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#140 Glaube und Evolution – passt das zusammen?

Hier sind ein paar Links zum Weiterbilden:

http://talkorigins.org/
https://biologos.org/
https://www.ag-evolutionsbiologie.de/
https://www.was-darwin-nicht-wusste.de/

Dominic Hopp findet sich hier:

https://www.facebook.com/Dominic.Hopp.Official/

124 Kommentare

    • Dominic Dominic

      Ich spare mir jetzt ausnahmsweise mal, auf die Punkte, die er gegen den „Neodarwinismus“ (den Begriff benutzt man in der Evolutionsbiologie seit den 60er nicht mehr) ins Feld führt, im Einzelnen einzugehen. Dafür ist mir meine Zeit gerade einfach zu schade und einige kommen ja im Talk sowieso vor.
      Was mir aber auffällt, ist die Tatsache, dass er vehement betont, dass die von ihm vertretene Ausprägung von Intelligent Design keinen Gottesbezug habe. Er geht ja sogar von einem gemeinsamen Ursprung aller Lebewesen aus, nur dass der Umformungs- und Diversifikationsprozess intelligent gesteuert und gerichtet sei. Darüber, wie die dahintersteckende intelligente Entität aber beschaffen ist und welche Methoden sie angewandt haben soll, schweigt er sich wohlweislich aus.
      Da zeigt sich wieder ein allgemeines Kennzeichen von sich wissenschaftlich gebarenden Kreationisten, wie auch von ID-Vertretern, die mit Kreationismus nicht in verbindung gebracht werden wollen: Man spielt sich als wissenschaftlich auf, aber beschäftigt sich nur damit, in Wissens- und Erklärungslücken der aktuellen Evolutionsbiologie herumzubohren. Eigene Forschungsergebnisse mit Erklärungswert werden praktisch nie produziert.

      • Ist mir jetzt doch etwas zu pauschal und einfach geraten.

        Einmal sind ID-Vertreter bloss verkappte kreationistische Christen. Wenn sich dann einer bewusst vom christlichen Gott distanziert und an „Aliens“ oder die Matrix glaubt ist auch wieder nicht recht. Kann man nicht einfach auf die Argumente fokussieren?

        Lücke oder Krise? Die Physik hatte vor 100 Jahren auch Erklärungslücken in einigen wenigen Grenzfällen. Um die zu schliessen brauchte es allerdings fundamentale neue Theorien wie die Relativitätstheorie oder die Quantenmechanik.

        Die zentrale Frage ist, ob die Mechanismen von zufälliger Mutation und Selektion ausreichen, die sichtbare Komplexität zu erschaffen. Ein zentrales Argument von ID ist, dass dies mathematisch einfach zu unwahrscheinlich ist. Selbst 100 Millionen Jahre sind viel zu kurz um die kambrische Explosion zu erklären. Mikroevolution ist geschenkt, das bezweifelt niemand. Auch die Kreationisten nicht. Um die unglaublich unwahrscheinliche Feinabstimmung des Universums zu erklären ziehen Astrophysiker Multiversen heran. In einem der Milliarden von Milliarden von Milliarden Universen muss es eines geben, bei dem alles passt. Wir hatten einfach 5 Sechser im Lotto hintereinander, dass wir in diesem einen Universum leben. Ist das jetzt wirklich plausibler?

        Du sagst Gott steuert von „innen“ die Evolution. Dann ist einfach der Zufallszahlengenerator der Welt nicht zuverlässig, sprich nicht völlig Random. Ist eine Mutation zufällig oder nicht? Das sieht man ihr nicht an. Ist 13 ein Zufallszahl? Gott könnte Wahrscheinlichkeiten für Mutationen beeinflussen und am Schluss haben beide recht: Wissenschaftlich betrachtet war es ein Zufall, weil man das Ergebniss nicht auf etwas anderes zurückführen konnte. Ursächlich war aber eine Intervention Gottes.

        Die folgende Aussage stammt von der Ankündigung einer Evolutionsbiologischen Konferenz, nicht von Kreationisten: „For mor than half a century it has been accepted that new genetic
        information is mostly derived from random, error-based events. Now it is recognized
        that errors cannot explain genetic novelty and complexity.“ Wäre schön, wenn die Evolutionsbiologen etwas ehrlichen mit ihren „Lücken“ umgingen und nicht mit dem Bulldozer alle Anfragen plattmachen würden.

        Ich finde eure Diskusskion dazu, was thelogisch vom Erklärmodell abhängt sehr spannend. Ich denke allerdings, dass die meisten dieser Brüche bereits passieren, wenn man von Kurzzeit zu einem Langzeitmodell wechselt. Sprich: Ist Genesis wörtlich oder nicht. Zwischen ID und Evolutionstheorie passiert theologisch nicht mehr so viel. Die Frage ist nur noch ob Gott einmal oder mehrfach interveniert um zu schöpfen.

        • Dominic Dominic

          – Einmal sind ID-Vertreter bloss verkappte kreationistische Christen. Wenn sich dann einer bewusst vom christlichen Gott distanziert und an “Aliens” oder die Matrix glaubt ist auch wieder nicht recht.
          -> Von mir aus darf man auch glauben, dass ein lila Einhorn der intelligente Designer allen Lebens ist. Die Theorie müsste nur irgendeinen wissenschaftlichen Wert (Erklärungskraft) haben. Also: Woher wissen wir, dass es ein lila Einhorn war, welche Methoden hat es angewandt, welche weiteren Eingriffe sind zu erwarten? Alles das kann keine mir bekannte Ausprägung von ID oder Kreationismus leisten.

          – Kann man nicht einfach auf die Argumente fokussieren?
          -> Die meisten „Argumente“ sind bereits mehrfach entkräftet worden und ich habe nicht genug Lebenszeit zur verfügung, um jedem ID-Vertreter die immer gleichen Antworten auf die immer gleichen Aussagen herunterzuleiern. Sollte also jemand ernsthaft daran interessiert sein, was es für Einwände gegen ID-Argumente gibt, dann kann ich ihm/ihr glaube ich auch ein wenig eigene Recherchearbeit zumuten (talkorigins und AG-EvoBio habe ich hierfür ja deutlich empfohlen). Wer selbst diesen kleinen Aufwand scheut, den/die werde ich auch mit stundenlanger Quellenrecherche nicht von seiner/ihrer Meinung abbringen können. Ich habe diesen Talk auch nicht angeboten, weil ich erwartet hätte Kreationisten von der Richtigkeit der Evolutionstheorie zu überzeugen, sondern um Leuten, die sich einen rational vertretbaren dritten Weg abgesehen von Kreationismus und Atheismus wünschen, einen solchen aufzuzeigen.

          – Lücke oder Krise? Die Physik hatte vor 100 Jahren auch Erklärungslücken in einigen wenigen Grenzfällen. Um die zu schliessen brauchte es allerdings fundamentale neue Theorien wie die Relativitätstheorie oder die Quantenmechanik.
          Die zentrale Frage ist, ob die Mechanismen von zufälliger Mutation und Selektion ausreichen, die sichtbare Komplexität zu erschaffen.
          -> Trotzdem ist die Newton’sche Gravitationstheorie nicht obsolet geworden. Es hat sich eben gezeigt, dass sie bisher einen Spezialfall beschrieben hat, von dem aus die Theorie verallgemeinert werden musste. Gleiches geschieht ständig mit der Evolutionstheorie. Kein seriöser Wissenschaftler würde heute behaupten, dass der Evolutionsprozess mit den von Darwin beobachteten Mechanismen vollständig beschreibbar sei. Wir lernen Jahr für Jahr dazu und machen oft auch unerwartete Entdeckungen, mit denen sich das Evolutionsgeschehen wieder ein wenig genauer beschreiben lässt- das ändert aber nichts am Gesamtbild. Dummerweise wird genau das, was Wissenschaft ausmacht, nämlich neue Erkenntnisse, von kreationistischer Seite in der Art instrumentalisiert, dass alles, was man bisher gedacht hatte, für obsolet erklärt wird (Genau das machst du z.B. implizit mit deinem Zitat zur Tagung „EVOLUTION – Genetic Novelty/Genomic Variations by RNA-Networks and Viruses“). Mit anderen Worten: Die Evolutionsbiologen bauen einen neuen Erker an ihr Gedankengebäude an und die Kreationisten kommen daher und sagen „Aha, euer Haus hat wohl doch nichts getaugt, wenn ihr das jetzt modifizieren müsst. Na dann brauch ich euch ja gar nichts mehr glauben!“

          -Du sagst Gott steuert von “innen” die Evolution. Dann ist einfach der Zufallszahlengenerator der Welt nicht zuverlässig, sprich nicht völlig Random.
          -> Von steuern habe ich nie geredet. Das ist wieder ein vermenschlichendes Bild, mit dem ich nichts anfangen kann. Und auch der Begriff des Zufalls ist mir philosophisch ein zu heißes Eisen. Ich begnüge mich damit, dass Gott seine Schöpfung beim Evolutionsprozess begleitet – in welcher Form auch immer. Ob die einzelnen Schritte durch Gottes Wesen voherherbestimmt sind oder ob unsere Bewusstsein auch in radiärsymmetrischen, siebenfüßigen autotrophen Organismen hätten entstehen können ist für mich eine müßige Frage – weil nicht überprüfbar. (Ja, ich weiß, dass das für viele Leute keine befriedigende Antwort ist)

          – Zwischen ID und Evolutionstheorie passiert theologisch nicht mehr so viel. Die Frage ist nur noch ob Gott einmal oder mehrfach interveniert um zu schöpfen.
          -> Da bin ich tatsächlich größtenteils bei dir 🙂 Auch wenn ich wie mehrfach angeklungen selbst bei der Entstehung der Urzelle nicht von göttlicher Intervention sprechen würde.

          Und Abschließend: Die zentrale Frage ist für mich tatsächlich nicht, ob die Mechanismen von zufälliger Mutation und Selektion ausreichen, die sichtbare Komplexität zu erschaffen (s.o.), sondern welches Gottesbild man für sich schlüssiger findet:
          Einen Gott, der die Welt wie ein Handwerker einmal am Reißbrett konzipiert und es tückischerweise so aussehen lässt, als wäre sie viel älter und als hätten alle Organismen einen gemeinsamen Vorfahren. Oder einen Gott dessen schöpferische Tätigkeit mit menschlichem Vorgehen in keiner Weise vergleichbar ist, über dessen Schöpfung ich mir aber fasziniert den Kopf zerbrechen darf, um mir wenigstens den empirisch fassbaren Teilaspekt seines Schöpfens zu erschließen.

          • > Woher wissen wir, dass es ein lila Einhorn war,

            Weil die aktuelle Erklärung, dass es purer Zufall war, nicht auszureichen scheint.

            > welche Methoden hat es angewandt, welche weiteren Eingriffe sind zu erwarten?

            Wir wissen wenig über lila Einhörner. Lila Einhörner sind vermutlich nicht an Raum und Zeit gebunden. Die wissenschaftlichen Methoden allerdings schon. Vermutlich können wir lila Einhörner mit wissenschaftlichen Methoden nicht fassen.

            > Alles das kann keine mir bekannte Ausprägung von ID oder Kreationismus leisten.

            Zu verlangen, dass man jedes Detail, die Motivation und die Zukunftspläne des lila Einhorns beschreibt, ist etwas viel verlangt. Zu sagen «wenn Du das nicht liefern kannst, höre ich dir nicht zu, auch wenn du wissenschaftliche Aussagen machst» wirkt etwas trotzig.

            Negative Resultate sind auch wissenschaftliche Resultate. Wenn man belegen kann, dass eine Theorie nicht funktioniert, so ist das auch ein wichtiger Beitrag. Auch wenn der Mensch natürlich lieber positive, erklärende Erkenntnisse hat.
            Ich vermute, die moderne Wissenschaft wird künftig häufiger an sowas wie einen Erkenntnishorizont stossen. Nicht alle Wahrheiten sind wissenschaftlich ergründbar.

            > Kein seriöser Wissenschaftler würde heute behaupten, dass der Evolutionsprozess mit den von Darwin beobachteten Mechanismen vollständig beschreibbar sei.

            Vielen Dank für diese Aussage. Siehe dazu auch das Nature Zitat von Florian. Wenn man die Beschränkungen der aktuellen Theorie offen darlegen und diskutieren kann, ist für mich viel gewonnen. Leider kommt die Evolutionstheorie oft sehr arrogant rüber, im Sinne von: «Es ist alles klar bewiesen. Evolution ist ein Fakt. Wer Zweifel daran hat ist dumm oder im höchsten Grade unwissenschaftlich». Das portieren dann auch Laien, die null Ahnung von aktuellen Diskussionen im «Kern» der Theorie haben.

            > Und Abschließend: Die zentrale Frage ist für mich tatsächlich nicht, ob die Mechanismen von zufälliger Mutation und Selektion ausreichen, die sichtbare Komplexität zu erschaffen (s.o.), sondern welches Gottesbild man für sich schlüssiger findet:

            Interessant. Das erste wäre aber eine wissenschaftliche Frage. Das zweite hat mehr mit subjektiver Präferenz zu tun. Ich bin da übrigens auch eher beim zweiten Bild.

        • Merkwürdig. Du willst, dass die Evolutionsbiologen ehrlicher mit ihren Lücken umgehen und zitierst eine Konferenz, die genau das tut. Ich weiß zwar nicht genau, worauf Du damit hinauswillst, empfehle aber einfach, auch noch die folgenden Sätze aus der Anzeige in „Nature“ zu lesen, die herzlich wenig auf Intelligent Design o. ä. hinweisen:

          „Empirical evidence establishes the crucial role of non-random genetic content editors such as viruses and RNA-networks to create genetic novelty, complex regulatory control, inheritance vectors, genetic identity, immunity, new sequence space, evolution of complex organisms and evolutionary transitions. This new empirically based perspective on the evolution of genetic novelty will have more explanatory power in the future than the „error-replication“ narrative of the last century.“

          Davon abgesehen scheint mir das Wahrscheinlichkeits-Argument ein echtes Zombie-Argument zu sein – einfach nicht totzukriegen 🙂

          Der Vergleich mit den 5 Lottoziehungen unterstellt, dass wir selber logisch unabhängig von und zeitlich vor derZiehung existieren. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass 5 bestimmte Kombinationen gezogen werden, tatsächlich verschwindend klein.

          Die Analogie stimmt aber nicht. Wir sind selber sozusagen das Ergebnis. Wir existieren nur WEGEN (und deswegen zeitlich NACH) der Ziehung. Darum ist es tatsächlich plausibel, dass wir ausgerechnet in dem EINEN Universum leben, in dem unser Leben möglich ist – in welchem denn sonst?

          • > Merkwürdig. Du willst, dass die Evolutionsbiologen ehrlicher mit ihren Lücken umgehen und zitierst eine Konferenz, die genau das tut.

            Ich denke, dass die Evolutionsbiologen die Beschränkungen der aktuellen Theorie unter sich («intern») schon diskutieren. Das ist an dem Zitat und an deinem Nature Zitat ersichtlich. Wie oben bei der Antwort an Dominic geschrieben, wissen die alltäglichen Verfechter derselben Theorie oder der 0815 Bürger meist oft nix davon und kommen dann sehr arrogant rüber.

            Danke übrigens für das Nature Zitate. Ich glaube wir leben in einer spannenden Zeit. Daraus wird auch ersichtlich, dass man zwar viele Ideen hat, sich deren Erklärkraft aber noch wird erweisen müssen.

            > Darum ist es tatsächlich plausibel, dass wir ausgerechnet in dem EINEN Universum leben, in dem unser Leben möglich ist – in welchem denn sonst?

            Du setzt Multiversen also als Tatsache voraus? Da sehe ich dann tatsächlich noch weitere theologische Implikationen. Gott sprach: «Lasst uns Menschen machen.» Off-the-record kann man ihn dann noch sagen hören: «…Aber ich habe keine Ahnung wie!! Ideen? Nicht alle zusammen. …. OK, lass uns mal 100 Fantastilliarden Sandkästen bauen, viel Sand reinfüllen einen grossen Ventilator anstellen und Wasser reingiessen. Vielleicht kommt ja was Gscheites dabei raus.»

            Also der souveräne, allmächtige Charakterzug Gottes leidet da ein bisschen.

          • Ich habe kein prinzipielles Problem mit Multiversen. Ich glaube nicht, dass sinnvolle Physik herauskommt, wenn wir vorher festsetzen, dass die Physik zu unserer Theologie passen muss.

            Trotzdem setzt mein Argument natürlich keine Multiversen voraus. Es reicht, wenn es ein Universum gibt, das quasi unendlich viele „Versuche“ hat. Wenn die Wahrscheinlichkeit, dass Leben entsteht, nicht Null ist, MUSS irgend ein „Versuch“ klappen – sonst wäre die Wahrscheinlichkeit ja per Definition Null.

            Klar dauert das dann ein Weilchen, wenn selbst der „glückende“ Versuch ein paar Milliarden Jahre braucht. Das kann dem Universum aber egal sein. Das Universum hat Zeit.

    • Derek Derek

      Schließe mich Dominic an.
      Problematisch wird es auch, wenn man sich das „Design“ in der Natur anschaut, denn vieles ist da nicht besonders intelligent designt. Warum haben Wale oder Seeschlangen beispielsweise Lungen und müssen alle paar Stunden auftauchen? Warum können Meeresschildkröten ihre Eier nicht geschützt unter Wasser legen, anstatt sich mühsam an Land zu quälen, tiefe Löcher zu graben, um dann doch den größten Teil des Nachwuchses an Fressfeinde zu verlieren? Das hätte ein intelligenter Designer besser hinbekommen können… Man kann sich nicht nur vermeintliche Rosinen wie die Bakterienflagelle rauspicken, man muss dann schon alles unter „Designaspekten“ betrachten. Und da kommt man dann insgesamt zu dem Ergebnis, dass ein natürlicher Prozess die deutlich sinnvollere Erklärung darstellt, als ein supranaturalistischer Eingriff…

  1. Hilde Hilde

    Danke für diesen Talk, der wirklich informativ ist; perfekt für den Sonntagmittag auf dem Sofa . Ich hab mich keine Minute gelangweilt, sondern wie ein Luchs aufgepasst, um alles mitzubekommen . So viel Infos, das Thema wurde hierwirklich ernst genommen .
    Evolution und Schöpfung waren bzw. sind für mich, auch in meiner „Fundi-Zeit“ , wie Jay es nennt, eigentlich nicht soo wichtig für den Glauben . Aber ich denke gerade: gut, sich mal die Größe des Universums vor Augen zu halten und die Jahrmillionen . Der Schluss war super ! Der Mensch ist nur ein Staubkorn und mein Leben auch . Das wirkte jetzt auf mich wie ein gutes Gegengewicht zur Haltung, wir seien der Mittelpunkt der Welt und Gott müsse sich die ganze Zeit um uns drehen .
    Und der Tod. Ja, das ist aus meiner Perspektive ein schlimmer Verlust und tut weh. Aber für das Ganze , vom ganzen Universum her betrachtet, ist er etwas normales, gehört zum System . Auf keinen Fall ein SuperGAU . Da sehe ich wieder die zwei Perspektiven und finde das irgendwie beruhigend: hier ist mein persönlicher Verlust, doch der Lauf der Welt ist nicht aus den Fugen .
    Naturwissenschaft kann beides, einen auf den Boden holen und den Horizont erweitern, was beides den Glauben inspiriert .
    Vor kurzem habe ich in einem Vortrag gelernt : im Islam galt in früheren Jahrhunderten die Erforschung der Natur als Gottesdienst und Gotteslob . Deshalb war z.B. im Mittelalter in Arabien die Medizin so fortschrittlich . Heute sehen das leider nicht mehr alle Muslime so, aber traditionell haben die Naturwissenschaften im Islam ein sehr hohes Ansehen, viel höher als im Christentum . Daran können wir uns ein Beispiel nehmen, anstatt Angst vor der Wissenschaft zu haben . Nochmal vielen Dank, besonderers an Dominic .

  2. Dominic Dominic

    Hallihallo,
    da man ja nicht immer alle Fakten im Kopf hat, bzw. manchmal der Mund schneller ist als das Hirn, will ich noch kurz ein paar Richtigstellungen zu meinen Aussagen in der ersten Hälfte nachliefern:
    1. Die einzige Kakteenart außerhalb Amerikas ist Rhipsalis baccifera. Diese kommt nicht nur in Westafrika, sondern in weiten Teilen Afrikas und Asiens vor. Der Zusammenhang zwischen Südamerika und Westafrika (sowie der Antarktis) zeigt sich v.a. in den Verbreitungsmustern von fossilen Tier- und Pflanzenarten.
    (https://www.geolsoc.org.uk/Plate-Tectonics/Chap1-Pioneers-of-Plate-Tectonics/Alfred-Wegener/Fossil-Evidence-from-the-Southern-Hemisphere)
    2. Ab 0:26:00 rede ich immer von ATP-ase, meine aber ATP-Synthetase.
    3. Die Fähigkeit zur VitaminC-Synthese fehlt bei Knochenfischen, Primaten, Meerschweinchen, Fledertieren und mehreren Vogelgruppen. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3145266)

  3. Derek Derek

    Vielen Dank für die Folge!
    Wollte das Thema auch schon vorschlagen, hatte dann aber die Bedenken, dass ich dann am Ende eingeladen werde 😉
    Mit dem Tod als wichtigem Bestandteil der Evolution habe ich mich zunächst auch schwer getan. Irgendwann ist mir ein Perspektivwechsel gelungen: Im Gegensatz zu uns Menschen gibt es in der Natur keinen Abfall. Das heißt jeder Tod, ob durch vermeintlich „böse“ Raubtiere oder durch Altersschwäche, ermöglicht einem anderen Lebewesen das Dasein. Dadurch ist jedes Lebewesen eingespannt in den großen Kreislauf des Lebens und mit allen anderen Lebewesen verbunden. Das ist an sich schon ein wunderschöner Gedanke.
    Wenn man dann noch Joh 12,24-25 dazu nimmt („Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer sein Leben liebt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben.“) verflüchtet sich für mich jedweder Widerspruch. Im Gegenteil, Ps 104 feiert gerade diese ökologischen Zusammenhänge.
    Des Weiteren muss auch die „wörtliche“ Lesart von Gen 2 den Tod beinhalten, da selbst bei vegetarischer Ernährung mindestens Zelltod vorhanden sein muss. Letztlich geht der Tod immer auf Entropie zurück, wie aber in dieser unserer Welt ein Leben ohne Entropie vonstattengehen soll, ist für den Kreationisten nicht erklärbar. Die ganze Zellphysiologie funktioniert nur dank Entropie…
    Somit ist der Tod nur bei oberflächlicher Betrachtung ein Problem bei der Vereinbarung von Evolution und Theologie, vielmehr stellt die Unmöglichkeit einer Welt ohne Entropie ein Problem für den Kreationisten dar.

    Weitere Empfehlungen:
    Darrel Falk: Evolution für Evangelikale: Friedensschluss zwischen Glaube und Biologie. Buchverlag Dr. Mark Marzinzik
    Hansjörg Hemminger: Und Gott schuf Darwins Welt – Der Streit um Kreationismus, Evolution und Intelligentes Design. Brunnen Verlag 2009
    https://thenaturalhistorian.com/

  4. Prima Thema!!

    Von meiner Seite noch eine kleine Ergänzung zur Wissenschaftstheorie. Dominic hat das eigentlich schon ganz gut auf den Punkt gebracht, ich möchte das aber noch ein bisschen ausführen, weil mir der Kreationismus da oft zu gut / zu schnell wegkommt.

    Dominic sagte: (Natur)Wissenschaft kann nichts „beweisen“. Damit bezieht er sich mehr oder weniger auf die Wissenschaftstheorie von Karl Popper. Poppers Frage lautet: Wie können wir von einzelnen Beobachtungen zu allgemeinen Sätzen kommen (Induktionsproblem)? Seine Antwort: gar nicht. Es geht nur umgekehrt. Wir können irgendeine Hypothese aufstellen und dann schauen, ob die Erfahrung dazu passt. So lange die Erfahrung ihr nicht widerspricht, funktioniert sie vorläufig (!), wenn die Erfahrung ihr widerspricht, ist sie falsch – „falsifiziert“. Und erst dann wissen wir wirklich etwas „sicher“: Nämlich dass diese Hypothese nicht allgemein gilt.

    Das Modell ist also nicht: Beobachtung –> Erklärung suchen –> Wahrheit wissen, sondern: Hypothese aufstellen –> Erfahrung suchen –> Hypothese behalten oder verwerfen.

    Was ist dann eine wissenschaftliche Hypothese? Popper sagt: Sie muss vor allem „an der Erfahrung scheitern können“. Damit Hypothesen falsifizierter sind, müssen sie es erlauben, bestimmte Prognosen aufzustellen, die man dann in der Erfahrung prüfen kann und die dann so oder so ausfallen können.

    Beispiel: WENN die Evolutionstheorie wahr ist, dann müssten wir sehr große genetische Übereinstimmungen z. B. Schimpansen haben. Siehe da: Das stimmt, Hypothese bewährt.

    Aber was ist, wenn die „Schöpfungstheorie“ stimmt? Wenn Gott die Welt wirklich geschaffen hat, was genau müsste dann konkret der Fall sein? Was genau müsste ich dann zwingend in der Welt beobachten können? Und warum würde das notwendigerweise aus einem Schöpfergott folgen?

    Genau hier scheitert das Modell. Es gibt keine solche Prognose. Ich weiß gar nicht, was ich da überprüfen soll. (Außer man nimmt evtl. den Wortlaut der Bibel als Prognose und stellt fest, dass es keine „Feste“ zwischen den Wassern unten (Erde) und oben (Himmel) gibt – falsifiziert, fertig, aus). Dass man den Schöpfer nicht widerlegen kann, macht den Kreationismus gerade NICHT wissenschaftlich, sondern GENAU DAS macht ihn unwissenschaftlich.

    Man kann sich zwar alle Beobachtungen in der Natur so drehen, dass sie zum Modell passen. Das macht das Modell aber eben noch nicht zu einem naturwissenschaftlichen Modell (jedenfalls im Popperschen Verständnis).

  5. der Daniel der Daniel

    Huhu,

    zunächst einmal vielen Dank für den gelungenen Talk, der einen wirklich guten ersten Einblick in ein super komplexes Thema leistete, das wahrscheinlich auch in hundert Talkrunden noch nicht annähernd erschöpfend behandelt werden könnte. Das Highlight war für mich dabei ganz klar der Poetry-Slam-Text von Dominik. Genial geschrieben und sehr schön vorgetragen! Vielen Dank!

    Probleme habe ich persönlich allerdings immer dann, wenn in einem Hossa-Talk der „Panentheismus“ thematisiert wird (was ja bereits mehrmals vorkam), aber dann leider nicht die zahlreichen, damit verbundenen Probleme diskutiert werden.
    Aber gut, das ist tatsächlich ganz einfach mein persönliches Problem und es muss ja nicht zwangsläufig zwischen „Einheit in Differenz Panentheismus“, „kenotischer bi-direktionaler Panentheismus“ und “ modal starkem bi-direktionalen Panentheismus“ unterschieden werden. Am End‘ führte das wahrscheinlich auch alles zu weit?

    Gleichwohl ist das halt eins der wenigen Themen, wo ich Jay und Gofi einfach nicht recht geben kann. Und mich würde echt mal interessieren, wie intensiv sie sich mit dem Thema“ Panentheismus“ auseinandergesetzt haben?

    Es gibt da für mich halt einfach so Reizworte wie zum Beispiel den Begriff der „Göttlichen Schöpferkraft“, der ja auch in dem Talk mit A. M. Apelt immer wieder genannt wurde, die mich ganz fürchterlich triggern.
    Vor allem dann, wenn man damit tatsächlich das evolutive Geschehen auf diesem Erdenrund meinen sollte.
    Denn ein völlig natürliches Geschehen aus Zufall und Notwendigkeit, getrieben von ziellosen Kräften, die alles zum Preis unvorstellbarer Grausamkeit lediglich ermöglichen, aber nichts davon wirklich wollen und deren Ende bereits heute in Form eines allesumfassenden Kältetodes absehbar ist, mag ich nun wirklich nicht als „Göttliche Schöpferkraft“ bezeichnen.
    Unser Universum braucht deshalb meiner Meinung nach keinen übernatürlichen Schöpfer (das läuft ja alles ganz natürlich ab, wie wir heute wissen dürfen/können) , sondern dringendst einen übernatürlichen Retter.
    Und angesichts der Grausamkeit in der Natur bin ich froh, dass ich nicht aus den Naturzusammenhängen auf einen Gott rückschließen muss, sondern mir von Jesus sagen lassen kann „wer mich sieht, sieht den Vater“.
    Aber gut, zu diesem Thema hat Epikur ja bereits vierhundert vor Christus alles Wesentliche gesagt….

    Ich finde es halt nur befremdlich, wie verklärt auch heute noch weite Teile der Christenheit auf die Natur blicken. Nur in einem wirklich sehr begrenzten Rahmen scheint sie mir persönlich göttlich. Vielmehr tobt da aber eigentlich der Kampf jeder gegen jeden und die Natur ist jederzeit bereit irgendeinen blöden Organismus, wie aktuell ein Virus, irgendeinem geliebten Menschen an unserer Seite vorzuziehen, um diesen ggf. elendig verrecken zu lassen. „Göttliche Schöpferkraft“? Ne, echt nicht! Blinde, auf Naturgesetze beruhende Vollzüge in Raum und Zeit? Scheint mir doch sehr viel schlüssiger.

    Sorry für den langen Text, aber da musste ich mich mal auskotzen.

    LG
    der Daniel

  6. toblog toblog

    Hallo Dominic,
    soweit ich dich verstanden habe, denkst du, dass sich alles biologische Leben auf natürliche, materielle und empirisch fassbare Weise entwickelt hat – ohne einen Eingriff durch eine externe Kraft. Mir ist bei dem Ganzen die Betrachtung des absoluten Anfangs noch etwas zu kurz gekommen. Was kommt vor deiner Vorannahme? Wo kommt die Ursuppe denn her? Muss man dazu nicht auf eine Ursache schlussfolgern? Ist diese Ursache dann spirituell? Falls du dir dazu eine Ansicht gebildet hast, wäre das für mich interessant.

    • Dominic Dominic

      Hallo toblog,
      da ist glaube ich nach ca. einer Stunde eine für das Verständnis relativ wichtige Passage dem Schnittprozess zum Opfer gefallen. Darin nehme ich Bezug auf die Kosmologie von Pierre Teilhard de Chardin:
      Teilhard geht erstens davon aus, dass die Dinge eine empirisch fassbare „Außenseite“ und eine metaphysische „Innenseite“ haben. Zweitens beobachtet er, dass in der Geschichte des Kosmos ein zyklisches Zusammenspiel von Divergenz und Konvergenz zu beobachten ist. D.h. die Materie diversifiziert sich zunächst in verschiedene Atome und Konvergiert dann wieder in Molekülen. Die Moleküle divergieren in verschiedene Stoffe und konvergieren im belebten System. Das Lebendige divergiert in verschiedene Arten (Evolution) und konvergiert im Bewusstsein. Das Bewusstsein schließlich divergiert in verschiedene Individuen und Gesellschaften. Teilhard nimmt nun an, dass eine Konvergenzbewegung folgen muss, die in Gott, bzw. in seinen Worten „dem kosmischen Christus“ münden wird. So ganz grob zusammengefasst.
      Für mein Gottes- und Weltverständnis ergeben sich daraus folgende Schlüsse:
      Alles existierende ist aus Gott entsprungen und wird wieder in Gott münden, d.h. in eine Seinsform übergehen, die mit unserer materiellen Welt nicht vergleichbar ist.
      Auf dem Weg dazwischen hat das Seiende nun diese materielle „Außenseite“, die der Untersuchungsgegenstand der Naturwissenschaften ist. Zusätzlich hat es aber auch die metaphysische Innenseite, die u.a. Gegenstand der Theologie ist.
      Ich denke also, dass die Naturwissenschaften die ihnen überwiegend zugänglichen Prozesse (Urknall, Evolution) mit Kausationen im naturwissenschaftlichen Sinne zutreffend beschreiben können, es jedoch Aspekte der Realität gibt, über die sie keine Aussagen machen können. In Anlehnung an das Vier-Ursachen-Modell von Aristoteles könnte ich hier z.B. die Bildhauer-Metapher heranziehen.
      Wenn ein Bildhauer eine Figur herstellt, kann man das auf verschiedene Weisen beobachten: Man kann rein technisch fragen, wo, wann, wie genau der Bildhauer das Material abträgt, um zum letztendlichen Ergebnis zu kommen. Man kann aber auch fragen, warum er auf genau dieses Ergebnis hinarbeitet, wer ihm den Auftrag dazu gegeben hat, welche ästhetischen Kriterien im Spiel sind usw.
      So ähnlich sehe ich auch das Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion. Die Naturwissenschaft kann den Evolutionsprozess (und alles was sich davor auf astrophysikalischer Ebene abgespielt hat) im Rahmen ihrer Fragestellungen vollständig beschreiben. Das, was auf der metaphysischen „Innenseite“ vorgeht, ist für mich nicht übernatürlich im Sinne von Zauberei, sondern einfach ein anderer Aspekt der Realität, dem man sich über andere Fragestellungen und Methoden annähert.
      Ich kann hier das Buch „Der Fall Darwin“ von Christian Kummer sehr empfehlen, der das ganze genauer ausführt. Sein Fazit ist „Gott macht, dass die Dinge sich machen“ und das finde ich eine recht treffende Beschreibung.
      Gott ist nicht einfach der Töpfer, der alles in sechs Tagen fertig macht und dann außerhalb der Schöpfung existiert, sondern Gott ist bei allem Werden auf der „Innenseite“ dabei, ohne dass dabei in der Außenansicht Naturgesetze zwischendurch außer Kraft gesetzt werden müssten. Gott ist so gesehen Ursache und Ziel des Seins und des Werdens.
      Ich hoffe das war jetzt nicht zu wirr, aber wo Gott anfängt, hören die Worte nunmal auf 😉

      • toblog toblog

        Danke für deine ausführliche Antwort. Mit der Konvergenz-Divergenz-Theorie habe ich noch nicht beschäftigt. Doch frage ich mich, ob eine solche transzendente metaphyische Innenseite uns zugänglich ist und diese Gegenstand der Theologie sein kann? Denn das innere Wesen Gottes ist doch eine absolute Grenze jeglicher Theologie (z. B. wie die Dreieinigkeit genauer zusammenhängt). Worüber man Theologie treiben kann ist doch nur das, was Gott von dieser Innenseite über sich offenbart hat. Und das sind nun mal seine souveränen Offenbarungen in Raum und Zeit. Oder nicht?

        • Dominic Dominic

          @toblog:
          Ja, da hast du das, was ich nur angerissen habe nochmal völlig berechtigt ausdifferenziert. Volle Zustimmung!

      • der Daniel der Daniel

        Hallihallo,

        aha, „Gott macht also, dass die Dinge sich machen“? Ich frage mich was Mr. Occam wohl dazu zu sagen hätte? Mhm, egal, aber wo macht er das denn eigentlich? Unterhalb, oder innerhalb einer Planck Länge? Weil danach machen sich die Dinge dann ja doch irgendwie selbst….

  7. toblog toblog

    Es wundert mich, wie schnell hier einige eine Freundschaft mit Gevatter Hein schließen wollen. Nur weil die evolutive Höherentwicklung und eine Auferrechterhaltung des biologischen Systems heute ohne (Zell-)tod nicht erklärbar ist.

    Hier gebe ich zu bedenken, dass nach der biblischen Weltanschauung uns heutzutage ein Cosmus in Zustand vor dem Sündenfall gar nicht mehr zugänglich ist, weil die gesamte Schöpfung hierin hineingezogen wurde und nach Paulus der Erlösung harrt. Insofern findet sämtliche naturwissenschaftliche Forschung auf dem Gegenstand einer bereits gefallenen Schöpfung statt.

    Gegenargumente werden gerne angenommen.

    • Dominic Dominic

      Oh, darauf habe ich schon lange gewartet:
      Wenn wir von einem biblizistischen Weltbild (eine biblische Weltanschauung in diesem Sinne existiert nämlich nicht) ausgehen, dann sind folgende Fakten über den Kosmos vor dem Sündenfall bekannt:
      – Land und Meer sind räumlich begrenzt
      – Mensch und Tier pflanzen sich fort
      – Alle Tiere waren Herbivoren
      – Alles war „sehr gut“

      Damit ergeben sich u.a. folgende Fragen:
      – Was hätte Gott gemacht, wenn die Erde vor dem Sündenfall überbevölkert gewesen wäre?
      – Wo befindet sich das Tor zum Garten Eden? Normalerweise müssten dort irgendwo im Zweistromland nach wie vor die Cherubim wache schieben.
      – Hatten Löwen und Wölfe vor dem Sündenfall noch ein Pflanzenfressergebiss und einen entsprechenden Verdauungstrakt? Hatten sie Hufe oder nutzlose Krallen? Wenn das ihre ursprüngliche Gestalt war, darf man die heutigen Varianten überhaupt Löwe und Wolf nennen?
      – Wie lang brauchte Adam, um die 1,4 Millionen rezenten Tierarten zu benennen zuzüglich der bei der Sintflut ausgestorbenen Arten. Wie hat Gott ihm die Tiefseefische vorgeführt?
      – Verlief der Rückläufige Kehlkopfnerv der Giraffe schon vor dem Sündenfall um die Aorta herum (übler Konstruktionsfehler) oder ist diese Angleichung an den üblichen Säugetiergrundplan erst nach dem Sündenfall erfolgt?
      – Haben Wale und Delfine ihre Kiemen durch den Sündenfall verloren? Wenn ja, warum durften die „echten“ Fische ihre Kiemen behalten?
      – Wie kann es noch über 300000 Pflanzenarten geben, wenn Noah keine mit auf die Arche genommen hat? Die meisten Pflanzen wären während der Sintflut mit den Tieren „ertrunken“ und nur ein Bruchteil der bekannten Pflanzenarten hätte die vierzigtägige überstauung als Same überdauern können.
      – ich könnte Stundenlang so weitermachen

      Fazit: Das Gefallene-Schöpfung-Argument mag ein paar Fragen elegant beantworten, wirft bei näherem Hinsehen aber tausend neue auf.

      • toblog toblog

        Antwort auf alle Fragen: Wir wissen es nicht. Aber ob diese Fragen wirkliche Gegenargumente darstellen? Wenn der Tod in der heutigen Form noch nicht zur Herrschaft gelangt war, lief vermutlich eh alles ganz ziemlich anders ab.

        • Letztlich können wir doch bloß ernstzunehmend etwas über das Jetzt sagen. Also egal, ob man einen Sündenfall postuliert oder nicht, aus wissenschaftlicher Perspektive scheint der Tod zur Entwicklung des Lebens dazuzugehören. Alles andere bleibt Spekulation oder religiöses hochpolieren heiliger, poetischer Texte. Will sagen, selbst wenn wir die Schöpfungsberichte für bare Münze nehmen, bleibt deren Interpretation doch ein spekulatives Geschäft. Mit den Ergebnissen der Biologie kann man wenigstens arbeiten.

          LG,
          der Jay

          • toblog toblog

            Hallo Jay,
            hab es mir jetzt nochmals angehört. Erstmal vielen Dank für den Talk an euch drei! Obwohl ich jetzt nicht alles teile, war das schon sehr hilfreich. Wenn ich es recht verstehe, dann versucht ihr ja die theologische Substanz von Gen. 3 zu erhalten, ohne dass dies jetzt ein konkretes Einzelgeschehen sein müsste.

            Wo ich mich aber irre schwer tue, ist, dass Gott als die Quelle des Lebens den Tod als lebenschaffendes Instrument benutzt haben soll. Es gibt ja auch die Auslegung, dass die Schöpfung gerade als eine Zurückdrängung von Chaos- und Todesmächten geschah, die eine uralte(?) Urschöpfung ins Tohuwabohu getrieben haben.

            Gruss Tobias

          • Ein berechtigter Einwand, Tobias.

            Auf der anderen Seite könnte es sein, dass das Leben und Sterben im ganzen Universum von einem Gott zeugt, zu dessen (liebendem) Wesen es gehört, sich selbst zu opfern.

            Von Jörg Splett stammt der Satz: Das Leben ist nichts mehr wert, wenn einem nichts mehr wert ist als das Leben.

            Es könnte ja sein, dass Glaube, Liebe und Hoffnung diejenigen Bausteine sind, auf denen die Ewigkeit fußt und vielleicht können wir nur im Angesicht des Todes wirklich verstehen, was das bedeutet.

            Ich bin dann eher bei Karl Räuber, der von einem Tod vor und nach dem Sündenfall (der Sünde) spricht: ein Tod zum Leben und ein Tod zum Tod.

    • Ich bin nicht ganz sicher ob es „die“ biblische Weltanschauung gibt. Und was genau dazu gehört (z. B. die bereits erwähnte „Feste“, die zwischen den Wassern im Himmel und auf der Erde „scheidet“? Die „Enden der Erde“ oder das „äußerste Meer“? Flat Earth Theory anyone?

      Im Talk wurde ja deutlich, dass die Autoren nicht mal hinsichtlich der (ziemlich wichtigen?) Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, ganz einig sind.

      • toblog toblog

        Ja, ich habe schon gezögert, ob ich „biblische“ Weltanschauung schreiben soll – weil man das verschieden auffassen kann. Was ich _nicht_ meinte, ist, eine naiv, unreflektierte Art und Weise, verwendete Begriffe der Bibel 1:1 in eine naturwissenschaftliche Beschreibung übernehmen zu wollen. Sondern eher: Was sind die Essentials einer biblischen Weltanschauung, die man nicht mehr wegstreichen kann? Dazu gehört m. E. schon eine Trennung des Menschen von Gott und eine Verfluchung der Schöpfung. Immerhin finden wir uns gefühlt außerhalb des Paradieses wieder. Warum gibt es in einer hochkomplexen funktionierenden Natur so einen blöden Virus?

        • Mal rein interessehalber.

          Wo steht denn in der Bibel wörtlich (!!), dass die Menschen durch den Sündenfall o.ä. Grundsätzlich (!) von Gott getrennt sind?

        • toblog toblog

          @Florian: Ich nehme jetzt nicht an, dass du von mir einen Hinweis auf die Vertreibungs aus dem Paradies erwartest. Aber wenn Jesus sagt, dass er gekommen sei, zu suchen und selig zu machen, was _verloren_ ist (Luk. 19,9), dann ist das schon ein starker Ausdruck. Vgl. auch das wohl meistzitierte Wort in Joh. 3,16. Und es ist Gottes Wille, dass alle gerettet werden. Aber von einem Automatismus ist nicht die Rede. Auch der verlorene Sohn im Gleichnis. kommt ja an den Punkt, wo er sagt: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen (Luk 15,18).

          Über alle Themen der Ferne oder Nähe zu Gott zu schreiben bis hin zum Neuen Jerusalem, wo Gott Wohnung bei den Menschen nimmt, das würde allerdings dieses Format sprengen und auch nicht zum Thema passen.

          • Für mich ist dieser semantische Zusammenhang nicht zwingend.

            Wenn ich einen Schlüssel „verloren“ habe – kann ich dann sinnvollerweise sagen, dass der Schlüssel „getrennt von mir“ ist?

            Auf den ersten Blick ja. Er ist nicht da, wo ich ist. Das bedeutet aber nicht, dass es eine sozusagen unüberbrückbare Barriere zwischen uns gibt. Genau das behauptet aber die klassische Sühnetheologie. Die liest in den Begriff „verloren“ etwas hinein, was da m. E. gar nicht steht. In den Gleichnissen ist „verloren“ ja auch ganz im alltäglichen Sinn gemeint – man verliert einen Groschen oder – als Hirte – ein Schaf.

            Und ausgerechnet der „verlorene Sohn“ ist ja gerade NICHT vom Vater getrennt. (wir verlassen das Thema Evolution für eine wichtige Durchsage) Das ist doch DER PUNKT an der ganzen Geschichte. Er darf einfach rein, kommt gar nicht dazu, sich zu entschuldigen und alles ist einfach wie vorher. Bämm.

            Und in allen diesen Stellen – inkl. Joh. 3,16, wird auch gerade nicht „Sünde“ als Ursache einer solchen Trennung genannt.

            Ich finde diesen Befund für eine Theologie, die sich häufig einiges darauf zugute hält, die Bibel „wörtlich“ zu nehmen, irgendwie interessant.

          • toblog toblog

            @Florian: Sünde trennt also nicht von Gott? Das habe ich jetzt so noch nie gehört.

          • Katja Katja

            @Tobias&Florian
            Ich finde, die Bibeltexte sind da nicht so ganz klar.
            Einer völligen, grundsätzlichen Trennung durch Sünde widerspricht, dass in dem Text, der als „Sündenfall“ betitelt wird, nirgends von Sünde die Rede ist. Die Trennung von Gott/ den Bruch in der Beziehung vollziehen die Menschen selbst, weil sie sich verstecken, und zwar nicht aufgrund von Schuldgefühlen, weil sie gegen ein Gebot verstoßen und gesündigt haben, sondern aus Scham, weil sie nackt sind.
            Nach dem „Rauswurf“, der eigentlich eher ein Hinausbegleiten mit Kleidern als give-away ist, ist Gott ja immernoch mit den Menschen in Kontakt. Er redet mit ihnen, sie können mit ihm reden, er sendet Engel, hilft ihnen später aus der Sklaverei, begleitet sie in der Wüste als Feuer- und Wolkensäule, lässt Propheten sprechen, gibt ihnen Zugangsmöglichkeiten im Kult an die Hand usw. Im NT heißt es, Gott kam in Jesus „in sein Eigentum“, zu „den Seinen“ (Joh 1,11) – das passt mit einem völligen Getrenntsein nicht zusammen.
            Allerdings gibt es im NT ja auch die Aussage, dass wir durch Jesus den „Zugang“ zum Vater haben (den wir ja nicht extra bräuchten, hätten wir ihn eh schon), es gibt das Bild des zerissenen Vorhangs zum Allerheiligsten, die Vorstellung bei Paulus (Römerbrief), dass wir durch Jesus „losgekauft“/ „frei geworden“ sind von der Herrschaft der Sünde (d.h. wir gehör(t)en einer anderen Instanz als Gott), Gleichnisse, in denen Leute „draußen“ bleiben oder nach „draußen“ geschickt werden…

          • toblog toblog

            Hallo Katja und Florian,

            ja, natürlich hat Gott nicht sämtliche Verbindungen zu uns gekappt, wie du es ja auch schön dargelegt hast. Ansonsten wäre der Mensch vermutlich auch nicht mehr da. Andererseits können wir ihn auch nicht mehr jeden Tag körperlich umarmen.

            Allerdings hilft es auch keinem, den Sündenbegriff in seiner Bedeutung zu unterschätzen. Sünde ist m. E. nicht zuletzt ein Beziehungsbegriff zwischen Personen. Der hat mir, die hat mir das und das getan… Alle können ein Lied davon singen. Darunter leidet dann eine Beziehung, ist belastet oder sogar zerstört.
            Daher kann man sich sehr leicht ausmalen, dass es gerade auch für die Beziehung zu Gott einen Unterschied macht, wie jemand zu seiner Sünde steht, ob man diese erkennt und bereut. Oder ob der Diktator auf seinen Leichbergen steht und fragt: „War da was?“ und einen reichen Eingang in den Himmel erwartet.

            Gruss

          • Katja Katja

            Hallo Tobias,
            ich hatte nicht die Absicht, den Sündenbegriff in seiner Bedeutung zu unterschätzen.
            Ich wollte lediglich darauf aufmerksam machen, dass eben dieser Begriff in der Erzählung vom „Sündenfall“ nicht vorkommt. Und dass es in dieser Erzählung nicht die Erkenntnis von Sünde ist, die Adam&Eva beschämt und sie bereuen lässt. Sondern eine plastisch ausgemalte Störung in der Intimität der Gott-Mensch-Beziehung, oder vllt auch das Gewahrwerden der eigenen Verletzlichkeit.
            Übrigens möchte ich auch Paulus ein Stück weit widersprechen: Ich sehe hier nicht, dass durch Adam die Sünde in die Welt kam und mit ihr der Tod. Sondern dass die Sünde, bzw. die Option zur Sünde schon da war (repräsentiert in Form der Schlange – die ja nicht Adam erst in den Garten gelassen hat, sondern die irgendwie aus dem Nichts plötzlich da war) und dass die beiden Menschen nach dem „Sündenfall“- anders als angekündigt – nicht gestorben sind.

          • toblog toblog

            Die Sicht, dass Sünde ihren Ursprung nicht im Menschen hat, teile ich auch. Erstmal viel Dank für die Diskussion.

    • Derek Derek

      Die Frage, die ich oben schon einmal gestellt habe, kann ich auch gerne nochmals stellen:
      Wenn alle Prozesse, die wir kennen, der Entropie unterliegen, auch die, die in den ersten Seiten der Bibel genannt sind, wie z.B. die Notwendigkeit Nahrung aufzunehmen oder das Leuchten der Sterne, wie soll da die Entropie erst mit dem Sündenfall eingesetzt haben? Dann wäre das Vorher auch eine so völlig von unserer Welt unterschiedene Schöpfung, dass es quasi keine Überschneidungen gäbe und wir keinen Zugang dazu hätten. Das kann man postulieren, wenn man lustig ist, aber das hat keinerlei Erklärungsgehalt. Genausogut kann man postulieren, dass wir vor 5min geschaffen wurden, mit allen nötigen Erinnerungen. Das kann man schön postulieren, man kann es halt nicht nachprüfen. Dagegen haben wir viele Theorien, die schon lange erfolgreich unseren Kosmos erklären können, die man jederzeit nachprüfen kann. Wenn ich dazwischen wählen muss, fällt mir die Wahl nicht so schwer.

  8. Franz Egli Franz Egli

    Was mir auffällt: Es wird von Dominic ein Zerrbild, eine Karikatur des Gegners (Kreationist) aufgebaut, die dann demontiert wird. Beispiel fehlende „Missing-Links“: Dominic behauptet, die Kreationisten würden, wenn von der Wissenschaft ein neues Missing-Link gefunden worden sei, statt einer Lücke einfach zwei Lücken postulieren. Dem ist aber nicht so. Vereinfacht ausgedrückt argumentieren die meisten „Kreationisten“ so, dass ein von der Schulwissenschaft angeführtes Missing-Link Eigenschaften besitze, die weder zur Stammform noch zur (den) Folgeform(en) im Stammbaum passen. Die Tendenz, gegnerische Aussagen und Taten zu karikieren, um sie dann besser widerlegen bzw. in ein schlechtes Licht stellen zu können, beobachtet man bei der Bildung einer „Blase“ gleichgesinnter Leute. Diese Blasen-Tendenz kann ich im Übrigen auch bei den „Kreationisten“ ausmachen.

    Wäre es nicht angezeigt, sich gegenseitig ernst zu nehmen? Die Aussagen von Dominic: „Dafür ist mir meine Zeit gerade einfach zu schade …“ im Kommentar zu Günter Bechli kommt mir sehr überheblich daher. Es kann ja nicht sein, dass alle Argumente der „Kreationisten“ haltlos sind.

    Letztlich sehe ich es so: Wie auch viele „Kreationisten“ denkt Dominic zu wenig gross von Gott. Gott kann die Kette von Ursache und Wirkung durchbrechen, und das hat er meiner Meinung nach auch getan! Gott gab dem Menschen den freien Willen. Wir können an ihn glauben oder auch nicht. Könnte man ihn anhand der Naturwissenschaften oder anhand geschichtlicher Fakten beweisen, müssten wir an ihn glauben, mit Betonung auf „müssen“. Das wäre ein Widerspruch von entscheidender Bedeutung. Darum hat er dafür gesorgt, dass es keinen innerweltlichen Beweis für ihn gibt. Paulus sagt: Sein Geist gibt uns Zeugnis! Lässt man diese Spannung zwischen weltlichen und geistlichen Erkenntnissen nicht zu, will die Welt rein innerweltlich erklären und beim „halballmächtigen“ Gott bleiben, so gibt es keinen Sündenfall. Der Tod ist und war immer eine Notwendigkeit und nicht ein Feind, den Jesus durch Kreuz und Auferstehung überwunden hat. – Und genau an diesem Punkt wird das Gespräch von Hossatalk #140 unverbindlich und spekulativ.

    • Das hat Dominic so nicht gesagt. „Missing Link“ bedeutet ja wörtlich, dass es eine Form gibt, die zwischen zwei Formen fehlt. Und Dominic hat darauf aufmerksam gemacht, dass man zwischen zwei Formen immer beliebig viele Missing Links dazwischen-denken kann.

      Was dabei untergeht, ist die Frage nach der Beweislast. Wir reden hier von naturwissenschaftlichen Theorien. Die müssen Daten prognostizieren und dann messen können. Der Kreationismus kann gar nichts prognostizieren, darum ist er keine Wissenschaft. Das gibst Du im letzten Absatz, den Du schreibst, sogar selbst zu. Allerdings behaupten Kreationisten genau das: dass sie auch Wissenschaft betreiben und von der Elite, der Verschwörung oder wem auch immer unterdrückt würden.

      Die – materielle – Welt KANN man auch nur innenweltlich erklären. Wie denn sonst. Es geht ja um die Welt selbst. Zum besseren Verständnis schlage ich vor, den ziemlich weit gefassten Begriff „Welt“ in diesen Fragen erst mal zu vermeiden und durch „Universum“ zu ersetzen, das wäre die Sphäre, die von den Naturwissenschaften beschrieben wird: Teilchen, Kräfte, Ausdehnung usw.

    • Derek Derek

      Bei der Frage, ob nicht vielleicht doch Argumente der Kreationisten Berechtigung haben, sei nochmal auf die Seite http://talkorigins.org/ verwiesen. Ich kenne kein kreationistisches Argument, was da nicht auseinander genommen wird (zumindest keines der Hauptargumentationslinien).
      Was den Hinweis auf den Umgang mit missing links angeht, so ist die Aussage zwar humoristisch überspitzt, aber inhaltlich zutreffend (siehe z.B. die Mühen bei der Einordnung der Homo-Naledi-Funde: https://thenaturalhistorian.com/2017/06/05/bones-of-contention-v-young-earth-creationists-continued-confusion-over-homo-naledi-fossils/).

    • Dominic Dominic

      Hallo Franz,
      zunächst die fachliche Seite:
      – Vereinfacht ausgedrückt argumentieren die meisten “Kreationisten” so, dass ein von der Schulwissenschaft angeführtes Missing-Link Eigenschaften besitze, die weder zur Stammform noch zur (den) Folgeform(en) im Stammbaum passen
      -> Ja, weil hier ein falsches Verständnis von Missing Link vorliegt. Siehe:
      http://talkorigins.org/indexcc/CC/CC214_1.html
      http://talkorigins.org/indexcc/CC/CC202.html
      https://ncse.ngo/misconception-monday-missing-links

      Was die Metaebene der Diskussion betrifft:
      – Wäre es nicht angezeigt, sich gegenseitig ernst zu nehmen? Die Aussagen von Dominic: “Dafür ist mir meine Zeit gerade einfach zu schade …” im Kommentar zu Günter Bechli kommt mir sehr überheblich daher. Es kann ja nicht sein, dass alle Argumente der “Kreationisten” haltlos sind.
      -> Siehe hierzu bitte zunächst meine jüngste Antwort auf den Post von Bravesoul
      Und ja, wahrscheinlich werde ich bei dem Thema gelegentlich etwas polemisch und entschuldige mich hiermit dafür. Zum besseren Verständnis: Ich habe mir tatsächlich einmal die Mühe gemacht, die Vorträge eines recht umtriebigen Junge-Erde-Kreationisten durchzuarbeiten, alle Fakten zu überprüfen und in einem Text sachlich abzuarbeiten. Als er dann in einer Gemeinde in meiner Umgebung seinen Vortrag gehalten hat, bin ich so ausgestattet dort hin gegangen und habe mir brav all den Nonsens angehört (wir Evolutionsbiologen stecken ja sowieso mit Hitler und Stalin unter einer Decke, die kreationistische Publikation XY sei ja nie erfolgreich kritisiert worden usw.). Als ich dann anschließend eine Diskussion anleiern wollte, wurde ich vom Gemeindeleiter sofort abgewürgt und von Gemeindemitgliedern wurde mir ohne Umschweife eine atheistische Gesinnung attestiert.
      Solche Erlebnisse verderben einem natürlich die Lust auf einen sachlichen Dialog.

      Zuguterletzt:
      – Wie auch viele “Kreationisten” denkt Dominic zu wenig gross von Gott. Gott kann die Kette von Ursache und Wirkung durchbrechen, und das hat er meiner Meinung nach auch getan! Gott gab dem Menschen den freien Willen. Wir können an ihn glauben oder auch nicht.
      -> Das darfst du gerne so glauben, wenn es deinem Erleben entspricht. Nach meiner Erfahrung hat der Glaube an Gott mit freiem Willen allerdings herzlich wenig zu tun. Stünde es mir tatsächlich frei, so würde ich mich wahrscheinlich sofort dafür entscheiden, Atheist zu sein. Und dafür, dass du mir vorwirfst, Gott nicht groß genug zu denken, wundert es mich doch, wie genau du zu wissen meinst, was Gott wie und warum getan hat. Mag sein, dass Unverbindlichkeit und Spekulation dich stören. Mir haben sie viele Jahre lang in Glaubensdingen gefehlt. Ab meinem vierzehnten Lebensjahr gab es für mich an Gott nichts neues zu entdecken. Alle Glaubenssätze waren eingeprägt, alle Dogmen griffbereit, ich konnte immer die linientreuen Antworten auf Glaubensfragen geben. Mann, wie öde war Gott in dieser Zeit. Erst nachdem ich in einem schmerzhaften Prozess gelernt hatte, mir eigene Gedanken über Gott zu erlauben, wurde die Sache wieder interessant. Von mir aus soll man mich einen Ketzer nennen. Lieber ein von Gott faszinierter Ketzer, als ein gelangweilter, depressiver Rechtgläubiger.

      PS: Sorry Jay, dass ich dir heute so viel Lesearbeit zur Freischaltung bereite 😉

      • PS: Sorry Jay, dass ich dir heute so viel Lesearbeit zur Freischaltung bereite ?

        Kein Problem. Deine Antworten sind spannend. Ich lese sie sehr gerne. 🙂
        LG,
        der Jay

  9. Tom Tom

    Ich bin selber mit einem kreationistischen Weltbild aufgewachsen und habe jahrelang darum gekämpft. Ich habe jedes Argument hin- und hergewälzt und versucht eine Sichtweise zu finden, mit der ich intellektuell redlich bei meinem Weltbild bleiben kann.

    Aber am Ende ist es so, dass die Evolutionstheorie gut erklärt, warum die Welt ist wie sie ist. Ca 4 Mrd Jahre alt und in den Fossilien geht es mit einfachen Lebewesen los, hin zu immer komplexeren über einen Zeitraum von Mio Jahren. Ok, sagt mein innerer Kreationist: aber wenn Gott die Welt geschaffen hat, dann hat sie zwangsläufig ein scheinbares Alter. So wie er Adam geschaffen hat. Er sieht aus wie 30, obwohl er erst vor 5 Minuten erschaffen wurde. Stellt sich die Frage: Hatte Adam einen Bauchnabel? Hatte er Narben? Erinnerungen an eine Kindheit? Bei unserer Erde ist es so: sie hat Narben aus ihrer 4 Mrd Jahre Geschichte, inkl Fossilien, wie Erinnerungen an einen nicht vorhandene Vergangenheit. Hat Gott sie auch direkt in die Erde gesteckt? Haben die Dinos also nie gelebt? Was ist mit einer Supernova, die wir sehen? Hat der Stern nie existiert, da das Licht aufgrund seiner Entfernung länger als 10000 Jahre hätte unterwegs sein müssen? Wenn ich vom Kurzzeitkreationismus ausgehe, ja. Gott hat die Erde dann so geschaffen, dass sie aussieht, als hätte es eine Evolution gegeben. Ja, aber wie sinnvoll ist so eine Annahme? Genauso könnte ich sagen, Gott hat uns vor 2 Minuten geschaffen, inklusive unserer Erinnerungen.

    Selbst wenn man hier noch nicht aussteigt: das Argument funktioniert bei der (wörtlich verstandenen globalen) Sintflut nicht mehr, denn sie war nach der Schöpfung.

    Ok, sagt mein innerer Kreationist: aber bei der Evolution gibt es so viele ungelöste Fragen, da muss es doch einen Schöpfer geben. Tja, aber wenn man wissenschaftlich redlich argumentieren will, muss man eine Hypothese aufstellen, die die wissenschaftlichen Tatsachen besser erklärt als es die Evolutionstheorie kann. Das gelingt aber mit dem Kurzzeitkreationismus offensichtlich nicht. Beim Langzeitkreationismus oder Intelligent Design beschränkt sich die Aussagekraft nur noch darauf, sich die ungelösten Fragen anzugucken und zu sagen: „Das war Gott“. Gott wird zum Lückenbüßer und man führt nur noch Rückzugsgefechte. Von einer eigenen kohärenten wissenschaftlichen Theorie, wie z.B. Wort und Wissen (kreationistischer Verlag) es versuchen wollte, sind wir Lichtjahre entfernt.

    • Zum Licht gibt es sogar eine kreationistische Antwort, die ich glaube ich mal bei Werner Gitt gelesen habe. Sie lautet in etwa: Gott hat alles vor 6.000 Jahren „fertig“ geschaffen, d. h. das Licht war quasi schon „auf dem Weg“ und die Sterne bestanden eben nicht nur aus Wasserstoff, sondern enthielten von Beginn an bereits die Stoffe, die „angeblich“ erst bei der Fusion entstehen usw.

      Im Rückblick halte ich diese Erklärung für ein ziemlich gutes Beispiel des Grundproblems: ein Missverständnis von „Wissenschaftlichkeit“. Für eine Wissenschaft reicht es nicht aus, eine Erklärung zu geben, die zu allen Fakten irgendwie „passt“. Das können Verschwörungstheorien auch – vielleicht ist das der Link, den Dominic in der Folge angedeutet hat, und den ich übrigens sehr spannend finde (vlt. gibt es da auch wieder Parallelen zur Haltung der konservativen Szene gegenüber Gendertheorien etc.)

  10. Katja Katja

    Puh… hier ein paar meiner Gedanken zu diesem superkomplexen Thema:
    – Was kann es bedeuten, wenn über Jesus gesagt wird (Kol 1,16): „Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.“?

    – Inwiefern ist Gott Schöpfer? Also wenn er nichts Materielles schaffen muss, weil es sich irgendwie aus sich selbst heraus entwickelt, schafft er dann nur Immaterielles, zB nur das Wesen/die Identität eines Menschen? Oder ist das eigentlich auch materiell, weil es auf Hormone o.Ä. zurückzuführen ist? Wie ist die Formulierung zu verstehen, dass durch das WORT alles geschaffen ist? Wirkt dann etwas Göttliches, wenn Menschen durch Gott angesprochen und ihr Herz verändert wird, oder nicht, weil sich alle Prozesse im Menschen naturwissenschaftlich durch chemische Prozesse erklären lassen und, je nachdem, wie das Gehirn geprägt und vernetzt ist, Worte verschiedene Auswirkungen auf das Denken und Handeln von Menschen haben können? Wenn Letzteres der Fall ist, wie wirkt Gott dann? Ist Gott dann überhaupt eine Instanz oder ist eh alles Chemie 😉 und das Konzept Gott überflüssig (ich meine, so ähnlich argumentierte Matthias Krause im Ketzer-Talk)?

    – Der Ansicht, alles, was an der Schöpfung negativ, verstörend, unvollkommen etc. ist, sei auf ihre „Gefallenheit“ zurückzuführen (denn Gott nannte ja alles „gut“ oder „sehr gut“), widerspricht Jesus eigentlich, als er über den Blindgeborenen (Joh 9) sagt, dass niemand an seiner Blindheit Schuld hat. Er sagt, der Grund für seine Blindheit sei, dass „die Werke Gottes an ihm offenbar werden“. Er macht ihn gesund und zeigt somit seine göttliche Autorität, sein „Wirken“. In seinen Wundertaten interveniert Jesus in die bestehende Schöpfung und verändert sie durch seine Worte (manchmal in Kombination mit Berührungen). Und die Welt, die geschildert wird, wenn sie „ganz neu“ sein wird, zeichnet sich durch Heil und fundamentale Änderungen (auch in der Tierwelt) aus. Also, war die Welt von Gott her eigentlich doch anders gedacht?

    • toblog toblog

      Nach meinem Befund gibt es in der Schrift mind. 3 wesentliche Kategorien, die jeweils eine unterschiedliche Nähe oder Ferne zu Gott als letzem Urheber des Alls beschreiben:

      geboren-geschaffen-verloren

      Alles „Geborene“ aus seiner unsterblichen Natur Gottes heraus ist dann selbst unauslöschlich/unsterblich. Bei „geschaffen“ ist m. E. das Potenzial einer Sterblichkeit gegeben. Und bei „verloren“ tritt das auch ein – sofern ein neuer Lebenszufluss es nicht verhindert.

  11. Peter Peter

    Danke für die spannende Folge.

    Ich habe eine möglicherweise banale Verständnisfrage.

    Bislang ging ich davon aus, dass „Intelligent Design“ im Prinzip sagt, dass zwar alles ungefähr so abgelaufen ist, wie es die Evolutionstheorie erklärt, aber dass ein intelligenter Schöpfer dahinter steckt, der das Ganze irgendwie geplant und ins Rollen gebracht hat.

    Wenn ich die Aussagen aus dem Talk richtig verstehe, ist das ungefähr der Gedanke, der hinter Dominics Verständnis steht – es lief so ab, wie in der Evolutionstheorie erläutert, Gott hat das Ganze aber ins Rollen gebracht.

    Das klingt für mich deckungsgleich, aber wahrscheinlich habe ich irgendetwas nicht richtig verstanden…könnt ihr mir bitte über den Zaun helfen, wo mein Denkfehler liegt?

    • Dominic Dominic

      Hallo Peter,
      ich verstehe deine Verwirrung und versuche mal die beiden Konzepte gegenüberzustellen:
      Bei der Theistischen Evolution, so wie ich sie vertrete, geht man davon aus, dass der Evolutionsprozess unter naturwissenschaftlicher Fragestellung von der Ursuppe bis heute vollständig mit Kausalzusammenhängen ohne Ziele und Zwecke beschreibbar ist. Das ist die empirisch fassbare bzw. materielle „Außenseite“ der Dinge. Die Fragen nach Zwecken, Zielen und Gott beziehen sich auf die metaphysische „Innenseite“, über die wir als Menschliche Individuen in Raum und Zeit größtenteils nur spekulieren können.
      Beim Intelligent Design dagegen wird davon ausgegangen, dass Ziele und Zwecke bereits für die Beschreibung der materiellen Welt unerlässlich sind. Die Geschichte des Lebens ist hier nur dadurch denkbar, dass eine intelligente Entität ontologisch vollständig getrennt von den irdischen Lebewesen existiert. Dieser „Designer“ macht sich zuerst einen Plan davon, wie ein neuer Organismus denn aussehen soll und sorgt anschließend dafür, dass dieses Konzept im Reich des Lebendigen verwirklicht wird. Welchen Mechanismus er dafür verwendet, wird von ID-Vertretern nicht spezifiziert. Diese Eingriffe sind singuläre, im Rückblick nicht empirisch fassbare Ereignisse, jedoch keinesfalls mit naturwissenschaftlichen Kausalitäten verwechselbar. Was genau da ablief, könnten wir nur wissen, wenn der Designer es uns persönlich mitteilen würde.
      Daraus folgt, dass in der Theistischen Evolution die materielle Welt einen gewissen Möglichkeitsraum hat, innerhalb dessen sie sich in die eine oder andere Richtung entwickeln könnte. Ob es mehrere mögliche Entwicklungswege gibt, mit denen Gott „zufrieden“ wäre, und ob Gott in diesem Entwicklungsprozess lenkend eingreift, können wir nicht wissen. Aber falls er es tut, so lässt sich das naturwissenschaftlich nicht überprüfen, denn der Lenkungsprozess würde auf der „Innenseite“ stattfinden. Die Gültigkeit der naturgesetzlichen Kausalitäten auf der „Außenseite“ würde durch den Lenkungsprozess nicht angetastet.
      ID hingegen behauptet, dass der Designer alles seinen zuvor entwickelten Vorstellungen entsprechend einrichtet und dies zwangsläufig mit naturwissenschaftlichen Methoden erkennbar sei. Der Lenkungsprozess wird dabei als Notwendigkeit erachtet und auf der „Außenseite“ gesucht. Darüber, ob es eine metaphysiche „Innenseite“ überhaupt gibt, macht ID keine Aussagen.

      • Peter Peter

        Super, vielen Dank!

      • der Daniel der Daniel

        Sorry, aber ich muss jetzt einfach mal fragen: was treibt einen intelligenten, gläubigen Wissenschaftler mit einem Master in Biologie(!) im Jahre 2020 dazu, die uns untersuch- und wahrnehmbare Natur als „Innenseite“ zu betrachten und dieser eine rein spekulative „Außenseite“ gegenüber zu stellen, die irgendwie, man weiß nicht wie und kann es auch nicht wissen, schlussendlich dann doch irgendwas mit Gott zu tun haben soll?

        Sollte man als gläubiger Mensch nicht vielmehr unendlich dankbar sein, dass wir heute endlich wissen dürfen, dass die Natur einfach nur Natur ist und keinen übernatürlichen Eingriff benötigt, um das zu sein, was sie ist und gerade deshalb auch sofort verständlich wird, weshalb sie uns so unendlich grausam erscheint? Will man schlussendlich tatsächlich Gott für all diese Grausamkeiten verantwortlich sehen und sich vor der Erkenntnis verschließen, dass seine Allmacht, Allgüte und Allweisheit nicht in der Natur wirkt, sondern quasi entgegengesetzt dazu, in der Denaturalisierung der Welt durch Neuschöpfung in Christus? Wie auch die Schrift sagt:

        „Daher, wenn jemand in Christus ist, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ 1.Korinther 5,17

        Und dann macht auch Kolosser 1, 15-17 Sinn:

        „Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung. Denn in ihm ist alles in den Himmeln und auf der Erde geschaffen worden, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Gewalten oder Mächte: Alles ist durch ihn und zu ihm hin geschaffen; und er ist vor allem, und alles besteht durch ihn.“

        Wer Jesus sieht, sieht Gott. Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes – nicht(!) die Natur. Ich fürchte ihr lasst euch von ihrer Schönheit täuschen. Aber hört doch was sie spricht: Sozialdarwinismus, jeder gegen jeden und das gerne auch auf Kosten all der anderen. Unfassbares Leid und Elend! Beständige Verdrängungsmechanismen und ein absurdes Nullsummenspiel, weil am End‘ Energie eben weder gewonnen, noch verloren gehen kann. Und ganz zum Schluss dann der sichere Kältetot! Denn irgendwann hat auch der letzte Stern seinen letzten Wasserstoff bis zum Eisen fusioniert und dann gehen in einem expandierenden Unsiversum nun einmal alle Lichter aus und es ist einfach nur noch saukalt. Haltet ihr das ernsthaft für „göttliche Schöpferkraft“?

        Ich persönlich sage entschieden „Nein“! Jesus ist der Erstgeborene und das Ziel aller Schöpfung und in ihm wird alle göttliche Schöpferkraft offenbar und Wirklichkeit. Nicht nur um uns, sondern um auch die stöhnende und ächzende Natur zu erlösen! Wir brauchen also keine spekulativ-metaphysische „Innenseite“ des sich völlig natürlich vollziehenden „Weltgeschehens“, sondern dringendst einen Retter, damit eben gerade nicht die Natur das letzte Wort hat.

        Huch, da kriegt der Daniel aber Stresspusteln….Sorry, aber für mich ist das echt ein emotionales Thema. Was ist nur mit den Christen (meinen geliebten Geschwistern) los? Weshalb diese Geilheit auf die Vorstellung eines Schöpfergottes, der der Natur zu Grunde liegen soll? Und das, obwohl doch ganz Viele schon längst gerafft haben, dass die Bibel in Genesis 1 keine naturwissenschaftlichen Aussagen treffen möchte. Warum hält man dann metaphysisch doch daran fest? Und das Angesichts des „Zustandes der Welt“?

        Gott schöpft im Raum der Liebe, die den Himmel mit der Erde verbindet und in den wir alle, mit Allem hineingenommen sind und der uns in Christus offenbart und aufgeschlossen wurde, damit jeder diesen Raum in sich finden kann, weil jeder ihn in sich trägt. Gottes Schöpfung vollzieht sich deshalb in Beziehung und nur in Beziehung ist er Schöpfergott.

        Ich mach jetzt besser Schluß.

        LG
        der Daniel

        • Dominic Dominic

          Hallo Daniel,
          ich habe bisher absichtlich nicht auf deine provokanten Kommentare geantwortet, weil sicher keiner von uns beiden den jeweils anderen überzeugen können wird. Aber weil du so hartnäckig bist, beziehe ich jetzt trotzdem mal Stellung.
          Ich habe im Talk meiner Meinung nach schon beantwortet, was mich zur Annahme einer materiellen Außenseite und einer metaphysischen Innenseite bringt: es gefällt mir einfach am besten. Punkt (Anmerkung: du hast in deinem Post die beiden Seiten verdreht). Wenn dir ein Gott, der vollkommen von der Natur getrennt existiert, mehr einleuchtet. Kein Problem, werd glücklich damit. Die unbeantwortete Theodizeefrage müssen wir beide aushalten. Mir fällt das nun mal in meinem Denksystem leichter als in deinem. Und auch wenn du völlig berechtigt darauf hinweist, dass die Natur nicht nur Schönheit und eitel Sonnenschein beinhaltet, wie es manche schöpfungsspirituellen Menschen darstellen, habe ich dennoch das Gefühl, dass du auf der anderen Seite vom Pferd fällst. Wenn die materielle Welt wirklich nur aus Hauen und Stechen bestünde, warum wird Sie dann in den Psalmen und sogar bei Paulus mit Gott und Gotteserkenntnis in Zusammenhang gebracht? Glaub mir, mir ist die Ambivalenz von Schönheit und Grausamkeit in der Natur bewusst, und vielleicht hab ich sogar mehr Beispiele dafür im Kopf als du. Trotzdem leuchtet es mir gefühlsmäßig eher ein, dass Gott diesen unvollkommenen Seinszustand (aus welchen Gründen auch immer) aus sich selbst hervorgebracht hat und ihn (auf welche Weise auch immer) wieder in seine Vollkommenheit münden lassen wird, als dass er tatenlos einer ohne sein Zutun entstandenen Welt von außen Zuschaut und irgendwann mal, wenn ihm denn der Sinn danach steht, endlich eingreifen wird.
          Außerdem habe ich nie behauptet, dass die Natur die einzige Offenbarung Gottes sei. Jesus und die Schöpfung sind für mich zwei von vielen Facetten Gottes. Vielleicht besteht auch kein allzu großer Unterschied zwischen meiner „metaphysischen Innenseite“ und deinem „Raum der Liebe, die den Himmel mit der Erde verbindet“ und je nach dem, wie man diese Abstrakten Begriff füllt, lässt sich auch mein Panentheismus als Beziehung formulieren.

        • Ich wurde zwar nicht angesprochen, äußere aber trotzdem gerne ein paar Gedanken dazu… 😉

          Daniel, was Du schreibst, wäre mir als Weltanschauung zu dualistisch. Markion müsste dir gut gefallen, oder? Der hatte im 2. Jh. ja schon vorgeschlagen, die Schöpfung als von Gott losgelöst zu betrachten, ja sogar als von einem bösen Gott (dem Demiurgen) geschaffen, aus der Christus die Menschheit herausretten will. Die Kirche lehnte diese Sichtweise ab und schloss sich ihren jüdischen Eltern an, die die Welt als gute Schöpfung Gottes betrachteten (die Herrlichkeit des HERRN erfüllt die ganze Welt, sagt der Psalmist). In unserer „Naturfolge“ hatten wir ja schon darüber gesprochen, dass der Monotheismus des Judentums damit natürlich vor der Herausforderung steht, auch das Grausame, unberechenbare der Natur in Gott zu integrieren. Und das gilt dann natürlich auch für das Christentum. Ich finde das interessanter und Lebens- und Weltbejahender als die Entweder-Oder-Vorstellung einer aus Gott herausgelösten Schöpfung.

          Damit muss man natürlich nicht gleich den Schritt in Richtung Panentheismus gehen, schon klar (für mich ist das auch nur ein Modell, das mir nützlich ist, über Gott und die Welt nachzudenken und eine Vorstellung, die mir hilft, Gott im Sichtbaren zu entdecken bzw gegenwärtig glauben zu können). Aber eine komplette Trennung von Schöpfung und Schöpfer (so habe ich dich verstanden) bringt doch wiederum massive Denkprobleme mit sich:

          – Wenn Gott nicht mindestens den ersten Anstoß für die Schöpfung gegeben hat, wo kommt (theologisch gesehen) das Universum her?
          – Wenn es nicht so etwas wie eine Innenseite der Welt gäbe, in der Gott mit der Welt verbunden ist, dann gäbe es Orte, Plätze, Atome, Moleküle an denen Gott nicht zu finden ist. An/ in denen Gott abwesend ist. Gottlose Orte. Damit landet man ganz schnelle zB wieder in Körperfeindlichkeit oder bei einem Gott der/die in der Hauptsache ein gedankliches Konstrukt ist (Vergeistigung Gottes).
          – Wie ist der Glaube an die Inkarnation denkbar? Bedeutet das bloß, dass Gott seinen Agenten ins Fleisch geschickt hat, der dann ein paar Jahre eine Art göttliche, schmutzige Verbindung mit der Natur eingegangen und dann wieder abgehauen ist? Und wenn die Natur per se gottlos ist, wie kann Gott in Christus überhaupt Teil dieser geworden sein? Bzw., selbst wenn man Deinen Gedanken folgt, würde die Inkarnation diese nicht spätestens ablösen? Denn im Menschen Jesus gäbe es doch dann den Ort in dem Gott und diese Welt nicht mehr auseinander zu dividieren ist.
          – Die Kolosserverse, die Du zitierst, verstehe ich in deinem Kontext nicht. Etwas wie Panentheismus wäre meines Erachtens hier das passendere Modell: „Denn IN IHM ist ALLES in den Himmeln und auf der Erde geschaffen worden, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Gewalten oder Mächte: ALLES ist durch ihn und zu ihm hin geschaffen; und er ist vor allem, und ALLES besteht durch ihn.“ Wenn alles ALLES bedeutet, kann davon nichts ausgeschlossen sein.
          – Was bedeutet Deine Vorstellung für das Abendmahl? Ich feiere darin die Anwesenheit des gebrochenen Gottes in der materiellen Welt.

          Ich kann mir insgesamt viele verschiedene Denkansätze und Denkmodelle vorstellen (die Bibel ist ja eben gerade kein systematisches Lehrbuch und schon gar keine kosmologische Dogmatik. Sie lässt haufenweise Leerstellen und damit einen immensen Spielraum, in dem wir uns austoben können). Und deshalb sprechen wir natürlich auch nie davon, wie es wirklich ist (das könnte ja nur Gott), sondern höchstens davon, wie wir uns die Welt und Gott vorstellen. Darum halte ich die Frage danach, welche Vorstellungen hilfreich für jemanden sind und welche nicht, nicht nur für legitim, sondern für nötig. Mir persönlich hat es zB einen ganz neuen Zugang zum Glauben verschafft, als ich, inspiriert von der Trinität, begann, die Welt nicht mehr als von Gott verschieden zu betrachten (und wem das „zu viel“ ist: dann eben als von Gott behaust). Mir hilft das, Gott nicht vornehmlich als Kognition zu begreifen und statt dessen „weltlich“ zu erfahren (denn so verstehe ich den spirituellen Ansatz Jesu in den Evangelien).

          LG,
          der Jay

          • der Daniel der Daniel

            Hallo Jay,

            du darfst dich selbstverständlich sehr gerne jederzeit von mir angesprochen fühlen, wenn du das möchtest. Und ja, den Marcion kann ich gerade wegen des von dir genannten Gedankens schon ziemlich gut leiden. Wie übrigens ziemlich viele Ketzer: Jesus z.B., den sie wegen seiner Lehre gleich gekreuzigt haben, Origenes, der es gewagt hatte, Gott allversöhnend zu denken, Meister Eckhart, den sie aus „kirchenegoistischen Machtgründen“ verurteilt haben, Eugen Drewermann, der wegen der von ihm angezweifelten Jungfräulichkeit Mariens rausgeschmissen wurde, oder auch Jay und Gofi, die, wie ich hörte, die Weltherrschaft außerhalb des Schoßes der Heiligen katholischen Kirche an sich reißen möchten und schlimme Irrlehren verbreiten…Die hab ich alle sehr lieb und kann mich durchaus mit ihnen identifizieren. 😉

            Mit Markions Demiurgen kann ich mich allerdings nicht so wirklich anfreunden und schlage dafür lieber den Begriff „Natur“ vor, dann wird die Sache für mich rund und ich wirke nicht ganz so anachronistisch. Sein grundsätzlicher Gedanke bleibt für mich aber durchaus richtig.

            Nur kurz möchte ich hinsichtlich des Schöpfergottgedankens im Judentum freundlich darauf hinweisen, dass dieser Gedanke erst in der Auseinandersetzung des jüdischen Volkes mit den Fruchtbarkeitsvorstellungen der Kanaaniter entstand. Er ist also deutlich jünger, als der Glaube an den Gott der Erzväter, vornehmlich Abraham. Das war so ein bisschen ein „Schwanzvergleich“, wenn ich mir den Ausdruck erlauben darf: „Was? Euer Gott macht die Erde fruchtbar? Lächerlich, unser Gott hat die ganze Erde gemacht…“

            Interessanterweise hat sich aber noch in unserem christlichen Glaubensbekenntnis die „richtige“ Reihenfolge erhalten. Wir glauben ja als erstes auch an „Gott den Vater“ und erst an dritter Stelle an den „Schöpfer des Himmels und der Erde‘ (noch nach dem Allmächtigen. Aber an den glaubst du ja wieder nicht :-))

            Wie dem auch sei. Sehr gerne antworte ich natürlich auf deine Fragen! Zuvor muss ich nur noch schnell erwähnen, dass ich nicht an eine komplette Trennung von Schöpfer und Schöpfung glaube. Dominic und du haben mich wohl leider so verstanden, aber das habe ich nie behauptet. Leider ist meine Antwort an Dominic, in der ich mein Verständnis des Wirken Gottes in der Welt kurz erkläre, sehr weit nach unten gerutscht. Kannst du die vielleicht noch irgendwie nach oben, in den richtigen Kontext bringen? Ich bin leider irgendwie zu blöd für eure Kommentarspalte. Wenn nicht, ist auch nicht schlimm.

            Nun zu deinen Fragen:

            Frage: – Wenn Gott nicht mindestens den ersten Anstoß für die Schöpfung gegeben hat, wo kommt (theologisch gesehen) das Universum her?

            Antwort: Für diese Frage bin ich sehr dankbar, denn sie gibt mir die Gelegenheit einen meiner mir ganz besonders wichtigen Standpunkte zu erklären. Ich halte diese Frage nämlich grundsätzlich nicht für eine theologische, sondern für eine naturwissenschaftliche. Und dann lautet die Antwort „Fluktuation im Quantenvakuum“.

            Denn wenn ich persönlich etwas über den Kosmos erfahren möchte, dann frage ich immer den Naturwissenschaftler oder die Naturwissenschaftlerin (in diesem Fall also den Kosmologen, oder die Kosmologin) . Wenn ich jedoch z.B. Fragen hinsichtlich meiner Existenz in diesem Kosmos habe, dann frage ich sehr gerne die Theologen und Theologinnen, weil auf existentielle Fragen die Naturwissenschaft unmöglich eine befriedigende Antwort geben kann. Es ist nämlich einfach nicht ihr Thema, so wie die Entstehung des Universums auch nicht das Thema der Theologie ist (mal von den Theologen und Theologinnen abgesehen, die den Schöpfungsbericht für Naturwissenschaft halten. Aber mit denen kann ich mich ohnehin nicht identifizieren).

            Ich trenne deshalb ziemlich konsequent zwischen religiösen Fragestellungen, die für mich persönlich rein subjektiv sind, da ich Glauben als Existenzmitteilung verstehe/erlebe und Fragestellungen, die der Naturwissenschaft zugänglich sind und dementsprechend sie die kompetentesten Antworten geben kann. Das man danach dann miteinander ins Gespräch kommen kann und sollte, ist für mich allerdings auch selbstverständlich.

            Frage: – Wenn es nicht so etwas wie eine Innenseite der Welt gäbe, in der Gott mit der Welt verbunden ist, dann gäbe es Orte, Plätze, Atome, Moleküle an denen Gott nicht zu finden ist. An/ in denen Gott abwesend ist. Gottlose Orte. Damit landet man ganz schnelle zB wieder in Körperfeindlichkeit oder bei einem Gott der/die in der Hauptsache ein gedankliches Konstrukt ist (Vergeistigung Gottes).

            Antwort: Sorry, aber gerade wenn es eine Innenseite der Welt gäbe und Gott wäre mit ihr durch jedes Atom, jedes Molekül verbunden, gäbe es im Universum Orte, an denen Gott nicht zu finden ist, da der Kosmos nur zu einem verschwindend geringen Teil aus Atomen, respektive Teilchen besteht (man schätzt etwa 1 Teilchen pro Kubikmeter).

            Im All ist größtenteils gar nichts außer Vakuum (die Dunkle Materie lassen wir vielleicht besser aus der Diskussion, sonst wird es völlig verrückt, weil wir darüber einfach noch nichts genaues wissen) und wenn die Anwesenheit Gottes an Teilchen gebunden wäre, wäre das ein ziemlich magerer Gott im Vergleich zur Größe des Universums. 😉

            Nein, ich persönlich glaube, dass Gottes Anwesenheit in der Welt kein teilchengebundenes orts-, oder generell, kein raum-zeitliches Phänomen ist und als solches gedacht werden kann, sondern es ist vielmehr ein „existentielles Beziehungsphänomen“, in dem der Ansprechende (Gott) mit den Angesprochenen (das, was wir Gläubigen Schöpfung nennen, also alles was existiert) durch das Gesprochene (Wort) in Beziehung steht und sich dadurch nicht nur Gottes da-sein ausspricht, sondern auch das Dasein (die Existenz) der so von Gott Angesprochenen (vgl. Genesis 1, ab Vers 3 die Schöpfung durch Gottes sprechen). Deshalb sagt die Schrift im Johannesprolog ja auch:

            „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
            Dasselbe war im Anfang bei Gott.
            Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.“

            Es ist biblisch betrachtet also alles im Wort geschaffen und insofern in der Beziehung aus Sprechendem und Angesprochenen. Das ist natürlich kein naturwissenschaftliches, oder materielles Phänomen, sondern ein religiös existentielles. Aber inwiefern eine solche Vorstellung zu einer Körperfeindlichkeit führen, oder Gott zu einem rein gedanklichen Konstrukt machen sollte, erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht.

            Wenn ich bitte mal ein Beispiel zum hoffentlich besseren Verständnis nennen darf: Wenn deine Frau dir sagt, dass sie dich sehr liebt, dann kannst du ihren Sprechakt und das was du hörst selbstverständlich auf der naturwissenschaftlichen Ebene beschreiben. Physiker, Akkustiker, Anatomen, Neurologen oder auch Logopäden könnten dir ziemlich exakt beschreiben was da vor sich geht und das, was da vor sich geht, würde sich kaum unterscheiden, wenn dir deine Frau nun sagen würde, dass du sie ganz fürchterlich nervst. Naturwissenschaftlich macht das also kaum einen Unterschied. Existentiell betrachtet jedoch, macht es einen gigantischen Unterschied!

            Im ersten Fall würdest du dich sicher von Herzen freuen und auch diese Freude ließe sich wiederum durchaus naturwissenschaftlich beschreiben. Im zweiten Fall wärst du aber sehr wahrscheinlich richtig traurig und auch dieser Zustand der Traurigkeit ist ja naturwissenschaftlich beschreibbar.

            Aber, mal ehrlich, was die Naturwissenschaft hinsichtlich dieser beiden unterschiedlichen Sätze deiner Frau und ihrer Wirkung auf dich zu sagen hat, ist bestenfalls interessant, aber für dich nicht wirklich von existentieller Bedeutung. Und da die Worte deiner Frau und ihre unterschiedliche Wirkung auf dich, für dich aber sehrwohl von existentieller Bedeutung sind, kann offensichtlich die Naturwissenschaft den Bereich deiner Existenz als Person nicht adäquat beschreiben. Die Religion vermag dies aber durchaus und deshalb ist das Religiöse zutiefst mit deiner Existenz als Subjekt , als Person verbunden und beschreibt nicht etwa die objektive, messbare, materielle Welt der Naturwissenschaft. Wenn man das beachtet, erschließen sich einem die Worte der Bibel und z.B. das, was sie über die Schöpfung zu sagen hat, auf der Ebene unserer Existenz als Person und sie haben dort meiner Meinung nach weit mehr zu sagen, als die Naturwissenschaft zu sagen in der Lage wäre.

            So, an dieser Stelle muss ich einmal kurz pausieren, weil es mir gerade zeitlich nicht möglich ist den Rest deiner Fragen zu beantworten. Das Leben ruft. Ich werde ihm so schnell ich kann antworten und anschließend beantworte ich dann sehr gerne noch den Rest deiner Fragen, wenn du bitte einverstanden bist.

            LG
            der Daniel

          • Ja, danke für die Ausführungen soweit. Damit kann ich schon etwas mehr anfangen.

            Ein Missverständnis würde ich aber gerne klären, „die Innenseite der Schöpfung“ bedeutet soweit ich das verstanden habe, weder für Dominic noch für mich, dass Gott darin nachweisbar wäre. Und Gott hängt natürlich nicht im Mokekühl, das war nur als Beispiel gedacht, sondern wäre in diesem Modell tatsächlich allgegenwärtig, also auch im Vakuum des Weltalls. Das Universum ist ja ein Teil von Gott.

            Ansonsten sehe ich den Vorteil deines Modells gegenüber dem eines liebenden Schöpfers nicht. Ich freunde mich lieber mit der Schöpfung als Ausfluss Gottes an, als Gott ausschließlich in Worten oder dem eigenen Inneren zu suchen. Um Dein Beispiel aufzugreifen, meine Frau und ich reden nicht nur, sondern bumsen auch mal ganz gerne.

            LG,
            Der Jay

  12. Thomas Thomas

    Ernsthaft? Ein arbeitsloser M.A. spricht einem Prof. a. D. seine Wissenschaftler-Eigenschaft ab, weil er kein Biologe / Naturwissenschaftler ist sondern „nur“ ein Informatiker, der über Eigenschaften von Information referiert … alter, spooky!… um dann die DNS Struktur mit einem Zuckermolekül zu vergleichen? Einem Molekül, das in seiner Form physikalischen Vorgaben folgt – ganz im Gegensatz zur DNS…

    Ach ja, fürs Schubladen und Blasen – Denken. Bin Anhänger der ID Bewegung, aber nicht weil die ET mein Gottesbild ins Wanken bringen würde, würde ich ihr anhängen, sondern weil die Argumente einfach schlüssiger sind (die hier auch gleich mal ohne Diskussion als pseudowissenschaftlich abgetan wurden).

    • Dominic Dominic

      M.Sc. bitte!

    • Was Werner Gitt betreibt, ist doch klassisches Kompetenz-Kapern. Man wirft mit Titeln um sich und tut so, als hätten die irgendetwas mit dem Sachgebiet zu tun, über das man spricht. Das ist doch Unfug. Ein Dr. in Informatik macht einen nicht zum Experten in Biologie, da glaube ich dem Biologen schon eher. Egal, ob er gerade einen Job hat oder nicht (was ist das jetzt übrigens für ein Sozial-Chauvinismus?)

      Man kann noch so sehr Experte für „Information“ sein. Wenn man kompetent über ERB-Information reden will, muss man auch darüber Bescheid wissen, was der Begriff „Information“ in der Biologie konkret meint und was nicht. Die eine Sache, die Wissenschaftler aller Fachgebiete ziemlich bald lernen, ist ja, dass zwei Disziplinen mit denselben Begriffen nicht automatisch die selben Sachen meinen.

  13. ein Mensch ein Mensch

    Was hat der berufliche Stand mit der eigenen Expertise zu tun? Dominic ist nun mal studierter Biologe, weis also wovon er redet.
    „ID schlüssiger“ warum? Ohne Begründung kann man viel behaupten..

    • Thomas Thomas

      Also ich entschuldige mich hiermit mal für das hernehmen der Arbeitslosigkeit. Das war nicht schön – und ich wünsche Dir, Dominic, auf jeden Fall, dass dieser Zustand nicht lange anhält. Wollte eigtl. gestern schon gleich drauf schreiben, aber der Laptop war belegt. Also Entschuldigung! Was mich halt tierisch nervt, ist dieses Absprechen jeglicher wissenschaftlicher Kompetenz der Diskussionsgegner. Man gähnt gelangweilt und nennt die Hernahme von Wahrscheinlichkeiten ein nicht totzukriegendes Zombieargument. Aber wir leben ja in einem Universum das so ist wie es ist und deshalb ist es halt so. Wir leben also nicht vor dem Würfeln sondern danach etc.
      Das wir in unserem Leben sonst ständig Wahrscheinlichkeiten in Betracht ziehen, sich jede unserer Entscheidungen darauf stützt und Naturwissenschaften letzten Endes ja auch nur Indizien und keine Beweise kennen und somit auch nur mit Wahrscheinlichkeiten argumentiert, scheint in diesem einen Fall, wenn es um die Entstehung des Seienden bzw. des Lebens geht, nichts zu gelten.
      Komisch, keiner kommt auf die Idee, dass die Welt nicht gestern erst entstanden ist und unsere Erinnerungen und die Spuren dieser Welt halt so da sind – dagegen sprechen Wahrscheinlichkeiten. Ist wohl um ein paar 10er Potenzen weniger Unwahrscheinlich als eine langfristige Selbstorganisation. Dass diese aber immer noch so wahrscheinlich ist, dass man in unserer Welt getrost von Unmöglichkeit reden kann, stört aber nicht wirklich. Statt dessen werden Menschen, die mit dieser nicht beobachtbaren und gegen jede menschliche Erfahrung sprechende Selbstorganisation ihre ernsthaften Probleme haben (weil komplexe Maschinen halt nunmal nicht von selbst entstehen – nur von selbst zerfallen), also unwissenschaftliche diffamiert. Alter, das nervt.
      Meine Beobachtung ist, dass die Argumente mit weniger wissenschaftlichen Anspruch eher von der Seite der ET Befürworter kommen – genauso auch eine geringere Offenheit für einen möglichst sachlichen Schlagabtausch.

      • Derek Derek

        Ich glaube, du solltest dich nochmal informieren, wie Wahrscheinlichkeit funktioniert und was tatsächlich von evolutionstheoretischer Seite behauptet wird.
        Es ist richtig, Evolution entspricht nicht der menschlichen Intuition und unser Hirn ist nicht gut darin, sie sich vorzustellen (wie der Mensch generell Schwierigkeiten hat, sich Wahrscheinlichkeiten oder auch nur sehr lange Zeiträume vorzustellen). Das macht sie aber nicht weniger wahr…

  14. Otniel Otniel

    Also ich denke, dass sowohl Kreationisten als auch Leute die an ID glauben die wissenschaftliche Methode missverstehen. Die Wissenschaft ist dazu da, damit wir natürliche Prozesse in der Welt besser verstehen lernen und dadurch zutreffende Aussagen über Ursache und Wirkung machen können. In der Wissenschaft ist die Erklärung „Gott“ oder „Magie“ nicht erwünscht, nicht weil man von vorne herein davon ausgeht, dass es keinen Gott gibt, sondern einfach deshalb weil man gar nicht herausfinden kann wie weit man die Kette von Ursache und Wirkung verfolgen kann, wenn man bei dem ersten Hindernis „Gott“ bzw. „Magie“ als Erklärung zulässt. Für diese Art der Wissenschaft können sowohl Atheisten als auch gläubige Menschen dankbar sein, denn wer will noch im Mittelalter leben wo die Erklärung für jede Katastrophe oder Krankheit Gottes Zorn bzw. Hexerei ist. Kreationismus und ID sind ab einem bestimmten Zeitpunkt aber per Definition unwissenschaftlich, weil sie „Gott“ bzw. „Magie“ als Erklärung zulassen, aber gleichzeitig will man es so darstellen, dass diese Aussage wissenschaftlich ist und den natürlichen Gesetzen folgt, aber das ist nicht der Fall, denn Gott bzw. Magie ist ein nicht falsifizierbares Argument (also nicht widerlegbar) und deshalb von vorne herein unwissenschaftlich.

    Die ET folgt auf der anderen Seite streng den Gesetzen der Ursache und Wirkung und kann uns die Welt meiner Meinung nach bis zu einem gewissen Punkt auf jeden Fall wissenschaftlich erklären. Das heißt nicht, dass die ET keine offenen Fragen hat, aber meiner Meinung nach ist es das beste Modell das Menschen haben um die belebte Natur zu beschreiben (Streng genommen ist die Entstehung des Lebens nicht Teil der ET, die ET erklärt Abläufe erst ab dem Zeitpunkt des Lebens, wer über die Entstehung des Lebens diskutieren will sollte das also nicht mit ET verwechseln). Natürlich haben die Kreationisten und Leute die an ID glauben gar keine offenen Fragen, weil jede offene Frage mit Gott oder Magie zugespachtelt wird, und dann kann es für einen Laien so ausschauen als ob diese „Theorien“ ein besseres Modell wäre, aber eigentlich gibt man überhaupt keine Antwort. Als Beweise werden immer wieder Bibeltexte herangezogen, die man dann auch noch auf eine ganz bestimmte Weise interpretiert und das nennt man dann wissenschaftlich (Werner Gitt glaubt ja an die Unfehlbarkeit der Bibel, das zeigt schon von vorne herein, dass er voreingenommen ist. Ich würde gerne sehen wie er die Texte der Bibel als unfehlbar beschreiben will, die ich ihm auftischen würde). Zusätzlich arbeitet sowohl der Kreationismus als auch ID mit unpassenden Vergleichen, falschen Analogien, falschen Darstellungen, vielen Annahmen die unbeweisbar sind etc. (sehr oft unbewusst, aber einige tun es auch ganz bewusst) um Menschen von ihren Darstellungen zu überzeugen. Es ist nicht von Ungefähr, dass über 95% der Wissenschaftler die ET als über jeden begründeten Zweifel erhaben ansieht (beyond reasonable doubt). Nicht dass die Mehrheit immer recht hat, aber ich denke nicht, dass ein Prof. a.D. der Informatik der seit 2002 im Ruhestand ist sich mit einer riesigen Zahl von Prof. und Dr. der Biologie auf ihrem Gebiet messen sollte und dann noch als Argument verwendet werden darf.

    Das bedeutet aber nicht, dass die ET vollkommen richtig ist, sondern nur, dass es das beste Modell ist das die Wissenschaft derzeit hat, aber es ist nicht auszuschließen, dass mit der Zeit eine bessere Theorie gefunden wird, die aber die Elemente der ET zum Großteil übernimmt und noch erweitert, wie das z.B. beim Gesetz der Fallbeschleunigung gemacht wurde. Das Gesetz der Fallbeschleunigung g=9,81m/s² beschreibt die Beschleunigung in der Nähe der Erdoberfläche sehr gut, wurde aber von der Gravitationskonstante abgelöst weil diese Theorie die Anziehungskraft von Massen vollständiger beschreibt, aber g ist deshalb nicht falsch, sondern nur unvollständig. Was ich damit sagen will ist, dass es theoretisch sein kann, das man mit der Zeit eine bessere Theorie entwickelt als die ET, die über die ET hinausgeht, aber sie nicht vollständig ungültig machen kann. Außerdem wurde die ET mit der Zeit sowieso um Bereiche erweitert von denen Darwin keine Ahnung hatte, die aber die ET nur noch aussagekräftiger werden lässt.
    Ich habe Kreationismus und ID mit der Muttermilch aufgesogen und konnte sogar Atheisten davon überzeugen, dass die ET einige „Probleme“ hat, was ich aber nicht wusste ist, dass das alles nur Scheinargumente waren, die keinen echten Fachmann ins schwitzen bringen würden, aber sehr gut geeignet sind um Laien zu verwirren. Als ich dann endlich ohne Hilfe der Kreationisten versucht habe zu verstehen was die ET sagt hab ich festgestellt, dass man mich bewusst oder unbewusst angelogen hat. Ich denke Dominic hat die ET in der Zeit die er zur Verfügung hatte sehr gut dargestellt , auch der Aspekt, dass die ET kein Widerspruch zum Glauben an Gott sein muss. Der Aspekt von „Außen“ und „Innen“ hat mir sehr gut gefallen.
    Ich habe festgestellt, dass wahre Wissenschaft sich die Fakten anschaut und sich dann fragt, welche Schlüsse man daraus ziehen kann (ohne Agenda, man will nicht seine eigene Meinung bestätigen). Kreationismus und ID schauen sich die Schlüsse an zu denen sie kommen wollen und fragen dann wie sie die Fakten so verdrehen können damit sie das aussagen was sie von vorne herein wollten das sie aussagen.

    Liebe Grüße
    Otniel

    • toblog toblog

      …weil jede offene Frage mit Gott oder Magie zugespachtelt wird…Super Satz!

      Auf der anderen Seite: Ist es nicht auch wissenschaftstheoretisch illegitim zu behaupten, wir hätten die Welt zu 100% verstanden und können somit eine externe Kraft/Gott sicher ausschließen? Eine Kraft also, die wir nicht mehr empirisch zu fassen kriegen, die sich uns entzieht. Eine Kraft, die die Natur geschaffen hat und die sie auch erhält. Zu behaupten , oder den Eindruck zu erwecken, wir hätten alles zu fassen gekriegt, stellt meines Erachtens den Übergang von einer rein wissenschaftlichen Evolutionsforschung zu einem Evolutionismus dar – als einer gesamthaften Weltanschauung ohne Gott. Ansichten dazu?

      • der Daniel der Daniel

        Hallo toblog,

        wissenschaftstheoretisch wäre es selbstverständlich illegitim zu behaupten, wir hätten die Welt zu 100% verstanden. Die Wissenschaft arbeitet nicht mit Letztbegründungen, sondern mit Theorien die unbedingt falsifizierbar bleiben müssen (sonst würde die Wissenschaft zur Ideologie). Dabei ist ihr Untersuchungsgegenstand, die Natur, aber unbedingt(!) als Phänomen zu betrachten, welches von der Einflußnahme irgendwelcher Götter, übernatürlicher Kräfte usw frei ist. Nur deshalb ist sie ja Naturwissenschaft. Man vuntersucht, wie weit man kommen kann, wenn man grundsätzlich annimmt, dass das Phänomen Welt ganz natürlich entstanden ist und sich vollzieht. Und da kommt man schpn sehr weit, weil alles aber einer Planck Länge (0,00000000000000000000000000000000001m , oder auch 10 hoch minus 35m) bereits heute mit Naturgesetzen beschreibbar ist. Erst unterhalb davon benötigte man eine Theorie der Quantengravitation, die es heute noch nicht gibt. Und in dieser winzigen Lücke, steckt dann sozusagen auch tatsächlich eine Kraft, die wir empirisch nicht zu fassen bekommen und die sich uns entzieht.

        LG
        der Daniel

      • Dominic Dominic

        Naturwissenschaftler, die eine brauchbare Grundbildung in Wissenschafts- und Erkenntnistheorie genossen haben, (und diese werden durch unsere Bildungspolitik immer weniger) behaupten normalerweise nicht, dass man die Welt zu 100% verstanden habe oder die Existenz eines wie auch immer gearteten Gottes mit Sicherheit ausschließen könne.
        Der neue Atheismus (Dawkins, Kutschera etc.), welcher i.d.R. mit Szientismus einhergeht, überschreitet da ohne es zugeben zu wollen eine Kompetenzgrenze der Naturwissenschaft.
        In der Öffentlichkeit führt das wahrscheinlich zu einer verzerrten Wahrnehmung, weil man eben vor allem denjenigen eine Bühne bietet, die am lautesten schreien. Also in unserem Beispiel dogmatische, missionarische Atheisten oder dogmatische, missionarische Kreationisten/ID-Vertreter (Anmerkung: Hier kann man sich tatsächlich das Gendern sparen, weil es sich bei diesen Platzhirschen auch wirklich durch die Bank um Penisträger handelt. Ob das mehr mit biologischen Voraussetzungen oder gesellschaftlicher Prägung zusammenhängt, lasse ich mal offen. Ich vermute, dass beide Komponenten beteiligt sind).
        Reflektierte Denker hingegen, die sich die Erkenntnisgrenzen ihrer eigenen Wissenschaft/ihres eigenen Glaubens bewusst machen, meiden oftmals das öffentliche Auftreten, weil ihnen tatsächlich klar ist, wieviele Fragen sie NICHT beantworten können.

      • Otniel Otniel

        Ich gebe dir da recht, dieses Problem taucht aber nur auf, wenn man meint, dass die Wissenschaft alles erklären kann. Ich denke aber nicht dass das der Fall ist und ich denke auch nicht, dass alle Wissenschaftler das behaupten würden. Gottes Realität ist für mich viel größer als das was man durch die Wissenschaft beschreiben kann, aber die Wissenschaft ist ein Teil von Gottes Realität. Mein Glaube wird immer über die Wissenschaft hinausgehen, aber ich versuche in meinem Glauben der Wissenschaft nicht zu widersprechen, weil die Wissenschaft für mich Teil der Realität Gottes ist. Deshalb gibt es für mich persönlich keinen Widerspruch.

        Ein Widerspruch entsteht dann, wenn religiöse Menschen ihre Dogmen als absolute Wahrheit darstellen auch wenn diese Dogmen der Realität in der wir leben vollkommen widersprechen. Diese Menschen ignorieren dann sehr oft die wissenschaftlichen Fakten vollständig und sind manchmal sogar stolz darauf, dass sie unwissenschaftlich sind und an Dinge glauben die unmöglich wahr sein können (je realitätsfremder ihre Dogmen desto stolzer sind sie weil sie ja so einen großen Glauben haben, der an etwas irrationales glauben kann).

        Dies führt auf der anderen Seite manchmal dazu, dass sich Wissenschaftler von solchen irrationalen Menschen provozieren lassen und Aussagen tätigen, die eigentlich auch nicht mehr wissenschaftlich sind , weil sie einfach ihren Punkt verdeutlichen wollen (z.B. das die Wissenschaft die ganze Realität beschreibt). Atheistische Wissenschaftler bringen dann natürlich ihr atheistisches Weltbild mit rein, was das ganze auch wieder unwissenschaftlich macht. Ein ehrlicher Wissenschaftler ist meiner Meinung nach aber mindestens Agnostiker, weil er genau weiß, dass er Gott weder beweisen noch widerlegen kann. Wissenschaft und Glauben reden meiner Meinung nach so oft aneinander vorbei weil sie nicht verstehen, dass sie aus zwei vollkommen unterschiedlichen Blickrichtungen argumentieren. Und weil jeder bemüht ist recht zu haben und dem anderen zu beweisen das man recht hat, versteht man die Argumente der Gegenseite gar nicht mehr.

        Ich betrachte die Wissenschaft so, dass sie ein Teil der Realität Gottes beschreiben kann (natürliche Vorgänge) aber explizit keine Aussagen über Gott selbst treffen kann, weil sie Gott aus ihren Versuchen die Natur zu erklären absichtlich ausschließt um die Natur besser zu beschreiben, und ich denke das ist auch gut so. Der Glaube sollte meiner Meinung nach die wissenschaftlichen Erkenntnisse akzeptieren (weil sie zur Realität dazu gehören) und einen Glauben aufbauen der der Wissenschaft nicht widerspricht aber ihn auf der metaphysischen Ebene übersteigt. Aus diesem Grund finde ich es auch falsch, dass gläubige Menschen auf der wissenschaftlichen Ebene Gott beweisen wollen, denn das ist per Definition unmöglich. Das Bedürfnis mit der Wissenschaft Gott zu erklären kam auf, als im Laufe der Zeit immer mehr Menschen der Wissenschaft mehr vertrauen schenkten als dem Glauben. Anstatt die Wissenschaft zu akzeptieren und ihre Bemühungen uns die natürliche Welt besser zu erklären zu respektieren, haben sich viele gläubige Menschen in Grabenkämpfe mit der Wissenschaft eingelassen, was dem Verhältnis zwischen Glaube und Wissenschaft enorm geschadet hat.

        Liebe Grüße
        Otniel

  15. der Daniel der Daniel

    Hallo Dominic,

    wenn ich dich richtig verstehe, sind es also ästhetische Gründe (es gefällt dir am besten), die dich deine metaphysichen Annahmen machen lässt? Na dann hab‘ ich ja gar nicht so arg danebengelegen, als ich wähnte, dass du dich von der Schönheit täuschen lässt. 🙂

    Aber bitte unterstelle mir doch nicht irgendwelche Grundannahmen (Gott sei völlig von der Natur getrennt), die ich nie behauptet habe. Ich habe gesagt, dass Gott im Raum der Liebe schöpft, den jeder Mensch in sich trägt und jeder in sich finden kann. Und der Mensch ist nun einmal auch ein Naturphänomen (nur eben Gott nicht).

    Weißt du, ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns ganz wunderbar verstehen könnten, wenn du nicht aus den paar Zeilen, die ich bisher geschrieben habe, meintest vollumfänglich herauslesen zu können, wie ich persönlich glaube, dass Gott in die Welt hineinwirkt.

    Ich versuche deinem Modell wirklich mit Respekt zu begegnen und will es lediglich verstehen. Und da ist es manchmal notwendig, auch provokante Fragen stellen zu dürfen. Eben gerade, weil du hier in der Welt nur einen Naturvollzug postulierst und dann aber metaphysisch diesem doch wieder das Eingreifen eines Gottes „andichten“ willst. Wäre dem so, dann würde sich Gott jedoch über den Naturvollzug zum Ausdruck bringen und dann müssten wir Menschen die Naturvollzüge zum Vorbild unserer eigenen Moral machen. Das darf nicht sein!

    Im Gegensatz dazu nehme ich persönlich an und glaube daran, dass Gott ein Beziehungswesen ist, das deshalb immer Subjekt, immer Person ist und niemals verobjektiviert werden kann (auch nicht metaphysisch!). Er ist das „absolute Ich“, das uns allen als „Du“ gegenübersteht und nur in diesem Beziehungsgeschehen schöpft Gott die ganze Welt und bringt sich zum Ausdruck. Es ist quasi ein der Natur gegenläufiger Prozess, in dem wir uns nicht als lediglich nur hervorgebracht, sondern als gewollt und geliebt erleben und erfahren dürfen. Und auf die Weise dieses Beziehungsgeschehens, stehen wir als Naturwesen auch in Beziehung zu all dem, was Natur, was kreatürlich ist. Und erst dann macht auch das Lob der Schönheit der Natur einen Sinn und lässt sich in Psalmen besingen, oder, wie bei Paulus, Gottes Kraft im Gemachten erkennen.

    Dies ist keine mir bekannte Panentheistische Vorstellung und ich glaube zu wissen, welche Panentheistischen Vorstellungen auf dem Markt sind. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren. Es ist vielmehr Rückbindung an einen Gott der jenseits von Zeit und Raum in der Weite wirkt, in der er sich regen kann – nämlich der Liebe, die bis ins Unendliche reicht. Und diese Liebe ist in dir, in mir, in uns allen und dort begegnet uns Gott und will uns begegnen. Die Natur kennt die Liebe jedoch nicht,, sie ist kein Naturphänomen, sondern ein Beziehungsphänomen unter beziehungsfähigen Wesen. Der Panentheismus versucht dieses Beziehungsverhältnis nun metaphysisch zu objektivieren und nennt es „reziproke Durchdringung“ oder sowas, obwohl es notwendig ein Geschehen zwischen Subjekt und Subjekt, zwischen Person und Person ist. Ich fürchte das ist vielen nicht wirklich klar.

    Ich kenne einige Panentheisten die irgendwann anfangen die Natur zu vergötzen. Sie wähnen dann Gott im Naturprozess erkennen zu können, umarmen Bäume (sorry Jay) und preisen die Winde des Ostens, des Nordens, des Südens und des Westens….Sie erkennen offenbar nicht, dass Gott nicht im Naturprozess, sondern im Beziehungsgeschehen zu ihnen spricht und sie im Baum nur deshalb wähnen Gott zu sehen, weil Gott in der Beziehung zwischen dir und Baum die Liebe entzündet hat. Wer das nicht beachtet, fällt häufig in Irrtum und nur deshalb erwähne ich das an dieser Stelle mal. 🙂

    LG
    der Daniel

    • Dominic Dominic

      Hi Daniel,
      ich vermute tatsächlich, dass unsere Differenzen mehr in unserer Wortwahl als in unseren Weltbildern zu suchen sind. Ich würde auch nicht behaupten, dass Gottes Wesen mit meinem panentheistischen Modell vollständig beschrieben wäre. Der Beziehungsaspekt, den du so sehr betonst, ist mir tatsächlich auch unheimlich wichtig. Und Teilhard de Chardin z.B. nennt die Kraft, die die Konvergenzbewegungen des Kosmos verursacht ganz bewusst „Liebe“ als Verallgemeinerung des Liebesbegriffs, denn wir aus unserem Beziehungserleben konstruieren.
      Die Gefahr, dass eine einseitige Schöpfungsspiritualität zu einer Vergötzung der Natur führen kann, sehe ich genauso wie du. In gleicher Weise sehe ich in evangelikalen Kreisen auch die Gefahr (tlw. auch schon das Vorhandensein) einer Vergötzung der Bibel. Einseitigkeiten sind immer riskant und wenn man das Gefühl hat, dass das eigene Gottesbild in sich geschlossen ist, sollten immer die Alarmglocken angehen. Bei diesem Talk habe ich mich natürlich auf die Facette meines Gottesbildes konzentriert, die für eine theologische Deutung der Evolution am wichtigsten ist. Dadurch kann durchaus der Eindruck eines recht eindimensionalen Gottesbildes entstanden sein, aber ich habe nie beabsichtigt ein solches zu implementieren.

  16. Ich möchte mal ein bisschen praktischer werden. Und das heißt natürlich: politischer 🙂

    Welche realpolitischen Konsequenzen haben Kreationismus versus Evolutionstheorie für unsere Haltung zum Klimawandel?

    Wenn die Naturwissenschaft trotz ihrer Berge von Daten über das Alter der Erde und die Entstehung der Arten in völligem Irrtum sein sollte, dann ist auch die Klimawissenschaft „nur eine Theorie“ . Die einen sagen so, die anderen so, „man weiß es nicht“. Bei einer Erde, die wie ein Schachtelteufel aus dem Nichts springt, ist es irgendwie auch nicht dramatisch, wenn sie in der Schachtel wieder verschwindet, denn hey, es wird sowieso die Beta-Version gebaut.

    Wenn die Evolutionstheorie aber zutrifft, dann ist die Erde – d.h. auch: die Schöpfung – etwas, das eben nicht abgeschlossen ist. Etwas, das scheitern kann. Das in unserer Hand liegt (und das lehrt ausgerechnet der zweite Schöpfungsbericht: „bebauen und bewahren (!)“). Für das wir Verantwortung haben.

  17. Katja Katja

    Neulich hab ich von Niko Kohler ein kurzes Video zu Gen.1,1 gesehen, in dem er ein hebräisches Wort erklärt, das dort zweimal vorkommt, aber im deutschen Text nicht übersetzt wird – und damit ergibt sich auch eine interessante Auslegungsmöglichkeit und ein wichtiger Aspekt Gottes als Schöpfer, mE sogar ein Hinweis darauf, dass der Schöpfungserzählungstext von vorneherein keine naturwissenschaftliche Intention hatte. Und evtl kann man das auch mit dem in Verbindung bringen, was Dominic als „metaphysische Innenseite“ bezeichnet: https://www.youtube.com/watch?v=yvLz89BzlJc

  18. der Daniel der Daniel

    Hallo Jay,

    okay, dann also Sex! Evolutionspsychologisch hat deine Existenz exakt diesen Sinn. Sex. Also die Weitergabe deiner Gene an möglichst viele gesunde Weibchen mit möglichst idealer Fettverteilung. Dabei stehst du natürlich in Konkurrenz zu allen ebenso begattungswilligen Männchen, die auch gerne ihre Gene unters Weibsvolk verteilen möchten. Und diese wiederum sind evolutionspsychologisch natürlich auf der Suche nach einem möglichst idealen Partner, weil Weibchen im Gegensatz zum Männchen maximal „16 Schuß“ frei haben. Also sie können nur max. 16mal in ihrem Leben gebären. Die Männchen jedoch können immer (so sagt man jedenfalls), weshalb die Auswahlkriterien der Weibchen zurecht ein wenig strenger sind, als die der Männchen. Das ist doof für all die Männchen, die auch den evolutiven Druck verspüren ihre Gene weitergeben zu müssen, aber eher klein und schmalschultrig sind, weil die Weibchen das exakte Gegenteil davon bevorzugen und überhaupt erst so richtig in Wallung kommen, wenn die potentiellen Begatter dann auch noch dichte Augenbrauen, kantiges Kinn und möglichst dominantes Verhalten zeigen.

    Nun wirst du mir vielleicht recht geben, dass das eigentlich Schöne am Sex, nicht unbedingt die Vorstellung ist, dass man gleich, hurra, seine Gene weitergeben kann? Nicht selten versuchen ja gerade die Männchen das tunlichst zu vermeiden, wobei aber selbstverständlich ihr Wunsch nach möglichst zahlreichen Begattungsakten erhalten bleibt. Was ist da also los?

    Es liegt die Vermutung nahe, dass der Mensch biologistisch, naturwissenschaftlich vielleicht nicht vollständig beschreibbar ist? So ist ja nicht nur die Vermeidung der Weitergabe der Gene durch Verhütung ein evolutionspsychologischer Wahnsinn, sondern auch Treue oder Monogamie im Konkurrenzkampf um die möglichst zahlreiche Weitergabe der Gene ein geradezu lächerliches Konzept. Trotzdem haben sich aber solch verrückten Sachen herausbilden können. Wie ist das möglich? Antwort: Kultur (wobei die Religion ein wesentlicher Bestandteil derselben ist).

    Es scheint also durchaus vernünftig und angemessen, Phänomene des Menschseins möglichst ganzheitlich zu betrachten und sie nicht unnötig eingeschränkt nur einer bestimmten Wissenschaftsdisziplin zur Frage vorzulegen. Denn so interessant es auch sein mag, welche biochemischen Vorgänge in unserem Hirn da im Augenblick des Geschlechtsgenusses abgehen, so egal ist es uns gleichzeitig in dem Moment, wo es dergestalt abgeht. Da sind wir dann doch eher auf was anderes konzentriert.

    Ist es also vernünftig das Phänomen Gott den Wissenschaftsbereichen vorzulegen, die qua Eigendefinition unmöglich etwas dazu zu sagen haben? Gott ist ja ein Phänomen des Menschseins, der menschlichen Existenz, aber eben kein z.B. geologisches Phänomen. Und ein Geologe hört in dem Augenblick auf Geologe zu sein, wo er behauptete, dass man diese bestimmte Gesteinsformation auf Gott zurückführen müsse.

    Wissenschaftsbereiche, die also unmöglich etwas über Gott aussagen können, haben dementsprechend auch keine Berührungspunkte mit ihm. Wieso sollte man diese dann aber metaphysisch konstruieren? Das ist doch irgendwie wie der Versuch Sex ohne Berührungen haben zu wollen.

    Das Phänomen Gott findet ja offensichtlich im Phänomen Menschen statt. Und nur in diesem Beziehungsverhältnis kann man vernünftig über all das sprechen, was in diesem Zusammenhang geschieht. Ich habe jetzt z.B. über deinen Glauben erfahren, dass für ihn die Vorstellung eines Ausflusses und Rückflusses der Welt aus und zu Gott zurück eine wichtige Rolle spielt. Ich persönlich halte das für falsch, sobald man es metaphysisch postulieren würde, kann mich aber völlig mit der religiösen Erfahrung identifizieren, dass man sich und die Welt aus Gottes Händen empfängt und beides eines Tages wieder vertrauensvoll in seine Hände zurückgibt. Für mich ist das eben ein religiös-existentialistisches Phänomen im Vertrauens- und Beziehungsverhältnis zwischen Gott und mir und kein metaphysisches. Tatsächlich erlebe ich das als ein inneres Geschehen, aber du täuschst dich, solltest du annehmen, dass Gott auf diese Weise nur in Worten anwesend ist und gefunden werden kann. Diese Gefahr sehe ich persönlich eher bei den Metaphysikern.

    Am End‘ ist das alles vielleicht tatsächlich wie Sex? Der ist doch schlussendlich auch nur auf der existentialistischen Ebene interessant und nicht auf der metaphysischen. 😉

    LG
    der Daniel

    • Also Gott als etwas in der Welt Nachweisbares habe ich nie postuliert. Das halte ich genauso für Quatsch wie du. Deshalb spreche ich ja auch immer wenn es um Gott und Welt bzw Gott in der Welt geht von Vorstellungen/ Modellen.

      Auf der Erfahrungsebene hilft mir die Vorstellung von einer von Gott durchfluteten Welt, die ich auch gerne weiterhin postuliere aber dir zuliebe nicht zum Dogma erheben werde. 😉

      So richtig verstehe ich die Differenz zwischen uns nicht. Wahrscheinlich deshalb nicht, weil ich nicht verstehe, was du mir sagen willst. In der Frage der unmöglichen Nachweisbarkeit Gottes sind wir uns einig. Auch darin, dass wir Gott primär im Beziehungsgeschehen erwarten. Und auch darin, dass wir Gott eher als existentialitische Frage an das Leben, denn als untersuchbares, beschreibbares Objekt verstehen. Allein die VORSTELLUNG, das MODELL mit dem wir das Universum betrachten und theologisch bedenken scheint unterschiedlich zu sein.

      So what?

      LG,
      der Jay

      • der Daniel der Daniel

        Hallo Jay,

        sorry, aber das wird jetzt bisschen länger. Du hast nämlich den schlimmen Fehler gemacht und mich ernsthaft gefragt, was ich dir eigentlich sagen will? Also Bitteschön. Zunächst einmal folgendes…

        Grundsätzlich hab‘ ich auch kein Problem mit deinen Vorstellungen, oder mit deinem Modell, wenn ich auch sehr dankbar bin, dass du es mir zuliebe nicht zum Dogma erhebst. Darauf ein dreifaches Hossa! Aber ich möchte gerne versuchen aufzuzeigen, worin die Konsequenzen liegen, wenn man ein metaphysisch, panentheistisches Modell postuliert. Und mit den Konsequenzen kann ich und will ich persönlich nicht leben und frage mich deshalb, wie man damit leben kann?

        Denn im Grunde unterhalten wir uns hier ja über das Gottesbild und das Verhältnis Gott/Welt, sowie die Frage, wie Gott denn überhaupt in diese Welt hineinwirkt. Und jedes mir bekannte Modell des Panentheismus betont, vereinfacht gesagt, dass die Welt in Gott, Gott aber auch mehr als die Welt ist. Das klingt auch für mich zunächst einmal sehr plausibel, da völlig zurecht betont wird, dass Gott mehr als die Welt ist. Inwiefern kann man aber sagen, dass die Welt in Gott ist?

        Wahrscheinlich ist damit ja die Vorstellung dieser ominösen Außen- und Innenseite des Universums gemeint, auch wenn ich die jeweiligen Seiten gelegentlich vertausche. Aber ich frage mich, was sich für Konsequenzen aus dieser Vorstellung notwendig ergeben? Wir haben dann nämlich eine Außenseite auf der sich alles völlig natürlich zu vollziehen scheint und eine unerkennbare Innenseite, auf der Gott wirken soll. Dadurch, dass das Wirken Gottes auf der Innenseite für uns Menschen aber grundsätzlich unerkennbar ist, nehmen wir immer nur den für uns völlig natürlich verlaufenden Vollzug der Außenseite wahr und sind selbst Teil davon. Stimmt doch, oder?

        Die Konsequenz aus solch einer Vorstellung müsste dann doch eigentlich lauten, dass das uns unbekannte Wirken Gottes auf „seiner Innenseite“, auf der „erkennbaren Außenseite“ als Naturvollzug erkannt wird. Richtig? Also zumindest dann richtig, wenn man das innenseitige Wirken Gottes gleichzeitig als schöpferischen „Ausfluss“ betrachtet, der die Außenseite aus sich hervorbringt.

        Schöpfung Gottes ist dann die Welt, so wie sie uns(!) erscheint und Gott ein Schöpfergott. Die Dekonstruktivisten unter den Postevangelikalen jubeln: „Hallelujah, unser Gottesbild ist gerettet, Gott hat die Welt gemacht und macht sie immer noch. Alles wird gut.“

        In so einer allgemeinen Feierlaune ist man selbstverständlich nicht gerne der Überbringer schlechter Nachrichten, aber was soll man machen, wenn jahrtausende alte Fehler in immer neuen Gedankenkonstruktionen und Vorstellungsmodellen beständig nur wiederholt werden? Dabei kann man „den Alten“ ja nicht einmal böse sein, denn wie hätten sie sich das Naturgeschehen auch anders erklären sollen? Denen musste ja die Welt „götterdurchwoben“ erscheinen.

        Leider kam es dadurch aber zu einer durchaus verhängnisvollen Mißweisung, der wir bis heute folgen und die nie wirklich korrigiert wurde. Dabei hört sich das Grunddogma in etwa so an:

        Die Welt ist von Gott geschaffen worden, um darin seine Macht, seine Güte und seine Weisheit zu offenbaren. Besonders uns Menschen wollte er sie zum Geschenk machen, um mit uns, als geistigen Geschöpfen, Angesichts der Schönheit und Majestät seiner Schöpfung, ins Gespräch kommen zu können. Ein Dialog der Liebe, der sich über die gesamte Welt ausgießt.

        In der Welt gibt es nun aber leider Katastrophen. Man muss sie so interpretieren, dass Gott immer wieder nach moralischen Maßstäben in die Welt eingreift, um, je nach Bedarf oder Notwendigkeit, zu strafen oder zu retten (meistens geht beides aber irgendwie Hand in Hand). Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch, so geht das Narrativ, war zwischenzeitlich nämlich wegen verbotenem Essen etwas in Mitleidenschaft gezogen worden und da lag es natürlich nahe, Schicksalsschläge, Krankheiten, Leiderfahrungen etc pp wenn nicht sogar auf persönliches Fehlverhalten, dann aber zumindest auf dieses Ereignis zurückzuführen und moralisch auszudeuten.

        Die schreckliche Konsequenz aus so einer Vorstellung ist nun, dass jeder erlittene Schaden zusätzlich noch als Strafe Gottes verstanden werden muss, denn dieser hätte ja problemlos in die Welt eingreifen und den Schaden verhindern können. Tut er dies nicht, dann muss wohl ein moralisches Fehlverhalten vorliegen, dass von Gott bestraft werden muss. Auf diese Weise verdoppelt sich sozusagen die Leiderfahrung. Sie besteht nicht mehr nur allein im erlittenen Schaden, sondern zusätzlich auch noch in der Vorstellung, von Gott bestraft worden zu sein.

        Der erste, der gegen dieses Gottesbild aufbegehrt und rebelliert ist Hiob. Ich liebe Hiob! Der steht auf und verkündet vor versammelter Theologenschaft, dass er das ihm widerfahrene Unglück nicht verdient habe und schon gar nicht als gerechtfertigte Straffolge Gottes verstehen könne. So ein Gott ist ungerecht. Damit muss Schluß sein! Schnappatmung (bis heute!) bei den Theologen…

        Ein paar hundert Jahre später springt ihm Epikur sehr klug zur Seite, indem er vorsichtig darauf aufmerksam macht, dass an dem Gottesbild etwas grundsätzlich nicht so ganz stimmen könne. Die Welt ist nicht so, dass darin die Allmacht, Allgüte und Allweisheit Gottes zum Ausdruck käme.Und sofort springen die Theologen auf und rufen „das liegt am verbotenen Essen“, oder „das liegt an diesem Satan, dessen Rolle wir schon bei Hiob nicht wirklich verstanden haben und ihn Folge deshalb immer falsch darstellen werden, aber egal, der ist jedenfalls Schuld, oder beides. Das verbotene Essen und Satan!“.

        Schließlich versucht es Jesus dann noch einmal und lässt zunächst den Satan vom Himmel plumpsen, um sich dann unseren, durch das verbotene Essen verursachten, Bauchschmerzen zuzuwenden und uns einen Gott vorzustellen, der nicht will, dass wir unser lebenlang Bauchschmerzen haben. Gott als Vater mit mütterlichen, liebenden, umfangenden, beschützenden Eigenschaften. Eine Stimme die bejaht, aufrichtet, Mut macht und selbstverständlich, wenn wir uns zu verlaufen drohen, auch mal als Widerspruch gegenübersteht, aber nicht aus Strafwillen, nicht um unser Schicksal noch zusätzlich zu erschweren, sondern um uns Verirrte und Orientierungslose nach Hause zu führen, dorthin, wo es keine Bauchschmerzen mehr gibt.

        Ist klar was die Mächtigen und der Klerus mit diesem Jesus machen werden – man wird ihn bestrafen. Man hängt ihn ans Kreuz. Das Grunddogma, auf dem das Gottesbild basiert, darf nicht in Frage gestellt werden. „Gott hat die Welt supergut geschaffen, wir haben’s aufgrund verbotenen Essens verbockt und völlig zurecht ist sie jetzt halt nicht mehr supergut. Uns gehört deshalb regelmäßig vom Satan ordentlich paar auf die Fresse, damit wir auch ja so funktionieren, wie wir, der Klerus und die Mächtigen, uns das vorstellen. Strafe muss sein und wer nicht hören will muss eben irgendwann fühlen. Basta!“

        Zig tausend Jahre geht das nun schon so und jeder der es wagen sollte das Grunddogma in Zweifel zu ziehen, muss mit inquisitionistischer Verfolgung rechnen. Heutzutage scheint das nicht mehr so schlimm zu sein, da die Inquisition ja eh nur noch als Glaubenskongregation in Erscheinung tritt und nur noch für einige wenige und besonders hartnäckige Katholiken eine Rolle zu spielen scheint, aber da das Dogma so uralt ist, hat es sich bis in unsere Seelen hineingraben und dort festsetzen können, so dass selbst die armen Atheisten davon verdorben werden , die allen Ernstes glauben, Gott sei tatsächlich so, wie es das Dogma sagt und sich dementsprechend, Epikur zum Zeugen aufrufend, konsequent von ihm abwenden. Und soviel Prophet möchte ich an dieser Stelle dann schon mal sein, dass ich voraussage, dass der Enttäuschungsatheismus unbeirrt seinen Siegeszug fortsetzen wird, wenn wir uns nicht von diesem Dogma erlösen lassen.

        Selbstverständlich gab es im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Versuche der Grunddogmenmodifikation, da es nun einmal doch schon sehr auffällig ist, dass Gott auf gar seltsame Art und Weise in den Naturverlauf einzugreifen scheint. Mein diesbezügliches Lieblingsbeispiel ist das große Erdbeben von Lissabon: Tausende Menschen sterben qualvoll während sie Gott Loblieder in den Kirchen singen und diese über ihnen zusammenbrechen, während die Bordellviertel komplett unversehrt bleiben. Was will Gott uns nur damit sagen? Sollten wir etwa mehr herumhuren….? Mmhmm. „Oh, Göttliche Schöpferkraft, bitte fahr in meine Lenden. Sonst kann ich das unmöglich hinbekommen…“ (sorry, gelegentlich bin ich auch mal ein polemisches Arschloch).

        Der Spott auf dieses Ereignis (und das Grauen) war dazumal allerdings auch nicht gerade gering. Kurz zuvor hatte der Philosoph Leibniz nämlich eine Grunddogmenmodifikation postuliert, in der Gott die zweifelhafte Ehre zuteil wurde, trotz verbotenem Essen, trotz des Satans und trotz aller Übel zum „Schöpfer der Besten aller möglichen Welten“ ernannt zu werden.

        Dann bebte die Erde in Lissabon und irgendwie konnte man nicht mehr so recht verstehen, inwiefern sich hier die Beste aller möglichen Welten aussprach? Schlimmer noch, Gott, als Urheber dieser fantastischen Welt, war selbst irgendwie nicht mehr zu verstehen.

        Diejenigen nun, die nicht stande pede vom Glauben an einen guten Schöpfergott abfielen, versuchten sich nun zahlreich in weiteren Grunddogmenmodifikationen und scheiterten schlussendlich alle, so dass sich allmählich Frustration und Resignation breit machten, da das Problem des Leids in der Welt einfach nicht zu lösen war. Der Satan rieb sich erfreut die Hände und das verbotene Essen lag den Gläubigen wie ein Stein im Magen.

        Dann erschien Charles Darwin auf der Weltbühne und in der tatsächlich Besten aller möglichen Welten würden die Christen diesen frommen(!) und gottesfürchtigen(!) Mann als Heiligen verehren und ihm einen Gedenktag widmen. Wie wir wissen, kam es aber anders:

        Statt sich auf Grundlage Darwins Theorie endlich von dem Irrtum erlösen zu lassen, dass wir Menschen und die uns umgebende Natur, mehr seien, als eben nur Natur, beharrte die versammelte Theologenzunft, wie einst zu Hiobs Zeiten, wutentbrand und schnaubend auf ihr Heiliges Grunddogma und ihren damit verbundenen Status als „Krone der Schöpfung“. Was, nebenbei gesagt, meiner persönlichen Meinung nach, der eigentliche Grund ist, weshalb man mit aller Macht und bis zur ekelhaftesten Verlästerung Gottes an dem Dogma festhält.

        Man(n!) gibt halt nicht einfach so kampflos sein Krönchen ab und lässt sich mit dem schnöden Vieh gemein machen. Dabei wäre aber gerade das, das Heilsamste, was aus Darwins Theorie zu lernen wäre. Wir Menschen sind als Naturwesen nichts besonderes. Wir entstammen der gleichen Welle, wie die gesamte Natur. Wir sind auf’s Engste schicksalshaft mit ihr verwoben und es ist völlig absurd zu erwarten, dass die Natur gerade uns Menschen allem anderen vorzieht (das ist übrigens sinngemäß die Antwort Gottes an Hiob. Der hatte das auch verstanden und staunend den Finger an den Mund gelegt. Psssst.).

        „Gott bewahre“, höre ich die Theologen und Mächtigen rufen: „Wo kommen wir denn da hin!“ Die Tiere, unsere Brüder und Schwestern? Nichts Geringeres als wir? Dann müsste man sich am End‘ ja anständig um die Tiere kümmern und könnte sie nicht mehr unbedarft zu Milliarden in Massenvernichtungslagern abschlachten. Auch mit der barbarischen Ausbeuterei der Natur, die dann ja die gleichen Rechte wie wir auch hätte und unsere einzige Lebensgrundlage wäre (Himmel hilf, am End‘ stimmt das sogar mit dem Klimawandel von dem alle reden), müsste es für alle Zeiten zu Ende sein. Und schlussendlich müsste man dann ja sogar seinen Nächsten lieben wie sich selbst, schließlich ist er nur Natur und man selbst nur Natur und steckt notgedrungen im gleichen Schlamassel fest. Man ist nix besonderes, entstammt der gleichen Welle wie alles andere auch, ist schicksalshaft verwoben? Oh Gott, dann könnte man ja auch nicht mehr aus dogmatischer Rechthaberei Kriege gegeneinder führen. Kein „deus vult“ mehr, kein „bekenn‘ oder brenn’…“

        Das darf nicht sein! Lasst uns schnell ein letztes Rückzugsgefecht ausfechten und es Panentheismus nennen. Menschen lieben schwere Worte. Das hört sich wichtig an, dann hören sie sich wichtig an. Und das lieben sie. Außerdem können wir ja noch unseren letzten Trumpf spielen und ihr instinktives Bedürfnis nach einem einheitlichen Welt- und Gottesbild missbrauchen. Wir sagen einfach, dass die Welt in Gott ist, Gott aber größer als die Welt…
        Epilog:

        Auf der Innenseite des Quantenvakuums sitzt Gott und langweilt sich ganz fürchterlich. Hier und da fliegt mal ein Teilchen vorbei, aber insgesamt mal wieder gähnende Lehre und Langeweile im expandierenden Universum. Auch bei den Menschen auf der Erde ist für Gott nur noch selten was los nachdem die ach so vernünftigen Deisten Sie, Gott, für ihren Planeten verantwortlich gemacht hatten und dann aber meinten, Sie sei weggegangen und kümmere sich nicht drum.

        Immer wollen die Menschen nur wissen wo alles herkommt und wenn Gott es ihnen dann offenbart, glauben sie es Ihr doch nicht. Der neuste Schrei ist jetzt der Panentheismus und seitdem hockt Gott auf der Innenseite des Universums und durchdringt es reziprok. Interessiert aber eigentlich kaum eine Sau. Aber wie auch, in der Natur selbst ist davon ja rein gar nichts zu spüren. Da geht alles seinen gesetzmäßigen Weg.

        Funktioniert eigentlich an und für sich auch super. Nur die Menschen tun Gott ganz fürchterlich Leid. Sie lässt den Menschen ja wirklich gerne ihre Gottesbilder und -vorstellungen, aber manchmal ist Sie schon ein bisschen abgenervt und fragt sich, ob Sie das damals mit dem Bilderverbot nicht vielleicht doch mit etwas mehr Nachdruck hätte einfordern müssen?

        Nun gut, jetzt also reziproke Durchdringung… Bitteschön! Aber Sie kann echt jetzt schon das Geschrei der Menschen hören, wenn mal wieder die Erde, die die Menschen hervorgebracht hat, zu beben beginnt. Dann heißt es wieder „Oh Gott, warum nur?“

        Dabei könnten es die Menschen ja längst wissen. Ihre Wissenschaftler haben das schon lange rausgefunden. Die Konvektionsströme im oberen Erdmantel, die, nebenbei gesagt, absolut notwendig sind, damit sich auf der Erde überhaupt Wesen, wie die Menschen es sind, bilden konnten, verursachen hin und wieder eben auch mal das ein oder andere Beben. Aber klar, jetzt soll natürlich Sie wieder Schuld sein. Und würde Sie die Konvektionsströme zum Erliegen bringen, wäre es sicher auch wieder nicht recht: „Oh Gott, wir müssen alle sterben… Warum nur?“

        Sie hat es wirklich nicht leicht mit den Menschen. Da hat Sie seit je her im Raum der Liebe ihrer Herzen Wohnung genommen und viel zu wenige Menschen haben’s mitbekommen. Wahrscheinlich weil sie immer nur mit ihrer Welt und ihren Sorgen beschäftigt sind und es so schrecklich zeitaufwändig ist, Besitz zu raffen und ihn in Konkurrenz zu allen anderen Menschen irgendwie zu vermehren? Dann hört man die Stimme der Liebe natürlich nicht mehr so gut.

        Mit den Schwälbchen auf der Erde hat Sie es da schon einfacher. Kaum geschlüpft und flugfähig finden sie auch über tausende Kilometer hinweg ihren Weg nach Hause. Sie folgen einfach ihrer inneren Karte, die sie von Geburt an dazu leiten, sich an den Sternen zu orientieren. Klappt wirklich super!

        Aber die Menschen? Entgegen und im Widerspruch zu allem Naturvollzug, hat Gott die Liebe für alle Zeiten in ihre Herzen gepflanzt und sie müssten dieser Liebe einfach nur auf ihrem Weg in die Unendlichkeit hinein folgen, um nach Hause zu kommen, aber stattdessen foltern sie diejenigen grausam zu Tode, die es ihnen mitteilen wollten. Und dann, ganz seltsam, vergöttern sie plötzlich sogar die Natur, obwohl in ihr ja nun wirklich gar keine Liebe zu finden ist:

        Denn schon mit der Teilung der ersten Urzelle begannen ja die Probleme. Dadurch kam damals ja überhaupt erst der Tod in die Welt. Und mit der Herausbildung eines Nervensystems dann unglücklicherweise auch noch der Schmerz. Und als das Gehirn sich schlussendlich dann auch noch entwickelt hatte, kam sogar auch noch die Angst in die Welt. Furchtbar!

        Ist also echt kein Wunder, dass der Apostel Paulus verzweifelt ausrief: „Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem Leib des Todes?“

        Und Gott würde die elenden Menschen ja auch wirklich gerne erlösen! Sie steht dazu jederzeit bereit! Aber die Menschen lassen sich einfach nicht in ihren Herzen nachhaltig berühren und von ihren falschen Gottesbildern erlösen. Lieber tragen sie diese auf ewig in ihren Köpfen, halten sie ganz dolle fest und betreiben mit Eifer so völlig verrückte Sachen wie Metaphysik, oder, noch viel verrückter, blasphemischen Biblizismus, um aus so etwas Wunderschönem wie der Religion, schlussendlich so etwas Abstoßendes wie eine Ideologie zum Rechtbehalten und Rechtbekommen zu machen. Es ist wirklich zum Verzweifeln! Und ganz offensichich sind sich die Menschen auch Null über die Konsequenzen ihres Treibens bewusst.

        Und jetzt also reziproke Durchdringung. Laaaangweilig! Viel lieber schaut Gott lachenden Kindern beim Spielen zu und freut sich daran, wenn sich eine helfende Hand dem am Boden Liegenden entgegenstreckt. Sie sieht die Menschen auch gerne lächeln und miteinander teilen. Aber die schauen lieber übellaunig in die Welt und bauen hohe Grenzzäune, hinter denen sie sich dann verbarrikadieren und ihre erbarmungswürdige Existenz verbringen. Niemanden lassen sie dort hinein, der nicht mindestens zehn Formulare ausgefüllt und zig Bettelanträge gestellt hat. Kein Wunder also, dass Gott da auch nicht so einfach reinkommt. Da kann Sie soviel reziprok durchdringen wie Sie will.

        Deshalb, man nehme es mir bitte nicht übel, aber der Panentheismus ist in meinen Augen irgendwie so gar nix. Er verändert nichts im Naturgeschehen und hat zur Konsequenz, dass abermals nur das Grunddogma in modifizierter Form und mit all seinen schrecklichen Folgen, in den Seelen der Menschen getriggert wird. Aber, wenn das nicht sehr bald mal aufhört, und wir Frommen uns nicht von unseren erkennbar falschen, aber auch so liebgewonnenen Gottesbildern erlösen lassen möchten, fürchte ich für die Menschheit das Allerschlimmste! Denn an wen oder was sollen sich die armen Seelen denn dann noch jenseits von Eden rückbinden, wenn Religion sich völlig unglaubwürdig gemacht hat?

        Gott ist doch immer größer als all unsere Vorstellungen und alles nur jemals Erdenkliche und Sie hat uns wirklich unfassbar lieb! Deshalb müssen wir auch ganz bestimmt vor nichts und niemanden Angst haben! Das zu wissen und zu erfahren tut jedem Menschenkind unbedingt Not. Alles andere jedoch, spielt doch nur eine untergeordnete Rolle.

        Wie also jetzt? Der Panentheismus soll nix taugen? Und Gott schöpft gar nicht in der Weise, wie wir uns das für gewöhnlich vorstellen und wie man uns das schließlich über Jahrtausende hinweg gelehrt und unsere Seelen damit indoktriniert hat? Natur ist nur Natur? Ernsthaft? Aber warum denn dann bitteschön überhaupt noch Gott? Warum dann nicht einfach nur Natur und fertig? Mhmm, wer weiß, Jay, vielleicht weil Sie mit der Natur eine Wette am laufen hat? Psssst.

        LG
        der Daniel

        • Hallo Daniel,
          erst Mal vielen Dank für diesen wunderbaren Text. Ein wahrhaft wilder Ritt und eine große Freude zu lesen. Du schreibst wirklich exzellent (habe mir erlaubt, ihn mir zu kopieren – das wird dann der Hossaquisition vorgelegt, sobald wir die Weltherrschaft haben!).

          Ja, ich verstehe Dich jetzt. Danke für die Ausführungen.
          Und ich finde Deine Gedanken tatsächlich verlockend. Muss ich zugeben.

          Allerdings scheint mir der Preis sehr hoch zu sein.

          Ich rekapituliere noch mal („previously on ‚der Daniel'“):
          Du versuchst das Theodizeeproblem zu lösen. Zum Preis der Trennung von Welt und Gott (den Panentheismus können wir an der Stelle getrost außen vor lassen, denke ich – wie gesagt, das ist für mich nur ein mir hilfreiches Denkmodell, moderner Scheiß, und ja nur eine der Varianten, gegen die Du dich aussprichst). Du beantwortest die Theodizee dadurch, dass Du strikt zwischen Welt und Gott trennst. Demnach wirst Du auch nicht an ein Wirken Gottes in der Welt glauben. Den Ursprung der Welt kannst Du nur insofern beantworten, wie es die Wissenschaft tut. Aber für Dein Modell ist es nötig, dass Gott nichts mit der Welt zu tun haben, demnach die Welt auch nicht geschaffen haben kann. Soweit richtig, oder? Unbefriedigend, aber okay, das ist der Preis den man zahlen muss… Und damit ist Gott alleine innerlich zu finden, als ein sich dem Einzelnen zuwendendes Beziehungsangebot.

          Aber was gewinnt man damit tatsächlich, außer dem guten Gefühl, dass man, wenn Lissabon mal wieder in Schutt und Asche liegt, Gott keinen Vorwurf mehr zu machen braucht?

          Verlustig gehen, ein Gott dem man seine Bitten und Klagen bringen kann (Gott hat mit dem allen ja nix mehr zu tun), und jeder Zauber der Welt. Wenn Wissenschaft der einzige angemessene Weg ist, sich mit der Welt zu beschäftigen, bleiben ja nicht viel mehr übrig als Einsen und Nullen. Was für einen Grund sollte es eigentlich geben, die Welt nicht zu zerstören, außer dem, dass sie das Boot ist, in dem ich sitze? Aber wenn ich nicht mehr in dem Boot sitzen mag, warum nicht den Stöpsel ziehen? Hat die Welt überhaupt noch einen anderen Wert, als den, den ich ihr zumesse? Einen Wert an sich hat sie ja nicht. Und Gott hat ja nichts mit ihr zu tun, also wird es ihm wohl oder übel egal sein, was ich mit der Welt veranstalte.

          Das Letzte denkst Du glaube ich nicht, aber wäre das nicht die konsequente Schlussfolgerung? Einem Gott der nichts mit der Welt zu tun hat (außer innerlich in mir herumzulieben – und ist das nicht schon ein Widerspruch? Ich bin doch Teil der Welt oder denkst Du, dass mein Inneres, also das, mit dem Gott da irgendwie in Kontakt tritt, etwas „unweltliches“/ „außerweltliches“ ist? Und wenn, ist man dann nicht genauso auf der Seite der Postulate wie wenn man Gott in die Innenseite der Welt verlegt?), der nichts für die Welt tut, dem dürfte doch egal sein, was ich mit ihr veranstalte, oder?

          Ich nehme an, jetzt schüttelst Du energisch den Kopf. Jedenfalls habe ich Dich nicht so verstanden, als ob Dir die Welt egal sei. Aber Deinem Gott müsste sie egal sein, oder? Der hat ja nix mit ihr zu tun, außer mit deinem Inneren.

          Ich weiß nicht, wahrscheinlich habe ich Dich doch noch nicht richtig verstanden. Aber mir scheint die Trennung von Welt und Gott mehr Probleme zu verursachen als zu lösen. Und die gelöste Theodizee ist doch auch nur eine theoretische. An der Welt ändert sich ja nix. Die bleibt grausam wie eh und je. Du hast das gute Gefühl, Gott außen vor lassen zu können, mehr aber doch nicht, oder?

          Und Jesus, also die Inkarnation, passt auch nicht recht zu Deinem Modell der strikten Trennung. Zumindest macht sie wenig Sinn. Wieso sollte ein Gott, der nichts mit der Welt zu tun hat, zu einem Teil von ihr werden (und damit deinem Modell komplett widersprechen), nur um sich darauf hin wieder aus ihr herauszuziehen? Weiß nicht, da erscheint mir das normale christliche Narrativ vielversprechender.

          Mit einer ungelösten Theodizee lebt das Christentum seit 2000 Jahren. Es bietet dafür immerhin einen Fleisch (Welt) gewordenen Gott, der in das Leiden hineinsteigt. Das ändert nichts im Fall von einem Erdbeben, schon richtig. Deine Anschauung ändert daran ja aber genauso wenig, außer das Gott fein raus ist. Im Gegensatz dazu leidet der christliche wenigstens…

          Nö, bin nicht überzeugt. 🙂

          Sorry, für das etwas konfuse Geschreibsel, ich muss jetzt los und wollte wenigstens den Versuch einer Antwort machen…

          Lg,
          der Jay

        • Otniel Otniel

          Hallo Daniel, ich gebe dir völlig recht, dass das Gottesbild vieler Christen absolut nicht stimmig ist. Ich persönlich denke, dass die Theodizee deshalb so ein großes Problem für die Christen ist, weil sie einige Annahmen über Gott einfach nicht hinterfragen können. Ich stimme mit dir vollkommen überein, dass Gott nicht verantwortlich ist für das Leid dieser Welt (weder das, dass von Lebewesen verursacht wird, noch das was durch Naturkatastrophen entsteht). Irgendwoher haben Menschen die Idee, dass Gott ein Vetorecht auf alles hätte, was hier auf dieser Erde passiert, aber das ist ein sehr griechisches Gottesverständnis. Außerdem gebe ich dir auch darin recht, dass der menschliche „Sündenfall“ nicht daran schuld ist. Der Sündenfall ist eine Christliche Interpretation von 1. Mose 3, aber ich denke man kann 1. Mose 3 wesentlich besser interpretieren (Dazu könnte ich z.B. Peter Rollins empfehlen z.B. hier https://www.youtube.com/watch?v=YVFLufQVUNY ab Minute 40-45; das ist aber nur eine von vielen anderen und gesünderen Interpretationsmöglichkeiten von 1. Mose 3). Ich bin auch der Meinung, dass die Menschen sich in dieser Welt und in diesem Universum als viel zu wichtig nehmen. Und ein Großteil unserer Theologie im Christentum befasst sich hauptsächlich mit einer Realitätsflucht, besonders in einer Todesflucht. Ich sehe den Tod bei weitem nicht so tragisch wie die meisten anderen Christen (wenigstens meinen eigenen Tod nicht). Ich denke eher, dass der Tod einfach zum Leben dazugehört und einfach nur eine Etappe im Kreislauf des Lebens ist. Natürlich ist der Tod für die Angehörigen schmerzhaft und auch das dazugehörige Leid ist sehr schmerzhaft und ich will das alles in keinster Weise herunterspielen, aber wir würden diese Trauer wesentlich besser bewältigen, wenn wir nicht andauernd vor dem Tod weglaufen würden. Ich denke auch, dass Jesus nicht gekommen ist um uns vom Tod zu retten (nach dem Motto: Jesus ist für mich gestorben damit ich nicht mehr sterben muss – denn obwohl viele so denken ist jeder Mensch auf dieser Erde bis jetzt trotzdem körperlich gestorben) sondern Jesus wollte uns die Angst vor dem Tod nehmen (Hebr. 2,15, siehe auch hierzu Peter Rollins) (nach dem Motto: Jesus hat für mich gelebt und ist für mich gestorben, damit ich weiß wie ich richtig leben und wie ich richtig sterben soll – Jesus hat uns ein Beispiel hinterlassen um ihm nachzufolgen 1. Petr. 2,21).

          Du hast gut dargestellt, womit du alles ein Problem hast, und dem stimme ich auch vollkommen zu, aber ich konnte noch immer nicht klar rauslesen wie deine Alternative jetzt genau ausschaut. Um dich besser zu verstehen wäre es vielleicht auch gut deine Alternative besser zu verdeutlichen, denn ich denke da ist sicher sehr vieles interessantes dabei, denn wir sehen grundsätzlich ähnliche Probleme in der klassischen Theologie. Ich versuche ein paar Punkte in dem Zusammenhang von meiner Seite etwas besser zu erklären.

          Zur Theodizee: Ich denke Gott kann einige Dinge einfach nicht tun. Gott kann keinem Wesen Freiheit geben und es gelichzeitig kontrollieren und Gott kann auch keine Naturgesetze schaffen, die er selbst aber willkürlich brechen kann (dafür gibt es viele Gründe und ich weiß nicht wieso so viele Christen das einfach ignorieren- wahrscheinlich weil sie gerne einen magischen Gott hätten, der für sie die Realität nach ihren Vorstellungen verändert), deswegen glaube ich nicht, dass Gott widernatürlich in die Schöpfung eingreifen kann (was Christen übernatürlich nennen würden, aber für mich ist das widernatürlich). Was Gott meiner Meinung nach sehr wohl kann ist Lebewesen zu beeinflussen damit sie in Liebe leben (was du so weit ich dich verstanden habe auch glaubst) aber weil das kein Zwang beinhaltet ist das Wesen noch immer frei zu tun was es will, auch wenn Gott das Wesen beeinflusst. Gott kann meiner Meinung nach auch in der Natur in gewisser Weise wirken, aber nicht indem er Naturgesetze ungültig macht, sondern indem er gegensätzliche Kräfte benutzt, um ein Naturgesetz natürlich auszuhebeln (das schaffen Menschen auch, z.B. beim Flugzeug wird die Gravitationskraft von der Auftriebskraft der Luft aufgehoben). Aber dieses Eingreifen würde wissenschaftlichen Menschen natürlich vorkommen, weil kein Naturgesetz gebrochen wurde, andere Menschen würden das aber vielleicht Glück, Zufall, oder auch Gottes Eingreifen nennen und ich hätte mit keiner Erklärung ein Problem. In meinem Modell hat Gott also nur eingeschränkten Zugang zu dieser Welt, oder anders gesagt, Gott ist nur eine Variable, aber nicht die einzige Variable in dieser Welt. Leid in dieser Welt ist der Komplexität der Welt geschuldet, hat aber nichts mit Gott zu tun (weder das Gott es aktiv tut, noch das er es zulässt, sondern das er es einfach nicht verhindern kann, weil er einfach nicht allmächtig ist, wenigstens nicht so wie wir uns Allmacht vorstellen oder auch wünschen). Man könnte sich das so vorstellen, dass Gott bei der Erschaffung dieses Universums und bei der Erschaffung von Leben in diesem Universum immer weiter eingeschränkt hat (durch Naturgesetze und Freiheit). Gott entäußert sich in seine Schöpfung (was er später auch in Jesus macht/Phil. 2,7), und obwohl Gott Teil der Schöpfung ist, ist nicht die ganze Schöpfung Gott und deshalb passiert nicht automatisch Gottes Wille. Zu diesem Thema gibt es noch viel zu sagen, sowohl du als auch Jay könnt diese Theorie natürlich von den gegenüberliegenden Seiten auseinandernehmen ?, das ist halt immer möglich, wenn man ein sehr kompliziertes Modell hat es aber kurz auf den Punkt bringen will, aber vielleicht wäre es auch ein Ansatz, um einen Mittelweg zu finden. Ich habe die Theodizee Frage wenigstens für mich lösen können, bzw. halte die Frage für eine Themaverfehlung (Stand heute) aber einigen wird die Lösung wohl nicht gefallen.
          Ich persönlich sympathisiere mit dem Panentheismus, aber ich verstehe ihn nicht so wie du sondern nur in dem von mir oben beschriebenen Rahmen. Ich denke, dass der Panentheismus auch helfen könnte unseren Egotrip als Menschen endlich einmal aufzugeben, aber natürlich nur, wenn wir uns als Teil der Natur und als Teil des Kreislaufs des Lebens erkennen (das schaffen andere Religionen z.B. wesentlich besser wie das Christentum, besonders die Naturreligionen). Wenn wir immer am „Ende der Nahrungskette“ stehen wollen und die Natur andauernd ausbeuten wollen und das Leben nicht als einen Kreislauf wahrnehmen hat das meiner Meinung nach gravierende Auswirkungen auf unsere mentale Gesundheit (weil wir immer vor dem Tod fliehen wollen). Die Menschen sehen sich selbst oft als eine Art Gott und können deshalb nicht akzeptieren, dass sie sterblich sind, aber vielleicht ist der Tod kein Problem des Universums oder Gottes, sondern das Problem von uns Menschen (damit meine ich, das wir Menschen ein Problem damit haben das wir sterblich sind, nicht das wir sterblich geworden sind durch einen Sündenfall oder sowas). Ich glaube das wir den Tod nur deshalb so tragisch sehen, weil wir nicht hinter den Vorhang blicken können und nicht wissen was uns danach erwartet. Aber eigentlich hat jeder Mensch schon ein paar „Tode“ erlebt (besonders wenn man eine Glaubensdekonstruktion hinter sich hat). Eins haben alle diese „Tode“ in meinem Leben gemeinsam gehabt. Ich wollte sie alle vermeiden und dachte das wäre das Ende, aber rückblickend waren alle diese „Tode“ nötig und oft sogar gut und so denke ich wird das auch mit unserem körperlichen Tod der Fall sein.

          Grundsätzlich denke ich, dass es zwei Arten von Menschen gibt, diejenigen, die einen Gott brauchen, um die Realität nach ihren Vorstellungen zu verändern, weil sie die Realität so wie sie ist nicht ertragen können. Und es gibt die Menschen, die einen Gott brauche, damit sie die Realität, in der sie Leben vollkommen akzeptieren können und trotzdem in dieser Realität in Liebe leben und die Welt positiv beeinflussen können. Ich denke die Theodizee Frage ist nur für die relevant, die einen Gott haben wollen, der die Realität nach ihren Vorstellungen verändert. Ich persönlich erwarte von meinem Gott kein magisches Eingreifen in der Natur, und ich bin ihm sehr dankbar für die Naturwissenschaft, damit ich die natürlichen Vorgänge besser verstehen kann. Aber ich brauche einen Gott, und damit auch Jesus, damit ich lerne in dieser Welt in Liebe zu leben, wie schwierig die Umstände auch sein mögen, und in diesem Zusammenhang kann man Gott meiner Meinung nach auch am besten real erfahren. Da denke ich bin ich auch nah an deiner Vorstellung dran Daniel, oder? (Ein Gott der Liebe der hauptsächlich in Beziehung sichtbar wird). Aber ich denke ich habe damit auch mit Jay vieles gemeinsam, besonders wenn man den Talk 139 betrachtet (das Buch ist gestern angekommen, freu mich schon drauf). Das Thema deines Buches Jay ist übrigens der wichtigste Punkt wieso ich mich noch immer Christ nenne, obwohl ich große Probleme mit vielen Auswirkungen der christlichen Theologie habe.

          Liebe Grüße

          Otniel

    • Katja Katja

      Bei einer Vorstellung, so sympathisch sie mir auch ist, habe ich gedanklich grade meine Probleme: bei der von der „Innenseite“, der „liebevollen Beziehung“.
      Weshalb ist es so selbstverständlich, anzunehmen, dass Gott dort zu finden ist/dass das Gott ist? Was genau ist die „metaphysische Innenseite“?
      Ich kann nicht beobachten, dass dieses Liebes-Beziehungs-Prinzip die Welt durchzieht. Bei uns Menschen mag das so sein, dass wir potenziell in der Lage sind, Liebe, auch bedingungslose, zu empfinden und weiterzugeben. Aber bei anderen Lebewesen/Naturbestandteilen kann ich das nicht erkennen. Wo ist zB die metaphysische Innenseite von Pflanzen, Steinen, dem Wasser etc.? Und natürlich steht dabei immer noch meine Frage im Raum: Wie „metaphysisch“ ist Liebe eigentlich? Ist die Liebe zweier Menschen zueinander ein Spiegel der göttlichen Liebe, also metaphysisch, oder sind es „physische“ Hormone (und wenn ja, weshalb misst man diesen Hormonen eine metaphysische Komponente bei und anderen nicht?)
      Und wenn ich das weiterdenke, komme ich dabei raus, dass man Gott nur in uns Menschen erkennen kann, wenn wir Liebe haben. Dann hat der Mensch innerhalb der Natur wieder eine Sonderstellung. Und dann ist Gott in allem nicht, was keine Liebe hat.

      • Ja, Katja, damit bist du ja auf der gleichen Spur wie Daniel. Lies Dir also noch mal sein langes Post durch, da erklärt er das ja eindrücklich.

        Für mich ist das eine wie das andere erst mal bloß ein Postulat. Ein Modell. Eine Arbeitshypothese. Und zwar nicht nur, ob Gott in irgendeiner Form mit der Schöpfung verbunden ist (ob es also so etwas wie eine „spirituelle Innenseite der Schöpfung“ gibt, oder Gott wenigstens der Ursprung von dem ist, was wir Welt nennen) oder eben nicht, sondern genauso die Idee, dass Gott in der Liebe gegenwärtig wäre (an den Gedanken sind wir ja gewöhnt, erst mal ist es aber ja nicht mehr als ein Gedanke).

        Postulieren kann man alles und nix. Und ich finde es völlig legitim, dies zu tun und zu erkunden, wo einen eine Arbeitshypothese hinbringt.

        Mir gefällt ja der Verve mit dem Daniel seine Gedanken vorträgt und beschreibt. Und da ich Dorothee Sölle mag, kann ich dem erst mal auch viel abgewinnen. Mein Buch tansportiert zB Gedanken, die inhaltlich gar nicht so weit davon entfernt sind, denke ich. Als eine Denkfigur unter mehreren habe ich persönlich gar nicht so viele Probleme damit. Als ein Denkmodell, das versucht letztgültig die Wirklichkeit zu erklären aber dann doch, weil mir dabei zu Vieles auf der Strecke bleibt.

        Das ist ja auch ein Versuch, Gott erklärbar zu machen. Zwar nicht empirisch, wie ID das versucht, oder dogmatisch, wie die kirchlichen Konzilien das immer wieder versucht haben, sondern eben auf Metaphysischer Ebene durch Postulate, die Gott aus all dem herausdrängen, was einem denkerisch Schwierigkeiten bereitet und in all das hineinzupostulieren, was einem gut gefällt (Ja, ich weiß, das ist jetzt arg vereinfacht gesagt, beruhigt Euch, ich lass es trotzdem stehen… um euch zu ärgern 😉 ). So lange klar ist, dass unsere Erklärungsversuche scheitern, weil man die Wirklichkeit nicht letztgültig zu fassen kriegt, habe ich damit an sich auch kein Problem. soll ID doch nach Gott in der Schöpfung forschen (irgendein Erkenntniszuwachs kommt dabei ja vielleicht heraus), sollen sich kluge Köpfe doch Gedanken um dogmatische Formulierungen machen, die vielleicht dabei helfen einen Zipfel Gott zu beschreiben. Sollen doch Atheisten und Gläubige gleichermaßen die Wirklichkeit empirisch erforschen oder philosophisch abklopfen oder existentialistisch zu formulieren versuchen und der Allgemeinheit ihre Erkenntnisse zur Verfügung und zu Prüfung vorlegen. Nur zu. Je mehr, um so besser (hoffe ich). So lange man nicht dem Wahn verfällt, den Stein der Weisen gefunden zu haben, birgt das im besten Fall wichtige Erkenntnisse und im schlechtesten dient es zur Schärfung derer, die damit unzufrieden sind und dem dann etwas entgegenzusetzen versuchen. Aber Gott/ die Wirklichkeit muss am langen Ende unerklärbar bleiben, denke ich. Und jeder „neue große Wurf“ birgt natürlich die Gefahr, dass er die „alten Würfe“ über den Haufen wirft und damit verliert, worin diese stark waren. Für mich wären das in der radikalen (postulierten) Trennung von Gott und dem Vorhandenen:

        – Dass Gott damit ein inneres Phänomen bleiben muss (also etwas was sich rein in meiner Gedankenwelt abspielen kann – alles andere (zB das Gefühl, überhaupt alles, was sich körperlich/ dinglich äußert) gehört ja zum fassbaren Teil der Wirklichkeit, die per Definition nichts mit Gott zu tun haben kann. Oder ist Gott etwas (fremdes), was sich durch die Welt zieht – aber wenn man nicht wieder bei irgendwelchen Tempelanschauungen landen will, die unterteilen, wo Gott ist und wo nicht, müsste Gott sich schon durch das Ganze Universum ziehen (wie Paulus sagt, „in Gott leben und weben wir“) und dann weiß ich nicht, wo der neue Gedanke praktisch so anders ist, als zB der des Panentheismus. Man hat Gott als Schöpfer eliminiert. Der Rest bleibt in der Praxis doch gleich, weil ich ja das der Welt Fremde, dass sich durch die Wirklichkeit ziehen soll, also Gott, als Mensch ja gar nicht von der Wirklichkeit abtrennen kann. Ich habe ja nur das, was sich mir als Wirklichkeit erschließt. Alles andere bleibt doch bloß ein Gedankenexperiment.

        – Die Wirksamkeit Gottes bleibt beschränkt auf das Innere eines Individuums. Gott hat keine anderen Hände als Deine, wie Sölle so schön formuliert. Jedes Gebet um göttliche Hilfe kann damit nur noch meinen, dass Gott dir innerlich den Impuls dazu gibt, selber etwas zu verändern. Das ist ja ein sehr populärer Gedanken, und im Blumenstrauß theologischer Ansichten finde ich ihn als Denkmodell tatsächlich wirklich hilfreich, aber wenn die altgedienten Blumen des „Gott-hilf-mir-ganz-praktisch“ damit komplett unter den Tisch fallen, hat man zumindest eine der menschlichen Hoffnungen der Jahrtausende erfolgreich zerstört. Für jemanden wie uns aus der Wohlstandsblase des Westens, deren Hilfeschreie sich meistens um Parkplätze, verlorene Hausschlüssel und Kopfschmerzen drehen, mag das ein wichtiger Ansatz sein, um Gott nicht zum Handlanger unserer Dekadenz zu machen und um uns gewahr zu werden, dass Gott unsere Hände und Füße als seine Verkörperung zu brauchen scheint, für jemanden der inmitten existentieller Nöte lebt, sieht das aber ganz sicher anders aus.

        – Die ganze Jesusgeschichte scheint mir (zumindest in ihrer christlichen Deutung) überhaupt nicht zu diesem Denkmodell zu passen (jedenfalls, wenn man es ernst nimmt). Weltwerdung Gottes in Jesus, sein gelebtes Leben, aber auch der Tod Gottes sind doch in diesem Denkmodell überhaupt nicht sinnvoll. Wieso verbindet sich Gott mit der Welt (aus der er sich ansonsten komplett unterschieden wissen möchte, die ansonsten komplett „gott-los“ bleibt)? Was solll das? Da ist der alttestamentliche Ansatz, dass sich Gott durch die Worte des Gesetzes weitergibt doch vielversprechender, oder? Und auch die Auferstehung, die ja (zumindest im christlichen Zeugnis) mindestens auch etwas von einer materiellen Neuschöpfung hat (die aber immer noch noch mit dem alten verbunden bleibt), ist doch nicht aus dem Dreck des Alltäglichen einfach herauszurechenen. Das war doch eben (nach christlicher Anschauung) gerade kein Gedankenexperiment.

        – Außerdem muss doch bei dieser Anschauung eine Menge der spirituellen Hinweise, die Jesus gibt unter den Tisch fallen. Jesus rät uns ja, in die Natur zu schauen, um Gott zu erkennen („schaut euch die Vögel an, sie säen nicht, sie ernten nicht, Gott versorgt sie trotzdem), gebraucht ein naturbezogenes Gleichnis nach dem nächsten, um mit uns über das Reich Gottes zu sprechen, und ist sogar so dreist, sich selber in den Menschen verkörpert zu sehen, denen man hilft („was ihr einem dieser getan habt, habt ihr mir getan). Ich weiß nicht, wie man das retten will, wenn man eine radikale Trennung von Gott und Materie postuliert. Und die Theodizee (gedanklich) zu lösen, erscheint mir hier kein Gewinn, der das alles aufwiegt. Denn wie gesagt, die Welt leidet ja weiter, Gott ist doch nur in meinem System fein raus.

        Das sind jetzt nur spontan ein paar der „Rattenschwänze“ über die man sich zumindest Gedanken machen sollte, will man Gott aus der Welt heraushalten.

        Ich persönlich halte das sogar für unchristlich (zumindest wenn es radikal, ausschließlich propagiert wird). Meines Erachtens ist ein wichtiger Strang des christlichen Glaubens, deutlich zu machen, dass sich Gott verkörpern will. Im Baby in der Krippe, im Leben und Leiden Jesu, in der Gemeinschaft der Gläubigen, die nicht zufällig sein Leib, sein Körper genannt wird, in demjenigen, dem ich zur Hilfe komme (womit die Verkörperung auf die restliche menschliche Welt ausgedehnt wird), in Brot und Wein (was den Rest der Natur einzuschließen scheint) und dann, wie es im Kolosser eben heißt, damit Christus ALLES in ALLEM ist. In meiner Übersetzung würde das bedeuten: Gott durchwebt alles (oder Panentheistish formuliert: Alles ist ein Teil Gottes).

        Ich lebe lieber mit ungelöster Theodizee und bewusst mit einem Blumenstrauß der Paradoxie, als diese Schätze der Trennung von Welt und Gott zu opfern. Ein schlüssiger Gott und eine schlüssige Wirklichkeit erscheint mir kein erreichbares Ziel. Und am langen Ende geht es sowieso nicht darum, was wir über das Universum oder über Gott denken, sondern lediglich darum, ob wir lieben.

        LG,
        der Jay

        • Katja Katja

          Hallo Jay,
          ähm… also danke für die lange Antwort, aber ich glaube, du hast mich missverstanden 🙂
          Mir geht es nicht darum, Gott aus der Welt rauszuhalten. Ich sehe mich auch nicht als Daniel-Nachfolgerin, weil ich weder mit dem „die Natur ist insgesamt und grundsätzlich schlecht“ noch, wie gesagt, mit dem „Gott ist NUR in der Beziehung/Liebe zu finden“ etwas anfangen kann. –> daher auch meine Frage, wie man darauf kommt, Gott so selbstverständlich – und ausschließlich – in diesem Liebe-Beziehungs-Ding zu erkennen.
          Mein Problem mit dem Liebe-Beziehungs-Gott ist, dass er reduziert ist auf bestimmte Phänomene in der Welt (die man, wie ich meine, auch nicht-metaphysisch erklären kann und die begrenzt sind auf den Bereich „Mensch“ und „zwischenmenschliche Aktivität“) und dass dann eben solche Aspekte wie „seht euch die Vögel an“ unter den Tisch fallen. Und bei der metaphysischen Innenseite fällt in der Tat auch der fleischgewordene Gott Jesus von Nazareth weg. Aber ich bin ja ehrlich nicht sicher, was denn genau mit „metaphysischer Innenseite“ überhaupt gemeint ist.
          Hoffe, meine Frage(n) ist/sind jetzt besser verständlich…

          • Ja, klar, schon. Da habe ich ja komplett an dir vorbei geschrieben…
            Wahrscheinlich wollte ich gar nicht auf Dich antworten, sondern nur noch mal deutlicher herausarbeiten, was mir an Daniels Gedanken aufstößt… 🙂

            Vergiss meinen Beitrag einfach. Um Deine Fragen müssen sich andere kümmern. Ich muss jetzt los. 🙂

            LG,
            der Jay

        • Otniel Otniel

          Hallo Jay, wie bei meinem Kommentar zu Daniels Ausführungen erwähnt glaube ich nicht, dass wenn man panentheistisch glaubt man gleichzeitig die Theodizee Frage offenlassen muss, bzw. dass wenn man die Theodizee Frage lösen will sich automatisch vom Panentheismus verabschieden muss, das ist mir zu dualistisch (ich verstehe auch Richard Rohr nicht so). Ich kann deine Punkte, die du hier anbringst auch vollkommen verstehen und gebe dir auch vollkommen recht, weil ich selber über Gott am besten Panentheistisch denken kann, aber ich denke die Einwände von Daniel sind genauso wichtig und ich kann nicht einfach einen Standpunkt annehmen und die guten Argumente der anderen Seite ignorieren (weder dass ich panentheistisch denke und die Theodizee ignoriere weil mein Modell dem widerspricht, noch dass ich die Theodizee lösen will aber dafür Gott und die Natur trenne). Eine nicht gelöste Theodizee ist für mich genauso gewichtig wie deine Argumente hier. Aber ich müsste keine großen Abstriche in beiden Konzepten machen (wenigstens nicht von den positiven Auswirkungen) um sowohl ein panentheistisches Verständis zu haben als auch die Theodizee Frage zu lösen. Wichtig ist dabei anzumerken dass ich hier von Panentheismus und nicht vom Pantheismus spreche. Panentheismus sagt nicht, dass alles Gott ist, sondern das Gott in allen Dingen ist, aber nicht alle Dinge sind vollständig Gott. Es gibt nur einen göttlichen Kern in allen Dingen, das bedeutet aber noch lange nicht, dass alles was passiert von Gott gewollt, geplant oder zugelassen worden ist.

          Ich persönlich, denke nur in Modellen, von denen ich von vorne herein weiß, dass sie sowieso im ultimativen Sinne falsch sind, aber ich arbeite stetig an einem Modell, das mit der Wirklichkeit, in der ich lebe, besser zusammenpasst und mir gleichzeitig hilft an einem Glauben an Gott festzuhalten. Ich denke, dass ich mich so der „Wahrheit“ nähern kann auch wenn ich sie sicher nie erreichen kann. Ich versuche dabei nicht Gott zu definieren, denn dass ich meiner Meinung nach nicht möglich (ich habe auch überhaupt kein klares Modell von Gott), aber ich versuche doch an einem Modell zu arbeiten, dass Gott nicht im Widerspruch zu der Wirklichkeit stehen lässt. Ich denke z.B., dass die Theodizee eine berechtigte Frage ist und auch der Versuch sie zu lösen berechtigt ist (auch wenn ich sie letztendlich für eine Themaverfehlung halte, weil sie von einigen Grundannahmen ausgeht, die man schon mal hinterfragen kann, z.B. ob Gott seine eigenen Naturgesetze einfach brechen kann oder ob er freie Wesen gleichzeitig kontrollieren kann und das heißt aber auf der anderen Seite nicht automatisch, dass Gott nicht in der Natur wirkt bzw. freie Wesen beeinflussen kann) und ich kann verstehen, wenn Menschen mit keiner Antwort nicht zufrieden sind. Denn das würde ja bedeuten, dass die Wirklichkeit mit dem eigenen Gottesbild nicht zusammenpasst und man kein Problem damit hat. Ich bin einverstanden, dass wir vieles nicht erklären können und auf viele Fragen keine Antworten haben, ich liebe das sogar, aber ich persönlich kann bewusst nichts Widersprüchliches glauben und nicht einmal den Versuch unternehmen den Widerspruch zu lösen (keine Antworten zu haben oder Widersprüche zu glauben ist für mich nicht ein und dasselbe). Dann könnte ich ja auch weiterhin an die Hölle und gleichzeitig an einen Gott der Liebe glauben, oder aber an einen calvinistischen Gott glauben, der alles Menschen kontrolliert aber die Menschen trotzdem moralisch verantwortlich sind. Mit dem Argument, dass Gott unerklärbar ist und es ein Geheimnis ist kann letztendlich jeder die widersprüchlichsten Dinge glauben und sich trotzdem fein rausreden. Ich verstehe natürlich, dass du nicht so denkst, aber dasselbe Argument verwenden letztendlich auch andere Christen, um sich nicht ihren Widersprüchen zu stellen.

          Ich persönlich kann gut mit einem Blumenstrauß der offenen Fragen und mit der Ungewissheit die dazu gehört leben, aber ein Blumenstrauß der Paradoxie die nie gelöst wird und die man auch nicht lösen will würde ich als nicht so schön betrachten wie du 🙂 aber ich stimme dir zu, letztendlich geht es nicht um unsere Erklärungen, sondern darum ob wir lieben. Ich denke nur, dass unsere Weltanschauungen und Erklärungen unter Umständen dabei helfen können in Liebe zu leben, oder uns aber daran hindern können.

          Liebe Grüße
          Otniel

          • Hallo Otniel
            ich sehe das glaube ich rundrum wie du. Das ist fast ein bisschen gruselig, wie ähnlich wir uns der Welt nähern.

            LG,
            der Jay

          • Otniel Otniel

            Ah, ok, dann habe ich dich nur teilweise missverstanden, oder du definierst einige Wörter anders als ich, meinst aber grundsätzlich das gleiche. Ich bin auch so ein verkopfter Enneagramm 5er, deshalb wohl unsere ähnliche Vorgehensweise.
            Hätte mich auch gewundert wenn du dieses Thema nicht auch schon durchdacht hättest. 🙂

            Liebe Grüße
            Otniel

          • Ich vermute, dass ich beim Thema Theodizee wahrscheinlich tatsächlich etwas pessimistischer bin als du. Ich meinte jetzt auch nicht, dass wir alles deckungsgleich sehen, aber dass unsere Herangehens- und Argumentationsweise schon sehr ähnlich ist.
            Allerdings muss ich zugeben, dass je älter ich werde, desto weniger wichtig wird mir tatsächlich die Koherenz in der Weltanschauung. Also nicht, dass das unwichtig ist, am langen Ende geht es aber wirklich um Anderes, merke ich.
            LG,
            Der Jay

  19. Mie fällt unweigerlich das Lied „keine Laune“ von Nimmzwei ein. Habt ihr diesen Song damals eigentlich aus voller Überzeugung kreiert oder nur so alibimäßig?
    der Frogga

    • Nein, den Song haben wir damals aus voller Überzeugung gemacht. Mein damaliges Ich würde wohl schon sehr mit der Stirn runzeln, wenn es wüsste, was es heute glaubt… 🙂
      LG,
      Der Jay

  20. der Daniel der Daniel

    Hallo zusammen,

    zunächst mal was ganz Grundsätzliches: ich schreibe hier immer bewusst in der ersten Person Singular und habe dementsprechend so gar kein Interesse daran, mir irgendwelche Proselyten zu machen, oder mit aller Macht meine persönlichen Vorstellungen und Glaubensüberzeugungen durchzusetzen. Das wäre ja ohnehin, nach Ergreifung der Weltherrschaft durch Jay und Gofi, ein völlig hoffnungloses Unterfangen. Nein, viel wichtiger ist mir der Austausch, das Kennenlernen der Position des/der Anderen und wenn dann in dem ganzen Geschreibsel von mir vielleicht doch noch für den ein oder anderen Leser oder für die ein oder andere Leserin, was Impulsgebendes extrahierbar und in Folge fruchtbar gemacht werden könnte, bin ich vollumfänglich glücklich. Und wenn nicht, dann konnte man vielleicht wenigstens bei der ein oder anderen Formulierung von mir ein bisschen schmunzeln. Das wäre ja auch schon schön!

    Nun scheint es mir allerdings notwendig, mich hinsichtlich der Alternative zu einem einheitlichen Welt- und Gottesbild, noch etwas besser erklären zu müssen, denn da fühle ich mich noch nicht so recht verstanden.

    Das mein Verhältnis zur Natur ein eher distanziertes ist und ich nicht gleich anbetend auf die Knie falle, wenn die aufgehende Sonne das Meer in Millionen funkelnde Diamanten zu verwandeln scheint, dürfte ich wahrscheinlich ausreichend bewusst gemacht haben? Ich halte es diesbezüglich nämlich sehr gerne mit Augustinus, der einmal Sonne, Meer und Sterne befragt hatte, ob sie denn der Gott seien, den er suche und alle drei haben das ausdrücklich verneint. Und da man als Christ ja sowieso mit Christus den Elementen der Welt gestorben ist (Kolosser 2,20), erschiene es mir auch ein ganz klein wenig unangemessen, mich derart kniend vorzufinden…

    Gleichwohl ist selbstverständlich auch für mich als gläubigen Menschen die Schönheit eines Augenblicks zutiefst mit Gott verbunden und ich kann ihn dankbar aus seinen Händen empfangen. Das „Nun des Augenblicks“ ist für mich persönlich ohnehin unmöglich getrennt von Gott vorstellbar und da spielt es auch keinerlei Rolle, ob mir dieser Augenblick im Alltag nun lieb und teuer wurde, oder flüchtig und kaum bewusst an mir vorbeizog. Gott ist ja ein Gott der Gegenwart und wie er einen Menschen findet, so nimmt und empfängt er ihn auch. Das scheint mir an dieser Stelle wichtig zu betonen, sonst denkt noch irgendjemand, ich würde glauben, dass Gott und die Welt rein gar nichts miteinander zu tun haben.

    Ich bin lediglich der Überzeugung, dass man an eine Liebe Gottes nicht wegen, sondern nur trotz der Natur glauben kann. Und während man von der Natur lernt, was der Mensch als Naturwesen ist, lernt man von Gott, wer man selbst ist! Denn wer man selbst ist, wird einen die Natur niemals lehren können, da sie einen lediglich ermöglicht und hervorgebracht, aber niemals wirklich gewollt hat. Erst im Gegenüber einer absoluten Person, einer Person, die aus jedem Gegensatz herausgenommen ist und deshalb zur Stimme wird, die einen wirklich schon immer gewollt hat und unzweifelhaft bejaht, kann der Mensch zu sich selbst finden und wird er zu sich selbst finden. Diese Stimme ist Gott! Und sie erklingt in jedem Menschen! Nämlich im Gefühl der Sehnsucht nach einer Liebe, die bis ins Unendliche reicht und das jede(r) kennt und jede(r) in sich trägt.

    Das bewusst zu machen und die Menschen für dieses unergründliche Geheimnis zu öffnen, damit sich in ihnen diese Liebe in Beziehung zu Gott rückbindet, ist Aufgabe der Religion. Also gerade nicht die Welterklärung und auch nicht der Naturvollzug, sondern die Selbst- und Menschwerdung der Menschen in einer zufälligen Welt, die sich uns immer nur ambivalent mitteilen kann und von uns daher, diesseits der Erde und jenseits von Eden, als Verlorene und Ver(w)irrte erfahren wird.

    Von Gott her würde dann schließlich und endlich(!) auch die ambivalente Sprache der Natur überwunden. Dazu ist es aber zunächst notwendig das Grunddogma hinter sich zu lassen und den Menschen nicht länger weismachen zu wollen, Gott drücke sich in der Sprache der Natur und im Naturvollzug aus. Schon jetzt habe ich wieder Stimmen gehört, die den Ausbruch von Covid-19 für eine Strafe Gottes halten. Was soll das? Reicht es nicht, dass viele immungeschwächte Menschen jetzt eventuell vorzeitig sterben müssen? Sollen sie sich zusätzlich auch noch von Gott gerecht gestraft fühlen? Ein Wahnsinn!

    In dem Zusammenhang möchte ich übrigens noch kurz darauf hinweisen, dass ich nicht wähne das Theodizeeproblem zu lösen, sondern dass ich davon überzeugt bin, dass die Theodizeefrage falsch gestellt ist und wir uns deshalb von ihr, wie von dem falschen Gottesbild des Grunddogmas, erlösen lassen sollten. Gott hat die Welt nicht geschaffen, so dass sie Ausdruck seiner Allmacht, Allgüte und Allweisheit wäre und diese im Naturvollzug erkennbar, sondern er schafft sie überall dort, wo sich im Beziehungsraum der Liebe zwischen Person und Person auch nur eine winzig kleine Spalte für ihn öffnet. Und dann scheint das Licht in der Finsternis (der Welt), auch wenn diese es nicht erfasst (Johannes 1,5) und es ganz offensichtlich wohl auch nicht erfassen will. Viel attraktiver scheint wohl zu sein, Gott als Welterklärungsfuzzi und Wünscherfüllungsautomaten zu missbrauchen? Heiliger Bimbam.

    Nein, ich persönlich stelle mir einen religiös, existentialistischen Erlösungsdualismus vor, der Gott nicht von der Welt trennt, ihn aber auch nicht damit identifiziert. Ein dem Naturvollzug gegenläufiges Geschehen, das Natur durch Übernatur überwindet und sich bereits im Hier und Jetzt des gläubigen Menschen schmecken und erfahren lassen kann. Und in diesem Sinne, lieber Jay, würde ich unfassbar gerne auch mal mit dir Abendmahl feiern!

    Wer dafür ein Bild braucht, der möge sich bitte folgendes ansehen, ähh und -hören: https://www.youtube.com/watch?v=RB-RcX5DS5A

    Weil da jemand ist, der alles mit uns durchgeht und sammelt, was bleiben soll. Bis alle Tränen getrocknet sind…

    LG
    der Daniel

    • Ah, jetzt kann ich dich besser verstehen, Daniel. Danke für die Erklärung. Ist auch wieder fantastisch geschrieben.

      Ich glaube, da sind wir doch näher beieinander, als es erst den Anschein gemacht hat. Wir benutzen ein unterschiedliches Wording und betonen unterschiedliche Seiten der Medaille (du die Grausamkeit, ich die Schönheit der Natur). Und haben auch schon unterschiedliche Ansätze, so ist das nicht. Aber am Ende scheinen sie mir gar nicht so weit auseinander zu liegen, wie man meinen könnte.

      Jedenfalls verstehe ich jetzt deinen Punkt. Und darüber werde ich noch ein bisschen nachdenken.

      Ich halte die Schöpfung übrigens auch nicht für Gott. Aber ich halte daran fest, dass sie aus Gott kommt und dass man Gott in ihr begegnen kann.

      Wenn ich über die Dreieinigkeit spreche, betone ich gerne, dass man zB im (und durch) den Wald intensive Gotteserfahrungen machen kann, aber dass uns der Wald niemals sagen wird, dass unser Gott eine Dornenkrone trägt und dass wir unsere Feinde lieben sollen. Das kann der Wald nicht! Im Gegenteil.

      LG,
      Der Jay

      PS Und ich liebe diesen Coldplay Song!

    • toblog toblog

      Schon ganz interessant die Gedankengänge. Meine Frage ist, ob man sich überhaupt noch als Existentialist bezeichnen kann, wenn man von einem absoluten Gegenüber ausgeht, welches mit einem auch noch in Verbindung tritt? Schließt der Existenzialismus nicht jegliche Absoluta aus und ist zu 100% subjektiv?

    • Katja Katja

      Hallo Daniel,
      ich schließe mich Jay an mit einem Danke für den Text und deine Ausführungen – so hatte ich dich bisher nicht verstanden.
      In einigen Punkten kann ich auch gut mitgehen.
      Mir lässt nur die Überlegung keine Ruhe, dass das Thema „Identität“ ebenso menschenzentriert ist wie das Thema „Beziehung/Liebe“. Wenn Gott sich als Schöpfer darin auszeichnet, dass er Identitätsstifter ist, welchen Bezug hat er dann zur nicht-menschlichen Natur? Welche Rolle spielt für Tiere, Pflanzen, Gesteine, Luft, Wasser etc. die Frage nach der Identität? Inwiefern ist Gott nicht nur Erlöser der Menschen (wenn zB die Erlösung darin besteht, einmal vollständig man selbst zu sein), sondern auch des restlichen Kosmos? Wovon muss die Natur erlöst werden?

  21. der Daniel der Daniel

    Hallo zusammen,

    das sind wirklich gute Fragen die ihr da stellt und deshalb will ich auch sehr gerne mal versuchen, eine ähnlich gute Antwort darauf zu geben. Besonders interessant finde ich dabei, dass sich sowohl Jays hartnäckiges Festhalten an einen Gott, der die Welt gemacht hat und dem man in der Welt begegnen kann, als auch Katjas Fragen nach der Rolle Gottes in der Welt über den Beziehungsraum zwischen Subjekt und Subjekt hinaus, schlussendlich in toblogs Feststellung subsumieren lassen, dass das, was ich da vertrete, dann doch unmöglich ein Existentialismus sein könne. Ihr seid also wirklich toll, denn dann kann ich versuchen eure Fragen in einem zusammenhängenden Text zu beantworten.

    Dabei möchte ich euch gerne auf eine kleine Reise in die Vergangenheit mitnehmen. Und wie sich das für anständige Christen gehört, beginnt die Reise selbstverständlich bei einem Juden. Die Frommen im vollen Lichte werden nun völlig zurecht fordern, dass es sich dann ja nur um unseren Herrn und Erlöser Jesus Christus handeln könne, da ich aber, ich muss es einfach gestehen, hin und wieder zu lässlichen Sünden neige, möchte ich euch an dieser Stelle vielmehr mit einem Zeitgenossen unseres Heilands bekannt machen: Philon von Alexandria.

    Der Jude Philon lebte um die Zeitenwende, Überraschung, in Alexandria, der damaligen geistigen Metropole des Hellenismus. Der offene und fortschrittliche Geist dieser Metropole war durch das allgemeine Bestreben geprägt, die Welt aus sich selbst, also rational, zu erklären und damit von Einflussnahmen der Götter abzusehen. Das brachte dann unter anderem die beste Bibliothek des Altertums und die erste Universität im modernen Sinn hervor.

    Viele bahnbrechende Erfindungen und Erkenntnisse wurden mit diesem modernen Ansatz gemacht. In Alexandria lehrte etwa der Mathematiker Euklid, Eratosthenes berechnete den genauen Umfang der Erde und Aristarch von Samos nahm schon das heliozentrische Weltbild vorweg, das in der Wiederentdeckung durch Kopernikus, über eineinhalb Jahrtausende später, in Europa dann den Beginn der modernen Naturwissenschaft markieren sollte.

    In diesem aufgeklärten alexandrinischen Geist verfolgte auch Philon etwas äußerst Vernünftiges. Er verschmolz seinen jüdischen Glauben mit dem zur damaligen Zeit als höchste Philosophie und Wahrheit angesehenen Platonismus der Griechen. Und um dieses vernünftige und einsichtige Vorhaben zu ermöglichen, trennte Philon in Anlehnung an Platon den göttlichen Bereich (kosmos noetos) strikt von dem sinnlich wahrnehmbaren Bereich der Welt (kosmos aisthetos), und zwar so strikt, dass ihm Gotteserscheinungen und -offenbarungen, wie sie in der Bibel beschrieben werden, unmöglich wurden. Geboren wurde dadurch die sogenannte apophatische-, oder auch negative Theologie.

    Diese damals um die Zeitenwende in Alexandria entstandene negative (jüdische) Theologie setzte sich dann, nach der zwischenzeitlichen Entstehung von Christentum und Neuplatonismus, etwa über Dionysius Areopagita bis Meister Eckhart fort. Bei Eckhart erreichte sie im Mittelalter einen weiteren Höhepunkt, aber durch seine Verurteilung im Inquisitionsprozess dann schließlich auch ihr Ende.

    Warum erzähle ich euch das? Einerseits sicher, weil es Teil unserer Glaubensgeschichte ist!Andererseits aber auch, weil es schon immer(!), also seit der Geburt des Christentums, die Überzeugung in der Welt gab, dass man Gott unmöglich in objektiver Art und Weise definieren oder erkennen könne. Gott ist niemals Objekt unserer Anschauung, sondern notwendig immer Subjekt unserer Erfahrung und unseres Erlebens und nur in der Beziehung von Subjekt und (absoluten) Subjekt, von Person und (aus jedem Gegensatz herausgenommener) Person, wird die Vorstellung eines Gottes überhaupt erst wirklich und wirksam.

    Meister Eckhart sagt z.B. dazu: „Nichts hindert die Seele so sehr an der Erkenntnis Gottes wie Zeit und Raum. Zeit und Raum sind Stücke, Gott aber ist eins. Soll darum deine Seele Gott erkennen, so muss sie ihn notwendig oberhalb von Zeit und Raum erkennen; denn Gott ist weder dies noch das (der Welt), wie diese mannigfaltigen Dinge es sind; denn Gott ist eins.
    Soll die Seele daher Gott erkennen, so darf sie mit dem Nichts keine Gemeinschaft haben. Wer Gott sieht, der erkennt, dass alle Kreaturen nichts sind. Wenn man eine Kreatur mit der andern vergleicht, so scheint sie schön und ist etwas; aber wenn man sie mit Gott vergleichen will, so ist sie nichts.“

    Ja, ihr habt völlig Recht! Das ist hartes Brot! Ich behaupte, Gott ist kein objektives Phänomen! Er ist deshalb aber auch nicht allein subjektives Phänomen, wenn er auch notwendig nur subjektiv für den Menschen von Bedeutung werden kann. Nein, Gott ist immer größer als die Kategorien von Objektivität und Subjektivität! Wobei er halt nur im Status unserer Subjektgebundenheit, unseres Personseins, bedeutsam werden kann. Das liegt jedoch an unserem Naturwesen und nicht an seinem mangelnden Da-Sein.

    Und deshalb, lieber toblog, es möge mir verziehen sein, ist Gott für mich tatsächlich ein zu 100% subjektives, existentialistisches Erfahren und Erleben. Es ginge für mich persönlich gar nicht anders. Und deshalb erlaube ich es mir, dieses Erleben einen Existenzialismus zu nennen.

    Und Katja, die du nach der Beziehung Gottes zu den Tieren, Pflanzen, Gesteinen, der Luft und des Wassers fragst, kannst dir, meiner persönlichen Überzeugung nach, diese Fragen nur selbst beantworten. Was spürst du, wenn du atmest und sich dein Brustkorb hebt und senkt, wenn du einen Stein in Händen hältst und ihn betastest, wenn du den Duft einer Rose einsaugst und dieser dich in fremde Welten entführt, wenn der Regen vom Himmel fällt und deine Haut benetzt, oder wenn dir, evolutiv betrachtet, deine allernächsten Verwandten, die Tiere, Gesellschaft leisten? Ist dann alles getrennt von Gott, oder nimmst nicht gerade du selbst sie hinein in ein tieferes Geheimnis…?

    Und dir Jay, der du hartnäckig an schlimmsten Häresien festhalten willst, ist Gott etwa nicht gerade in der Intimität deiner Beziehung zu ihm wertvoll und bedeutsam? Willst du ihn wirklich objektiv? Durchsetzbar im Widerspruch zu anderen? C’mon…

    LG
    der Daniel

    • Und dir Jay, der du hartnäckig an schlimmsten Häresien festhalten willst, ist Gott etwa nicht gerade in der Intimität deiner Beziehung zu ihm wertvoll und bedeutsam? Willst du ihn wirklich objektiv? Durchsetzbar im Widerspruch zu anderen? C’mon…

      An einen objektivierbaren Gott glaube ich ja gar nicht. Dass Gott bloß subjektiv wahrnehmbar ist, da sind wir uns einig. Das steht für mich aber nicht im Widerspruch zu dem Glauben, dass Gott ein vorhandenes Geschehen ist. Nur weil es mir unmöglich ist, Gott objektiv zu wissen, bedeutet das doch nicht, dass Gott außerhalb meiner begrenzten Wahrnehmung nicht da wäre.

      LG,
      der Jay

    • Katja Katja

      Hallo Daniel,
      danke für den Text. Das klingt wirklich sehr poetisch 🙂 Allerdings finde ich darin keine Antworten auf meine Fragen…
      Mir ging es nicht um den Gegensatz subjektiv-objektiv. Sondern um die Frage, weshalb das Phänomen „Gott“ so menschenzentriert sein soll, d.h. nur in menschlichen Kategorien (Identität, Beziehung, Liebe…) vorkommt. Dann ist „Gott“ reduziert auf die Beziehungen, die von Menschen ausgehen (Mensch-Mensch, Mensch-„Gott“, Mensch-Natur) und mit dem Rest des Universums (das ja auch nicht objektiv ist, sondern eben auch noch andere Subjekte beinhaltet als Menschen) hat er nichts zu tun. Als käme etwas „Göttliches“ nur zustande, wenn Menschen fühlen, denken, agieren.

    • Hilde Hilde

      Hallo Daniel,
      ich habe bisher interessiert mitgelesen und hoffentlich einigermaßen verstanden . Ich kann dein Unbehagen gegenüber dem Panentheismus verstehen ; ich habe Scheu davor, meine Naturverbundenheit geistlich zu überinterpretieren , dass das Gott IST, was ich da erlebe . Trotzdem gehört für mich der Bezug zur Natur zur Erkenntnis Gottes dazu . Gott wird in der Bibel flächendeckend mit natürlichen Bildern beschrieben : säen, wachsen, Wind, Sturm, Feuer, Erotik, Vater-und Mutterliebe usw. Das alles beschreibt Gott nie ganz, nur bruchstückhaft . Aber es ist mir sehr wichtig .
      Die Aussage von Meister Eckhard halte ich im Kern für richtig, doch für menschlich nicht praktikabel .
      Aus meiner Glaubensgeschichte heraus habe ich ganz große Bedenken gegenüber der Aussage, dass wir Gott gegen den Naturvollzug erleben . Damit könnte man ja auch extreme und lebensfeindliche Glaubenshaltungen philosophisch begründen.
      Ich habe nicht aus Dummheit oder weil ich gern Opfer bin so lange an derartigem festgehalten . Sondern aus Sehnsucht, diesen völlig transzendenten und von der Natur verschiedenen Gott zu erkennen. Was macht da ein bisschen Selbstverleugnung und Askese schon aus …. oder ein bisschen mehr . O je !
      Dagegen hat sich ein „Naturheilmittel“ bewährt : ich bin durch und durch Naturwesen und Gott begegnet mir auf dieser Ebene . Trotz Krebszellen , Viren und vielem mehr . Ich erlebe nicht stündlich ein Erdbeben, aber andauernd das Leben in meinem eigenen Körper und in der Natur um mich herum und Gott wertschätzt mich und die ganze Natur . Mit allen dunklen Seiten .

  22. der Daniel der Daniel

    Halo Jay,

    Ja eben! Aber du bist es, der das glaubt und hofft und sich in Sehnsucht danach aussttreckt und in dem das deshalb alles Wirklichkeit wird. Du bist wichtig! Das ist alles was ich am End`sagen möchte. Das Gott weit über dein subjektives Erleben und deiner Wahrnehmung hinaus wirkt und lebendig ist, sollte schon irgendwie selbstverständlich sein. aber du ist doch gerufen und du antwortest, wie nur du es eben kannst….

    LG
    der Daniel

  23. toblog toblog

    Danke für eure Antworten. Das veranlasst mich jetzt, doch noch weiter zu denken und zu schreiben:

    Meines es Erachtens ist es wichtig zu fragen: Worauf stütze ich die Gewissheit meiner Erkenntnis ab? Wenn man seine Erkenntnis alleine auf sich selbst und sein Erleben abstützt, wie ein Existenzialist das macht, dann kommt man u. U. in sumpfiges Gelände. Und das zeigt auch ja die Philosophiegeschichte der Moderne. Wer beim „ich“ einsetzt, dem gehen mit der Zeit sämtliche Sicherheiten flöten. Cogito ergo sum. Na, dann doch nicht. Ich fühle, also bin ich. Auch nicht. Ich existiere (irgendwie absurd), also bin ich.

    Ich denke, es ist erkenntnistheoretisch auch nicht sinnvoll, vom Ich auszugehen. Denn man hat sich selbst ja bereits vorgefunden. Und das muss eine Ursache haben. Um dann mal wieder die Brücke zu unserem Ursprungsthema zu machen: Die Evolutionsforscher können nicht beweisen, dass alleine die Evolution die Natur ursächlich geschaffen hat. Ebensowenig können Naturforscher auf Basis nicht-evolutiver Modelle beweisen, dass Gott die Welt geschaffen hat. So verstanden, geht ein Evolutionismus und ein Kreationismus als Weltanschauung über den wissenschaftlich legitimen Bereich hinaus.

    Was der Mensch aber sicher sagen kann, ist, dass er sich nicht selbst geschaffen hat, und unsere Eltern sich auch nicht usw. Insofern ist eine Erkenntnistheorie, die ihr Wissen auf eine Gewissheit abstützt, die in Verbindung mit dem Ursprung der Dinge steht, m. E. nicht nur näher an der Realität, sie ist sogar gefordert. Die Frage nach dem unbekannten Gott. Ob das jetzt in einem messbaren Sinne vollumfänglich objektiv sein kann, wäre dann eine andere Frage.

    • der Daniel der Daniel

      Hallo zusammen,

      ich hab‘ mich gefragt, ob es vielleicht sinnvoll wäre, wenn ihr euch mit all den Fragen, die sich euch hinsichtlich dieses Themas stellen, versuchsweise auch mal an euer eigenes, bisher schon vollzogenes und, falls es manchmal suboptimal gelaufen sein sollte, leider auch durchlittenes Leben wendet? Denn erst dann würden all diese Fragen doch auf der Ebene behandelt werden können, auf der sie schlussendlich auch unbedingt Relevanz bekommen sollten. Und das ist nun einmal die Ebene eurer Existenz.

      Existenz ist schon ein gar seltsam Ding. Ungefragt geworfen in eine Welt, bei der man sich weder das „Wann“, noch das „Wo“, noch, und das nicht selten das Allerschlimmste, das „mit Wem“ aussuchen kann. Man muss es nehmen wie es kommt. Und gerade am Anfang ist man ja auch noch sehr klein und wehrlos.

      Die ersten fünf Lebensjahre, so behaupten die Entwicklungspsychologen, sollen zudem die für die gesamte Existenz entscheidensten und prägendsten Jahre sein. Und da man mit fünf Jahren nur in den seltensten Fällen an Zigaretten und Alkohol rankommt, sollte klar sein, wohin die Reise geht…

      Rund siebenachtel unseres Bewusstseins, so behaupten wiederum andere Psychologen, seien uns unbewusst. Da sammelt sich also, salopp gesagt, all der Mist, der sich im Laufe unserer Prägung und Entwicklung als dysfunktional, und aufgrund mangelnder Verfügbarkeit von kompensatorischen Mitteln (ihr wisst schon Alkohol und Zigaretten) schlussendlich als Belastung für die gesamte Existenz herauskristallisieren wird. Und da hat man keinen direkten Zugriff drauf! Das suppt so ins Leben hinein. Tropfen für Tropfen. Glückwunsch!

      Das Schlimmste jedoch ist, dass sich das alles im Status absoluter Zufallsausgesetztheit vollzieht, oder besser, eingebunden in ein enges Korsett aus Zufall und Notwendigkeit. Denn wenn es der Zufall wollte und dein Papa hat entgegen seines hochheiligen Versprechens, schließlich doch den Sattel des Fahrrades losgelassen, an dem zuvor, unter deinem lautstarken Protest, dann doch die Stützräder abgeschraubt wurden, bist du die ersten Male selbstverständlich mit Notwendigkeit auf die Schnauze gefallen. Das wusste er auch! Ich vermag also gar nicht zu sagen was schlimmer ist. Der Vertrauensmissbrauch meines Papas, oder das harte Aufschlagen auf Beton?

      Gut, ich gebe zu, das Beispiel war jetzt eher suboptimal gewählt, aber es dürfte trotzdem klar geworden sein, was ich meine? Wir Menschen sind kontingente Wesen. Zufällig, ermöglicht, nun wirklich, aber eben nicht notwendig. Und das ist ein Problem! Unser Leben ist ein Abgrund, in den wir beständig starren müssen und der in uns zurückstarrt, in den Raum des Unbewussten hinein, in dem all die Teufel und Dämonen wohnen, die, viel zu oft, uns auszutreiben einfach nicht gelingen mag. Nennen wir dieses Phänomen einmal Kontingenzlücke.

      Was also tun? Im Jahre Anno Domini 2020 hat man sich weitestgehend darauf verständigt, dass man die lieben Kleinen möglichst frühzeitig verzwecken und irgendwie für die Gesellschaft nützlich machen sollte. Radikale Ablenkung von der Kontingenzlücke tut Not und das dann bitteschön unter möglichst standardisierten Verfahrensweisen, denen man dann schöne Namen italienischer Städte geben kann. So wurde dann z.B. Pisa und Bologna geboren.

      Dann prügelt man die auf diese Weise standardisiert Überwachten durch das horror vacui ihres Lebens, genannt Bildungssystem, und macht sie gleichzeitig begehrlich auf massenweise Schund, der, so verspricht man ihnen, das Leben schöner und bequemer und ach so viel besser machen würde.

      Das ist natürlich nicht wahr und angesichts der Kontingenzlücke eine geradezu infarme Lüge, führt aber schlussendlich dann doch dazu, dass sich die nun schon etwas größer gewordenen lieben Kleinen, bereitwillig als Lohnsklaven verzwecken lassen. Et voilà!

      Jetzt mal eine etwas ketzerische Frage: Ist es angesichts dieses Befunds und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass all unsere Erkenntnis notwendig nur Stückwerk ist (wenn ich mich mal fromm ausdrücken darf), wirklich von Interesse und überhaupt nötig, sich über Gottes Verhältnis zu Sonne, Mond und Sternen das Köpfchen zu zerbrechen?

      Oder, um es mal mit Kant zu sagen: Was die Dinge an sich sein mögen, weiß ich nicht und brauche es nicht zu wissen, da mir ein Ding doch niemals anders als nur in der Erscheinung vorkommen kann.

      Und was erscheint uns da? Natur! Und braucht die Natur einen Gott? Nein! Aber wir Menschen, wir brauchen ihn unbedingt! Und zwar zur Überbrückung unserer Kontingentzlücke!

      Rettende Hände, die sich uns in Liebe entgegenstrecken, die uns wirklich wollen und jederzeit bereit sind uns sanft über jede noch so verworrene Abgründigkeit unserer Existenz zu heben. Eine Stimme, die uns uneingeschränkt bejaht (Matthäus 3,17), die allen Teufeln und Dämonen in unserem Unbewussten den Mietvertrag kündigt und bereit ist, uns bis in die Hölle unserer Existenz hinein, tröstend und aufrichtend zu begleiten. Und sicher auch ein mitleidender Gott, der dann noch an uns glaubt, wenn wir den Glauben an ihn längst verloren haben.

      Und du und ich, wir sind der Ort, in dem sich das alles im Nun des Augenblicks konkretisiert. Schau ich zu den Sternen, ist er da, schau ich auf das Meer, so steht er an meiner Seite, lieg ich verzweifelt im Staub auf der Erde, so atmet doch sein Odem in mir.

      Nehmt doch versuchsweise bitte einfach nur mal wahr, wie edel er eure Seele geschaffen hat…Und dann fragt euch einmal, ob es notwendig objektiv sein muss, um wirklich zu sein?

      LG
      der Daniel

      • Katja Katja

        Hallo Daniel,
        sorry, aber ich verstehe wirklich nicht, was du eigentlich sagen möchtest, mir erschließen sich die Zusammenhänge zwischen deinen Gedanken einfach nicht…
        Also, nichts für ungut, aber ich glaube, wir ticken da auf sehr unterschiedlichen Ebenen und deshalb werden meine Fragen bei dir nicht zu Antworten führen, weil du von vorneherein ausschließt, dass das sinnvolle Fragen sein könnten.

      • Hallo Daniel,

        langsam glaube ich tatsächlich, du kämpfst hier gegen Pappkameraden. Die tatsächliche Objetivierbarkeit Gottes oder des Lebens ist doch gar nichts für das hier irgendwer angetreten ist.

        Nur, wie das bei Weltanschauungen nun mal ist, entstehen nach erfolgten Entscheidungen Folgefragen. Du fragst den Panentheismus doch auch, ob er er das wirklich glauben will, was er da postuliert. So musst du dir das anders herum auch gefallen lassen. Dir mag die Frage nach Sonne, Mond und Sterne unwichtig sein, sie mit dem Hinweis auf ihre Erscheinungsabhängigkeit vom Tisch zu fegen, finde ich aber billig. Da frage ich mich, wieso ich deine langen Ausführungen überhaupt gelesen habe, in denen du meine DEUTUNG der Erscheinungen (Panentheismus) versucht hast, mir madig zu machen. Ich finde ja trotz erheblicher Leiderfahrungen eben Trost darin, Gott im Natürlichen zu verorten und zu begegnen. Dass das alles keine Wissenschaft ist, sondern bloß subjektive Deutungen steht doch überhaupt nicht zur Debatte.

        Aber muss sich nicht trotzdem jede Betrachtung zumindest fragen lassen, was ihre Sicht für den Rest der Welt bedeutet? Und genauso, ob sie irgendeinen tatsächlichen Sitz im Leben hat oder nakte Einbildung ist?

        Ich verstehe einfach nicht, wieso du dich über die eine religiöse Vorstellung wegen Konsistenzproblemen aufregen magst, Deine eigene aber so hermetisch subjektiv abriegelst, dass jede Frage daran abzuperlen scheint. Eigentlich müsste es dir doch egal sein, welche Vorstellungen irgendwer hat, solange er dich damit in Ruhe lässt. Ist doch alles bloß Theater der Seele.

        Aber erübrigt sich damit nicht jegliches Gespräch über Gott und die Welt von vornherein? Oder anders ausgedrückt, wenn Du Dich nicht für meine Anfragen an deine religiösen Vorstellungen interessierst, wieso sollte ich Interesse für Deine aufbringen?

        Mich lässt das alles etwas ratlos zurück.

        LG,
        der Jay

        • der Daniel der Daniel

          Hallo zusammen,

          okay, dann nochmal andersrum. Ich gebe unumwunden zu , dass ich persönlich große Probleme damit habe und es schlussendlich auch für falsch halte, den Versuch zu unternehmen und ein Phänomen, wie das des Glaubens an Gott, in der Weise objektiv darstellen zu wollen, wie wir z.B. a²+b²=c² für objektiv wahr darzustellen belieben.

          Gott entzieht sich meiner persönlichen Meinung nach völlig jedweder Kategorisierung, weshalb man schlussendlich immer nur in Bildern von ihm reden kann, die sehr gerne auch der Natur entnommen sein dürfen, aber eben nur dann im Leben eines Menschen wirklich bedeutsam werden (können), wenn dieser sich hinsichtlich seiner Glaubensvorstellungen in den Bildern wiederfinden kann.

          Nun hat man jahrtausendelang das Bild eines Gottes gezeichnet, der Himmel und Erde geschaffen hat und nach Bedarf und Notwendigkeit in diese Schöpfung eingreift, um die Menschen zu strafen, oder zu retten. Ein Gott, der den ganzen Laden irgendwie zusammenhält und irgendwann dann auch zu einem guten Ende führen wird.

          Dieses Bild Gottes wurde dogmatisiert und vermöge der Metaphysik derart abgesichert, dass es uns fast so vorkam, als sei Gott mit der gleichen Sicherheit der Schöpfer dieser Welt, wie es sicher ist, dass a²+b²=c² entspricht.

          Dies erwies sich dann allerdings im Laufe der Zeit als schrecklicher Irrtum, da sich der Naturvollzug sehr gut aus sich selbst heraus und unter Ausschluß der Einflussnahme irgendwelcher Götter erklären ließ, was dann konsequenterweise immer mehr Menschen dazu veranlasste, sich den Glauben an Gott, im alten Bild des Grunddogmas, zu entsagen. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass der Klassiker der sogenannten „neuen Atheisten“ (Dawkins – Der Gotteswahn) von einem Evolutionsbiologen geschrieben wurde.

          Dies nur nochmal kurz zusammenfassend geschrieben, damit mein persönliches Problem mit jedweder Form der Welterklärung aus Gott heraus, hoffentlich verständlich wird? Nun habt ihr aber verständlicherweise und völlig zurecht auch so eure Probleme damit, die Konsequenzen einer solchen Sichtweise nachzuvollziehen und für sinnvoll zu erachten.

          Mein nunmehr als gescheitert zu geltender Versuch, euch auf der Ebene eurer eigenen Existenz, die unbedingte Notwendigkeit an einen Glauben an Gott bewusst zu machen, um aus diesem heraus dann die gesamte Welt, als Mensch und kontingentes Wesen, neu bewerten und sinnvoll ins Leben einordnen zu können, werde ich jetzt besser mal beiseite lassen. Das ist meiner Meinung nach zwar die bedeutsamste Form, wie Gott in die Welt und die Zeit hineinwirkt, da sie letzlich nicht nur alle Kultur begründet, sondern auch die eigene Selbst- und Menschwerdung, aber vielleicht lässt sich ja doch nun etwas anderes finden?

          Über die Beziehung Gottes zu Sonne, Mond und Sternen vermag ich allerdings beim besten Willen nichts Adäquates aussagen zu können, da ich da wie Hiob vor einem unergründlichen Geheimnis stehe und deshalb meinen Finger lieber an den Mund lege. Gleichwohl bin ich mir aber ziemlich sicher, dass man sich das Da-Sein Gottes nicht ortsgebunden, sondern absolut vorstellen muss, da er ja, wie oben bereits erwähnt, meiner persönlichen Überzeugung nach, weder kategorial fassbar, noch beschreibar ist.

          Jedwede Identifizierung Gottes mit weltlichen Kategorien käme deshalb meiner persönlichen Meinung nach einer Minderung seiner Absolutheit gleich, weshalb ich ja auch so unverhohlen darauf herumreite, dass Gott unmöglich Objekt unserer Anschauung sein könne und deshalb notwendig davon ausgehe, dass er sich uns offenbaren müsse.

          Sicher bin ich mir aber auch, dass weder Sonne, Mond noch Sterne auf die Ansprache (Offenbarung) Gottes antworten könnten, während dies der Mensch (und eben nur der Mensch) aber sehrwohl kann und es im Johannesevangelium deshalb meiner Meinung nach auch heißt, dass alles im Wort geschaffen ist.

          Von Gott angesprochen sein und mit der eigenen Existenz darauf zu antworten, ist deshalb, meiner Meinung nach, die einzig mögliche Art, um Gottes Beziehung zur Welt einigermaßen adäquat beschreiben zu können.

          Der Rest ist Metaphysik und wer diese noch für tauglich hält, soll sie gerne betreiben. Es ist ja nun auch nicht so, als ob ich an ihr gar kein Gefallen finden würde. Aber was jenseits des für mich kategorial Fassbaren liegt, was immer größer ist, als ich zu denken und zu wähnen vermag, sprengt eben auch notwendig meinen Verstand, weshalb ich leider auch nur sehr unvollkommen und maximal in Beispielen, oder Gleichnissen zu euch zu sprechen vermag.

          Und wer mit meinem Geschreibsel deshalb nichts anfangen kann und meine Worte euch dementsprechend auch nicht zur Offenbarung werden, bitte ich schon jetzt höflich um Verzeihung!

          Sehr gerne werde ich aber weiterhin versuchen so konkret wie möglich auf eure Fragen einzugehen, falls denn noch Interesse bestehen sollte.

          LG
          der Daniel

      • toblog toblog

        Hallo Daniel,

        will dir jetzt nicht grundsätzlich widersprechen. Nur mal ein paar Gedanken noch:

        Wenn alles, was geschieht nur Zufall und Notwendigkeit ist, dann wird in der Tat die Sehnsucht nach Sinn und Rückbindung – so verstehe ich deine Formulierung der „Kontigenzlücke“ – nicht gefüllt. Ja, sehe ich auch so. Der Schwabenvater Johann Michael Hahn (1758-1819) hat deswegen von einer „Herzensewigkeit“ gesprochen (ja, der war jetzt etwas früher). Und viele, die sich mit der neueren Philosophiegeschichte befasst haben, kommen an Punkt, dass man mit der Absurdität des Existenzialismus nicht leben kann. Daher ist auch ein wichtiges Werk von Francis Schaeffer betitetlt in dt. „Wie können wir den leben?“. Handeln kann nur derjenige, der von einer Gewissheit getragen ist und vertrauen kann (Prof. Rohrmoser.)

        • der Daniel der Daniel

          Hallo toblog,

          da sprichst du doch genau das an, was ich zu beschreiben versucht habe. Wir Menschen können angesichts der Absurdität unserer Existenz und der damit verbundenen Kontingenzlücke nicht leben, wenn wir uns nicht von Gott (du, respektive Prof. Rohrmoser nennt es Gewissheit) getragen wissen und vertrauen können.

          Exakt das ist Glauben! Rückbindung an- und Vertrauen auf Gott. Davon geht die ganze Zeit meine Rede, da die Rückbindung an- und das Vertrauen auf Gott, nicht nur die Kontingenzlücke zu überbrücken vermag, sondern dem Menschen zudem die Möglichkeit schenkt, seine Existenz neu und sinnvoll (also entgegen jeder Absurdität!) zu ordnen und zu gestalten. Und dann wird Gott zum Schöpfer deiner gesamten Welt – im Status deiner Existenz. Und nur deshalb ist es (ein meinetwegen neu formulierter) Existenzialismus.

          LG
          der Daniel

  24. Andreas Abel Andreas Abel

    Guter Beitrag.
    Das mit der Information hat der Biologe aber nicht wirklich verstanden. Information (ausgen. physikalische) hat immer einen Interpreter, der die Information in Aktionen umsetzt. Für die DNA ist es die Zelle, der Organismus. Siehe auch Dawkins egoistisches Gen. Kristallstruktur ist keine Information. Gitt hat aber auch nicht recht. Informationen brauchen keinen besonders intelligenten Sender. In der Zelle gibt es viele unintelligente Prozesse, die Informationen senden.

  25. HUS HUS

    Ich geb zu, habe oben nicht alles gelesen, nur etwas spät den Podcast angehört und doch möchte ich mich auch noch zum Thema äussern.
    Ich beschäftige mich schon über 35 Jahre mit den Themen Schöpfung/ Evolution und Sintflut und Arbeite seit über 35 Jahren in und mit der Natur und kenne mich etwas in Biologie, Chemie und Vererbungen aus. Trotz freikirchlich aufgewachsenem, braven ‚Frommen‘ wurde ich damals zunehmend kritischer über das ‚Drinnen‘ und ‚Draussen‘, über das was uns damals beigebracht wurde und die böse atheistische Wissenschaft, und wir wüssten die Wahrheit. Ich begann unzählige Bücher zum Thema zu lesen und Diskussionen zu verfolgen. Klar war auch Prof. Dr. Dr. Dr. Wilder-Smith dabei, welchen ich einen der kompetentesten Biologen und brilliantesten Denker und Wissenschaftler zum Thema halte. Was mir heute auffällt ist, wie wissenschafts- und parawissenschaftsgläubig viele Menschen geworden sind. Dabei muss isch die Wissenschaft und Forschung bewusst sein, dass auch sie sich ständig irrt und Fehler macht. Deshalb wäre etwas mehr Vorsicht und Demut in geglaubten Aussagen geboten. Die Wissenschaft ist heute schon fast zur Religion geworden, v.a. wenn Zahlen präsentiert werden, die teils wirklich fragwürdig sind und meist wiederum durch andere Zahlen in Frage gestellt werden. Klar, der Druck zu publizieren ist auch gross und sich einer anderen Meinung als der Mehrheit anzuschliessen ziemlich riskant und karriereschädigend.
    Meine Frage ist heute, warum man als Christ nicht an einen Gott glauben kann, der eben mehr mitgemischt hat und immer noch mitmischt als nur in natürlichen Prozessen ‚etwas nachzuhelfen‘? Gott ist doch nicht der Lückenfüller für das was wir nicht verstanden haben. Das war im Mittelalter. Gott ist aber einfach immer anders als wir denken und ja, er ist subjektiv erlebbar. Wir dünken uns so gescheit, so abgeklärt, auf einer so hohen evolutionären Stufe, aber sind wir das auch? Wir kennen heute von aller Materie und der Energie die uns umgibt nur gerade 20%, bzw. 30%. Vom ganzen Rest haben wir keinen blassen Schimmer was das ist! Und da wollen wir Dinge zu glauben wissen, die vor unserer Zeit waren, mit Methoden die keineswegs zuverlässig sind und Hypothesen aufstellen und Dogmen formulieren? Und noch schlimmer, andersgläubige verunglimpfen und lächerlich machen?
    Ich habe diese Episode aufmerksam durchstudiert und es gäbe zu viel zu schreiben und zu diskutieren. Hopp mag zwar Biologie studiert haben, aber auch er versteigt sich ebenso dazu, in Gebieten zu argumentieren, die auch nicht seine Kompetenz sind wie er es dem Informatiker Dr. Ing. Werner Gitt vorwirft. Natürlich ist DNS Information und nicht nur Ionen- oder Kristallgitter, hat er überhaupt den Vortrag von Gitt gehört? Und wie diese Info in die erste lebende Zelle, DNS oder auch RNS gekommen ist, die sich sogar plötzlich selber hätte ernähren und replizieren können, steht genauso in den Sternen. Das ist eh der grosse Fehler den alle machen. Da sind Vermutungen, Theorien und führt Millers Experiment 1953 oder eben die Black Smokers (von denen übrigens die Bibel schon berichtet wurde) an, wo Aminosäuren tatsächlich entstehen können. Und plötzlich reden die Evolutionisten, dass urplötzlich etwas zu leben begann. Es scheint, je unschärfer und längere Zeiträume desto plausibler? Bei genauem hinsehen gibt’s aber unlösbare Probleme. Sämtliche Naturgesetze der Biochemie und Thermodynamik sprechen dagegen, denn durch Zufall entstehen nur DL-Formen, Racemate, die nicht als Bausteine fürs Leben geeignet sind und reversibel sind, also gleich wieder zerfallen. Zu behaupten dass der, der die Thermodynamischen Prozesse beschrieben hat, diese gar nicht verstanden hat und dass auch der x-fach promovierte Prof. Dr. Dr. Dr. Wilder-Smith diese offenbar auch nicht verstanden hat, grenzt fast an Arroganz. Wenn man im Studium nun mal nur einseitig aufgeklärt wird, ist es vielleicht schwierig, das Denken zu erweitern. ‚Christen zu bekehren ist eine Heidenarbeit‘ – trifft wohl auch für Wissenschaftler zu. Wie er sagt, hatte Hopp seine Gedanken im Masterstudium nicht mit Kollegen gekreuzt, die dieses Fach ebenfalls studiert haben und – oh Wunder – Kreationisten waren. Offenbar geht das. Das Problem ist, dass diese kaum Anstellung finden und veröffentlichen können. Die disqualifizieren sich damit selber. So openminded ist die Wissenschaft! Und ich glaube nicht, dass all diese Kreationisten, von denen es trotzdem noch viele gibt, sich selber in die Taschen lügen.
    Tatsache ist, dass es sehr viele Indizien und Naturgesetze gibt, die eine Evolution ausschliessen, die den gängigen Fossilienbericht in Frage stellen, die sogar Beweise dagegen sind. Wenn Exponate in falschen Schichten gefunden wurden wo sie nicht hingehörten. Werkzeuge in Schichten gefunden werden, die angeblich Millionen Jahre bevor es überhaupt Menschen gegeben haben soll, alt sind. Wenn Baumstämme, die senkrecht durch Schichten abgelagert sind, die wiederum durch angeblich Millionen Jahre unterschiedlich alte Schichten gehen. Es gibt junge Schichten, die unter viel älteren liegen (u.a. im Grand Canyon). Es gäbe so viel zu sagen, auch über Paläontologische Wasserströme, die nach der Sinftlut über ganze Kontinente liefen, woher das viele Eis für die eiszeitlichen Gletscher herkamen. All die geologischen Abnormitäten, die mit einer neueren Erdplattentheorie erklärt werden könnten. All die Ungereimtheiten, die nicht ins heutige ‚Wisschenschaftsbild‘ passen, kann man doch nicht ignorieren. Klar haben atheistische Evolutionisten da immer wieder komplizierte Erklärungstheorien auf Lager. Manchmal ist die Wahrheit ganz einfach, wie Derek Eger auch schrieb.
    Auch die Altersangaben sind mehr als schwammig. Genau genommen müsste unsere Erde, die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre, der Meere ganz anders zusammengesetzt sein als wir es vorfinden. Die Anreicherung an Elementen und Ionen kann man genau messen wenn die Zuflüsse bekannt sind. Auf dem Mond hat man auch eine meterdicke Staubschicht vermutet. Alles deutet nun mal auf eine jüngere Erde hin. Die Feinjustierung unserer Welt soll so fein sein, dass wenn alle Sandkörner die an den Meeresstränden liegen, Parameter wären und man würde nur eines wegnehmen, dann das Leben unmöglich wäre. Soweit zu den Wahrscheinlichkeiten. Und das übersteigt meine Glaubenskraft deutlich.
    Nun noch kurz zur Evolution der Arten; Verwandtschaftsverhältnisse aus der Morphologie oder Genen abzuleiten ist m.E. kein Argument. Auch die Übereinstimmung von Mensch und Menschenaffe. Warum sollte Gott nicht ‚Baupläne‘, die erfolgreich sind, auch anderswo anwenden? Und doch hat er Barrieren gemacht, so dass man auch heute die Arten nun mal nicht kreuzen kann, eine Katze kann man nicht mit einem Hund kreuzen etc. Warum sollte Gott nicht eine Urkatze oder Urrind geschaffen haben, die jeweils mit einem begrenzten Genpool versehen waren, damit sie sich späteren Umständen anpassen können? Nur verliert man bei einer Zucht (auch natürlicher Zucht) Gene die wichtig wären. Es kommen bei Mutationen nie Gene dazu! Der Gepard stirbt wohl bald aus weil er zwar schnell ist, aber keine Resistenzen mehr hat. Die Milchkühe bringen zwar erheblich mehr Milch als früher, aber sowohl Robustheit und Qualität der Milch sinkt. Ich habe neben einem Weingut auch noch eine Zucht von Urrindern, bei denen man das sehr gut belegen kann. In der Urgenetik war z.B. ein roter Fuchs vorgesehen, oder einen weissen, aber keinen grünen. Dabei wäre das doch auch sinnvoll? Hat da die Evolution versagt oder hat Gott das einfach im Bauplan nicht vorgesehen? Und diese Genbreite führte dann zur Mikroevolution, die wir heute noch sehen. Arten passen sich an und verändern sich, aber nicht über gewisse Grenzen hinweg.
    Die Missing Links wurden tatsächlich nie gefunden weil es keine gibt. Zu behaupten dass der Archeopterix eine Zwischenstufe von Raubsaurier und Vögel sein könnte ist doch ein Witz, oder? Eine Ente ist auch keine Zwischenstufe von Fisch zu Vogel Strauss. Die gefunden Arten waren immer fertig und lebensfähig. Und die offenbar schlechten und ‚unfitten‘ Ausgangsarten haben dann trotzdem weiter gelebt? Wieso denn das, wenn sie doch nicht so fit waren für die Zukunft?
    Die Veränderungen geschahen eben nur im vorgesehenen Genspektrum. Es gibt ja auch lebende Fossilien die heute genauso aussehen wie als Fossilien, z.B. der Quastenflossler, Pfeilschwanzkrebs, Seeigel, Libelle, etc, etc. Warum haben sich die nie verändert? Klar waren die Lebewesen vor der Sinftflut grösser und die Menschen lebten länger wie in der Bibel erwähnt, hat aber eine eigene Erklärung mit dem ‚Wasser über der Erde‘ zu tun, deren Erklärung hier zu weit führen würde. Bei Mutationen kommen keine neuen Informationen dazu, sie werden nur verändert oder fallen weg. Wir Menschen sind keineswegs eine Hochentwicklung und haben heute so viele Genschäden dass es problematisch wird auch mit unserer Resistenz. Früher als unser Genpool noch nicht geschädigt war, war auch Inzucht kein Problem, weil sich Fehler nicht vermehrten. Und wenn wir schon dabei sind, man bringt es heute tatsächlich fertig, zu glauben, dass sich das Leben aus toter Materie entwickelt hat, glaubt aber nicht dass sich eine lebende Eizelle in Maria zum Kind entwickeln konnte? Vielleicht hatte Jesus wirklich nur einen Chromosomensatz? Wir glauben auch, wenn wir ein codiertes Signal aus dem Äther empfangen, würde dies auf extraterrestrische Intelligenz schliessen. Und gleichzeitig, dass die unglaubliche Speicherdichte unserer Gene Zufall wären? Wie schizophren ist denn das??
    Einschub: Dass Gott so komische , teils farbige, unterseeische Wesen geschaffen hat, die keinen Sinn geben, finde ich, zeigt dass Gott auch Humor hat. Er hat sich selber übertroffen und ich liebe ihn dafür, das macht ihn so menschlich-übermütig. 😀 (Das war jetzt keine wissenschaftliche Aussage und doch glaube ich dass Gott auch dafür weit genug ist.)

    Dass die Datierungen (vermute C14 und radioisotopische Datierungen?) vermurkst seien, wie Hopp angibt, ist auch nicht ganz korrekt, genau genommen umgekehrt. Die Fehlerquellen sind einfach zu gross um mit Gewissheit datieren zu können und das weiss die Wissenschaft eigentlich auch. Warum hat man Vulkanstein vom Mt. Ngauruhoe, NZ, der von 1949-1975 fünf Mal ausgebrochen ist, wurden dann auf 270 000-3.5 Mio Jahre datiert. Das funktioniert also nicht.
    Und warum sollte nicht eine weltweite Katastrophe die ganze Erde komplett neu gestaltet haben bei der Sintflut? Warum schliesst man von heutigen Prozesse auf früher? Die Alpen falteten sich bestimmt nicht als erstarrter Stein auf, sondern als sie noch eine gewisse Plastizität hatten. Durch katastrophische Zustände könnte der Grand Canyon durchaus in wenigen Wochen gegraben werden, wenn alles noch nassplastisch war. Ich glaube dass auch die Angaben in Schöpfung und Sintflut durchaus auch wissenschaftlich etwas zu sagen haben. Immerhin sind die Angaben über die Arche so gut, dass es mit neuen Computersimulationen kaum seetüchtigere Masse gibt für eine Katastrophenflut.
    Warum hat man gerade in der Wissenschaft diese Denkzwänge? Oder stimmt die bibl. Aussage, ‚weil sie sich für Weise hielten sind sie zu Narren geworden‘? Im Buch Hiob finden wir übrigens erstaunliche Indizien, wie die nachsintflutliche Welt ausgesehen haben könnte. Auch an andern Stellen der Bibel findet man Aussagen die die heutige Wissenschaft endlich versteht. (‚Die Erde ist aufgehängt über dem Nichts.‘ ‚Er lebte als die Erde (Kontinente) noch beisammen war.‘ und die ganzen Hinweise auf die Schöpfung mit dem Wasser unter und über der Erde ist heute mit einer neueren Theorie erklärbar.
    Nebenbei sind auch die bibl. Datierungen sehr genau und immer wieder haben Archäologen Städte und Namen ausgegraben, die bis dahin belächelt wurden. Ich persönlich glaube dass die Bibel deutlich mehr ist, als nur eine metaphorische Erzählung.
    Selbst das Wort ‚Gott sprach und es wurde’ ist mit der Quantenphysik erklärbar. Ging aber jetzt auch zu weit.
    Klar ist, dass die Naturgesetze keine Evolution kennen. Auch wenn man Lügen tausend Mal widerholt, werden sie trotzdem nicht zu Wahrheiten. Auch wenn die meisten Wissenschaftler an Evolution glauben (sie haben ja gar keine andere Wahl als Atheisten und wollen ja auch anerkannt werden), heisst das noch lange nicht, dass sie Recht haben. Es ist genauso ein Glaube wie der Kreationismus und es ist vermessen, diese zu belächeln und als von gestern abzutun.
    Lassen wir aber noch ein paar Evolutionisten zu Wort kommen die selber zugeben: „Der Nachweis der Evolution ist nach wie vor erstaunlich lückenhaft.“ (David Raup) Oder „Ironischerweise haben wir im Hinblick auf evolutionäre Zwischenstufen heute sogar weniger vorzuweisen als zu Darwins Zeiten.“, oder „ Es ist absolut unmöglich und absurd zu glauben dass das Leben sich von selber entwickelt hat. Aber trotzdem glaube ich es, weil ich es mir nicht anders vorstellen kann.“ Der kürzlich gestorbene Hawkins meinte, dass das Leben ist durch ‚spontane Schöpfung‘ entstanden sei – das kann doch nur ein Witz sein dieses grossen Genies?

    Leider fehlt mir einfach die Zeit, mehr zu schreiben oder mich in Diskussionen zu verwickeln. Wer die Wahrheit finden will, kann sich an vielen Orten schlau machen. Ich plädiere einfach nur für einen offeneren Geist und nicht einfach einem blinden Vertrauen in eine Wissenschaft die wie Hopp selber sagt, keine Beweise liefert. (!) Dass er sich dann gerade in naturwissenschaftlichen Aussagen zu Worthaus bekennt, die allesamt keine Biologen sind, finde ich auch höchst merkwürdig. Sigi Zimmer selber betont zwar die strickte Wissenschaftlichkeit der Bibelkritik sehr stark, aber äussert sich als Theologe etwas abschätzig über den Wahrheitsgehalt des Sintflutberichtes. Das hat ihn für mich sehr unglaubwürdig gemacht, obwohl ich einige seiner Vorträge sehr zukunftsweisend finde. Ich glaube nicht, dass Worthaus eine solide naturwissenschaftliche Basis bietet, aber für Hop ist das offenbar ok.
    Ich glaube einfach dass wir Gott mit unserem postmodernen, selbstverliebten Denken sehr klein und erklärbar machen und gar nicht checken wie unwissend wir in Wirklichkeit noch sind und in welchen Dimensionsunterschiden wir zu Gott stehen. Wo bleibt da eine gesunde Gottesfurcht und Selbstkritik?
    Mein Glaube wurde in gewissen Zeiten tatsächlich auch von Fakten durchgetragen als ich nicht mehr mit dem Herzen glauben konnte. Z.B. Bücher wie ‚Die Akte Jesu‘ und ‚Der Fall Jesu‘ und unzählige wissenschaftliche Werke von Wilder Smith ‚Die Biologie kennt keine Evolution‘, ‚Grundlage einer neuen Biologie‘oder auch ‚Die Akte Genesis‘, oder ‚Die Sintflut‘ mit 600 Seiten haben mir da und dort sehr plausible Erklärungen geliefert. Manchmal muss man mit dem Kopf weiterglauben bis das Herz wieder mitkommt. Aber ausschalten und gehirnwaschen lassen sollte man ihn auch nie.

    • Andi Andi

      Hallo HUS,

      Danke für deinen gut lesbaren Beitrag. Ich denke, dass Wissenschaftler auch eine Verantwortung haben. Wenn du die Bibel sehr stimmig findest, müsstest du ja auch glauben, dass die Völkermordes und Kinderssteinigungen von Gott befohlen waren und kämpfst für so eine Weltsicht. Unter anständigen Menschen ist damit doch jede Diskussion verloren. Das sollte Schmid-Salomon Mal Peter Hähne fragen im TV. Sehr viele Menschen glauben an eine höhere macht oder Schöpfung durch Evolution, was wir aber bekämpfen müssen ist Fundamentalismus. Die meisten Fundus sagen sie sind keine, sind sie aber doch. Es ist eine Sünde gegen die Menschlichkeit. Liebe Grüße, dein andi

    • Katja Katja

      Meine Frage(n) wäre(n) dazu auch noch am Beispiel der Sintflut-Erzählung: Weshalb muss man überhaupt biblische Erzählungen, wie etwa die Sintflut-Erzählung, auf eine historisch-naturwissenschaftliche Lesart hin verteidigen? Alle anderen Sintflut-Erzählungen der orientalischen Antike, die wir sonst so überliefert haben (von den Sumerern, Babyloniern und Griechen), werden wie selbstverständlich als mythologische Erzählungen verstanden, aber die biblische Sintflut-Erzählung (die sich in zahlreichen ihrer Motive und stilistischen Eigenheiten mit den anderen deckt), muss eine Erzählung einer wirklich historischen Begebenheit sein. Das leuchtet mir nicht ein.
      Oder die Schöpfungserzählung: Liest man andere Geschichten, in denen ein Mensch aus Lehm gebaut oder aus der Rippe eines anderen gemacht wird oder in denen sprechende Tiere (wie hier die Schlange) vorkommen, scheint klar zu sein, dass das so historisch nicht gemeint und passiert sein kann. Aber bei der biblischen Erzählung pochen Leute darauf, dass das so zu einem bestimmten Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte geschehen ist.

  26. HUS HUS

    Lieber Andi
    Ja, ich weiss, diese Stellen werden immer angeführt wenns ums AT geht und ehrlich gesagt, ich weiss es auch nicht und habe da selber meine Fragen. Ich bin mir aber bewusst, dass ich mir niemals anmasse, dass wir nur ansatzweise den Intellekt und den Weitblick wie Gott haben könnten und habe oft den Eindruck dass die gescheiten Leute von heute tatsächlich meinen, Gott in Ethik- und Moralfragen beraten zu können. Nächstenliebe ist auch nur ein Teil der Bibel und wie zerstörerisch ‚Sünde‘ wirklich ist, haben wir ev. auch noch lange nicht begriffen. Ich möchte deine erwähnten Stellen jetzt nicht gutreden, habe aber ein paar Denkansätze.
    Grundsätzlich bringt die Theologie die massiven Kulturunterschiede zu anderen Zeiten heute oft zu Recht oft ins Spiel. Warum nicht aber auch genau hier oder sogar auch zu den blutigen Zeiten der Kreuzzüge und Reformation? Aber eines nach dem anderen.
    In der Landwirtschaft hat man vor 30 Jahren gelernt dass man Schädlinge nicht gleich mit der Chemiekeule bekämpfen soll, sondern hat begonnen die Schadschwellen zu bestimmen und erst einzugreifen wenn der wirtschaftliche Schaden zu gross wird. Wäre es also nicht auch denkbar, dass Gott in der Menschheitsgeschichte genau so verfahren ist? Schon vor der Sintflut hat er enttäuscht das Anfangsprojekt der Menschheit abgeblasen, ‚die Menschen waren verderbt‘ und da das Konzept ‚Liebe‘ eben keinen Zwang beinhaltet, liess er sie soweit gewähren aber irgendwann war Schluss. Klar hätte er ihnen zum Beweis mit viel Trara erscheinen können oder was weiss ich. Frühestens aber dann wären sie dabei auch umgekommen. Er begann aber nochmals von vorne und versprach, die Erde nie mehr in Wasser zu versäufen. (War auch gar nicht möglich, da es danach nicht mehr viel Wasser ‚unter den Erdplatten‘ gab.) Aber die ‚Kultur‘ Menschheit ging weiter und es ist doch denkbar, dass ganze Völker soweit degeneriert waren, dass es einfach keine Hoffnung mehr für sie gegeben hat und dass sie in Zukunft einfach zu viel Schaden angerichtet hätten. Das Volk Israel hatte damals wirklich genug andere Feinde und wäre ev. auch noch unter deren Druck untergegangen? Wer kann das Beurteilen wie es rausgekommen wäre? Viele zeichnen da immer das Bild der süssen Amalekiterkinder, die da grad vor der Haustüre beim Sandkastenspiel waren, als die Israeliten sie massakriert haben. Denke aber diese Idylle entspricht eher der kuscheligen Denkweise unserer heutigen soften Gesellschaft als der tatsächlichen brutalen und rauhen Realität der damaligen Zeit. Vielleicht brauchte Gott tatsächlich da und dort das Schwert um das zu schützen, was bewahrt werden musste. Dann kommt hier der Einwand, dass hier alles Unschuldige ‚verloren‘ gingen. Das ist aber auch ein Denkzwang. Wer sagt denn wie endgültig der Tod ist und dass Gott den Menschen, die hier keine Chance hatten ihn kennen zu lernen, auf ‚der anderen Seite‘ nicht auch noch eine Chance geben würde sich für oder gegen ihn zu entscheiden? Wenn wir von einer unsterblichen Seele ausgehen, ist der Tod ja nur ein Übergang. Es steht von Jesus doch geschrieben, ‚er ging den gefangenen Geistern im Gefängnis predigen‘? Ist das nicht ein kleiner Hinweis dass Gott auch selbst im Jenseits noch fair ist? Ja, ich bin mir bewusst, dass ich hier hypothetische Dinge anführe, die nirgends in der Bibel stehen, ich möchte nur fragen, warum sollte Gott nicht Möglichkeiten haben und Dinge sieht, von denen wir keine Ahnung haben? Mein persönliches Bild von Gott ist jedenfalls deutlich grösser, unfassbarer, beängstigender aber auch liebender und deshalb lasse ich ihn Gott sein. Ich habe in den letzten Wochen so viele Hossa Talks reingezogen, dass ich hier Goofy schon sagen höre ‚So lasst doch nun verdammt nochmal Gott Gott sein.‘ 😀 😀
    Übrigens, ich mach mich vielleicht hier noch unbeliebter wenn ich frage, wer sagt denn, das die Kreuzzüge nicht auch ihren Sinn hatten, weil sonst der Islam ganz Europa oder noch schlimmer eingenommen hätte? Immerhin haben sie x Mal mehr Eroberungszüge in allen Ländern geführt als die Kreuzfahrer, die eigentlich immer nur Jerusalem befreien wollten.
    Ich habe kürzlich auch alle Folgen von ‚Radikale Reformation‘ angehört. Wahnsinn was da die Christen für Ideen hatten und ich unterstelle den Täufern, Mennoniten etc. nun nicht nur Machtspiele, sondern ich glaube, die versuchten wirklich auch ehrlich zu sein und haben neue Formen gesucht, sie waren vielleicht konsequenter als wir heute. Damals, als die Täufer das Münsterreich aufgerichtet haben, ging das zwar mächtig in die Hose, aber wer will jenes Denken verurteilen? Jene hatten die Bibel nun mal so verstanden und andere wiederum ganz anderes; es war eine andere Zeit und ein anderes Denken. Nebenbei, wir haben ja heute über dem grossen Wasser ein glänzendes Beispiel von einer Gesellschaft, die von dem Blonden angeführt wird, die nur ihre Denkweise für richtig halten und keine Ahnung haben von anderen Denkmuster und –ansätzen. 😉
    Ich plädiere einfach für ein offeneres Denken und dass wir Gott Gott sein lassen. Weil wir einfach nicht alles verstehen und weil es unseren Denkhorizont deutlich übersteigt. Mir reicht es nämlich, dass ich schon von dem was ich von der Bibel verstanden habe, zu kauen habe.
    Liebe Grüsse von einem Querdenker
    HUS

    • Lieber HUS,
      Du formulierst hier einen der Hauptgründe, weshalb ich ein biblizistisches Bibelverständnis inzwischen ablehne. Wer glaubt, dass, wie im AT bezeugt, Gott Genozide ganzer Völker in Auftrag gegeben hat und sogar der Aussage des Psalmisten zugestimmt habe, dass die babylonischen Babys an Felsen zerschmettert werden sollten (PS 137), der geht grundsätzlich davon aus, dass Gott nicht nur dazu fähig ist, sondern auch Gefallen daran findet, solches in Auftrag zu geben (du selber suchst ja eben auch nach Rechtfertigungsgründen dafür, wenn Du spekullierst, dass die auszurottenden Völker, samt ihrer Kinder, vielleicht so verderbt gewesen seien, dass dieser Auftrag in Ordnung ginge oder dass den Kreuzzügen heilsgeschichtliche Bedeutung zukämen). Damit hältst du es für möglich, dass Gott Gefallen an so etwas finden kann. Was würdest du dazu sagen, wenn ich Deine ganze Familie umbringe, weil mir Gott das gesagt habe (der IS argumentiert zB so)? Halleluja? Danke Herr, Dein Wille geschehe?

      Oder andersrum gefragt, wenn Du glaubst, dass Gott damals solche Aufträge gegeben hat, hältst Du es ja grundsätzlich für möglich, dass Gott solche Aufträge erteilen kann, wie das in der Kirchengeschichte ja auch immer wieder als Legitimation für Genozide, Kriege, Hexen- und Ketzerverbrennungen angeführt wurde. Ich gehe davon aus, dass Du der Meinung bist, dass man Gott mehr gehorchen muss, als der eigenen Meinung. Und somit gehe ich davon aus, dass Du auch meine Kinder töten würdest, wenn Dir Gott den Auftrag dazu gäbe (ist ja im Bereich des Möglichen). Ich hoffe, du verstehst, dass ich das problematisch fände. Wenn Du an einen solchen Gott glaubst, verstehst Du sicher, dass ich unruhig würde, wenn du dich entschließt, in die Kirche zu kommen, in die ich gehe, oder?

      LG von einem, dem Menschenliebe vor Querdenken geht,
      der Jay

    • Unabhängig, ob die Kinder im Sandkasten gespielt haben, bevor sie umgebracht wurden, finde ich, dass es eine sehr heilsame Erkenntnismethode ist, sich die Dinge – in diesem Fall Menschen, Frauen, Kinder, die durch ein Schwert getötet werden – plastisch vor Augen zu führen.
      Und dies vor Augen würde ich stark bezweifeln wollen, dass ein Völkermord ein moralisches Mittel sein kann, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
      Statt des nachaufklärerischen Bildes einen vernunftgeleiteten Gottes, der für Gerechtigkeit sorgt, bevorzuge ich daher das Bild eines zornigen Gottes, der genauso vor Wut überschäumt wie ein Vater es tun würde, dessen Töchter vergewaltigt und ermordet wurden. Gerade aus psychotherapeutischer Sicht finde ich dieses Gottesbild insofern sinnvoll als dass sich jedes Opfer auf dieser Welt sicher sein kann, dass die Tat in der ganzen Tiefe des verursachten Schmerzes gesehen und nachempfunden wird.

      Es bleibt dann die Frage, ob bestimmte Ereignisse überhaupt stattgefunden haben, bzw. inwieweit sie literarisch überhöht wurden, um auf einen bestimmten Punkt (im Gottesbild) aufmerksam zu machen. Aus einem Vortrag von Klaus von Stosch ist mir dazu hängengeblieben, dass sich die Texte teilweise selbst nicht ernst nehmen, da zunächst einmal befohlen wird, einen Volksstamm vollständig auszurotten und ein paar Verse später Anweisungen folgen wie man politisch mit demselben (und eigentlich ja bereits nicht mehr existenten) Volksstamm umzugehen hat.

      Mir persönlich wird heute viel zu sehr vom lieben Gott geredet, ich finde, bei 200.000 Kinderprostituierten auf der Welt (über die Dunkelziffer will ich gar nicht nachdenken), wäre es dringend Zeit für ein Comeback des zornigen Gottes – wobei ich allerdings gleich hinzufügen möchte, dass man m.E. bei den biblischen Texten zwischen zwei Sprachebenen unterscheiden muss: die Sprache der Gerechtigkeit (eher AT + Offenbarung), dessen Adressat immer ein ganzes Volk oder eine Regierung ist und die Sprache der Gnade (eher NT), die sich an den Einzelnen wendet. Würde man bei einem ganzen Volk Gnade vor Gerechtigkeit walten lassen, dann würde Chaos ausbrechen. Andererseits würde es einen einzelnen Menschen kaputt machen, wenn man ausschließlich Gerechtigkeit vor Gnade walten lässt.
      So gesehen ist es vielleicht die notwendige Aufgabe des Gottes im Himmel (der alles im Blick hat) Gerechtigkeit zu üben und wir sollen vom Gott auf der Erde (der seinem Nächsten in die Augen schaut) lernen, darauf mit Gnade zu antworten.
      Vielleicht braucht man dafür den Mut eines Abraham, der um seiner Mitmenschen willen mit Gott handelt („wenn nur 5 Gerechte gefunden werden, dann verschone die Stadt“), wobei ich glaube, dass die Geschichte mit Jesus ihre Fortsetzung findet und der eine Gerechte – der „Gott mit uns“ – ausreicht, um diese Welt zu verschonen.

      • Ja, da kann ich im Grunde ganz gut mit (wobei mir die Frage bleibt, wie man so eine Vorstellung von Gottes Umgang mit Gottes Zorn mit dem überein kriegen will, wie sich Gott am Kreuz verhält). Mein Problem fängt, wie gesagt, da an, wo der Auftrag Gottes Gewalt an Menschen zu üben, wörtlich also als real geschehen verstanden wird. Wenn man dies tut, gibt es mE keinen Grund, dass dies heute nicht mehr geschehen könnte oder sogar sollte. Und die Kirchengeschichte ist ja eben auch voller Beispiele, die genau so gehandelt haben und immer noch so handeln. Ich weiß zB nicht, wie man als Christ zB den IS kritisieren will, wenn man keinen anderen Umgang mit der biblischen Aufforderung zu „gerechter“ Gewalt findet.

        LG, der Jay

        • Ja, schwierig, das mit dem Kreuz…Jörg Jeremias schreibt ja in seiner Einführung zum AT, dass die Propheten es im Laufe der Zeit immer mehr gewagt haben, von der Güte Gottes zu reden, die seinen Zorn überwindet. Das Kreuz wäre dafür dann vermutlich der ultimative Beweis.

          Allerdings würde ich das nicht zu menschlich verstehen wollen, so als ob Gott in sich einen Konflikt hätte, ob er nun zornig oder gütig sein soll, sondern eher als etwas, das sich im Weltenlauf vollzieht.

          So wie also die Theologen von Struktursünde sprechen, wäre es vielleicht angemessen, auch von Strukturzorn zu sprechen; ein Zorn also, der sich nicht auf einzelne Personen bezieht, sondern auf das ganze Netz an Mächten und falschen Machtansprüchen, in dem jeder mit drinhängt.

          Gott würde dann seinen „Strukturzorn“ nur überwinden können, indem er die Struktur überwindet und seine Güte würde beinhalten, dass er es auch tut und mit dem Gottesreich eine neue Struktur etabliert, die wie Sauerteig den ganzen Teig durchmengt.

  27. Katja Katja

    @HUS
    „Denke aber diese Idylle entspricht eher der kuscheligen Denkweise unserer heutigen soften Gesellschaft als der tatsächlichen brutalen und rauhen Realität der damaligen Zeit.“

    Nein! Das enspricht einem barmherzigen und gnädigen, empathischen Blick auf Menschen. Den es aber in manchen frommen Kreisen einfach nicht gibt, weil man sich dort ein Bild von einem Gott gemacht hat, der den anderen verdorbenen, abgefallenen und dekadenten Menschen (natürlich nicht den guten Frommen!!!) mal ordentlich zeigt, wo der Hammer hängt (und da höre ich Gofi 😉 )

  28. Katja Katja

    P.S. @HUS
    Wenn Jesus tatsächlich der offenbarte Gott und das Zentrum des Glaubens und die Erfüllung der Schrift ist, dann haben sich all diese AT-Stellen an ihm zu messen. Und zwar nicht nur an seinen scharfen Worten, sondern eben auch an dem „Liebt eure Feinde und tut wohl denen, die euch hassen“ – was er bis zum Ende selbst in seinem Leben durchgezogen hat (übrigens nicht das Verurteilen!!) Und dann muss man wohl auch all diese Stellen anders lesen als „Gott wollte das“…

  29. Andi Andi

    @HUS:

    Das mit der anderen Zeit ist ein übles Totschlagargument. Klar muss man einen Luther aus seiner Zeit heraus verstehen und ich bin auch fassungslos über das, was ich Menschen vor 20 Jahren gesagt habe als verirrter Jugendlicher (dass ihr Vater, der sich selbst tötete, vielleicht in der Hölle ist). Aber ich weiß, dass ich letztlich fürmein Leben verantwortlich bin und kein kuschliger Gottgedanke, wer weiß obs den gibt, niemand hat ihn je gesehen.
    Man könnte vielleicht ein postives Bild über die Geschichte ziehen (vielleicht aber auch nur aus unserer reichen Zeit aus, ein Kriegsopfer in ‚Afrika sieht das anders) und sagen, über Stammesgötter über Götter von allen über ERlöser der Gnade und noch der teilweisen wirren Worte über Reformatoren ging es zum Heil aller. Es hat lange gedauert, bis alle Menschen Brüder waren. Und ich sehe unsere Zeit alles andere als verwässert. Kann natürlich sein, dass bald der Herr Jesus kommt und den ganzen Schwätzern in den Ethikkomissionenen mal so richtig den Kopf abhackt, aber bis dahin feiere ich diese mir lieben Menshcen und sehe nicht, dass ein Paulus viel zu dieser Welt beigetragen hätte. Es sei denn natürlich, man gibt zu, dass Paulus und Jesus dermaßen viel Widersprüchliches vom Stapel gelassen haben, dass sowohl die Kreuzzügler als auch die Drewermanns sich auf ihn berufen können.
    Und das ist ein Knackpunkt: Die Manichäer (sicher ein bizzares Grüppchen) glaubten, dass Licht und Schatte sich vermischt haben auf Erden. Ich denke das ist ein schönes Bild auch für die Bibel. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass sie MEnschen zum Höchsten und zum Niedersten oft gleichzeitig motivierte (siehe Luther). Aber so ist es, wo viel Licht da vielSchatten. Wer kann das ertragen (Gemeindeleben etc.)?
    Aufhören tut es bei mir aber bei deinem Gedanken mit den Amalekiterkindern. Ich weiß nicht, ob Volksverhetzung auch für tote Kulturen gilt, aber Reiligionsfreiheit hat ihre Grenzen, mein Lieber. Du hörst auf das Argument der bösen Feinde, das schon immer die Gewaltspirale nach oben getrieben hat und viele Christen einschließlich des
    Begründers des Mittelalters Augustinus haben da mitgemacht. Da lobe ich doch unsere Zeit und ihre Propheten!

    • Ich denke das ist ein schönes Bild auch für die Bibel. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass sie MEnschen zum Höchsten und zum Niedersten oft gleichzeitig motivierte (siehe Luther).

      Aber gilt das nicht für alles, was es gibt? Aus Liebe werden die schönsten Dinge getan und die meisten Morde begangen.

      LG,
      der Jay

      • Andi Andi

        Erinnert mich an Paracelsus der sagte alles sei Gift die Dosis macht das Gift und an Aristoteles mit seinem Mitte-Konzept, nach dem jedes übel eine über- oder Untertreibung einer Tugend ist. Ketzerischer Gedanke, aber mit nutzen. Ich hAbe in meiner Krankheit gelernt Gedanken nach ihrem nutzen zu bewerten statt nach angeblichen Wahrheitsgehalt. Die Bibel kann nicht nur stimmen. Nicht alle Religionen können ganz wahr sein, weil sie sich widersprechen. Aber jeder kann hier irren und dort Recht haben. Auch orthodoxe Christen glauben dass sich Widersprüche in der Bibel ergänzen und wechselseitig führen (freier Wille – Vorherbestimmung) oder dass sich die Gemeinden ergänzen. Warum dann nicht die Religionen. Außerdem kann man das ja auch als Bilder sehen. Vielleicht dachte Johannes Rom sei der Antichrist und projizierte daraus die Apokalypse und wir können mit Vernunft schauen, was wir daraus gegen Totalitarismus lernen können.

      • Katja Katja

        @Jay „Aus Liebe werden die schönsten Dinge getan und die meisten Morde begangen.“

        Ernsthaft? Ich denke doch, die Mordmotive, die mit Beziehungen zu tun haben, sind da eher Hass und Eifersucht… Oder wie meintest du das?

        • Ja, aber das Eine hängt doch am Anderen.
          LG,
          der Jay

          • Katja Katja

            Ja, aber es ist nicht dasselbe Motiv. Oder nicht dasselbe Handlungs’objekt‘. Schöne Dinge tut man einem anderen, weil man ihn liebt und ihm Gutes will. Ermorden nicht.

            Aber egal. Das ist nur eine sprachliche Spitzfindigkeit ?

  30. ein Mensch ein Mensch

    Warum wird dem Soldaten auf dem Schlachtfeld, der einen anderen umbringt, Ehre erwiesen aber wenn jemand einen Menschen aus Leidenschaft umbringt, ist es Mord? ;-)(Dialog aus ‚Waynes World‘)
    Darüberhinaus wurde mir aus dem Anfangspost nicht so klar, worauf derjenige hinaus wollte. Viel zu viele Themen in einem Strang.
    Evolution ist ein naturwissenschaftliches Thema, das Thema Gottesbild eher eines der Theologie beziehungsweise der Literaturwissenschaft.

  31. Andi Andi

    Hab was geschrieben, dann machte das Handy schlapp, also nochmal:
    Das erinnert an Paracelsus, nach dem alles ein Gift ist, allein die Dosis macht es zum Gift. Oder an das Mitte-Konzept von Aristoteles, nach dem jedes Übel eine Über- oder Untertreibung einer Tugend ist. Ein ketzerischer Gedanke, der aber oft (nicht immer) Nutzen bringt. Ich habe in meiner Krankheit lernen müssen, Gedanken nach ihrem Nutzen zu beurteilen und nicht nach dem etwaigen Wahrheitsgehalt. Beispiel: MEditation oder Zungengebet erquicken manche, manche führt es auch in die Psychose. Ja, das Leben kann hübsch fies sein… 😉

  32. Rebekka Tünker Rebekka Tünker

    Ahhhhhhhhhhhh, das tut gut! Endlich mal Biologen am Start! (OK, der Plural war überzogen, aber bei mir kommt da sofort ein kollektives Wir-Gefühl auf). Und Erinnerungen an meine jüngst vergangene Schulzeit – Synapomorphie, Autapomorphie, Symplesiomorphie . . . ich hör ja schon auf 😉
    Im Ernst: Ich bin dankbar für meinen atheistischen (Ex)Bio-Lehrer, der uns von Anfang an klar gemacht hatte: Hier gibt’s keine Diskussionen! In diesem Raum gibt es keinen Gott. Fun fact: Er hat optisch große Ähnlichkeiten mit der typischen Jesus-Vorstellung: Groß, schlank, sehnig, langes braunes Haar, Bart.
    Ich stimme mit euch weitestgehend überein – nur dass ich dank Jay jetzt auch ein hübsches Wort, Panentheismus, dafür habe.

    An dieser Stelle noch ein paar Gedanken zum „Sündenfall“ bzw. dazu, was uns der biblische Bericht über paradiesische Zeiten vllt. bringen kann. Wenn ich eines aus einer guten Predigt mitgenommen habe, dann, dass das Paradies nicht mit dem Schlaraffenland gleichzusetzen sei. Anders ausgedrückt: Es wächst nicht alles in den Mund hinein oder fällt vom Himmel, Adam und Eva hatten den Auftrag, den Garten (metaphorisch: Alles Lebendige um sie herum) zu pflegen. Sie mussten also – oh Schreck – arbeiten! Aber eben mit Freude und dem Glück, dass dann auch alles gedieh und in Eintracht lebte. Der Knackpunkt am Sündenfall: Für die Erkenntnis erhalten sie bekanntermaßen die Freiheit (das Gute wie das Schlechte zu tun oder zu lassen) und zwar zum Preis der Mühe und des Schuldbewusstseins. Die Arbeit wurde nunmehr hart, nicht immer lohnend, sogar frustrierend. Mit der schönen Eintracht aller Lebewesen war’s irgendwie auch vorbei und man wollte sich auf einmal nicht mehr entblößt zeigen.
    Das gröbste Übel der kirchengeschichtlichen Entwicklung: Daraus eine Berechtigung für Leibfeindlichkeit abzuleiten, anstatt die metaphorische Blöße zu betrachten: Nicht das körperliche Nacktsein hat Adam und Eva Probleme bereitet, sondern die seelische Nacktheit! Das psychische Offenbarsein vor Gott und dem Gegenüber, das zuvor so wundervoll war, wurde für den Menschen ein unerträgliches Gefühl. Das Feigenblatt im Wesentlichen das, worunter wir heute noch leiden: Seelische Mauern, die wir hochziehen, damit andere nicht unsere Blöße, unser Leid, unsere Ohnmacht sehen – resultierend aus unserer eigenen Biographie, aus selbst wie fremd verschuldetem Übel.
    Gleichzeitig zeigten schon Adam und Eva in Form von Reue, aber auch in Form von Trauer, Wut und Frustration die tiefe Sehnsucht, dieses Angenommensein wiederzuerlangen, dieses offenbar sein dürfen, TROTZ und gerade wegen ihrer persönlichen Mängel. Unserer persönlichen Mängel. Wir empfinden heute noch genauso , auch wenn sich die Welt um uns mit uns und durch uns verändert hat. Wir wollen offenbar sein dürfen, Nähe – körperlich und seelisch das größte Bedürfnis.
    Damit sind wir bei der Erlösungsbedürftigkeit, aus der heraus auch mein Glaube resultiert. Ich habe die Erklärungsseite mittlerweile komplett „aufgegeben“, a) weil ich eben naturwissenschaftliche Erklärungen für sinnvoll halte (nicht unhinterfragt natürlich, aber eben ohne ideologische Voreingenommenheit) b) weil ich es als meine Aufgabe ansehe, die Ambilvalenzen des Lebens auszuhalten, das Unbegreifliche unbegreiflich lassen und einfach davon ergriffen sein – in tiefem Schmerz wie in freudiger Ekstase.
    Dazu ein alter Bekannter (ja, der alte Menschenfreund Nietzsche schon wieder):
    „Nietzsche hat einmal gesagt, dass der Wille zum System schon ein Stück Unaufrichtigkeit enthält – eben, weil man damit die Vielfalt des Lebendigen gewaltsam vereinfacht.“ (Fritz Riemann, „Grundformen der Angst“, S.109)

    • Dazu (zum Nacktsein) ist mir letztens eine hübsche Parallele zwischen Genesis und dem Johannesevangelium aufgefallen. (Da es Johannes` Absicht war, eine neue Genesis zu schreiben (N.T. Wright), denke ich, dass die Parallele kein Zufall ist.

      Und zwar erkennen Adam und Eva nach ihrem Verrat an Gott, dass sie nackt sind und verstecken sich vor ihm. Im Johannesevangelium ist es wiederum Petrus, der Jesus verrät, aber als er später den Auferstandenen vom Boot aus am Seeufer stehen sieht, zieht er sich sein Gewand über (weil er nackt ist, was Johannes interessanterweise nicht unerwähnt lässt) und springt ohne zu zögern in den See, um so schnell wie möglich bei Jesus zu sein.

      Was sich nach diesem „Sündenfall“ also verändert hat, ist der Blick – er ist nicht schamhaft auf sich selbst gerichtet, sondern magisch-anziehend auf den Geliebten.

      Literarisch finde ich das ganze Thema übrigens sehr schön dadurch in Szene gesetzt, dass sowohl beim Verrat im Hinterhof als auch am See ein Kohlenfeuer brennt, wobei Jesus ihm durch die Frage „Hast du mich lieb?“ die Chance gibt, das (vor sich selbst) wieder gut zu machen, was er beim Verrat verbockt hat.

      Auch ist interessant, dass Petrus ihn dreimal verrät und Johannes an der Uferszene zunächst einmal erwähnt, dass dies das dritte Mal ist, dass sich Jesus den Jüngern offenbart, um anschließend Jesus dreimal „Hast du mich lieb?“ fragen zu lassen. Ich würde das so deuten, dass Gott den Menschen zwar ein- für allemal erlöst hat, aber dass es manchmal genauso viele Erlösungsmomente benötigt wie es Sündenmomente gab, damit einem die eigene Freiheit wieder bewusst ist.

  33. Ich überlege gerade, ob der Schöpfungsbericht nicht viel eher göttlich inspiriert sein könnte, wenn man ihn gerade nicht wörtlich versteht.

    Mein Gedankengang ist folgender: Biologisch gibt es, wenn ich richtig informiert bin, einen Zusammenhang zwischen der Erkenntnisfähigkeit und dem Gehirnwachstum, das im Laufe evolutionäre Prozesse in einem immer größeren Kopf Platz finden musste, was wiederum dazu führt, dass Frauen bei der Geburt Schmerzen haben, weil der Geburtskanal dafür nicht konzipiert ist.

    Der Sündenfall besteht wiederum in der Erkenntnis des Guten und Bösen und die Strafe darin, dass die Frau bei der Geburt Schmerzen hat.

    Wenn man nun davon ausgeht, dass die biblischen Autoren von dem Zusammenhang zwischen Gehirnwachstum, Erkenntnisvermögen und den daraus resultierenden Geburtsschmerzen nach ihrem Wissensstand eigentlich keine Ahnung haben konnten, könnte man auf die Idee kommen, dass der Text göttlich inspiriert sein muss.

    Nach dieser Logik stellt sich allerdings die Frage, warum der Mensch aufgrund der beschriebenen Physiologie in jedem Fall Geburtsschmerzen hat, also auch, wenn er nie gesündigt hätte. Vielleicht ist die Frage aber auch insofern irrelevant, weil von vornherein klar war, dass der Mensch mit so einer Waffe im Kopf, die sich sowohl zum Guten als auch zum Bösen einsetzen lässt, sie auf kurz oder lang auf jeden Fall für das Böse verwenden würde.

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