#115 Das ‚Vater Unser‘: Wenn der Himmel die Erde küsst

Jay erwähnt im Talk dieses Buch (Klick!).

16 Kommentare zu „#115 Das ‚Vater Unser‘: Wenn der Himmel die Erde küsst“

  1. # HoherMaßstab

    Das Vater Unser vermittelt einen immensen ethischen Maßstab, wenn man bedenkt, dass man im Namen der GESAMTEN SCHÖPFUNG spricht und sich damit direkt an die schöpferische Kraft wendet. Im Prinzip ist das Vater Unser damit die Antwort auf die Bergpredigt, die ja revolutionäre Maßstäbe veranschlagt !!!
    Der im Vater Unser sehnsuchtsvoll angestrebte Himmel, das Reich Gottes, wird in der Bergpredigt zuvor ausführlich beschrieben.
    Gerade deshalb scheue ich mich davor, das Vater Unser täglich zu beten. Im Anschluss müsste ich mich sogar verpflichtet fühlen, die Bergpredigt zu lesen, denn folgende Frage drängt sich unweigerlich auf: Wie gehe ich denn gerade mit der Schöpfung, die ich da ins Gebet einschließe, um? Wie gehe ich mit dem Schöpfer um? Wie gehe ich mit mir, mit der eigenen schöpferischen Kraft um?
    Genau aus diesem Grund bietet sich das stille Kämmerlein zu diesem Gebet an: Der Vorzug besteht in der Einsamkeit, die meinen Gedanken Raum lässt. Da ist nicht nur der Mensch auf dem Platz neben mir, nicht
    nur die eigene Gemeinde, nicht nur die Christenheit. Da sind plötzlich Menschen, die ich verabscheue, die Mahlzeit, die ich wieder achtlos verschlungen habe, ein Haustier, das mehr Zuwendung und Aufmerksamkeit gebrauchen könnte – und ich.
    Und ich realisiere, dass mir alle Begebenheiten, alle Lebewesen, denen ich etwas schulde, in Wahrheit selbst mehr gegeben haben könnten, hätte ich sie intensiver wahrgenommen.
    ———————————————————————————————-
    Stillschweigend

    Das tägliche Brot, an meinem Tisch,
    kollidieren Achtsam- und Achtlosigkeit,
    ritualisiert sind Dank und Verschwendung,
    Verachtung, gesellige Einsamkeit.

    Ich reihe mich ein, „Unser Vater“, ins Leben,
    in Schöpferkraft, den Erdkreis, die Welt,
    rede ohne Verstand von „Geben und Nehmen“,
    Bigotterie verspricht nur, was sie hält.

    Ich liebe die Gewohnheit, bis sie zu gewöhnlich wird,
    Gewöhnlichkeit, wenn Hingabe in Abscheu diffundiert.

    Authentisch bete ich, leg‘ mir das Wort nicht in den Mund
    und trotzdem bin ich nur von der Form befreit,
    tue eigene Unfreiheit immer noch kund,
    in Worten, in Taten, im Geschäft wie im Warten,
    in der Einsam- wie auch der Öffentlichkeit,
    stillschweigend verdreht man meine Worte,
    die ich zu flüstern nie war bereit.
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  2. Danke für eure Ideen zum Vater Unser! Ich freu mich schon auf Teil 2 🙂
    Hier noch zwei andere podcasts zum Vater Unser, als kleine Ergänzung und vllt mit bisschen anderen Schwerpunkten:
    https://tischgespraechepodcast.wordpress.com/2018/09/04/folge-33-das-vater-unser-ein-kleiner-glaubenskurs-katechismus-teil-6/

    Was das VaterUnser mit Charakterentwicklung und der Bergpredigt zu tun hat (der Teil über das VaterUnser kommt ziemlich am Schluss erst, ca Minute 22):
    https://movecast.podbean.com/e/mc-64-charakterentwicklung-teil-1-zwischen-gelassenheit-und-engagement/

  3. Vielen Dank für die Folge. Sie hat mir ein paar gute Impulse für meinen Job gegeben. Ich habe ja einen landeskirchlichen Hintergrund und deshalb nie ein Problem mit dem Vater Unser. Als ich in die Freikirchen kam begegnete mir die Sichtweise, dass das Vater Unser ja das Gebet der Landeskirche ist, und deshalb abgelehnt wurde (vielleicht war Jesus ja Landeskirchler).

    Ich bin schon gespannt auf die nächste Folge.

  4. Wunderbar! Ich freue mich über diese tiefgehenden Denkanstöße; das hat mir in der letzten Zeit etwas gefehlt.
    Der Himmel küsst die Erde, ja, diese Hoffnung gibt uns das Vater unser; und ja, es reicht nicht allein, zu beten und lobpreisen. Wir sind gefordert, jeden Tag aufs Neue, in Gedanken, Worten und Taten das Reich Gottes hier auf der Erde möglich zu machen, in dem wir Christen sind, unseren Freunden gegenüber (nicht sehr schwer), unseren Mitmenschen aber auch denen gegenüber, die es nicht gut mit uns meinen, denen, die aus dem Blickwinkel der Gesellschaft verschwunden sind, weil sie „anders“ sind, unseren „Feinden“ und denen, die uns oder unserer Familie Schlimmes angetan haben (das ist schon gar nicht mehr so einfach). Was Christ sein bedeutet, steht ja überall im neuen Testament, da kann man sich die Bergpredigt anschauen, oder sich die berühmte Frage stellen „Was würde Jesus tun?“ Und ja, da müssen wir unsere individuellen Wünsche und Begehren mal zurückstellen und immer wieder überlegen, ist das in Gottes Sinne für einen Himmel auf dieser Erde. Das ist oft ganz schön schwierig und herausfordernd. Denn das bedeutet auch, dass ich mich zurücknehme, dass ich mir den Spiegel vorhalte und mich frage, was habe ich heute getan, um diese Welt „himmlischer“ zu machen und was kann ich noch besser machen, morgen. Was für ein kraftvolles Gebet!
    Aber, Jay und Gofi, was ist mit dem Satz „Dein Wille geschehe“? Den habt ihr einfach übersprungen! Ich finde, das ist einer der elementarsten Sätze im ganzen Gebet. Der schwierigste sowieso. „Dein Wille geschehe“ das anzunehmen und zu leben und auch, sich damit abzufinden. Das ist so verdammt schwer, wenn dein Freund an Krebs erkrankt, wenn bei deinem Kind eine unheilbare Krankheit diagnostiziert wird, wenn ein Familienmitglied auf der Intensivstation liegt, wenn unzählige unschuldige Menschen sterben…. das ist für viele von uns ja schon verdammt schwer, wenn wir den lang geplanten Urlaub, auf den wir uns seit Monaten freuen, nicht antreten können, weil jemand krank geworden ist, und wir uns fragen „Warum?“ „Warum ich?“ In unserem Leben, das wir so gerne durchplanen und versuchen, alles unter Kontrolle zu haben, zu akzeptieren, dass wir gar nichts in der Hand haben, dass Gottes Wille geschehe, und es an uns ist, das anzunehmen wie es ist und dabei weiter auf Gott vertrauen, dass er es richtet, dass er uns die Kraft gibt, das durchzustehen. „Dein Wille geschehe“, ist das nicht so ein kraftvoller und wichtiger Satz in dem Gebet? Und wie interpretiert ihr ihn?

    1. Hallo,

      es wurde ja viel über „dein Reich komme“ gesprochen, und „dein Wille geschehe“ ist da sehr nah dran. Ich stelle mal die etwas provozierende Frage: Warum wird „dein Wille geschehe“ nur oder fast ausschließlich auf das Schwere und Leidvolle bezogen? Der Vers kann auch positiv verstanden werden.

      Grüße Daniel

    2. Wobei “ dein Wille geschehe“ nicht unbedingt Personal menschlich gemeint sein muss.
      Da pressen wir Gott wieder in unsere Vorstellung von ihm. Das könnte ja auch universal für die gesamte Menschheit gemeint sein und nicht warum hat er/hat er nicht..
      Gruß
      Ein Mensch der Menschheit

    3. Ich denke, dass wir gelernt haben, „Dein Wille geschehe“ so zu verstehen, wie es Jesus im Garten Gethsemane betet: „Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe“, also tatsächlich auf Leid bezogen, das wir eigentlich nicht möchten, das aber Gott aus irgendwelchen Gründen doch für richtig hält.
      Aber vielleicht sollten wir das wirklich nicht unbedingt individuell auf unsere perönliche Situation bezogen verstehen.
      Ich glaube nicht, dass es Gottes Wille ist, wenn Menschen schwer krank werden und Kinder sterben. Ich finde es tatsächlich einleuchtender, „Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden“ als Ganzes zu nehmen und ähnlich zu begreifen wie „dein Reich komme“. Dann ist es plötzlich nicht mehr das demütige Annehmen von Unabänderlichem, sondern eine hoffnungsvolle Hinwendung an den Vater, dessen Wille für uns und diese Welt etwas Himmlisches ist!

    1. Die deutschen Methodisten haben sich dagegen entschlossen und gehen den Weg unterschiedliche Meinungen auszuhalten.
      https://www.emk.de/meldungen-2019/das-ringen-um-einen-weg-zur-bewahrung-der-einheit/
      Alles was dort passiert, ist meiner Meinung nach Ausdruck einer tieferen Spaltung.
      Bei einem Anstimmungsergebniss 56:44 kann ja wohl nicht von einem einstimmigen Beschluss gesprochen werden.
      Es macht mich traurig, wenn 2018 Fragen derIdentität eine so große Rolle spielen,
      die für einige betroffene lebensbedrohliche Konsequenzen haben( Todesstrafe für LGBT in Uganda!)
      Deswgen ist es gut, dass sich auch die deutsche Methodisten Kirche dagegen positioniert.

  5. Hey, Pinchas Lapide (und seine Frau) sind Favoriten von mir. Kenn ich ursprünglich von Bibel TV (Die Ruth) Ich meld mich hier mal nach langer Hossaferne zurück! Lag nicht an Hossa, sondern einfach an meiner Lebenssituation! Schreib später sicher noch mehr. Alles Liebe von Patrick Rabe

  6. Das war bereichernd euch zu zuhören! Danke! Hilft mir echt wieder einen Zugang zu finden zu Manchem, was ich in letzter Zeit nicht mehr aus der „Ich fühl mich damit nicht wohl.*würg*“-Schublade nicht mehr herausbekommen habe. Und hat mich stark erinnert, an mein eigenes umformuliertes Vater Unser:

    https://kleineperleblog.wordpress.com/2017/07/04/altes-gebet-neu-vertont/

    Wie findet ihr das?
    Ich bete das tatsächlich manchmal so, für mich im Kämmerlein ;-), um zu verstehen, was es meint.

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