liebe ich die Bibel über alles und ich bin der festen Überzeugung, dass Gott durch sie mir unglaublich viel für mein Leben zu sagen hat. Ich kann nur nicht gegen meinen Verstand daran festhalten, dass alles genauso von Gott eingegeben worden ist. Ich würde mir wünschen, dass von konservativer Seite auf meine Anfragen eingegangen wird, ohne dass von mir gefordert wird, dass ich`s halt glauben muss… Ich hoffe auch, dass wir uns im Himmel treffen, aber dann würde ich mir wünschen, dass wir nicht darüber diskutieren welche Theologie die „erfolgreichere“ gewesen ist.

          • Katja Katja

            Hey Senfkorn,
            mir ist gerade beim Bibellesen ein Vers voll ins Auge gestochen, den ich noch nie gelesen habe: Johannes 5,39-40 (Jesus sagt:) „Ihr erforscht die Schriften, weil ihr meint, in ihnen ewiges Leben zu haben – und sie sind es auch, die Zeugnis über mich ablegen – und doch wollt ihr nicht zu mir kommen, um Leben zu haben.“
            Wie krass. Jesus selbst sagt zu den „Schriftgläubigen“ ganz deutlich, dass ihre heilige Schrift ein Zeugnis für ihn ist, aber offenbar noch ein Unterschied besteht zwischen der Schrift und Gott. Denn die Schrift kann kein ewiges Leben geben. Ich dachte so beim Lesen: Wow, das geht ja ziemlich gegen Verbalinspiration und die Schrift als totale Offenbarung Gottes, weil man nicht einfach nur durchs Schrift-Erforschen ewiges Leben bekommt, sondern nur in der Begegnung mit dem lebendigen Jesus. Also das nur DAS Leben uns wirkliches Leben geben kann und nicht die Buchstaben der Schrift… Wie liest du diese Verse? Und ihr anderen?

        • Ina Ina

          Hallo Markus,

          wenn es Dir ernsthaft um Verstehen geht, dann solltest Du Dir dringend angewöhnen, das, was andersdenkende Christen sagen, nachzuvollziehen. (Nachvollziehen bedeutet nicht: billigen. Dieses Missverständnis erlebe ich häufiger bei Konservativen…)
          D.h. konkret: lesen und verstehen, was ich geschrieben habe, nicht was Du darin sehen möchtest!

          Zur Erinnerung (all das habe ich Dir klar gesagt, also verinnerliche es bitte, bevor Du beleidigte Kommentare schreibst – ich verballer hier übrigens Stunden meiner Freizeit, während ich nebenbei noch zu Terminen durch halb Süddeutschland herumfahre, weil mir am Dialog liegt, also wertschätze das bitte insofern, dass Du es sorgfältig liest und bei Deinen Schlussfolgerungen berücksichtigst):

          – Ich bin keine Liberale.
          – Ich habe dargelegt, dass die Definition von „liberal“ nicht einfach ist und das als Schnellschuss-Etikett niemanden weiterbringt.
          – Ich bin der Ansicht, dass „liberal“ v.a. als Sammelbecken-Schublade für Konservative dient, die damit auch Menschen wie mich „denunzieren“, um sich inhaltlich nicht weiter auseinandersetzen zu müssen. Das ist unredlich.
          – Ich habe ganz oben ganz deutlich gesagt, was für mich persönlich nicht verhandelbar ist: Auferstehung und Gottessohnschaft. Also komm bitte ausgerechnet mir gegenüber nicht mit vollem oder leeren Grab! Danke.
          – Ich kann mit Bultmann nichts anfangen, sehe aber, dass er auf seine Weise Problemen begegnet, die sich seit der Neuzeit und nun in der Spätmoderne den Menschen aufdrängen.
          – Ich kritisiere v.a., dass die meisten evangelikalen Theologen Andersdenkende verteufeln, statt sie nüchtern zu kritisieren und einzuordnen.
          – Ich sehe als Hauptproblem, dass viele Konservative ihre eigene theologische Herkunft nicht historisch einordnen können. Deshalb kommen sie auf die irrige Idee, die ewige Wahrheit zu besitzen. Aber auch sie sind nur irdene Gefäße für den Geist Gottes.
          – Ich habe an keiner Stelle (und würde das auch nie tun!) konservativen Gemeinden ihre Bedürfnisse abgesprochen. Darum ging es doch gar nicht!

          DU wolltest von mir wissen, warum ich keine Pfarrer aus evangelikalen Ausbildungsstätten in der Landeskirche haben will. Darauf (und nur darauf) habe ich Dir geantwortet.

          Die meisten hier, die mir geantwortet haben (danke schön dafür @alle), waren v.a. davon angetan, dass ich eine kurze selektive Geschichte der Theologie (als Nicht-Theologin und nur in meiner persönlichen Interpretation) übersichtlich dargelegt habe. Da besteht offenbar ein Bedarf, um auf dieser Basis selber weiterzudenken. (@Florian: Wenn ich mal über eine gute Geschichte der evangelischen Theologie stolpere, sag ich Dir Bescheid. Ich suche auch noch danach.)

          Deine Definition von „Erfolg“ hast Du jetzt von außen in unsere Kommunikation eingeführt. Ich teile sie nicht, sondern messe Erfolg weniger quantitativ als qualitativ. Was Du unter Erfolg verstehst, läuft für mich eher unter klassischer Werkgerechtigkeit…

          Wo werden denn diejenigen, die z.T. hochverletzt die evangelikale Welt verlassen, aufgefangen (sofern sie nicht ganz ihren Glauben verlieren)? Übrigens interessant, dass die Gründe, warum evangelikal Geprägte ihren Glauben verlieren, ziemlich andere sind, als ich das aus normalen Landeskirchen-Gemeinden kenne…
          Was nützen schnell wachsende Gemeinden, wenn ihre „Opfer“ von den Normalo-Landeskirchen-Gemeinden nachbetreut werden müssen?

          Die Pfarrerin, bei der ich am Pfingstsonntag in der Kirche war (eine andere als die, über die ich mich ganz oben beschwert hatte!), hat uns kurz vor dem Abschlusssegen daran erinnert, dass es der Segen des LEBENDIGEN Gottes ist, dessen Geist ÜBERRASCHEND wirkt und gern mal alles durcheinanderwirbelt. (Ihre Pedigt ging übrigens über die Verschiedenheit, die der Heilige Geist an Pfingsten in der Urgemeinde zusammenbrachte, ohne ihre Verschiedenheit einzuebnen…)

          Ich kann verstehen, dass es Geschwister wie Dich gibt, die statt Überraschungen gerne klare Regeln haben möchten, an denen sie sich orientieren können. Das will ich auch niemandem wegnehmen. (Ich bin also dafür, das bei der Pfarrerauswahl für Landeskirchen-Gemeinden zu berücksichtigen. Allerdings ist das bei uns nicht so problematisch und akut wie in Württemberg bei Euch.)

          Umgekehrt erlebe ich es aber leider allzu oft, dass genau diejenigen, die ihre Sicherheit in Glaubensdingen nicht verlieren wollen, mir gerne meine Freiheit, zu der mich Gott bei meinem Namen gerufen hat, wegnehmen möchten. Und mir auch ganz schnell mal mein Christ-Sein absprechen. Mit welchem Recht? Was sagte Jesus über die selbsternannten Rechtgläubigen nochmal?

          Eine angesäuerte Ina
          (die Dir trotzdem einen Segen zu Pfingsten schickt)

          P.S.
          Ich hatte noch einiges über den diesjährigen Konfi-Jahrgang in meiner Heimatgemeinde geschrieben, um meine Überzeugung „Qualität statt Quantität“ zu veranschaulichen an jungen Leuten, die bei unserem Pfarrer von klein auf seit dem Kindergottesdienst Mündigkeit gelernt haben. Wie herausfordernd und toll die sind – was beweist, dass der Pfarrer zu recht in der Landeskirche für seine Arbeit (besonders die Konfi-Betreuung) bekannt ist.

          Die Zahlen für die Konfis sind übrigens auch gut. Das Problem meiner Landeskirche liegt woanders, aber das haben wir noch nicht mal im Ansatz gestreift, Markus!

          Also hab ich das wieder gelöscht. Ich schreibe sowieso schon zu viel und habe auch keine Lust, neue Missverständnisse zu produzieren, bevor wir überhaupt zu den Themen kommen, die ich wichtig finde. 🙁

          • Markus Markus

            Liebe Ina, liebe alle,
            ich bitte um Entschuldigung, dass ich ein wenig knapp antworten musste, weil ich in der letzten Woche sehr vielen Leuten Rückmeldung geben sollte und wollte und auch meine Zeit begrenzt ist. Das heißt nicht, dass ich nicht alles gelesen habe. Ich lasse eure Aussagen gerne hier so stehen. Nur folgendes möchte ich anmerken: Wenn ich einen Theologen wie Schleiermacher ablehne, dann „verteufele“ ich ihn nicht sondern habe eine andere Meinung. Und ich habe nicht von „Erfolg“ sondern von „Frucht“ gesprochen. Frucht ist auch für mich zunächst qualitativ, wobei gute Qualität sich m.E. auf Dauer auch dadurch beweisen muss, dass sie in Quantität mündet. Und wie kommt ihr auf die Idee, dass es nur bei Evangelikalen Verletzte gibt? Ein guter Bekannter von mir wurde als Evangelikaler so bösartig von Liberalen gemobbt, dass ihn das jahrelang aus der Spur gebracht hat, weil man ihn vor dem ganzen Dorf bloßgestellt und ausgegrenzt hat. Und noch ein letztes: Ich habe keine Angst sondern eine Meinung. Ich liebe auch nicht Regeln sondern Jesus und sein Wort. Also nochmal: Geben wir uns doch respektvoll einander frei, unser Christsein liberal, progressiv oder konservativ zu leben und Gemeinden mit liberaler, progressiver oder konservativer Theologie zu bauen. Seid gesegnet, Markus

  26. ein Mensch ein Mensch

    Das finde ich auch. Vor allem wird auch klar, das der Glaube dynamisch ist und trotzdem etwas verbindes hat. Über Epochen hinweg und er hat trotzdem Kraft.ohne alle Dogmen aufs Komma genau runterzubeten.

  27. Mal was Grundsätzliches zur Bibel.

    Die Frage ist nicht, was in der Bibel steht. Die Frage ist, was das, was in der Bibel steht, BEDEUTET.

    Diese Frage kann man nicht durch den Verweis auf den Bibeltext beantworten. Sinn muss aus Texten immer herausgelesen werden. Der Text allein kann nicht erklären, was er bedeutet, denn dann müsste er auch diese Erklärung wieder erklären usw

    Genausowenig erhalte ich die Erklärung für Stelle x ALLEIN durch Verweis auf y (oder y2, y3…) Denn dafür müsste ich schon wissen, was y (2, 3…) bedeutet und dafür wieder, was Bibelstelle z bedeutet usw

    Auch der Verweis auf „die Gesamtaussage der Schrift“ löst das Problem nicht, im Gegenteil.

    1) es gibt keine biblische Anweisung, dass die Gesamtaussage der Schrift der ausschlaggebend hermeneutische Schlüssel ist. Und selbst wenn es sie gäbe, wäre das Ja nur eine Teilaussage, die wieder eine Gesamtaussage b bräuchte.
    die Forderung, nach der Gesamtaussage zu gehen, ist selbst schon eine Konstruktion, die an den Text herangetragen wird.

    2) gibt es eine Gesamtaussage u und wer legt fest, worin sie besteht? die Gesamtaussage kann selbst nur eine interpretative Konstruktion sein, sie plumpst nicht selbst einfach so „aus dem Text“ heraus. Wer die Gesamtaussage sucht, geht Damit schon meilenweit über den Text hinaus. Trifft Gewichtungen, BEVOR er liest / interpretiert etc

    Das heißt:

    Texte bedeuten nicht vor sich hin. Sie bedeuten etwas FÜR jemanden. Was ein Text für uns bedeuten kann, hängt davon ab, welche Fragen aus unserem Leben an den Text herangetragen werden, welche Lesarten ein Text ermöglicht und welche eher nicht etc. Kurz: die Bedeutung hängt, wie man spätestens seit strukturalistischen Zeiten weiß, auch (!) wesentlich vom Leser ab.

    Es sind nicht alle Lesarten gleich gut, aber es gibt auch kaum jemals eine eindeutige Lesart. Das gilt für literarische Texte generell, da reden wir noch nicht von Widersprüchen oder Widerständen im Text.

    Ein Text ist eine Textur, ein Gewebe. Keine mathematische Gleichung.

    Wir haben diesen himmlischen Schatz in irdenen Gefäßen.

    • Yesssss!
      Dankeschön. Super zusammengefasst.
      LG,
      Der Jay

  28. Christa Christa

    Hallo Markus,
    warum kann man neue Impulse, die durch Hossa Talk , Worthaus ect. in die christlichen Gemeinden gestreut werden nicht als erfrischende Ergänzung wahrnehmen? Nach 30 Jahren evangelikaler Sozialisation und etlichen Vorträge und Predigten kann ich Dir ganz genau sagen, wie welche Bibelstellen ausgelegt werden. In unserer Bibelstunde (Landeskirche) sagen die evangelikal geprägten Teilnehmer genau das, (und auch nur das), was ich schon 1000 mal gehört habe (zum Gähnen). Die Beiträge vom Pastor (kritisch/historisch) waren für mich eine Offenbarung und haben mir gezeigt, dass Gott noch ganz andere Facetten aufweist und auch das Leben mit Gott wieder spannend und überraschend sein kann. Ganz abgesehen davon, dass auch viel für mich“merkwürdiges“ zurechtgerückt wurde. Ich bin unglaublich froh über Worthaus und Hossatalk, aber natürlich folge auch ich dem Wort „Prüfet alles und das Gute behaltet“. Davon, dass mein Glaube durch die neuen Impulse verkümmert, merke ich nichts, eher im Gegenteil.
    LG, Christa

  29. Christa Christa

    Nachtrag: Nun bin ich auch keine Intellektuelle, und kann manchen Beiträgen hier nicht ganz folgen. 😉
    Dass Jesus für mich gestorben ist, ich befreit bin und mir meine Schuld vergeben ist, ist für mich völlig klar. Und mir persönlich ist es wurscht, ob das Kreuz so oder so verstanden werden kann/darf/muß. Für MEINEN Glauben zählen andere Dinge (Da sind die einzelnen Christen eben verschieden.) Deshalb wundere ich mich, wieso ein christliches Miteinander oder gar das gemeinsame Abendmahl nicht möglich sein kann, weil jemand eine anderes Auslegungsverständnis hat. Der Glaube an Jesus Christus steht und fällt meines Erachtens nicht mit unterschiedlichem Bibelverständnis. Entweder ich gehöre zum Leib Christie oder nicht. Und das weiß nur Gott (und ich, wenn es mir der Heilige Geist bezeugt)
    Diese ewigen Bewertungen und das Ausgrenzen von Glaubensgeschwistern kenne ich gut. Glaub mir, DAS ist viel schlimmer als eine andere Bibelauslegung.

  30. ein Mensch ein Mensch

    Lieber Markus woher kommen denn deine Bedenken gegenüber Worthaus? Ich würde dass gerne verstehen. Auf der einen Seite sagst du, dass konservative Gemeinden lebendiger sind und zahlenmäßig stärker wachsen als Gemeinden, in denen eher liberale Positionen vertreten werden. Auf der anderen Seite siehst du aber Probleme, wenn Christen liberales Gedankengut offen gegenüber stehen. Was denn jetzt? Traust du deiner eigenen Theologie nicht,dass sie überzeugen kann? Warum nicht den Menschen vertrauen, dass sie sich selber bilden und Gedanken machen können. Das ist doch der Grundgedanke: die Mündigkeit der Christen. Um jetzt noch mal Kant zu bringen ☺lasst uns weiter im Gespräch bleiben.

    • Markus Markus

      Ich bin total für mündigen Glauben!!! Jeder soll seinen Verstand und sein Herz benutzen und selbst entscheiden, welchen Weg er geht. Glauben kann man nicht vorschreiben, man kann nur Werbung machen und Vorbild sein. Aber wie z.B. auch Jens Stangenberg gesagt hat, wird jede Gemeinschaft eine Entscheidung über ihre Ausrichtung treffen müssen, wenn sie nicht total zerfleddern will. Deshalb steht es ja jedem frei, sich eine Gemeinschaft zu suchen, die eher zu seinen Überzeugungen passt. Aber ich werbe eben dafür, auch in der Kirche Richtungsgemeinden zuzulassen und sie auch mit passenden Leitern zu versorgen. Wenn man sich gegenseitig frei gibt, dann ist auch das Gespräch miteinander viel einfacher. Und dieses „im Gespräch bleiben“ ist mir in der Tat auch sehr wichtig, wie ich hoffentlich hier beweisen konnte.

      • ein Mensch ein Mensch

        das spreche ich dir auch nicht ab. Aber ich verstehe nicht, dass du dich so an einzelnen Aussagen abarbeitest.
        Was meinst du denn genau mit Richtung? Dass du ein Gemeinde Manifest mit 10 Punkten hast und wer das absegnet, darf mitarbeiten?
        Das empfinde ich als ziemlich eng, allen das so vorzuschreiben.
        Weil ich glaube, dass es das so lange nicht mehr geben wird. Menschen sind nun mal keine Roboter, wir haben doch alle unterschiedliche Perspektiven, lernen anders.
        Diese Hirte-Schaf Metapher ist da für mich ziemlich angestaubt, ausser natürlich dass Hirte das Schaf unendlich liebt.

  31. Britta Britta

    @ Katja: AMEN ! ! ! ? Und vielen Dank, dass du dich hier so offen und ehrlich zeigst! Deine Geschichte und Gedanken berühren mich sehr!

    • Katja Katja

      Bitte, liebe Britta. Ich habe gezögert, aber dann dachte ich, vielleicht kann meine Geschichte ja zu was gut sein 🙂 Wenn ich mal Richtung Marburg komme, will ich dich auf jeden Fall besuchen. Ich liebe rote Häuser auf dem Land 🙂 Danke auch für deine Predigt über den guten Hirten im Christus-Treff. Sie war so gar nicht mein gewohnter Stil, aber hatte super viele gute Ideen für mich!

      • Britta Britta

        Cool, mach das : )
        Jay und Gofi können dir mein E-Mail-Adresse geben.

  32. Provinzdoc Provinzdoc

    Ein spannender Talk!
    Ich habe mich allerdings etwas über die Aussagen von Markus geärgert – obwohl ich Markus stellenweise durchaus gut verstehe, denn ich komme ursprünglich so wie du aus einer sehr pietistisch-konservativen Gemeinschaft innerhalb der Landeskirche und kenne die Probleme mit der liberalen Gesamt-EKD sehr gut. Als konservativer Landeskirchler spielt man eine Sonderrolle – für die Landeskirche zu konservativ, für die evangelikalen Freikirchen oft vermeintlich zu liberal (denn wahre Christen können ja gar nicht in der bösen Landeskirche sein bzw. bleiben, wenn sie es ernst meinen mit dem wahren Glauben…).

    Mir hat aber der pietistisch-konservative Glaube meiner Kindheit und Jugend nicht nur Gutes getan, sondern leider auch vieles verkorkst und die typischen Antworten auf meine immer mehr wachsenden Fragen und Zweifel haben mir irgendwann nicht mehr geholfen. Ich glaube, ich war auf dem besten Weg, den Glauben ganz zu verlieren – bis ich entdeckt habe, dass es auch eine andere Form von Glauben geben kann, die weder so liberal ist wie das, was man in anderen landeskirchlichen Gemeinden gehört hat, wo Jesus als weiser Mann aber mehr auch nicht und alles als irgendwie beliebig gehandelt wurde, noch so konservativ-regulatorisch wie das, was ich bisher aus der eigenen Gemeinde und freikirchlichen Szene kannte. Fündig geworden bin ich dabei bei den Progressiven, ganz maßgeblich hier und auch bei Worthaus.
    Bis heute teile ich längst nicht alles, was auf Worthaus verkündigt wird (wobei ich auch viele Vorträge noch gar nicht gehört habe, sondern mir immer nur ein Thema aussuche, was mich anspricht), aber Worthaus hat mir gezeigt, dass man eben durchaus glauben kann, dass Jesus Gottes Sohn und mein Retter ist ohne gleichzeitig an die Schöpfung in 6 Tagen und die Wortwörtlichkeit der Bibel glauben zu müssen – und das alles, ohne auch die Bibel nun deshalb weniger ernst zu nehmen, sondern vielleicht sie gerade erst ernst zu nehmen, selber nachzulesen etc.

    Deshalb mag ich auch den Begriff „progressiv“ im Gegensatz zu Gofi gerne – ich beziehe das dabei allein auf meinen persönlichen, subjektiven Glauben, der da eben weitergeschritten ist vom früheren konservativen, aber eher passiven Glauben, der bei mir voller Ängste und Zweifel war und einem Hoffen, dass das Nachplappern von den gelernten Aussagen irgendwann schon helfen wird, wenn man es nur häufig genug tut hin zu einem mündigen Glauben, der die Zweifel auch stehen lassen kann.

    Im Gegensatz zu Jay und Gofi würde ich mich auch heute nicht als „liberal“ bezeichnen – eher noch als post-evangelikal. Für mich sind Dinge wie Auferstehung, Dreieinigkeit und Sündenvergebung nach wie vor sehr wichtige Basics und diese finde ich bei den „richtig Liberalen“ oft leider nicht mehr, auch wenn auch ich durchaus mit der Kreuzestheologie, wie ich sie im evangelikalen Umfeld gelernt habe, sehr hadere und hier durchaus in der Doppelfolge bei Hossa Talk, die Markus so scharf kritisiert hat, sehr guten Input gefunden habe (aber immer noch keine abschließende, persönliche Meinung).
    Deshalb halte ich persönlich „progressiv“ und „liberal“ auch nicht für Synonyme. Mag sein, dass ich falsch liege, aber ich habe den Eindruck, dass viele aus dem progressiven Umfeld ähnlich wie ich eigentlich eher post-evangelikal sind und wir quasi von der Basis des Evangelikalen her nun neu und anders denken, während viele Liberale diese Basis nie hatten und eher von der atheistisch-philosophischen Schiene her kommen.

    Im Gegensatz zu Markus finde ich es auch nach wie vor gut und richtig, dass die Landeskirche ein akademisches Studium als Voraussetzung für den Pfarrberuf fordert. Dank meiner weitläufigeren Verwandtschaft aus dem freikirchlichem Umfeld kenne ich mittlerweile einige konservative freie Ausbildungsstätten – und mir fällt es ehrlich gesagt sehr schwer, die dortige Ausbildung wirklich als „Studium“ zu sehen. Wesentliche wissenschaftliche Arbeitsweisen fehlen mir da, oft sind die Bibelschullehrer selbst nur ehemalige Bibelschüler und es wird halt 1:1 weitergegeben, was man gelernt hat, ohne großartige eigene Reflexion, wissenschaftliche Herangehensweise etc. Da sträubt sich bei mir als universitäter Akademikerin regelmäßig innerlich alles, wenn meine Verwandten mit ihrer Bibelschulausbildung immer von „Studium“ reden.
    In meinen Augen hat da die akademische Ausbildung der ev. Pfarrer schon entscheidende Vorteile, sowohl was die Sprachkenntnisse als auch die Kenntnis auch alternativer Deutungsmodelle etc. angeht.

    Viele Grüße
    Provinzdoc

  33. Britta Britta

    Lieber Markus,
    „einander freigeben“ ist ein schönes (gutes) Wort!
    Es ist gut, sich das beim Finden (Suchen?) und Deutlichmachen von Unterschieden immer vorzunehmen und umzusetzen.
    Und einander das Leben (in Christus) zuzusprechen.
    Sei auch gesegnet!
    Allerdings hoffe ich, dass das nicht unbedingt der Schluss-Segen ist, denn mich würden schon weiterhin deine Gedanken zu offenen Fragen in der Runde interessieren und auch, ob du vielleicht die eine oder andere Frage oder Gedanken-Anregung mitnimmst…

  34. Katja Katja

    Lieber Markus,
    ein (hoffentlich) Letztes auch von mir:
    Ich habe nicht den Eindruck, dass hier alle auf die Idee kommen, dass es nur bei Evangelikalen Verletzte gibt. Dass hier einige von ihren evangelikalen Verletzungen erzählen, liegt in meinen Augen an dem „Ort“, an dem diese Diskussion stattfindet und dass es hier einfach mehr ZuhörerInnen und SchreiberInnen gibt, die mehr von evangelikaler Seite verletzt wurden als von liberaler.
    Ich möchte dazu ergänzen, dass ich in meiner Schulzeit von Religionslehrern, die sehr liberale Positionen hatten (liberal in dem Sinne: Jesus war nur historisch, Wunder gibts nicht, jeder soll nach seiner façon selig werden und irgendwie kommen am Ende doch alle zu Gott; „ich hab halt Reli studiert, weil ich noch ein leichtes Zweitfach gebraucht hab, aber ich glaub nicht wirklich an Gott“ etc.) nicht nur belächelt wurde, sondern meine evangelikal-konservativ geprägte Gemeinde auch vor der ganzen Klasse als Sekte heruntergemacht wurde und Lügen verbreitet wurden (zB dass alle Frauen da Röcke tragen, was nicht stimmte). Und ich habe meinen besten Freund (liberaler Pfarrerssohn) verloren, weil er mit mir evangelikalem Fundi nichts mehr zu tun haben wollte. Letzteres könnte aber auch daran gelegen haben, dass ich wirklich fundamentalistisch war und in allen seinen Ansichten ketzerisches Gedankengut gesehen habe, ohne mal zu überlegen, ob vielleicht meine Positionen überdenkenswert wären…
    Ich entschuldige mich an dieser Stelle bei dir, dass ich den Begriff „erfolgreich“ verwendet habe und nicht „fruchtbringend“. Das ist in der Tat etwas anderes, aber ich hatte beim Lesen deiner Beiträge den Eindruck, dass bei dir der Quantitäts-Aspekt überwiegt. Wie gesagt, ich kann es nachvollziehen, dass es Leute gibt, die die Theologie deiner Gemeinde heilsam und hilfreich finden und ich finde es wichtig, dass man Dinge hat, die „klar“ sind.
    Ob nun „erfolgreich“ oder „fruchtbringend“ ändert das nichts an der Tatsache, dass ich nicht glaube, dass wir im Himmel mal darüber sprechen werden, welche Theologie besser war (für mich klang dein Statement so nach „gucken wir mal, wer Recht hatte und mehr Leute in den Himmel gebracht hat“), sondern dass wir alle sehr überrascht sein werden, wie Gott wirklich ist und alle menschlichen Zugänge zu ihm so klein und unzulänglich werden, wenn wir ihm mal von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen. Und wir, falls wir dann überhaupt noch an unser Leben denken werden, höchstens denken werden: Meine Güte, was haben wir uns damals für unsinnige Debatten geliefert. Hätten wir uns mal lieber mehr lieb gehabt und versucht, alle gemeinsam an Gottes Reich zu bauen.

    Katja

    • Markus Markus

      Liebe Katja, danke für Deine verständnisvolle Rückmeldung. Du hast wahrscheinlich recht: Im Himmel werden wir besseres zu tun haben, als an alte Debatten zurück zu denken. Gleichwohl glaube ich, dass es enorm wichtig ist, dass wir hier auf Erden um die Wahrheit ringen. Und außerdem liebe ich Debatten… 🙂 Aber ich freue mich auch sehr darauf, bis wir gemeinsam im Himmeln feiern!

  35. ein Mensch ein Mensch

    Ist nicht auch das fruchtbare (um im Markus Jargon zu sprechen 😉 ) an unserer heutigen Zeit, dass dieses Lager Denken verschwindet? Die Kirchen experemtieren mit neuen Formen (freshX!!!) und Christen öffnen sich dem progressivem Gedankengut.
    Ich denke, wir könnten voneinander, von den vorhandenen Ressourcen vielmehr provitieren, als uns auszuschließen.

    Ich habe von meinen freikirchlichen Wurzeln insofern mitgenommen, dass eine Grundsehnsucht nach Gott da ist, wie auch immer dieser aussieht oder was im Leben auch passiert.. Ds ist ml stärker und mal schwächer, die änglichen Phasen (auch vor Himmel und Hölle) versuche ich allerdings hinter mir zu lassn, weil ich glaube, dass das nicht Gottes Wesen entspricht.

  36. Hallo Markus,

    Ich verstehe immer noch nicht, wer festlegt, was „die zentralen Glaubensinhalte“ sind. (wenn diese ja zugleich die Bibelauslegung bestimmen sollen, müssen sie ihrerseits scheinbar unabhängig von der Bibel feststehen).

    Zweitens ist mir immer noch nicht klar, warum Mitglieder-Wachstum an sich etwas Gutes und Rückgang an sich etwas schlechtes ist.

    Viele Grüße

    • Markus Markus

      Hallo Florian,
      wie auch Jens Stangenberg mal geäußert hat muss das zumindest jede Gemeinschaft für sich festlegen, was ihr zentral wichtig ist. Das war schon immer der Sinn von Glaubensbekenntnissen und ich freue mich, dass auch Hossa Talk z.B. das Apostolikum für etwas Gutes hält, was der Kirche viel Segen gebracht hat.
      Sehr interessant finde ich Deine Frage nach dem Mitgliederwachstum, denn hier scheint mir ein grundlegender Unterschied zwischen Konservativen und Progessiven zu liegen. Für Konservative bedeutet die Annahme des Evangeliums Rettung und ewiges Leben. Deshalb können Konservative gar nicht anders als sich dringend zu wünschen, dass so viele Menschen wie irgend möglich das rettende Evangelium hören, annehmen. Wenn man hingegen – so wie viele Progressive – der „Love-wins“-These folgt und auch eher der Meinung ist, dass es keine klaren Vorgaben gibt, wie man in den Himmel kommt (dass also z.B. Muslime sich nicht unbedingt zum Christentum bekehren müssen), dann ist in der Tat Kirchenwachstum nicht so von Bedeutung. Das ist m.E. ein wesentlicher Grund, warum konservative Theologie eher zu Kirchenwachstum führt als progressive/liberale Theologie. Kannst Du diesen Gedankengang nachvollziehen?

      • Lieber Markus,

        danke für Deine Antwort.

        zum ersten Punkt: Wenn Du die Frage nach zentralen Glaubensinhalten tatsächlich so entspannt (ich vermeide jetzt das Wort „liberal“) sehen kannst, frage ich mich, warum Du andererseits Bedenken äußerst, dass bestimmte Teile der Kirche sich von „den“ Grundlagen des christlichen Glaubens entfernen. Ist das nicht ein Widerspruch?

        zum zweiten Punkt: Ja, das verstehe ich nun etwas besser. Meine Frage wäre dann nur: Selbst wenn ich das konservative Framework mal akzeptiere, dann

        a) kann man doch Mitgliederzahlen und Zahlen von „Geretteten“ nicht ohne weiteres gleichsetzen, oder? Zumal das auch einen ziemlich heftigen Leistungsdruck erzeugt, der dem „Sola Gratia“ Grundsatz etc. ziemlich stark entgegensteht. Und zumal gerade im evangelistischen Dienst immer betont wird, dass es auf Herzenshaltungen etc. ankommt und nicht auf Gemeindemitgliedschaften.

        b) liest man doch in der Bibel praktisch nirgendwo, dass die Mitgliederzahl ein entscheidendes Kriterium zur Beurteilung der Qualität von Gemeinde ist. Da fiele mir höchstens Petrus‘ Pfingstpredigt ein und selbst da handelt es sich eher um die Beschreibung eines Ereignisses als einer Gemeinde (die ja dann erst entstand). Aber die Apg, sowie die apostolischen Briefe als auch – jetzt muss Jay ganz stark sein 😉 – die Offenbarung haben eigentlich immer qualitative Beurteilungskriterien, nie quantitative.

        • Markus Markus

          Ich stimme ja auch zu, dass Qualität wichtiger als Quantität ist. Ganz im Sinne des natürlichen Gemeindewachstums: Nachhaltiges Wachstum entsteht wie von selbst wenn wir qualitativ wachsen. Aber trotzdem ist meine große Sehnsucht, dass am Ende die Kirche auch quantitativ wächst – einfach weil ich will, dass so viele Menschen wie möglich von der rettenden Liebe Gottes hören. Ich empfinde das nicht als Druck sondern als Sehnsucht, als tiefer Wunsch aus Liebe zu den Menschen. Natürlich ist „gerettet“ und „Kirchenmitglied“ nicht identisch. Aber die Apostel haben nicht umsonst überall Gemeinden gegründet. Gesundes Christsein braucht Gemeinschaft, in der man sich gegenseitig ermutigt und trägt, miteinander feiert und weint. Allein geht man ein – auch als Christ.
          Und finally: Ich sehe die Frage nach den Glaubensinhalten überhaupt nicht entspannt. Ich glaube wie gesagt, dass der Niedergang der Kirchen in der ganzen westlichen Welt viel zu tun hat mit ihrer liberalen Theologie. Das will ich auch laut sagen, weil es m.E. eben nicht egal ist, welchen theologischen Kurs wir einschlagen. Ich will um den richtigen theologischen Kurs ringen, aber nicht gegen Mitchristen und Gemeinschaften kämpfen, weil sie das anders sehen als ich. Wenn es liberale christliche Gemeinschaften gibt, die blühen und gedeihen, dann wäre ich der letzte, der gegen sie vorgeht. Im gelebten Miteinander vor Ort bin ich dafür, dass wir respektvoll einander freigeben und segnen.

      • ein Mensch ein Mensch

        Ich lege dir wirklich mal den neuen podcast vom Jens ans Herz, Markus!
        Ich glaube, dass dur gesellschaftliche Transformationsprozesse ausblendest.
        Dieses Schuld-Versöhnungs Verständnis zieht doch wirklich nur noch in den Kreisen, denen alles andere zu weich, zu beliebig erscheint. In den Kreisen hast du dann durchaus Wachstum.
        Aber darüber hinaus? Wo ist denn die immer wider groß angekündigte Erweckung?
        Ist es nicht vielmehr so dass Menschen die ausgrenzenden Mechanismen hinter der vordergründigen „Jesus liebt dich so wie bist“ Botschaft erkennen? Dass so eine Trennung in „DIE Wahrheit“ und „DIE Welt“ nicht mehr zieht?
        Ja, sie suchen spirituell, aber finden das eher in Gemeinschaften, die sich nicht als einzigartig verstehen, sondern als Freunde mit Gott mittendrin.

      • Ina Ina

        Hallo Markus,

        das finde ich gut, dass Du auf diese Frage eingegangen bist.
        Ja, ich kann Dich verstehen. Es wäre super, wenn auch Du verstehen könntest, dass Christen wie ich (die Dir „liberal“ vorkommen, es aber im strengen Sinne gar nicht sind) diese Themen auch ernst nehmen, dabei aber andere Probleme sehen als Du.

        Um es vorweg zu sagen: „Love Wins“ ist nicht die Theologie, die ich bevorzuge (Rob Bell ist mir – sorry an alle anderen – zu oberflächlich), aber ich verstehe seinen Erfolg unter Post-Evangelikalen (meines Wissens nach lesen ihn „Liberale“ gar nicht. Rob Bell ist in meinen Augen ein „typisch evangelikales“ Phänomen).
        Er versucht lediglich, die Angst-Theologie, unter der Ex- oder Post-Evangelikale so lange gelitten haben, aufzuweichen, gerade auch aus seelsorgerlichen Gründen. (Ich komme ja eher aus einer traditionell lutherischen Landeskirche und nehme Luthers Unterscheidung zwischen Evangelium und Gesetz und was wann wofür angemessen ist, ernst. In der Seelsorge hat das Gesetz in der Regel nichts zu suchen.) Das tut er halt ziemlich assoziativ und stark vereinfachend.

        Versuch mal zu beherzigen, was ich oben über Bultmann gesagt habe (von dem ich ja auch kein Fan bin, dessen Motivation ich aber verstehe): „Der kocht auch nur mit Wasser.“ Versuch mal, Autoren historisch einzuordnen, frag Dich, worauf sie reagieren und was Du als „Kritisierter“ besser machen kannst (da liegt nämlich immer mindestens ein kleines Körnchen Wahrheit drin), statt Dich in dem Autor zu verbeißen. 😉

        Meiner Ansicht nach (und das ist auch die Ansicht meines „liberalen“ Pfarrers) dürfen wir keine Allversöhnung verkündigen, aber wir dürfen auf sie hoffen und sollten für sie beten. Die Bibel ist an dieser Stelle in ihrer Gesamtheit nicht klar (ich weiß, jetzt kriegst Du Schnappatmung, aber warte mal bitte noch ab). Doch es ist nicht zu übersehen, dass es um etwas Todernstes geht. Die Frage ist nun: WIE verkündigen wir das denjenigen, die mit Gott nichts am Hut haben?

        Probleme, die ich sehe:
        1. Die evangelikale Sicht ist mir hier ebenso zu plakativ wie Rob Bell. Evangelikale Missionierung halte ich für genauso falsch wie „Gott rettet eh alle“.
        2. Dazu kommt das historische Problem, dass viele Menschen bei Missionsversuchen (nach Jahrhunderten von Bußpredigten) sofort abschalten und denken „typisch Kirche, Druck machen, drohen, unterwerfen usw.“
        3. Bonhoeffer (der ja bei Evangelikalen einen guten Ruf genießt) hat dazu kurz vor seinem Tod gesagt, dass es unredlich ist, was die Kirche da tut: zuerst Menschen ein Problem einzureden, um dann die Lösung hervorzuzaubern. D.h. ins Heutige übersetzt: Was machen wir mit Menschen, die sich gar nicht erlösungsbedürftig fühlen? Was meint heutzutage Sünde? (Dazu kann ich nur Thorsten Dietz‘ Buch „Sünde“ empfehlen – immerhin Professor an einer unabhängigen Hochschule, sollte Dir also gelegen sein).
        Wie können wir komplett säkularen Menschen einen „Geschmack für Gott“ vermitteln? (Da komme ich dann in der Vermittlung bei vielen, die halbwegs offen sind, mit Schleiermachers „existentialistischer“ Abhängigkeit/Ausgerichtetheit des Menschen von/auf Gott wesentlich weiter. Dabei darf man nicht stehenbleiben, ist klar, aber dass Christentum gelehrt werden muss und dass das Zeit braucht, weißt Du ja auch. Spätestens dann ist Schleiermacher tatsächlich nicht mehr hilfreich.)

        Wir müssen uns vermutlich damit abfinden, dass wir heutzutage anders für und mit Gott werben müssen. Allem voran sollten wir ein Beispiel abgeben. (Und da kann man sogar von einem Atheisten was lernen. Nietzsche meinte, er fände das Christentum überzeugender, wenn die Christen erlöster aussehen würden…) Vielleicht heißt das dann für das Konzept „Volkskirche“ (so haben sich die Landeskirchen ja mal verstanden), verschiedene Grade des Angebundenseins und Dynamiken des Rein und Raus zähneknirschend hinzunehmen. Gott geht mit Menschen ja sehr individuelle Wege (weiß ich aus eigener Erfahrung). Vielleicht schrumpfen wir auch erstmal und intensiveren uns nach innen. Keiner von uns kennt Gottes Wege (bei solchen Dingen bin ich sehr „fromm“…)

        Aber wir müssen in jedem Fall auch neue Formen finden, um
        1. die herrschenden Vorurteile über Kirche in der Normalbevölkerung zu unterlaufen und
        2. die modernen Kulturformen, in denen wir alle leben, zu verstehen und sie für unsere Zwecke zu nutzen (da ist Hossa-Talk eine der innovativen unabhängigen Formen, und die meisten ihrer Kritiker übersehen, wie gläubig die Jungs sind 😉 )

        Wie das genau gehen soll, weiß ich auch nicht, bin aber offen, mich mit anderen, auch konservativen Christen auszutauschen. (Womöglich wird das auch regional unterschiedlich sein müssen und auf dem Land anders als in den Großstädten. Vielleicht wird es volkskirchlich-offene und theologisch-konzentriertere Gemeinden nebeneinander geben. Da müssen wir flexibel sein.)
        Bei manchen Dingen bin ich aber draußen. V.a. würde ich nie mit Gericht und Verlorengehen anfangen (sondern es später vermitteln und auf eine andere Weise als Du vermutlich).

        Wenn Du mich jetzt gleich wieder einordnest unter „liberal“, werd ich sauer. 😉

        Aber im Ernst (und da sind wir bei einem anderen klassischen Streitpunkt, der Bibel): Es gibt biblische Gründe, über Gericht und Versöhnung gründlich nachzudenken, ohne in das eine oder andere Extrem zu verfallen. (Ich persönlich bin übrigens davon überzeugt, dass Gott in der Bibel mit voller Absicht Paradoxe eingebaut hat, um uns in Bewegung zu bringen und zu halten, damit wir uns auf ihn werfen und nicht auf die Sicherheit irgendwelcher Sätze – obwohl wir auch die brauchen).

        Zum Problem Allversöhnung kann ich Dir (und allen, die es interessiert) einen hervorragenden Vortrag von Jens Adam empfehlen, Pfarrer in Deiner Landeskirche, wenn ich mich nicht täusche. Und Schüler von Hans-Joachim Eckstein, der bei Konservativen ja keinen schlechten Ruf hat.
        Referat:
        https://agorax.de/wp-content/uploads/MRT-2014-Referat-1-Dr.-Jens-Adam.mp3
        Fragerunde:
        https://agorax.de/wp-content/uploads/MRT-2014-Referat-1-Dr.-Jens-Adam-Fragerunde.mp3

        Viele Grüße
        Ina

        • Markus Markus

          Hallo Ina,

          „Ich persönlich bin übrigens davon überzeugt, dass Gott in der Bibel mit voller Absicht Paradoxe eingebaut hat, um uns in Bewegung zu bringen und zu halten, damit wir uns auf ihn werfen und nicht auf die Sicherheit irgendwelcher Sätze – obwohl wir auch die brauchen.“

          Diesem Satz stimme ich vollkommen zu. Sehr gut formuliert. Wobei das für mich nichts daran ändert, dass die Bibel in ihren zentralen Aussagen insgesamt eindeutig und klar ist, auch wenn sie die Wahrheit manchmal in Gegensätzen und Paradoxen beschreibt.

          Außerdem bin ich völlig mit Dir einig, dass wir viel über die Form der Verkündigung nachdenken dürfen. Mein Glaubenskurs zum Beispiel fokussiert erst ausführlich auf die Liebe und Annahme Gottes, bevor er schrittweise einsteigt in das Thema, dass wir Menschen auch Sünder und erlösungsbedürftig sind.

          Danke für Deine Links. Vielleicht hab ich mal Zeit, reinzuhören.

    • Und zwar wieder auf großartige Weise. Auch von mir eine unbedingte Empfehlung. Jens macht das einfach supergut!
      LG,
      der Jay

  37. Katja Katja

    Hallo Markus doch nochmal 🙂
    Ich will nochwas „in den Ring werfen“. Nach dem Motto: Herz voll – Mund über
    Und zwar zu der Sache, dass man in einer Gemeinde/Kirche etwas haben muss, woran man sich orientieren kann, was die gemeinsame Grundlage ist und „was einfach mal klar ist“.
    Ich weiß, dass der liberalen Theologie – wobei wir mittlerweile ja gesehen haben, dass es „die“ liberale Theologie als homogenen Klumpen nicht gibt – vorgeworfen wird, sie würde verwässern und alles auflösen. Aus meiner Erfahrung würde ich sagen: es gibt Theologen (zB auch Religionslehrer 🙂 ), die ein „alles ist möglich“ nicht aufgrund der Erkenntnis menschlicher Unvollkommenheit formulieren, sondern aus einem Beliebigkeits- und Egal-Denken, um sich nicht festlegen zu müssen und um einfach so leben zu können, wie sie grade Lust haben. Gerade das finde ich aber bei den Postevangelikalen nicht.
    Bei meiner Glaubensreise habe ich entdeckt: Es kann sehr hilfreich sein, erst einmal alles auf Null zu setzen, um dann zu einer grundlegenderen Grundlage zu finden. Erst einmal alle Glaubensgrundsätze aufzugeben, um zu einer tieferen Basis zu finden, die einfacher und klarer ist. Vielfach wird Theologen vorgeworfen, sie würden mit ihren Überlegungen, die vom Verstand wesentlich geleitet würden, alles verkomplizieren. Beim Hören von den Worthaus-Vorträgen kam ich mal an einen Punkt, wo ich dachte: Na toll, und ich bin keine Theologin mit all dem fundierten Hintergrundwissen und kann dann die Bibeltexte sowieso nie richtig verstehen. Mir hat mal ein Theologe gesagt, dass Luther darauf wert gelegt hat, den Pfarrern einzuschärfen, dass sie bitte ihre Erkenntnisse weitergben und dass es wichtig ist, eine Auslegungsgemeinschaft zu haben, in der sich viele unterschiedliche Menschen darin ergänzen, was sie in den Texten sehen, wenn sie gemeinsam Bibellesen. Je mehr Vorträge ich gehört habe (und auch anderes Postevangelikales gelesen und gehört habe), desto klarer wurde mir, dass es dabei nicht um eine Verkomplizierung geht, sondern darum, eine Essenz aus den biblischen Texten herauszuarbeiten. Nämlich die, dass sich in allen der Gott zeigt, der Liebe ist und der sagt: Ich bin für dich da. Und das ist so was Schlichtes, das kann man als ganz Ungebildeter verstehen. Und deswegen halte ich auch den christlichen Glauben für den „richtigen“, weil es da so eine einfach verständliche, klare Grundlage gibt (und auch noch so eine Wundervolle 🙂 ). Diese beiden Grundsätze „Ich bin die Liebe“ und „Ich bin der, der für dich (da) ist“ (der sich aus „ich bin die Liebe“ ergibt) werden mir immer deutlicher als die Wahrheit des christlichen Glaubens. Das ist auch das, was ich damit sagen wollte, dass Wahrheit etwas Tiefergehendes ist als etwas historisch Überprüfbares und schwarzaufweiß Gedrucktes.
    Und noch ein Gedanke, den glaube ich Britta schonmal hier eingebracht hat und der für meine Glaubensreise sehr zentral wurde: Die Frage danach, wie ein Glaube „ewiges Seelenheil“ bringen soll, der meine Seele schon im Diesseits kaputt macht. Wie ein Glaube Menschen nach ihrem Tod in einem Reich der Liebe und des Friedens und der Unendlichkeit vereinen soll, der auf zu ihren Lebzeiten dazu führt, dass es Gemeindespaltungen gibt, Richten (iSv: du hast das richtige oder falsche Verständnis von X), Unbarmherzigkeit (v.a. im Umgang mit Homosexuellen), Rechthaberei. Engstirnigkeit und Angst. Eben die Frage, zu welchen Menschen uns unser Glaube macht. Und da habe ich nur durch die Postevangelikalen (in deinen Augen „liberale Theologen“) Maßstäbe finden können, die mir Orientierung dafür geben, was einen Glauben zu einem Glauben macht, der die Seele heil macht: Die Orientierung an Gottes Wesen, das in Jesus offenbar wurde, und nicht an menschengemachten Glaubensgrundsätzen. In Jesus ist das Reich Gottes „nahe herbeigekommen“ und jetzt schon auf der Erde. Ich denke, wenn wir uns als Christen mehr an Gottes Wesen in Jesus orientieren würden, würde das Reich Gottes hier größer werden. Da wären wir dann mal tatsächlich in der Endzeit, wo am Ende der Himmel auf die Erde kommt und sie ganz neu macht 🙂
    Katja

    • Ich bin zwiegestalten. Einerseits hast du Recht: die Essenz von allem ist, dass Gott uns liebt. Andererseits hege ich den Verdacht, dass „Liberale“ in der Interpretation dazu neigen, Gott zu „vernetten“, vielleicht auch, weil sie den Menschen überschätzen und daher denken, er hätte einen „netten“ Gott verdient (und einen strafenden / zornigen nicht mehr nötig). Aber immerhin leben wir nach Auschwitz und immer noch in einer zutiefst ungerechten Welt.

      Und damit will ich noch nicht einmal Kritik am Humanismus üben (ich bin großer Erich Fromm Fan), ich will nur sagen, dass das Leben hart ist und ich daher in dem Moment, wo ich anfange, Gott zu verweichen, möglicherweise nicht mehr an der Bibel verzweifele, aber dafür an der Welt.

      Trotzdem bleibe ich dabei, dass die Liebe über allem steht. Weil Liebe allerdings ein Akt der Freiheit ist, wäre es verkehrt, die Liebe einseitig zu betonen. Dagegen ergeben sich möglicherweise ganz neue (überraschende?) Implikationen, wenn man nicht nur fragt, warum ein Gott der Liebe dies und das zulässt, sondern auch, warum ein Gott der Freiheit dies und das zulässt (zulassen muss?). Denn anders als die Liebe, die einen Menschen beschützen will, (Hannah Arend: Ich liebe dich = Ich will, dass du bist!) hat die Freiheit den Drang, den Menschen herauszufordern (auch im Leid?), damit er über sich hinauswachsen kann. Eine Welt, in der Freiheit wirkt, wäre damit aber automatisch wilder und finsterer als eine Welt, in der nur Liebe wirkt. Der gleiche Wind müsste dann aber auch durch die Bibel wehen.

      • Katja Katja

        Hallo Alexander,
        ich kann die meisten deiner Gedanken nachvollziehen. Das mit dem „Vernetten“ ist ein wichtiger Aspekt – es stimmt, dass es Theologen gibt, die Gott vernetten und den Menschen überschätzen. Aber auch das habe ich bei Postevangelikalen nicht gefunden (hör dir mal die Vorträge über Gerechtigkeit und Liebe von Herrn Zimmer an, einer davon wurde oben schonmal verlinkt: https://www.youtube.com/watch?v=lgdn5OQHhcA, https://www.youtube.com/watch?v=14pXKA1QjUw)
        Ich denke, Freiheit ist ein wesentlicher Aspekt von Liebe. Wer liebt, gibt frei. Und ich meinte mit Liebe tatsächlich auch nicht Nettsein, sondern etwas Tiefgehenderes. Wer liebt, kann auch zornig sein (gell, Britta?!), wer liebt, darf es sich unbedingt herausnehmen, dem Geliebten auch zu sagen, wo er schief gewickelt ist oder ihn zu warnen, wenn er sich ins Unglück stürzt – und ihn damit herausfordern. Und ihm auch Leid zumuten, damit er über sich hinauswachsen kann (das ist so in einem Satz zusammengefasst meine bisherige Lebensgeschichte). Und das macht Gott haufenweise in der Bibel. Das ist der Unterschied zum Nettsein. Und wer liebt, kämpft auch um den anderen, ohne ihn zu zwingen (da kommt der Freiheitsaspekt rein). All diese Aspekte sehe ich deutlich in der Bibel, was mir zeigt, dass der Freiheitswind auch durch die Bibel weht. Deswegen denke ich auch, dass die Bibel nicht „glatt“ ist, sondern „wild“. Aber das mit dem finsteren kann ich nicht so ganz verstehen. Was meinst du damit, dass die Bibel „finster“ ist?
        Ich verstehe den Gedanken gut, dass wir an der Welt verzweifeln könnten. Dass passiert mir fast jeden Tag. Und auch ohne, dass ich Gott „verweiche“. Gott klagt ja selbst oft genug in der Bibel über das Böse, was in der Welt ist und was sich Menschen antun. Ich habe mal einen Vortrag von Herrn Zimmer gehört (sorry, schon wieder 😉 ), in dem er das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen auslegt. Ich konnte mit der Auslegung gar nichts anfangen, aber ich habe den Verdacht 😉 dass sie genau auf dieses Verzweifeln (oder eben Nicht-Verzweifeln) in der Welt hinausläuft. http://worthaus.org/worthausmedien/das-gleichnis-vom-unkraut-unter-dem-weizen-mt-1324-30-4-5-2/

        So long…
        Katja

        • Ja, jetzt versteh ich dich besser, gut, dass wir darüber geredet haben 🙂

          Was meine ich damit, die Bibel sei finster? Vermutlich, dass wir uns, wenn das Leben kein Zustand, sondern ein Werden ist, mitten im Kampf des Werdens befinden, mit aller Angst vor dem, was auf uns zukommt und Verlustschmerz über das, was vergeht. Die Bibel ist insofern finster, als dass sie von einem Gott berichtet, der den Menschen mitten in diesen Kampf hineinstellt.

          Und weil du 2x Siggi Zimmer empfohlen hast, darf ich auch ein zweites Mal das Buch Antifragilität empfehlen. Was heißt das? Wenn man ein Päckchen schüttelt und der Inhalt bleibt heile, dann ist er stabil. Wenn man es schüttelt und der Inhalt geht kaputt, dann ist er fragil. Wenn man es aber schüttelt und der Inhalt wird dadurch besser, dann ist er antifragil.

          Wenn Gott nun das Leben schüttelt (oder zulässt, dass es durchgeschüttelt wird, was fast auf das gleiche rauskommt) und es geht kaputt, dann ist Gott böse. Wenn aber das Leben dadurch besser wird (oder eine ganz neue Qualität bekommt), dann wäre es böse, es nicht zu durchzuschütteln.

          (Beim ersten Mal hatte ich das Buch aber aus einem anderen Grund empfohlen. Denn antifragil heißt auch, dass der Leib Christi mehrere Pfeile im Köcher hat, um auf jede Lebenssituation vorbereitet zu sein. Ich persönlich habe jedenfalls viel mehr Mut, Grenzen einzureißen, wenn ich weiß, dass es andere gibt, die sie bewahren. Denn wer bin ich schon, davon auszugehen, dass meine Meinung die Richtige ist?)

    • Markus Markus

      Hallo Katja, Du hast recht. Gott IST Liebe. Das ist ein Kernsatz des Christentums. Ohne diese Kernaussage wird alles andere falsch – und das ist oft ein Problem. Aber die alleinige Konzentration auf die Liebe ist – wie auch Alexander richtig bemerkt hat – für sich genommen keine Antwort auf die tiefgreifende Not der Menschheit. Und sie ist auch nicht biblisch, noch nicht einmal spezifisch christlich. Ich habe dieser Tage bei Johannes Hartl einen schönen Text gelesen, der deutlich macht, warum das Evangelium nicht vollständig ist und auch keine echte Antwort auf die tiefen Nöte dieser Welt darstellt, wenn wir uns nur auf die Liebe konzentrieren und verdrängen bzw. verschweigen, wie erlösungsbedürftig wir Menschen sind. Ich kopiere Dir den Text einfach mal hier ein, weil er mir aus dem Herzen spricht und viel darüber sagt, was nach meinem Empfinden heute in meiner Kirche so oft vernachlässigt wird mit der Folge, dass aus der Gnade Gottes „billige Gnade“ wird (wie Bonhoeffer das nennt) und dass die Kirche lauwarm und gleichgültig wird.

      Und hier der Text von J. Hartl:

      „Jesus kam und starb um eine Bewegung der Liebe loszutreten. So richtig das ist, so wichtig ist auch der Hinweis, warum die Menschen den lieben Jesus überhaupt ans Kreuz geschlagen haben. Und warum Menschen auch 2000 Jahre später immer noch nicht im Paradies leben. Es gibt eben nicht nur die Kraft der Liebe, sondern es gibt auch jene Kräfte im Herzen des Menschen, die lieber nicht lieben wollen. Oder nicht wirklich, nicht wahrhaftig, nicht selbstlos. Und wenn es noch so nett klingt: nein, wenn Menschen einander lieben, ist das noch nicht automatisch etwas Göttliches, denn auch menschliche Liebe ist gebrochen, kann zutiefst fehlgeleitet und von allen möglichen anderen Motiven durchsetzt sein. Jene Kräfte – die die Bibel „Sünde“ nennt – sind eben nicht nur kleine Macken, sondern prägen unser Inneres auf so verhängnisvolle Weise, dass wir uns aus eigener Kraft daraus eben nicht befreien können. Denn wenn wir es könnten, sähe die Welt anders aus. „All You Need is Love“, das wussten auch schon die Beatles. Und die Power of Love besingt jeder zweite Popsong seit „Frakie goes to Hollywood“. Das freilich kostet den menschlichen Stolz viel weniger als das, was das Evangelium eigentlich besagt. Dass wir ohne Jesus tot sind in unserer Sünde. Aus eigener Kraft unfähig, die Welt oder uns selbst gesund zu lieben. Viele Christen glauben genau das: Jesus hat uns ein Beispiel gegeben und wenn wir alle den Frieden und die Liebe leben, dann wird die Welt ein besserer Ort. Das ist eine gefährliche Teilwahrheit, um nicht zu sagen überhaupt keine Wahrheit. Und so wünsche ich mir, dass wir auch reden von unserer Unfähigkeit zu lieben, dem Scheitern so vieler Beziehungen trotz aller anfänglicher Liebe, der Gebrochenheit menschlicher Liebe (denn nicht alles was nach Liebe aussieht, ist auch wahrhaftige Liebe…), der Tatsache, dass wir einen Erlöser brauchen und dass das unfassbare Geheimnis des Evangeliums darin besteht, dass Jesus uns liebte, als wir ihn noch nicht lieben konnten. Und dass in ihm all unseren Versuchen ein perfekter Mensch zu sein zu sterben, in der Kapitulation des Glaubens etwas Neues beginnt, das die Bibel „Neue Geburt“ nennt. Dass das Kreuz an uns etwas ändert und nicht nur ein Beispiel ist. Dass aus der Beziehung zu diesem Jesus und der Erfüllung mit seinem Geist ein ganz neues Leben in uns beginnt nach ganz neuen Gesetzen, den Gesetzen seines Reiches. Doch dass der Anfang all dessen echte Umkehr, Buße und Bekehrung sei…“

      • Katja Katja

        Lieber Markus,
        danke für den Hartl-Text. Bis auf die Tatsachen, dass ich
        1. finde, dass er den Menschen runtermacht und seine Worte dazu verleiten könnten, resigniert und tatenlos das noch-nicht-vollständig-erlöstes Sünderdasein zu fristen und innerlich zu verkümmern, was mir sehr bekannt ist aus meiner Glaubensvergangenheit („Dauerschleife“: DU bist schlecht, DU bist Sünder, DU bist unvollkommen, DU kannst ja aus dir heraus gar nix…) und
        2. im Gegensatz zu Hartl glaube, dass wir die Welt zu einem besseren Ort machen, wenn wir Liebe und Frieden leben (allerdings nicht, weil Jesus ein tolles Vorbild war, sondern weil wir durch seine Erlösungstat schon Anteil an seiner Liebe und seinem Frieden haben und diese versuchen können, weiterzugeben), kann ich dem Text zustimmen.
        Ich hab meinen Beitrag jetzt noch paarmal gelesen – stimmt, man kann beim Lesen drauf kommen, dass er einseitig ist – habe ich doch nur die Seite der christlichen Wahrheit beschrieben, die GOTT betrifft. Das liegt daran, dass es den Gedanken der Boshaftigkeit, Unvollkommenheit und Erlösungsbedürftigkeit (=Sünde) des Menschen auch in anderen Religionen und spirituellen Richtungen gibt, dass dort aber Lösungen gefunden werden, die ich für unzulänglich halte – deshalb hatte ich geschrieben, dass ich glaube, dass der christliche Glaube der „richtige“ ist, weil seine Kernbotschaft die ist, dass Gott Liebe ist und für uns (da) (woraus sich aus meiner Sicht seine Erlösungstat für uns ergibt).
        Mein Anliegen war es, die biblische Kernaussage über GOTT herauszuarbeiten, nicht die über uns Menschen in unserer Boshaftigkeit, Unvollkommenheit und Erlösungsbedürftigkeit (die im Übrigen auch bei Worthaus&co voll thematisiert wird, ich meine z.B. auch in dem Vortrag über Unkraut und Weizen, wo Herr Zimmer uns auffordert, uns zu fragen, wo denn in uns das Böse sitzt). Nur im Angesicht der vollkommenen Liebe Gottes können wir überhaupt erkennen, dass wir dieses Wesen nicht haben und erlösungsbedürftig sind. Oder andersherum: erst wenn wir erkennen, dass wir immer wieder scheitern und unsere Liebe eben nicht vollkommen ist, kann uns bewusst werden, dass das Wesen Gottes, der uns erlöst hat/ erlösen will, die vollkommene Liebe sein muss (lieblosen Zorn, Hass, Wut, Gewalt, Neid etc. können wir ja selbst gut genug).

        Ich hoffe, meine Gedanken sind diesmal verständlicher…
        Katja

        • Katja Katja

          Hey Markus,
          habe gerade deinen Kommentar an Ina gelesen, wo du schreibst, dass in euren Glaubenskursen erst die Liebe und Annahme kommt und dann die Sündenthematik. Das find ich sehr gut. Ist ja nicht zu überlesen, dass ich da ein gebranntes Kind bin… vielleicht reagiere ich da oft allergisch, wenn (wie in meinen Augen Hartl in diesem Text) zu sehr dieses Sündersein, Bösesein, Unvollkommensein betont wird. Aber das von Hartl ist ja sicher auch nur ein Auszug.

        • Provinzdoc Provinzdoc

          Liebe Katja,

          ich stimme dir in allem voll und ganz zu – auch für mich ist das Einzigartige im Christentum genau diese Liebe von Gott zu uns Menschen, die auch ich so in anderen Religionen und Weltanschauungen nicht finde.

          Wie du habe ich lange Zeit darunter gelitten, bei meiner eigenen Sündhaftigkeit stehen zu bleiben und dem Gefühl, immerzu Buße tun zu müssen und ja nicht stolz, sondern immer schön demütig zu sein. Denn alles Gute und alle Erfolge kommen ja nicht von mir sündhaftem Menschen, sondern allein von Gott und seiner Gnade. Alles Schlechte wiederum war ja immer ganz klar von mir, weil ich ja böser Sünder bin.
          So ungefähr war die Quintessenz dessen, was ich jahrelang in meinem (landeskirchlichen!) Umfeld gehört habe.

          Ich habe lange gebraucht und bin immer noch auf dem Weg, jetzt in dieser Liebe Gottes zu leben und nicht nur in meiner Erlösungsbedürftigkeit.
          Ich sehe dieses kleingehaltene „Ich“ und mangelndes Selbstbewusstein auch nicht nur isoliert bei mir, sondern auch bei vielen anderen Christen.
          Natürlich hat Hartl recht, dass man vom Pferd fallen kann, wenn man die eigene Sündhaftigkeit komplett negiert und ein beliebiges „wir haben uns alle lieb“-Weltbild vertritt. Aber genauso kann man auf der anderen Seite vom Pferd fallen, wenn man die Sündhaftigkeit betont und dabei ganz außer acht lässt, dass uns Gott doch nicht ausschließlich als fehlerhafte, sündvolle Wesen, sondern auch laut Psalmen „ganz wunderbar“ gemacht hat – mit vielen Befähigungen und Begabungen, die wir auch leben dürfen – selbstbewusst und in Selbstannahme!
          Und wenn wir es dann schaffen, diese von Gott erhaltene Liebe nicht nur für uns zu nehmen, sondern stückweise auch an andere weiterzugeben in Worten und Taten, dann kann das nur gewinnbringend sein und zwar schon jetzt im Diesseits. wie du ganz richtig sagst 🙂

          Dazu hat mir übrigens auch das Buch „Sünde“ von Thorsten Dietz weitergeholfen, der mir auch nochmal viel klarer gezeigt hat, dass Sünde nicht nur die Verfehlungen bzgl. moralischer Normen sind, sondern viel existentieller ist.

          Viele Grüße
          Provinzdoc

  38. ein Mensch ein Mensch

    Woah schöne Sätze Katja. Ich bin die Liebe und ich bin für dich da -> das kann jeder verstehen. Amen Die Auslegungsgemeinschaft finde ich auch wichtig.
    Ich sehe die Post Evangelikalen/Progressiven als Erneuerungsbewegung. Wie die Landeskirchen braucht das evanegilkale Verständnis ein Update, vielleicht auch einen Generationenwechsel. Und genau wie in den Kirchen ist dieser Prozess mit Greburtswehen verbunden. Dabei ist er noch sehr dem mythologischen Weltbild verbunden, das heißt die Priesterschaft (aka Verbände, Pastoren, Älteste) verwahren und bestimmn über das religiöse Wissen. Jetzt haben wir aber die Fehler erkannt und machen uns auf die Suche nach dem über spirituellen und mystischen Kern des Evabgeliums jenseits von zementierten Glaubenssätzen. Das macht natürlich Angst vor Macht und Deutungsverlust.
    Vielleicht sollten wir mehr an Jesu Handeln orientieren. Die Sprache führt nur zu leicht zu Mißverständnisen, wie man hier in der Diskussion nur zu leicht erkennt.

  39. Liebe Alle,

    ich lese hier immer wieder, Markus sei „verurteilend“, „ausgrenzend“ etc. Wenn ich mir seine Beiträge hier anschaue (bzw. im Talk höre), habe ich persönlich diesen Eindruck nicht. Ich weiß, dass da die Theologie zwischen uns steht und dass viele ihren Beef mit der konservativen Frömmigkeit haben – mit guten Gründen. Aber können wir jetzt, wo das überfällige Gespräch endlich stattfindet, nicht hier und da verbal abrüsten? Eine etwas wohlwollendere Markus-Hermeneutik entwickeln? Mal ein halbes Auge zudrücken?

    • ein Mensch ein Mensch

      Zum Glück hast du nicht gesagt, reißt es raus 🙂
      Aber hier kamen jetzt so viele Anregungen, über die man nachdenken kann. Erst mal danke dafür

  40. Britta Britta

    So, meine Antwort bezieht sich auf die Auferstehungs-Kommentare ein paar Kilometer weiter oben ( :
    … wollte nur noch dazu sagen:
    Egal, wie es nun wirklich war und was es in der Tiefe mit der Auferstehung auf sich hat:
    das Supertröstliche ist ja, dass sogar der gute Jünger Thomas sich das NULL vorstellen konnte, egal, was seine Glaubensbrüder ihm erzählten!
    Er wurde von Jesus eine Woche, also „eine Runde“ später liebevoll an die Hand und damit in den Kreis der Sehenden hinein genommen.
    „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“
    Ja, freuen darf man sich, wenn man es sich jetzt schon irgendwie vorstellen und glauben kann! Und um die anderen kümmert sich Jesus irgendwann eine Runde später persönlich.
    Interessanterweise ist Thomas ja offensichtlich trotz seiner Zweifel in der Gemeinschaft geblieben, obwohl er vielleicht dachte, dass die alle einen Knall haben ; )) Irgendetwas hat ihn gehalten…
    D.h. THOMAS HATTE letztlich tatsächlich GLAUBEN!!
    Die anderen brauchten ja gar nicht zu glauben – die hatten den Auferstandenen ja gesehen!!
    Wow – das fällt mir gerade zum ersten Mal auf!
    Also, dann brauchen wir uns doch wirklich keine Sorgen zu machen, ob wir auf dem richtigen Verständnis-Tripp sind mit dem, was wir uns vorstellen und glauben können oder weniger oder eben auch nicht ?

  41. Britta Britta

    Gerade ist mir noch ein Gedanke gekommen.
    Wir sagen ja irgendwie (s.oooben), dass Jesus nach dem Tod am Kreuz in die Totenwelt hinabgestiegen ist, um den Toten das Evangelium zu bringen und die Auferstehung(?).

    Auf dem Berg der Verklärung, den Petrus, Johannes und Jakobus mit Jesus einige Zeit vor seinem Tod erleben, sprechen aber schon Mose und Elia in beratender Weise mit Jesus!
    D.h., die waren also schon auferstanden – im Jenseits! Und zumindest Mose musste ja für seine eigene Schuld sterben und wurde von Gott begraben!

    Was Jesus seinen Jüngern auf dieser Seite des Vorhangs namens Tod leib-haftig gezeigt hat, war/ist also auch wieder ein Zeichen für das, was auf der anderen Seite, also in der größeren Gottes-Dimension geschieht.
    Und wir brauchen dieses Zeichen HIER natürlich, damit wir dadurch darüber hinaus auf die andere Seite hin glauben können.

    Das gilt – meine ich persönlich! – auch für die Totenerweckungen (Lazarus, Jüngling von Nain, Tochter des Jairus). Und sie geschehen (u.a.?) aufgrund des Mitgefühls/Erbarmens Jesu mit der Trauer und dem Flehen der liebenden Angehörigen!!

    • Kathi Kathi

      @Britta

      Die Verklärung auf dem Berg Tabor hat meiner Meinung nach eine andere Bedeutung. Erstmal ist mir nicht ganz klar, wie Dir der Gedanke gekommen ist, dass Moses und Elijah in „beratender Weise“ mit Jesus sprechen. Die Evangelien berichten nur, dass die drei miteinander sprechen – wir wissen aber nichts vom Inhalt dieses Gesprächs und der Gedanke, dass Moses und Elijah Jesus irgendwie beraten hätten – das wäre völlig konträr zur eigentlichen Bedeutung dieser Geschichte.

      Ich würde auch bezweifeln, dass es sich hier um eine Auferstehung von Moses und Elijah im Sinne der Auferstehung Jesu und aller Toten handelt. Die Geschichte selbst nennt es eine Vision, eine Erscheinung – das griech. Wort ist όραμα, also ein Gesicht im Sinne eines Traums oder einer ekstatischen Vision. Wir bewegen uns also auf einer anderen Realitätsebene, eher vergleichbar mit Visionen, die Propheten hatten.

      Das wichtige an dieser Geschichte ist, dass diese beiden Figuren, Moses und Elijah, das Gesetz und die Propheten verkörpern / symbolisieren. Die Jünger wollen nun Hütten um alle drei herum bauen, daraufhin erschallt Gottes Stimme „Das ist mein Sohn! Auf ihn sollt ihr hören!“ Die Jünger fallen dann erschrocken hin und als sie wieder hochschauen, sehen sie nur Jesus. Das Gesetz und die Propheten sind weg, Jesus ist da.

      Immer wieder wird davon gesprochen, dass Jesus das Gesetz und die Propheten erfüllt. Jesus ist das fleischgewordene Wort Gottes. Er ist es, dem man nachfolgen muss, um zum Vater zu gelangen. Letztlich bedeutet diese Geschichte, dass Jesus eine höhere Autorität hat als das Gesetz und die Propheten. Das kommt in dieser Vision zum Ausdruck.

      Die Auferstehung bedeutet, dass es wie es N.T. Wright sagt ein „Leben nach dem Leben nach dem Tod“ gibt. Eine Vision eines Toten aus dem Jenseits (evtl. so auch der Geist von Samuel, der von der Hexe von En-Dor beschworen wird) ist noch kein auferstandener Mensch. Jesus war tatsächlich der erste unter den leiblich Auferstandenen und bis jetzt gibt es sonst noch keine. Trotzdem gibt es die Idee, dass er ins Totenreich hinabgestiegen ist und die Seelen der Gerechten aus dem Sheol zu sich geholt hat. Nun gibt es die Vorstellung, dass wir nach unserem Tod bei Jesus ruhen. Aber das ist eben noch nicht das Ende vom Lied. Das Ende ist die Hoffnung auf die leibliche Auferstehung und die Vereinigung von Himmel und Erde.

      • Katja Katja

        @ Kathi,
        danke für deine vielen ausführlichen Gedanken, hier und oben. Ich staune und lerne 🙂 Gerne mehr davon!
        Mein Englisch ist ganz ok, ich werde N.T. Wright anhören!
        Zu Paulus will ich noch sagen, dass es für mich schon klar ist, dass sein Erlebnis nach der Himmelfahrt stattgefunden hat (oder Lukas das zumindest da hin ordnet), aber dass ich es umso faszinierender finde, dass jemand, der den leibhaftig Auferstandenen nie gesehen hat (und auch nie sehen konnte) felsenfest an die Auferstehung glaubt, weil (oder obwohl?) er eine un-leibhaftige Erscheinung vom Himmel hatte. Und dass es für Jesus auch kein Problem gewesen zu sein scheint, jemanden von seiner Auferstehung zu überzeugen, dem er nicht leibhaftig begegnet ist. Verstehst du, was ich meine?

        • Kathi Kathi

          @ Katja

          Ja, wobei Paulus natürlich dann auch die anderen Jünger getroffen hat und die ihm alles erzählt haben. Ob er in dem Moment, wo er die Stimme gehört hat, schon genau wusste, was dahinter steckt, wage ich mal zu bezweifeln. Aber was er begriffen hat war, dass Jesus der Sohn Gottes ist und der Messias, das zumindest nachdem er den Heiligen Geist empfangen hatte. Viele andere Details hat er sicherlich auch erst nach und nach begriffen.

          Ich finde es überhaupt faszinierend, dass Paulus so eine Vision hatte. Man hört es öfter mal, dass Menschen einen Traum hatten oder eine Vision und sich daraufhin bekehrt haben. Mein Mann hat mir erst neulich von jemandem aus seinem alten Bibelkreis erzählt, der mal Drogendealer war und eines abends in einer Bar saß und über einen Deal nachdachte. Plötzlich hörte dieser Mann eine Stimme in seinem Kopf: „Wenn du diesen Deal machst, verlierst du jegliche Chance, mich kennenzulernen.“ Er schaute sich um und sah plötzlich das „Böse“ überall in der Bar – so richtig beschreiben konnte er das nicht. Er sagte dann laut, dass er sich entschieden hat sein Leben Jesus zu geben, daraufhin wurde er von irgendeinem Biker aus der Bar gejagt. Letztlich hat er sein Leben radikal verändert.

          Es ist total faszinierend, aber ich frag mich auch, warum es nicht öfter passiert. Oder gibt es auch Menschen, die so eine Stimme hören, aber sie ignorieren…?

      • Britta Britta

        Ok, es geht in Vers 31 um ein Besprechen, wie das Ende Jesu aussehen soll.
        Klingt für mich irgendwie beratend, steht aber nicht ausdrücklich da, da geben ich dir recht.

  42. Britta Britta

    Dann lies mal Lukas 9, 31…?!
    Ich mag die Auslegung, dass Gesetz und Prophetie verschwinden und Jesus bleibt!
    So habe ich das noch nicht betrachtet. Danke : )
    Du fängst jetzt aber leider wieder mit dem „ es bedeutet das und nicht das“ an… schade ; )

    Ich habe das, wovon ich geschrieben habe, lediglich entdeckt und habe hoffentlich nicht gesagt, dass es nur das bedeuten kann. Das ist zumindest keinesfalls das, was ich damit sagen wollte und will!

    • Britta Britta

      Sorry, du hast nicht gesagt, dass deine Auslegung die Richtige ist!
      Du hast von deiner Meinung gesprochen! Hab ich falsch gehört : (

  43. Katja Katja

    Liebe Kathi,
    Noch ein anderer Punkt, den du schon mehrfach (?) angesprochen hast: Die Sache, dass man Dinge nicht als Wunder sieht, weil man sie „nur“ psychosomatisch einordnet. Das finde ich einen ziemlich schrägen Ansatz, den ich interessanterweise (wenn auch auf verschiedene Art und Weise, siehe weiter unten) sowohl bei „Liberalen“ (oder sagen wir lieber bei den Theologen à la unsere Religionslehrer) als auch bei Evangelikalen finde, der aus meiner Sicht aber nicht dem biblischen Menschenbild entspricht und deutlich beeinflusst ist von der Säkularisierung, nach dem Motto: „Wir können jetzt Menschen sezieren, wissen, wie der Körper funktioniert, haben keine Seele gefunden und deshalb kann sie auch keinen Einfluss auf die körperlichen Krankheiten (und umgekehrt) haben, also reden wir psychosomatische Zusammenhänge klein und Leute, die was mit der Seele haben, sind halt irre und kommen in die Anstalt, denen ist eh nicht zu helfen. Oder: Für die Seele ist die Religion zuständig, für den Körper die Medizin.“
    Ich finde, es ist ein mindestens ebenso großes Wunder, wenn psychosomatische Prozesse geheilt werden, wie wenn körperliche Beschwerden geheilt werden. Und gerade in der Bibel finde ich, dass körperliches Leiden immer auch eine seelische Dimension hat und umgekehrt. Und dass Jesus genau da auch ansetzt, z.B. weil er weiß, dass Krankheit soziale Ausgrenzung, Armut und Einsamkeit bedeutet – damals wahrscheinlich noch viel mehr oder auf eine deutlichere Art als heute.
    Bei den „Liberalen“ finde ich mehr die Position: Wunder = Außer-Kraft-Setzen von Naturgesetzen, wir glauben nicht daran, dass es sowas gibt und wir finden, alle Wundergeschichten waren nur metaphorisch und wenn es doch zu körperlichen Heilungen kam, dann nur, weil sie vorher Einbildung (das ist für sie synonym zu „psychosomatische Prozesse“) waren.
    Bei Evangelikalen finde ich mehr die Position: Wunder = Außer-Kraft-Setzen von Naturgesetzen, wir glauben daran, aber das Wunder besteht nur darin, dass es wirklich medizinisch nachweisbare körperliche Leiden waren und die Seele hat damit nichts zu tun, weil das Seelen-Heil ja nur für das Jenseits Relevanz hat.
    Ich kann mir durchaus vorstellen, dass manche körperlich (=äußerlich sichtbar) Kranke in der Bibel geheilt wurden, weil Jesus ihre Seele geheilt hat, v.a. sehe ich das bei denen, die von Dämonen besessen waren. Und dass er (möglicherweise ausschließlich) körperlich Leidende geheilt hat, weil er sich bewusst war, welch großes Leid diese körperliche Krankheit auch für ihre Seele bedeutete.

    Nur mal so für zum Weiterdenken, ich bin auch noch nicht ganz durch mit dem Thema, aber es fiel mir in deinen Kommentaren so auf. Vielleicht haben Britta und Provinzdoc dazu auch eine Meinung?? 🙂

    Katja

    • Kathi Kathi

      @Katja

      Ja, klar, ich schließe auch nicht aus, dass manche Leute psychosomatische Leiden hatten und Jesus deren Seele gesund gemacht hat, aber es wurde im Religionsunterricht damals als ein Möglichkeit der Interpretation vorgestellt, um eben speziell das Übernatürliche auszuschließen. Und das Beispiel, was damals genannt wurde, war die Heilung des Blindgeborenen und dass er angeblich gar nicht wirklich blind war, sondern nur blind für die Wahrheit und Jesus ihm die Augen geöffnet hat. Das fand ich schon damals so schwachsinnig, denn es ist Eisegese und nicht Exegese und man muss sich ziemlich von der eigentlichen Erzählung entfernen, um es auf diese Interpretation zu reduzieren. Denn der Mann war tatsächlich blind und ist auch so auf die Welt gekommen und man wird ja nicht mit psychosomatischen Krankheiten geboren. Alles auf eine abstrakte, psychische Ebene zu heben ist auch keine ehrliche Bibelauslegung, finde ich, vor allem, wenn man es nur tut, weil man nicht an das Übernatürliche glaubt und weil man eigentlich ein modernes deistisches Weltbild hat, in dem Gott keinen Einfluss mehr auf die Welt hat und den man vielleicht mal irgendwann nach dem Tod im Himmel trifft. Der Vater einer Freundin von mir ist evangelischer Pfarrer und predigt anscheinend genau das, von dem was mir meine Freundin so erzählt hat. Und das Problem ist, dass sie zwar Atheistin ist, aber meint, das, was ihr Vater erzählt, wäre die einzig richtige christliche Lehre. Ist sehr merkwürdig.

      • Britta Britta

        Ich frage mich – um auch nochmal auf Katjas Frage nach meiner Meinung zu antworten – ob es in der Bibel nicht in der Regel um ein Sowohl-als-auch geht.
        Gott kann uns immer nur durch ein äußeres Bild – z.B. ein Gebot wie „Du sollst nicht töten“ oder die Heilung eines Gelähmten, Blinden, Tauben,… – auf die tiefere Ebene/Dimension hinweisen; was sich in unserem Inneren abspielt, oder auch im Reich Gottes. Wir brauchen das Äußere, um es benennen und auf das Unsichtbare, Innere oder Höherdimensionale anwenden zu können.
        So verstehe ich u.a.(!) auch die Vaterunser-Worte:
        „Wie im Himmel, so auf Erden“,
        (… wobei Jesus die evtl. gar nicht gesagt hat, oder?)
        Ich persönlich halte die tiefere Dimension für die größere und im Grunde mindestens genauso konkret und Auswirkungs-reich, obwohl wir natürlich erstmal viel mehr über äußerliche Heilung staunen! Weil wir sie sehen, anfassen und messen können! Das scheint bei Gott aber nicht unbedingt das Wichtigste zu sein oder er hat eben himmlische Maße.

        Zum Glauben bringt uns die äußere, körperliche Heilung aber auch nicht automatisch, weder zur Zeit Jesu noch heute. Man kann sie locker anderweitig erklären, wenn man will, oder soagr verteufeln… (auch wenn Menschen gestorben und wieder ins Leben zurück gekommen sind und „drüben“ etwas erlebt haben, wofür es hier keine Worte gibt, höchstens völlig unzureichende Bilder…)
        Unsere „Pharisäer“ sind zeitlos aktiv ; )

        • Britta Britta

          … und damit will ich auf keinen Fall (!!!) die Not einer „äußerlichen“ Krankheit kleinreden!!!
          Ich würde auch immer um beides beten: Die äußere Heilung und Heilung für die innere Not, die darunter verborgen sein könnte.
          Das würde ich auch nicht zur Lehre machen, dass jede Krankheit auf etwas Tieferes hinweist.
          Vielleicht lohnt es sich jedoch öfter, diese Frage einmal stellen zu dürfen. Allerdings bin ich überhaupt keine Freundin von der Denke, dass eine Schuld/Sünde hinter einer Krankheit stecken muss.
          Das kann mal sein, aber jemandem auch noch die Last aufzuladen, dass er selber an seiner Krankheit schuld sei, wegen unerkannter, unbekannter Sünde oder so, finde ich ausgesprochen fragwürdig bis ungeheuerlich und sogar gefährlich!!

          Für mein Bibellesen finde ich es total bereichernd, die Frage zu stellen, ob das, was ich da betrachte, auch ein Bild für etwas (viel) Größeres dahinter sein könnte und/oder ob ich soetwas auch übertragen in mir selber entdecken kann und Worte für etwas bekomme, was vorher schon in mir aber „unaussprechlich“ war.
          Manchmal geht dann die Tür auf, oder – v.a., wenn das Bild mir heute nichts mehr sagt, – auch nicht ; ) Und manchmal klingelt es plötzlich an einer anderen Stelle.
          Hab ich schonmal erwähnt, dass mein Lieblings-„Lobpreis“-Wort „Wow“ ist?

          • Katja Katja

            Kathi: Ja krass, dass der Relilehrer sich gerade dieses Beispiel rausgesucht hat, um seine Psychosomatik-These zu untermauern… Also bei anderen Heilungsgeschichten kann ich ja wenigstens noch ansatzweise nachvollziehen, dass Leute, die nicht an Wunder glauben und (fälschlicherweise) meinen, psychosomatische Zusammenhänge seien leicht zu verstehen und als „Einbildung“ abzutun, die Geschichten dann als „Psycho“ abstempeln, aber gerade in der Blindgeborenen-Geschichte wirkt der Erklärungsversuch dann doch eher hilflos konstruiert. Wobei ja interessanterweise gerade in dieser Geschichte das Denkmuster der Leute zur Zeit Jesu hervortritt, dass Krankheiten daher kommen, dass mit der Beziehung zu Gott was nicht stimmt (=Sünde der Auslöser ist). Und Jesus erteilt gerade hier diesem Denken eine deutliche Abfuhr!

            Danke Britta für deine Gedanken. Das sowohl-als-auch finde ich ein gutes Denkmodell. Auf diese Heilungsfrage übertragen denke ich, körperliches und seelisches Leiden bedingen sich gegenseitig und man kann in etlichen Fällen nicht sagen, was Henne und was Ei ist. Hier wird mal wieder deutlich, dass man in theologischen Fragen auf beiden Seiten vom Pferd fallen kann: immer nur Sünde (im Sinne einer seelischen Krankheit oder aber auch als „böse“ Taten) als Auslöser für Krankheiten sehen oder die seelische Komponente kleinreden und nicht ernst nehmen.

            Ich finde allgemein deinen Gedanken für das Bibellesen gut, dass wir das Äußere brauchen, um es zu benennen und auf das Dahinterliegende/Tiefere anwenden zu können. Und dass es vielleicht schräg wird, wenn wir nur beim Äußeren stehenbleiben (da kommt mir schon wieder der Gedanke mit dem faktisch Überprüfbaren und der tieferliegenden Wahrheit… 😉 ) oder aber immer nur auf das Dahinterliegende aus sind (dann werden wir glaub ich irgendwie realitätsfern).

            Das war jetzt vielleicht etwas wirr… ich hoffe, ihr kommt mit meinen Gedanken klar…

    • viva viva

      @Katja: Ziemlich coole Gedanken zum Zusammenhang von seelischer und körperlicher Heilung bei Jesus!
      Soweit ich weiß, gibt es die Unterscheidung Körper-Seele-Geist auch eher im platonisch-griechischen Denken, von dem das Christentum stark geprägt ist. Im Hebräischen werden die Begriffe synonym für den ganzen Menschen verwendet. „Nefesch“ was mit Seele übersetzt wird (im Ersten Testament), bedeutet Kehle, bzw Atem, also unser Leben /Lebensatem.
      Worüber ich beim Thema Wunder in letzter Zeit nachdenke: Warum muss Eigentlich der Schluss gezogen werden Wunder = außer Kraft setzen der Naturgesetze? Wenn Gott doch Ursprung/Schöpferin dieses Universums ist, wieso sollte sie/er Naturgesetze außer Kraft setzen? Gehört nicht alles was Gott in dieser Welt tut, zu dieserWelt/Natur. Naturgesetze sind ja nur Regeln, die wir Menschen aus Beobachtungen der Natur ableiten. Also haben wir für Wunder nur noch keine Erklärung. Aber wäre es schlimm, wenn wir eine finden? Wie bei der Entstehung der Erde, die Evolutionstheorie auch eine Erklärung ist, die aber meiner Meinung nach nichts darüber sagt, ob es Gott gibt oder nicht. Oder habe ich einen riesen Denkfehler?
      Übrigens verrückt, wieviele Themen sich unter diesem Talk auftun..! Sehr spannend.

      • viva viva

        Mhh ich glaube ich habe mich missverständlich ausgedrückt.. Meine Frage ist: Warum müssen Wunder übernatürlich/unerklärlich sein, damit es echte Wunder sind. Warum muss Gott übernatürlich handeln, wenn die „Natur“ doch aus Gottes Hand stammt. Ist dann nicht alles natürlich, was Gott tut?

      • Ina Ina

        Hey, viva,

        ich fand Dich nicht unverständlich (hoffe, ich liege jetzt nicht falsch).

        Auf so etwas wollte ich hinaus, wenn ich z.B. schrieb, dass sich Konservative und Liberale immer so furchtbar einig sind, wenn sie über Übernatürliches und Wunder sprechen.

        Wenn etwas angeblich nur psychologisch oder psychosomatisch ist, wissen wir denn dann wirklich besser, was es ist? Wenn wir sagen, etwas ist historisch, haben wir es deshalb verstanden? (Und das sage ich als jemand, der selber an die leibliche und historische Auferstehung glaubt, bitte mich nicht falsch verstehen.) Beides sind Modelle des Denkens.
        Oder als ich mich mit dem Ketzer-Podcaster über Wissenschaftlichkeit (und die Reichweite von Schlussfolgerungen oder die Wirklichkeit und unsere Modelle darüber) gestritten habe.

        Ich bin mir aber nicht ganz so sicher beim Fortschritt der Wissenschaften. Also, ob wir das, was wir Wunder oder Wirken Gottes nennen, tatsächlich irgendwann erklären können. Für mich ist die Realität Gottes zugleich transzendent und trotzdem auch immer diesseitg „irgendwie“. Er steckt und wirkt „zwischen“ den Dingen, die wir als Gegenstände der Wahrnehmung isolieren können. Wie sollte man das jemals zu fassen kriegen? Ist aber nur meine persönliche Auffassung, ich würde mich da nie streiten. 🙂

      • Katja Katja

        @ viva
        Jajaja 🙂 Ich denke auch so – ich glaube, dass das Problem bei „Wundern“ schon damit beginnt, wenn man sie auf etwas Übernatürliches, gegen die Naturgesetze Gerichtetes beschränkt. So in die Richtung, dass Gott die Sonne rückwärts laufen lässt (wie bei Hiskia 2Kön20). Die Auferstehung würde ich zum Beispiel tatsächlich als Wunder (=Übernatürlich) ansehen, weil sie die (von Gott gegebene) Sterblichkeit der Menschen durchstreicht. An der Definition Wunder = Übernatürlich stört mich, dass es z.B. bei Krankheits-Heilungen ja nichts Übernatürliches ist, wenn sie geheilt werden, sondern einfach etwas, was über unseren menschlich-medizinisch-wissenschaftlichen Fähigkeitsbereich hinaus geht. Aber es gibt ja recht viele Krankheiten, die die „Natur“ (also unser eigenes Immunsystem) gut selbst wieder heilen kann (z.B. eine Erkältung oder Wunden).
        Ich hab dazu in der Laiendogmatik („Warum Gott?“) von Wilfried Härle etwas sehr Interessantes gelesen, ein paar Sätze schreib ich mal ab. Er analysiert Psalm 107,1-32 und schreibt dazu:
        „Das ist eine geradezu mustergültige Einführung in das, was die Bibel unter „Wunder“ versteht. Es sind die Erfahrungen, dass Menschen,
        – die die Orientierung verloren haben, wieder den richtigen Weg und ein Zuhause finden;
        – die durch eigene Schuld in Gefangenschaft geraten sind, wieder frei werden;
        – die an Seele und Leib todkrank waren, vor dem Tod gerettet werden und wieder gesunden;
        – die in Unwetter geraten sind, bewahrt bleiben und wohlbehalten an ihr Ziel kommen.
        Keine dieser Erfahrungen steht im Widerspruch zu einem uns bekannten Naturgesetz. Dieser Aspekt spielt in diesem Psalm überhaupt keine Rolle. Trotzdem werden alle diese Erfahrungen als Wunder bezeichnet und Gott wird geradezu definiert als der Gott, der (solche) Wunder an Menschenkindern tut. […] Was macht diese Wunder zu Wundern? Nach biblisch-christlichem Verständnis sind es vier Merkmale:
        Erstens: Ein Mensch befindet sich in einer Situation der Not, Gefahr oder Bedrohung, in der und aus der er sich nicht selbst helfen kann.
        Zweitens: Er hofft zwar auf Hilfe und ruft Gott um Hilfe an, aber dass (und wie) sie tatsächlich eintrifft, ist nicht vorher abzusehen, sondern kommt überraschend.
        Drittens: Er erlebt die Hilfe als Erhaltung und Rettung seines Lebens und als Heil, das Gott ihm zugedacht und verheißen hat.
        Viertens: Er fühlt sich dadurch bewegt zum Dank an Gott und zum Lob Gottes gegenüber anderen Menschen.“

        Härle schreibt dann noch etliches über „Naturgesetze“, als was man sie definiert usw. und stellt drei Antwortmöglichkeiten auf die Frage vor, „in welchem Verhältnis die Naturgesetze zu Gott und zu Gottes Wirken stehen […]
        a) Diese Gesetze sind universal gültig. Sie gelten darum auch für Gott. Das heißt aber faktisch: Sie stehen über Gott und sind – genau genommen – selbst göttlich.
        b) Diese Gesetze stehen unter Gott, deshalb kann Gott sie auch außer Kraft setzen, Ausnahmen von ihnen machen oder solche Ausnahmen zulassen. Das heißt aber faktisch: Sie sind gar keine Gesetze im Sinne stabiler, verlässlicher Verlaufsregeln, sondern ihre Gültigkeit hängt jeweils von Gottes aktuellem Wollen ab.
        c) Diese Gesetze sind Gottes Gedanken, die darum verlässlich gelten, weil Gott treu ist – sich selbst und darum auch seiner Schöpfung gegenüber.“
        Härle sagt, dass für ihn nur die Antwortmöglichkeit c) mit dem biblisch-christlichen Gottesverständnis vereinbar ist.

        Die Frage ist für mich aber: Was war das dann z.B. bei der Auferweckung des Lazarus, Jesu Auferstehung und bei der Sonne, die rückwärts gewandert ist (was ja in 2Kön 20,9 nicht als „Wunder“, sondern als „Zeichen“ bezeichnet wird)?

        Soweit zum Weiterdenken und Antworten 🙂
        Katja

        • viva viva

          Danke für die coolen Gedanken!
          @Katja Antwort c) überzeugt mich sehr. Daher würde ich der Geschichte in 2. Kön 20 eher legendenhaften Charakter zuschreiben, da ich mir nicht vorstellen kann, dass Gott für ein simples Zeichen, die Treue zu den Naturgesetzen bricht und die Erde rückwärts drehen lässt. (Die Sonne bewegt sich ja sowieso nicht :D) Das würde ja den kompletten Kosmos durcheinander bringen. Vielleicht ist die Auferstehung Jesu wirklich etwas komplett anders.. Ich weiß es nicht.
          Das Menschen tot sind und dann wieder aufwachen, wie bei Lazarus, ist ja ein Phänomen, dass auch außerhalb des Christentums bezeugt ist und sogar heute manchmal passiert. Irgendwie kann man das sicher erklären. Deswegen wäre es für mich immer noch ein Wunder und in der Lazarusgeschichte so von Gott geschenkt.

          @Ina „Für mich ist die Realität Gottes zugleich transzendent und trotzdem auch immer diesseitg “irgendwie”.“ Super Satz, da gehe ich gerne mit. 🙂

          Früher dachte ich immer, Wunder müssten übernatürlich sein und seien eine Art Beweis dafür, dass es Gott gibt. Habe aus der Motivation heraus auch dafür gebetet, welche zu erleben. Irgendwann habe ich für mich entdeckt, dass das eigentliche Wunder unserem Herzen passiert, wenn wir glauben, dass etwas so von Gott geschenkt ist. Klingt wie ein Trostpreis.. 😀 Aber ich empfinde es als befreiend.
          Deshalb glaube ich auch, dass die Auferstehung Jesu weder damals noch heute ein Beweis sein kann, sondern ein Glaubensgeschenk. In Matthäus 28 sendet der Auferstandene die Jünger*innen aus: „Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten.“ (Vers 17)

          • viva viva

            Einer meiner Lieblingssätze der Bibel, weil Jesus alle aussendet: Die, die gerade zweifeln, genauso, wie die, die Glauben empfinden. 😉

          • Katja Katja

            @viva
            Ich bin auch eher so sozialisiert worden, dass man für Übernatürliches betet, für krasse Heilungswunder, Parkplätze, Schutzengel und Zeichen und dabei hab ich auf die Dauer voll übersehen, dass das eigentlich Wunderbare ziemlich leise kommen kann und unscheinbar (zB ein Kind in der Krippe…) oder dass es auch längere Veränderungsprozesse sein können, die wunder-bar sind.
            Wenn du gern Philosophie magst und Medizin/Psychologie, dann guck dir mal die Sternstunde Philosophie mit Dr. Eckart von Hirschhausen an. Da sind etliche interessante Ideen dabei. Ich mag sowas, weil mich das ein bisschen auf Distanz bringt zu meinem gewohnten christlichen Denken und mir haben solche Ansätze viel geholfen, zu einer recht ungesunden Art von christlichem Aberglauben und christlichen „Glücksritualen“ Abstand zu bekommen und sie abzulegen.
            https://www.youtube.com/watch?v=FTtR5pNylAc
            Sternstunde Philosophie Hirschhausen 26.3.2017

  44. Markus Markus

    Lieber Jay,

    Deine Antwort oben an toblog zur Auferstehung kann ich einerseits nachvollziehen. Wir sind in einem freien Land, da darf jeder glauben und hoffen, was er will. Ich verstehe auch das Anliegen, niemand auszuschließen, nur weil es ihm vielleicht leichter fällt, am Glauben an die Auferstehung festzuhalten, wenn sie nicht leiblich gedacht wird.

    Aber ich finde, Du solltest doch deutlicher zur Kenntnis nehmen, dass es nicht nur für mich oder toblog sondern für sehr viele Christen einen Riesenunterschied macht für die Auferstehungshoffnung und für die Glaubwürdigkeit unseres Glaubens, wenn der Leichnam Jesu im Grab verrottet ist statt dass das Grab wirklich leer war. Mich beschäftigt weniger die Frage, was Einzelne glauben, sondern die Frage: Was lehren unsere Ausbildungsstätten und folglich auch unsere Lehrer, Leiter, Pfarrer und Priester in unseren Gemeinden und Gemeinschaften? Denn deren Überzeugungen und Botschaften haben nun einmal nicht nur Auswirkungen für sie persönlich sondern auf ganze Gemeinschaften und Gemeinden. Fakt ist: Wenn das, was Dr. Breuer lehrt, in meiner Gemeinde von der Kanzel gepredigt würde, dann wäre unsere vitale und lebendige Gemeinde innerhalb kürzester Zeit leergefegt weil viele sagen würden: Das entwertet meine christliche Hoffnung im Kern!

    Ich hatte erst kürzlich ein Gespräch mit einer evangelischen Prädikantin, die mir erzählt hat, dass sie von ganz vielen Gemeinden angefragt wird für Predigt und Seelsorge, weil die Christen sagen: Unser Pfarrer hat uns nichts zu sagen. Der ist für uns kein Trost, der weckt keine Hoffnung, von dem kommt nichts rüber außer einem Theologensprech, mit dem wir wenig bis gar nichts anfangen können. Weißt Du: DAS ist aus meiner Sicht das traurige Drama meiner Kirche.

    Und deshalb glaube ich, dass Dein Traum, dass man einfach vom Auferstandenen redet ohne zu definieren, ob leiblich auferstanden oder nicht, in der gemeindlichen Praxis einfach nicht funktioniert, zumindest nicht innerhalb einer Gemeinschaft, weil für viele Christen viel zu viel an dieser Frage hängt. Wenn in einer Gemeinde heute ein Prediger lehrt, dass das Grab leer war und morgen der nächste sagt, dass Jesus nur in den Herzen der Jünger auferstanden ist, dann führt das zwangsläufig zu Verwirrung und Verunsicherung bei einer Frage, die für viele Christen existenziell ist. Meine Überzeugung ist: So kann man keine Gemeinde bauen.

    Und das gilt übrigens nicht nur für die Auferstehungsfrage sondern eben z.B. gerade auch für die Frage nach dem Sühneopfer. Ich muss nur daran denken, wie viele Lieder, die mir persönlich extrem kostbar sind (wie z.B. das von Dr. Breuer ausdrücklich abgelehnte Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“), ich als Lobpreisleiter aus dem Programm nehmen müsste, wenn bei uns nicht klar sein dürfte, dass Jesus am Kreuz sein Blut für unsere Schuld vergossen hat statt nur ein Justizopfer zu sein. Das sind Fragen, bei denen es nun einmal für viele Christen ans Eingemachte geht (wie ja auch Dr. Breuer selbst klarstellt), an den Kern ihrer Hoffnung.

    Deshalb fände ich es schön, wenn Leute wie Du respektieren könnten, dass solche Christen wie ich uns Gemeinden mit Gemeindeleitern wünschen, die unsere Hoffnung mit uns teilen. Und dass wir uns deshalb auch Ausbildungsstätten wünschen, in denen apologetisch verteidigt wird, dass Jesus leiblich auferstanden ist und dass Jesus wirklich den Blinden körperlich geheilt hat statt diese Geschichte künstlich eisegetisch zum Gleichnis umzukonstruieren, wie Kathi oben so schön formuliert hat. Wie gesagt: Ihr dürft ja gerne andere Gemeinden und Gemeinschaften bauen, wo die Leiter und Prediger solche Themen sehen dürfen wie sie wollen. Ich wünsche euch von Herzen, dass das gelingt. Ich persönlich glaube nur nicht, dass das geht. Bzw. ich meine in meiner Kirche ganz klar zu sehen, dass es nicht funktioniert. Aber ich freue mich, wenn ich mich täusche. 🙂

    • Du, das verstehe ich. Und ich respektiere das. Ich verlange ja gar nicht, dass Du und Deine Gemeinde Eure Richtung ändert. Und ich wünsche Euch ebenfalls viel Erfolg dabei – auch wenn es mir, so wie Dir, ebenfalls schwerfällt, an das heutige Gelingen Eurer Ausrichtung zu glauben. Aber auch ich freue mich natürlich, wenn ich mich täusche.

      Aber wenn Du ernst meinst, was du oben geschrieben hast, dann würde ich mir wünschen, dass Du Dich in Deine Apologetik gegen liberale Denkmodelle deutlicher gegen die Modelle wendest und sie weniger an den Personen festmachst, die sie vertreten. Bei dir klingt es eben sehr oft so, als wolltest Du denjenigen den christlichen Glauben absprechen. Und das finde ich vermessen.

      LG,
      der Jay

    • Katja Katja

      Lieber Markus,
      danke für deine ausführlichen Gedanken. Ich verstehe das gut, dass man als Mensch in einer verantwortlichen Gemeindeposition den Wunsch hat, dass es dort möglichst einheitlich bleibt – auch wenn du ja schon geschrieben hast (so hab ich dich jedenfalls verstanden), dass es bei euch durchaus „erlaubt“ ist, links und rechts zu gucken und sich Inspirationen zu holen – das ist nicht selbstverständlich. Ich verstehe auch, dass für Gemeinden, die in eine Richtung geprägt sind und sich damit wohl fühlen, ein Pfarrerwechsel, mit dem ein völlig anderer Wind reinkommt, echte Schwierigkeiten mit sich bringt, solange dieser neue Pfarrer einfach unsensibel wiederum seine Lehre als die „richtige“ verkündigt.
      Ich habe aufgrund meiner Lebens-Erfahrung folgende Anmerkungen:
      Wenn das, was Dr. Breuer lehrt, in deiner Gemeinde (SENSIBEL und als Horizonterweiterung, als eine auch-mögliche-Auslegungform – Herr Breuer macht das ja schon recht krass) von der Kanzel gepredigt würde, dann wäre vielleicht deine Gemeinde nicht mehr in der Form in deiner Kirche, wie sie jetzt ist, aber es würden andere kommen, die sagen: Wow, das ist so gut, dass endlich mal jemand meine Anfragen ernst nimmt und dass es möglich ist, weiterzuglauben, auch wenn ich damit so Schwierigkeiten habe, mir einen leiblich Auferstandenen vorzustellen. Oder wenn mal jemand predigt, der eher von der Mystik geprägt ist, dann könnte er damit Leute wieder ins Boot holen, die sich nicht nur von der Gemeinde, sondern vom Glauben insgesamt abgewandt hatten, weil sie mit dem eher rationalen Stil nicht (mehr) klarkamen.
      Ich kann der Tatsache, dass unterschiedliche Auslegungen zu Verwirrung und Verunsicherung in existenziellen Fragen führen, mit einem groooßen JA zustimmen. Diese Verwirrung und Verunsicherung kann aber auch dazu führen, dass man sich (als Einzelner oder auch als Gemeinde) neu aufstellt und das sehr heilsam wird. Und es kann auch heilsam sein, altbekannte Lieder mal aus dem Programm zu nehmen, um zu den eingeschliffenen Texten eine gesunde Distanz zur Reflexion zu bekommen oder in neuer Textform bestehende Gedanken zu formulieren.

      Und natürlich darf auch jede Gemeinde so bleiben, wie sie ist 🙂 – Gott sei Dank gibt es ja so viele verschiedene – wenn es für ALLE ihre Mitglieder heilsam ist und niemand auf der Strecke bleibt. Aber dann sollte diese Gemeinde eine Bewegung, die andere Auslegungen hat, nicht als Bedrohung wahrnehmen, die ihr „die Spitze nimmt“, sondern zumindest als gleichberechtigte andere Sichtweise, der sie sich aber nicht notwendigerweise anschließen muss.

      Katja

      • Katja Katja

        Noch eine kleine Ergänzung zur Auferstehung: In meiner Landeskirche sagt man am Ostermorgen glücklicherweise nicht „Der Herr ist auferstanden, er ist LEIBHAFTIG auferstanden“, sondern „Der Herr ist auferstanden, er ist WAHRHAFTIG auferstanden“
        Halleluja! 🙂

      • Markus Markus

        Liebe Katja,
        ich kann natürlich auch regelmäßig einen Imam in der Gemeinde predigen lassen, dann kann er die Muslime ins Boot holen. Und danach hole ich mir jemand vom Ketzer-Podcast, damit auch die Atheisten sich bei uns wohl fühlen können. 😉 O.K. Spaß beiseite, ich hoffe, Du fandest die kleine ironische Spitze jetzt nicht verletzend. Aber im Ernst: Ist denn Wahrheit davon abhängig, wie einfühlsam jemand spricht? Wird die Botschaft Breuers, dass eine Kamera am Grab nichts hätte filmen können und somit der Leib Jesu im Grab geblieben ist, denn irgendwie besser oder richtiger, wenn man sie etwas sanfter vermittelt? Für mich nicht. Übrigens glaube ich, dass keine Gemeinde für ALLE ihre Mitglieder heilsam sein kann. Jede Gemeinde hat andere Gaben, Schwächen und Stärken. Deshalb bin ich für Richtungsgemeinden und freie Gemeindewahl. Und Du kannst tun was Du willst. Bevor ich „O Haupt voll Blut und Wunden“ aus dem Programm nehme nehme ich mich selbst aus der Gemeinde. Ich kenne kein Lied, das so tiefgründig das Karfreitagsgeschehen beschreibt. Es sind genau solche kostbare geistliche Schätze, in die ich mich tief verwurzeln möchte. Aber wie Du siehst, sehe ich Gemeinden mit anderer Prägung nicht als Bedrohung. Ich trauere nur darum, dass ich so viele Gemeinden mit liberaler Theologie sehe, die vergreisen und in sich zusammenbrechen, weil die Theologie verkopft, verschwurbelt und lebensfremd geworden ist. Und deshalb wünsche ich allen Gemeinden, dass sie zwar in den Formen bunt und vielfältig sein sollen, aber dass sie eins sind in der Liebe zu Jesus und seinem Wort und dass sie diesem alten, kraftvollen, wunderbaren, heilsamen Evangelium vertrauen können.

        • Katja Katja

          Lieber Markus,
          der Unterschied zwischen Muslimen, Atheisten und Christen (auch! postevangelikalen Christen) ist, dass Muslime (neben anderen Unterschieden zum Christentum) nicht glauben, dass Gott sich in Jesus offenbart hat und Gott dreieinig ist und dass Atheisten überhaupt nicht an einen Gott glauben. Du stellst also Christen, die anders glauben als Du, auf eine Stufe mit Menschen, die den christlichen Gott nicht anerkennen. Das finde ich überhaupt nicht spaßig und es bestätigt meinen Eindruck, dass du u.a. das, was du bei Worthaus gehört hast, als gotteslästerlich und wider das Evangelium einstufst (so auch deine Anfrage, ob das, was Herr Breuer sagt, „richtiger“ und „besser“ würde durch eine einfühlsamere Verkündigung, die keinen Absolutheitsanspruch vertritt). Und wenn du schon einkalkulierst, mich mit deiner Aussage zu verletzen, warum schreibst du es dann?

          Ich will dir noch ein Beispiel geben im Hinblick auf den Begriff „Wahrheit“:
          Es heißt in 1.Tim2,4 dass Gott will, dass ALLE Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Ich habe mich im Rückblick auf „meine“ frühere „Wahrheit“ (die deiner und der der DEA in wesentlichen Punkten entspricht) gefragt, was das für eine Wahrheit ist, die dazu führt, dass Christen sich von anderen Christen abgrenzen, deren Erkenntnisse über Gott als „schlechter“ und „falsch“ bewerten und meinen, alle Menschen hätten dieselben Probleme und Lebensfragen und deshalb gäbe es nur DIE eine Antwort.
          Wie soll z.B. DIE Wahrheit, dass wir alle boshafte Sünder sind, die Gottes Zorn verdienen und Vergebung brauchen, deren Sünden Jesus ans Kreuz gebracht haben und die nur gerettet werden, wenn sie ihren Stolz ablegen und Buße tun, für jemanden DIE Rettung sein, der Opfer von Mobbing oder Missbrauch geworden ist, selbst auf das Schlimmste gedemütigt wurde, keinerlei Selbstwertgefühl mehr hat und weit davon entfernt ist, stolz, überheblich und boshaft zu sein? Ist nicht für diesen Menschen DIE Wahrheit die Rettung, die Gott uns durch die Bibel ebenfalls zuspricht: Gott ist auf Deiner Seite. Er ist Dein Befreier, Dein Heiland, Dein Arzt. Er richtet Dich wieder auf. Jesus hat Dein Leiden auf sich genommen, ist für Dich den Weg durch Demütigung und Tod gegangen, weil Du ihm unendlich wertvoll bist, er Dich über alles liebt und Deine Verletzungen heilen will? Ich gehe mal davon aus, dass ihr diesen anderen Evangeliums-Aspekt in Eurer Gemeinde auch verkündigt. Und daran kann man doch gut sehen, dass es wichtig ist, auch andere Seiten der frohen Botschaft oder andere Schwerpunktsetzungen mit einzubeziehen.

          Ich finde es schon ein starkes Stück, wenn jemand in einer verantwortungsvollen Gemeindeposition von vorneherein mit Kollateralschäden seiner Lehre rechnet und den Mitgliedern, für die andere Aspekte des Evangeliums heilsamer wären, als einzige Alternative anbieten kann: Dann geht eben in eine andere Gemeinde. Nur damit die eigene Gemeinde die eigene Wahrheit (und nicht nur ihre eigenen Stärken, sondern auch ihre Schwächen!) beibehalten kann und man an seinen Glaubensgrundsätzen nichts verändern muss. Was ist daran so schlimm, wenn man seine Position verändert und seinen Horizont erweitert oder an seinen Schwächen arbeitet? Offenbar siehst du ja grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass Menschen in anderen Gemeinden auch heilsam glauben können (das war z.B. in meiner Herkunftsgemeinde früher nicht so, da war jeder gleich vom Glauben abgefallen, der in eine andere Gemeinde gegangen ist). Ich hab nur noch nicht verstanden, warum es Dir bei Postevangelikalen so schwer fällt. Also, ich kann es nachvollziehen, dass man etwas Liebgewonnenes nicht so schnell aufgibt, wenns mal „läuft“, aber ich begreife viele deiner Aussagen nicht und auch nicht die Härte, mit der du postevangelikale Erkenntnisse angreifst – und auch nicht, warum du sie immer mit allem, was Du unter „liberaler Theologie“ verstehst, in einen Topf wirfst.
          Hmm… unser Kommunikationsdilemma scheint mir zu sein, dass wir beide mehr oder weniger fix etwas gefunden haben, was wir für uns als wahr und heilsam erkannt haben. Und dass wir momentan auch keine Not haben, daran etwas zu verändern und dass ich das, was Du für wahr und heilsam hältst, als etwas für mich (und auch für andere Christen, die ich kenne) mittlerweile eher Destruktives und Reformbedürftiges halte. Vielleicht finden wir ja noch einen grünen Zweig für unseren Austausch 🙂
          Katja

          • Peter Peter

            Danke, Katja, Du sprichst mir aus dem Herzen.

    • Peter Peter

      @Markus

      Du schreibst, dass Deine Sicht „…für sehr viele Christen einen Riesenunterschied macht…“ – ist das wirklich so? Ganz ernst gemeinte Frage, weil ich keinerlei Statistiken dazu kenne und nicht sagen könnte, ob das zutrifft oder nicht. Oder könnte es nur die Wahrnehmung aus Deiner persönlichen Blase sein (und jeder von uns steckt ja in einer solchen)? Ich kann beispielsweise noch nicht mal so genau sagen, was die Leute in meiner eigenen Gemeinde bezüglich verschiedener Dinge so glauben. Und wir sind eine Freikirche.

      Du schreibst „Das sind Fragen, bei denen es nun einmal für viele Christen ans Eingemachte geht…“. Ist das so, weil es uns so gelehrt wurde und wir so geprägt sind – oder ist es so, weil die Bibel das tatsächlich so sagt und wiedergibt? Wie oft haben wir ein bestimmtes Bild im Kopf davon, was die Bibel sagt und was nicht – aber nicht, weil die Bibel das tatsächlich so sagt, sondern weil wir das so erklärt bekommen haben. Banales aber witziges Beispiel: als Paulus seine Begegnung mit Jesus hat auf dem Weg nach Damaskus. Paulus reitet auf einem Pferd oder Esel und fällt runter, als er das Licht sieht. Richtig? Nö. In der Bibel steht kein Wort von einem Reittier. Nur dass er fällt. Warum hätte ich dennoch Stein und Bein geschworen, dass er auf einem Reittier saß? Weil ich Bilder gesehen habe, auf denen das so dargestellt wurde. Diese Fragen kann man durchaus ausdehnen. Warum glaubten Menschen Jahrhunderte lang, es sei biblisch ok, Sklaven zu haben? Vermutlich weil sie so geprägt waren. Warum dachten Christen Jahrhunderte lang es sei ok, Frauen das Leitungsamt zu verwehren? Vermutlich weil sie von einer patriarchalischen Gesellschaft geprägt waren. Und wenn wir weiterdenken: könnte es sein, dass Homosexualität ähnlich gelagert ist? Lehnen es viele Christen vor allem deshalb ab, weil sie so geprägt wurden? Weil wir aus einer Gesellschaft kommen, die jahrhundertelang Schwule und Lesben umgebracht, ins Gefängnis geworfen und unterdrückt hat?
      Zurück zur Frage mit der Auferstehung, und in der Beziehung finde ich Breuers Vortrag mindestens interessant: wenn es soooo wichtig ist, dass Jesus leiblich auferstanden ist, warum erwähnt Paulus mit keinem einzigen Wort das leere Grab? Und die nächste Frage: wenn das für Paulus nicht wichtig war – warum muss es für uns wichtig sein? Es ist zumindest ein legitimer Gedankengang, an dessen Ende ich wahrscheinlich sage: ich weiß es nicht, aber das „wie“ ist eigentlich auch nicht so wichtig. Entscheidend ist, DASS Jesus auferstanden ist! Bei Dir wirkt es so, als ob es nicht nur wichtig, sondern geradezu heilsentscheidend ist, dass man an eine leibliche Auferstehung glaubt. Dadurch wirkt es so, als ob Du all denen, die ein Alternativmodell a la Breuer glauben, den rechten Glauben absprichst. Willst Du das? Wenn nein: dann überleg doch mal, ob Du Deine Art, wie Du Deine Kritik ausdrückst, ändern kannst.

      • Gut beobachtet, Peter. Die Paulus-Geschichte ist ein sehr schönes Beispiel für die Brillen, die man beim Bibel lesen anhat.

        Ich bring jetzt mal einen Klopper, der mich zugegebenermaßen verblüfft hat. „Sünde trennt Dich von Gott.“ Grundstein der Sühnetheologie. Aber wo STEHT das eigentlich wörtlich?

        Gesucht wäre also eine Stelle, deren Interpretation ihrerseits nicht bereits die Sühnetheologie voraussetzt, da diese ja erst zu stützen wäre…)Viel Spaß beim Suchen

        • @ All und vor allem @ Markus.

          Kleiner Zwischenruf: Tataaaaa, Florian hat soeben den 201ten Kommentar unter diese Hossa-Folge geschrieben. Damit sprengt ihr erstmalig die 200er Marke! Wow! Markus, so viele Kommentare gab es noch nie bei einer Folge. Ich glaube über 175 sind wir bisher noch nie gekommen (und das war auch schon eher selten)!!!!

          Danke für Euer emsiges Schreiben und Diskutieren und vor allem das im Großen und Ganzen freundlich dabei bleiben. Das ist Hossa! So mögen wir das. Ihr seid klasse!

          Hossa! Hossa! Hossa!

          LG,
          der Jay

          PS Wenn sich jetzt Forian oder Peter fragen, was sie denn gewinnen (Peter wäre ja immerhin das 200te Post), so muss ich Euch leider enttäuschen, die total unabhängige und geistgeleitete Hossa-Jury (unter der Aufsicht des Notars Dr. Theo Leaks) hat vom HERRN empfangen, dass irdische Gewinne erst ab der 1000er Marke ausgeschüttet werden. Bis dahin erhalten alle Poster natürlich haufenweise Schätze im Himmel, ist ja klar.

          • Ist nicht schlimm, wenn ich nix Gewinne. Ich schick Dir für meine Kommentare einfach wie üblich die Rechnung an die gewohnte Adresse. 😉

          • Britta Britta

            Ich glaube, die Kommentare beim Ketzer-Talk sind zwr weniger, dafür aber noch ein paar Kilometer länger ?

          • Das ist wol wahr. In Worten, gewinnt der Ketzertalk.

          • Peter Peter

            @Hossa-Jay

            Dann poste ich einfach fröhlich weiter, bis die 1.000 voll sind…
            Übrigens: dieser Kommentarbereich ist sowas von unübersichtlich….

        • Thomas Thomas

          Lieber Florian,
          auch wenn meine Antwort seeeehr spät kommt:
          Jesaja 59,2 !

          Je nach Übersetzung ist
          Sünde
          a) eine “ Schranke“, die von Gott trennt

          b) dafür verantwortlich, dass Gott sein Angesicht vor uns verbirgt

          Herzliche Grüsse & Gottes Segen Euch allen

          • Katja Katja

            Hallo Thomas,
            Ich finde aber, dass man nicht aus einem einzigen Bibelvers eine ganze Theologie stricken kann, nach dem Motto: weil das so bei Jesaja steht, gilt: Die ganze Menschheit ist durch Sünde immer von Gott getrennt. Und dabei alle anderen biblischen Aussagen ausblendet, die aussagen, dass Gott sich Menschen trotz ihrer Ungerechtigkeit und Schuld zuwendet und kein Problem damit hat, in ihrer Gegenwart zu sein (das ganze Leben Jesu funktioniert zB so – und wenn das nicht Gottes Charakter widerspiegelt, was sonst??).
            Das war ein prophetisches Wort von Jesaja in einer konkreten Situation an bestimmte Adressaten (die er hier mit „ihr“, „euch“ anspricht). Keine universale Feststellung.

          • Thomas Thomas

            Hey Katja,
            Danke für deine Replik.
            Ich wollte nur eine Fundstelle liefern, die zumindest mir petsönlich den etwas nebulösen Begriff “ Sünde“ ein wenig mehr näher gebracht hat.
            🙂
            Deine Argumentation kann man vertreten denke ich.
            Ähnlich argumentiere ich selber beim paulinischen Lehrverbot aus 1. Tim 2:
            Paulus sagt, dass er (!) es einer Frau nicht erlaubt; er sagt nicht, es sei ein Herrenwort.
            Konservative „Bibeltreue“ überzeugt das komischerweise nicht, tja…
            😉
            Ich denke halt dass der Begriff „Sünde“ dafür, dass er eine so schwerwiegende Bedeutung für Christen, Juden und auch Muslime hat, ziemlich nebulös bleibt…
            Was ist überhaupt Sünde ?
            (griech. hamartia= das Ziel verfehlen)
            Warum soll mich das trennen vom allmächtigen Gott, der alles geschaffen hat ?
            Ist Sünde gar willkürlich von Gott festgelegt worden, um die Menschen wieder zurück zu ihm zu bringen ?
            ( dann würde er Lösungen für Probleme anbieten, die er selber geschaffen hat… ich möchte hier nicht ketzerisch oder lästerlich sein , als bitte nicht falsch verstehen !)
            Das beschäftigt mich persönlich sehr.
            Euch Gottes Segen !
            🙂

          • @Thomas: Die Vorstellung ist lustig, dass du jetzt zwei Jahre lang deine Bibel nach einer passenden Bibelstelle durchfleddert hast und dann endlich, TADAAA: Jesaja 59,2 😊

            Ich persönlich finde ja, dass sie ziemlich gut passt, insbesondere, weil es für mich so aussieht, dass Jesaja zwar auf eine konkrete Situation eingeht, aber diese mit einem allgemeinen Verhaltenskatalog abgleicht und die Stelle zudem auch kontextübergreifend kohärent ist (d.h. wenn ich die Stelle ins Negative übersetze (eure Sünde trennt euch nicht von Gott), viele es mir viel schwerer, sie zu integrieren).

            Interessant finde ich die Tendenz, immer nur die „bösen“ Stellen historisch-situativ zu verorten – als Regelprinzip müsste man das doch eigentlich auch mit den netten Stellen machen, z.B. wird einem bei „Ich habe dich je und je geliebt“ ja sofort warm ums Herz, wobei die Stelle streng genommen nichts mit mir zu tun hat.

          • Katja Katja

            Hallo Thomas,
            ich denke auch, dass Sünde eher etwas Nebulöses und Vielschichtiges ist. Deshalb bin ich auch dagegen, dass man anhand eines einzigen Bibelverses eine allumfassende Sünden-Theorie entwickelt.
            Ich kann allerdings der Vorstellung durchaus etwas abgewinnen, dass Sünde den Menschen von Gott trennt. Also aus der menschlichen Perspektive heraus betrachtet ihm Gott verdunkelt oder ihn von Gott zurückhält o.Ä. Aber (aus besagtem Leben, Handeln, Wesen Jesu heraus abgeleitet 😉 ) nicht etwas, was Gott dazu veranlasst, sich vor den Menschen zu verbergen oder getrennt von ihnen sein zu müssen/zu wollen.
            Vielleicht könnte ich Sünde als das Verfehlen einer guten Beziehung beschreiben (des Menschen zu sich selbst, zu seinen Mitgeschöpfen, zum Göttlichen).

            @Alexander:
            Es gibt so einige nette Stellen in der Bibel, die ich nicht verallgemeinert lesen kann, sondern nur als persönliche Erfahrung, historische Situation des jeweiligen Verfassers. Zum Beispiel Aussagen aus den Psalmen oder Sprüchen wie: Gott hilft dem Elenden aus allen Nöten, oder: der Herr rettet die Seinen, oder: dem Gerechten wird kein Unheil widerfahren. Schön wärs! Die Realität ist für viele Menschen eine andere.

          • Thomas Thomas

            Also ich möchte hier glaube ich nochmal zum Thema „Sünde“ einhaken.
            Ich meine: Wenn uns Sünde per se nicht von Gott trennt, warum soll sie dann so schlimm sein ?
            Der Begriff „Sünde“ kommt in der Bibel zum allerersten Mal in 1. Mos 4 vor.
            Dort spricht Gott mit Kain, kurz bevor dieser den ersten Kriminalfall der Geschichte verantworten muss.
            „Und der HERR sprach zu Kain: Warum bist du so wütend, und warum senkt sich dein Angesicht? 7 Ist es nicht so: Wenn du Gutes tust, so darfst du dein Haupt erheben? Wenn du aber nicht Gutes tust, so lauert die Sünde vor der Tür, und ihr Verlangen ist auf dich gerichtet; du aber sollst über sie herrschen!“
            Also was ist Sünde hiernach ?
            Etwas geradezu personenhaftes, das mir auflauert ? Eine Art Dämon ?
            Jedenfalls etwas, das sich nicht unserer bemächtigen soll, sondern das wir unter Kontrolle haben sollen, wenn ich Gott hier halbwegs richtig verstehe.

            Jesus Christus hat stellvertretend für alle, die das gerne für sich in Anspruch nehmen wollen, die Sünden übernommen und damit einem gläubigen Christen den Weg in die ewige herrliche Gemeinschaft mit Gott frei gemacht.
            So jedenfalls die zentrale paulinische Theologie, so auch die berühmte Prophetie in Jes 53, 11.
            „Der Sünde Sold ist der Tod“, heißt es in Röm 6,23.
            Also nochmal:
            Was ist denn nun Sünde ?
            Warum kann da Gott nicht großzügig drüber hinwegsehen ?

            Da ich mich der reformatorischen Lehre verbunden fühle, muss für mich ein Hauptanliegen von Seelsorge sein, den Menschen ihre Erlösungsbedürftigkeit aufzuzeigen… natürlich ohne sie dabei zu erniedrigen, ohne ihnen ein schlechtes Gefühl zu geben und ohne von ihnen zu verlangen, 24/7 im Büßergewand herumzulaufen !
            Aber warum sollte ich sonst an Jesus glauben können, ihm und seinem Werk vertrauen können ?

          • Hallo Thomas,

            Ich meine: Wenn uns Sünde per se nicht von Gott trennt, warum soll sie dann so schlimm sein ?

            Weil Sünde, wenn es Sünde ist, einen Schaden bei jemandem hinterlässt?

            Aber warum sollte ich sonst an Jesus glauben können, ihm und seinem Werk vertrauen können ?

            ZB weil Jesus zeigt, was Leben ist?

            LG,
            der Jay

          • Thomas Thomas

            Hallo Jay,

            du hast schon recht:
            Bei Sünden, die unmittelbar (!) zu Lasten von anderen Menschen gehen, sehe ich das ja voll ein.
            (Mord, Diebstahl, unterlassene Hilfeleistung)
            Das sind ja häufig auch Tatbestände, die in unser Rechtssystem Einzug gehalten haben und juristisch sanktioniert werden.

            Dann gibt es aber Sachen, bei denen scheinbar kein Mensch geschädigt wird.
            ( einvernehmliche sexuelle Umtriebe zwischen Singles, und je nach Ansicht gelebte Homosexualität und/ oder sogar Selbstbefriedigung)

            Da wird es dann schon schwierig, „Anfängern“ im Glauben begreiflich zu machen, warum das “ schlecht“ sein soll…

            Dass Jesus mir das „wahre Leben“ bereits im Diesseits aufzeigen will, nun diesbezüglich lasse ich mich gerne überraschen…
            Ich rechne mit zumehmendem innerem Seelenfrieden und mit abnehmender Abhängigkeit von ( weltlichen) Zwängen…

            Christliche Freiheit sei immer die Freiheit „von“ etwas, nicht die Freiheit „zu“ etwas, hat der verstorbene Heidelberger Theologe und Autor Klaus Berger mal geschrieben…
            LG

          • Dann gibt es aber Sachen, bei denen scheinbar kein Mensch geschädigt wird.
            ( einvernehmliche sexuelle Umtriebe zwischen Singles, und je nach Ansicht gelebte Homosexualität und/ oder sogar Selbstbefriedigung)
            Da wird es dann schon schwierig, “Anfängern” im Glauben begreiflich zu machen, warum das ” schlecht” sein soll…

            Das begreiflich zu machen, wird aber nicht nur bei Anfängern schwierig… 😉

            Und es ging ja um die Frage, warum Sünde schlimm sein soll? Wenn etwas keinen Schaden mit sich bringt, würde ich es konsequenter Weise eben auch nicht Sünde nennen (einer der vielen Gründe, warum mir nicht einsichtig ist, dass Homosexualität Sünde sein soll). Wozu man neben dem Schaden, den Sünde anrichtet, zusätzlich auch noch einen sich dadurch vom Menschen abwendenden Gott postuliert, ist mir schleierhaft. Reicht der Schaden nicht, als Grund anders leben zu wollen? Und Katja hat ja schön herausgearbeitet, dass, zumindest wenn man Gott von Jesus her denkt, dieses „Gott kann mit Sünde keine Gemeinschaft haben“, irgendwie nicht zu stimmen scheint.

            Christliche Freiheit sei immer die Freiheit “von” etwas, nicht die Freiheit “zu” etwas, hat der verstorbene Heidelberger Theologe und Autor Klaus Berger mal geschrieben…

            Ich mag Klaus Berger ja, aber das Zitat erscheint mir jetzt schon etwas arg einseitig. Wenn Paulus über die Freiheit der Kinder Gottes schreibt, geht es doch um mehr, als bloß darum etwas nicht mehr zu tun.

            LG,
            der Jay

          • Katja Katja

            Das sehe ich auch so wie Jay.
            Ich denke, die zwei Ansätze: „Sünde = Schaden“ und „Sünde = Gott wendet sich ab“ haben unterschiedliche Gottes- und Menschenbilder als Grundlage.
            Wenn ich die Sünde deshalb nicht tun will, weil ich merke, dass sie mir und anderen schadet (oder mit meinen Worten: eine Beziehung (zer)stört), ist die Motivation eine andere – nämlich eine aus der Liebe heraus – als wenn ich Sünde deshalb nicht tun oder in meinem Leben haben will, weil ich dann befürchten muss, dass Gott sich abwendet – das wäre die Motivation aus der Angst heraus. Eine Angstmotivation entsteht übrigens auch bei der Definition von Sünde als Nicht-Einhalten von göttlichen Gesetzen, auf das hin man eine göttliche Strafe – oder generell als „Sünder“: die ewige Hölle – zu erwarten habe.
            Da ich aber – wiederum von Jesus her gedacht – nicht davon ausgehen kann, dass ich vor einem sich abwendenden (oder ewig stafenden) Gott Angst haben muss, sondern es einen Gott gibt, der sich trotz meiner Sünde zuwendet, scheint mir die Motivation aus Liebe heraus die christlichere.

            Zu den von dir aufgezählten „sexuellen Sünden“: Ich glaube mittlerweile, dass sie (an sich) keine Sünden sind (natürlich kann man auch seine Sexualität so leben, dass man selbst oder andere daran Schaden nehmen). Sondern dass die Einordnung als Sünde von Menschen vorgenommen wurde, die alles Körperliche unterdrücken und irgendwie eklig finden und keine gesunde Beziehung zu ihrer Sexualität haben. Neulich habe ich die Erzählung von der Prostituierten gelesen, die sich bei einem Gastmahl einschleicht, Jesus vor die Füße fällt und sie mit Öl einreibt und mit ihren Tränen und Haaren berührt. Und seine Füße küsst. Das war eine super erotische Sache. Und für Jesus war das anscheinend kein Problem, er hat sich sogar darüber gefreut. Und Simon, der Pharisäer, bei dem Jesus eingeladen war, war entrüstet. Auch deshalb, weil er wusste, was das für eine Frau war – igitt, eine aus dem Sexgewerbe! Genauso wie heute die Frommen alles Erotische unter den Tisch kehren und dauernd von „unreinen Gedanken“ sprechen, die sie möglichst weghaben wollen, und eben solche Sünden erfinden wie Selbstbefriedigung, weil sie überhaupt keinen Zugang mehr zu ihrer tabuisierten und schlechtgeredeten Sexualität haben. Ehrlich gesagt finde ich, DAS ist die eigentliche Sünde, weil sie der Beziehung zu sich selbst (und dann auch die Intimität einer Beziehung zu anderen) massiv schadet. Mein Eindruck aus Gesprächen mit und Berichten von (insbesondere homosexuell empfindenden) Menschen, die evangelikal-konservativ aufgewachsen sind, ist jedenfalls, dass viele durch diese „sündige“, krampfhafte Art, mit Sexualität umzugehen, Schaden an Leib und Seele genommen haben und Schwierigkeiten haben, als Erwachsene eine gesunde sexuelle Beziehung mit einer/m Partner/in zu führen. Oder angesichts ihrer heranwachsenden Kinder wirklich hilflos sind, wie sie sie aufklären sollen, weil sie so verkrampft sind.

          • Ich finde, gerade bei Jesus wird schön ersichtlich, was mit dem Satz „Eure Sünde trennt euch von Gott“ gemeint sein könnte. Denn die klassischen Sünder, Ehebrecher, Ausgestoßene, die allgemein Abgefuckten haben ja eher den Kontakt zu Jesus gesucht. Ihn gemieden (und völlig verkannt) haben dagegen eher die (religiösen) Autoritäten – die also, in deren Weltkonstrukt Jesus nicht hineingepasst hat. Man müsste also eher sagen: Eure Selbstversessenheit und das Beharren auf die eigenen Standpunkte trennen euch von Gott. Und interessanterweise (und das sag ich natürlich nur unter vorgehaltener Hand) waren es dann ja auch die „Bibeltreuen“, die Jesus gekreuzigt haben, weil er mit seinem Sein und Sagen deren theologischen Grenzen gesprengt hat.

          • Katja Katja

            @Alexander
            Also könnte man auch sagen: Euch trennt von Gott, dass ihr so genau zu wissen meint, dass die anderen Sünder sind (und was ihre Sünde ist) und SIE ganz sicher von Gott getrennt sind….

          • Thomas Thomas

            Ich würde ja unheimlich gerne das Buch „Sünde- Schnee von gestern“ von Thorsten Dietz lesen…
            es scheint unvermeidlich, dass das eine meiner nächsten literarischen Neuerwerbungen sein wird.
            🙂

            Nach konservativer Ansicht müsse es Lebensaufgabe eines Christen zu sein, Sünde wo es geht zu vermeiden… wenn ich es richtig verstanden habe, bezieht man sich hauptsächlich auf die paulinischen „Lasterkataloge“
            (sinngemäß: „Wer das oder das oder jenes tut, wird das Himmelreich nicht erben !“)
            und auf zwei Stellen aus dem Johannes-Evangelium, wo Jesus den Geheilten am Teich (Kap 5) und die begnadigten Ehebrecherin auffordert, nicht mehr zu sündigen, damit ihnen nichts schlimmeres widerfahre…
            Tja… also doch Werkgerechtigkeit, fragte ich mich schon häufig ?

            Paulus pendelt in seinen Aussagen für mich zwischen den Extremen:
            überschwängliche Heilsgewissheit vs stete Ermahnung, in der Heiligung zu bleiben und bestimmtes zu unterlassen…

            Viele scheint das in eine recht körper- und genussfeindliche Einstellung zu ziehen, wobei sie nicht merken, dass das einer hellenistischen (und damit heidnischen) Praxis entspricht:
            Sich selber durch pure Willenskraft und Enthaltsamkeit immer gottähnlicher zu machen.

            „You can come as you are, but you can´t stay as you are“ hört man ja häufig als christlichen Slogan.

            Da verstehe ich manche Menschen, die im christlichen Anfängerstadium wieder aussteigen:
            Man wurde scheinbar mit der Aussicht auf „freie Gnade“ angelockt und dann einige Zeit später kommt dann das Kleingedruckte
            „Als Christ tut man das und das, und man hat das und das zu lassen… weil sonst ist man ja nicht ernsthaft wieder geboren…“

            Die einseitige Fixierung vieler Konservativer auf Sexuelles ist mir nur zum Teil plausibel:
            Paulus argumentiert in 1. Kor 6, dass „Unzucht“ den eigenen Körper, der ja Tempel des Heiligen Geistes ist, beflecke…
            Demgegenüber fragt aber niemand, was man für seine Nachbarn tut, ob man ihnen hilft, ob man regelmäßig Geld spendet usw…

            Luther schreibt in seinem Katechismus:
            „Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott.“

            Ich kann mir das zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur so erklären:
            Wenn ich in weltliche Abhängigkeiten gerate und diese einen immer größeren Teil meines Lebens einnehmen, lösen die meinen christlichen Glauben an einem bestimmten Zeitpunkt ab, der nicht näher definierbar ist… und jede „Sünde“ bringt mich diesem Punkt möglicherweise näher, ob ich es will oder nicht…
            (klingt das jetzt nach „Magie“ ?)

            Der von mir geschätzte US- Theologe und Linguist Michael Heiser hat es mal so gesagt:
            You are saved as long as you stay in faith. If you are not in faith, you aren´t save.
            There won´t be Bale-Worshippers in heaven.
            (Bal war ein alttestamentarischer Götze)
            Das für mich Bemerkenswerteste, was er in dem Zusammenhang sagte:
            „Grace is something you receive without moral perfection.
            Something you receive without moral perfection you can´t lose by moral imperfection.“

            Ich hoffe dass das Gott genauso sieht.
            🙂

          • @Katja
            Ja, ich denke, so sehe ich das auch. Wenn man dann den Leuten predigt, dass Gott total sauer ist, wenn man am Sabbat Ähren rauft und am nächsten Sabbat Gott dabei erwischt wie er sich gerade ein paar Körner schmecken lässt, dann ist das für alle eine ziemliche doofe Situation 😊

            Allerdings sind es ja nicht nur die Anderen, man könnte auch sagen: Euch trennt von Gott, dass ihr von euch selbst genau zu wissen meint, wo ihr sündigt und wo nicht. Wobei das Problem, glaube ich, ein systematisches ist, d.h. man löst es nicht dadurch, dass man die Sünde aus der Formel streicht, sondern das Ich.

          • Katja Katja

            Hey Alexander,
            Das mit der Formel klingt klug. Ich check’s nur nicht 🙈😄
            Wie meinst du das mit dem „Ich rausstreichen“?

          • @Katja
            Ach so, ja, da war ich vielleicht etwas kurzatmig. 🙂
            Ich finde nach wie vor gut, was Jörg Splett sagt, seine Formel lautet ja: Du – Ich – Du. Man wird also als Du angesprochen und antwortet mit Du. Das Ich wird gar nicht genannt – und ist trotzdem und gerade deswegen voll da.
            Ich denke, dass die meisten Menschen, mich eingeschlossen, etwas zu sehr auf Selbstoptimierung getrimmt sind und sich daher viel zu häufig um den eigenen Schaden (die eigene Sünde) drehen. Dabei wäre es viel heilsamer, sich selbst im Blick auf das Du (oder allgemein das Gegenüber, Frankl würde betonen: das Ziel) zu vergessen. Aber das ist natürlich einfacher gesagt als getan, und daran scheitern ja auch die meisten Ratgeber-Bücher, dass es zwar richtig ist, dass der Hund erst von seinem Knochen (Sünde) ablässt, wenn man ihn ein Stück Steak hinhält, aber dass Steaks eben nicht auf Bäumen wachsen, sondern man dafür schon eine Kuh schlachten müsste, wozu man, von seinem eigenen Schaden geschwächt, nur selten fähig ist,

          • Katja Katja

            Hi Alexander,
            Haha, ja, da warst du wohl zu authentisch der Mann weniger Worte 🙂 Die längere Version verstehe ich jetzt besser. Außer das mit dem Hund – denn der könnte ja so oder so keine Kuh schlachten 😀

            Sich selbst zu vergessen im Blick auf das Du/das Ziel wäre aus meiner Sicht das: statt permanent mit den eigenen „sündigen Gedanken“ beschäftigt zu sein und gegen sie anzukämpfen, im Blick auf den anderen zu fragen, wie ich ihm Gutes tun statt ihm schaden könnte. Dann würde aus dem Freiwerden für den anderen dann auch ein Freiwerden von dem, was an Schädlichem in mir ist…
            Oder so…

    • Ina Ina

      Lieber Markus,
      liebe alle,

      das kann ich sehr gut verstehen, Markus!

      Ich selber würde auf die Barrikaden gehen, wenn mein Pfarrer nur theologische Überlegungen, warum das Grab leer war, predigen würde. Tut er aber gar nicht, obwohl er zu den „liberlal“ geprägten gehört, denn er glaubt selbst an die leibliche Auferstehung. (Er stellt sie sich persönlich nur ganz anders vor als ich es tue – aber das ist egal, denn wir wissen ja alle nicht, WIE Gott es macht. Da dürfen wir jeder für sich persönlich unterschiedliche Phantasien haben, solange das außerhalb der Kanzel ist.)

      Ich bin mir also nicht so sicher, ob wirklich so viele Pfarrer so predigen, wie Herr Breuer Vorlesungen hält. (Der Breuer-Vortrag hat mich übrigens auch sauer gemacht, allerdings eher aus dem Grund, dass er es so darstellt, als könnte man als wissenschaftlich denkender Mensch nur zu dem Schluss kommen, dass das Grab leer war. – Aber da wären wir dann bei einem Thema, über das ich mich schon mit unserem „Ketzer-Gast“ so lange beharkt habe, dass ich gerade keinen Nerv mehr habe, wieder Grundsatzsachen aufzumachen…)

      Es mag diese Fälle geben, aber insgesamt sehe ich das nicht. Pfarrer sind heutzutage – meiner Ansicht nach – eher in dem Problem, dass ihre persönliche Frömmigkeit zu vermitteln mit einer bestimmten Unitheologie (die einen Wissenschaftsanspruch hat, der per se methodisch atheistisch ist – und DAS ist das Problem, nicht die angebliche „Liberalität). Und ich bin mir nicht sicher, wie gut sie dabei in der Pfarrerausbildung wirklich betreut werden. Das scheint mir nicht gut zu klappen, und ich halte das für ein strukturell-organisatorisches Problem. Das inhaltlich dadurch verstärkt wird, dass die offiziellen Kirchenvertreter zunehmend so tun, als sei das Christentum nur die symbolische Vertiefung politischer Anliegen… Es herrscht eine Sprachlosigkeit gegenüber der spirituellen Dimension des Glaubens. Eingebürgert hat sich eine v.a. sozialpädagogische und politische Sprache.
      (Ich hab erst dieser Tage einem Freund gesagt, bei so manchen Kulturprotestanten müsste mal wieder jemand eine Feuer- und Gerichtspredigt halten, um sie aus der Werkgerechtigkeit rauszuholen! LOL)

      Zu diesen ganzen Disksussionen um volles gegen leeres Grab fallen mir ein paar kritische Fragen ein (die ich mir nicht ausgedacht habe, sondern schon von Unitheologen gestellt wurden – komischerweise gelangt DAS aber nicht in die Öffentlichkeit…). Ich halte die ganze Diskussion nämlich für komplett am Thema vorbei:

      – Das Grab spielte keine Rolle in der Praxis des frühen Christentums, es war nicht wichtig. Erst als das Christentum zur römischen Staatsreligion wurde, rückten „anfassbare“ Dinge in den Mittelpunkt (s.a. entstehender Reliquienkult).

      – Das Grab tauchte erstmals als Thema auf, als ca. 40 Jahre nach der Kreuzigung, Gegner der Jesusbewegung anfingen zu behaupten, das Grab sei leer gewesen, weil die Jünger den Leichnam gestohlen hätten.

      – Die Rede vom vollen Grab ist also zu allererst eine Verteidigungsrede gewesen. Sie diente nicht von Anfang an zur BEGRÜNDUNG. (Deshalb schreiben nicht alle Autoren des NT darüber.)

      – Die Rede vom vollen Grab bezieht sich sowieso v.a. auf Jesus. WIR verrotten in unseren Gräbern! Die Auferstehung Jesu ist also sowieso als besonderes Zeichen Gottes zu sehen.

      – Der eigentliche Skandal ist bis heute: wenn Gott DAS kann, dann kippe ich aus den Latschen über seine Größe, wenn ich das begreife, und das hat Konsequenzen. War zumindest bei mir so, als mir das bewusst wurde…

      – Voll oder leer übersieht einen ganz wichtigen Punkt: wir bekommen einen ganz neuen Leib (Der aber wohl in Kontinuität zum alten steht, wie wir an Jesu Wunden sehen. Aber auch insofern anders ist, als ihn die Jünger nicht sofort erkennen.) Ähnlich wie die Engel, sagt Jesus.

      Vor diesem Hintergrund zitiere ich mal Hans-Joachim Eckstein zur Apg:

      „So soll die Betonung des leeren Grabs und die Demonstration der Leiblichkeit der Auferstehung Jesu ganz offensichtlich dem für die hellenistische Umwelt naheliegenden Mißverständnis wehren, der Leib Jesu … könnte im Grab und damit im Tode geblieben sein, während nur sein Geist … bzw. Seele … zu Gott aufgefahren wäre.“

      Und da sind wir dann bei der Frage, was wir eigentlich jeweils meinen, wenn wir leiblich sagen. (Ganz klar will die Bibel verdeutlichen, dass Christen nicht an die griechische unsterbliche Seele glauben!) Vertreter des vollen wie des leeren Grabes scheinen sich darin einig zu sein, was sie meinen.

      ICH weiß nicht, was der geistige Leib genau IST. Und das wird zunehmend komplizierter, wenn wir daran denken, dass wir als Gemeinschaft der Gläubigen der Leib Christi SIND. Hier geht es um eine Realität, die offenbar realer als real ist. (Das Materie/Geist-Problem ist so alt wie die Philosophie, das kriegen wir nicht gelöst.) Und genau das berücksichtigen manche „Liberalen“ nicht: dass wir nämlich immer von der Wirklichkeit Gottes sprechen, die wir ab einem gewissen Punkt sowieso nicht ausdrücken und verstehen können.

      Dass irgendetwas „nur“ symbolisch oder psychisch ist, ist ja sowieso kein Argument. Selbst wenn es das wäre, wäre das kein Grund, dass es nicht auch real ist! (Und die Psyche kann eh keiner „erklären“, fragt mal einen Psychoanalytiker. Wenn er ehrlich ist, sagt er dann, „na ja, wir haben natürlich auch nur ein MODELL“…) Soviel intellektuelle Redlichkeit muss sein.

      Markus, da wir uns bei diesem Thema einig sind (auch wenn Du meine Art zu denken bestimmt wieder inakzeptabel findest), hab ich da eine ernst gemeinte Frage an Dich, die mich schon länger beschäftigt:

      Jesus sagt über den Auferstehungsleib, wir würden wie die Engel. Matthäus schreibt aber (unter Rückgriff auf eine alttestamentilche Prophetie), dass die Toten aus ihren Gräbern kamen und in Jerusalem herumliefen.
      Wie interpretierst Du diesen Widerspruch? Vielleicht bringen mich Deine Gedanken da ja weiter. (Das meine ich ganz ehrlich.)

      Viele Grüße
      Ina

      P.S.
      Ein anderer Podcast, den ich auch höre (sorry, Hossas! 🙂 ) und der von zwei landeskirchlichen Pfarrern gemacht wird (mit denen ich nicht immer im Detail übereinstimme, aber sei’s drum, „liberal“ sind die jedenfalls nicht!), hat in der neuesten Folge ähnlich wie ich die Auferstehung behandelt:

      https://tischgespraechepodcast.wordpress.com/2018/05/15/folge-25-ist-jesus-wirklich-von-den-toten-auferstanden/

      • Ina Ina

        Korrektur:
        „als könnte man als wissenschaftlich denkender Mensch nur zu dem Schluss kommen, dass das Grab VOLL war.“

      • Ina Ina

        Nochmal Korrektur, bin schon ganz wuschig im Kopf! 🙁

        – Die Rede vom LEEREN Grab ist also zu allererst eine Verteidigungsrede gewesen. …

        – Die Rede vom LEEREN Grab bezieht sich sowieso v.a. auf Jesus.

        • Haha, hätte mich vor dem Freischalten fast bei dir gemeldet… dachte dann aber, dass du mit deinen folgen werdenden Korrekturposts sicher nur Deine Schatzrate im Himmel aufstocken willst. Ist gelungen 😉

          LG
          Der Jay

          • Ina Ina

            Hast Recht, wollte bloß meine Bonuspunkte sichern! 😀

      • Markus Markus

        Liebe Ina,
        ich muss Deinen Satz etwas verkürzt noch einmal zitieren, weil ich ihn so großartig finde (ich hoffe, das Verkürzen verfälscht nicht die Aussage):

        „Pfarrer sind eher in dem Problem, dass ihre Unitheologie einen Wissenschaftsanspruch hat, der per se methodisch atheistisch ist. Das inhaltlich dadurch verstärkt wird, dass die offiziellen Kirchenvertreter zunehmend so tun, als sei das Christentum nur die symbolische Vertiefung politischer Anliegen… Es herrscht eine Sprachlosigkeit gegenüber der spirituellen Dimension des Glaubens. Eingebürgert hat sich eine v.a. sozialpädagogische und politische Sprache.“

        Danke! Genau so empfinde ich das auch. Und darunter leide ich.

        Deine Frage habe ich nicht ganz verstanden. Ich versuche trotzdem, Dir meine Gedanken mal aufzuschreiben. In der Bibel gibt es das Phänomen der Wiederbelebung von Leichen wie bei Lazarus oder den auferstandenen Toten bei der Kreuzigung. Aber Lazarus musste auch wieder sterben. Erst wenn Jesus wiederkommt haben wir die Verheißung, dass nicht nur unsere Leiche wiederbelebt wird sondern dass wir auch verwandelt werden (1.Kor.15,52). Alles in der Bibel deutet für mich darauf hin, dass auch der neue Himmel und die neue Erde etwas ganz materielles, anfassbares greifbares ist, so wie Jesus angefasst werden konnte und gegessen hat. Und doch hat dieser verwandelte Leib, den Jesus als der „Erstgeborene von den Toten“ (Offb.1,5) schon seit Ostern hatte, noch ein paar andere Fähigkeiten, die unser jetziger Leib noch nicht hat (z.B. durch Wände gehen). Und auch Engel sehe ich so: Sie können plötzlich erscheinen und verschwinden. Aber die biblischen Engelgeschichten lese ich so, dass das dann keine halbtransparenten Geistwesen sind sondern ebenso materiell wie es Jesus war.

        Ich glaube nicht, dass wir das jetzt wirklich ganz verstehen können. Aber ich finde es sooooooo tröstlich zu wissen, dass ich eines Tages mit meiner bettlägrigen Mama werde feiern und tanzen können (auch wenn Dr. Breuer das für Quatsch hält). Und dieser neue Leib, den wir dann haben, wird nicht mehr altern. Es wird keinen Schmerz und kein Leid mehr geben, wenn er sagt: Siehe, ich mache alles neu. (Offb.21,5). Mir wird ganz warm ums Herz, während ich das schreibe. Welch wundervolle Hoffnung haben wir Christen doch!!! Halleluja!
        Sei herzlich gegrüßt, Markus

        • Ina Ina

          Lieber Markus,

          bei meinem Zitat hast Du lediglich die persönliche Frömmigkeit weggelassen, auf die es mir ankam (weil viele Konservative den „liberal“ erscheinenden Pfarrern genau die absprechen). 😉

          Denn ich bin ja fest davon überzeugt, dass es v.a. eine „Kultur“ der Landeskirchen gibt, die uns sprachlos macht (und nicht die „Gottlosigkeit“ von Pfarrern der Grund des Übels ist). Und unter der ich leide. Diese Kultur ist so dicht, dass man sie kaum durchbrechen kann. Das erlebe ich immer wieder, dass sich Sprachmuster durchsetzen, obwohl die Leute, wenn man sie einzeln anspricht, eine andere (sozusagen deutlicher „gläubige“) Sprache sprechen. Habe ich heute erst wieder erlebt: Gruppendynamik einerseits, „fromme“ Zweiergespräche andererseits. Ganz komisch, ich habe es sogar an mir selbst gespürt, obwohl ich mir als einzige (mal wieder) in der Öffentlichkeit der Gruppe den Mund verbrannt habe…

          Auch halte ich den wissenschaftlichen Anspruch von Theologie per se nicht für falsch, sondern nur dann, wenn er nicht mehr auseinander hält, was eher Religionswissenschaft, was Philosophie und was Theologie im engeren Sinne (=hinter Gott herdenken) ist.

          Beispiel: Ich bin tatsächlich davon überzeugt, dass die Bibel von Teams aus Schriftgelehrten verschiedene Male neu redigiert wurde. Das ist aber noch nicht „liberal“ (deshalb wehre ich mich so gegen den Begriff). Denn ich gehe selbstverständlich davon aus, dass Gott da mitgemischt hat. Das ganze AT erzählt uns ja von der FORTschreitenden Offenbarung Gottes. „Liberal“ wird es erst, wenn ich die Überarbeitungen der Schriften als Argument dafür anführe, dass irgendeine Stelle bedeutungslos ist und gestrichen werden könnte (im krassesten Fall). Das wäre aber keine theologische Begründung mehr (meiner Auffassung nach).

          Theologisch muss ich nämlich fragen, was soll mir das sagen, dass das da steht? Inhaltlich würden Du und ich bei einigen Bibelauslegungen dann sicher auseinandergehen (zumal ich eher in der lutherischen Tradition stehe, die es normal findet, verschiedene „Grade“ an Wichtigkeit zu unterscheiden), aber dass es einen Grund hat, warum ich mich an dieser oder jener Stelle abarbeiten muss, darin sind wir uns dann wieder einig.

          Danke für Deine Sicht zu den Leibern. Verstehe ich Dich da richtig, dass Du Dir vorstellst, dass Gott unseren irdischen Leib dann verwandelt? Was ist dann mit denen, die in den letzten 2000 Jahren schon verwest sind? (Ich stelle mir eher vor, dass Gott uns einen neuen baut… In Anlehnung an den alten. In einer anderen Art der Materialität. – Ich weiß, Folks, das wird jetzt abgefahren, aber das interessiert mich wirklich, wie andere Christen sich das denken. Und in jedem Fall IST es ja auch abgefahren!)

          Bei der Unterscheidung zwischen wiederbelebten Leichen einerseits und Auferweckung andererseits stimme ich Dir zu (und ganz viele Uni-Theologen tun das auch). Gerade deshalb leuchtet mir nicht ein, warum Matthäus ausgerechnet bei der Kreuzigung von herumlaufenden Wiederbelebten spricht.

          Das liberale Argument wäre: Das hat er, der typisch judenchristliche Evangelist, aus dem AT entlehnt, wo die Toten auf den Schlachtfeldern Israels wieder Fleisch auf die Knochen bekommen (mir fällt gerade der betreffende Prophet nicht ein, sorry). Damit ist das Thema dann erledigt.

          Ich frage mich dagegen: was soll mir das sagen? Was könnte eine theologische Deutung dieser Stelle sein? Auferweckung bedeutet ja gerade NICHT Wiederbelebung aufgrund von Fleisch auf die Knochen.

          Danke schonmal & schöne Grüße!
          Ina

  45. toblog toblog

    Ein theologisches Modell, das wenig oder gar keinen Wert auf die Auferstehung von Jesus als lebendige Person legt, setzt sich leicht dem Vorwurf aus, dass es gar nicht darauf ankomme, mit dieser Person in Verbindung zu treten. In einem solcher Ansatz bleibt der Mensch dann mit seinen Vorstellungen von „Auferstehung“ in einer Art Selbstreflexionsschleife allein zuhaus.

    • Ina Ina

      Vollkommen richtig! Das meinte ich mit:

      „Der eigentliche Skandal ist bis heute: wenn Gott DAS kann, dann kippe ich aus den Latschen über seine Größe, wenn ich das begreife, und das hat Konsequenzen. War zumindest bei mir so, als mir das bewusst wurde…“

      Ich drücke mich halt nur nicht besonders „fromm“ aus. 😉

      So, mein Sammelkärtchen für Himmelspunkte is voll für heute! 😀

  46. Katja Katja

    @Markus @Peter
    Ich mach mal hier weiter, weil ich euch oben grad nicht mehr finde.
    Wenn ich eure Debatte anschaue, denke ich, der Haken liegt darin, das Du, Markus, zwar schreibst, dass Worthaus zahlreichen Glaubensgrundsätzen widerspricht, aber in einer Art und Weise über Worthaus schreibst, die den Eindruck erweckt, als ginge es Dir nicht darum, zu zeigen, wie und welchen (menschengemachten) Glaubensgrundsätzen „die Worthaus-Theologie“ widerspricht, sondern darum, zu zeigen, dass sie gotteslästerlich ist (weil sie diesen Glaubensgrundsätzen widerspricht) und deshalb eine Bedrohung für die (richtige) evangelikale Thelogie darstellt.
    Auch ich empfehle dir wärmstens den neuen Podcast von Jens über die 3 Gesichter des Evangeliums.
    katja

    • Markus Markus

      Liebe Katja,
      das ist ja witzig, genau über diesen Podcast hab ich kürzlich schon mit Tobi Faix und Thorsten Dietz diskutiert. Ich habe damit kein Problem, sofern es dabei um Schwerpunktverschiebungen zwischen sich ergänzenden Wahrheiten geht. Die Heilsbedeutung des Kreuzes hat ja auch ganz verschiedene Aspekte: Sühne, Erlösung, Rechtfertigung, Versöhnung. Sowohl im persönlichen Glaubensleben wie auch in der Entwicklung von Gemeinschaften ist es völlig normal, dass man mal mehr von dem einen und dann mehr auf von dem anderen Aspekt fasziniert und begeistert ist. Die Bibel erklärt viele Wahrheiten in scheinbaren Gegensätzen, die sich aber gegenseitig ergänzen und ausbalancieren. Für leistungsorientierte Schwaben wie mich ist z.B. die Botschaft von Paulus wichtig, dass meine Werke gar nichts zu meiner Erlösung beitragen können sondern dass nur der Glaube rettet. Da ich aber auch immer wieder zu Trägheit und Faulheit neige brauche ich auch die Botschaft von Jakobus der sagt, dass ein Glaube, der keine Konsequenzen im Lebensstil hat, kein echter Glaube ist, schließlich glauben ja auch die Dämonen das Richtige… Also: Beides ist richtig, mal brauche ich das eine mehr und mal das Andere. Schräg wird es aber dann, wenn man einzelne Teile des Bildes insgesamt ablehnt und herausnehmen will. Dann reden wir nicht mehr über Schwerpunktverschiebung sondern über sich grundsätzlich widersprechende Wahrheiten, die einfach nicht beide stimmen können. Entweder ist die Erde eine Kugel oder eine Scheibe. Entweder hat sich im und am Grab Jesu an Ostern etwas abgespielt oder nicht. Entweder hat der Tod Jesu Heilsbedeutung oder er war sinnlos, wie Dr. Breuer äußert. Entweder gibt es die Möglichkeit, ewig verloren gehen zu können oder nicht. Nur eins von beiden kann stimmen. Und in meinem Artikel über Worthaus geht es ausschließlich um das Thema von sich prinzipiell widersprechenden Lehraussagen bei Kernthemen des Glaubens. Ich glaube der postmodernen These nicht, dass es keine objektive Wahrheit gibt und irgendwie jeder recht haben kann. Ich glaube, dass der ganze menschliche Fortschritt darauf basiert, dass wir einander widersprechen und um die Wahrheit ringen, so wie z.B. wir hier in dieser (aus meiner Sicht großartigen) Diskussion. Das ist nicht immer nur nett und sympathisch, da geht es manchmal auch zur Sache, aber ich möchte immer respektvoll, sachlich und menschenfreundlich bleiben und ich möchte immer nur der Position widersprechen, nicht den Menschen ablehnen, denn ausnahmslos jeder Mensch ist von Gott geliebt und auch ich selbst bin ja keinesfalls fehlerfrei sondern lebe ausschließlich von Gottes Gnade, die mich kennt und trotzdem liebt. Das Wort „gotteslästerlich“ wirst Du nicht von mir hören, denn so ein Urteil kann letztlich nur Gott fällen. Ich bemühe mich einfach so gut ich kann, vorurteilsfrei die Bibel zu lesen und dann sage ich laut und deutlich, was sie meiner Meinung nach aussagt und was nicht. Dass ich als Laie das tun kann und dass ich auch Theologen widersprechen darf habe ich der Reformation zu verdanken. Und gerade die Reformation hat ja gezeigt, wie fruchtbar kontroverse Debatten sein können. Wie gut, dass Luther nicht gesagt habt: Ihr habt auch irgendwie recht mit dem Ablass, sondern dass er stattdessen todesmutig gesagt hat: Nein, Ablass ist falsch. Nur der Glaube rettet. Hier stehe ich und kann nicht anders. Ich will mich als wohlstandsverwöhnter Laie nicht mit Luther vergleichen. Aber ich bleibe dabei, dass ich es gut finde, nicht alle Unterschiede zu verwischen und einebnen zu wollen sondern manchmal auch herauszuarbeiten, wo wir Dinge grundlegend unterschiedlich sehen.

      • Katja Katja

        Hallo Markus,
        ich finde es gut und wichtig, wenn man feststellt: Es gibt Unterschiede zwischen verschiedenen Theologien.
        Ich verstehe einfach nur nicht, warum es dir so ein leidenschaftliches Anliegen ist und du so einen Aufwand betreibst, um diese Unterschiede möglichst deutlich herauszuarbeiten und du dabei soweit gehst, dass du dabei (im Fall von Worthaus) Begriffe wie „Spaltpilz“ verwendest und forderst, dass es notwendig ist, sich davon abzugrenzen.

        • Markus Markus

          Liebe Katja,

          „Ich verstehe einfach nur nicht, warum es dir so ein leidenschaftliches Anliegen ist und du so einen Aufwand betreibst, um diese Unterschiede möglichst deutlich herauszuarbeiten.“

          Nein, ich habe keine Leidenschaft, Unterschiede herauszuarbeiten. Ich habe eine große Leidenschaft dafür, dass die Bibel Gottes Wort ist, dass sie durch und durch wahr, verlässlich, heilsam und fruchtbringend ist. Ich werbe dafür, dass wir uns ihr unterordnen statt uns zum Richter über richtig und falsch in der Bibel zu machen. Ich glaube, dass Kirche nur mit tiefer Ehrfurcht und Respekt vor Gottes Wort Zukunft hat. Denn wir wissen nur durch die Bibel, wer und wie Jesus ist, was er lehrt und wie wir das Leben finden. Und ich liebe jedes kleine Stück, dass mich die Bibel von Jesus und von diesem Leben entdecken lässt. DAS ist meine große Leidenschaft. 🙂

      • „das ist ja witzig, genau über diesen Podcast hab ich kürzlich schon mit Tobi Faix und Thorsten Dietz diskutiert.“
        Da habe ich auf Facebook still mitgelesen… 🙂
        Aber, Markus, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hast Du Dir da nur eine Folge des Podcastes von Jens Stangenberg angehört. Hör Dir doch mal alle bisher erschienenen Folgen an (ist ja Work in Progress). Ich finde, er entfalte da einen sehr hörenswerten Gedanken, der zumindest deutlich machen und erklären könnte, warum konservative und progressive Christen sich oft so schlecht verständigen können.

        LG,
        der Jay

  47. Senfkorn Senfkorn

    Ich schließe mich Katja an und setzte hier auch noch einmal neu an, da ich Übersicht über die Diskussion weiter oben verloren habe. Ich will noch einmal auf den letzten Beitrag von Markus reagieren, indem er noch einmal darauf eingeht, dass die – ich nenne es jetzt einfach einmal so – „Worthaus-Theologie“ den Glaubensgrundsätzen der DEA widersprechen würde. Ich habe diese gerade selbst einmal nachgelesen, dass diese selbst viel Spielraum für Interpretation lassen. Zum einen wird dort nur gesagt, dass „Jesus Christus, durch Gott von den Toten auferweckt, ist der einzige Weg zu Gott.“ Von leiblicher Auferweckung wird nicht gesprochen. Die Auferstehung Jesu wird meiner Meinung nach auch immer ein Geheimnis bleiben. Ich glaube nämlich nicht, dass der Leichnam einfach wieder lebendig geworden ist. Damit der Tod überwunden werden kann muss sich in der Auferstehung Christi etwas Neues ereignet haben. Das ist auch die Überzeugung des Paulus in 1Kor 15. Ich persönlich bin da auch hin und hergerissen. Aber ich will die Auferstehungsdebatte gar nicht weiter vertiefen, sondern noch einen anderen Punkt ansprechen.

    Über die Bibel heißt es auf der Homepage der DEA: „Sie ist von Gottes Geist eingegeben, zuverlässig und höchste Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung.“ Von Fehlerlosigkeit und Widerspruchsfreiheit lese ich da auch nichts. Die DEA folgt hier Martin Luther, der festhält, dass die Bibel alles enthält, was für die Erlangung des Heils notwendig ist. Nur: Nicht alles, was in der Bibel steht, ist notwendig zum Heil. Diese Feststellung hat ihn aber nicht davon abgehalten, noch einmal ganz neu über den Umfang des Kanons nachzudenken. Er hat sich dann entschieden, die sog. Apokryphen, die Jahrhunderte zuvor ganz selbstverständlich Teil der Bibel waren, aus dem Kanon auszuschließen und einige Bücher im NT umzustellen. Er stellt sich damit in gewisser Weise über den Kanon.

    Diese beiden Beispiele zeigen, dass die Glaubensgrundsätze der DEA an sich schon wieder auslegungsbedürftig sind. Menschen müssen sich jetzt nämlich überlegen, was genau Fragen des Glaubens und der Lebensführung sind. Dass man in diesem Fragen zu unterschiedlichen Antworten kommen kann, versteht sich von selbst. Manche Antworten in konservativen Kreisen halte ich tatsächlich für unbiblisch. Die Lehre von der Verbalinspiration ist ein Produkt der Altprotestantischen Orthodoxie gewesen, die das sola scriptura gegenüber der kath. Betonung der Tradition verteidigen sollte. Aus 2Tim 3,16 folgt eine solche Lehre nicht zwangsläufig. Auch in der Frage der Autorenschaft einzelnen biblischer Bücher gehen konservative Kreise weit über die Bibel hinaus. Wer hat die Evangelien geschrieben? Ehrlicherweise müsste man sagen, dass drei der vier Evangelien anonym abgefasst sind. Sie nennen ihren Autor nicht, bzw. sagen nicht deutlich, wer sich hinter dem Autor verbirgt. Um an den klassischen Evangelisten als Autoren festhalten zu können, wird dann der Weg über altkirchliche Zeugnisse genommen. In diesem Prozess wird den altkirchlichen Zeugnissen ein enormes Vertrauen entgegengebracht, das nicht immer angemessen ist. Ähnliches gilt für die Verfasserschaft der fünf Bücher Mose. Ein Autor wird nicht genannt. Ziel all dieser Versuche ist es, die Glaubwürdigkeit der bib. Texte zu sichern. Was meiner Meinung nach dabei übersehen wird ist: Wenn in diesen Texten Gottes Wort greifbar wird, dann haben sie eine Autorität aus sich selbst. Wenn nicht, dann kann diese Autorität auch nicht über das Postulat eines möglichst glaubwürdigen Zeugen erreicht werden.
    Ich hoffe, ihr konntet meinen Gedanken folgen.

    • Markus Markus

      @Senfkorn:

      „Über die Bibel heißt es auf der Homepage der DEA: „Sie ist von Gottes Geist eingegeben, zuverlässig und höchste Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung.“ Von Fehlerlosigkeit und Widerspruchsfreiheit lese ich da auch nichts.“

      Ich hatte es ja im Talk auch kurz erwähnt. Mir hat noch kein Liberaler oder Progressiver erklären können, wie denn ein Text von Gott eingegeben und zugleich fehlerhaft und widersprüchlich sein kann. Ich persönlich glaube an einen Gott, der keine Fehler macht (z.B. 5. Mose 32,4).

      Und ich muss sagen, ich bin nach diesen Diskussionen hier immer frustrierter darüber, dass es der Theologie offenbar gelingt, wirklich JEDEN Begriff zur leeren Hülse zu machen, den jeder nach Belieben völlig anders füllen kann. So wird Dialog unfassbar kompliziert. So spielt man sich vor, man glaube das gleiche (weil man ja die gleichen Begriffe benutzt), aber in Wahrheit ist man ganz verschieden unterwegs. Eine Auferweckung ohne leeres Grab… Dann sagt doch bitte Erscheinung dazu, dann weiß man, was gemeint ist.

      • Senfkorn Senfkorn

        Lieber Markus,
        ich wollte dich nicht frustrieren. Aber meiner Meinung nach ist die Glaubensbasis der DEA auslegungsbedürftig, zumal sie ja in diesem Jahr überarbeitet worden ist. Bezüglich der Bibel wurde die überarbeitete Glaubensbasis eher schwächer formuliert. Aus „göttlicher Inspiration“ und „völliger Zuverlässigkeit“ wurde „Sie ist von Gottes Geist eingegeben. zuverlässig […].“ Bei solchen Änderungen ist natürlich zu fragen, was damit impliziert wird. Du verstehst diese Aussagen im Sinne von „Fehlerlos“, das ist auch in Ordnung. Aber ich weiß nicht, ob dein Verständnis einfach auf die Formulierung der Glaubensbasis der DEA übertragen werden kann. In meinen Augen scheint es da Spielräume zu geben.
        Auch wenn wir in der Theologie in manchen Punkten anderer Meinung sind, glaube ich, dass wir in der Praxis zusammenkommen würden. Denn auch ich würde mir von meiner Landeskriche wünschen, dass sie in Sachen Liedgut und Liturgie progressiver wäre, als sie ist. Von manchen Pfarrern würde ich mir auch mehr persönliches Glaubensleben wünschen, das sich auf die Arbeit in der Gemeinde auswirkt. Ich wünsche mir eine lebendige Kirche, in der sich Menschen zu Hause fühlen, Gemeinschaft erleben und sich gerne eingringen. Ich wünsche mir eine Kirche, in der Jesus im Zentrum steht, gerade auch in den Predigten. Ich finde es gut, dass du dich leidenschaftlich für eine solche (Landes-) Kirche einsetzt. Ich glaube aber auch, dass eine solche Kirche mit einer weniger konservativen Theologie gebaut werden kann (ich meine damit nicht, liberale Extrempositionen. Was diese anbelangt würde ich dir in deiner Skepsis in Bezug auf Gemeindebau zustimmen.)
        Das wollte ich einfach noch einmal los werden.

  48. Markus Markus

    @Peter und Kathi,
    zu euren Kommentaren weiter oben: Ich stimme euch im Grunde vollständig zu. Natürlich ist mein Gebrauch des Begriffs „Postmoderne“ hier holzschnittartig und simplifiziert. Aber die Tendenz ist für mich eindeutig, dass man heute viel schneller als früher angegriffen wird, wenn man eine andere Position als falsch bezeichnet. Das hat auch etwas Positives, denn es hilft, demütig und selbstkritisch zu bleiben. Aber ich finde: Wir übertreiben deutlich, wenn man die Rede von wahr und falsch grundsätzlich verdächtig findet, und das erlebe ich schon immer wieder, wenn ich von Postevangelikalen angegriffen werde. Deshalb freue ich mich, dass auch Peter sagt, dass es einen Bereich gibt, in dem wir von objektiv wahr oder falsch reden können. Entweder ist Gott der Urgrund allen Seins oder nicht. Entweder ist Jesus das Zentrum des christlichen Glaubens oder nicht. Anders als bei Peter gehören für mich eben z.B. auch die Leiblichkeit der Auferstehung und das stellvertretende Sühneopfer zu diesem Bereich der unaufgebbaren Kernwahrheiten. Zu anderen Punkten wie z.B. der Frage, ob Frauen predigen dürfen, sehe auch ich (wie übrigens auch U. Parzany!) unterschiedliche Impulse in der Bibel, so dass ich finde, dass man da zu unterschiedlichen Auslegungen kommen kann (ich bin übrigens absolut dafür, dass Frauen völlig gleichberechtigt predigen dürfen). Der Unterschied zwischen uns ist also nur, dass wir die Grenze zwischen unaufgebbaren Kernwahrheiten und den „Adiophora“ (also Dinge, die man auf Basis des Bibelstudiums unterschiedlich sehen kann) anders setzen. Und hinter dieser unterschiedlichen Grenzsetzung stehen natürlich auch unterschiedliche hermeneutische Ansätze, wie aus dem Post von Peter deutlich wird. Das ist doch schon mal eine schöne Erkenntnis aus unserer Diskussion finde ich.
    Der berechtigte Hinweis auf die Vorläufigkeit mancher Erkenntnisse gilt übrigens auch für die Frage, welche Lehre schädlich ist und welche nicht. Viele Lehren, die einst als Befreiung und ein Sieg der Menschlichkeit gefeiert wurden haben sich im Nachhinein als äußerst schädlich herausgestellt. Ich teile die Ansicht, dass gute Theologie sich auf Dauer auch daran messen muss, ob sie gute Frucht bringt. Aber gute Theologie kann (und muss!!!) zunächst auch ein Ärgernis sein, das uns und unseren Lebensstil hinterfragt und uns (manchmal schmerzlich) zur Umkehr ruft. Deshalb finde ich das Kriterium „Schädlichkeit“ zumindest nicht verlässlich, manchmal geradezu schädlich, wenn dadurch vorschnell eine biblische Position in Misskredit gebracht wird. Gott hat immer die größere Perspektive, und ich räume ihm ein, besser als wir beurteilen zu können, was auf Dauer schädlich ist und was nicht. Ich bin z.B. zutiefst davon überzeugt, dass wir als Gesellschaft (und vor allem unsere Kinder) einen hohen Preis dafür bezahlen werden, dass wir weite Teile der biblischen Sexualethik wie z.B. das Ideal der lebenslangen Monogamie aufgegeben haben. Aber ich will es gleich sagen: Ich will hier jetzt nicht in die Diskussion um Sexualethik einsteigen. Das können wir dann machen, wenn Hossa Talk mich zu diesem Thema wieder zur Diskussion einlädt… 🙂

    • Kathi Kathi

      @ Markus

      Ich hoffe aber, Du fühlst Dich von mir nicht angegriffen. So unterschiedlich sind unsere Auffassungen nämlich auch gar nicht. Ich habe nur sehr andere Erfahrungen gemacht, besonders durch ein Jahr in einer amerikanisch-deutsch evangelikalen Gemeinde und eben die Erfahrung mit meiner amerikanischen Schwiegermutter und ihren schrägen Endzeitvorstellungen und ihren komischen politisch-religiösen Werten, z.B. glaubt sie, dass alle Probleme in Amerika gelöst werden könnten, wenn Schüler in der Schule zum Beten gezwungen werden und die 10 Gebote überall in öffentlichen Gebäuden aufgehängt werden. Durch diese schrägen Erfahrungen bin ich erst wieder motiviert worden, die Bibel zu lesen und zu erforschen und mir Vorträge und Predigten und Podcasts anzuhören. Vorher bin ich eher so herumgedümpelt.

      Also, ich bin z.B. sehr streng wenn es um das apostolische Glaubensbekenntnis geht. Das ist für mich ein Standard, dem alle Kirchen folgen sollten. Wenn jemand die Dreieinigkeit anzweifelt, das passt mir nicht, Jungfrauengeburt ebenfalls, Auferstehung der Toten, etc.

      Das stellvertretende Sühneopfer (also, was in Englisch penal substitutionary atonement wäre) lehne ich eher ab. Das ist eine sehr moderne Lehre, vor Allem im Calvinismus vertreten. Ich glaube, dass Christus Victor und die im Englischen sog. Ransom Theory am ehesten an das ran kommt, was in der Bibel beschrieben wird und was die ersten Christen geglaubt haben.

      Zum Thema Frauen bin ich auch der Meinung, dass es falsch ist Frauen zu verbieten, zu leiten und zu lehren (wie es in der amerikanischen Gemeinde der Fall war). 1. Tim 2,12 ist die schwierigste Stelle in der Bibel vom Griechischen her und ohne Kontext nicht zu verstehen und evtl. falsch übersetzt. Frauen zu verbieten irgendwas in der Gemeinde zu machen – bringt ja definitiv schlechte Frucht, weil 50% der Gemeinde daran gehindert wird, Talente zu nutzen. Das ist schon eher diabolisch.

      Was Monogamie angeht, stimm ich Dir wieder voll und ganz zu.

      Also, ich glaube es ist gut manche Dinge zu überdenken, manche nicht. Man braucht halt Weisheit, um zu differenzieren.

      • Markus Markus

        „Das stellvertretende Sühneopfer ist eine sehr moderne Lehre, vor Allem im Calvinismus vertreten“ Ich möchte Dir nochmal meinen Artikel zu diesem Thema empfehlen: http://blog.aigg.de/?p=3887 Das stellvertretende Sühneopfer ist eine durch und durch biblische Lehre, durch zahllose Bibelstellen, Geschichten und Lehrtexte belegt, die sich quer durch die ganze Bibel ziehen.

        • ein Mensch ein Mensch

          Ich glaube, damit ist gemeint, dass das persönliche Bekehrungs- und Übergabegebet mit Unterteilung in Gerettete und für die Hölle bestimmte daraus entstanden ist.
          Also eine starke persönliche Rechtfertigung des einzelnen, die von der Gnade nur dann aufgewogen wird, wenn ich sie auch annehme.
          Heute ist ist in abgeschwächter Form die Basis vieler Evangelikaler besonders in den USA.
          Ja es gibt für alles Bibelstellen, am stärksten wird wahrscheinlich immer Joh 3,16 herrangezogen, und natürlich kann man auch die Geschichte Israels so deuten,
          aber eine stringente Entwicklung kannst du eben nicht herauslesen.
          Dafür brauch es wieder eine Interpretationsleistung.
          Denn was ist mit der Gnade für die ganze Welt? Ist die nicht erlöst in Kreuz?
          Ist Gott nicht so groß, dass er es nicht verkraftet, wenn Menschen andere Wege gehen oder „Seinen Namen nicht bekennen“ um mal fromm zu bleiben? 😉
          Das glaube ich eben nicht und für diese Liebe und Allmacht(stehe ich eigentlich nicht so drauf) lassen sich genauso Bibelstellen finden. Ich glaube auch, dass mit der Geschichte vom zornigen Gott du heute nur noch wenige Menschen erreichst. Das hat aber nix mit der Postmoderne oder dem Zeitwadel zu tun, der die Menschen überheblich macht, sondern mit der Verkündigungsgestalt. Vielleicht muss da angesetz werden, um eine andere Perspektive reinzubringen. Und eben den Menschen ernst nehmen mit seinen heutigen Problemen.

  49. Markus Markus

    Liebe „Hossa-Gemeinde“,

    so, jetzt haben wir 2 Wochen lang intensiv diskutiert. Wir haben einen Kommentarrekord bei Hossa-Talk aufgestellt. Wow! Vielen Dank an alle, die sich beteiligt haben!

    Herzlichen Dank auch noch einmal an Jay und Gofi, dass ihr mich eingeladen habt! Mir wird immer noch ganz warm ums Herz, wenn ich an diese schöne Begegnung denke. Wie ihr auf den seltsamen Titel „Im Angesicht meiner Feinde“ kamt ist mir immer noch ein Rätsel. Das stimmt nicht mal in Anführungszeichen. 🙂

    Ich persönlich habe sehr viel mitgenommen aus diesen Gesprächen. Vielleicht war ja auch für manche von euch der eine oder andere interessante Gedanke dabei. Ich würde mich freuen, wenn der Dialog weitergeht.

    Herzliche Grüße,
    Euer Markus

  50. Siggi Siggi

    @Markus
    Ich klinke mich auch noch mal ein…
    Ich bin mir nicht sicher, ob es schon mal geschrieben wurde, hab es aber noch nicht registriert… falls ich hier jemanden wiederhole, verzeiht mir 😀

    Um es kurz zu machen: Selbst wenn ich wollte, könnte ich als progressiver Christ nicht mehr zu einer evangelikalen bibeltreuen Sichtweise zurück. Es wäre so, als wenn man mich zwingen würde zu glauben, die Erde sei eine Scheibe. Selbst wenn es sich herausstellt, dass bibeltreue Gemeinden wachsen, könnte ich meine Sichtweise nicht ändern.

    Es lässt sich hier sehr schön beobachten, was im Buch „Gott 9.0“ beschrieben wird. Hier diskutieren zwei unterschiedliche Ebenen miteinander. Ich vermute mal, dass die meisten progressiven und auch viele liberale Christen eine evangelikale Phase HINTER sich haben (von Jay und Gofi wissen wir es ;-). Es ist völlig natürlich und normal, dass man die Ebene, von der man sich gerade verabschiedet hat, nun bekämpft. Das dient der Sicherung der eigenen neuen Position und der Abgrenzung, aber hat natürlich auch den Wunsch, möglichst viele von dieser neuen, befreienden Ebene zu überzeugen.

    Mir scheint, dass wir momentan in einer Phase sind, in der es zum Showdown kommt. Die alten Mächte feien noch mal ein Comeback und viele fühlen sich angezogen, weil sie alte Sicherheiten angeboten bekommen. Dies kann man auf allen Ebenen beobachten: Politisch durch den Erfolg (neo-) konservativer Parteien und religiös besonders z.B. beim Gebetshaus.

    Der Trost ist, dass die Entwicklung weiter geht und unaufhaltsam ist. Und wenn Gott was gegen die progressiven Strömungen hat, wird er sich schon drum kümmern.

    • Christa Christa

      Sorry, aber das finde ich ziemlich arrogant. Wenn man neue Erkenntnisse dazu gewonnen hat, befindet man sich doch nicht „auf einer anderen Ebene“- wahrscheinlich meinst Du eine „höhere Ebene“, wenn Du das Beispiel mit der Erde in diesem Zusammenhang anbringst. Das degradiert ja die Evangelikalen quasi zu unwissenden Idioten. Das finde ich sehr lieblos und überheblich.

      • Siggi Siggi

        Hey Christa, ich kann es nachvollziehen, warum sich diese Gedanken für dich arrogant und überheblich anhören. So sollte es aber nicht gemeint sein! Die Verfasser von Gott 9.0 betonen immer wieder, dass es nicht um höhere oder bessere Stufen geht. Das Beispiel mit der Erde sollte nur verdeutlichen, wie schwer bzw. unmöglich es mir erscheint, an meine früheren Überzeugungen zu glauben.

        Es ist schwer und ich bedauere, dass es mir offensichtlich nicht gelungen ist, dieses Stufenmodell wertfrei darzustellen. Schon gar nicht wollte ich irgendwen als „Idioten“ degradieren!!

        Was ich beobachte ist eben diese „Entwicklung“ (bitte nicht schlagen, ich weiß kein besseres Wort) von evangelikal hin zu progressiv / liberal. Davon habe ich schon zigmal gehört und kenne persönlich viele Menschen, die diesen Prozess durchlaufen haben.

        Vielleicht bin ich da aber auch in einer Filterblase… Würde mich sehr interessieren, ob es auch den umgekehrten Weg gibt!!

        • Christa Christa

          Hallo Siggi,
          ok, dann nehme ich alles zurück! 🙂
          Liebe Grüße, Christa

    • Katja Katja

      Das stimmt schon, dass man, wenn man was für sich entdeckt hat, was für man sinnvoller und „besser“ hält, am liebsten allen anderen Menschen auch weitergeben will und sie dafür begeistern will. Aber ich find das mit dem Kampf der Mächte und dem Ebenen-Denken auch arrogant und irgendwie spooky. Ich kenne viele Evangelikale, die ihren festen Rahmen und die klaren Richtlinien und ihre Schwerpunkte brauchen und gar nichts damit anfangen können, wenn so postevangelikale „Es-geht-auch-anders“-Denker daherkommen, weil für sie einfach nicht die Notwendigkeit besteht, ihr bisheriges Denken zu verändern. Und ich glaube auch, dass Gott bei ihnen wirkt und sie eine lebendige Beziehung zu Gott haben. Ich sehe in der postevangelikalen Bewegung eine große Chance für die verschiedenen Gemeinden, sich wieder näher zu kommen und finde es schade, wenn die Möglichkeit nicht wahrgenommen wird und es macht mich auch traurig, zu sehen, dass das mit der Ökumene wirklich so schwierig ist. Aber ich sehe auch, dass es riesengroßen Mut braucht, Altbekanntes und sicheres Terrain hinter sich zu lassen, vor allem, wenn einem das sichere Terrain so gut tut. Und ich sehe (auch bei mir) die Gefahr, dass man sich, wenn man etwas Neues, „Besseres“ gefunden hat, dann wieder über die anderen stellt, die „noch nicht so weit sind“…
      Hat jemand ne Lösungsidee??
      Katja

      • Ina Ina

        Ich glaube, es ist eine Frage der Perspektive: wo kommt man her, gegen was stellt man sich und warum? In welcher Lebenssituation befindet man sich? Das kann dann leider ins Extrem kippen, weil es sehr persönlich ist. Muss aber nicht…

        Zumindest ich persönlich habe mehrere Schleifen in meinem Leben gedreht und verstehe heute diejenigen, die anders glauben als ich, wesentlich besser. Dann wieder bin ich enorm ungnädig gerade mit denjenigen, aus deren Stall ich mal hervorgegangen bin…

    • Markus Markus

      Hallo Siggi, auch wenn ich mich hier eigentlich schon ausgeklinkt habe muss ich doch noch auf Deinen sehr interessanten Post kurz antworten: Was Du schreibst bestätigt viele der Eindrücke, die auch bei mir nach diesen Diskussionen zurückbleiben. So z.B. die weit verbreitete Phobie gegen Apologetik, die man entweder ignoriert oder von vornherein als unfundiert, wenn nicht als lächerlich abqualifiziert – gerade so als würde jemand die These untermauern wollen, die Erde sei eine Scheibe.
      Ja, ich bin fest überzeugt davon, dass wir Konservative eine neue Blüte vor uns haben. Ich sehe viele (für mich sehr hoffnungsvolle) Anzeichen dafür. Showdown? Ich hoffe nicht. Sich gegenseitig respektieren und freigeben: Das wäre mein Wunsch. Allerdings sieht es in meiner evangelischen Kirche im Moment eher nicht danach aus. Wir leben in extrem spannenden Zeiten.

      • Siggi Siggi

        Hallo Markus,
        vielen Dank für Deine wohlmeinende Antwort, die mir hilft (hoffentlich) präziser zu formulieren. Das Erde-Scheibe Beispiel ist etwas unglücklich. Es ging mir nur darum zu verdeutlichen, dass mir dieser Schritt quasi unmöglich erscheint. Und das würde ich nicht nur kognitiv begründen.

        Mein Eindruck ist, dass ich durch eine Tür gegangen bin, die nur auf der einen Seite eine Klinke hat…

        Bei mir war es auch eine neue Art der Gottesbegegnung. Der Gott, den ich kennen gelernt habe, wird nicht durch die richtigen Ansichten zusammengehalten. Ich habe ihn als Fundament meines Lebens entdeckt, welches nicht ins Wanken durch meine Ansichten gerät. Er ist einfach da – und egal, was ICH glaube, er ist nicht wegzukriegen. Genauso wie ein Fisch, der das um sich umgebende Wasser leugnen kann, weiterhin durch dieses Wasser lebt, selbst dann, wenn er es ablehnt. So denke ich, ist Gott in und um jeden Menschen, unabhängig vom individuellen Glaubenssystem. Deshalb bin ich recht gelassen, was andere Konfessionen und Religionen angeht 😀 Ich werde nur unruhig, wenn ich den Eindruck habe, dass der Gott kleiner gemacht wird, als er ist…

        Kennst du den Film „Come Sunday“? Da wird die Entwicklung des Pastors Carlton Pearson nachgezeichnet – der einfach nicht mehr glauben konnte, dass die Hölle existiert, weil ihm Gott gesagt hat: „Es sind doch schon alle gerettet.“ Sehr sehenswert! Beruht übrigens auf einer wahren Begebenheit!

        Ich hoffe, du kannst mir glauben, dass ich Dich und deine Haltung respektiere und sie nicht degradieren wollte!!

        • Markus Markus

          Hi Siggi, ich fand Dein Beispiel nicht unglücklich sondern sehr anschaulich. Ich habe das auch nicht als überheblich oder verletzend empfunden sondern als ehrliche Beschreibung. Also nochmal Danke, dass Du Deine Gedanken aufgeschrieben hast. Dass Gott immer noch bei Dir ist, daran glaube ich fest. ER ist treu. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Postevangelikale sich oft noch so einen spirituellen Zugang aus ihrer Vergangenheit behalten haben, auch wenn sie einige Dogmen über Bord geworfen haben. Da scheint mir deshalb mehr Spiritualität da zu sein als bei Leuten, die von Anfang an liberal begonnen haben.
          So eine ähnliche Erfahrung wie Du hatte ich übrigens auch, als ich aus einer Phase mit viel „stiller Zeit“ in eine stressigere Lebensphase kam, in der ich nicht mehr so viel Bibel lesen und beten konnte und gemerkt habe: Mein Papa im Himmel ist trotzdem da. Seine Liebe ändert sich nicht. Das hat mir so gut getan.
          Was sich allerdings für mich nicht geändert hat ist: Die grünen Auen und das frische Wasser finde ich nach meiner Erfahrung dort, wo ich jedem Wort des guten Hirten kindlich und unverschwurbelt vertrauen kann. Es ist so erfrischend, die Bibel zu lesen und dabei einfach vertrauen zu können: Das ist befreiende Wahrheit. Ich kann mich auf die Verheißungen verlassen. Ich kann mich von den Geschichten und Texten inspirieren und korrigieren lassen und es führt mich alles miteinander zum Leben – hier auf der Erde und in Ewigkeit. Das ist einfach wundervoll. Und mit Hilfe der Apologetik muss ich nicht einmal mehr gegen meinen Intellekt anglauben sondern staune im Gegenteil über dieses unfassbare Buch, das doch unmöglich menschengemacht sein kann, wenn ich nur z.B. an die zahllosen korrekten Vorhersagen denke, die es gemacht hat. Es wird Dich sicher nicht verletzen wenn ich deshalb sage: Für mich wirkt es gerade umgekehrt: Zu glauben, dass die Schöpfung, das Christentum und die Bibel KEIN Wunder Gottes ist wäre mir schon angesichts der Fakten kaum möglich. Wobei mein Glaube am Ende nicht von Argumenten getragen wird sondern von diesem Geborgensein in diesem wundervollen Gott der Bibel, den man doch nur lieben und anbeten kann.
          Den Film kenne ich nicht. Vielleicht finde ich ja mal Zeit, ihn zu sehen. Aber ich finde halt diese progressive Tendenz, sich bestimmte Lehren Jesu rauszupicken und Anderes, was ich grad nicht glauben kann, wegzulassen (sorry, das klingt jetzt etwas verächtlich, ich weiß ja inzwischen, dass ihr das keinesfalls oberflächlich und leichtfertig macht) ziemlich langweilig und belanglos, weil es halt nur menschliche Gedankengebäude sind und weil für mich der Faktor „Wahrheit“ ein wichtiger Bestandteil meines Glaubens ist. Und wo finde ich Wahrheit? Da vertraue ich zuletzt halt lieber den Autoren der Bibel als unseren Wissenschaftlern oder dem Zeitgeist, deren Theorien und Meinungen dauernd wechseln. Viel spannender finde ich, immer mehr zu erfassen, was die biblischen Autoren wirklich gemeint haben. Diese Leute waren ganz nah an Jesus dran. Viele von ihnen haben für ihre Überzeugungen ihr Leben gegeben. Sie waren unglaublich erfolgreich in der Verbreitung ihrer Botschaft trotz massivster Widerstände. Ganz offensichtlich haben sie gelebt, was sie glaubten und lehrten. Ganz offensichtlich hat Gott ihre Botschaft bestätigt. Ich glaube, darauf kann ich bauen – im Leben und im Sterben.
          Herzliche Grüße, Markus

          • Siggi Siggi

            Hallo Markus,
            danke für deine Antwort und die Schilderung deiner Gottesbeziehung. Das hört sich vertraut an! Du schreibst „Viel spannender finde ich, immer mehr zu erfassen, was die biblischen Autoren wirklich gemeint haben.“ – also auch da eine Ebene, die wir miteinander teilen. Ich wünsche dir weiterhin alles Gute und Gottes Segen für deinen Weg!
            Liebe Grüße,
            Siggi

          • Chris Chris

            @Markus – ich bin fest davon überzeugt, dass wir Wahrheit weder bei den Autoren der Bibel, noch in der Wissenschaft, noch im Zeitgeschehen oder in der Forschung an sich finden. Da finden wir höchstens Erkenntnisse, aber doch nicht die Wahrheit!
            Zumindest nicht so, wie ich Wahrheit verstehe.

            @Siggi und
            @Markus – Weil es an dieser Stelle aus meiner Sicht so gut passt (ich habe das an anderer Stelle schon gepostet):

            Zimmer und Till sollen sich privat treffen, gemeinsam ein Bier trinken und lieber miteinander als übereinander reden.
            Natürlich wäre es interessant gewesen beide zu hören. Aber nicht deswegen, weil ich Siggi die besseren Argumente zutraue und er meine Sicht der Dinge gut vertreten würde. Und schon gar nicht um Till und die Konservativen davon zu überzeugen, dass sie im Unrecht sind. Genauso wenig, damit Till sich für seine Sorgen und Kritik rechtfertigen muss. Sondern darum, weil es nicht um die beiden Personen und ihre Haltungen geht, sondern um Beziehung, um den selben Sinn – um Jesus (den nicht zerteilten Christus)! Hier sehe ich beide in der Verantwortung und umso mehr ich hier lese, wie sich jeder versucht zu positionieren oder irgendwo einzuordnen, desto stärker entsteht für mich der Eindruck, dass es um Parteisucht und Rechthaberei geht – nicht heilsam und nicht erbaulich!
            Auch ich finde, dass konservativ Denkende oft so wirken, als ob sie nur sich selbst als wahre Christen sehen und die Wahrheit für sich in Anspruch nehmen.
            Doch verhalten wir uns nicht manchmal genauso, wenn wir uns mit unseren Erkenntnissen und unseren Horizonterweiterungen als die geistig reiferen und reflektierteren Menschen sehen und damit (bei aller Toleranz) den Zugang zur eigentlichen Wahrheit (zumindest unterschwellig) für uns in Anspruch nehmen?

            Ich vermute, dass wir viel zu oft „Rechthaben“ mit „Wahrheit“ verwechseln!
            Und dabei entsteht folgendes Problem: „Rechthaben“ führt dazu, dass Zimmer und Till sich voneinander entfernen, dass sie nicht unterscheiden, sondern trennen. Trennung führt dazu, dass sie sich nicht an einen Tisch setzen und nicht gemeinsam das Abendmahl zu sich nehmen…
            „Wahrheit“ hingegen führt nicht dazu, dass sich Zimmer und Till entfernen. Wahrheit verbindet! Wahrheit würde Trennung in Verbindung wandeln! Daher bin ich mir sicher, dass Wahrheit nicht dem einen oder dem anderen Theologen gehört, sondern beim Blick auf Jesus zu finden ist!

            Beim Blick auf Jesus, bzw. beim Blick auf die Wahrheit (was ich irgendwie gleich setze), entsteht also Verbindung, welche Till und Zimmer an einen gemeinsamen Tisch bringen möchte. Ob sie dort ein Bier trinken oder direkt Abendmahl feiern würden, das kann ich nicht beurteilen, aber sie würden sicherlich über Unterschiede reden und nicht Trennung produzieren!

            Daher denke ich, dass im „Rechthaben“ nichts geistliches zu finden ist – nichts was einen Menschen voran bringt, nichts Erbauliches. Und bei aller Wertschätzung für Diskussion und Auseinandersetzung, empfehle ich uns deshalb allen sehr, dass wir uns immer einer Sache bewusst sind:
            Rechthaben (kommt vom Mensch) ist etwas für wenige – Wahrheit (kommt von Gott) hingegen ist für alle da!!

    • Katja Katja

      Ich hab noch eine Frage an alle Griechischfreunde 😉 und sonstige, die sich damit schonmal beschäftigt haben: Neulich hatte ich ein Gespräch mit einem Freund, der seit paar Jahren in einer bibeltreuen Gemeinde ist, die sich total gegen die Ökumene ausspricht und wo gelehrt wird, dass die Ökumene ein Werk des Teufels ist, der will, dass es eine große „Einheitskirche“ gibt, in der alle „richtigen“ Glaubensüberzeugungen verwaschen werden, damit dem Christentum die Kraft genommen wird. Diese Gemeinde begründet ihre Ansicht damit, dass Johannes in der Offenbarung das Wort oikoumene für die Gesamtheit der Ungläubigen und der Feinde Gottes verwendet (habs in einem exegetischen Wörterbuch für das NT nachgeschlagen, das stimmt anscheinend – allerdings ist laut diesem Wörterbuch dasselbe Wort in den anderen Büchern des NT nicht notwendigerweise negativ konnotiert und hat verschiedene andere Verwendungsweisen)
      Ist euch diese Ansicht auch schonmal begegnet? Was denkt ihr dazu? Ich fand das ziemlich angsteinflößend und ziemlich kontraproduktiv für eine Einheit…
      Katja

      • Ein Mensch Ein Mensch

        Also konkret auf diese Bibelstelle jetzt nicht, aber das Ökumene schlecht ist, schon öfter.
        Meist hat man Angst, dass die eigenen exklusiven Ansprüche abgeschliffen werden und oft wird das auch als Zeichen der Endzeit gedeutet.
        Hmm, aber müssten die Bibeltreuen doch wieder froh sein, weil der Herr bald wiederkommt..
        schon komisch irgendwie

      • Senfkorn Senfkorn

        Liebe Katja,
        ich glaube nicht, dass eine solche Auslegung von der griechischen Bedeutung des Wortes oikoumene und von der Verwendung in der Offenbarung gedeckt ist. Das Wort kommt 3x vor (3,10; 12,9; 16,14). Die Verwendung scheint an allen Stellen politisch konnotiert zu sein. Mit oikoumene ist jeweils die bewohnte Erde – im Sinne der gesamten Erdbevölkerung – gemeint. An allen drei Stellen hat die gesamte Welt unter Mächten religiöser und politischer Art zu leiden. Dass das Wort oikoumene an sich schon negativ konnotiert sein soll, kann ich so nicht bestätigen. Das Negative sind die genannten Mächte, die die oikoumene heimsuchen. Außerdem muss man oikoumene in dem hier beschriebenen Sinn und Ökumene in Bezug auf weltweite Christenheit meiner Meinugn nach unterscheiden. Das eine meint den gesamten Erdball, das andere die Gesamtheit der sich zu Jesus Christus bekennenden Kirchen.
        So verstehe ich jedenfalls die Texte…

      • Kathi Kathi

        @Katja

        Bei „Griechischfreunde“ fühle ich mich mit meinem Graecum angesprochen. 🙂 Aber ich glaube, dieses Problem lässt sich weniger über die Sprache lösen. Es geht hier um Bibelverständnis und wie sich eine Gemeinde selbst versteht und präsentiert, in gewisser Weise auch um das Glaubensbekenntnis dieser Gemeinde. Es hört sich für mich so an, dass sie erstens den Teufel an die Wand malen, worin Christen Experten sind (die anderen glauben ja nicht, dass es ihn überhaupt gibt) und zweitens eine Ausrede suchen, um sich von anderen Gemeinden zu distanzieren und zu isolieren. Denn diese Auffassung ist so dermaßen schräg und unorthodox, da kommt man meiner Meinung nach nicht drauf, wenn man nicht schon diesen Wunsch hat, sich zu isolieren.
        Also, οἰκουμένη bedeutet erstmal nichts weiter als „Welt“, eigentlich muss man sich noch dahinter ein γῆ denken, dann heißt es „bewohnte Erde“. Es wird dann für das Römische Reich benutzt, weil man damals glaubte, dass die Römer die ganze Welt beherrschen. Es wird aber laut meinem Wörterbuch schon in der frühen Kirche auf die Kirche benutzt angewendet, natürlich noch nicht so wie heute, weil es damals noch kein Schisma gab. Eine gute Frage an deinen Freund wäre, ob sich Gott denn über diese vielen Schismen gefreut hat, ob er sich über den 30jährigen Krieg gefreut hat, etc. Und, ob er ehrlich glaubt, dass der Teufel in der Lage ist, das Christentum zu vereinen? Was sind denn seiner Meinung nach die „richtigen“ Glaubensüberzeugungen? Das bedeutet ja zwangsläufig, dass seine Gemeinde lehren dürfte, dass sie diese Überzeugungen haben und die anderen Kirchen nicht.
        Also, meine Meinung ist, dass Ökumene ganz, ganz wichtig ist. Weil wir alle Christen sind, Brüder und Schwestern, und uns lieben müssen laut Bibel. Wir können uns nicht ständig streiten und hassen. Irgendwie müssen wir uns vertragen und zueinander finden. Und Jesus ist monogam, er hat eine Braut, nicht viele Bräute. Also, dass es eine Kirche gibt, ist schon biblisch. Ob das jetzt eine Institution ist – weiß ich nicht, ich glaube auch nicht, dass wir das schaffen werden. Aber wir müssen zumindest da hin kommen, dass wir uns gegenseitig anerkennen und wenn ich manche Freikirchler höre, die sagen, dass Katholiken keine Christen seien, wird mir ganz schlecht. Das finde ich schrecklich.

      • Katja Katja

        Hey,
        danke euch drei! Das hilft mir weiter, ist auf der anderen Seite aber mal wieder so eine Erkenntnis, wo’s mir unwohl wird im Magen, weil ich einmal mehr den Eindruck habe, dass einzelne Stellen (oder sogar Begriffe) aus der Bibel gepickt werden, mitunter sogar kontextlos verdreht, nur um die eigene Position zu untermauern… Und Kathi: Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass diese Bibeltreuen meinen, es könne nur eine Einheit der Christen geben, wenn alle so denken wie sie. Und wenn ich sie richtig verstanden habe, darf eine Gemeinde auch nicht mehr als 15-20 Mitglieder haben (danach muss sich wieder ein Grüppchen abspalten), weil dann die Einheit nicht mehr gewahrt werden kann und man Ämter“hierarchien“ braucht, die total unbiblisch wären und nur ein Einfallstor für den Teufel sind (wie man ja an den großen, machtbesessenen und verweichlichten Volkskirchen sehen könne – Katholiken sind ja die Schlimmsten und total von bösen Mächten beherrscht). Für sie ist die Tatsache, dass Christen zur Arbeit an einer Einheit den Begriff „Ökumene“ gewählt haben, der ihrer Meinung nach für die Gesamtheit der Ungläubigen steht, ein deutlicher Hinweis darauf, dass es ein teuflisches Werk ist. Das ist wirklich bedrückend… und für mich besonders krass, weil ich gerade einen entgegengesetzten Denkprozess durchlaufe, der für mich so befreiend ist. Und man kann nix machen…Die reden einen einfach tot mit ihren Bibelzitaten, wie aus der Pistole geschossen.

        • Kathi Kathi

          @Katja

          Ich kenne diese Gemeinde nicht, aber was Du da beschreibst ist ziemlich merkwürdig, um es mal nett auszudrücken.
          Ich bin da immer etwas vorsichtig. Ich glaube, da, wo die Leute den Teufel am ehesten am Werk sehen wollen…Du weißt schon. Wie heißt es so schön im 2. Timotheus 1,7, Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern den der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
          Bei dieser Gemeinde herrscht eher ein Geist der Furcht und sie scheinen die Bibel so zu lesen durch Angst hindurch. So wird dann das Buch der Offenbarung hauptsächlich dahingehend gelesen, was alles für Schreckliche Sachen passieren können und dem Teufel wird viel zu viel Macht zugesprochen. Ich erinnere auch mal an Epheser 6, an die Waffenrüstung Gottes. Der Teufel kann einem eigentlich nichts anhaben, wenn man an Jesus glaubt und ihm nachfolgt. Eine Gemeinde, die fest im Glauben steht, braucht sich nicht vor dem Teufel zu fürchten.
          Damit entlarven sie sich ja selbst.
          Ich finde die Bezeichnung „bibeltreu“ auch irgendwie merkwürdig – heißt ja irgendwie, dass alle anderen bibeluntreu sind, hat also auch einen exklusiven Charakter.
          Was Hierarchien angeht, natürlich können die missbraucht werden. Was in der Kirchengeschichte alles schief gelaufen ist…aber es kommt auf die Zahl nicht an. Auch in kleinen Gruppen können Hierarchien entstehen und Macht missbraucht werden, typisches Beispiel wären Familien. Und es sind sowieso immer eher Einzelpersonen, die irgendwie ihre Macht missbrauchen…nicht die Kirche als solche.
          Wenn so Leute wie dein Freund nicht auf Dich hören wollen, dann vergiss es einfach. Rede nicht mehr mit ihm über das Thema, das führt sonst nur zu Frustration. Überlass es Gott. Muss ich mir auch immer wieder sagen, weil ich sonst noch den Verstand verliere. Viele Menschen haben leider vergessen, worum es wirklich geht: Liebe Gott und deinen Nächsten. Alles andere ist nebensächlich.

          • Katja Katja

            @ Kathi
            Den Eindruck mit der Angst hatte ich auch. Und wenn man dauernd den Teufel an die Wand malt, hat man ihn halt auch im Zimmer…
            Machtmissbrauch bei Hierarchien ist natürlich immer eine Gefahr (ich sehe zB in dieser bibeltreuen Gemeinde die Gefahr, dass sie die Bibelstelle mit dem „Mann= Haupt der Frau“ ziemlich wörtlich nehmen und da wirds für mich wirklich schräg), aber es gibt auch andere Gefahren, wenn man zum Beispiel super fokussiert ist auf die Demut – das wird dann schnell zur Heuchelei.
            Ich finde das echt schwer, andere Leute irgendwann loszulassen und Gott in die Hand zu geben. Das widerstrebt meiner Aktionismusneigung… aber letztlich bleibt nichts anderes übrig.

          • Kathi Kathi

            @Katja

            Kann ich gut nachvollziehen, wie es Dir damit geht. Manchmal gilt aber auch, was in Matthäus 7,6 steht, besonders wenn Leute gar nicht bereit sind, die Dinge mal anders zu betrachten.

  51. ein Mensch ein Mensch

    Markus ich glaube niemand hier stellt die Apologetik, die du vertrittst, als unfundiert oder lächerlich dar.
    Die meisten sind in fdieser Welt aufgewachsen und schätzen auch einige der Wurzeln.
    Aber deswegen kann man doch durchaus diskutieren, wie in unseren spannenden Zeiten das Evangelium aussieht. Sowohl was Formen als auch Inhalte angeht.
    Wir wollen auch andere Perspektiven zulassen und diskutieren, wenn das einigen zu liberal ist, ist Gott nicht groß genug, das auszuhalten?
    Ich möchte nur nicht dass durch arrogantes Verhalten wieder Menschen verrletzt werden und das auf beiden Seiten.
    Manchmal wird das ganze eben ein bisschen missionarisch, je nachdem wie tief man drinsteckte oder welche „Trigger“ einen grade reizen.
    War gestern bei der Segnung eines NBabys von Freunden. Spätestens als es für gut befunden wurede, dass Kinder bei bestimmten Sachen einen Klaps verdient haben, (das Kind des Predigers saß übrigens mit im Raum) und dem Kommentar „Was hier nicht hingehört, soll den Raum verlassen“ wollte ich gehen. Bin dann meinen Freunden zuliebe geblieben.
    Da wird man halt wütend, aber ich würde niemandem seinen Glauben absprechen und ihn lächerlich machen, nur weil er in der Gemeinde glücklich ist. Das ist dann eben so, nur für mich ist das eben nix.

    Man muss halt damit leben, dass man wenn man in den Dialog tritt, auch durchaus auf Granit beissen kann. Ich fand es großartig wie ihr euren Talk abgeschlossen habt. Dsas ist wahre Geschwisterschaft!

  52. Britta Britta

    Das mit den verschiedenen „Ebenen“ beschäftigt mich auch schon länger…
    Ich denke auch, dass es sie irgendwie gibt, hab das mal mit einer Art von Reifwerden beschrieben, was auch wieder schwierig ist, denn natürlich fühlen sich diejenigen abgeurteilt, die angeblich diese Reife noch nicht haben… Und da haben sie sicher auch nicht ganz unrecht…

    Egal, ob Atheisten oder Gläubige der unterschiedlichsten Ecken – oder „Ebenen“ – wir neigen alle dazu, auf die anderen herabzuschauen… Hat wohl was damit zu tun, dass wir das Richten/Urteilen einfach nicht lassen können…

    Das Weizenkorn, das eben reif geworden ist und kurz vor der Ernte steht, kann sich ja irgendwie zurecht über den Rest der Pflanze erheben, denn es ist über den Halm und erst recht über das aufgelöste Korn im Boden hinausgewachsen.
    Was es dabei schnell vergisst, ist, dass es gar nicht wäre ohne das Davor!

    Und das vermatschte Es-Weizenkorn in der Erde sagt vielleicht: Du hast keine Ahnung, wie sich das hier unten anfühlt! Komm du erstmal an den Punkt, wo du am Boden liegst, alles um dich her dunkel und kalt wird, nichts mehr so bleibt, wie es war und letztlich sterben muss…!

    Und der Halm meint: ICH habe DICH hervorgebracht und ertragen, habe alles gegeben, damit du blühst und zur Reife kommst und nun meinst du, du seist etwas besseres als ich…!

    Und das Weizenkorn weiß auch nicht, was ihm noch bevorsteht: Ernte-Beben, Hochgeworfenwerden und unsanftes Landen, um am Ende ganz entblößt, zermahlen, vermengt, gebacken, gebrochen und ausgeteilt zu werden…
    Oder tatsächlich mit all seinen wunderbaren Anlagen im Herbst wieder im Staub zu landen, um zu sterben und neues Leben hervor zu bringen… (weiß grad nicht, ob ich das Bild mag…)
    Es sind unterschiedliche Ebenen und Reife-Stadien, aber nichts davon ist unwichtig oder egal oder zu verurteilen.
    Gedanken/Ideen müssen irgendwann geerdet werden, sonst sind sie „nur ein Hauch“.
    Und aus dem Geerdeten, Erfahrenen wird sich neue Erkenntnis „erheben“.

    Auf der jeweiligen Ebene, in den unterschiedlichen Phasen neigen wir dazu, einseitig zu denken und zu empfinden, tun uns schwer damit, die Situation und Erkenntnis der anderen voll nachzuvollziehen.
    Daraus entstehen, meine ich, schnell, die „Aus-Versehen-Sünden“, von denen in Levitikus gesprochen wird (Kap.4?). „Shegagah“ nennt sich das. Und Gag ist das Flachdach.
    Ich stelle mir vor, dass das das Bild für so eine höhere Ebene ist, von der aus man auf jemanden herabschauen, aber nicht wirklich nachfühlen kann, wie es dem da unten geht.
    Dafür musst du erstmal wieder runterkommen (so, wie Zachäus von seinem Baum, den Jesus da quasi runterpflückt und der erst dann fähig wird, mit denen zu fühlen, denen er zuviel abgenommen hat und beschließt, es ihnen zurück zu geben. Was wird da für eine Energie frei!!).

    Andersherum kann der, der unten sitzt, nicht das sehen, was der auf dem Dach sehen kann!

    Einer, der mit dem Fahrstuhl immer nur bis in den 7. Stock eines Hochhauses, das mitten zwischen anderen Hochhäusern steht, wird seine Umgebung ganz anders sehen und beschreiben, als einer, der (aus Versehen?) den Knopf für das oberste Stockwerk gedrückt hat und da oben auf einmal bis zum Horizont blicken kann und dort vielleicht, Wälder, Äcker, einen Fluss, die Berge oder sogar das Meer entdeckt.

    „Komm und sieh“ ist dann sicherlich der jeweils richtige Rat, allerdings oft nicht mal eben und sofort umsetzbar…

    Neben dem Wort „Gag“ gibt es noch das „Rama“ – die Höhe – die öfter in der Bibel auftaucht…
    In dieser Höhe landet Abraham nach seiner Beschneidung und von dort schaut er mit JHWH auf Sodom und Gomorrah „herab“ und ringt mit ihm um das Leben seines Neffen, mit dem er mitfühlen kann!

    So, genuch! Soweit ein Einblick in meine Kopf-Höhen-Bilder…
    Jetzt muss ich runter in den Keller – zur Dreckwäsche ; )

  53. Zusammenbrötler Zusammenbrötler

    oh je… wenn man in dieser Runde mal ne woche nicht dabei war, kann man eigentlich gar nicht mehr antworten, weil die Diskussion schon 5 neue Wendungen genommen hat…
    ich versuch´s trotzdem in Kürze.
    Abrer erstmal zu Siggi´s Frage: Es gibt auch Leute die den umgekehrten Weg von „liberal“ zu „evangelikal“) gegangen sind. Am bekanntesten wahrscheinlich die Bultmann-Schülerin Eta Linnemann.

    Zu Ina 3km weiter vorne:
    Du hast recht: mit dem freien Willen ist es nicht so einfach… man könnte auch Paulus Bild von Ton und Töpfer heranziehen. Auf der anderen Seite gag Gott Aufträge (Erde bebauen und bewahren, Tiere benennen, Könige mit Verantwortung einsetzen) und forderte Rechenschaft… das macht ja nur Sinn, wenn man eine gewisse Wahlmöglichkeit hat. Hier haben sich schon große christliche Denker versucht, aber ich denke wir können uns einigen darauf einigen, dass der Mensch irgendwo zwischen „alles ist vorherbestimmt“ und „unbegrenzter freier Wille“ zu verorten ist.

    Was ich weniger nachvollziehen kann ist deine Haltung jede theologische Meinung stehen lassen zu müssen. Das kannst und solltest du sogar in einer theologischen Diskussion tun – aber in einer Gemeinde oder gar in der Christenheit wird das verheerende Auswirkungen haben. Deshalb gab es im NT immer wieder die Warnungen vor Irrlehren und Irrlehrern, deshalb gab es Konzile mit Klarstellungen. Deshalb gab es ein Glaubensbekenntnis. Wenn eine Sekte wie z.B. Wort und Geist einfach neben allem anderen stehen bleiben darf, dann ist diese Gemeinde dem Untergang geweiht – das ist vielleicht etwas zu krass ausgedrückt, aber das ist mehrfach passiert. Mich würde interessieren, wie du damit umgehen würdest, wenn Lehren kommen, die offensichtlich wie im Wort&Geist Fall Menschen in eine Scheinwelt führen.
    Ganz zum Schluß was ich mit dem Zeigefinger gemeint habe: jeder Finger, der mir was zeigt, was ich übersehen habe, ist für mich kein Stinkefinger! Ich bin dankbar dafür!
    Liebe Grüße mit Segen!

    • Markus Markus

      100 % Zustimmung, lieber Zusammenbrötler.

    • Katja Katja

      Jawoll!! 🙂 Ich frage mich (und euch natürlich auch): Wo beginnt das mit dem Stehenlassen und wo die Beliebigkeit? Und wo beginnt das Richten und Urteilen? Was ist nur Ermahnen, weil ich eine „tiefere Erkenntnis“ gewonnen habe oder sehe, das was schief läuft und wo fange ich an, aufgrund meiner Erkenntnisse und meines Bibelverständnisses andere zu richten? Darf ich das überhaupt, wo doch meine Erkenntnis auch nur Stückwerk ist? Wer legt fest, woran gerüttelt werden darf und woran nicht, wer bei Klarstellungen den heiligen Geist hatte und wer nicht? Können Konzilien irren?
      Läuft es am Ende doch darauf hinaus, dass die jeweils individuelle Gotteserfahrung zählt und wie kann dann noch Gemeinde funktionieren? Wie weit darf eine Gemeinde mit ihren Klarstellungen und Festlegungen gehen, um noch gesund zu sein?
      Und wie kann das mit dem sola scriptura als höchste Instanz laufen, wenn verschiedene Menschen beim Bibellesen zu verschiedenen Schlüssen kommen? Kann ich tatsächlich sagen: Gott ist die Liebe und alles andere ergibt sich daraus?

      • Ina Ina

        Eine individuelle Gotteserfahrung muss immer mit dem abgeglichen werden, was wir über Gott wissen. „Freihändig“ wird das sonst nichts.

        Richten darf niemand, siehe den Kommentar von mir in einer anderen Hossa-Abteilung (auf den sich Zusammenbrötler irrtümlich hier jetzt geäußert hat), aber darum ringen muss man, und zwar immer wieder seit 2000 Jahren:
        https://hossa-talk.de/35-das-kreuz-wofuer-starb-jesus-teil-2-2/#comment-7795

        „Tiefere Erkenntnis“ würde ich als Ausdruck schonmal gar nicht akzeptieren, sonst geht es einem irgendwann so wie meinem ultrakonservativen pietistischen Lehrer, der schließlich irgendwann eine Art gnostische Lehre predigte, mit zwei Erkenntnisstufen (ja, solche Fälle gibt es auch…).

        Selbstverständlich können sich Konzilien irren, je nachdem, wen Du fragst. Als Protestantin lehne ich die unbefleckte Empfängnis Marias durch Anna ab (=anderes Dogma als die Jungfrauengeburt!) und die Unfehlbarkeit des Papstes. 🙂

        Aber natürlich gibt es anerkannte Gemeinsamkeiten fast aller Christen, v.a. Nicäa.

        Und zumindest kann man über einiges mal grundsätzlich nachdenken im Streitfall, z.B. das „filioque“, das von den Alt-Katholiken und Orthodoxen abgelehnt wird (als Lutheranerin ist mir aber erlaubt, an deren Eucharistie teilzunehmen). An solchen Streits zeigt sich oft, wie ungeklärt vieles ist. Im Fall des „filioque“ (Wird der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn gesandt oder nur vom Vater?) merkt man z.B., wie stiefmütterlich wir im Westen in der Regel mit dem Geist in der Dreifaltigkeit umgehen (was wiederum die Charismatiker entstehen ließ). – Alles nicht so einfach also…

        Und „sola scriptura“ ist das größte inner-evangelische Missverständnis, das mir spontan einfällt. Luther hat es nie angewandt ohne „solus Christus“. Daraus ergibt sich automatisch eine Gewichtung von Bibeltexten (was wiederum manche Lutherisch-Orthodoxen nicht unterschreiben würden, obwohl ich mich auch lutherisch verstehe), während diejenigen, die eher calvisitisch geprägt sind, sowieso mehr zu einer flachen Lesart der Bibel tendieren (=alle Texte sind gleich wichtig).

        „Gott ist die Liebe“ reicht natürlich nicht, das ist ja das Problem mit „Wohlfühlchristen“, die das mit dem Valentinstag verwechseln… Mindestens genauso wichtig ist, dass Christus die Wahrheit und das Leben ist. (Sonst wüssten wir das ja auch gar nicht, dass Gott die Liebe ist).

        My five cents zu einem theoretisch unlösbaren Problem. 🙂

        • Katja Katja

          Danke Ina für deine Gedanken! Ich hatte „tiefere Erkenntnis“ deshalb in Anführungszeichen gesetzt, weil mir kein anderer Begriff eingefallen ist – keine Sorge, ich denke nicht so wie dein ultrakonservativer pietistischer Lehrer 🙂 . Vielleicht passt zu dem, was ich sagen wollte eher „neue/andere Erkenntnis“ oder „Entdeckungen, die einem hilfreicher sind als die bisherigen“.
          Soweit von mir, ich hab noch so viele Gedanken dazu im Kopf, aber da kommen wir nur wieder vom 100sten ins 1000ste…

          • Ina Ina

            Hey Katja,

            das meinte ich jetzt NICHT in Bezug auf Dich persönlich! 🙂

            Ich war nur so baff, als ich erfahren habe, dass ausgerechnet der pietistische Knochen (dem ich vieles von meiner Bibelkenntnis zu verdanken habe, inklusive Psalmen-Auswendig-Lernen) irgendwann so abdrehte in Richting „Geheimlehre“, die nur noch die „Eingeweihten/Auserwählten“ verstehen! – Das Problem hatte ja schon Paulus… Da dachte ich mir: könnte was mit uns als Menschen und auch unserer speziellen Religion zu tun haben… (in heilsentscheidenden Dingen klar, aber beim Rest??? )

            Deine weiterführenden Gedanken würden mich ja schon interessieren (v.a. weil ich gerade auch einiges dazu gelesen habe), aber ich muss zugeben, dass ich nach dem Markus-Talk UND dem Ketzer-Talk gerade ein bisschen platt bin. *k.o.*

            Danke übrigens auch für den Link zu dem katholischen Abendmahl-Text vor Ewigkeiten irgendwo da oben im Kommentar-Dschungel! Sehr spannend!
            Hab ihn mir runtergeladen, aber noch nicht verstanden. Vielleicht irgendwann mal bei einem anderen Hossa-Thema! 🙂

            LG, Ina

          • Katja Katja

            Liebe Ina,
            bitte für den Abendmahlstext. Ich hab ihn nach 2-3mal Lesen auch noch nicht ganz verstanden, aber fand ihn gut als Übersicht (vor allem das mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der verschiedenen Abendmahlsbeschreibungen)
            Ich hab vermutlich viele Gedanken zu Themen, die irgendwo irgendwann bei Hossa schonmal beleuchtet und diskutiert wurden (und da ich noch ein Hossa-Neuling bin, werd ich mir besser erstmal noch ein paar Folgen anhören und Kommentare lesen, vllt werde ich dann Antworten auf meine Fragen finden). Du kannst auch Jay&Gofi nach meiner Mailadresse fragen und dann können wir uns weiter austauschen.
            Katja

    • Ina Ina

      Hi Zusammenbrötler,

      meintest Du hiermit mich?! Worauf beziehst Du das?
      „Was ich weniger nachvollziehen kann ist deine Haltung jede theologische Meinung stehen lassen zu müssen.“

      Ich lasse nicht JEDE theologische Meinung stehen! Im Gegenteil hat mich Jay sogar mal als „orthodox“ (im Sinne von dogmatisch) bezeichnet. 😀

      Die Sprache, in der ich dogmatisch bin, ist allerdings nicht besonders fromm. Und ich gehe davon aus, dass zentrale Heilsereignisse (Kreuz) mehr als nur eine Deutungsmöglichkeit zulassen (innerhalb überlieferter dogmatischer Grenzen).

      Du beziehst Dich gerade, glaube ich, auf eine Diskussion über das Kreuz in einem anderen Talk (nicht hier mit Markus!).
      Mich stört an dem Zeigefinger die Selbstgerechtigkeit, hab ich doch geschrieben. Kritische Rückmeldungen unter Geschwistern sind nochmal was anderes (dabei hat sich aber keiner über den anderen zu erheben!).

      „Irrlehren“ festzulegen, war schon immer eine heikle Sache in der Christenheit, da wünsche ich mich mehr kritische Selbstreflexion der selbsternannten „Hüter der Wahrheit“. Das ist mein Punkt.

      Liebe Grüße
      Ina

  54. Matze Matze

    Hi Britta,
    du hast den Zweifler Thomas eingeworfen. Er er zweifelte, hat Jesus nicht gesehen.
    In Lukas 24 wird berichtet, dass einige Frauen den Jüngern erzählten dass Jesus lebe, die Jüngern glaubten Ihnen nicht. Ausser petrus der rennte zum Grab und wollte es wissen. Oder les mal Markus 16 folgende.
    Also wollte nur sagen , dass nicht nur Thomas gezweifelt hat sondern die anderen Jünger auch und erst geglaubt haben als sie Jesus sahen, wie Thomas. Johannes 20 ab Vers19. Auch er zeigte den anderen seine Hände und Seite. Ausserdem glaubte Thomas als Jesus seine Hände und Seite zeigte und er aufgefortert wurde seine Hände reinzulegen, er hatte es auch gesehen. Es steht nirgends dass er seine Hände reingelegt hat. Er gab sogar ein Bekenntnis ab: Mein Herr und Gott. Also wenn man vom ungläubigen Thomas soricht muss man auch von den anderen Jüngern „als ungläubige Jünger “ sprechen.
    soll nur eine Ergänzung sein.

  55. Matze Matze

    Danke Euch allen für den km langen, Austausch, Diskussionen, echt Hammer.
    Habe so viel gelernt, soviel neuen Imput bekommen. Ich bin einfach gestärkt aus der Disskussion/Auseinandersetzung ectr. als sogenannter “ Hossa-Chirist und Worthaus -Christ“ herausgegangen.

  56. Matze Matze

    Markus
    Ich kann die soooo gut verstehen, ich hatte 40 jahre zu 100./. Deine Ansichten und war mir sicher dass ich die Wahrheit habe.
    Auch ich komme aus dem wuertembergischeb pietismus (Apis) es gab mir ein Fundament. Irgendwann Konnte ich die Enge ertragen , es kamen verletzungen dazu ectr.
    Mein Glaube hat sich veraendert und ich habe mich vom pietismuss/ evangelikalen gedankengut verabschiedet und bekam eine Weite.
    Ich glaube daas niemand die Wahrheit hat . Es gibt nur einen der von sich sagt : ich bin die Wahrheit , nur er ist wahrhaftig. Wir menschen Koennen uns irren. Deshalb lasst uns gegenseitig mit unseren unterschiedlichen Ansichten und theologie achten , anerkennen und gegenseitig als christen , brueder und schwestern aktzeptieren . Niemand von uns hat die Wahrheit ich nicht und Du nicht.
    Wie sagt glaube ich Paulus: keiner achte sich hoeher als den anderen.
    Seid gesegnet

  57. Matze Matze

    sorry meinte: irgendwann konnte ich die Enge NICHT mehr ertragen

  58. Katja Katja

    @Markus
    Sorry, du hast dir schon so viel Zeit für den Austausch hier genommen und dich schon so oft verabschiedet und uns Gottes Segen für unsere weiteren Wege gewünscht und so, aber in mir arbeitet noch so einiges und ich möchte das gerne noch hier aufschreiben…Du musst auch nicht antworten.
    Mich lässt deine Formulierung nicht los, dass Vergebung und Gnade billig sind, wenn wir noch nicht (genug??) erschrocken sind über die Größe unserer Schuld. Dieses Schreckgespenst der billigen Gnade spukt ja immer wieder durch christliche Kreise – vielleicht insbesondere durch deutsche christliche Kreise, weil wir in Deutschland so eine Leistungsmentalität haben à la „schaffe schaffe Häusle baue“ oder „im Leben kriegt man nix geschenkt“. Diese Mentalität kann, wie ich kürzlich erlebt habe, soweit gehen, dass Christen mit einem Brustton der Überzeugung sagen: Gott liebt nicht alle einfach so wie sie sind – den bußfertigen Menschen hat Gott lieb (und ist ihm gnädig)! Und das Schema „Je mehr ich leiste (nämlich möglichst tief und oft erschrecke über meine Schuld), desto tiefer, wertvoller wird die Gnade und Vergebung und desto stärker die Erlösung“ passt genau in diese Leistungsmentalität rein. Ich verstehe den Gedanken, dass jemand sich mehr über erlassene Schuld freut, der mehr Schuld „auf dem Konto“ hatte, als jemand, der sich weniger hat zu Schulden kommen lassen. Aber denk mal den Ansatz weiter (in Kombination mit der „billigen Gnade“): Da kommt man doch da raus, dass man sich anstrengt, möglichst schlimme Sünden zu erkennen, damit die Gnade möglichst „gut verdient“ ist. Und vielleicht auch, dass man anfängt, bei sich möglichst viel Schlechtes zu suchen, damit man auch wirklich dieser Gnade, Vergebung und Erlösung würdig ist.
    Wenn ich Luther recht verstehe, hat er aber doch gerade erkannt, dass wir eben NICHTS dazu beitragen können, dass Gott gnädig ist. Es war Gottes Entscheidung, uns gnädig zu sein. Und zwar nicht als möglichst wertvolle Gegenleistung für eine möglichst tiefe Sündenerkenntnis, sondern als Geschenk JEDEM Menschen uneingeschränkt, ohne Voraussetzung, egal wie viel oder wenig Sünden er getan hat. Und da sehe ich auch ein Problem darin, dass „Schuld/Sünde“ so einseitig tatorientiert betrachtet wird – also: Sünde = schlechte Gedanken, Taten, Lebenshaltungen, Emotionen, Gesetzesübertretungen… Das Sündersein des Menschen ist doch so viel mehr und tiefgehender, grundlegender als eine Liste der begangenen Sünden. Es ist das grundsätzliche Nicht-mit-Gott-eins-Sein, das alle Menschen gleichermaßen betrifft (deswegen kann Gott seine Gnade ja allen Menschen uneingeschränkt und ohne Abstufungen zuteil werden lassen). Es ist das So-sein-wollen-wie-Gott, das Vertauschen von Geschöpf und Schöpfer (aus dem sich dann die „sündigen Taten“ ergeben), das Nicht-anerkennen-Wollen der eigenen Unvollkommenheit und Schwäche. Und das geht 1000mal tiefer als die Rechnung: mehr Sünden + mehr Sündenerkenntnis = wertvollere Gnade = mehr Erlöstsein. Ich finde es wirklich schwierig, dass du sagst, Christen, die nicht dieses Verständnis von Schuld haben, würden die Gnade billig machen.

    Gnade ist nicht billig. Gnade ist UMSONST! Und dennoch ein unendlich wertvolles Geschenk, über das wir staunen, jubeln können und angesichts dessen wir erkennen können, wie ernst es Gott mit uns meint und damit, uns zu sich ziehen zu wollen. Mit Jesus will Gott uns ALLES schenken. Und mit Jesus will Gott uns alles SCHENKEN (nach Römer 8,32). Ich glaube, das ist für viele Menschen und auch Christen das eigentliche Problem. Dass sie sich nix schenken lassen wollen. Und ich glaube, das hat mit dem zu tun, dass wir als Sünder darin verstrickt sind, dass wir unsere eigene Erlösungsbedürftigkeit, Angewiesenheit und Unvollkommenheit nur schwer anerkennen können oder auch gar nicht anerkennen wollen, weil wir ja immer perfekt, also wie Gott sein wollen.

    Soweit erstmal meine Gedanken. Vielleicht hab ich deine Aussage auch missverstanden und du meintest das alles ganz anders…
    Katja

    • Markus Markus

      Hallo Katja, ich möchte versuchen, nochmal kurz zu antworten: Ja, Gnade ist umsonst. Sie kann nur umsonst sein, sonst ist es ja keine Gnade sondern Lohn. Sündenerkenntnis ist keine Leistung sondern ein Geschenk des Heiligen Geistes. Das kann man nicht machen oder erarbeiten. Man kann nur Gott durch sein Wort an sich wirken lassen. Das Problem an fehlender Sündenerkenntnis ist halt, dass man dann denkt: Ich brauche keine Gnade. Dann ist die Gnade nichts wert. Und dann löst sie auch kein Staunen und keinen Jubel aus. Und genau das sehen wir doch so weit verbreitet in unseren Gemeinden. Gleichgültigkeit. Oberflächlichkeit. Indifferenz. Weil das Werk Jesu am Kreuz nicht wirklich etwas wert ist. Weil man meint, das gar nicht zu brauchen. Wofür brauche ich Vergebung, wenn mir gar nicht klar ist, dass ich Vergebung brauche? Und wenn ich denke, ich brauche das nicht: Wofür sollte ich dann dankbar sein? Inwiefern soll ich mich dann beschenkt fühlen?
      Ist das nachvollziehbar?
      Viele Grüße, Markus

      • Britta Britta

        Und was sollen/können wir machen, damit der Heilige Geist „seinen Job besser macht“ und z.B. unseren Gemeinden echte Sündenerkenntnis schenkt?

        Du sagst ja selbst gerade sehr zurecht, dass wir das eben nicht selber machen können, dass Sündenerkenntnis KEINE eigene Leistung ist! …

        Dann müssen wir anscheinend warten, bis es soweit ist, bis die Zeit reif ist oder wir reif sind (oft womöglich erst am Ende dieses Lebens!?).

        Meinst du, wir können wirklich irgendeinen Einfluss darauf haben, wie und wann das in unserem Leben und im Leben anderer geschieht?

        Ist nicht auch die Sehnsucht danach, dass ich Gottes Gnade tiefer erkenne, schon das Wirken des Heiligen Geistes?

        Ich glaube, wir können einfach nur dankbar die Gnade annehmen, die wir schon erkannt haben und von ihr unser Leben und unser Verhalten immer mehr durchdringen lassen (ist ja laut Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht, dem Mega-Schuldner offensichtlich gar nicht so leicht…) und sie Menschen anbieten, bei denen wir den Eindruck haben, dass Gott bei ihnen schon am Werk ist und denen zusprechen, die sich danach sehnen.

        Und uns ansonsten vertrauensvoll darüber freuen, dass unser Gott zum Platzen bzw. übersprudelnd voll ist mit Gnade für ALLE, wann immer sie auch erkennen werden, dass sie sie brauchen.

        Du hast diese Gnade tief erlebt – ich auch – und ich kann verstehen, dass du dir dasselbe möglichst bald für möglichst viele wünschst und überlegst, wie du „nachhelfen kannst“. Das kenne ich…
        Frage mich nur, ob Gott bei dieser unserer jeweils neuen Variante vom „Türmchen-zu-Babel-Bau“ mitmacht oder uns lieber weiterhin mit seinen eigenen geheimnisvollen Wegen überrascht : )
        Wenn wir ehrlich sind, sind wir bei aller Gnade einfach immer noch echte Kontroll-Fans, oder ? ; ))

      • Katja Katja

        Hallo Markus,
        ja, super, danke! Das ist jetzt für mich viel besser nachvollziehbar, was du gemeint hast! Allerdings kann ich nicht dir nicht zustimmen, dass „wir“ das von dir kritisch beleuchtete Denken „so weit verbreitet in unseren Gemeinden“ sehen. Ich war noch in keiner Gemeinde (und ich war nur in Gemeinden mit PfarrerInnen, die an ner Uni studiert haben), in der ich Gleichgültigkeit, Oberflächlichkeit und Indifferenz hinsichtlich der Vergebung, Liebe und Gnade Gottes erlebt habe. In meiner Herkunftsgemeinde sogar eher das Gegenteil – dass man immerzu nur darüber redet, was für ein großer Sünder man doch ist und wie unwürdig für die Gnade usw. und dass das halt auch nach hinten losgehen kann.
        Und ich sehe auch weder Gleichgültigkeit noch Oberflächlichkeit noch Indifferenz bei Worthaus, sondern eben ein anderes Verständnis von Sünde, das nicht nur tatorientiert ist und nicht dieses „Sünden-Listen“-Denken hat, was ich oben beschrieben habe. Vielleicht rührt daher dein Unverständnis (Missverständnis??) für Worthaus u.a.
        Liebe Grüße, Katja

        • Katja Katja

          Ich will noch was ergänzen, hab grad so drüber nachgedacht, in welchen christlichen Kreisen ich so herumgekommen bin und mir ist aufgefallen, dass ich gerade bei Predigten von Predigern, die keine Uniausbildung hatten, öfter als bei meinen landeskirchlichen PfarrerInnen das Gefühl hatte, dass sie nur von dem tollen, anbetungswürdigen und ewig liebenden Gott reden und davon, wie wunderbar wir Menschen gemacht sind, das Gott uns so toll findet und kaum über Sünde und Demut und davon, dass wir ja eigentlich nur so winzig kleine Menschen sind, die aufgrund ihrer Boshaftigkeit Gottes Zorn verdient hätten. Mir war das bei den „freien“ PredigerInnen oft zu seicht und so eine Friede-Freude-Eierkuchen-Gott-hat-dich-lieb-Verkündigung. Lag vielleicht auch daran, dass ich einfach aufgrund meiner Prägung mit Gottes Liebe nix anfangen konnte…
          Also im Gegensatz zu dir kann ich keine klaren Linien ziehen und „Lager“ bestimmen oder Zusammenhänge erkennen zwischen der Art der Ausbildung der PredigerInnen und ihrer Verkündigung.

    • Britta Britta

      Was du über unsere Mühe damit, Gnade oder bedingungslose Liebe anzunehmen schreibst, finde ich ganz wichtig! Wenn ich in einer Partnerschaft das Gefühl habe, nicht genug zu geben, fällt es mir schwer, die Liebe des anderen anzunehmen. Mein inneres Urteil: Ich hab sie nicht verdient! Und dannreagiere ich vielleicht sogar eher abweisend…

      Sehr schön finde ich das bei Lea zu beobachten. Jakob hat sie angenommen – trotz ihrer Rolle bei dem Verschleierungs-Trick. Gott hat sie angenommen. Und sie hat trotzdem ständig das Gefühl, etwas leisten zu müssen, damit ihr Mann sie anerkennt und bei ihr bleibt.
      Was für eine Not!
      So „von oben herab“ kann man allerdings sagen: Wie gut ? Denn das hat sie letztlich unglaublich fruchtbar werden lassen und ohne ihre Söhne wäre das Volk Israel nicht so facettenreich geworden. Aus ihr ist die Linie der Priester und der Könige des Volkes Gottes geworden.
      Irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass Gottes Gnade und dieses Ringen um das Vollkommenerwerden auf geheimnisvolle Weise zusammenspielen.
      Ich glaube, Gott ist ein genialer Jongleur ?‍♂️ ?

  59. Matze Matze

    WoW super Gedanken,
    Danke Britta und Katja

  60. ein Mensch ein Mensch

    super zusammengefasst. In jeder neuen Generation, jeder neuen Kultur müssen wir neu um die Gnade ringen.
    Es gibt eben keinen Kanon von böse-bekehrt durch das Kreuz-gut sondern Gott schreibt mit jedem Menschen seine eigene Geschichte.
    Wo an diesem Punkt, der Mensch erkennt, dass erGnade braucht, ist individuell.

  61. ein Mensch ein Mensch

    Als Ergänzung einen Buchtipp:
    Torsten Dietz -Sünde. Was Menschen heute von Gott trennt.
    Auch Worthaus, aber ohne böse Fundi Schelte.

    • Katja Katja

      Ich fand (neben dem Sünde-Buch von Thorsten Dietz) den Worthaus-Vortrag von Peter Zimmerling über Luthers Seelsorge auch SEHR aufschlussreich.
      Warum gehen denn so viele Leute zum (säkularen) Psychologen, wenn sie Probleme mit ihrer Seele haben, und nicht in die christliche Seelsorge? Weil bei ihnen bei vielen Christen keine Lösung für die Probleme mit ihrem Perfektionismus und ihrer Angst angeboten wird, sondern sie stattdessen nur über Schuld und Vergebung was gepredigt bekommen und ihnen Angst vor der Hölle gemacht wird und sie zu einer religiösen Selbstperfektion mit immer tieferer Sündenerkenntnis oder immer besserem Leben nach Gottes Willen ermuntert werden. Würden sich mehr Christen und mehr Gemeinden darüber im Klaren sein, dass Sünde eben nicht NUR die aufgetürmte Schuld ist, die man abgenommen bekommt (was ja auch völlig richtig und für viele Menschen eine große Entlastung ist!!), sondern etwas viel Tiefergehendes und dass die „Grundsünde“ in diesem perfektionistischen Wie-Gott-sein-Wollen und der Vertauschung von Geschöpf und Schöpfer besteht, würden vielleicht auch mehr Leute erkennen, dass sie Erlösung brauchen… Immer wieder taucht ja die Frage auf, warum so viele Leute von Gott nichts wissen wollen – vielleicht deshalb, weil Christen ihnen immer nur Antworten auf Fragen geben, die sie gar nicht haben. Paradoxerweise gibt es ja viele Christen, die die säkulare Psychotherapie verteufeln, obwohl gerade dort den Menschen mit existentiellen Problemen geholfen wird, auf die manche Christen selbst keine Antwort wissen, weil sie sich nur auf den einen Teil von Sünde konzentrieren, der tatorientiert ist.

      • ein Mensch ein Mensch

        Ah cool, ich war zwar auf der Tagung, hab den aber ausgelassen. Muss ich mal nachhören. Danke für die Erinnerung.
        Und du hast Recht. Die Aufklärung und die Wissenschaft haben nicht die Menschen vom Evangelium entfremdet, sondern ihnen gesunde Möglichkeiten aufgezeigt, mit ihren Problemen.umzugehen.
        Dass es super gute Verhaltensregeln auch jenseits von Bibelversen gibt, ist ja auch nichts neues.
        Klar, dass das vielen nicht passt, die immer noch im eigenen Saft schmorren, aben gegen den Wertewandel und böse Säkularisierung wettern.

      • Katja Katja

        Mir ist dazu noch was eingefallen (ich hoffe, ich kann das verständlich formulieren): die Grundsünde besteht darin, dass Menschen sein wollen wie Gott und ihr Geschöpf-Sein nicht akzeptieren wollen. Worin besteht nun die Erlösung? Dass Gott MENSCH sein will, und Jesus nicht daran festhielt, Gott zu sein (Phil 2,6f). Gott macht sich auf zu uns und wir können aus unseren Versuchen, Gott zu werden, nur erlöst werden, weil Gott wie wir wird. Die Menschwerdung ist also keineswegs nebensächlich und halt notwendig, damit Jesus als Opfer für uns sterben konnte, sondern gerade in der Menschwerdung liegt der entscheidende Schritt Gottes auf uns zu, um uns zu erlösen. Wie großartig durchdacht ist das denn! Und das war mir früher vor lauter Opfer-Kreuz-Schuld-Denke überhaupt nicht im Blick…

        • Yesssss! Das ist so ungefähr der Erlösungsansatz der orthodoxen Ostkirche.
          LG,
          Der Jay

          • Britta Britta

            Heißt das, wenn ich mein Menschsein ganz ergriffen habe, bin ich dem Wesen Gottes schon sehr nah gekommen??

          • Dem würden viele orthodoxe Christen sicher zustimmen. Und ich auch 😉

            Ich beschäftige mich in den letzten Wochen sehr intensiv mit trinitarischer Spiritualität, habe dazu auch eine ganz schöne Predigt gehalten. Was Du schreibst passt jedenfalls sehr gut zum Gottes-Zugang über den Schöpfer, der sich in der vorhandenen Welt ausdrückt, zu der natürlich auch jedes Menschsein gehört. Und seit Jesus ist Gott ohne menschliches Gesicht eh nicht mehr denkbar. Von daher, ja, wer sein Menschsein ergreift, ist Gott mindestens dicht auf der Spur. Anders kann ich das nicht mehr denken.

            (Wen die Predigt interessiert, hier kann man sie hören: http://www.andreasgemeinde.de/fileadmin/agDE/media/Predigten_2017/audio/2018-05-27_Was_heisst_trinitarisch_Glauben-Friedrichs.mp3)

            Orthodoxe Christen würden vielleicht noch hinzufügen, dass Jesus aber der Erlöser bleibt. In seinem ganzen Menschsein geschieht unsere Erlösung (entgegen dem Glauben, dass diese lediglich am Kreuz erkämpft wurde). Seine Geburt, jede Sekunde seines Lebens, sein Leiden und Tod, seine Auferstehung und Himmelfahrt – in all dem manifestiert sich das erlösende Handeln Gottes, welches das neue Leben in Jesus zur Geburt bringt. Er ist der neue Adam, der Erstgeborene der erlösten Menschheit und wir seine Brüder und Schwestern.

            LG,
            der Jay

          • Katja Katja

            ja cool, da schließt sich mal wieder dein Kreis zur Ostkirche 🙂 Macht doch mal nen Talk „Vielleicht werden wir Ostkirchler“ 🙂
            Hab mich vorhin vertippt. Der Sänger heißt Asbury, nicht Asburne…

          • Katja Katja

            Britta: Wie meinen?? Ich verstehe nicht… Was meinst du mit „Menschsein ganz ergreifen“?

        • toblog toblog

          Hallo Katja,

          ja, vieles würde ich auch so sehen. M. E. hat sich die Verkündigung des Erlösungswerks in der Vergangenheit vilefach nur auf den Aspekt der Vergebung der Schuld konzentriert. Dafür hätte Jesus allerdings nicht zu sterben brauchen. Erlösung bedeutet nach meiner Erkenntnis, dass sich Gott durch Jesu Leben, Kreuz und Auferstehung einen neuen Menschen (!) schafft. Und zwar einen Menchen, der nicht mehr sterben kann – rechtlich vollständig abgesichert (Jesu Blut). Und der ein vollkommenes Wesen besitzt (Jesu Leib). Das ist m. E. auch der eigentliche Grund für das Leiden Jesu, seine charakterliche Vollendung bis zur Feindesliebe. Die Begründung wird in Hebr. 2,10 gegeben: „Denn es war (Gott) angemessen, für den und durch den das Weltall (existiert), da er viele Söhne zur Herrlichkeit führt, den Begründer ihrer Rettung durch Leiden zu vollenden.“

          Interessant ist auch, dass sich Gott mit der Menschwerdung von Jesus mit seiner Schöpfung verbunden hat (Menschen-Sohn). Daher ist dieser neue Mensch die Basis und Quelle der gesamten Erneuerung der Schöpfung, bis Gott sein wird alles in allem. Der Zielzustand von 1. Kor 15,28 hat daher auch gewisse pantheistische Aspekte. (Für diejenigen, die nicht an die Jungfrauengeburt glauben, ist der letzte Abschnitt natürlich nicht nachvollziehbar).

          • Hey, cool. Exakt in diese Richtung denke ich auch 😉 Siehe: https://hossa-talk.de/97-im-angesicht-meiner-feinde/#comment-8739 🙂

            Aber wieso sollte Dein letzter Abschnitt nicht nachvollziehbar sein, wenn man nicht an die Jungfrauengeburt glaubt? Nicht an die Jungfrauengeburt zu glauben, heißt ja nicht automatisch, dass man nicht an die göttliche Inkarnation glaubt. Die ist ja auch auf anderem Weg denkbar (Johannes kommt z.B. komplett ohne Jungfrauengeburt aus, ist aber derjenige der Evangelisten, der die Inkarnation am stärksten betont).

            LG,
            der Jay

          • toblog toblog

            @Hossa-Jay (Muss mir selber antworten wegen der Verschachtelungstiefe).

            Im christlichen Glauben wird der Schöpfer ja immer neben seiner Schöpfung gedacht, weil Gott ja auch vor seiner Schöpfung da war. Auf geheimnisvolle, naturwissenschaftlich bislang nicht erfassten Weise erhält und trägt er diese zwar. Aber mit der Menschwerdung von Jesu verbindet sich Gott als Schöpfer (Vater) mit seiner Schöpfung (Maria) in einer direkten Weise, wie sie es zuvor nicht gegeben hat. Mehr wollte ich dazu eigentlich nicht sagen.

          • Ja, ja, genau. Aber dazu braucht es nicht notwendiger Weise eine Jungfrauengeburt.

            🙂

            LG,
            der Jay

          • Zumal die Bibel diese Notwendigkeit selber gar nicht herstellt. Was Du da beschreibst, ist ja ein theologisches Konstrukt – aber keines, was die Bibel so in Bezug auf die Jungfrauengeburt anwendet.

          • Zum „Wie“ der Inkarnation kann ich nicht weiter vertiefen, da mir andere Modelle nicht bekannt sind.

            Wichtig ist mir, dass das Erlösungswerk nicht nur aus der Hinwegnahme der Schuld der Welt besteht, sondern aus viel mehr. Ich bin auch der Ansicht, dass Gott-Vater den Sohn ohne eine bedingunglose Vergebung der übernommenen Sünden der Welt nicht hätte aus dem Tod befreien können. Im Startpunkt der Erneuerung der Schöpfung steht also die Gesamtvergebung der Schuld der alten Schöpfung.

          • Johannes spricht von Inkarnation ohne Jungfrauengeburt. Markus geht von der Gottessohnschaft Jesu aus, ohne auf so etwas wie eine Jungfrauengeburt zu rekruieren. Mein Hauptargument gegen ein wörtliches Verständnis der Jungfrauengeburt ist (neben der Tatsache, dass sie außer Lukas und Matthäus keinem der anderen Autoren des neuen Testamentes bekannt gewesen zu sein scheint) ein Inkarnatorisches: Eine Menschwerdung Gottes auf einem anderen Weg als dem natürlichen (ohne Sex und männlichen Samen), wäre keine ECHTE Menschwerdung.

            Was die Fülle des Erlösungswerkes angeht, stimme ich dir vollkommen zu. Darunter nur die Hinwegnahme der Schuld der Welt zu verstehen, greift zu kurz.

            LG,
            der Jay

        • Malin Malin

          Ich grübele immer wieder darüber nach, was den christlichen Glauben so unattraktiv macht, und warum die Christen in meiner Familie und in der Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin, so engherzig und engstirnig sind /waren und oft so abstoßend auf mich und meine „ungläubigen“ Gesprächspartner wirken. Meine aktuelle Idee ist, dass es mit dem Gottesbild und dem Thema Sünde zusammenhängt.
          Da heißt und hieß es immer, dass Sünde von Gott trennt und wenn man fragt, was Sünde ist, dann werden die Sündenkataloge aufgezählt. In der Praxis sieht es aber so aus, dass so getan wird, als gäbe es ein internes Ranking, was Sünde betrifft und da sind dann diejenigen, die „unehelichen“ Sex haben, die bösen Sünder (in meiner Kindheit wurde dann auch gegen die gehetzt, die geraucht haben, Rockmusik gehört haben, in die Disco gegangen sind usw.). Sünde, das war immer das, was man selber nicht (mehr) macht und Sünden aus den Katalogen, wie Geiz und Neid und Habgier, von denen sich wohl kein einziger noch so bekehrter Mensch freisprechen kann, darüber wurde nicht geredet. Und wenn ich Leute darauf angesprochen habe, dann hieß es: „Ja, dafür ist ja Jesus am Kreuz gestorben“. Aha, ist Jesus für die (angebliche) Sünde „unehelicher Sex“ nicht gestorben oder was? „Naja, sagt dann meine Schwester: „Unehelichen Sex macht man ja mit Absicht und neidisch sein nicht. “ Da kommt bei mir die Frage auf: Ist Jesus für die Sünden, die man mit Absicht macht, nicht gestorben? Und was ist, wenn man selbst gar nicht (mehr) glaubt, dass das Sünde ist? Oder wenn man einfach behauptet, irgendetwas ist keine Sünde? Ist jemand einfach nur sparsam oder ist er schon geizig? Und wer beurteilt das?
          Zu Schwierigkeiten führt auch die Auffassung, dass Sünde nur eine Sache zwischen dem Menschen und Gott ist. Wenn ich sündige, dann ist Gott böse oder beleidigt und deswegen muss ich es bereuen und Gott um Vergebung bitten. Dass ich u. U. jemanden anders geschädigt habe, gerät dabei oft aus dem Blick. Mein Vater hat sich früher schon mal bei uns Kindern entschuldigt, wenn er eingesehen hat, dass er etwas verkehrt gemacht hat, aber man hat immer gemerkt, dass er es nur macht, weil Gott das so will und nicht, weil es ihm wirklich leid tut. Er ist dann auch oft zu den anderen Vätern in der Gemeinde gegangen und hat sich vor ihnen gerühmt, wie demütig er doch ist, dass er sich „sogar“ bei seinen Kindern entschuldigt.
          In meiner Kindheit wurde auch sehr oft darüber diskutiert, ob man in den Himmel kommt, wenn man zwar bekehrt ist, aber gerade gesündigt hat und stirbt, bevor man Gott um Vergebung bitten konnte.
          Also, Sünde, da geht es vor allem um moralisches Fehlverhalten, für das man entweder von Gott mit der Hölle bestraft wird, wenn man nicht bekehrt ist, oder für das Jesus gestorben ist, wenn man bekehrt ist. Bei dieser Definition gibt es jede Menge Probleme und Fragezeichen, finde ich.
          Die obige Sündendefinition finde ich aber auch unbefriedigend und wenig hilfreich. Ich persönlich habe mich dieser „Grundsünde“ noch nie in meinem Leben „schuldig“ gemacht. Ich wollte noch nie so sein wie Gott! Mir wurde von klein auf eingeredet, dass ich ein böser, sündiger Mensch bin und ein nichtsnutziger Wurm in Gottes Augen; dass Gott groß und heilig und allmächtig ist. Niemals in meinem Leben bin ich auf die Idee gekommen, ich könnte so sein wie Gott! Wieso sollte ich für etwas Buße tun, was ich gar nicht gemacht habe? Mal im Ernst: Soll ich mich jetzt bei Gott dafür entschuldigen, dass Gott, der Allmächtige, mich als Mensch erschaffen hat? Hää???? Ich glaube auch nicht, dass die meisten anderen Menschen ihr Geschöpflich-sein, nicht akzeptieren. Vielleicht ein ganz paar: die Pharaonen früher, die sich als Gott verehren ließen oder die Kaiser in Rom…

          Also, ich glaube mittlerweile, dass es bei Sünde darum geht, dass wir uns gegenseitig und uns selbst schaden und dass Gott das nicht will. Wenn man Jesus Aussage nimmt: Liebe Gott von ganzem Herzen und Deinen Nächsten wie Dich selbst, dann meint er genau das: Sieh zu, dass Du nicht Dir selbst und anderen mit Deinem Handeln schadest. Und für diejenigen, für die es ein Trost ist, dass Jesus dann für das, was wir nicht hinkriegen, am Kreuz gestorben ist, von mir aus. Ich glaube, dass Gott auch so vergeben kann und noch mehr: Wenn ich durch mein Handeln Schaden angerichtet habe, so dass andere und ich (unnötig) leiden mussten, dann kann er eingreifen und noch etwas Gutes daraus machen. Der Gott, den Jesus verkündet hat, geht freundlich mit Sündern um: Der verlorene Sohn wird von seinem Vater wieder aufgenommen. Der Sohn, der aber die ganze Zeit zu Hause beim Vater ist, glaubt, dass sein Vater ein kleinkarierter, hartherziger Mann ist, und will, dass er sich für ihn abschuftet. Und deshalb sind viele Christen so erschöpft und kleinkariert, weil sie glauben, dass sie sich die ganze Zeit für Gott abstressen müssen und dann sind sie neidisch auf die, die vermeintlich einfach drauflossündigen und Spaß dabei haben, und reden gehässig. Ich frage meine Schwester immer: Was würdest Du denn gern machen, worauf Du für Gott verzichtest? Ich meine, wovon sind die Christen denn eigentlich erlöst worden durch Jesu Tod? Wovon hat Jesus die Christen frei gemacht? Und warum ist davon so wenig zu merken? Wenn Markus oben sagt, die alleinige Konzentration darauf, dass Gott die Liebe ist, sei keine Antwort auf die tiefgreifende Not der Menschheit, dann denke ich: Ja, weil die Christen das eben selbst nicht kapiert haben. Wer selber nicht daran glaubt, dass Gott ihn bedingungslos liebt, der kann anderen auch nicht diesen Gott verkündigen. Ich glaube, dass jeder Mensch sich genau danach sehnt: Bedingungslos geliebt zu werden. Und weil wir Menschen das nicht können, deswegen glauben viele, dass Gott das auch nicht kann. Und wenn man -wie mein Vater und die „Gläubigen“ in meiner Familie – glaubt, dass man einem Buch „treu“ sein muss und dass dieses Buch unfehlbar ist, dann kann man nicht zu diesem Gott, der jeden einzelnen Menschen bedingungslos, trotz aller Fehler und Sünden liebt, finden und dann kann man ihn auch nicht verkünden. Und dann verkündet man den Gott, der den Menschen damit droht, sie in die Hölle zu stecken -aus Liebe. Das ist halt dermaßen unlogisch, dass das niemand, der nicht als Kind mit der Bibel vergewaltigt worden ist oder sonstwie in seiner Seele beschädigt wurde, freiwillig glaubt. Echte Liebe zwingt den anderen eben nicht.

          • Katja Katja

            @Malin,
            danke für deine Gedanken (sind wir etwa in derselben Gemeinde aufgewachsen??) und deine Einwände bzgl der Bezeichnung/ „Definition“ von Grundsünde.
            Ich will noch ein paar Sachen ergänzen und hoffe, du verstehst dann besser, was ich damit gemeint habe, dass die Grundsünde ist, dass wir sein wollen wie Gott und dass wir unsere Geschöpflichkeit nicht anerkennen.
            Ich verstehe darunter, dass wir (also damit meine ich die Menschheit als Ganzes und uns als Einzelne) nach Eigenschaften streben, die nur Gott in Vollkommenheit hat – zum Beispiel die „Erkenntnis des Guten und Bösen“, d.h. dass wir (um mal die Formulierung zu verwenden, die Siegfried Zimmer benutzt) danach streben oder sogar glauben, genau zu wissen, was für uns langfristig gut ist und was uns langfristig schaden wird oder meinen, wir wüssten, was für andere WIRKLICH gut ist und was nicht. Oder dass wir perfektionistisch sind – darin steckt aus meiner Sicht das Streben danach, so vollkommen zu sein wie Gott. Und da wir das nicht können, wird uns dieses Streben zum Verhängnis, wir verstricken uns sozusagen in dieser Sünde. Oder dass wir neidisch sind, denn Neid bedeutet aus meiner Sicht, dass wir dem anderen etwas nicht gönnen, weil wir meinen, er wäre uns dadurch überlegen und vollkommener als wir und unvollkommen wollen wir ja auf gar keinen Fall sein). Oder das wir habgierig sind, weil wir meinen, wenn wir dies oder jenes besitzen würden, wären wir vollkommener, besser, perfekt. Oder dass wir geizig sind, weil wir meinen, der Besitz wäre langfristig WIRKLICH gut für uns und dadurch könnten wir unsere Bedürfnisse stillen. Oder dass wir lügen, weil wir meinen, zu wissen, dass das für uns langfristig besser ist, als die Wahrheit zu sagen. Oder dass wir die Umwelt schonungslos ausbeuten, weil wir meinen, wir hätten ja alles im Griff und uns kann mit unserem Know-How und Fortschritt ja niemand was – und dabei völlig vergessen, dass die Natur nicht auf uns angewiesen ist, wir aber sehr wohl auf sie, um zu überleben. Und dass wir die Umwelt und auch andere Menschen ausbeuten und unwürdig behandeln, weil wir gar nicht anders können, weil wir immer auf Kosten von anderen leben müssen (darin zeigt sich z.B. für mich, dass das eine Verstrickung in die Sünde, oder eine – sorry für den Begriff – „gefallene Welt“ ist, dass wir da einfach nie rauskommen, auch wenn wir wollen und uns bemühen und in Teilen auch da etwas verändern können). Oder dass wir uns unter Druck setzen, perfekt zu lieben und daran scheitern, weil wir das einfach nicht hinkriegen als Menschen.
            Bei der Nicht-Anerkennung der Geschöpflichkeit fällt für mich u.a. noch rein, dass wir uns chronisch überfordern, meinen, immer überall mitschwimmen zu müssen, unsere Schwächen nicht zugeben wollen und zu feige sind, andere um Hilfe zu bitten oder Nein zu sagen, wenn wir merken, dass wir an unsere Grenzen stoßen (die wir eigentlich auch gar nicht wahrhaben wollen). Und uns wird ja dauernd suggeriert, dass wir alles könnten, die Kings of the World sind und anerkannt und geliebt sind, wenn wir stark, fehlerlos, fit, gesund und sexy sind. Darin besteht für mich die Grundsünde der Menschheit, von der wir alle betroffen sind und aus der uns nur ein Gott Stück für Stück herausführen/erlösen kann, der uns bedingungslos annimmt, unsere Schwächen kennt und uns trotzdem für unendlich wertvoll hält und sich selbst in die tiefsten Schmerzen, in die totale Verachtung und in den Tod hineingibt, um das alles für uns/ an unserer Stelle auf sich zu nehmen, das zu besiegen und uns durch seine Auferstehung neues Leben und Veränderung schenken zu können.

            Ich hoffe, das ist jetzt für dich weniger unbefriedigend und mehr hilfreich.

        • Malin Malin

          Hallo Katja,
          eigentlich antworte ich auf den Kommentar vom 1. Juli.
          Vielen Dank dafür. Ich verstehe, was Du meinst, aber ich sehe das anders. Ich glaube, man muss da noch tiefer tauchen. Gerade für uns Christen ist doch das Problem, dass uns gesagt wird/wurde: „Gott ist heilig und Sünde trennt von Gott.“ Und ich jedenfalls, habe deshalb geglaubt, dass Gott von mir verlangt, dass ich perfekt/vollkommen bin/werde, weil er das will und weil ich doch nicht von ihm getrennt sein wollte! Als ich ein Kind war, hat mein Vater uns dauernd mit dem Satz traktiert: „Das menschliche Herz ist böse von Jugend auf“. Und für mich hat das immer so geklungen, als wären nur wir Kinder böse (Stichwort Jugend), denn mein Vater und meine gläubigen Verwandten und die Erwachsenen in der Gemeinde, die haben ja immer so getan, als wären sie schon perfekt. „Böse“ waren nur wir Kinder und die „Ungläubigen“. Als ich dann mit 9 Jahren in meiner ersten Evangelisationsveranstaltung war, habe ich mich bekehrt und 2 Wochen danach taufen lassen, weil ich dann gemeint habe, dass ich jetzt auch so werde: Ich gebe Gott mein böses Herz und Gott macht mich dann zu dem braven Kind, das er haben will. Und als ich am Tag nach meiner Taufe schon wieder „frech“ war, ist alles zusammengebrochen. Der „Deal“, dass die Taufe (getauft in den Tod Christi, der „alte“ Mensch ist tot und der „neue“ Mensch kommt aus dem Wasser wieder raus) mich zu dem Kind macht, wie Gott es haben will, ist gescheitert und ich wusste nicht, warum und konnte auch zu niemandem gehen und fragen, denn ich habe mich so geschämt und geglaubt, dass ich die einzige bin.
          Ich glaube, das Problem ist, dass wir Menschen uns im tiefsten Innern nach Liebe und Anerkennung sehnen, trotz und in unserer Unperfektheit. Und weil wir das bei Menschen nicht finden, glauben wir auch nicht, dass Gott uns bedingungslos liebt und annimmt. Und die Kirchen/Gemeinden machen den Graben noch tiefer mit ihrer Theologie „Sünde trennt von Gott“. Warum sind wir denn neidisch? Da muss man doch mal tiefer gehen! Wir sind neidisch, weil der andere etwas hat, was wir auch gern haben wollen! Da ist ein Mangel! Und was hat denn der andere, das wir haben wollen? Gutes Aussehen, Geld, Intelligenz… Und warum wollen wir das (auch) haben? Weil wir glauben, dass wir dann Anerkennung und/oder Wertschätzung und/oder Liebe von anderen bekommen! Vielleicht kann man auch sagen: Wir haben Angst, zu kurz zu kommen! Oder man kann auch sagen: Wir streben nach Glück und Zufriedenheit und glauben, dass wir das alles brauchen, um glücklich und zufrieden zu sein.
          Ich glaube mittlerweile, dass viele Jesusworte genau darauf abzielen: Jesus malt uns einen Gott vor Augen, der uns bedingunglos liebt und angenommen hat. In den Gemeinden wird aber gesagt: Ok, Jesus nimmt Dich an, wie Du bist, aber dann darfst Du nicht so bleiben, wie Du bist, sondern dann musst Du Dich anstrengen, dass Du nicht mehr sündigst. Und deswegen sind wir überfordert! Weil die anderen in der Gemeinde uns sagen, was wir jetzt tun müssen, damit wir nicht „aus der Gnade fallen“. Und wenn man es dann doch nicht „hinkriegt“, so perfekt wie möglich zu sein, dann lügt man und tut so als ob, oder, wenn man seine Sünden zugibt oder sie nicht verleugnen kann, dann wird man scheel angesehen. Dann heißt es, man hat nicht genug gebetet oder genug in der Bibel gelesen und dann fühlt man sich total elendig und strengt sich noch mehr, und noch mehr und es klappt immer noch nicht — und irgendwann konnte und wollte ich auch nicht mehr und bin geflüchtet. Ich könnte hier ganze Romane darüber schreiben, was ich in meiner Familie und Gemeinde diesbezüglich erlebt habe…
          Ehrlich, ich habe auch nicht den Eindruck, dass die „Ungläubigen“ wirklich tief in ihrem Herzen glauben, dass sie alles können, stark und fehlerlos sind usw. Ich glaube, dass sie auch nur so tun, als ob. Und ich glaube, unsere Aufgabe als Christ ist, dass wir anfangen sie zu lieben, wie sie sind und man kann ja bei denen anfangen, bei denen man schon merkt, dass sie unglücklich sind und sich ungeliebt fühlen. Das geht aber erst, wenn man selber die unbedingte Liebe von Gott in seinem Innersten spürt. Und seit ich diese Annahme durch Gott erfahren habe und mir immer wieder dort holen kann, brauche ich nicht mehr um die Anerkennung von Menschen zu kämpfen, sondern kann selbst Anerkennung weitergeben. Und wenn die dann gut ankommt und der andere sich besser fühlt, dann freue ich mich auch. Das ist dann ein Stück vom Reich Gottes für mich.

          Ich verstehe auch immer noch nicht, warum es von Adam und Eva so böse gewesen sein soll, dass sie die Erkenntnis von Gut und Böse haben wollten. Auch Siggis Erklärung hat mich da noch nicht zufriedengestellt. Warum sollte Gott jemanden dafür bestrafen, dass er nach Erkenntnis strebt? Und überhaupt: Lasst doch mal zwei Kinder mit einer Kiste allein, in die sie nicht hineinschauen sollen! Vielleicht hat da jemand noch andere Interpretationen?

          • Katja Katja

            Hallo Malin,
            danke für die Ergänzungen. Ich sehe das mit der Sehnsucht nach Liebe eher als Folge/Symptom der Sünde/des „Sündenfalls“, der Trennung von Gott, des nicht-mehr-im-Paradies-seins, des Abgeschnittenseins von der Quelle der vollkommenen Liebe. Diese Sehnsucht kann aus meiner Sicht nur gestillt werden, wenn wir uns Gottes Liebe öffnen, sie an uns heranlassen. Ich sehe da auch eine große Herausforderung für (uns) Christen, die (wir) das mit der Liebe Gottes nie gelernt haben, sondern immer nur sich (uns) als bösen kleinen Sünder und den großen, heiligen, strafenden Gott vor Augen hatten und nicht annehmen konnten/können, dass Gott sie (uns) wirklich bedingungslos liebt. Ich finde dazu die zwei neuesten Folgen von Jens Stangenbergs podcast „Die drei Gesichter des Evangeliums“ total gut.
            Ich finde den Vergleich von Adam und Eva mit den zwei Kindern und der Kiste interessant. In beiden Fällen erkenne ich das, was ich „Grundsünde“ genannt habe, wieder, nämlich, dass Menschen irgendwie immer ein Problem damit haben, wenn man ihnen Grenzen setzt und sie sich drauf verlassen müssten, dass es einen guten Grund hat, dass sie nicht alles haben können/ nicht von dem Baum essen sollen/ nicht in die Kiste schauen sollen. Und dass es uns große Schwierigkeiten bereitet, da Gott und seiner Liebe zu vertrauen. Vor allem wenn ich Kleinkinder sehe, stelle ich fest, dass das offenbar so eine Art Reflex ist, genau das zu tun, was nicht erlaubt ist und Grenzen zu überschreiten, die gesetzt wurden – sogar von Menschen, zu denen Kleinkinder ja vermeintlich ein Urvertrauen haben. Und dass das nicht mal aufgrund von Bosheit passiert, sondern irgendwie in ihnen angelegt ist. Und es hat auch positive Seiten, denn es ist ja notwendig für Kinder, dass sie sich weiterentwickeln dadurch, dass sie ihren Spielraum erweitern, Herausforderungen im Leben angehen und bewältigen können. Und auch das Misstrauen hat gute Seiten, weil das z.B. auch ein Schutz vor bösen Menschen ist oder vor blinder Naivität. Ich denke, dass wir Erwachsene oft in so einem Grundmisstrauen Gott gegenüber stecken und viel Kraft aufwenden müssen, um uns dafür zu entscheiden, nicht misstrauisch zu sein, sondern zu vertrauen – was Kindern erheblich leichter fällt.
            Ich glaube nicht, dass Gott Adam&Eva dafür BESTRAFT, dass sie Erkenntnis haben wollten, sondern dass das Ausweisen aus dem Garten Eden einfach nur die Folge davon ist, dass Menschen die Grenzen, die ihnen als Geschöpfe gesetzt sind, nicht anerkennen wollen und überschreiten und dass Menschen Gott nicht zutrauen, dass die ihnen gesetzten Grenzen gut gemeint sind. Und dann müssen sie eben auch ihr Leben selber in die Hand nehmen mit allen Unannehmlichkeiten. Ich denke, Neugierde im Sinne von Lust auf Neues, Lernenwollen, Neues entdecken wollen, etwas verstehen lernen… ist etwas sehr Positives. Aber Neugierde kann eben auch soweit gehen, dass sich Menschen mit Gott auf eine Stufe stellen wollen. Sie kann in Misstrauen umschlagen („sollte Gott gesagt haben…“), d.h. dass wir uns nicht mit dem „wenig geringer sein als Gott“ (Ps 8,6) zufrieden geben und Gott nicht zutrauen, dass er für uns sorgt, dass er weiß, was für uns und andere gut und schlecht ist, sondern das lieber alles selber in die Hand nehmen wollen. Und dieses Misstrauen und die Folgen davon sehe ich in der Geschichte von Adam und Eva, in Geschichten in der Bibel (wie zB die von Abraham, der mit Hagar Ismael zeugt, weil er doch nicht so ganz darauf vertraut, dass das mit Sarah und einem Sohn noch was wird) und millionenfach in der Menschheitsgeschichte und immer wieder bei mir selbst. Wegen dieser Beobachtungen bin ich dann bei der Definition von Grundsünde gelandet.
            Womit ich ein Problem habe, ist die Frage, warum wir alle unter dieser Beziehungsstörung zu Gott zu leiden haben, nur weil mal 2 Menschen sich dafür entschieden haben, Gott zu misstrauen und daraufhin alle Nachkommen in einer Welt leben müssen, in der sie in einer umfassenden Weise von Gott abgeschnitten sind und davon erlöst werden müssen (und dass sogar Kleinkinder dieses Misstrauen schon sehr früh in sich tragen, die sich ja nicht nach längeren Überlegungen dafür entscheiden, nicht zu gehorchen oder die Grenzen zu überschreiten). Und wenn die Adam&Eva-Erzählung nicht historisch ist, sondern eine allgemeine menschliche Erfahrung widerspiegelt, ergibt das für mich auch keinen Sinn, weil wir ja in einer nicht-paradiesischen Welt leben und (vgl Kleinkinder) das Misstrauen irgendwie schon immer da ist, d.h. dass wir ja nie den Zustand der vollkommenen Gegenwart und Liebe Gottes hatten, der im Garten Eden ist und aus dem wir uns heraus-entscheiden. Unsere Lebensaufgabe scheint mir da eher zu sein, dass wir uns aus dem Grundmisstrauen immer wieder neu in das Vertrauen Gott gegenüber hinein-entscheiden müssen.
            Zu dem „böse von Jugend auf“ nochwas: Das ist so ein Aufreger für mich, weil da oft die Christen, die damit ihre Kinder kleinhalten, nicht lesen wollen, dass da steht, dass der Mensch von JUGEND auf böse ist, nicht „von Mutterleibe an“ (auch wenn ja zB Ungehorsam oder Misstrauen aus meiner Sicht irgendwie angelegt sind, die allerdings sowohl negative als auch positive Auswirkungen haben). Das bedeutet doch eher, dass der Mensch von einer Lebensphase an böse ist, in der er anfängt, mündig zu werden, eigene Entscheidungen zu treffen, intensiv zu reflektieren und DANN sich für das Böse entscheidet. In der Bibelstelle steht im Übrigen gar nicht, dass das im Erwachsenalter aufhört mit dem Böse-Sein. Und diese kinderunterdrückenden Christen haben aus meiner Sicht total aus dem Blick, dass Kinder viel böses Verhalten, wofür sie bestraft werden, auch nur von den Erwachsenen kopiert haben, die sie streiten sehen, lügen hören, schlecht über andere reden hören, andere übervorteilen sehen etc. Und dass Menschen sich ab dem Jugendalter auch möglicherweise deswegen für Böses entscheiden, weil sie Vorbilder haben, die mit ihrem bösen Verhalten zu Macht, Ansehen, Geld etc kommen. Oder weil sie selbst Opfer von bösen Menschen geworden sind (zB gerade von unterdrückenden Eltern…). Interessant an der Stelle in 1,Mose 8,21 ist auch, dass Gott sagt, dass er die Erde nicht mehr vernichten will wegen der Menschen, DENN das Menschenherz ist böse von Jugend auf – das klingt wiederum fast so, als wüsste Gott, dass wir in diesem Bösesein verstrickt sind und oft gar nicht anders können, als böse zu sein oder zu schwach sind, um uns für das Gute zu entscheiden und er uns gerade deshalb gnädig ist…
            Soweit erstmal. Das waren viele Gedanken, die auch noch lange nicht zu Ende gedacht sind und sicher kein in sich schlüssiges Konzept bilden…

          • Katja Katja

            noch eine Ergänzung, weil ich gesehen hab, das in der Zwischenzeit zwei weitere podcast-Folgen von Jens Stangenberg hochgeladen wurden: ich habe mich auf #11 und #12 bezogen (#13 passt aber thematisch auch gut dazu)

        • Malin Malin

          Hallo Katja,
          hier noch ein paar Gedanken zu Deinem Kommentar vom 3.Juli:
          Ich glaube, dass das Gottesbild, die Sache mit der Sünde und der Hölle dazu führt, dass die Leute enorme Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen und Angst bekommen. Ich habe auch den Eindruck, dass manche Leute und Leiter in der Gemeinde dies benutzen, um andere „einzunorden“, gefügig zu machen, zu beherrschen und auszunutzen. Ich lese gerade das Buch „Geistlicher Missbrauch“ von Johnson und van Vondereren, da finde ich viele Dinge wieder, die ich genau so erlebt und durchlitten und früher überhaupt nicht durchschaut habe. Ich meine: Wir haben doch überhaupt keine Wahl! Gott hat uns als Menschen erschaffen und es gibt überhaupt keine Möglichkeit „sündenfrei“ zu sein. Dass wir neugierig und wissbegierig und auch überheblich und was-weiß-ich-was sind, dass hat er sich doch ausgedacht! Und dann kriegen wir eins dafür auf die Mütze und sollen uns dauernd schämen und uns anstrengen, etwas zu schaffen, was wir gar nicht schaffen können, und dann kriegen wir wieder eins auf die Mütze, weil wir versuchen, perfekt zu sein. Und auch die Bibelgeschichten sind oft Kraut und Rüben und helfen einem bei den wirklich wichtigen Fragen: Wo komm ich her, wo geh ich hin, was gibt dem Leben seinen Sinn? oft überhaupt nicht weiter, jedenfalls nicht mit den Interpretationen, die ich meine ersten 25 Jahre lang anhören musste. Tatsache ist aber: Wir Menschen sind hier und es gibt Leid und Böses, aber auch Gutes, und zu allen Zeiten haben Menschen versucht, auf und für diese Misere Antworten und Erklärungen zu finden. Und einige Antworten und Erklärungen sind von verschiedenen Leuten zu verschiedenen Zeiten in der Bibel aufgeschrieben, da gibt es große Schätze, die einem auch weiterhelfen können auf der Suche. Aber dadurch, dass diese Antworten in der Bibel als absolut hingestellt werden, bekommt man erst einen Haufen Probleme und Fragen, mit denen man sich heutzutage gar nicht plagen müsste, wenn man nicht so aufgewachsen wäre. Und wenn man in Gemeinden auf diese Fragen hinweist, dann wird man auch noch als rebellisch und Zweifler hingestellt, eben ein böser Sünder, der getrennt von Gott ist…

          • Katja Katja

            Hallo Malin,
            danke für deine Gedanken! Bei mir waren das auch 25 Jahre…(und das muss ja auch erstmal alles aufgearbeitet werden :/ )
            Hab ich das richtig verstanden, dass du also gar nicht (mehr) in dem Konzept „Sünde-Erlösung“ denkst? Das wäre ja eine Lösung für mein Problem mit der Adam&Eva-Geschichte… Also denkst du, dass das in der Bibel einfach nur Erklärungsversuche für den Zustand der Welt sind und dass die Gründe für Jesu Kommen in die Welt, die wir so aus der Bibel rauslesen, einfach nur menschliche Interpretationen sind, die diesem gedanklichen, tradierten Schema von Schünde/Schuld und Erlösung folgen? Und dass es gar keine schlechten Taten an sich gibt, sondern dass alles („Gutes“ und „Schlechtes“), was wir tun, unserem Menschsein geschuldet ist, für das wir nichts können, weil Gott uns so gemacht hat? Bist du sozusagen von einer totalen Verantwortungs-Logik aus deiner Kindheit (im Sinne von „das was du Herr erduldet, ist ALLES MEINE SCHULD“) zu einer Art Fatalismus übergegangen, zu dem auch die Vorstellung gehört, dass wir Menschen keine Verantwortung für das „Böse“ haben?
            Wo findest du mittlerweile Antworten auf die Fragen, wo du herkommst und hingehst und was deinem Leben Sinn gibt? – Ich würde schon noch sagen, dass man da Antworten in der Bibel findet… und eben auch Antworten darauf, warum wir nicht in einer Welt leben ohne Leid und Schmerzen und warum wir Leid und Schmerzen als etwas Negatives empfinden und gerne davon erlöst werden würden und nicht als etwas Neutrales, was halt auch im Leben so dabei ist – in der Hinsicht sind uns asiatische Weltvorstellungen wie das Zusammendenken von Yin und Yang und der Buddhismus mit seinen Achtsamkeitsmeditationen, mit dem Akzeptieren, dass etwas so ist wie es ist, und dem Nicht-Werten von Zuständen, Emotionen etc. vielleicht einen großen Schritt voraus (allerdings haben auch sie ein Empfinden dafür, dass es menschliches Verhalten gibt, was schädlich ist und woran man arbeiten muss, um liebevoller mit sich selbst und anderen umgehen zu können).
            Bin gespannt auf mehr Gedanken von dir!
            Katja

          • Malin Malin

            Hallo Katja,
            hier Gedanken zu Deinem Kommentar vom 8. Juli:
            Also, ich war von Geburt an in einer Gemeinde, bin mit 9 an diesem Glauben gescheitert, habe es mit 27 bis auf einen Rest Sehnsucht nach Gott in meinem Herzen aufgegeben, und habe mich erst vor ein paar Jahren noch einmal auf die Suche nach Gott und besseren Antworten gemacht. In den ca. 20 Jahren zwischendurch habe ich mich fast gar nicht mit dem Glauben beschäftigt, aber dadurch, dass meine Eltern und Geschwister einer frommer als der andere ist, wird man ja doch immer wieder mit diesem Thema konfrontiert…
            Mir hat es ungemein geholfen, die Verbalinspiration und die Hölle zu verwerfen. Seitdem ist für mich der Weg zu Gott frei. Nun arbeite ich daran, bessere Erklärungen zu finden. Ich habe die Bibelgeschichten als Kind sehr geliebt, aber sie haben mir unendlich viel Angst gemacht. Angst vor Gott, Angst vor der Hölle, Angst vor dem Teufel, der ja überall rumschleicht wie ein brüllender Löwe und nur darauf wartet, mich zu verschlingen. Ich hatte eine blühende Phantasie und abends vor dem Einschlafen Angstzustände und Albträume. Diese ganzen Endzeitsachen, die Entrückung usw. usf. Schuldgefühle, schlechtes Gewissen, da braucht man Jahre, um das loszuwerden. Bibelgeschichten nicht mehr als absolute Wahrheit nehmen zu müssen, sondern als Erklärungen, die Menschen gefunden haben, ist für mich eine große Erleichterung. Was ich denke: Wir Menschen sind in der Lage Gutes oder Böses zu tun und bis zu einem gewissen Grad können wir uns da auch entscheiden, aber es ist eben gar nicht so einfach, ob etwas gut oder böse ist. Und gut gemeint ist ja auch nicht immer gut gemacht, manchmal ganz im Gegenteil. Ich glaube aber auch: Verantwortung für das, was wir tun, haben wir schon. Es ist halt nicht so einfach, wie es in unserer Gemeinde immer dargestellt wurde: Hier drin sind die „guten Bekehrten“ und da draußen ist die „böse Welt“ mit den „bösen Ungläubigen“. Und würden die sich alle bekehren, dann wäre die Welt ein Paradies. Das passt ja überhaupt nicht mit der Realität zusammen und das habe ich erst als Jugendliche kapiert und angeprangert. Und dann wurde ich immer abgebügelt.
            Also, die besseren Antworten: Ich glaube an einen Gott, der alles, alles, alles in seiner Hand hält. Auch das Böse. Und irgendwann stellt sich raus, wozu alles gut war. Trotzdem ist es meine Aufgabe, zu versuchen, so gut wie ich es eben vermag, gegen das „Böse zu kämpfen“, also „Böses“ zu verhindern. Ich glaube aber nicht, dass einzelne Menschen in gut und böse eingeteilt werden sollten, sondern nur ihre Handlungen und zwar nach den Kriterien: nützen sie oder schaden sie? Meine Aufgabe als eine An-Gott-Glauberin und Jesus-nachfolgen-Versuchende sehe ich darin, möglichst wenig Schaden anzurichten und mein kleines Licht leuchten zu lassen, da wo ich gerade bin. Und oft gelingt es nicht und dann bin ich trotzdem in Gott geborgen, und wenn ich den angerichteten Schaden nicht wieder gutmachen kann, dann vertraue ich auch auf Gott, dass er mir vergibt und darf mir selbst vergeben und ich habe schon sehr oft erlebt, dass auch ein vermeintlicher Schaden zum Guten gereichen kann. Aber eine Regel würde ich aus all dem nicht machen. Ich übe mich immer wieder darin, auf Gott zu vertrauen und das fällt mir unheimlich schwer, denn Hoffnung und Vertrauen, das waren früher nur leere Worte; im Leben von meinen Eltern war davon fast nichts zu sehen, die haben immer nur für Gott geackert, weil man den nie zufrieden stellen kann und weil er Opfer und Leidensbereitschaft von uns fordert (nehmt Euer Kreuz auf Euch, zittert, dass ihr gerettet werdet) und Bibellesen und Beten und Singen, dass war Pflicht und dann musste man es auch noch gern tun. Wenn man schlecht gelaunt war, dann kam mein Vater mit „Freut Euch im Herrn und abermals sage ich freuet Euch!“ Was mich auch unglaublich behindert hat, war, dass ich gedacht habe, mein Vater und die Prediger wissen tatsächlich mehr über Gott als ich. Als mir aufgegangen ist, dass mein Vater einfach Sachen behauptet, die überhaupt nicht wahr sind und wenn ich ihn „überführe“ total aggressiv wird und trotz Beweis
            Dinge abstreitet, da ist mir erst klar geworden, dass er das auch in Glaubensdingen macht. Und dann ist mir aufgegangen, dass wir alle nur Menschen sind und in Wirklichkeit keiner mehr über Gott weiß als ein anderer. Und dass, sich das einzugestehen zu echter Demut führt. Und seitdem kann mir niemand mehr meinen Glauben absprechen oder mir seinen Glauben aufspitteln und das hat mich wirklich frei gemacht. Und jetzt kann ich es recht entspannt ertragen, wenn andere eine andere Meinung zu irgendwelchen Glaubensthemen haben. Also dieses Gott/Jesus hat uns freigemacht, wovon denn eigentlich? Jetzt denke ich : Ich bin befreit davon, die absolute Wahrheit finden zu müssen, ich bin befreit davon Recht haben zu müssen. Dieses: Entweder der hat Recht oder ich, davon bin ich befreit.
            So weit erstmal. Vielleicht hast Du ja Lust, dass wir uns persönlich schreiben? Dann könntest Du Jay und Gofi nach meiner E-mail-Adresse fragen…

  62. Wenn es um Sünde geht, kommt mir im Allgemeinen immer der Aspekt der Leidenschaft Gottes für das Sündenopfer zu kurz. Wenn also ein Kind an Hunger stirbt (wie es täglich hunderte Male passiert), dann geht es doch in erster Linie darum, dem Kind zu essen zu geben und nicht um die Befindlichkeiten derer, die helfen oder nicht helfen. So jedenfalls verstehe ich Jesus, wenn er in der Endzeitrede denjenigen droht, die sich nicht um die Armen, Kranken, Gefangenen kümmern. Liebe ist sicherlich der beste Motivator, aber wo die tätige Liebe ausbleibt, erfüllt scheinbar auch Angst (Drohung) seinen Zweck, wenigstens, das Kind verhungert nicht.
    So gesehen kann man es m.E. mit der eigenen Sündenbespiegelung auch übertreiben, und zwar dann, wenn man vor lauter Seelenoptimierung seinen Nächsten vergisst.

  63. Matze Matze

    Ich lese die tollen Komentare sooo gerne . Es erweitert mein christlichen Horizont und sooo bereichernd. Danke an alle , es tut so gut.So schön wie vielfältig Glauben sein kann. Es wie Gottesdienst wenn ich die Kommentare lese.( natürlich fehlt der Gottesdienstliche Rahmen…)

    Anregung an Gofi und Jay: Wie waere es, statt ne Hossa-Talk Reise mal nen Hossa-Talk Camp, Camp , Wochenende, Woche. Einfach zum diskutieren ,Erfahrungen austauschen, umgegeseitig bereichern, ectr. ……

  64. Britta Britta

    @Katja
    Mein Mensch-Sein ergreifen bedeutet für mich u.a. Versuchen zu verstehen, wie ein Mensch „funktioniert“ (ich weiß, Jay, du funktionierst nicht ; ) Ich auch nicht ; )), also mit seinem „technischen“ Aufbau, seinen körperlichen Funktionen, seiner Entstehung, seiner Entwicklung, Wachstumsstufen, körperlich und geistig, seiner Ausrichtung, seinen Erfahrungen und Beurteilungen, Erkenntnissen, seinem Glauben, seiner Kreativität, seinem Schaffen und Ringen, seinem Lebens-Willen, seinen Gefühlen und (Geistes)-Früchten, seinem Annähern, seinem Rückzug, seinem Lebendigsein und seinem Sterben, seinem Versagen und seinen Siegen, seiner Stärke und seiner Schwachheit, seinem Bösen und Guten, Licht und Schatten, usw.
    Und dann zu sagen: JA, DAS BIN ICH: total geniale Technik, aber auch äußert zerbrechlich, ultrakompliziert, selten mit mir einer Meinung, hin-und-her-gerissen zwischen den verschiedenen Ansprüchen, Erkenntnissen, meinem äußerlichen Angepasstsein (oder Rebellion) und meinen Werten und meinem inneren Wesen, das sich so oft ganz gegenteilig zu Wort meldet, meiner Fähigkeit zu verdrängen und bewusstlos durchs Leben zu gehen und meinem Mich-selbst-betrachten-können, meinem Einssein und meinem Gespaltensein. Und mit meinem ständigen Streben, irgendwie „vollkommener“ zu werden und meiner Verzeiflung, wenn wieder ein Teil von mir sich weigert mitzumachen. Meinem Liebe-Üben, meinen Hingabe-Versuchen und meinem darüber Verzeifeln. Mit meinem Schwarz-weiß-Sehen und all meinen Farben und Schattierungen. Meinem Verurteilen und meinem Bewahrenwollen; meiner Fähigkeit zur Barmherzigkeit und zum Vergeben. Meinem Verbundensein mit den Menschen und meinem Getrenntsein, meiner Einsamkeit. Meinem Suchen nach einem „Größeren Helden“, dem ich vertrauen und folgen kann, meiner Hoffnung, dass sich jemand um mich kümmert, wenn ich noch nicht einmal mehr um Hilfe schreien kann – und das nicht nur hier auf Erden, sondern auch am Ende meines Lebens, weil ich nicht will, das am Ende alles von diesem Mensch-Sein einfach verschwindet… Und mit dieser tiefen Sehnsucht – auch wenn sie gefährlich ist und elendig unvollkommen – so ein Nächster für einen anderen zu sein, der meine Hilfe braucht, darum zu ringen, nun auch sein Leben, sein Mensch-Sein zu bewahren.
    Ich glaube, ich kann diesen Menschen Britta nur dann wirklich annehmen und ergreifen, wenn ich von einem Größeren ergriffen bin, der mich ganz annimmt. Ich habe gemerkt, dass ich erst den Himmel als meine unverrückbare Heimat finden musste, bevor ich mich bewusst für mein Menschsein hier auf Erden entscheiden, zu meinem So-Sein und Hier-Sein Ja sagen und mich auf das Abenteuer Leben einzulassen konnte.
    Ohne einen Gott, der seinen Himmel loslässt um ganz Mensch zu werden, hätte ich diesen Gedanken wohl nie gehabt…
    Äh… so ungefähr… ohne Gewähr ?

      • Britta Britta

        Hm… hab gerade meine blinden Flecken in meiner Ausführung entdeckt:
        Gefühle und das Körperliche kamen ein bisschen kurz … ??
        Bin halt doch ein Kopf-Menschlein ?

        • Und dass es mir nicht aufgefallen ist, sagt über mich wohl auch so einiges… 😉

          Jay

  65. ein Mensch ein Mensch

    Blopost Teil 2: torsten Dietz hat sein Buch “ weiterglauben“ geschrieben. Markus Till hat es rezensiert. In seiner Replik hat Dietz einige Grunsätzlichkeiten geschrieben, die wichtig im Verhältnis Progressive-Konservative sind und damit auch ganz gut hier reinpassen.
    http://tobiasfaix.de/blog/. Nicht wundern,der Beitrag ist auf Tobias Faix Blog erschienen.

    • Katja Katja

      Hallo! Habe das Buch fast fertig gelesen. Wo finde ich die Rezension? Wenn ich den Biblipedia-Link anklicke, kommt immer „URL not found“.
      Danke für die Info
      Katja

      • ein Mensch ein Mensch

        Hallo Katja schau mal auf Markus Blog “ Aufatmen in Gottes Gegenwart“ . Da solltest du fündig werden.

        • Katja Katja

          Danke für die Tipps! Hab sie gefunden. Den podcast hör ich mir gern an. Gute Zeit in Israel!

          • ein Mensch ein Mensch

            Noch schöner wäre es natürlich gewesen, wenn sie Markus auch eingeladen hätten. Dann wäre es ein gutes Streitgespräch gewesen beim Remix Podcast

      • Markus Markus

        Biblipedia hat gerade ein technisches Problem. Löst sich hoffentlich morgen. Aber ursprünglich ist die Rezension ja auf meinem Blog erschienen: http://blog.aigg.de/?p=4130

  66. Pastor Ulrich Schulte Pastor Ulrich Schulte

    Sehr guter Talk! Sehr mutig von Jay und Gofi, aber auch von Markus. Fair!

  67. Anja Anja

    Am schönsten war gegen ende von gofi: „ach und jetzt kommt noch ne frage?“ zu Jay. ich musste laut lachen … herrliche Folge. Fairer Austausch – wenn es sowas doch öfter gäbe …

  68. Ich kann „testen“ ob Jesus´Kreuz, das Opfer, notwendig war für die Erlösung oder Gottes Liebe reicht ! Wie? Ich „probiere es einmal ohne, dann mit Christi Kreuz. Da wo ich dann erlöst bin, ist die Wahrheit !

    Markus´sein Blogg, klasse !
    Hossa-talk lässt viel zu. Korrekte Bande !

    Stimme ANJA und P- Schulte zu:
    Pastor Ulrich Schulte
    27. August 2018

    Sehr guter Talk! Sehr mutig von Jay und Gofi, aber auch von Markus. Fair!
    Antworten
    Anja
    28. September 2018

    Am schönsten war gegen ende von gofi: “ach und jetzt kommt noch ne frage?” zu Jay. ich musste laut lachen … herrliche Folge. Fairer Austausch – wenn es sowas doch öfter gäbe …

  69. Hallo Jay und Gofi

    Ich höre seit einiger Zeit euren Hossa-Talk. Zumindest ausgepickt für mich die Themen, die mich grade am meisten interessieren. (By the way: Bin über Veronika Schmidt auf euren Podcast gestossen).

    Ich selber komme aus dem altbekannten schönen christlichen Kuchen und bin jetzt aktuell Mitglied der Freidenker. Deshalb finde ich spannend, wie ihr den „“““““Glauben““““““ diskutiert und doch schon sehr offen seid bezüglich neuen Ansichten.

    Die Frage, die ich mir stelle und was mich ein bisschen „erstaunt“ ist, warum ihr trotzdem beim Christentum bleibt und der Bibel und so, wenn es doch gemäss euren eigenen Aussagen vieles gibt, mit dem ihr Mühe habt (oder zumindest mit der Ausgestaltung der Religion). Für mich wäre an und für sich folgerichtig, das Christentum ganz zu verlassen (und die Bibel). Weil man kann ja definitiv auch an einen Gott und an die Liebe, etc. glauben, wenn man die Bibel wegwirft. Und die Gemeinden…Naja.

    Das ist so meine persönliche biographische Einschätzung und soll euch natürlich nicht explizit auffordern, dem Christentum den Rücken zuzukehren (vieles daran schätzt ihr ja wohl doch), aber zum Denken anregen;-).

    Liebe Grüsse aus Basel (laut Statistik der gottlosesten Stadt in der Schweiz).
    Dominic

    • Hallo Dominic,
      fröhliche Grüße in die gottloseste Stadt der Schweiz. 🙂

      Danke für Deinen schönen Beitrag. Ich versuche Deine Frage mal aus meiner Perspektive zu beantworten. Und das ist gar nicht so leicht, denn es gibt Tage, da stelle ich sie mir auch: Warum lasse ich das Christentum nicht einfach hinter mir?

      Die kurze Antwort wäre wahrscheinlich, wegen Jesus.

      In all dem Geeier, was Christen und die Kirche seit 2000 Jahren veranstalten und was mich selbst seit 36 Jahren begleitet, ist es eigentlich nur Jesus, der mich immer wieder zu jemandem macht, der ihm nachfolgen möchte. Nicht nur sein Leben (und der multiperspektivische Blick der Bibel darauf) und was er alles so gesagt hat, sondern vor allem dieses komplett andere Gottesbild, was er der Welt geschenkt hat. Kein Gott der Herrlichkeit sondern ein Gott der Niedrigkeit und Schwäche. Ein Gott der sterben kann, der verlieren kann, der keine Opfer fordert, sondern sich selber opfert. Ein Gott, der den Zyklus der Gewalt und ideologischen Besserwisserei durchbricht, indem er nicht zurückschlägt sondern seine Feinde so sehr liebt, dass er sich lieber hinrichten lässt. Ein Gott der das Finstere des Lebens nicht von oben betrachtet, sondern Teil dessen wird und in seiner Auferweckung trotzig dafür einsteht, dass Zynismus nicht das letzte Wort behält, sondern Hoffnung Sinn macht. Ein Gott, der die Menschen für seine Schwestern und Brüder hält, ohne sie in bessere und schlechtere einzuteilen, in Sieger und Verlierer, für den unsere Hierarchien uninteressant sind.

      Die lange Antwort würde jetzt auch noch die Trinität erwähnen, die in ihrer vielschichtigen Gottesvorstellung und Möglichkeit der Gottesbegegnung und spirituellen Offenheit meines Erachtens nach wie vor ungeschlagen ist. Auch wenn Dich das bzgl. der Trinität vielleicht überrascht, muss ich sagen, dass ich in keiner anderen Religion eine Gottesvorstellung gefunden habe, die in sich ein ähnliches Vermögen trägt, Gott vom Himmel auf die Erde zu holen, das Unaussprechliche, das göttliche zugänglich zu machen. Die lange Antwort würde außerdem versuchen zu erklären, dass für mich bei aller Hemdsärmlichkeit die die christliche Kirche und Geschichte zu allen Zeiten aufgewiesen hat, mit all den katastrophalen Folgen und engstirnigen Umkehrungen von allem, was mich oben an Jesus begeistert hat, eben immer noch den Versuch darstellt, Jesus hinterher zu gehen. Mal besser und mal schlechter. Mal inspirierend und mal mit Brechreiz – aber das gilt wohl für die Gesamtheit der Menschheit nicht minder. Und insgesamt tut man der Kirche auch unrecht, wenn man ihr nur ihre Verfehlungen vorhält.

      Aber wozu Kirche und Christentum überhaupt? Warum nicht einfach die Bibel wegwerfen, wie Du so schön gefragt hast. Warum nicht einfach so an Gott glauben, wie es mir gefällt? Darauf wäre meine Antwort, dass ich das nicht für möglich halte. An irgendetwas orientiert man sich immer. Mal mit besseren und mal mit schlechteren Folgen. Es ist also (was ja auch die dunklen Kapitel des Christentums deutlich machen) nicht egal, woran man und wie man glaubt. Die Bibel ist nun immerhin der Versuch einer Religionsgemeinschaft über einen Zeitraum von 1500 Jahren miteinander und mit Gott im Diskurs zu bleiben, um herauszufinden, was hilft und was nicht. Wenn man die Bibel bloß als vom Himmel gefallene Gebrauchsanweisung missversteht, wird einem dieser Schatz verschlossen bleiben, dann stößt man sich an ihrer Widersprüchlichkeit, Mehrdeutigkeit und mangelnden insgesamten Klarheit. Ich halte all das dagegen für eines ihrer größten Versprechen. Nämlich für das Versprechen, dass Gott kein Ding ist, dass erfasst und ermessen und in vielen kleinen Predighäppchen verkündigt werden will, sondern jemand ist, der/ die sich mit den Menschen auf den Weg gemacht hat, auf der Reise ist um Liebe ein Gesicht zu geben. Und die Kirchengeschichte erzählt – trotz all ihrer Brechreizkapitel – eben auch die Fortsetzung DIESER Geschichte. Klar, man kann seine eigene Religion gründen. Warum auch nicht, machen ja viele immer wieder. Ich selber finde aber auch Trost und Hoffnung darin, mich in diese 3500 Jährige Geschichte der jüdisch-christlichen Erzählgemeinschaft zu stellen, eben nicht alleine unterwegs zu sein, sondern mich mit anderen in diesem Diskurs des Gebetes, der Bibelbetrachtung, des Glaubens, der Gemeinschaft und des christlichen Lebens wieder zu finden. Eine Tradition von 3500 Jahren ist nicht immer leicht zu deuten, aber eben auch eine echte Schatztruhe, finde ich.

      Das wären meine Antworten. 🙂

      LG,
      der Jay

        • Katja!!! Da bist du ja wieder. Hatte schon befürchtet, wir hätten Dich verloren.
          LG,
          Der Jay

          • Katja Katja

            Don’t worry. Ich sage nur einfach nichts, wenn ich nichts zu sagen habe. 🙂

      • Dominic Trachsel Dominic Trachsel

        Hey Jay

        Boah, vielen Dank für die vielen Antworten und den langen Beitrag.

        Dann rate ich dir in dem Fall nicht weiter ab, die Bibel wegzuschmeissen:-)

        Ich denke persönlich, dass jeder/jede eine andere Persönlichkeit hat. Zumindest habe ich die Bibel bis jetzt echt nicht verstanden und lese da lieber sonst was inspirierendes, wo ich dann aber wirklich inspiriert bin. Aber ja, nehme das mal auf meine Kappe. Deshalb aber bin ich doch schon auch der Überzeugung, dass man es auch ohne Bibel kann.

        Ich schreibe Poesie und da fühle ich mich einfach viel freier, wenn keine religiösen Restriktionen bezüglich Inhalt, etc. habe. Obwohl ihr redet ja in euren Talks auch häufig, wie euch der Schnabel gewachsen ist (100 Sympathiepunkte dafür).

        Weiterhin alles Gute und viel Inspiration (religiös oder „weltlich“, whatever)

        Dominic

        • Ich denke persönlich, dass jeder/jede eine andere Persönlichkeit hat. Zumindest habe ich die Bibel bis jetzt echt nicht verstanden und lese da lieber sonst was inspirierendes, wo ich dann aber wirklich inspiriert bin.

          Yep. Verstehe ich gut. Wie gesagt, das war ja auch nur meine Begründung, warum ich den christlichen Glauben nach wie vor liebe. Die Persönlichkeiten sind wirklich sehr unterschiedlich. Da gibt es wohl so viele Zugänge, wie es Menschen gibt.

          Was dich inspiriert, weißt du immer noch am besten.

          Ich schreibe Poesie und da fühle ich mich einfach viel freier, wenn keine religiösen Restriktionen bezüglich Inhalt, etc. habe.

          Richtig so!!! Witzigerweise sind biblische Texte viel öfter genau das, als man denkt. Wenn man sich ein bisschen mit der Zeit auskennt, in der sie entstanden sind, dann stellt man schnell fest, wie subversiv, ironisch und provokant viele ihrer Texte sind. Nicht selten, ein Stinkefinger in Richtung (religiöses) Establishment.

          Wenn Kunst sich unter religiöse Daumen stellt, wird sie langweilig und verliert schnell, was Kunst zur Kunst macht. Von daher: Super, dass du dich da befreit hast.

          LG,
          der Jay

          • Dominic Dominic

            Hey Jay

            Vielen Dank für die Antworten. Ja, und am Schluss ist jeder/jede für sein/ihr Leben verantwortlich. Es bringt dann nichts, am Ende zu sagen, aber du hast mir das doch gesagt, oder ich musste doch so oder so.

            Übrigens wusste ich, als ich begann, Hossa-Talk zu hören, gar nicht, dass du Mitglied von superzwei (also mir noch bekannt als nimmzwei) bist. Denn ich werde mich glaub für immer an eine Episode erinnern, die ich mal gehört hatte und da gings um den BiBaBo, also den Bibelbastelbogen. Ich fand das recht lustig, die anderen glaub nicht alle (wahrscheinlich weil es die Bibel lustig machen könnte, resp. es sich über die Bibel lustig machen könnte). Das so by the way.

            Liebe Grüsse,
            Dominic

  70. ein Mensch ein Mensch

    Markus Till hat ein Buch für den SCM Verlag geschrieben: „Zeit des Umbruchs“.
    Soll wohl irgendwie eine Reaktion auf die Debatten der letzten Jahre sein.
    Die Zusammenfassung überzeugt mich nicht, geht zu sehr um Sünde und persönliche Hochmütigkeit von dem umgekehrt und Buße getan werden soll.
    Aber vielleicht denkt der ein oder andere Kritiker noch über seinen Ton nach.
    Trotzdem glaube ich sind die Veränderungsprozess unumkehrbar und es gibt keine Rückkehr ins Paradies der „Einheit in Bibeltreue“ Weil es die nie gegeben hat.

  71. Andi Andi

    Ein abschreckendes Beispiel, wohin die Religion führen kann.
    Markus Till kämpft für ein System, in dem Menschen Menschen für ihren Gott töteten. Würde er auch mein Kind töten für Gott?
    Ein netter, sympathisch schwäbelnder Mann, der von der Liebe spricht, wie wir es wohl auch bei ISIS oder den Salafisten finden.
    Ich träume von einer Kirche, die solche Leute nicht mehr leitende Mitarbeiter sein lässt.
    Wieso ist er sich seines Glaubens eigentlich so sicher, nur weil er auf den NAmen Jahwe gepolt ist? Wenn es einen ewig strafenden Gott für Gräueltaten gibt, dann lebt er sehr sehr gefährlich…
    Trotzdem sehe ich den Wunsch nach Dialog bei ihm une eine Restempathie (wohl auch um sich selber zu ertragen), die noch eine Tür zum Schönen und Wahren offen lässt.
    Anders kann ich es nicht sagen (und darf es nicht).

  72. ein Mensch ein Mensch

    Drei Jahre später gibt es den wunderbaren Podcast „Wort und Fleisch“ von Thorsten Dietz und Martin Hühnerhoff, wo sie verschiedene christliche Richtungen vor allem im deutschsprachigen Raum diskutieren
    https://wort-und-fleisch.de/
    In dem Zusammenhang macht es mich extrem traurig, wie verschiedene Kritiker wieder vor allem gegen Postevangelikale schiessen und dann vor allem Michael Diener zum Beispiel andichten, er würde die Streitfragen in die evangelikale Bewegung reintragen. Als müsste man nur verschiedene Leute aussperren, und dann wäre Ruhe im Karton.
    So macht man sich imun gegenüber kritischen Anfragen, da hab ich den Eindruck dass die letzten Jahre noch mal Verhärtungen stattgefunden haben.
    Das erinnert mich ein wenig an den Streit mit der Pfingstbewegung im 20 Jhr. Die hat man ja auch erst verdamt um dann vor 20 Jahren Frieden zu schließen. Entweder, weil man gemerkt hat, Mist die weltweite Christenheit geht in diese Richtung oder weil man oft die gleichen ablehnende Haltung gegenüber Homosexualität, Abtreibung und eine Wundergläubigkeit teilt. Da schließt sich der Kreis.

  73. Thomas Thomas

    Mich wundert ja ehrlich gesagt, dass der Herr Till keine Vorbehalte gegenüber der Charismatik hat !
    Ich dachte nämlich, dass es für einen „konservativ- Bibeltreuen“ praktisch zum guten Ton gehört, die Charismatik als effekthascherische Irrlehre abzukanzeln…
    So wie es ja auch Herrn Tills baden-württembergische Landsmänner Rudolf Ebertshäuser und Karl-Hermann Kaufmann tun… und das sind ja ehemalige Pfingstler, die meinen, den „Laden durchschaut“ zu haben, um es mal sehr salopp zu formulieren…
    In gewissen Kreisen braucht nur der Begriff „Lobpreismusik“ zu fallen, und schon tritt die evangelikale Schnappatmung ein…
    ( „Verführung der Jugend“….“rein fleischlich“….“ein Geist, der von unten kommt“… „Unzucht“…)

    • Katja Katja

      Hallo Thomas,
      Da du mich gerade so ungemein mit dem Namen Rudolf Ebertshäuser getriggert hast (das ist nämlich einer der Lehrer, die Freunde von mir in die Abwärtsspirale religiöser Radikalisierung geführt haben): Er ist ein gutes Beispiel dafür, wie geistliche Anti-Lehre aufgrund persönlicher Verletzungen entsteht und persönliche Vorbehalte oder schlechte Erfahrungen mit Menschen dazu führen, dass Leute als geistliche Lehrer auftreten und behaupten, irgendeine Denomination sei „vom Teufel“. Er beschreibt in einer seiner Predigten seinen Weg aus der charismatischen Szene. Und der hat nichts damit zu tun, dass er eine irgendwie geartete geistliche Erkenntnis über die dämonischen Eigenschaften der charismatischen Lehre gehabt hätte, sondern schlicht damit, dass es in seiner Gemeinde finanziellen Betrug gab und er so enttäuscht von den Menschen dort war, dass er sich abgewandt hat. Leider hat er diese Ereignisse und seine persönliche Verletztheit nicht selbstreflektiert aufgearbeitet, sondern schießt jetzt mit geistlichen Kanonen auf die charismatische Bewegung als Ganzes.
      So ist es bei vielen, die auf geistlicher Ebene gegen andere Christen argumentieren. Und auch bei jenen, die immerzu „Blasphemie“ rufen und meinen, Gott gegen andere Christen verteidigen zu müssen. Obwohl diese anderen Christen einfach nur eine andere Glaubenspraxis, andere Gottesbilder oder Bibelverständnisse haben. Vielleicht verletzen sie damit auch die religiösen Gefühle von anderen Meschen oder bringen deren dogmatische Gebäude durcheinander, aber für Gott spielt das keine Rolle – sofern er denn Gott ist und nicht bloß ein menschengemachtes religiöses Denkgebäude.

      • Thomas Thomas

        Hi Katja,

        kann ich gut nachvollziehen, was du da schilderst, Danke für deine Eindrücke.
        Die Herren Ebertshäuser, Kaufmann und ( mit leichten Abstrichen) Gassmann sind für mich die baden-württembergischen “ Drei Herren von der Tankstelle“…
        ( jetzt hätt ich fast “ Zankstelle“ geschrieben… kann kein Zufall sein, oder ?)
        😉
        Ich hab speziell mit der “ Heiligungslehre“, die von denen fast unisono vermittelt wird, so meine Problemchen…
        Vieles hat da für mich den Anschein von „rückwärtig verlagerter“ Werkgerechtigkeit…
        würden die natürlich ganz anders sehen… nach offizieller Lesart ist es der Heilige Geist, der die sündhaften Neigungen in uns austilgt und uns immer mehr von der “ Welt“ absondert…
        Selbstredend ist auch der eigene Musikgeschmack ein Indikator dafür… laut Gassmann sind Pop- und Rockmusik “ Unzucht“, wenn ich ihn da richtig verstanden habe…
        ich hab mir von ihm mal ein einseitiges Pamphlet mailen lassen, wo er eine Art „Formel“ für gottgefällige Musik entwickelt hat…
        naja, meine Gitarrensammlung landete trotzdem nicht auf dem Scheiterhaufen.
        😉

        Du findest übrigens per Google ein paar Aufsätze eines gewissen Dr. Reinhard Franzke, der die Lehre dieser 3 Herrschaften angreift… theologisch ganz interessant, aber da scheinen auch verletzter Stolz und gewisse Eitelkeiten eine Rolle für diese „Animositäten“ gespielt zu haben.

        Ich finde es halt extrem fragwürdig bis traurig, Charismatikern pauschal vorzuwerfen, sie würden in Wahrheit den Teufel anbeten, ohne es zu merken…
        dieses Argument ließe sich beliebig spiegeln auf beiden Seiten…
        Mit religiösem “ Sendungsbewußtsein“ geht leider oft der Hang zur unumstößlichen Überhöhung der eigenen Thesen aus…und wenn jemand entgegengesetzter Meinung ist, kann er nicht den Heiligen Geist haben, weil man den ja schon selber hat, logisch !
        So ist dann die Welt rasch erklärt und in Schwarz/ Weiß einsortiert…
        und fertig ist der Lack…

        Ebertshäuser keilt ja auch gegen diverse Bibelübersetzungen aus und wittert wohl hinter vielem den „Geist der Welt“…
        Das hat er vermutlich mit anderen “ Bibeltreuen“ gemeinsam…

        Mir fehlt es da durch die Bank an Empathie und Sanftmut, aber vielleicht tue ich ihm da auch Unrecht, wer weiß ?

        “ Das Bild von Christus, das dir erscheint,
        ist meines Bildes größter Feind.
        Wir lesen die Bibel beide mit Fleiß,
        du liest sie schwarz, ich les sie weiß.“
        ( William Blake , 1757-1827)

        • Katja Katja

          Hallo Thomas,
          oh, ja, Gassmann-Fans sind unsere Freunde auch… Und dabei behaupten sie felsenfest, sie würden keiner Theologie folgen, sondern nur DER WAHRHEIT allein (aaahh!).
          Das mit der Musik war auch mal in einem unserer Gespräche ein wichtiges Thema. Ich finde das sowas von am Eigentlichen vorbei (und da wären wir wieder bei der hamartía!). Wie so viele andere ihrer Themen auch. Das hat einfach null mehr mit Jesus zu tun. Jesus kommt in ihrer Theologie eh nurmehr als notwendiger Garant für ihre eigene Heilsgewissheit vor (Stichwort: Sühneopfertod), aber sonst besteht ihre Lehre vorrangig aus dem Suchen nach Fehlern von anderen Christen und an dem Festhalten an irgendwelchen Bekenntnisformeln und der Verteidigung ihrer Dogmen als DIE WAHRHEIT. Und der peniblen Einhaltung von Gemeinderegeln, damit man eine „richtige“ Gemeinde hat, in der man nach allen Vorschriften lebt, die man in den Paulinischen Briefen so findet (vor allem die Herrschaft der Männer wird da ganz groß geschrieben, in der Gemeinde wie auch in der Familie, damit auch ja alles unter Konrolle ist und nicht die emotionsgesteuerten Frauen das Sagen haben, wo kämen wir denn da hin, denn Emotionen sind ja vom Teufel!!). Allerdings sind das lauter oberflächliche Sachen. Herzenshaltung (vor allem die eigene) spielt da eine untergeordnete Rolle. Und gegenüber Christen anderer Denominationen oder gar Ungläubigen braucht man sich ja eh nicht um eine gute Herzenshaltung bemühen, sondern muss sich möglichst gut absondern. Härte zeigen statt Barmherzigkeit. Da wird dann auch gerne mal Jesus zitiert, wie er sagt, dass er nicht Frieden bringt, sondern das Schwert und dass es notwendigerweise, wenn man ihm nachfolgt, Spaltung in der eigenen Familie geben muss – das nehmen sie dann als Blanko-Scheck für ihr abschätziges und liebloses Verhalten gegenüber ihren christlichen und leiblichen Brüdern und Schwestern und ihre Unbelehrbarkeit.
          Was die Bibelübersetzungen angeht, kann ich ja sogar ein Stück weit verstehen, dass man sich die gründlich ansehen sollte. Allerdings vor allem ausgehend von den überlieferten Urtexten und dem kulturellen Kontext, in dem die Bibel entstanden ist. Aber ihre Argumentation ist ja sehr undurchsichtig und es werden einfach unphilologisch wahllos bestimmte Bibelausgaben in den Himmel gelobt, weil sie von Menschen (zum beispiel von Herrn Kauffmann 😉 ) gemacht wurden, die angeblich den „rechten Geist“ haben. Und andere werden einfach nur deshalb verworfen, weil sie „modern“ sind. Und das moderne Zeug geht halt einfach GAR NICHT, das ist ja viel zu weltlich…
          Ich konnte nicht viele der Predigten bis zum Schluss anhören, die unsere Freunde uns zum Anhören empfohlen haben. Mir ging es genau wie dir: Ich habe kein bisschen Barmherzigkeit dort wahrgenommen. Sondern nur Härte, Arroganz, Abschätzigkeit, Heuchelei und Rechthaberei. Und Jesus als Zentrum hat komplett gefehlt.

          • Thomas Thomas

            Hi Katja,
            ach ja, das kommt mir alles bekannt vor…
            mit dem Unterschied, dass meine Glaubensgeschwister im „Real Life“ wesentlich entspannter mit dem Thema „Glauben“ umgehen und sich immer wieder wundern, warum ich mich freiwillig mit „fundamentalistischen Inhalten“ befasse oder gar die (sinnlose) Diskussion mit bibeltreuen Fundis suche…
            Ich lasse auch gerne mal kritische Kommentare unter bestimmten Videos, wo sich sonst eigentlich nur unkritischer Applaus sammelt.
            (bringt vermutlich eh nix, ist vielleicht auch nur Ausdruck meiner eigenen Eitelkeit, wer weiß…)

            Ich hab mal mit einem aufstrebenden christlichen Youtuber über Todesstrafe diskutiert.
            (er war „pro“, weil er sich auf den mosaischen Bund bezog:
            Dort hat Gott versprochen, dass er die Menschheit nicht nochmal derart dezimieren wird wie in der Sintflut… im Gegenzug legte er den Menschen eine Art „Minimalethik“ auf, die verlangt, dass Leben für Leben vergolten werden müsse…. Dies gelte auf ewig, und sei auch durch den Neuen Bund nicht aufgehoben, denn Gott halte sich ja auch an sein Versprechen, keine zweite Sintflut über uns kommen zu lassen… ach ja, Frauen dürfen auch im weltlichen Berufsleben keine Lehrtätigkeit aufnehmen und keine Führungspositionen übernehmen… und Paulus habe in 1. Kor 5 die Todesstrafe für den Lüstling gefordert, der mit seiner eigenen Stiefmutter Unzucht trieb…
            der Youtuber hat dann auch das Vorhandensein des heiligen Geistes in mir angezweifelt, weil ich anderer Meinung war und gedroht, meinen Kommentar zu löschen, weil er irrige Ansichten enthalte…
            Dieser Herr hat schon über 3.000 Abos, Tendenz steigend)

            Die selbsternannten „Bibeltreuen“ setzen „Glaubensinhalt“ und „Glaubensausdruck“ (tolle Begriffe, hab ich von Thorsten Dietz geklaut !) miteinander gleich, Glaubensgehorsam ist natürlich essentiell und ohne Heiligung wird sowieso niemand Gottes Herrlichkeit sehen, heißt es im Hebräerbrief.
            (Heiligung nach deren Definition= möglichst sündloses Leben plus Gemeindeleben nach paulinischer Blaupause)

            Kommst du mit Gottes Liebe, kommen die mit Gottes „Gerechtigkeit“, wobei „Gerechtigkeit“ synonym mit „Strafe für Ungehorsam“ zu verstehen ist nach ihrer Lesart…
            Dabei bedeutet „Gottes Gerechtigkeit“ etwas ganz anderes, hat mir ein Pfarrer neulich erklärt,
            der bei Hans Joachim Eckstein studiert hat…
            (sagt dir vielleicht was der Name…)
            Eckstein sagt, dass der Gegensatz von Gottes Gerechtigkeit nicht etwa Gnade, sondern „Zorn“ sei !
            Im Moment kommt bei ERF eine Vortragsreihe von Eckstein zum Römerbrief, ich denke mal dass er das da näher ausführen wird.
            Dafür, dass Eckstein angeblich zu den „Pietisten“ zu rechnen ist, kommt er mir erstaunlich „locker“ und wenig „frömmlerisch“ vor, ja fast schon „liberal“….
            🙂
            Wenn mir also demnächst mal wieder jemand mit Gottes „Gerechtigkeit“ kommt, um Gottes Liebe zu relativieren, frag ich ihn einfach mal, was der Gegensatz zur Gerechtigkeit denn ist.
            😉

          • Katja Katja

            Hallo Thomas,
            freiwillig suche ich solche Diskussionen nicht mehr. Meine anfängliche Hoffnung, in Gesprächen etwas erreichen zu können, wurde immer wieder enttäuscht. Ich kann mir auch entsprechende Predigten / youtube-Videos nicht mehr anhören, weil mich das so belastet, traurig, wütend macht, wie sie sich selbst, ihren Beziehungen und dem Miteinander unter Christen (und Menschen insgesamt) mit ihrem Welt- und Gottesbild schaden. Und wenn ich die Mischung aus frommen Phrasen und Bibelversen mit Gehässigkeit und Arroganz der entsprechenden Community in den Kommentaren sehe, wird mir immer schlecht.

            Danke für den Hinweis auf die ERF-Reihe mit H.-J. Eckstein! Ich finde, er ist ein sympathischer, freundlicher und weiser Mensch. Hast du sein Buch „Wie will die Bibel verstanden werden?“ gelesen?

        • Katja Katja

          P.S: ich habe übrigens einmal den Fehler gemacht, einen unserer Freunde recht diplomatisch auf seine Herzenshaltung anzusprechen. Uiuiui, das hätte ich mal besser lassen sollen. Was habe ich da zu hören bekommen? Meine Aussage sei „eine der Bedrohungen der Endzeit, wie sie den wahren Christen vorausgesagt wurde“
          Ganz, ganz furchtbar das!

          • Thomas Thomas

            PS:
            Statt „mosaischer“ muss es natürlich „noachidischer “ Bund heißen !
            Todesstrafe sei auch gut für den Täter, weil dieser quasi noch auf dem elektrischen Stuhl oder in der Gaskammer Buße tun, sich bekehren und so in den Himmel kommen könne, hat man mir gesagt…

            Und Yoga bitte unterlassen, auch einzelne Übungen zu rein therapeutischen Zwecken seien schon schädlich, denn:
            „Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig“ und Yoga ist Götzenanbetung…

  74. Thomas Thomas

    Hi Katja,
    wenn ich unter Youtube-Videos von „Frömmigkeits-Experten“ kommentiere, dann mache ich das eigentlich nur (noch) aus der Hoffnung heraus, dass auch nur ein einziger irritierter Neuling oder Interessierter im Glauben sieht, dass Christentum auch anders gelebt werden kann…
    mich haben nämlich gerade in meiner Anfangszeit solche Inhalte ziemlich verunsichert und mich manchmal sogar an den Rand der Apostasie gebracht.
    (ich möchte nicht wissen, ob die radikal-Frommen nicht sogar noch stolz darüber wären, weil sie dann aktiv an der „natürlichen Auslese“ teilhaben und dabei helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen…)

    Aber gut, ich muss mich immer wieder selber fragen, ob da nicht auch mein eigener Hochmut durchkommt !

    Das Buch von Eckstein kenne ich nicht, muss ich aber gleich mal googeln !
    Ich lese gerade das Buch über Sünde von Thorsten Dietz, sehr interessant.

    Eckstein hab ich erst vor kurzem für mich „entdeckt“ bzw. von einem Pfarrer empfohlen bekommen:
    Er hat eine total positive und erbauliche Art, und er scheint auch unter Konservativen (Pietisten ?) Ansehen zu genießen, wenn ich das richtig mitbekommen habe.

    Wenn ich dir noch total (!) empfehlen kann:
    Klaus Vollmer !!
    (lebt leider schon nicht mehr, aber es gibt bei Youtube einen Kanal namens „Metanoia statt Paranoia“, wo von Vollmer
    ein mehrteiliger Vortrag über den Römerbrief von 1990 oder so hochgeladen wurde.
    Die Tonqualität ist jetzt nicht „Studio- like“, aber okay, nur manchmal versteht man die Zwischenfragen der Zuhörer nicht, aber man kann es sich dann aus Vollmers Antworten auch selber zusammenreimen…
    🙂
    Hier mal ein Link:
    https://www.youtube.com/watch?v=DX-MmEuSuVg&list=PLtwiw5rByCxENCKjcdnyvuCh7UnrpjIIU

    Was mir an Vollmer total gefällt:
    Intelligent und geistreich, recht „modern“ und nicht reaktionär, aber dennoch nicht verkopft, sondern tief überzeugt vom christlichen Glauben !
    Und er predigt das absolute Gegenteil von Moralismus, denn sagt:
    Erst wollte der Mensch sündigen, jetzt müsse er sündigen… er könne gar nicht mehr anders als sündigen… ein sündloses Leben sei unmöglich.
    Man könne sich dem Wesen von „Sünde“ nicht über die moralische Schiene nähern… so nach dem Motto:
    „Du musst ja nicht sündigen, lass es doch einfach „!

    Der Kern christlichen Glaubens führe zum und übers Kreuz von Golgatha.
    Was dort wirklich geschehen sei entziehe sich jeglichen Vorstellungsvermögens.
    Gott habe sich dort mit sich selber versöhnt.

    Wenn du mal Zeit hast, höre mal rein !
    (und wenn du nix damit anfangen kannst, bitte Beschwerde an mich !)
    🙂
    Schönen Sonntag Euch allen !
    🙂

    • Katja Katja

      Hallo Thomas,
      aus meinen Radikalen-Gesprächen habe ich schon den Eindruck gewonnen, dass sie stolz darauf sind, wenn sie an der Auslese teilhaben bzw. sie selbst betreiben. Für sie ist auch Mission nicht wichtig, sondern im Vordergrund steht die Bewahrung der „rechten Lehre“ und die eigene Absonderung von der Welt und von irregeleiteten anderen Christen – die zu warnen und „in Liebe zu ermahnen“ (wobei sie ziemlich lieblos sind) sie sich zT auch zur Aufgabe gemacht haben. Das hat wohl auch mit ihrem Endzeit-Bewusstsein zu tun, in dem das Festbleiben in der Lehre gegenüber den „Anfeindungen“ und „Verführungen“ eine wesentliche Rolle spielt.
      Ich denke, Menschen wie Herr Eckstein können ein gutes Bindeglied zwischen Konservativen und Nicht-Mehr-Ganz-So-Konservativen sein (liberal ist er ja nicht). Er ist schon in manchen Ansichten konservativer als das, was ich sonst so höre oder lese. Aber dann doch eher lutherisch als evangelikal, finde ich.
      Ich werde bei Herrn Vollmer mal reinhören. Dass Gott sich am Kreuz mit sich selbst versöhnt hat, glaube ich allerdings nicht (obwohl ich schon manchmal den Eindruck habe, dass er irgendwie schizophren ist). Sondern dass er die Welt mit sich versöhnt hat, wie Paulus das in 2,Kor 5,18-19 formuliert hat.

  75. Thomas Thomas

    Hi Katja,
    aus dem Grund kommen mir Amillennialisten irgendwie entspannter vor:
    keine ständigen Spekulationen, ob jetzt Bill Gates oder der jeweils amtierende Papst Antichrist sind,
    ob die Corona- Impfung das „Malzeichen des Tieres“ ist oder ob man die bevorstehende Entrückung zu verpassen droht,
    weil nicht mehr genug Öl in der Lampe ist( Mat. 25 lässt grüßen) oder man nicht „heilig“ (=abgesondert) genug gelebt hat…

    Da Amillennialismus aber hauptsächlich von den großen Amtskirchen vertreten wird, ist er
    aus evangelikaler Sicht natürlich mindestens eine „Falschlehre“, wenn nicht sogar „Irrlehre“…
    (ich finde diese willkürliche Einteilung klasse: „Sonderlehre“, „Falschlehre“ und „Irrlehre“… ob da jemand den heiligen Geist gehabt hat, als er sich diese Begriffe ausgedacht hat, wage ich zu bezweifeln…)

    😉

    Lass dich von Klaus Vollmers Sicht auf den Kreuzestod Jesu bitte nicht abschrecken,
    ich finde seine Ansichten gerade in Bezug auf Sünde sehr befreiend, weil er nicht moralisiert, wie es viele „Frommen“ tun,
    die Wert auf „Heiligung“ als Eigenleistung oder als Gradmesser/ Beweis für die eigene Errettung sehen…

    Ich hab mittlerweile einiges von Klaus Berger gelesen.
    (verstorbener Heidelberger Theologe, der das NT teilweise „gegen den Mainstream“ gedeutet und jahrzehntelang an einer evangelischen Fakultät gelehrt hat, sich dann auf seine altern Tage aber als katholisch „geoutet“ hat, was einige Wellen schlug…)
    Berger hat zur Deutung des Kreuztodes Jesu aus Gottes Sicht mehrere Alternativen, die er als gleichwertig ansieht, wenn ich ihn da richtig verstanden bzw. in Erinnerung habe…
    (die „Sühnopferlehre“ ist da nur eine davon…)

    Mir selber ist die Vorstellung eines Gottes, für den stets (!) Blut fließen muss ,um Vergebung zusprechen zu wollen bzw. können, auch sehr…. fremdartig…um es mal vorsichtig zu sagen.
    Aber was weiß schon ich Menschlein ?
    🙂

    • Katja Katja

      Hallo Thomas,
      ich denke, viele Christen könnten der Verschwörungserzählungsfalle entgehen und entspannter werden, wenn sie die Offenbarung nach dem lutherischen Prinzip „die Schrift legt sich selbst aus“ interpretieren würden – also, statt von außen Ereignisse des 21. Jahrhunderts als Interpretationsschlüssel an die biblischen Texte heranzutragen, fragen würden, welche biblischen Motive aus dem AT denn da vorkommen, an welche Andressaten die Offenbarung zu welcher Zeit und in welchem kulturellen Setting geschrieben wurde und wie die Formulierungen im biblischen Kontext zu verstehen sind.

      Mir haben da als Überblick sehr die Offenbarungs-Buch-Videos vom Bibelprojekt geholfen (https://dasbibelprojekt.visiomedia.org/videos/offenbarung-teil-1/) und ich fand den Worthaus-Vortrag von Franz Tóth dazu interessant (https://worthaus.org/worthausmedien/die-offenbarung-des-johannes-9-10-1/).

      • thomas thomas

        Hi Katja,
        den Vortrag von Franz T. kenne ich schon, war sehr interessant !

        Thorsten Dietz hat in einem Vortrag mal erwähnt, dass gerade Evangelikale wohl viele (Verschwörungs-) Theorien aus
        dem Buch “ Alter Planet Erde, wohin ?“ von Hal Lindsey übernommen hätten…
        z. B. das notorische Misstrauen gegenüber multistaatlichen Organisationen wie EU, UN und so weiter…
        Ich glaube es ist vielen gar nicht bewusst, dass sie Theorien eines Buches nachreden, das in den 70ern die steile These aufgestellt hat, wonach die Sowjetunion (= Gog & Magog) demnächst Israel angreifen würde…
        Außerdem wäre ja schon der Buchtitel angreifbar, wenn man die Genesis wörtlich nimmt:
        Von “ alt“ könnte nicht die Rede sein bei gerade mal 6.000 Jahren, oder ?
        😉
        Aber wir sind uns einigen, dass weder du noch ich das ändern werden…

  76. thomas thomas

    PS:
    Ich hab mir mal zwei Bücher von HaJo Eckstein geordert… „Wie will die Bibel verstanden werden“ und seine Auslegung zum Galaterbrief… (wider die Werkgerechtigkeit/ Gesetzlichkeit)…

    Wenn die nicht gut sind, bekommst du meine Beschwerde.
    😉

    • Katja Katja

      Na, es wäre besser, du würdest deine Beschwerde direkt an Herrn Eckstein richten – ich bin für seine Inhalte nicht verantwortlich 😉

  77. André Ay André Ay

    Jay: „Ich sehe nicht, daß wir das Kreuz aushebeln.“

    Die neue Reformatorin Claudia Janssen schreibt in https://www.ev-akademie-boll.de/fileadmin/res/otg/doku/640611_Janssen.pdf : „Nicht der Tod hat Heilsbedeutung (das vergossene Blut), sondern allein das Versöhnungshandeln Gottes, das in der Auferweckung des Messias erfahrbar wird.“ und „„Für mich gestorben“ – diesen Satz habe ich in der Deutung traditioneller christlicher Opfertheologie noch nie geglaubt. “
    Es gibt also durchaus eine neue Reformation, die das Kreuz aushebeln will. Viele haben sich ihr schon angeschlossen: https://www.rpi-ekkw-ekhn.de/fileadmin/download-alt/schoenberger_hefte/2012/1-12/2012-1_03-06_Augst.pdf https://www.predigergemeinde.de/fileadmin/_migrated/content_uploads/Predigt_am_20.03.2016_zur_Kreuzestheologie.pdf
    Diese neue Reformation ist wesentlich tiefgreifender als die von Martin Luther, scheint aber eher durch Unterwanderung statt öffentlicher Auseinandersetzung zu verlaufen.
    John McArthur hat die zugrundeliegende Neue Paulus-Perspektive des neuen Reformators N.T. Wright 2017 verurteilt: https://youtu.be/Jw3h3Vie73w?t=1241
    Diese neue Kreuzestheologie setzt die Wunderkritik nicht voraus, sondern negiert sie vielmehr, da sie von der Auferstehung ausgeht. Till kämpft seinen Kampf an allen möglichen Themen und fokussiert sich sehr auf Worthaus, so daß ihm Janssen noch nicht aufgefallen ist. Till ist auch zu naiv, da Janssen natürlich auch Jes 53 nicht auf Jesus hin deutet, sondern eher im jüdischen Verständnisrahmen.
    Siggi hat sich 2016/7 viel mit Luther befaßt und sich als sein Schüler bezeichnet. Er scheint aber so, als sei er hernach von der lutherischen Theologie abgefallen und habe sich der neuen Reformation, nach der das Kreuz bedeutungslos ist, angeschlossen, wie aus seinen jüngeren Vorträgen hervorgeht. Er hat auf dem Worthaus-Sommerseminar auch die von Janssen und ihrer theologischen Lehrerin herausgegebene „Bibel in gerechter Sprache“ ausdrücklich empfohlen.
    Diese neue Reformation scheint auch eine Verkürzung der bisherigen Lehre zu sein, denn Aquinas sieht auch die Auferstehung als notwendig, und Calvin das gesamte moralisch perfekte Leben Jesu.
    Die zentrale Argumentation in Cur Deus Homo geht darum, daß es keinen Sinn macht anzunehmen, daß Gott, der ja auch Gesetzgeber ist, den Sünder genauso behandelt wie den Unschuldigen, und daß eine Sünde ohne Konsequenz einfach nur eine nicht-regulierte Sünde sei. M.E. wird diese Ansicht bestätigt durch 2. Samuel 12, 1-18.

    Jay: „Es verlangt doch niemand, daß du das [Tills Stellvertretungstheologie] aufgibst.“

    Die neue Reformatorin Claudia Janssen schreibt: „Zu den Denkmustern des christlichen Antijudaismus gehört es, dass der Opferkult am Jerusalemer Tempel und dessen theologische Grundlegungen durch Jesu Botschaft und die Schriften des Paulus als überwunden und abgelöst dargestellt werden.“
    Wer also daran festhält, daß Jesus für unsere Sünden gestorben ist, wird irgendwann in der Kirche als Antisemit und Nazi diffamiert werden, wenn sich diese neue Reformation durchsetzt.

    An wen wird bezahlt?

    Die Lösegeld-Metapher bricht bei dieser Frage als nicht 100%ig passend zusammen.
    Johannes 8, 34: „Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht.“

    Alles Gute!

    • thomas (der Hooligelikale) thomas (der Hooligelikale)

      Lieber André,

      ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich deinen Kommentar richtig verstanden habe bzw. wie ich ihn richtig verstehen soll.

      Ob ich John McArthur als bekennenden Corona- Leugner noch für zitierfähig halten soll, weiß ich nicht… aber das ist nur meine total subjektive Meinung !

      Dass man künftig einmal nur anhand der Frage nach der Deutung des Kreuzes beurteilen wird, ob jemand ein „Nazi“ ist, fände ich ehrlich gesagt ziemlich weit hergeholt… also wenn du diese Frau Janssen da korrekt zitiert hast, würde ich einer solchen Simplifizierung erstmal widersprechen wollen.

      Mir kommt es so vor, dass viele von uns ein Problem mit einem Gottesbild haben, bei dem zur Vergebung von moralischer Verfehlungen (= Sünden) regelmäßig Blut fließen muss, damit dieser Gott dann Vergebung schenken kann…
      und falls jener Gott tatsächlich nicht anders können sollte, musste er sich quasi selber „austricksen“, indem er seinen Sohn, der ja zugleich Teil von ihm ist (wenn ich die Trinität da richtig verstehe !) opfert, weil der „Wert“ dieses Opfers die Verfehlungen der ganzen Menschheit dann aufwiegt.
      Dies scheint wohl so in etwa der „Satisfaktionslehre“ des Anselm von Canterburry zu entsprechen.

      Da du das „Lösegeld“ erwähnst:
      War es nicht Origenes, der die Ansicht vertrat, dass das Lösegeld quasi an den Teufel geflossen ist, damit dieser sich zufrieden gab ?
      Das würde aber irgendwie voraussetzen, dass der Teufel selbst für Gott eine ernstzunehmende Komponente darstellt, die er nicht einfach so aus dem Weg räumen kann… das wirkt dann aber auf mich eher so wie der „kosmische Kampf“ zwischen Gut und Böse aus bestimmten Teilen der Gnosis.

      Beste Grüße 🙂

    • Andi Andi

      Lieber Andre,

      ich war verliebt. Sehr sogar. Ich habe einen Selbstmordversuch hinter mir (2008) und habe damals meinen Körper mit zwei Packungen Zigaretten am Tag geschunden. Ich habe drei Diagnosen. In meiner Kindheit ging mein Vater pleite und wir waren arm. Ich gründe gerade einen Verein. Ich habe drei Ehrenämter und vier Bücher geschrieben, darüber, was das alles für einen Sinn macht. Glaubst Du, ein wirklich, und damit meine ich WIRKLICH liebender Gott (und du weißt im Grunde Deines Herzens was ich damit meine), weist mich an der Pforte ab, weil ich nicht an eine Handlung glauben KANN und die an eine bestimmte Form eines Stück Holzes? Glaubst Du das, wenn Du alle Deine Zitate und Bücherwälzungen beiseite schiebst und draufschaust wie ein 3,0-Quali-Absolvent vom Bau gegenüber? Ganz realistisch also?

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