#83 Homosexualität und die ‚Schöpfungsordnung‘

Jens‘ außerordentlich hörenswerter Podcast ist hier zu finden: www.radikale-reformation.de

Die Website seiner Gemeinde: www.zellgemeinde-bremen.de

Predigten von ihm findet ihr hier.

Wenn ihr tiefer in das Thema dieser Hossa-Folge einsteigen wollt, findet ihr dort auch die im Talk genannte Predigtserie von Jens über Homosexualität.

85 Kommentare zu „#83 Homosexualität und die ‚Schöpfungsordnung‘“

  1. Danke, dass Ihr drei das mal wieder auseinandergedröselt habt. Interessant ist für mich immer, dass in Kirche aller Gattungen das Thema Sexualität immer so ein großes ist. Lenkt das nicht von wichtigen Dingen ab? Klar, Sex ist die schönste Sache der Welt und etwas Heiliges und so muss man es auch behandeln. Aber doch eben auch genau so: Sex ist doch auch total heilig, entsprechend muss man das doch auch würdigen. Und lasst uns doch bitte mal über Liebe reden.

    1. Au Ja. Und genau zu dem Thema hätte ich gern so einen Menschen wie Holger Lahayne wieder da. Dann kommt man auch mal raus aus Diskursivien und es wird wirklich autobiographisch-emotional. Mit der Auseinandersetzung gleichzeitig so sprechen zu können – dafür wäre Hossa ein Platz.

  2. Super Podcast heute!!! War für mich sehr aufschlussreich und habe heute Nachmittag auch die 3 Predigten von Jens zum Thema angehört.

    Hoffe, dass sich noch einige freien Gemeinden dieser Sicht öffnen, da ich mich als schwuler Christ nach einer Gemeinde sehne, in der ich offen zu mir stehen und mich einbringen kann.

  3. Letztes Kapitel: Dauergrinsen im Gesicht. Klar: Gott schafft was Neues, nicht wieder etwas, das es schon gab. Es wird nicht wieder so, wie es früher war, es wird besser. Und das passt viel besser zur Lebenswirklichkeit. Und jetzt hab ich nen Ohrwurm von „Stadt“ von Cassandra Stehen 😀 Warum wohl?…

    1. @Bithya85:

      Cassandra Steen. Ja, daran hab ich auch gedacht. Muss es sofort runterladen. Übrigens: Als es rauskam, hab ich es sofort aufs Neue Jerusalem interpretiert. Auf was auch sonst…

      Grüßchen, Patrick

  4. Vom Inhalt her echt wirres Zeug !Da möchte man sagen der Typ soll bei seinem Podcast bleiben die sind super gut , ABER,

    Und da ist Hossa-Talk tatsächlich mal ein Denkmal zu setzen :

    die Gesprächskultur zu haben, alles mal mal durchzudenken,

    Alles mithin einzunehmen, auch das von Jens.
    Seine Stärke ist, er erlaubt sich unterschiedliche Perspektiven.
    Und mit diesen Perspektiven kratzt es auch an der Wahrheit.

    Ich würde Jens in nichts folgen, aber die Gesprächskultur haben wir sicher nötig.

    Und eben auch das Aufdecken von festen, unreflektierten Motiven, die vielleicht gar nicht von der Mitte her stammen, die wir Jesus Christus nennen.

    Ich musste den Podcast in drei teilen hören. Der Wortschwall von Jens war auch schonmal nervig!

    Erinnerte mich an mich

    1. Nichts von dem, was Jens gesagt hat, war wirr. Wir haben ihn auch nicht deshalb zu Wort kommen lassen, weil wir so nett sind, sondern weil wir seine Meinung schätzen. An der Wahrheit gekratzt hat er schon gar nicht. Es ist ein Dienst an der Wahrheit, wenn jemand überkommene Ansichten hinterfragt.

    2. Ich denke, man muss ihm auch nicht in allem zustimmen und ich hab auch nicht alles verstanden, was gesagt wurde. Aber ich bin trotzdem froh, dass es gesagt wurde, weil es sonst unter den Teppig gekehrt würde und im Hintergrund schwelen würde. Das würde sich wohl irgendwann Luft machen und explodieren. Dann ist es mir lieber, wenn man normal und tolerant darüber redet, außerdem macht es Mut, auch andere Sachen anzusprechen, die einem auf der Seele brennen, denn wenn man darüber schon reden kann, dann wird man wohl auch über meine Themen reden können.

  5. Wenn @ dagobertrrck den Inhalt von Jens als wirr ansieht, warum denn nicht. Ich denke ich wollt unterschiedliche Meinungen stehenlassen. Aus meiner Sicht ist vieles nicht abschliessend durchdacht.
    Wenn Eva nach der Schrift „Männin“ ist, weil sie vom Mann genommen ist passt zumindest dann einiges nicht mehr von der Argumentationskette am Anfang. Das hat Jens ganz ausgeblendet

    1. Dagobert kann Dinge finden und sagen wie er will. Sein Kommentar steht ja auch noch hier. Er muss aber nicht unwidersprochen bleiben. Eine Argumentation als wirres Zeug zu bezeichnen, ist herablassend. Außerdem stimmt es nicht. Ob Jens‘ Argumentation Lücken hat, ist eine völlig andere Frage, das macht sie noch lange nicht zum ‚wirren Zeug‘. Wenn sie Lücken hat, kann man sie ja aufzeigen. Und zwar sachlich.

      Deinen Hinweis auf die ‚Männin‘ verstehe ich übrigens nicht. Warum durchkreuzt das Jens‘ Argumentation? Kannst du das mal ausführen?

      1. Gut, ich ändere „ wirres Zeug “ in
        fabulieren
        Er hat ja selbst gesagt, das es noch in der Halbzeit ist was er sagt !

        Also mir fehlte jegliche Grundlage !
        Es war ein wirres Wörter-Erklärsuchen-suchen.

        Es führte zu keinem Ziel !
        Z.b.: Jay hatte den Einwandt der Zielperspektive Barmherziger Samariter als Grund für letzte/erste Aufmerksamkeit, wenn schon Schöpfungsordnung zu subjektiv ist.
        Da ist was zum arbeiten. Jens ging aber nicht drauf ein.
        Man ist im Gespräch ja manchmal auch nicht immer voll Aufnahmefähig, vorallem, wenn man soviel gesammelt hat wie Jens, an Geschichtswissen.

        1. Tut euch doch den Gefallen und hört euch mal die 3(!!!) Predigten von Jens zu diesem Thema an. Die sind alles andere als „wirr“ und gehören auch nicht ins Land der Fabeln.

        2. Also ich habe mir den Talk gerade noch mal angehört, ich finde weder, dass Jens wirres Zeug redet, noch dass er fabuliert. Ich konnte dem gut folgen, es gut nach vollziehen.

          LG,
          der Jay

      2. – Ich finde es schon seltsam Dagoberts Ton wird nicht akzeptiert, der von Daniel schon. Hängt das bei Euch vom Standpunkt ab.
        – In der Bibel wir von Mann/Männin geredet, auf der anderen Seite ganz klar er schuf sie als Mann und Frau. Wenn es um die Menschheit insgesamt geht ist es doch im englischen am besten ausgedrückt Mankind und dann gibt es zwei verschiedene Geschlechter.
        Ich denke man muß sich ehrlich machen: Entweder man akzeptiert alle Bibelstellen, dass diese in der Bibel so vorhanden sind ( „das Wort sie sollen lassen stehn“) oder man kann die Bibel als nettes Geschichtsbuch nehmen, das uns einige Tipps gibt oder noch besser gleich auf den Müllhaufen der Geschichte werfen. Dann brauchen wir aber auch das fromme Getue nicht mehr. Dann ist es auch gleich effektiver sich nicht mehr im frommen Bereich zu engagieren, wo soviele schrullige Leute rumrennen: Bei NGOs, Vereinen mit einem speziellen Anliegen oder in einer Sunday Assembly kann man alternative Betätigungsfelder finden

        1. Haha. Du bist ja süß. Wenn das so einfach wäre, mit dem, „alle Bibelstellen annehmen und stahn lassen“, gäbe es wohl kaum so viele Konfessionen. Und warum sollten wir uns denn bei „nur“ NGO’s engagieren, wenn wir doch Jesus nach folgen wollen?

          LG,
          der Jay

          1. O.k. gut gebrüllt Löwe. Versuchen wir es mal etwas anders:
            Warum sagst Du dann nicht “ ich mach mir meinen Jesus wie er mir gefällt“, man gesteht das jedem anderen zu. In der Konsequenz kann man sich dann doch aber auch so ehrlich machen, dass man dann nicht für alles eine riesige theologische Begründung mehr braucht. Und dann braucht ja cuh nicht jedes Thema mehr eine Begründung, die sich von der Schrift ableitet
            Dann kann man ja auch einfach sagen: Ich sehe das so und so. Punkt und ohne jegliche Begründung. Oder?

          2. Irgendwie verstehe ich dich nicht. Es war doch noch nie so, dass alle Christen dieselbe Theologie hatten. Es gab doch schon immer Immense Unterschiede, darin, wie unterschiedliche Christen verschiedene Bibelverse gedeutet haben. Wir alle müssen Auslegungsentscheidungen treffen. Wir alle vertrauen dabei darauf, dass uns der Heilige Geist dabei leitet. Dabei kommen wir, seit es Christen gibt, aber seltsamer Weise trotzdem immer wieder zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das hat doch nichts mit „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“ zu tun. Ich will Jesus nachfolgen und dabei setze ich mich ihm und seinem Wort aus und versuche das zu leben, was ich daraus verstanden habe. Wie gesagt, anscheinend ist das aber nicht bei allen Christen zu allen Zeiten das Gleiche. Oder sind nur die für dich Christen, die jede Bibelstelle genauso auslegen wie Du? Ich verstehe wirklich nicht, warum du hier die ganze Zeit unterstellst, man wolle sich Gott irgendwie zurecht biegen. Das kann ich dir ja genauso vorwerfen, wenn Du Sachen anders verstehst/ siehst als ich. Das ist doch albern.

            LG,
            der Jay

        2. Hallo Matze,

          Du machst hier genau das, was Jens hinterfragt: eine Entweder-oder-Logik. Entweder alles ist wörtlich wahr oder es sind „nur“ Geschichten.

          Du hättest gerne eine subjektivierte oder verdinglichte Wahrheit. Du möchtest gerne an eindeutige Sätze und Wörter glauben. So ist es aber nicht in der Bibel, denn die Texte sind miteinander im Gespräch (die Wahrheit ist relational, d.h. in Bezug oder in Beziehung auf etwasoder auf einander – das ist etwas anderes als „beliebig“ oder „unbedeutend“!).

          Es gibt zwei Schöpfungsgeschichten des Menschen, die ziemlich unterschiedlich sind. Du musst eine Auslegungsgentscheidung treffen. Das ist der Punkt von Jens, und da kommst auch Du nicht drumherum. Das will Jens bewusst machen.

          In Genesis 1 wird nur vom Mensch als männlich und weiblich gesprochen, zu Gottes eigenem Gleichnis (nicht „Abbild“). Sie sollen fruchtbar sein. Insgesamt sah Gott nach 7 Tagen, dass es gut war. In Genesis 2 macht Gott Adam aus Lehm und Eva aus seiner Rippe, danach kommt der Sündenfall. – Welche Version „stimmt“?!

          Die, die zuerst steht? Oder die, die als zweites kommt, weil sie die erste „korrigiert“? Dummerweise weiß man inzwischen, dass die zweite die ältere ist und die erste die jüngere. Liegt die „Wahrheit“ bei der älteren oder der späteren? Ist das Alter wichtig (näher am „Ursprung“) oder wächst die „Wahrheit“ nur im Laufe der Zeit (Gottes forschreitende Offenbarung)? Besagt die Platzierung in der Bibel irgendwas?

          Oder hat das Priesterkollektiv, das irgendwann den Kanon der wichtigen Schriften festgelegt hat, mit voller Absicht beide Geschichten stehenlassen? Warum? Weil uns v.a. wegen der Spannung zwischen den Geschichten etwas klar werden könnte? Könnte genau darin Gottes Geist wehen?

          Das gleiche kannst Du Dich bei den 10 Geboten fragen, die auch zweimal in der Torah stehen. Die Gebote selbst sind zwar gleich, aber die Begründungen nicht. Das gleiche Prinzip findest Du bekannterweise auch bei den vier Evangelien.
          Die Bibel ist also gar nicht auf die Sorte Wahrheit angelegt, die behauptet, „SO isses und nicht anders“!

          Zu männlich und weiblich: Nö, Mankind ist nicht der bessere Begriff, denn er setzt den Menschen v.a. als Mann, und die Frau ist nur die „Ableitung“ (= übliche Interpretation der Rippe). Es gibt aber 2 Schöpfungsgeschichten, wie gesagt. – Problem nicht gelöst.

          DU kannst ja glauben, dass männlich und weiblich rein biologisch (und v.a. statisch) zu verstehen ist und dass biologische Fortpflanzung alleine gemeint ist. Das ist dann Deine Auslegungsentscheidung, es ist aber nicht selbstverständlich die „Wahrheit“. ICH treffe dagegen die Auslegungsentscheidung, dass bereits die Schöpfungsgeschichten den Menschen nicht einzeln darstellen, sondern in Bezug auf und in Kooperation miteinander. Und ich zweifle biologische Fortpflanzung als Hauptzweck an. Stärkstes Argument ist, dass Jesus keine Kinder hatte (wenn er welche gehabt hätte, wüssten wir das definitiv, da gibt es mehrere gute Gründe für).

          Das Problem, dass Christen unterschiedliche Akzente bei der Bibelinterpretation setzen, ist nicht zu „lösen“. Eine Eindeutigkeit produzieren zu wollen, scheint mir sogar unbiblisch zu sein, denn die Bibel ist ja auch vielstimmig (das bedeutet nicht „beliebig“!). Vielleicht ist das ja sogar voll im Sinne Gottes? Ich glaube, Gott ist das Werden, nicht irgendein Zustand, den man einpacken kann in ein geschlossenes Theoriegebäude. Er ist der Lebendige, nicht der Statische. Wenn es eine Theorie oder ein Bild gäbe, wie Gott in „Wahrheit“ ist, hätten wir es! Wir haben aber das BilderVERBOT. Wir sollen ihn und sein Wort nicht zum Ding machen, dann würden wir ihn zum Götzen degradieren.

          Wir sollten uns mehr darauf konzentrieren, was den Kern unseres Glaubens ausmacht. Und das ist Christus oder nicht?

          *******

          Lieber Jens,

          danke für Deine inspirierenden Gedanken! Du hast mich in meinen eigenen Überlegungen ermutigt und weitergebracht.

          Ich frage mich schon länger, wie ich es weiterdenken kann, dass Gott Schöpfer ist und was Schöpfung eigentlich bedeutet. Ich glaube nicht daran, dass er irgendwann mal kurz die Welt erschaffen und sich dann zurückgezogen hat. Die Bibel sagt ja was anderes. Also geht die Schöpfung, das Kreative, das Dynamische weiter. Und er will uns dabei haben. Er meldet sich immer wieder in der Geschichte. Der Blick geht nach vorne. Wir sollen ihm vertrauen und nicht einen hypothetischen Ursprung betrauern und anbeten! – „Siehe, ich mache alles neu.“ 🙂

          Ich musste an Paul Tillich denken, der in den 1920er Jahren zum linken liberalen Flügel der Universitätstheologie gehört hat und (für mich plausibel) die These vertreten hat, dass das Prophetentum eine institutionalisierte Form der Kritik am Ursprungsgedanken war! Die Idee des Ursprungs meinte Volk, Reich und König (der König verkörperte all das), aber die Propheten schritten immer wieder genau gegen diese Verdinglichung irgendeiner „Gottesordnung“ ein. (Israel wollte Könige und bekam Propheten. Und jeder König bekam den Propheten, den er verdiente…)
          Tillichs Buch scheint aber kaum noch jemand zu kennen („Die sozialistische Entscheidung“ von 1933), weil es sofort nach dem Erscheinen verboten wurde, Tillich in die USA fliehen musste und heute als großer amerikanischer Theologe gilt (er kam nie zurück nach Deutschland).

          Lieben Gruß von Ina

          1. Liebe Ina,
            vielen Dank für die freundliche und ausführliche Rückmeldung. Danke auch für den Paul-Tillich-Buchtipp. Das habe ich mir gleich bestellt. Die theologische Bruchlinie, mit der wir uns hier befassen, reicht in die frühe Kirchengeschichte zurück. Und mit dem Konflikt zwischen Priester, König und Prophet bis ins Erste Testament. Die GANZ große Frage lautet offenbar: Ist Religion dazu da, eine bestehende Ordnung vom Ursprung her zu legitimieren, oder sie in Bezug auf eine andere, bessere Zukunft zu öffnen. Johann Baptist Metz (katholischer Theologe) ist davon überzeugt: Religion ist Unterbrechung. Großartig.

        3. Joshua hat sich, wie ich finde, sehr gut selbst verteidigt. Jens ist nicht so regelmäßig auf unserem Blog zu Gast, deshalb bin ich ihm als Gastgeber und Moderator zur Seite gesprungen.

  6. Wow, ich bin begeistert. Die Folge werde ich mir noch öfter anhören. Einiges neues für mich dabei, aber auch Dinge die ich immer schon dachte, aber für die ich nicht so viele Argumente hatte. Ein Beispiel: mir ging in evagelikalen Kreisen immer sehr auf die Nerven, dass viele so taten, als wenn das Lebens-Ideal eine Familie aus Mann, Frau und ein paar Kindern der Standard ist und „absolut biblisch“. Aber das war für mich nie so. Ich hatte auch nie das Bedürfnis diesem Ideal zu entsprechen. Wie relativ das ganze ist, wenn von biblisch die Rede ist, stellt Jens einfach wudervoll dar. Danke dafür.
    Als ich noch vor knapp 20 Jahren in Bremen gewohnt habe, hatte ich schon Jens Predigten im Kulturzentrum Schlachthof und im Kulturzentrum Lagerhaus in Bremen sehr geschätzt. Die Veranstaltungen fand ich sehr inspirierend. Ich war damals auch einige Male kurz davor in deine Gemeinde, Jens, zu wechseln, aber damals ward ihr noch in Liliental (bei Bremen) und dahin wollte ich nicht ohne Auto fahren. Der Aufwand war mir zu groß. Die Lage jetzt direkt am Hauptbahnhof ist natürlich super.

    Mir geht die Szene mit dem Ersäufen der Wiedertäufer in Zürich nicht aus dem Kopf. Mich macht es sehr traurig, dass so etwas unter Christen möglich war/ist. Mich erinnert es an Ehrenmorde. Die Wiedertäufer haben die Ehre der anderen Christen in den Schmutz getreten, so mussten sie sterben. Bei Wikipedia kann man einen Teil der Begründung des Gerichts lesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Felix_Manz

  7. Ich war schwul und ich weiß aus Erfahrung, das 2 Männer körperlich und biologisch nicht aufeinander hinweisen. Mein Arschloch wurde mir von Gott nicht für einen Schwanz gegeben.
    Etwas tiefes in mir wurde von der gleichgeschlechtlichen Anziehung nicht berührt. Deswegen habe ich mir meine Gefühle mit Hilfe von verschiedenen therapeutischen Techniken genauer angeschaut. Das hat zu einer Auflösung dieser Gefühle geführt. Nun lebe ich glücklich mit meiner Frau seit 26 Jahren.

    1. Entschuldigung, aber so geht das nicht! Mit einem niveaulosen derben Spruch eine erzreaktionäre Sexualmoral begründen. Mag sein, dass ich als Heterosexueller die Situation nicht nachvollziehen kann. Meines Erachtens sollte sich aber jeder christliche Hetero für das Recht, homosexuell bleiben zu dürfen, einsetzen, genauso wie jeder christliche Mann ein Feminist sein sollte. Ich muss in diesem Zusammenhang leider daran erinnern, dass es insbesondere in den USA eine Selbstmordwelle unter jungen Menschen gab, die aufgrund von Mobbing oder Ablehnung nicht mit ihrer homosexuellen Neigung klargekommen sind. Ich zitiere Maclemore in „Same Love“: „And God loves all his children, it’s somehow forgotten. But we paraphrase a book written 35 hundred years ago. I don’t know. Same love! Daniel

      1. Gleiches Recht für Alle ! Auch für die, die ihre gleichgeschlechtliche Anziehung nicht als zu ihrem wahren Selbst zugehörig empfinden und deswegen nochmal genauer Hinschauen möchten. Mir scheint ob als alles darf, nur Veränderung darf nicht sein. Gefühle können sich ändern, sexuelle Gefühle auch – in jede Richtung – auch von schwul zu hetero. An diesem Punkt hört es dann aber auf mit der von der LGBT- Lobby eingeforderten Toleranz. Denn wenn sich jemand auf diesen Weg der Veränderung macht und diese tatsächlich geschieht, bedeutet das ja das Homosexualität nicht angeboren ist.
        Zurückblickend würde ich sagen, die gleichgeschlechtliche Anziehung hatte bei mir sehr viel mit Projektion zu tun. Es ging nicht um die Männer als Personen, von denen ich mich angezogen fühlte, sondern um das was sie darstellten : Männliche Attribute die ich in und an mir selbst nicht wahrnehmen konnte. Von dem was mir fremd war, fühlte ich mich angezogen. Die traumatischen Verletzungen meiner Männlichkeit konnten geheilt werden – durch therapeutische Techniken und durch Verbrüderung und Versöhnung mit der heterosexuellen Männerwelt und durch Abba Vater und Bruder Jesus.
        Ich glaube nicht das homosexuell lebende Menschen weniger von Gott geliebt werden oder verdammt sind. Im Gegenteil ! Aber ich glaube, das Homosexualität Entfremdung vom wahren Selbst ist, eine Illusion und Projektion – nicht die Bestimmung die für das Leben vorgesehen ist.
        Und was mich ärgert : es wird dann immer mit Liebe und Menschenrechten argumentiert – in der homosexuellen Welt geht es aber in erster Linie um Sex. Die schwule Welt ist nicht so wie sie dargestellt wird. Deswegen auch der von mir gewählte derbe Klartext. Ich liebe immer noch Männer, aber nun auf der brüderlichen Ebene. Männer sind dazu bestimmt sich zu verbrüdern und nicht um sich gegenseitig zu ficken.

        1. Sorry, Joshua, Deine pauschalisierte Sicht darauf, worum es Homosexuellen geht, mag aus eigener Erfahrung kommen, aber sie bildet höchstens ein kleines Spektrum von dem ab, was in schwulen oder lesbischen Beziehungen gelebt wird. Ich kenne viele Homosexuelle und wie Du sie beschreibst, das stimmt für keinen dieser Menschen. Das ist ungefähr so, wie wenn ich sagen würde, Heterosexuelle Menschen wollen alle nur Ficken. Je doller desto besser. Wenn ich jemand bin, der sich ständig auf Sexorgien rumtreibt, dann hätte diese Deutung wahrscheinlich eine Menge Plausibilität für mich. Wenn ich aber mal 3 Meter zurücktrete und nicht nur meinen kleinen Dunstkreis sehe, merke ich schnell, dass so eine Aussage ziemlich kurzgedachter Blödsinn ist. Und DAS gilt genauso für das Leben und Lieben von Homosexuellen. Oder warum wollen die denn sonst heiraten dürfen?

          Schließe also bitte nicht von Dir auf die Allgemeinheit.

          Und noch einen Gedanken dazu, ob therapierte Homosexuelle, nicht auch das Recht haben fröhliche Heteros geworden zu sein. Haben sie das nicht? Beschimpft Dich irgendwer mit „schwule Sau“, wenn du mit Deiner Frau Hand in Hand spazieren gehst? Das ist doch Kokolores. Ich habe gar nichts gegen Deine Erfahrung. Gegen die Verallgemeinerung Deiner Erfahrung aber schon. Bis vor 40 Jahren war Homosexualität noch verboten. Homosexuelle werden nach wie vor noch ausgegrenzt und verprügelt (ich arbeite an einer Schule, ich weiß wovon ich spreche). Jetzt tu mal nicht so, als ob es Dir genauso geht.

          LG,
          der Jay

          1. Jetzt klinke ich mich auch nochmal ein…
            Es freut mich Joshua, dass du Veränderung erlebt hast. Dies hab ich mir auch über 2 Jahrzehnte erhofft. Aber ich konnte nicht mehr und wollte mein Leben nicht in ständigem Kampf und Scheinheiligkeit vor meinem Umfeld (Gemeinde und weltlicher Freundeskreis) führen.
            Du hast schon Recht, dass bei vielen Schwulen der Sex im Vordergrund steht. Aber ich habe auch in der Zwischenzeit erlebt, dass sich viele nach Partnerschaft und Treue sehnen, so wie ich.
            In der evangelikalen Welt werden immer die Beispiele hochgehalten, wenn bei Leuten eine Veränderung aufgetreten ist. Deshalb glauben viele Christen, die sich nicht intensiv damit befasst und nur entsprechende Literatur und Vorträge gelesen/gehört haben, dass man nur richtig glauben und beten muss und dann wird alles anders. Aber die vielen Beispiele, wo keine Veränderung passiert ist, werden nicht/kaum berücksichtigt. Und wie geht Gemeinde damit um? Mir wurde nahegelegt enthaltsam zu leben. Mit diesem Punkt tue ich mir sehr schwer, denn wieso darf ich keine Partnerschaft führen und bin zum Alleinsein verdammt, obwohl ich mir die. Homosexualität gar nicht ausgesucht habe?
            Von der Gemeindeleitung wurde mir der Austritt nahegelegt, falls ich meine Homosexualität öffentlich machen würde. Ich bin ausgetreten und gehe nun als Gast in die Gemeinde. Mit wenigen habe ich bisher geredet und dabei Offenheit und teilweise positive Rückmeldung erhalten. Bei manchen erwarte ich allerdings auch massiven Gegenwind und sollte es so weit kommen werde ich mich ganz aus der Gemeinde zurückziehen. Leider kenne ich hier am Bodensee keine evangelikal geprägte Gemeinde, die mit Offenheit dem Thema begegnet. Und ich finde es dramatisch, wie vielen Menschen der Glaube genommen wurde, weil sie aufgrund ihrer Homosexualität die Gemeinden verlassen mussten.
            Darüber hinaus ist es natürlich schwer im ländlich geprägten Raum einen christlichen Partner zu finden.

            LG Bernd

          2. Ganz zu schweigen was mit denen ist, die „aus Glauben“ geheiratet haben und jahrelang unglücklich waren, weil sie ein Leben führen, das nicht ihres ist und schließlich den Befreiungsschlag gewagt haben, aber dadurch ihre Familie verletzt haben? Das kann’s doch wirklich nicht sein.

          3. Puuuhhhh. Danke Jay.

            Ich kenne auch viele Schwule, zwei davon sind sogar Pastoren. Und da wird nicht nur gefickt. Meine Güte, ey…. Ich glaube, ich geh erst mal auf ’ne Sexparty. Wer mich von Facebook kennt, könnte das auch direkt für möglich halten…

            Liebe Grüße, Patrick

    2. Joshua,

      Du machst da einen entscheidenenden Denkfehler: Du gehst davon aus, dass es DIE Homosexualität und DIE Heterosexualität gibt. Es gibt aber eher eine sehr breite Spanne menschlicher Sexualität.

      Du gehörst offenbar zu den Menschen, die eine gewisse Attraktivität beiden Geschlechtern gegenüber empfinden können – wenn auch unterschiedlich „motiviert“. Das ist aber immer so, dass Sexualität irgendwie motiviert ist. Menschen kompensieren nicht nur über „homosexuelle“ Praktiken etwas, sondern auch über heterosexuelle. Heterosexuelle Paare können genauso dysfunktional sein wie homosexuelle, selbst die Mann/Frau-Ehen, , die „normal“ aussehen.

      Diese Unterscheidung sollte man halt schon machen, dass nicht alle Menschen, die mit dem gleichen Geschlecht ins Bett gehen, überall auf der Welt und zu allen Zeiten gleich sind oder waren. Und diejenigen, die mit dem anderen Geschlecht schlafen, sind es auch nicht.

      Das ist übrigens eine von Jens‘ Pointen in seiner zweiten Predigt: Griechische und römische „Knabenliebe“ z.B. war ein erzwungenes Machtverhältnis (darauf bezieht sich Paulus‘ Ablehnung) und fest verankert im politischen patriarchalen Patronage-System. Ein institutionalisierter Missbrauch von Menschen also. Es war somit etwas ganz anderes als das, was die meisten Schwulen heute praktizieren. Ehen zwischen Frauen und Männern waren ebenfalls etwas anderes als heute: Verbindungen zwischen Verwandtschaftsverbänden (keine Kleinfamilien!), die nicht aus Liebe geschlossen wurden, sondern um Kinder zu bekommen und aus politisch-finanziellen Gründen.

      Das alles sagt übrigens nicht nur Jens, sondern das sind Ergebnisse historischer Forschung.

      Stülpe also bitte die Gründe, aus denen Du mal mit Männern geschlafen hast, nicht allen anderen, die das auch tun, über. Im Detail sieht jede einzelne Beziehung nochmal anders aus. Es gibt so viele Sexualitäten wie es Menschen gibt. Es nur am Geschlecht des Sexualpartners festzumachen (es also letztlich nur an Sexualität und nicht dem ganzen Menschen aufzuhängen), ob eine Beziehung gut ist und von Respekt und Verantwortung getragen (und damit „gottgefällig“), ist kurzsichtig.

      Ina

    3. Denkst Du denn, dass etwas für einen Schwanz geschaffen sein muss, damit man ihn da rein stecken kann? Hilf mir bitte, diese Formulierung zu verstehen. Vielleicht will Deine frau ja auch was dazu sagen.

  8. Sehr interessanter Talk. Das, was gegen Ende gesagt wurde über die Dekonstruktion der Schöpfungsordnung im Himmel habe ich auch schonmal in einer Diskussion angeführt. Da ging es zwar um Geschlechterrollen und eigentlich um die Frage, ob Gott ein Mann ist. Der, mit dem ich da diskutiert habe, hat aber darauf bestanden, dass das biologische Geschlecht im Himmel nicht aufgehoben wird und unser neuer Körper auch männlich und weiblich ist. Ihm war das extrem wichtig und dass die Frauen im Himmel auch immer noch die zweite Geige spielen.
    Ich habe versucht zu erklären, dass der einzige Grund, warum es männlich und weiblich gibt, die Fortpflanzung ist. Gott wollte, dass sich Menschen vermehren und er hat sich ein kompliziertes System ausgedacht mit Hormonen und Geschlechtsteilen und Sex und Schwangerschaft. Hätte er auch anders machen können, aber es wird wohl seine Gründe haben. Wir sind nicht wie Reptilien, die irgendwo ein Ei ablegen und dann kommt der Nachwuchs allein zurecht. Wir sind für Gemeinschaft und Beziehung geschaffen.
    Aber im Himmel denke ich pflanzen wir uns nicht mehr fort. Das wäre ja kompliziert. Das Kind müsste ja dann wieder die Möglichkeit zum Sündenfall haben und dann würde es wieder vom vorne anfangen. Also wozu sollten unsere neuen Körper Geschlechtsteile haben, wozu sollte er noch Spermien produzieren bzw. wozu sollte man noch Eierstöcke haben? Völlig sinnlos. Wenn der neue Körper noch Hormone produzieren würde, dann gäbe es zwangsweise auch noch Sex im Himmel, denn die Hormone fördern ja den Sexualtrieb. Aber dann ohne Ehe und ohnr Kinder. Das ist ja der Horror für Evangelikalien und auch für die kath. Kirche, in der Sex, der nur zur Befriedigung von Lust da ist, ja als Sünde erachtet wird.
    Naja, jedenfalls war das der Person egal, sie meinte, dass da noch mehr dahinter steckt als nur das biologische Geschlecht und derjenige wurde sehr sauer, als ich behauptete, dass der auferstandene Jesus vermutlich kein Mann ist – biologisch. Auch keine Frau. Sondern ein neuer Mensch.
    Aber vielleicht ist das zu kompliziert für manche.

    1. Das ist echt eine schöne Wahl, die Du den Evangelikalen anbietst: Sex um seiner selbst willen oder Geschlechtslosigkeit. Und gerade dann, wenn man sich dazu noch überlegt, dass wir als Christen den Auftrag haben, das schon im Diesseits zu leben… Das Reich Gottes ist ja mitten unter uns…

  9. Klar, manches war lückenhaft, bzw. nicht gleich zu verstehen. Kann aber allen die es interessiert empfehlen sich die Predigten anzuhören…
    Ok, dann muss man 3 Stunden einplanen, aber es lohnt sich auf jeden Fall..

  10. Ihr Lieben, heute habe ich mir die Zeit genommen alle drei Predigten von Jens, die er in seiner Zellgemeinde über das Thema Homosexualität gehalten hat, anzuhören. Ich habe es in dieser Ausführlichkeit noch nie so betrachtet und…….habe am Ende geweint.
    Vielen Dank, dass ihr diesen Mann eingeladen habt! Er hat mir entscheidend geholfen eine Standpunkt zu finden.

  11. Es ist wirklich sehr ermutigend, was ihr da macht! So viele der Dinge, die mich auch schon länger bewegen, Fragen, die ich mir stelle und die ich mit anderen diskutiere, von denen ich manchmal aber das Gefühl habe, sie gehörten für manche in die „Verbotene Zone“, weil das so gar nicht zur Diskussion stehen darf – wirklich wunderbar, euch da zuzuhören!
    Und dabei hat Jens wirklich nochmal ein paar spannende Punkte aufgegriffen. Ich habe in Diskussionen meistens auch mehr mit der Gegenwart argumentiert – dass Menschen nun mal sind, wie sie sind, dass wir Lebenswirklichkeiten akzeptieren müssen und dass ich es schlicht unglaublich unbarmherzig finde, Menschen auszustoßen und ihnen ihre Lebensweise abzusprechen, nur weil sie vermeintlich „anders“ sind. Als Argument den (optimistischen!) Blick in die Zukunft mit hinein zu nehmen, davon zu sprechen, was im Himmel einmal sein wird und zugleich hier und jetzt schon seinen Anfang nimmt und in Beziehungen verwirklicht sein kann, finde ich sehr spannend. Und das ist ja eigentlich auch, zumindest im Sinne des Evangeliums als der frohen Botschaft, zutiefst evangelikal, sollte man meinen. So macht ihr echt Hoffnung!

  12. Ich kann auch nur wärmstens die 3 Predigten empfehlen!
    Sie erklären einiges, was in diesem Talk zu gehetzt und dadurch unklar rüberkam.
    Wichtig finde ich, dass Jens klar sagt, dass seine Denke ein „Zwischenstand“ ist und nicht fertig, also auf keinen Fall eine neue Art Doktrin.
    Den Ausdruck „Dekonstruktion“ der Schöpfungsordnung empfinde ich irgendwie als etwas unangenehm, zumal Jesus ja tatsächlich erstmal das Grundgesunde, was den Menschen, die sich an ihn wenden, verlorengegangen ist, wieder herstellt.
    Das gute, lebendige Vergangene oder Verlorengegangene, wird auch nie weggeworfen, sondern bewahrt und später wieder neu hervorgebracht!
    Und ich denke, dass der Mann am Kreuz neben Jesus tatsächlich mit ihm erstmal „zurück“ ins Paradies gehen darf, aber als Veränderter, einer, der seinen Part erkannt hat.
    Und dann schickt Jesus die Geheilten ja gerne wieter ins „HIN“: „Geh hin und…“
    Es geht also weiter. Ich nehme an, nach dem Baum der Todeserkenntnis ist als nächstes dann wohl der Baum des Lebens dran ; ) Und Jesus hat vorgelebt, was das bedeutet, nämlich Himmel loslassen, hingehen zu den Verlorenen, dienen, Hingabe…
    Von daher kommt nach der Dekonstruktion, die nur ein Teil des Vollendens ist, die Re-Integration und dann das Weitergehen – tiefer hinein, höher hinauf…

    Und eine Sache kam mir noch beim Hören von Jens‘ Predigten und der Haltung von Paulus:
    Es wird in unseren frommen Kreisen ja oft gesagt, nicht das Empfinden, sondern die Praxis sei das Problem. Wichtig sei also für den „homosexuell Empfindenden“, dass er sich enthalte.
    Und dann sagt Paulus, der der Meinung ist, dass eigentlich alle Christen solo bleiben sollten (weil sie in Christus schon dieser neue, himmlische Mensch (der nach Jesus nicht mehr heiratet etc.) und damit vollständig, also „männlichundweiblich-wie-im-Anfang“ sind), dass diejenigen, die es (noch) NICHT SCHAFFEN, SICH ZU ENTHALTEN, lieber heiraten sollen, damit sie ihren Sexualtrieb nicht anderweitig wild ausleben (müssen) und Menschen (und sich selbst) damit schaden. Dazu gibt er quasi seinen Segen.
    Dann würde ich nach all den sehr klaren Argumenten, dass es bei den „Homo-Sex-Bibelstellen“ eben NICHT um homosexuelle Partnerschaften geht, sagen, dass es hier sogar ein recht deutliches Paulus-Argument FÜR die Ehe auch von Schwulen und Lesben gibt… oder?
    Wenn du dich nicht enthalten kannst, dann bitte in gelebter Treue und offengelegter, geklärter, Beziehung. Mit Paulus‘ Segen : )

    Und ein Letztes noch: Jesus macht mit seiner Darlegung, was die Mosaischen Gebote im tieferen Sinne bedeuten, sehr klar, dass diejenigen, die sich bisher auf der „richtigen“ Seite wähnten, weil sie äußerlich das Gesetz nicht gebrochen haben, auf einmal mitten drin sitzen im Schlammassel ; ) Denn wer ist seiner Frau/ihrem Mann denn gedanklich immer treu geblieben?? Und wer hat gedanklich noch nie jemanden umgebracht bzw. verurteilt?
    Darum denke ich, wenn Jesus uns heute das „Homo-Gebot“ aus 3. Mose 18 und 20 tiefergelegt erklären würde, dann säßen (wir) alle, die sich für ach so hetero halten auch plötzlich mitten in dem Dreck, mit dem sie bisher die Schwulen und Lesben beworfen haben.
    Ich denke, es geht um das An-erkennen des inneren (laut Gen.2 weiblichen?!) Menschen und ein Loslassen der Anerkennung durch die äußere (auch fromme!) Welt und das reine Anerkennung dessen, was mir gleich ist, also meiner Denke entspricht.
    Autsch… ; )

    1. Danke Britta, da kann ich dir nur beipflichten.
      Nachdem ich über 20 Jahre meine Homosexualität verdrängt, verleugnet und immer auf Änderung gehofft und für Heilung gebetet habe, begann ich vor über einem Jahr meinen „inneren Menschen“ anzuerkennen. Seither geht es mir viel besser. Die intensive Beschäftigung damit, ob ich vor Gott so sein darf wie ich bin, hat mich im letzten Jahr sehr stark hin- und hergeworfen, aber in der Zwischenzeit sehe ich, dass ich vor Gott so sein darf wie ich bin.
      Das letzte Argument der Gegner: „Gott schuf sie als Mann und Frau“, das immerwieder aus dem Ärmel gezogen wird, kann ich als Argument nicht stehen lassen. Klar, Adam und Eva waren Mann und Frau, aber daraus abzuleiten, dass Homosexualität von Gott verdammt wird, finde ich dann doch an den Haaren herbeigezogen.

      Letztendlich kann man ewig diskutieren und man muss eine Auslegungsentscheidung treffen, wie es Jens gesagt hat. Denn auf beiden Seiten kann man Argumente finden, die wie an den Haaren herbeigezogen wirken und man muss die Gegenpositionen auch mal stehen lassen können. Andernfalls entsteht nur Wut, Hass und Ablehnung, was sicherlich nicht im Sinne Jesu ist.

      1. Ich würde sagen, nicht Adam und Eva waren Mann und Frau, sondern Adam (= der Mensch) war männlichundweiblich in einem (Gen.1, 27), bzw. Mann und Frau, also quasi androgyn. (Sagen wohl auch alte jüdische Ausleger)
        Und da der Mensch (in Gen.2) seinen innern Anteil nicht sehen konnte, wurde der ihm quasi nach außen gespiegelt. Er nennt das, was er da sieht, Ischah – Frau (noch nicht Eva!!) und wird selber zum Mann – Isch.
        Gott selber trennt also das, was im Ursprung zusammengehört, zur Anschauung.
        „Schau, das steckt (auch noch) in dir, lieber Mensch!!
        Das faszinierende ist, dass das Wort „bringen“ – da, wo Gott die fertiggebaute Frau zum Mann bringt – auch hineinbringen bedeutet. D.h., er sieht sie zwar vor Augen (und ist erstmal ganz begeistert ; ), aber gleichzeitig ist sie auch in ihm drin.
        Und wenn man das konsequent weiterdenkt – und ich glaube, „die Bibel“ versucht immer wieder, darauf hinzuweisen – ,dann wird ein Mensch, der sich selbst bzw. sein inneres Wesen erkennt (und sich nicht davon scheidet, sondern es intergiert), fruchtbar. Er selbst wird zu einem neuen, jüngeren Kind seiner Selbst und muss das dann wieder neu leben lernen (erden) .
        Das kann er aber wohl nur durch den heiligen Geist, würde ich sagen.
        Wenn zwei Männer „beieinander liegen“, bedeutet das rein äußerlich gesehen, Unfruchtbarkeit, also den Tod für ihr Fortleben in einem Kind, einer neuen Kreatur mit den Anteilen beider Eltern.
        Nach innen betrachtet hieße das, wenn du nur dein Äußeres/das Äußere an-erkennst, wirst du nach innen hin nicht fruchtbar, stirbst also…
        Dahin zielen übrigens denke ich auch die Endzeitreden Jesu. Spätestens, wenn er wiederkommt, wird dem Menschen sein Inneres bewusst gemacht. Möglicherweise auf eine äußere Art und Weise. Um ihn doch noch fruchtbar zu machen (also im Feigenbaum-Bild gesprochen umzugraben und zu düngen.).

        Eva nennt der Mensch sein Weib(liches) erst, nachdem er mitbekommen hat, dass sie das Leben hervorbringt. (Gen. 3 „denn sie ist die Mutter alles Lebendigen“)
        Und da der Mensch anscheinend Hunger nach Erkenntnis (Gut und Böse) hat, treibt Gott ihn wie ein Hirte dahin, wo’s das gibt.
        Und weil man dort ein dickes Fell braucht, packt Gott seinen Menschen noch warm ein, macht ihm „Röcke“ aus Fell, was den ursprünglichen Menschen noch ein bisschen mehr verbirgt.
        Vielleicht gehört das Geschlecht, das wir in unserer Fell-Haut sind, ja irgendwie zu unserer Lebens-Herausforderung, so ein „Ach, sooo fühlt sich das an, wenn… !“ ?

        1. Britta, du bist die beste Bibelexegetin, die ich kenne. Also insgesamt. Besser als Richard Rohr und Rob Bell und Eugen Drewermann. Mache ich dich verlegen? hoops, ’schuldigung… Nein, ich bin immer so davon beeindruckt, wie du „im Geiste“ bist. Vor allem kannst du immer alles in so klaren, einfachen Worten erklären. Ich neige dann immer schon eher zum Verstiegenen, schwer verständlichen. Aber was ich vor allem irre faszinierend finde, ist, dass du zu ähnlichen Schlüssen kommst wie ich. Wir hatten das ja schon nach der „Höllen“-Folge und dann immer mal wieder festgestellt. Daher bin ich jetzt mal so kackfrech, hier eine ellenlange Facebook-Predigt von mir zu posten. Sie passt ins Thema. Und ich bin mir sicher, sie wird ein Lächeln auf dein Gesicht zaubern. Liebe grüße, Patrick

          Das Männliche und Weibliche in den neutestamentarischen Apokryphen

          In den apokryphen Evangelien finden wir viele Stellen, in denen steht, dass zur Wiederherstellung des göttlichen Zustandes das Männliche und das Weibliche sich (wieder) vereinigen müssen. Auf der Ebene der Sexualität können wir das alle gut nachvollziehen, denke ich. Der Orgasmus führt in einen Zustand von Erlöstheit, Liebe und Geborgenheit (Gott ist Liebe) und, wenn es so läuft, wie „Gott“ es sich gedacht hat, ist Sex sogar ein schöpferischer Akt. Es entsteht ein Neues durch die Vereinigung von Mann und Weib. Das Problem in unserer (gefallenen) Konzeption ist, dass mit dem Neuen dann nicht das Reich Gottes vollendet ist, sondern das Spiel der Dualität aufs Neue beginnt….

          Die Schöpfung des Menschen nach dem Bilde Gottes (als männlich und weiblich, so die korrekte Übersetzung aus dem hebräischen!) ist ein tiefes Geheimnis. Sowohl erschafft Gott den Menschen als Mann und Frau, die sich gegenüberstehen, als auch jeden einzelnen Menschen als Wesen mit männlichen und weiblichen Anteilen. In der Schöpfung sind Männlich und Weiblich voneinander getrennt ,um sich zu erkennen (deutlichst in der Doppeldeutigkeit dieses Wortes gemeint!!! In der Bibel heißt „einander erkennen“ miteinander schlafen. Ich meine hier aber auch die andere, uns Heutigen geläufigere Form von „Erkennen“) Um etwas erkennen zu können, muss ich ihm gegenüberstehen (Subjekt/Objekt). Wenn ich es aber WIRKLICH erkenne, in seiner Ganzheit, also ihm in LIEBE (!!!) GERECHT (!!!) werde, ist es mit der Distanz vorbei und ich vereinige mich mit dem Erkannten, weil ich es jetzt liebe. Denn alles, was man wirklich aus SICH HERAUS versteht, muss man zwangsläufig lieben. (Das „Aus sich heraus“ ist der Blick Gottes) Gott ist nichts menschliches fremd. Denn ER hat es ja geschaffen. Und mehr noch: ER IST DAS GESCHAFFENE! Es ist uns Menschen aufgegeben, unsere Fremdheit, die wir voreinander empfinden, aufzugeben. Jeder Mensch ist ein Puzzleteil, das in meinem Lebenspuzzle noch fehlt. Wenn wir uns gegenseitig erkennen, und dann lieben, puzzelt jeder sein Lebenspuzzle zuende und damit puzzelt sich das große Puzzle des Universums. Es geht darum, seine männlichen und weiblichen Anteile miteinander zu versöhnen. Ver SÖHN en!!! Darum geht es in jedem Individuum. Darum geht es auf der Erde. Darum geht es in der Menschheitsgeschichte. Darum geht es überhaupt. Im Kleinen, wie im Großen. Im Molekül und in der Milchstraße. Bis das Bild nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis wieder so aussieht, wie das Jin-und Jang-Symbol.

          Thomasevangelium, Logion 22:
          Jesus sah kleine (Kinder) ,die gestillt wurden. Er sprach zu seinen Jüngern: „Diese Kleinen, die gestillt werden, gleichen denen, die in
          das Königreich eingehen.“ Sie sprachen zu ihm: „Werden wir denn
          als Kleine in das Königreich eingehen?“ Jesus sprach zu ihnen: „Wenn ihr die zwei zu einem macht und wenn ihr das Innere wie
          das Äußere macht und das Äußere wie das Innere und das Obere wie das Untere, und zwar damit ihr das Männliche und das Weibliche zu
          einem einzigen macht, auf daß das
          Männliche nicht männlich und das Weibliche nicht weiblich sein wird ,wenn ihr Augen macht anstelle eines Auges und eine Hand anstelle einer Hand und einen Fuß anstelle eines Fußes, eine Gestalt anstelle einer Gestalt, dann werdet ihr eingehen in das Königreich.

          1. Yep ; ))
            … und wenn in unserem Hirn alles umarmt und wiedervereint ist und es dann meint, deshalb etwas Besseres als die unverständigen Hirnies zu sein, sie darum meidet und sich lieber unter Seinesgleichen aufhält, also bei dem erlauchten Kreis der inzwischen gefundenen Mitvereinten und ach so Erleuchteten, dann passiert wieder genau das, was Gott in 3. Mose 18 und 20 ablehnt und was wir heute als homosexuelle Praktiken interpretieren… ??

    2. Eine kurze Klarstellung, um weitere Missverständnisse zu reduzieren. Es ist wichtig, zwischen Schöpfung und „Schöpfungsordnung“ zu unterscheiden. Keineswegs geht es darum, die erste Schöpfung als schlecht abzulehnen oder endgültig hinter sich zu lassen. Paulus spricht von Verwandlung in das Neue. Mit meiner kritischen Kommentierung der SchöpfungsORDNUNG meine ich Folgendes: Häufig wird mit der ersten Schöpfung eine Art heilige und ewige Ordnung begründet. In Verlängerung dazu geht es z.B. um Naturrecht. Dahinter steht die Vorstellung, dass Biologisches normativ und unhinterfragbar ist. Mein Punkt ist: Die neue Schöpfung überbietet die alte. Sie vernichtet sie nicht, sondern umschließt und verwandelt sie. Damit wird aber die angeblich unverrückbare Normativität und Absolutheit der ersten Schöpfung relativiert und überboten. Nicht das Alte, sondern das Neue wird zum Referenzpunkt für ethisches Handeln.

      1. Ja, so hatte ich dich auch verstanden.
        Und den Gedanken, dass es nicht auf Null zurückgeht, sondern weiter, finde ich klasse!
        Aber ist doch interessant, dass der Mensch mit dem GUT und dem SHALOM erstmal nix anfangen kann, sondern weiter will.
        Am Ende ist beides wiederum total kostbar geworden, denk ich!

        Vielen Dank für deine Predigten und die Radikale-Reformation-Inputs!
        Sehr bereichernd!!

  13. Ich habe die Predigtreihe gehört, die war sehr interessant. Hat mir in meiner Auseinandersetzung mit dem Thema geholfen, auch wenn ich zu anderen Schlüssen komme. Aber der Talk hier, den fand ich auch ein bisschen wirr. Dem Gast konnte ich ganz gut zuhören, was ich bei den Moderatoren schwierig fand. (Ihr merkt, ich bin das erste Mal dabei…). Ihr zwei, ich hab echt oft gedacht: „Worauf will der jetzt hinaus, jetzt komm mal zum Punkt…“ Ich hab gehört bis zum Schluss, mein Mann ist entnervt „ausgestiegen“ 🙂 Ich hoffe, das versteht ihr als konstruktive Kritik, denn eure Themen an sich finde ich sehr spannend.

  14. Bin erst jetzt durch – vielen Dank! Und, Jens: Am Schluss entdecke ich da Kerngedanken aus deinem damals schon erhellenden EmergentCamp-Vortrag von 2011 zum Christsein als Futur-II-Glaube (http://emergent-deutschland.de/blog/2010/07/30/hoeren-63-jesus-als-rueckspiegel-in-die-zukunft-oder-christsein-als-futur-ii-glaube-jens-stangenberg/). Für mich bleibt das ein ganz relevanter Gedanke: Gott stößt uns nicht aus der Vergangenheit (oder zieht uns gar dorthin zurück), sondern er ruft und lockt uns in die Zukunft …

  15. … und jetzt, ganz am Schluss (OK, eben war ich noch nicht ganz durch …), fällt prompt noch das Adjektiv „proleptisch“! Und Stangenberg reimt sich vielleicht nicht zufällig auf Pannenberg?! 🙂

    1. Hey Daniel,

      ich glaube, Jens hat es beim Denken von der Zukunft her weniger mit Pannenberg als mit Moltmann. Vielleicht täusche ich mich aber.

      Rein praktisch ist Pannenberg jedenfalls nicht der Bezugspunkt, denn der hat 2004 erstaunlicherweise mit konservativen Argumenten gegen die kirchliche Anerkennung von homosexuellen Paaren Stellung bezogen:

      http://www.nbc-pfalz.de/pdf/ethik/pannenberg_beitraege-zur-ethik.pdf

      Und schon 1997 aus Protest gegen die Familienpolitik in Deutschland sein Bundesverdienstkreuz zurückgegeben:

      http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/072/1307221.asc

      Liberal ist halt auch ned bei allem liberal… 😉

      LG, Ina

      1. P.S.
        Danke für Deinen Link zu Jens‘ Emergent-Vortrag, der ist echt gut!

        Für alle, die das Thema, die Zeit anders zu denken, auch interessiert, gibt es auch noch richtig klasse Predigten in der Zellgemeinde dazu.

        Z.B. über Gottes Namen:
        https://www.zellgemeinde-bremen.de/predigt/ich-bin-der-ich-bin-mit-dabei

        Und über die Vollendung/Erfüllung im Messias:
        Gericht 1: https://www.zellgemeinde-bremen.de/predigt/jesus-messias-teil-05
        Gericht 2: https://www.zellgemeinde-bremen.de/predigt/jesus-messias-teil-06

        Danke, Jens, dadurch habe ich ein paar lose Enden in meinen Gedanken für mich selber besser zusammengekriegt! 🙂

        LG, Ina

  16. Warum ist eigentlich die Haltung zu Homosexualität zum Lackmustest für „Bibeltreue“, „Rechtgläubigkeit“, Drinnen und Draußen geworden? Von außen betrachtet, ist das doch vollkommen irre.

    Jens‘ Antwort ist: Es geht um Machtstrukturen. Wenn sich alte „Ordnungen“ verändern, ist das grundsätzlich gefährlich für diejenigen, die in denselben Ordnungen über Macht verfügen – egal, ob man das auf der Ebene einzelner Individuen oder ganzer Diskursformationen betrachtet.

    Ich finde diese Antwort einleuchtend, möchte aber noch eine zweite Idee beisteuern: Es geht im die Logik von Rettung und Erlösung. Diese Logik impliziert immer ein moralisches Gefälle zwischen denen, die „Rettung“ brauchen und denen, die Rettung bringen. Christen können noch so sehr behaupten, sie seien ganz normale kleine Sünderlein. Wenn sie „drinnen“ sind und die rettungsbedürftige „Welt“ dagegen „draußen“, muss es einen moralischen Unterschied zwischen drinnen und draußen geben, sonst hat die ganze „Rettungs“-Mission ihre Legitimation verloren.

    Das heißt: Um die eigene christliche Identität zu konstituieren, muss man erstens Unterschiede zur „Welt“ markieren und diese dann zweitens moralisch aufladen.

    Und wenn wir uns anschauen, was Christen – zumindest konservative – heute noch von der „Welt“ (d.h. der Mehrheitsgesellschaft) unterscheidet, dann ist es eben ganz stark der Familienbegriff und dort wiederum besonders deutlich sichtbar die Haltung zu Homosexualität.

    Wenn die „Rettungs“-Logik aber automatisch zur Ausgrenzung führt, dann ergibt sich der ketzerische Umkehrschluss, dass man dann, wenn man Kirche inklusive denkt, das Konzept von „Erlösung“ ein Stück weit aufgeben müsste.

    Wie seht Ihr das?

    1. Aber zeigt die Notwendigkeit einen Unterschied zur Welt zu konstruieren nicht genau das Gegenteil? Also dass man gerade nicht an Erlösung glaubt (egal wie viel man davon spricht)? Wenn man die Sündigkeit der Welt betonen muss, um die eigene (positive) Identität zu stärken, dann hat man sich gedanklich vom eigenen Sündersein verabschiedet. Wenn man dagegen Teil der Sünder ist, weiß man, dass man Erlösung/ Gnade/ Vergebung braucht. Dann macht es gar keinen Sinn mehr von „draußen“ und „drinnen“ zu sprechen. Will sagen, ich finde eigentlich nicht, dass die Kirche das Konzept von Sünde und Erlösung aufgeben muss. Ernst nehmen müsste sie es.
      LG,
      der Jay

      1. Ja. Das, was Christen ausmachen sollte, ist nicht, dass sie es besser machen als der ganze dreckige Rest, sondern das Bewusstsein, dass sie es nicht besser machen-auch nicht nach der Taufe, auch nicht nach jahrelanger Heiligung. Man kann sich in die richtige Richtung bewegen, aber nicht schon in dieser Weltzeit das Ziel erreichen. Der Punkt, um den es gehen sollte, ist Barmherzigkeit. Aus dem Bewusstsein heraus, selber immer wieder zu fallen, gnädiger mit anderen umzugehen. DAS sollte das Alleinstellungsmerkmal von Christen sein, findet ihr nicht?

      2. Ich probiere es nochmal anders herum.

        Was heißt hier „Erlösung“? Wenn es darum geht, dass wir uns oft unmoralisch verhalten, da unser Lebensstil uns selbst oder Anderen schadet, leuchtet jedem ein, dass sich unser Leben ändern muss. Für diese Einsicht brauche ich aber keinen religiösen Überbau. Wenn das „Erlösung“ meint, ist kein „Erlöser“ nötig. Ungläubige können ihr Leben ebenso ändern.

        Was aber dann ist es, wofür ich „Gnade“ brauche? Doch wieder der strafende Gott?

        Am Beispiel Homosexualität kann man deutlich sehen, wie der christliche Erlösungsdiskurs in eine Krise gerät. Denn wer unter seiner sexuellen Orientierung nicht leidet, muss nicht von ihr erlöst werden. Und auch Anderen verursacht sie kein Leiden.

        Von außen betrachtet klingt das Angebot „Erlösung“ dann wie die Lösung eines Problems, von dem mir gar nicht einleuchtet, dass ich es überhaupt habe. Ein schlechter Werbespot sozusagen…

        1. Ja, das verstehe ich schon. Und bei der Betonung oder dem Herausheben von Einzelsünden ist das Absurde und Uneinleuchtende darin natürlich schön zu polemisieren. Aber ich verstehe immer noch nicht, warum ein Erlöser/ Erlösung damit obsolet sein soll. Wenn man grundsätzlicher ansetzt (und das macht der christliche Glaube an sich ja), also nicht bei bestimmten Taten sondern bei der in-sich-Verkrümmtheit-des-Menschen (wie Luther es nennt), dann stellt sich doch nicht die Frage, ob der Mensch Erlösung (oder wie die orthodoxe Kirche schöner sagt: Heilung) nötig hat, sondern höchstens, ob der christliche Erlöser/ Heiler hält, was er verspricht. Das eine humanistische Weltdeutung ohne Erlösung/ Erlöser auskommt, ist ja klar. Theoretisch zumindest. Denn auch hier stellt sich die Frage, ob die postulierte Veränderbarkeit des Menschen tatsächlich greift. Was gewinnt das Christentum denn, wenn es den Erlöser los wird? Oder geht das vollkommen an dem vorbei, was du sagen wolltest, Florian? Habe das Gefühl, ich stehe ein bisschen auf dem Schlauch…

          LG,
          der Jay

          1. Es geht mir darum zu prüfen, was ich glauben kann / soll. Bei Hossa lernt man ja (zum Glück), mal alles zu hinterfragen. Das tue ich, indem ich den Glaubensinhalt jemandem erkläre, der (noch) nicht daran glaubt und mich frage, ob das, was ich da von mir gebe, zumindest nachvollziehbar klingt. Ich nehme also eine humanistische Perspektive ein, ohne damit selbst schon Humanist werden zu müssen. diese Strategie dürfte Dir als „christlichem Agnostiker“ doch nicht ganz fremd sein, oder?

            Dass der Mensch irgendwie „verkrümmt“ ist (Kant sagt: „aus krummem Holz geschnitzt“), ist ja noch glaubhaft. Mein innerer Atheist fragt jetzt aber: Was macht der denn, der Erlöser? Und woran sehe ich, dass er das macht (also dass er erstens überhaupt irgendwas macht und dass zweitens er es ist, der das macht)?

          2. Fremd ist mir das natürlich nicht. Und jetzt verstehe ich auch besser worum es dir ging, denke ich. Homosexualität bzw. Erlösung war nur das Sprungbrett für die größere Frage, ob es Gott überhaupt gibt. Bzw. ob der christliche Zugang zu dem Thema glaubhaft ist. Sorry, den Gedankensprung vom Konkreten ins Allgemeine hatte ich vorher nicht gekriegt.

            Das Problem mit der Fragestellung ist mE, dass man schon verloren hat, wenn man sie zu beantworten versucht. Der Glaube an Erlösung/ den Erlöser lässt sich ja nicht ohne weiteres beweisen oder Hieb und Stichfest machen. Sprich, ob Jesus die Antwort auf die Verkrümmung des Menschen ist, kann ich nicht logisch beweisen (ich kann es vernünftig herleiten, wenn ich die Axiome christlicher Theologie voraussetze – aber das hat natürlich etwas von einem Zirkelschluss). Und auf der persönlichen/ praktischen Ebene gibt es eben auch keine Schwarz-Weiß/ Vorher-Nachher -Lösung, die so einfach vorzuzeigen wäre, sondern höchstens punktuelle Erlösungs- und oder Vergebungserfahrungen (Sprich, um mal den Exodus als Bild zu bemühen, die Israeliten waren zwar vom Pharao erlöst und befreit, aber noch lange nicht die Freiheit gewöhnt, was man ihrer Wüstenwanderung auch deutlich abspürt). Gottes- oder Erlösungsbeweise aus der Bekehrung ableiten zu wollen, funktioniert also nicht wirklich. Ich halte es hier übrigens mehr mit Richard Rohr, der das Kreuz nicht als Erlösungsmittler sondern als Erlösungsweg deutet. Sprich, die Wahrheit des christlichen Weges, die Wahrheit des Kreuzes, sein Erlösungsvermögen erweist sich erst im gehen des Kreuzesweges.

            Das wird dir natürlich nicht deine intellektuelle Anfrage nehmen/ beantworten, aber ich wüsste auch nicht, wie man das anders als in der persönlichen Erfahrung belegen sollte.

            LG,
            der Jay

          3. Es geht mir ja gar nicht darum, „Erlösung“ zu beweisen, herzuleiten o.ä. Sondern erst mal darum, zu beschreiben / erklären, was das überhaupt sein soll. Warum ich daran glauben soll / kann, ist nochmal eine ganz andere Frage, die wir von mir aus auch offen lassen können. Ich bin erst noch bei der Frage, WAS ich da glaube. Wenn ich schon verloren habe, sobald ich DIESE Frage stelle, wird es leider ziemlich absurd: Alles ist ein dermaßen großes Mysterium, dass ich selbst nicht mal sagen kann, woran ich glaube.

            Zum Thema „Erlösung“ höre ich meistens – in etwa – folgende zwei Erklärungen.

            1) Jesus „erlöst“ uns von der „Schuld“ Gott gegenüber. Gott wird durch das Opfer gnädig und „vergibt“ uns, statt für unsere „Schuld“ zu strafen. Mit dieser Erklärung kaufen wir dann Sühnetheologie, den strafenden Gott, die Hölle usw.

            2) Jesus „erlöst“ uns von uns selbst, er transformiert uns / macht andere Menschen aus uns. Glauben ist damit eine Art humanistisches Weltverbesserungsprojekt mit christlichem Vokabular. Damit sparen wir uns Sühne, Hölle usw., aber eigentlich auch den Erlöser.

            Die Lösung wäre dann

            3) Jesus „erlöst“ uns (irgendwie) von Ängsten, Komplexen, inneren Dämonen usw. – dann hat Erlösung keine unmittelbare Kopplung mehr an die „Moral“ unseres Verhaltens (mittelbar allerdings schon, da ein „geheilter“ Mensch vielleicht auch ein „geheiltes“ Verhalten an den Tag legt).

            Auf diese Version kann man sich vielleicht einigen, Du hast ja dementsprechend auch den Begriff „Heilung“ ins Spiel gebracht.

            Dieser „Erlösungs“-Begriff öffnet sich übrigens ziemlich stark Richtung Interreligiösität (was Manche als Vorteil, andere als Nachteil sehen werden). Denn wenn es letztendlich darum geht, den Menschen zu „heilen“, sind natürlich andere Angebote genauso legitim bzw. attraktiv, sofern sie den Menschen „heilen“, z.B. Meditation o. ä.

          4. Nö.

            Dieses Entweder-Oder an Erlösungsmodellen hilft doch nicht wirklich. Mir jedenfalls nicht. Ich finde alle genannten haben etwas für und gegen sich. Es sind eben immer nur Modelle. Ich würde das Sühneopfermodell zB nicht komplett verwerfen, nur weil es große Unstimmigkeiten und imho einen Rattenschwanz an gefährlichen Ansichten im Gepäck hat. Ich bekämpfe es aufs Messer, wenn mir weiß gemacht werden soll, es sei DIE Deutung des Kreuzestodes. Oder gar die Einzige, die einen rettet oder so ein Quatsch. Aber ich erkenne erst mal an, dass ein Großteil der Christenheit mit dieser Deutung ihren Glauben ausrichtet. Und ich finde mindestens eine Sache kommt in dem Modell richtig vor: dass der Mensch schuldig wird. Das Sühneopfermodell vereinfacht das alles dramatisch (und ob es eine tatsächliche Antwort auf das Problem liefert, ist mir auch fraglich), aber immerhin kommt es vor (In Platz 2 und Platz 3 auf Deiner Hitliste hat der Gedanke keinen Platz, dafür kommen andere wichtige Themen vor). Ich finde es auch unerträglich, dass das gesamte menschliche Dilemma in der Sühneopferperspektive auf Schuld und Sühne reduziert wird, aber deswegen so zu tun, als gäbe es kein Problem mit Boshaftem, Sünde und Schuld, finde ich nicht weniger Oberflächlich. Das nur als Beispiel (weil ich weiß, dass es dich ärgert, wenn ich etwas Gutes am Sühneopfermodell finde 😉 ), genauso hätte ich auch eins der anderen Modelle herausgreifen können.

            Das Neue Testament ist hier mE sehr weise, wenn es die Mehrdeutigkeit des Kreuzes hochhält. Und die Kirche hat es in dieser Hinsicht mal wenigstens dem NT gleichgetan und nie auf einem Konzil oder so DIE Deutung verabschiedet. An der Stelle mal was richtig gemacht, Kirche.

            Naturalismus kann per Se kein Problem im Menschen bzw im Menschsein identifizieren, weil Naturalismus nur mit dem argumentieren kann, was „vor Augen ist“. Radikaler Naturalismus müsste zB Kriege als zur menschlichen Existenz gehörig ansehen, ohne die Möglichkeit diese als etwas Schlechtes bewerten zu können. (Jemand wie Peter Singer scheint mir zB aus dieser Richtung heraus zu argumentieren.) Metaphysische Philosophie, Religion und Spiritualität haben hier andere Instrumentarien zur Verfügung und kommen hier seit jeher zu dem Schluss, dass es ein Problem gibt. Das wird mit Worten wie Entfremdung, Ego, Unfreiheit, Verletzung, Sünde, Unmündigkeit, Angst, Schuld und vielen mehr beschrieben. Luthers in sich verkrümmter Mensch ist so ein Bild, das versucht das Dilemma der menschlichen Existenz greifbar zu machen. Wenn Jesus seine Hörer als getünchte Gräber anspricht, wäre das ein anderes, nicht weniger effektives.

            Die (Er)Lösungsideen sind dann natürlich vielfältig (und mir leuchtet genauso wenig wie dir ein (ich beziehe mich auf dein 3. Modell), dass diese nur weil es keine christlichen Ideen sind, damit automatisch vom Diskurs zu disqualifizieren seien. Ein Teilschritt in eine gesündere Richtung ist immer besser als gar kein Schritt oder gar der in eine kränkere.

            Das Erlösungsangebot des christlichen Glaubens ist die Liebe Gottes. Diese kommt uns am hellsten im Leben, Sterben und auferweckt werden Jesu entgegen. So ungefähr würde ich die christliche Antwort zusammenfassen. Das wäre mein Modell, wenn du so willst. Das ist nicht sehr konkret, schon klar, und für die persönliche Beschäftigung mit den eigenen Dilemmen auch noch etwas arg fleischlos. Aber es ist ja auch nur der Versuch eine Überschrift zu finden. Das Fleisch dazu liefert dann Spiritualität, Theologie und Gemeinschaft.

            Macht das Sinn?

            LG,
            der Jay

          5. Ich schreib mal hier rein, weil es unten keine Möglichkeit mehr gibt.
            Ich finde die Frage nach dem Erlöser und der Erlösung spannend.
            Verwirrenderweise steht nach meiner Laien-Information das hebräische Wort für Erlöser gleichzeitig für Rächer (der, der Einen Mord rächt) …
            Nach einem Erlöser schreien wir dann, wenn wir dringend einen brauchen. Nicht, wenn alles gut läuft! Es sei denn, wir kommen mit unserem inneren „Abgrund“ in Kontakt…
            Wenn der Krebs deinen Körper durchzieht, sehnst du dich nach einem, der dir ein Mittel gibt, der die Krebszellen, aber nicht deinen Körper auflöst, damit du weiter leben kannst. Einen Erlöser.
            Wenn wir als Christen sagen, dass Jesus uns von unserer Schuld er-löst, dann erlöst er uns im Grunde davon, dass wir uns selber in Grund und Boden veruteilen.
            Ich persönlich denke inzwischen, dass die viele Menschen erst am Ende des Lebens/im Sterben bzw. Tod entdecken werden, dass ihre Urteile über „das Böse“ im anderen letztlich auf sie selbst zurückfallen und erkennen dann, dass sie ganz dringend jemanden brauchen, der sie von ihrem knallharten Richtersein oder „Richtgeist“, also von ihrem eigenen Urteil erlöst.
            Darum ist Jesus‘ dringender Rat: „Richtet nicht, denn so, wie ihr urteilt, wird über euch geurteilt werden“ (Matth.7?) Unsere Urteile sind eine sehr ernste Sache…
            In dem Gleichnis von dem Knecht, dem sein großzügiger Herr die Schuld von 10.000 Talenten (umgerechnet ca. 3000 Menschenleben) erlässt; ihn also von der als Konsequenz zur Schuld-Begleichung drohenden, gefühlt ewigen Zwangsarbeit erlöst), geht es erstmal um die Erlösung von möglicherweise bisher unerkannter, versehentlich angesammelter Schuld (vgl. 3.Mose 4). Was für eine Erleichterung bzw. Erlösung für diesen Menschen!!!
            Dass er sich das Veruteilen seines ihm 100 Denar (100 Tage-Löhne) schuldenden Mitmenschen danach immer noch nicht abgewöhnen kann, ist traurig… Da muss er dann eine Runde am eigenen Leib fühlen, wie sich sein Urteil anfühlt – hoffen wir, dass es auf 100 Tage begrenzt und er dann wiederum erlöst wurde…
            Dass wir oft nicht so schnell von unserem Leid erlöst werden, erleben wir im eigenen Leben, aber auch bei anderen oft als sehr schmerzhaft.
            Das kann einen schon daran zweifeln lassen, dass es einen lebendigen Erlöser gibt…
            Beim Volk Israel in Ägypten dauerte es für viele wohl auch bis zum Lebensende, bevor der Auszug aus dem Leid und der Unterdrückung Wirklichkeit wurde, obwohl Gott den Schrei sofort gehört hat…
            Warum so lange???
            Darauf gibt es wohl keine Antwort, die den, der gerade mitten im Schmerz steckt, befriedigt … = ( Und dass uns das nicht kalt lässt, sondern uns mit Gott ums Leben ringen lässt, spricht für uns, würde ich sagen ; )

          6. Irgendwie reden wir da etwas aneinander vorbei.

            Klar sind Modelle eben „nur“ Modelle. Aber wie beim Autofahren nehme ich doch das Modell, das am meisten kann und dabei am wenigsten kostet. Und da steht das Sühneopfer als Erklärung für „Erlösung“ nun mal bisher eher schlecht da. Zumal die anderen zwei Modelle ja ebenfalls ausdrücklich zulassen, dass der Mensch grundlegende Verhaltens“störungen“ mitbringt. Auch sie haben ja ein „Problem mit dem Boshaften“. Da ist es doch normal, wenn ich sage, dass mich die anderen Modelle erst mal mehr überzeugen.

            Ich verstehe Deine Argumentation da auch gar nicht richtig. Ich bin doch nicht „gegen“ andere Christen, nur weil ich eine andere Auffassung habe als sie. Außerdem ist die Sühnetheologie ja nicht eine Erklärung der sündhaften Natur, sondern eine Antwort auf sie. Und dass ein PROBLEM real ist, spricht noch nicht dafür, dass eine bestimmte ANTWORT (wie die Sühnetheologie) Sinn macht (Bsp.: Trump, „Border Wall“).

            Was Du über Naturalismus schreibst, ist mir auch nicht ganz klar. Zunächst mal impliziert keine der drei Varianten notwendig ein naturalistisches Weltbild; Variante 1 schließt es sogar zwingend aus, Variante 3 tendenziell auch.

            Dass im Naturalismus keine moralischen Urteile möglich sind, stimmt so auch nicht. Warum sollte das denn so sein? Auch wenn ich Naturalist wäre, gäbe es für mich „Nutzen“, „Schaden“, „Leben“, „Ursachen“, „Konsequenzen“, „Charaktereigenschaften“, „Mitleid“, „Gesellschaft“, kurz: einen großen Teil des moralischen Arsenals.

            Über Peter Singer wird gerade in christlichen Kreisen alles mögliche an Seltsamkeiten erzählt. Dass für ihn aber Kriege notwendig zum Menschsein gehören sollten, fordert mir nun wirklich SEHR, SEHR viel Phantasie ab. Auf welche Textstelle beziehst Du Dich denn da konkret, Jay? In Schriften wie seiner „Praktischen Ethik“ oder auch „Leben retten“ liest man ja quasi auf jeder Seite das genaue Gegenteil. (Übrigens ist der Naturalismus auch keine notwendige Voraussetzung für seine Ethik. Warum sollte das denn so sein?)

            Insgesamt scheinen wir uns aber – auch was Brittas Kommentar angeht – eher bei Modell 3 einzupendeln…

          7. Ich glaube wirklich, wir reden aneinander vorbei. Sorry, ich verstehe wohl nicht, worum es dir geht.

            Ich verstehe auch nicht recht, wie du meinen Kommentar als Werbung für das Sühneopfermodell verstehen konntest. Habe doch haufenweise Disclaimer eingebaut. Modell 3 überzeugt mich jedenfalls nicht, weil es mir zu oberflächlich ist. Da wird Erlösung zu einer – ich überspitze ein bisschen – „Wellness-Ware“. Als Teilaspekt, gerne. Aber nicht als ein Modell, auf das ich mich einpendeln könnte. Ist mir zu individualistisch. Da bleibt der Anspruch auf der strecke. Das Modell kostet mir tatsächlich zu wenig – also das, was Dich anspricht, halte ich für zu oberflächlich und selbstbezogen. Deswegen plädiere ich ja gerade für GAR KEIN Modell. Meines Erachtens kommt man immer in eine Schieflage, wenn man versucht sich auf eines einzupendeln.

            Aber wie gesagt, ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, worauf Du eigentlich abzielst. Und da meine Kommentare bisher anscheinend alle daneben geschossen haben, bin ich etwas ratlos. Vielleicht bin ich einfach der falsche Gesprächspartner für das Thema (oder schreibe einfach nicht das, was du hören willst 😉 ).

            LG,
            der Jay

            PS Singer hatte ich tatsächlich etwas unglücklich mit Krieg verknüpft. Das war nicht beabsichtigt. wollte ihn nur als Beispiel nennen, für eine naturalistisch orientierte Ethik. So habe ich ihn zumindest bisher verstanden – da ich ihn aber tatsächlich nicht selber gelesen habe, kann es gut sein, dass ich ihm damit Unrecht getan habe. wollte übrigens auch gar kein Naturalismus-Bashing machen. Das war für mich nur die Folie, der ich eine metaphysische Weltdeutung gegenüber gestellt habe. Wozu ich stehe, ist, dass ich naturalistische Ethik, die mit Wertungen arbeitet, nicht mehr als naturalistische Ethik bezeichnen würde.

          8. Ok, dann lassen wir das doch einfach so stehen. Ich fand vieles jetzt doch ganz nützdich und nachdenkenswert. Und hoffe, Dich nicht zu arg angegangen zu haben. (Manchmal bin ich da vielleich etwas offensiv…)

            Liebe Grüße!

          9. Nein, du hast mich nicht zu sehr angegangen. Ich fand nur frustrierend, dass ich anscheinend nicht getroffen Habe, worum es dir geht.

            Der eine Gedanke vielleicht noch zum Schluss, wenn dir Modell 3 hilft, fang doch einfach damit an. Ich wollte es nicht diskreditieren, sondern nur sagen, warum ich es für genauso ergänzungsbedürftig empfinde wie das Sühneopfermodell.

            Aber ein guter Anfang ist es doch allemal. Also, go 4 it.

            LG
            Der Jay

  17. Nochmal zu Florian und den Modellen und unserer menschlichen Tendenz, uns eins auszusuchen oder eins zu machen, von dem wir überzeugt sind, dass es funktioniert:
    Ich muss da irgendwie an den Turmbau zu Babel (1.Mose 11) denken…
    Wir machen uns das Modell, das uns verbindet, an das wir alle glauben, mit dem wir arbeiten wollen/können und es bis zum Himmel schaffen wollen – und uns nebenbei noch einen guten Namen damit machen ; )
    Und Gott kommt sich das angucken, denkt mit einem Lächeln „Hey, ganz meine Geschöpfe! – die Idee an sich ist cool und wert, gestreut zu werden, aber so, dass jeder was anderes darunter versteht, dann wird es bunter ;D! Denn mal ganz ehrlich – Backsteine sind ja schon irgendwie auf Dauer tödlich langweilig, oder?!!“
    Und im bzw. ab dem nächsten Kapitel zeigt er uns dann SEINE Version der Begegnung von Himmel und Erde – und die ist sooooooo viel spannender und bunter und zugewandter und integrierender und … und geht immer noch weiter : ) Und dass wir die alle nicht ganz fassen können, ist doch völlig in Ordnung!
    Wir können ja gerne alle ein bisschen mit Ideen und Modellen rumspinnen, am Ende bleibt aber nur die Hoffnung, dass es einen Gott gibt, der größer und Liebe-voller ist als wir Kleinen, Gläubigen oder Ungläubigen…

    1. Liebe Britta,

      Deine Lesart von Turmbau zu Babel ist wieder mal erfrischend schräg. Ich finde das toll, wie Du das machst, komme selber nie auf solche Ideen. 🙂

      Dass unsere Modelle alle nur begrenzt sind, unterschreibe ich sofort. Ich bin ja auch nicht am Ziel. Zwischen „alles wissen“ und „Gar nichts wissen“ gibt es aber Zwischenstufen, auf denen ich weiter kommen will. Und das Aussortieren von Modellen, die mich nur ganz wenig überzeugen, gehört zu diesem Erkenntnisfortschritt dazu.

      Um an „Erlösung“ zu glauben, muss ich eine zumindest ganz grobe Vorstellung davon haben, was das ist. Sonst kann ich daran ebenso schwer glauben wie an einen „Gruglopnumqu“.

      Wovon „löst“ Dich der „Erlöser“? Du schreibst: Von der Selbst-Verurteilung. Geht es also um einen inneren Heilungsprozess und um Selbst-Annahme?

      1. Ja, das sehe ich auch so, dass du natürlich lernen und betrachten und abwägen und entscheiden darfst und musst. Jeder so, wie er/sie es kann.
        Ich kann mir Theologien, Modelle usw. recht schwer aneignen, merken oder gar wiedergeben… Mir hilft das/mein Leben, meine Erfahrungen, Bilder, etc., um z.B. etwas Inneres in mir wiederzuerkennen und ansatzweise benennen zu können. Vieles davon erinnert mich dann an Dinge, die Jesus über das Reich Gottes gesagt hat (und auch Anfänge der Bibel und die Geschichte Gottes mit dem Volk, das aus Abraham hervorging), weshalb ich vermute, dass das eine mit dem anderen was zu tun haben könnte.
        Und was wir sehen, erkennen und benennen, wird denk ich automatisch auch Auswirkungen auf unser Leben haben.
        Und dann kann es sein, dass meine Urteile, die ich aufgrund meiner „erworbenen“ Meinung fälle, irgendwann auf mich zurückfallen, dass ich entdecke, dass das, was ich als Wahrheit erkannt habe, auch Missverständnisse beinhaltet, die Konsequenzen für andere und auch für mich selber mit sich gebracht haben.
        Solange ich Wale als etwas Böses oder Unnützes beurteile, werde ich entsprechend verachtend mit ihnen umgehen. Und das ist in allen Bereichen des Lebens möglich.
        Wenn Unordnung nicht sein darf in meinem Leben, werde ich immer mit der Peitsche hinter mir und anderen her sein, um die Ordnung voranzutreiben, die mir vorschwebt. Und am Ende einen Haufen Verletzte und Ausgebrannte hinter mir liegenlassen, inclusive eines Teils meiner selbst.
        Da, wo ich vielleicht zu Beginn um Erlösung von der bösen Unordnung gebetet habe, brauche ich nun einen Retter, der die Toten wieder auferstehen lassen kann, die ich im Keller habe…
        Hier sind ein paar interessante AT-Stellen, in denen Erlösung vorkommt:
        https://www.bibelkommentare.de/index.php?page=studybible&strong=H1350
        Hiob weiß, dass sein Erlöser lebt und sehnt sich dennoch irgendwie den Tod herbei.
        Und dann bläst ihm der mysteriöse Elihu den Marsch, dass es eben genau darum in seinem Krisen-Sturm nicht geht, dass er sterben soll, sondern dass er vom Tod abgehalten (erlöst?) wird. Und das Opfer und die Fürbitte für seine Freunde, die seinen bisherigen Glauben vertreten/symbolisieren, erlösen wiederum diese von ihrem Urteil über Hiob.
        Wenn ich Luftnot habe, möchte ich davon erlöst werden, wenn ich verhungere, vom Hungertod.
        Interessant wäre es mal, die Geschichte vom verlorenen Sohn unter der Frage, wer will/muss wann wovon erlöst werden?
        In meinem Fall geht es wohl gerade um den inneren Heilungsprozess und die Selbst-Annahme; um eine Lösung von der ursprünglichen Lösung, die ich mir als Kind – u.a. aufgrund von Missverständnissen – „gebaut“ habe. Das ursprünglich erworbene nun aber nicht wieder als böse oder falsch abzutun, sondern es zu würdigen und zu integrieren, erlöst oder verwandelt das Unglück am Ende sogar in ein Stück Heil(sgeschichte). Dass wir selber am Erlösungs-Prozess teinehmen dürfen, schließt Jesus als den Erlöser für mich nicht aus, zumal ich wahrscheinlich nicht immer in der Lage sein werde, aktiv zu sein.
        Der zusammengeschlagene Mann, der halbtot vom barmherzigen Samariter aufgefunden und vom Tod errettet wird, ist für mich ein super Beispiel dafür!
        Er kann nichts zu seiner Rettung/Erlösung beitragen und in diesem Zustand auch nichts weitergeben. Erst, wenn er ganz wieder bei Kräften ist, wird er ebenfalls zu einem Menschen werden können, der sich über andere in ihrem Elend erbarmt.
        D.h. Praktisch, dass viele vielleicht erst nach ihrem Sterben und Errettetwerden zu einem Nächsten werden können, der ein nacktes Herz hat und nicht mehr religiös verurteilt, sondern sich ebenso erlösend hingibt, wie der, der ihm in solcher Liebe begegnet ist.
        Ungefähr klar, was ich meine? …

  18. Spannender Talk, vielen Dank ihr drei. Finde es immer wieder erfrischend, euch zu hören, und mag die neuen Denkansätze, die immer wieder präsentiert werden!

    Ich fand dieses Mal vor allem Jens‘ Ansatz, von der Zukunft her zu denken spannend, und hätte es da wirklich toll gefunden, wenn er das noch mehr entpackt hätte … gerade weil das einzige Beispiel dafür, also die Anwendung aufs Thema Homosexualität, in meinen Augen dann ziemlich wackelig war: Wenn er am Anfang argumentiert, dass es sowieso „nur“ fünf Stellen sind, die sich in Richtung „gegen ausgelebte Homosexualität“ interpretieren lassen (wie er sagt, nicht zwingenderweise, aber doch möglich – wenn ich ihn da richtig verstanden habe), dann wird es schwierig, sein Argument mit der Vorstellung vom Himmel und dem Weder-Mann-noch-Frau-und-auch-keine-Kleinfamilie-Sein ernst zu nehmen, weil das ja nur von einer einzigen (und in meinen Augen noch unklareren) Bibelstelle abgeleitet ist. Darauf jetzt eine Theologie (oder auch nur die Haltung zu einer bestimmten Thematik) aufzubauen, kann man dann auch nicht so richtig ernst nehmen. Deshalb – wie gesagt: Vielleicht ladet ihr ihn noch mal ein, um dieses Von-der-Zukunft-her-Denken mal noch mal genauer unter die Lupe zu nehmen, weil da glaube ich super viel Potential drin steckt!

    Das bringt mich aber zu meinem Hauptpunkt, bei der Folge, wie auch bei einigen anderen: Jens und viele andere progressive Denkerinnen und Denker sprechen immer wieder davon, dass die „konservative“ Haltung oft mit Machtausübung verbunden ist, dass es „Leuten“ darum geht, nicht die Kontrolle zu verlieren, dass alternative Denkmodelle unterdrückt und unterbunden werden. Dem stimme ich erst mal zu, frage mich da immer auch, ob wir da nicht genauso einen massiven blinden Fleck haben. Oder anders gefragt: Wie offen sind wir denn für alternative Denkmodelle – das heißt als progressiv-denkende Menschen eben dafür, dass jemand die konservative Haltung einnimmt? Wenn man einfach mal den Tonfall bei Worthaus oder teilweise auch bei euch als Maßstab nimmt, dann sehe ich da oft keinen Unterschied zur Rhetorik der konservativen Riege. Auf beiden Seiten wird den anderen vorgeworfen, dass sie vom Glauben abgefallen sind, dass sie gefährlich sind für die Christenheit, dass sie die Bibel missbrauchen, etc. Was nichts anderes heißt, als dass es nur eine Frage der (Macht-)Position ist: Sobald in Gemeinden, Bewegungen, Strömungen „progressive“ Leute das Sagen haben, werden wir das gleiche machen, und es wird den konservativ-denkenden Leuten genauso gehen wie den progressiv-denkenden jetzt … sie werden unterdrückt und ausgeschlossen – und was haben wir dann gewonnen?

    Ich verstehe, dass es euer Anliegen ist, Freiheit zu erkämpfen und enge Denkmuster und Strukturen zu durchbrechen, und ich schätze das unglaublich und finde das extrem wichtig. Ich versuche nur schon mal 20 Jahre weiter zu denken und frage mich, ob wir nicht mit genau dem Gleichen in grün enden: Angenommen, der liberale Strom (ich finde diese Labels furchtbar, aber da muss ich jetzt durch ;-)) in Evangelikalien setzt sich durch … dann freuen wir uns alle, weil jetzt „unsere“ Sicht vorherrschend und damit „an der Macht“ ist. Aber letztendlich hat sich einfach nur das Macht-Gefüge verschoben, das Problem der Macht-Ausübung und -Ausgrenzung ist bestehen geblieben … nur dass wir das dann ja für die „gerechte“ Sache machen, sagen wir uns. Aber haben sich das die konservativen Leute nicht auch gesagt?

    Oder noch ein bisschen provokanter formuliert: Die Pharisäer haben sich darüber definiert, dass sie Gott besonders nahe waren, weil sie seine Gebote so gut gehalten haben – und haben auf die herabgeschaut, die das eben nicht so toll machten wie sie. Sie waren drin, und die draußen. Dass sich das super auf viele evangelikale Gemeinden übertragen lässt, klar – da ist ja oft die gleiche Dynamik: Wir sind die Bibeltreuen, ihr nicht, also sind wir drin und ihr draußen. Ich denke aber, als progressiv-denkende Christinnen und Christen müssen wir aufpassen, dass wir nicht letztlich genau das gleiche machen und sagen: Eigentlich sind WIR besonders nahe an Gott, weil wir so offen und liebevoll sind und keine großen Dogmen mehr formulieren, sondern jeden machen lassen, was er will – und damit sind wir drin, und die engstirnigen draußen. Und plötzlich sind wir die Pharisäer in der Geschichte, Jesus hängt mit den Konservativen ab und wir müssen uns mächtig über ihn aufregen.

    Will heißen: Ich fände es geil, wenn wir nicht nur immer wieder neu Denkansätze öffnen, sondern das gleichzeitig mit einer Wertschätzung für andere Positionen machen … und auch da eben bewusst anders sind als die „anderen“. Damit würden wir glaube ich auch noch mehr Leute tatsächlich gewinnen oder zumindest für unsere Positionen öffnen. Dass das in der Praxis extrem schwierig ist, klar. Aber lasst es uns auf jeden Fall versuchen, oder?

    1. Yep. Super Einwand. Ich sehe das übrigens genau wie Du, weshalb wir mit Leuten aus anderen Spektren der Christenheit auch lieber Gespräche als Streitgespräche führen (die manche Hörer nur allzugerne von uns hätten).
      LG
      Der Jay

    2. In Deiner Anfrage zu Jens‘ Ansatz würde ich sogar noch weiter gehen.

      Es ist ja ehrenwert, den Bibeltext auf Jens‘ Art zu „retten“. Aber warum soll ich das überhaupt tun? Römer 1 nennt Homosexualität anscheinend ziemlich eindeutig eine Konsequenz aus der sündigen Natur des Menschen usw. – und das kann ich mit meinem Gewissen einfach nicht vereinbaren. Das hat nix mit „Zeitgeist“ etc. zu tun, sondern schlicht mit Moral.

      Darum lasse ich den Bibeltext hier einfach stehen. Ich kann damit nix anfangen, Punkt. Das ändert ja nichts daran, dass es viele Bibeltexte gibt, mit denen ich sehr wohl etwas anfangen kann.

      Jens, wenn Du noch mitliest, würde mich mal Deine Sicht interessieren.

    3. Zum Verhältnis konservativ vs. liberal: Ich bin da natürlich auch voreingenommen, sehe das aber etwas anders als Du es beschreibst.

      Zur liberalen Haltung gehört ja gerade, Vielfalt möglichst zuzulassen und möglichst wenig Macht auszuüben (vereinfacht gesagt). Wie sieht denn die liberale „Unterdrückung“ dann aus? Werde ich da gezwungen, zu glauben, was ich will? Sprich: Eine wirklich liberale Haltung ist genau die Haltung, vor der niemand Angst haben muss. Intolerant wäre sie nur gegenüber der Intoleranz, sie müsste grundlegende Respekt-Regeln einfordern, damit Vielfalt überhaupt gelebt werden kann.

      Was die Rhetorik angeht, hast Du sicher Recht. Ich finde allerdings, es ist schon ein Unterschied, ob man sagt, eine bestimmte („konservative“) Haltung sei für Christen „gefährlich“ / bringe „Probleme“ etc. oder ob man einer bestimmten („liberalen“) Seite den christlichen Glauben gleich mal rundweg abspricht.

      Davon abgesehen brauchen wir ein gewisses Maß an gesundem Streit, um uns weiter zu entwickeln. Und zum Streit gehört wiederum ein gewisses Maß an rhetorischer Aufladung, sonst kommt nichts in Gang. Gefährlich wird es erst, wenn die Hitze zu sehr steigt und die Kiste anbrennt. Da kann sicher auch die Worthaus-Seite noch dazulernen.

      Gerade bei Hossa beobachte ich da aber eine ganz erfreuliche Entwicklung. Wurde anfangs noch ziemlich ablehnend (und kraftausdruckbewehrt) über „die“ geredet, wird die „Gegenseite“ inzwischen eher zu einem „Gegenüber“, das auch selbst zu Wort kommt, z.B. neulich Johannes Hartl. Diese Streitgespräche im Talkshow-Format bringen zwar mehr Emotion, aber letztlich doch weniger Lösung, findest Du nicht?

  19. Danke Jay und Florian für eure Antworten. Und um das gleich erst mal vorweg zu nehmen: Ich bin ganz eurer Meinung, dass Hossa auf dem Auge nicht blind ist. Im Gegenteil: Ich höre von Jay und Gofi dazu immer wieder auch selbstkritische Kommentare (nach dem Motto: Tragen wir zur Einheit oder zur Spaltung bei?) und die Betonung darauf, in den „konservativen“ Stimmen Gegenüber und Geschwister zu sehen. Finde ich großartig!

    Und ich bin auch ganz bei Dir, Florian, dass wir ein gewisses Maß an gesundem Streit brauchen. Rhetorische Aufladung ist aber etwas anderes als Brand- und Wutreden. Und selbst die sind manchmal ja angebracht – aber wenn es dann zu der von mir beschriebenen (eben gerne auch geistlichen) Arroganz kommt, wird die Sache schwierig. Und man ist seinen „Feinden“ auf einmal viel ähnlicher als gedacht.

    Zur liberalen Unterdrückung würde ich einfach mal zwei Artikel empfehlen, die die Dynamik ziemlich gut auf den Punkt bringen: „A Confession of Liberal Tolerance“ (http://www.nytimes.com/2016/05/08/opinion/sunday/a-confession-of-liberal-intolerance.html) und der Folge-Artikel „The Liberal Blind Spot“ (https://www.nytimes.com/2016/05/29/opinion/sunday/the-liberal-blind-spot.html). Hier wird eine Dynamik an amerikanischen Unis beschrieben, die sich als Vorreiter der liberalen Haltung verstehen, aber gleichzeitig keine konservativen Professoren mehr dulden.

    Ähnliches passiert im schönen Ami-Land auch im christlichen Sektor: Tim Keller, Pastor in NYC, Presbyterianer (und damit ziemlich konservativ, auch schon in Frauenfrage, und natürlich in Homosexualität, etc.), aber gleichzeitig ziemlich brillanter Intellektueller, der gerade auf der Apologetik-Ebene viele Säkulare New Yorker neu anspricht und erreicht, hätte von seiner Alma Mater, der Princeton University, letztes Jahr einen Preis für dieses Lebenswerk bekommen sollen. Das wurde dann aber vom Studenten- und Lehrkörper verhindert, weil man einem solchen Typen, der (in ihren Augen) alle christlichen Werte der Toleranz und Nächstenliebe untergräbt, doch keine Plattform geben dürfe. Was in meinen Augen eben genau das gleiche Prinzip ist, wie bei Tony Campolo, bei dem am Tag nach seiner Bekanntmachung, nun doch die Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe zu unterstützen gefühlt 90% der Vortrags-/ Predigt-Anfragen zurück gezogen wurden …

    Und genau das meinte ich eben in meinem ersten Beitrag: Jens argumentiert, das die „konservativen“ Leute alle Angst hätten vor dem Kontrollverlust, und dass die alternativen Stimmen per Machtausübung unterdrückt würden (womit er ja auch Recht hat). Nur dass mein Eindruck ist, dass das nicht daran liegt, dass die Leute konservativ sind … sondern wir das Umgekehrte genauso erleben, sobald „liberale“ Leute an der Macht sind: denn dann ist alles okay, nur nicht enger zu denken. Das Problem ist letztendlich ein Herzensproblem, oder nicht? Wir wollen uns einfach versichern, dass wir auf der Seite der „Guten“ sind – und damit müssen wir die anderen verurteilen …

  20. Gute Folge, spannende Sichtweisen, ich frage mich, wie stark dieser ganze Konflikt zwischen konservativen und liberalen Sichtweisen mit der Dichotomie von Endzeit und Anfangszeit zusammenhängt. Gehe ich also davon aus, am Ende der alten Zeit zu leben, für die moralischer Verfall vorausgesagt ist, dann steht jeder neue Gedanke zunächst einmal im Verdacht, Teil des moralischen Verfalls zu sein. Gehe ich dagegen davon aus, am Anfang einer neuen Zeit zu leben, dann werde ich im Rahmen dieser dynamischen Neuordnung der Dinge neuen Gedanken viel aufgeschlossener gegenüberstehen. Interessant bei alledem finde ich, dass viele Pharisäer von damals und viele Evangelikale von heute die (teilweise berechtigte) Angst eint, etwas falsch zu machen. D.h. die Pharisäer glaubten (so der Theologe Tom Wright), dass das baldige Erscheinen des Messias von der Gesetzestreue Israels abhängt. Je moralischer sich also Israel verhält, desto schneller kommt der Messias. Heute ist es dagegen genau andersherum: Je unmoralischer sich die „Welt“ verhält, desto näher ist die Wiederkunft, was dann vermutlich mit einer Angst vor der Welt und damit zusammenhängend der Angst vor moralischem Parallelismus einhergeht.

  21. Marcus Hübner

    Lieber Jens,
    lieber Gofi und lieber Jay,

    das war nun wirklich eine Folge von euch, die mich zum Denken angeregt hat. Ich finde Jens‘ Argument, das er am Ende darlegt, elegant und schlank und wirklich faszinierend.
    Mich wundert aber, ob dieses Argument der „De-Konstruktion der Schöpfungsordnung“ an dieser Jesus-Stelle tatsächlich stichhaltig ist. Vor allem, wenn man christliche Ethik im Blick auf die Zukunft/Apokalyptik denken will.
    Und sollte hier in den mehreren 100 Seiten Kommentaren schon etwas dazu stehen, verweist mich gerne darauf. Ich Habe ca eine halbe Stunde herumgelesen in den Kommentaren, aber nicht systematisch: alles lesen habe ich nicht geschafft.

    Hier ist mein Punkt: In dem Streitgespräch zw Jesus und den Sadduzäern geht es mitunter ja um den Vollzug der Ehe – um Sex, wenn ihr so wollt – denn gerade das war ja das Ziel der Leviratsehe. Und Sex hat, auch gerade im Kontext der Jesuanischen Eheethik, gerade das Ziel „fruchtbar“ zu sein und sich zu „mehren“. — Jesus trifft also in Mk 12,25 par. nicht eigentlich eine Aussage über die Binarität der Geschlechter (die dann mitunter aufgehoben werden würde, wie ihr sagt), sondern über das konstituierende Element der Ehe. Anders ausgedrückt: Wir werden in der Ewigkeit keinen Sex mehr haben. Das sagt noch nichts über die Doppelpoligkeit der Geschlechter aus.
    Mir scheint das sogar gefährlich zu sein, diese Aussage auf die Geschlechter zu beziehen, gerade wegen des direkten Bezugs auf die Engel, die in der Bibel durchgängig als männlich dargestellt werden. Und dass aus den Frauen in der Ewigkeit ein „Mann“ werden soll – wie es das GThom sagt – scheint mir in eine ganz üble Richtung zu gehen?

    Würde mich freue dazu eure – auch gerne Jensens – Gedanken zu hören.

    Liebe Grüße aus Flensburg,
    Marcus

    1. Lieber Marcus,
      jetzt endlich – ein bisschen zeitverzögert 😉 – eine Reaktion von mir. Danke für deine konstruktiv-kritischen Rückfragen.

      Mit meinen Ausführungen versuche ich, einen Denkhorizont zu öffnen, der meines Erachtens häufig übersehen wird. Wie es aussieht sogar in vielen Kommentaren, wie du schreibst.

      Bei dem Denkhorizont geht es um Folgendes:
      Wenn Jesus sich rückbezieht auf die Schöpfungsordnung dann im Kontrast zum Mose-Gesetz. Meint aus meiner Sicht: Er diskutiert mit den Schriftgelehrten innerhalb der Schrift, die sie vorligen hatten. Dieser Rückbezug bedeutet aus meiner Sicht nicht, dass die Schöpfungsordnung grundsätzlich unantastbar ist.

      Im Gegenteil: Die Messianische Ethik denkt meines Erachtens von Ende/ der Vollendung her. All das, was wir tun und lassen, geschieht im Licht des Kommenden. Wir üben schon jetzt so zu handeln, wie wir in Gottes Augen bereits sind.

      Die Schwierigkeit besteht darin, aus dem Kommenden heraus konkrete Handlungsmaximen abzuleiten, weil das Kommende noch so wenig Konturen hat. Da läuft man natürlich Gefahr, sich zu verspekulieren. Mir scheint die Denkrichtung aber richtig zu sein.

      Man könnte das Beispiel „Familie“ bringen. Jesus dekonstruiert die biologische Familie und erweitert sie in Hinblick auf eine Gemeinschaft im Reich Gottes. Auch für Gottes Familie lässt sich natürlich der Begriff „Familie“ verwenden. Er ist aber anders gefüllt, als wir diesen Begriff normalerweise verwenden. Man müsste wohl eher von einer „in Bezug auf Menschen: hierarchiefreien, offenen, messianischen Willkommens-Tischgemeinschaft“ reden.

      Zur Eheordnung:
      Wenn du davon ausgehst, dass Engel männlich sind, dann funktioniert Mk.12,25 wirklich nicht als Hinweis auf Geschlechtsneutralität im Himmel. Und dann geht es bei dem Hinweis von Jesus tatsächlich nur um das „Nicht-mehr-Heiraten-um-der-Fruchtbarkeit“ im Himmel. Sicherlich kann man das so direkt auslegen und wäre damit dicht an der Bibel dran.

      Meine Fragen sind grundsätzlicher:
      Ist es nicht auffällig, dass bei Jesu Menschwerdung nirgends betont wird, dass er Mann ist? Es geht um den Menschen. In unserer Welt aber muss sich die Menschwerdung immer in einer konkreten Geschlechtlichkeit abbilden. Ebenso ist es bei Engelerscheinungen. Wenn Engel in männlicher Gestalt erscheinen, heißt das für mich nicht, dass sie vom Geschlecht her männlich sind. Darüber kann man natürlich unterschiedlicher Meinung sein.

      Fazit: Ich finde den Denkhorizont interessant, alles von der kommenden Zukunft her zu verstehen: Unsere Identität in Christus, unser friedensethisches Verhalten und unseren mitmenschlichen Umgang.
      Aus meiner Sicht hast du Recht, dass sich diese Linie nicht klar genug aus Mk.12,25 ableiten lässt. Für mich passt aber der große Gedankengang in die gesamtbiblische Linie des wiederkommenden Messias und seine auf ihn wartende Gemeinschaft.

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