#44 Ethik: Gilt für alle Gläubigen dasselbe? (Live-Talk!)

13 Kommentare zu „#44 Ethik: Gilt für alle Gläubigen dasselbe? (Live-Talk!)“

  1. Lieber Gofi, lieber Jay,
    es macht mir große Freude eure -ausgesprochenen- Gedanken zu hören und zu bedenken. Das Thema hat mich nun schon fast 60 Jahre begleitet, als Kind sicher anders als im weiteren Leben. Bei eurem heutigen Talk kam für mich das Beste zum Schluss! Jay, dein begeistertes Plädoyer für ein weiches, weites und sanftes Herz war so authentisch. Und deine Gedanken zum Gericht Gottes sind so gut!!! – Vielleicht kann man deine Meinung nur dann nachvollziehen, wenn man erlebt hat, wie krank uns die Angst vor Gott machen kann. Ja, auch mir geht es um ein weiches, weites Herz und das Vertrauen zu einem liebenden Gott. Ausgrenzung hat dort keinen Platz mehr. Gott liebt und hält mich – „egal wie viele Punkte ich gesammelt habe-„und das bringt Freiheit.
    Auf jeden neuen Talk warte ich mit Spannung!
    Genießt das Leben ! Lore

  2. Der Höhepunkt des Talks war für mich in den Rückfragen, als ihr über Eure Eigenen Kämpfe, Fragen gesprochen habt. Das war soooo stark und bringt mich zu der neuen Regel: (Tusch)
    In ethischen Fragen spricht man am besten zuerst über die eigenen Kämpfe, Zweifel, Fragen. Nicht über die Dinge, die entweder nur andere betreffen oder wo ich eine glasklare Meinung zu habe. Dann wird es nur eine Redeschlacht (Hart aber fair), in der es nur darum geht, das Blut fließt. Wenn ich keine Fragen habe, sollte ich so lange schweigen, bis ich welche habe und lieber das Gemeinsame (Gott anbeten, Abendmahl feiern) suchen.

    1. Norbert, ich stimme dir ganz und gar zu. Vielleicht als Ergänzung hierzu und als Beitrag zu der Frage, wie wir damit umgehen können, dass wir uns in ganz zentralen ethischen Fragen mit begründeten aber unvereinbaren Meinungen gegenüberstehen: Es gibt in den USA ein ganz spannendes Projekt zum Umgang mit mit Abtreibungen. ‚Exhale‘ versteht sich als pro-voice und versucht nicht zu beraten oder zu verändern sondern bildet Menschen aus, sich gegenseitig zuzuhören. Ich glaube, dass wir im gegenseitig zuhören alle nur gewinnen können und sich so vielleicht neue Blickweisen ergeben können…

  3. Boah, so viele interessante Punkte!!
    Hab mir ’n paar Sachen mitgeschrieben, muss ich aber wohl erst nochmal sortieren ; )

    Zu deinem Schlussgedanken schonmal, Gofi: Das Mündigwerden im Glauben und dass wir uns oft in einer Umgebung aufhalten, die uns sagt, was wir zu tun und zu lassen haben – kenn ich so gut! Scheint erstmal Sicherheit zu geben, solange ich mithalten kann. Aber was, wenn ich versage?
    Es wäre ‚mal interessant nachzurechnen, wie alt wir als Christen sind, wenn wir beginnen, eigene Entscheidungen treffen zu wollen und zu können und bereit werden, auch eine gewisse Verantwortung dafür zu übernehmen – wohl wissend, dass wir einen vergebenden Gott an der Seite haben, der uns nicht fallen lässt, wenn wir’s komplett vergeigen.
    Ich würde sagen, bei mir war das irgendwie Anfang 30, als ich Mutter wurde. Da war ich ca. 18 Jahre lang gläubig, wurde also „geistlich langsam erwachsen“? Spannend!
    Von daher finde ich es durchaus legitim, dass wir eine ganze Zeit lang fragen: „Wie soll ich denn leben; wie sind die Regeln?“ – wie ein Kind, dass Regeln braucht, dann aber auch die Grenzen austestet und schaut, ob die Liebe der Eltern hält, wenn es die Regeln bricht, bzw. es nicht schafft, sie einzuhalten.
    Und zum Gericht Gottes:
    Ich glaube, mein Gottesbild entspricht meinem inneren Richter – egal, ob mir der bewusst ist oder unbewusst. Dem begegne ich früher oder später, ich denke, die meisten am Ende des Lebens, wenige früher. Und es kann sein, dass ich unter seiner Knute („wie du andere richtest, so wirst du auch gerichtet werden“, denn du bist in jedem Urteil, das du über andere fällst, auch dein eigener Richter, wie Nathan David im Fall der Ehebruchsgeschichte deutlich macht) so untergehst, dass dir auf einmal bewusst wird, dass du jemanden brauchst, der dich vor deinem eigenen „jüngsten Gericht“ bewahrt! Und das ist Jesus! Er rettet uns vor uns selbst!
    Ich habe lange gebraucht, bis ich den Spruch: „Überlass Jesus dein Jüngstes Gericht!“
    verstanden habe. Jesus kommt nach eigener Aussage nicht, um zu richten, sondern um zu retten, was verloren gegangen ist – also das, was ich selbst verdammt habe!?.
    Sein Kreuz, er selber, schützt mich vor meinen Bumerang-Pfeilen, damit ich darunter, wie durch eine Tür, ins Reich Gottes eintreten kann, um dort von ihm zu lernen, wie ich auch in dieses barmherzige Leben und diese Hingabe hineinwachsen kann.
    Ich denke, was wir wieder predigen dürfen, ist, dass unser Leben durchaus Folgen und Konsquenzen hat. Das merken wir ja schon hier und jetzt.
    Aber wir sind weder hier noch dort endgültig damit alleingelassen! Wenn es schon Menschen gibt, die anderen helfen, nach der Katastrophe, die sie selbst gebaut haben, wieder zurück ins Leben zu finden, wieviel mehr „unser Vater im Himmel“?!
    … womit wir wieder beim verlorenen und wiedergefundenen Sohn wären ; ), der statt donnernder Strafe (die hatte er in Form des Verhungerns und der Erkenntnis, es verbockt zu haben, ja schon hinter sich!) eine unglaublich liebevolle Umarmung des Vaters, ein Festmahl und seine Wiedereinsetzung zum Empfang bekommt – wow!
    Wie es nach den Festtagen weitergegangen ist mit ihm, verrät Jesus uns in der Geschichte ja nicht ; )
    Ich denke, vielleicht hat sich der Sohn nochmal auf den Weg gemacht, um denen Heilung zu bringen, die er bei seiner ersten Reise verletzt und hungernd am Straßengraben liegend hinterlassen hat…(dann nähme er sein Kreuz auf sich)? …mit der fantastischen, rückenstärkenden Gewissheit, dass er ein liebevolles Zuhause hat, in das er am Ende seiner Mission wieder heimkehren darf – wo der Vater wieder voller Ungeduld auf ihn wartet, um ihm dieses Mal dann wohl auch die Hand auf die Schulter zu legen und ihm ein Tränen-strahlendes „Well done, my son!“ zuzuflüstern…
    Ja, Gofi, ich fände das auch schön, und so wäre es, denke ich, auch für dich o.k., Jay, oder?
    Danke für eure Ehrlichkeit und euer schon ganz schön warmes, weiches, weites Herz!!
    Britta

    1. Ich stell mir das Jüngste Gericht eigentlich auch gar nicht wie ein richtiges Gericht vor. Eher wie eine Art Feedback oder Reflektion. Ich hab mal bei einem Seminar über Anti-Aggressions-Trainings mitgemacht und da wurde auch zur Anschauung mit Freiwilligen eine Kurzversion des Heißen Stuhls vorgestellt. So ungefähr. Da bin ich über ein Buch gekommen, was ich mal vor Jahren gelesen hab, da wird auch das Gericht beschrieben und da ging es auch (nur) darum zu sehen, was im Leben war, was im Leben ist und wohin es führen wird, wenn es so weiter geht. Also, um Strafe ging es da gar nicht. Seit dem hab ich auch keine Angst mehr davor, sondern bitte Gott tatsächlich manchmal um Rückmeldungen für mich persönlich. (Wie weit ich sie dann annehme, ist noch ein anderes Thema, aber ich entwickel mich ja auch noch 😀 )

  4. Danke für euren Talk.
    Zu einer Anmerkung von Jay (zum Gebot der Nächstenliebe im Judentum) habe ich eine Ergänzung. Ich dachte auch immer, dass Gebot sei ein jüdisches Gebot, da es aus der jüdischen Bibel ist. Ist es auch. Aber wir haben es christlich interpretiert. Wenn ich die 3. Mose 19 richtig verstehe, werden die Juden nur aufgerufen ihren Nächsten „Bundesgenossen“ (hebr. reacha) zu lieben, sprich ihren Mitjuden/ Mitbürger. Auf uns übertragen wäre das der Mitchrist.
    Das wird in Israel auch umgesetzt und ist überhaupt nichts besonderes, sich um sich gegenseitig zu kümmern. Erstaunt, waren sie aber, dass ich als Christin das mache.
    Und dass ist doch das besondere an Jesu Gebot, dass auf einmal alle inkludiert sind (s. der gute Samariter) bis hin zur Feindesliebe.
    Oder um einen muslimischen Freund aus der Notunterkunft zu zitieren. „Die Moslems (Saudi-arabien) haben uns nicht aufgenommen. Ihr (Christen) in Deutschland habt uns aufgenommen“. Das ist für mich Nächstenliebe.

    1. Hallo Judith,
      welchen Vers meinst du denn?
      Und gerade in Vers 34 steht doch eigentlich auch schon sehr konkret, dass auch der Fremdling wie der Einheimische angenommen werden soll, oder?
      Liebe Grüße,
      Britta

    2. “Die Moslems (Saudi-arabien) haben uns nicht aufgenommen. Ihr (Christen) in Deutschland habt uns aufgenommen”.
      Das ist ein wahnsinnig starkes Zeugnis, finde ich. Viel stärker als alle Predigten in Fußgängerzonen oder Aufrufe zur Bekehrung.

  5. Wieder ein toller Talk – auch ich hab mir gefühlt gerade am Ende das Meiste mitgenommen.
    Ein weiches, weites Herz und mündige Entscheidungen – auch gegenüber Gott – ja, das hat unglaublich gut ausdrückt, wonach auch ich mich sehne, wohin auch ich strebe.
    Danke für eure ehrlichen Berichte, wie es euch mit eurem Glauben geht.

    Viele Grüße
    Provinzdoc

  6. Starke Folge und sehr interessantes Format!!

    Ich würde sogar noch viel weiter gehen und die steile These aufstellen: Der Glaube begründet ÜBERHAUPT KEINE Moral.

    Die meisten Gläubigen finden das wahrscheinlich befremdlich, weil wir gewohnt sind, dass im Glauben ziemlich viele Sollens-Aussagen stecken. Konservative würden vielleicht sogar teilweise sagen, dass sie glauben, damit überhaupt eine Moral da ist.

    Die Begründung von Moral durch Glauben funktioniert aber nicht, und das hat mit der Definition von Moral zu tun, wenn man darunter die Frage versteht, wie alle Menschen grundsätzlich miteinander umgehen sollen.

    Warum das so ist, habe ich in drei Argumenten zusammengefasst, ich nenne sie:
    a) das große Problem
    b) das riesige Problem
    c) das unlösbare Problem

    http://www.stimme-aus-der-ferne.de/2014/02/25/warum-glaube-keine-moral-begruendet/

  7. Hab mir heute diese Folge über christliche Ethik angehört. Fand ich mal wieder super. Ich finde es wichtig, dass wir auf der einen Seite klar sagen, dass wir als Christen einige klare Richtlinien haben, aber auf der anderen Seite auch die Realität akzeptieren, dass für viele Christen gerade die Richtlinien, die für mich unumstößlich sind wiederum nicht verbindlich sind.
    Dabei finde ich es besonders wichtig, dass man im Gespräch bleibt, aber leider gibt es auch genug Christen, die für ein offenes Gespräch nicht zu haben sind, weil sie von Anfang an wissen das sie recht haben. Mit solchen Christen finde ich einen Austausch sinnlos, denn ich bin demütig genug meine Vorstellungen, die ich wichtig finde, trotzdem als meine Meinung zu vertreten, aber wenn andere ihre Position als absolute Wahrheit festlegen ist eine Kommunikation nicht wirklich bereichernd.

    Ich habe zu christlicher Ethik einige klare Vorstellungen (Gewaltlosigkeit, Nächstenliebe, wiederherstellende Gerechtigkeit) aber die meisten ethischen Fragen sind für mich Situationsabhängig. Ich finde es genauso wie Jay wenig hilfreich für alles ein Gesetz zu haben was klar definiert was man zu tun und zu lassen hat. Das Leben ist viel zu kompliziert, als dass man mit ein paar Standartregeln alle Situationen abdecken könnte. Ich denke in vielen Situationen ist eher Weisheit und Kreativität gefragt, statt das befolgen von Jahrtausende alten Gesetzen aus dem AT. Liebe kann man sowieso nicht an Gesetzen oder Regeln festmachen, sondern eher an Weisheit und Kreativität.

    Was ich für mich festgestellt habe, ist das es einige Christen gibt, die instinktiv wissen was menschlich ist und was unmenschlich ist und das auch als ethische Richtlinie für ihr Leben betrachten. Unterstützung für ihre Ansichten finden sie besonders in den Lehren Jesu und in seinem Leben. Andere Christen wiederum benutzen Gesetze aus der Bibel, um ihre Menschlichkeit abzutöten und um rechtfertigen zu können wie sie sich anderen Menschen gegenüber benehmen und was sie anderen Menschen antun dürfen (Kreuzzüge, Ausbeutung, Sklaverei, Sexismus, Homophobie, Todesstrafe etc.). Ich glaube nicht, dass diese Christen das absichtlich tun, sondern das sie tatsächlich glauben das richtige zu tun und glauben Gott gehorsam zu sein, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es dazu führt, dass sie Menschen die anders sind als sie selbst nicht menschenwürdig behandeln.

    Das führt mich zu der Frage ob wir als Christen wirklich alle eins sind, nur weil wir alle den Namen Jesus verwenden. Ich möchte mal die These aufstellen, dass es nicht so wichtig ist welchen Namen wir dem Gott geben, den wir anbeten, sondern welchen Charakter wir dem Gott zuschreiben, den wir anbeten. Meiner Meinung nach gibt es zwei Arten von Menschen in jeder Religion. Es gibt diejenigen, die Macht anbeten und diejenigen die Liebe anbeten. Ich denke die Menschen die Macht anbeten sehen in jeder Religion ziemlich gleich aus, auch wenn sie es gerne leugnen würden. Und es gibt in jeder Religion auch diejenigen, die Liebe anbeten und die haben untereinander viel mehr Gemeinsamkeiten als mit Menschen aus ihrer eigenen Religion, die aber Macht anbeten. Deswegen sagt es für mich relativ wenig aus, wenn sich jemand Christ nennt, bevor ich ihn nicht kennen gelernt habe und weiß ob er Macht anbetet oder Liebe anbetet. Und ich habe festgestellt, dass ich mit Katholiken, Orthodoxen, Anglikanern, Islamisten, Buddhisten und auch Atheisten etc. die Liebe anbeten (ja, ich glaube das es Atheisten gibt, die Liebe anbeten) viel mehr Gemeinsamkeiten habe als mit Christen, die Macht anbeten (bestes Beispiel z.Z. ist wohl Amerika, falls sich jemand politisch da auskennt).

    Oder anders gesagt: Ist Macht oder Liebe die treibende Kraft des Universums und die treibende Kraft Gottes? So wie ein Mensch diese Frage beantwortet so wird er auch leben, und er wird sein Gottesbild unabhängig von seiner Religion darauf abstimmen. Was haltet ihr von der These?

    Liebe Grüße
    Otniel

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