#95 Live in Berlin

15 Kommentare zu „#95 Live in Berlin“

  1. Interessante Frage zu den Reaktionen euer Ehefrauen, das habe ich mich auch schon mal insgeheim gefragt ? Gofi, kannst du noch kurz erläutern, warum sich deine Frau nicht für deine ja doch schon für deine ja doch schon recht lang-andauernde, intensive und auch recht öffentliche Hossa-Arbeit interessiert? Ich kann mir das schwer vorstellen, dass man da als Partner nicht zumindest etwas „neugierig“ ist, was der Partner denn da alles so erzählt und treibt 😉 Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich selbst so sehr für die Hossa-Themen und Fragen interessiere.
    Überhaupt würde mich ein wenig die Beziehungsdynamik (hinsichtlich des Glaubens) zwischen euch beiden interessieren. Du hast mal in einer Folge in einem Nebensatz erwähnt, dass deine Frau Atheistin sei, ihr beide aber christlich großgeworden seid. Ich finde es recht spannend, wie ihr das Thema Glauben im Alltag/Leben so handhabt, wenn du dich da so intensiv mit auseinandersetzt (sogar ein Buch dazu geschrieben hast) und sie quasi als „Ex-Gläubige“ damit abgeschlossen hat. Wird das Thema einfach ausgeklammert bzw. taucht es gar nicht erst auf? Das ist natürlich eine private Frage und geht mich nichts an, aber wenn es okay für dich/euch ist, kannst du ja vielleicht einen kleinen Einblick geben ?

  2. Schöne Folge, wie immer 🙂

    Als ihr darüber geredet habt, wie viel Bibel ihr im Leben habt hab ich mich gefragt, ob die meisten Beispiele, die ihr gebracht habt, sich entweder einfach aufs Bibel-Lesen beziehen oder allgemein auf das Leben als Christ? (Also nicht darauf, wie viel Bibel im Leben ist, sondern wie sich der Glaube im Alltag auswirkt.) Eigentlich wundert es mich auch nicht, weil meiner Erkenntnis nach die Basis des christlichen Glaubens nicht die Bibel ist, sondern die Person Jesus Christus. Die Bibel ist nur sozusagen das Medium. Also ich glaube, wenn mich jemand fragen würde, wie viel Bibel in meinem Leben steckt, könnte ich darauf wenig antworten, aber wenn mich jemand fragt, wie viel Glauben in meinem Leben steckt oder welchen Einfluss Jesus auf mein Leben hat, da könnte ich sicher mehr sagen.

  3. sehr geile Folge. Irgendwie ist live noch mal eine andere Leidenschaft da.
    freu mich auf Düsseldorf.
    das geilste war Goofi: meine Frau interessiert der Podcast überhaubt nicht.
    Wie der Stammtisch in der Kneipe 😉
    Und vor Gott brauch niemand Angst haben, fand ich als Schlußstatement auch super.

  4. Schön beschrieben, Bithya85. “ meiner Erkenntnis nach die Basis des christlichen Glaubens nicht die Bibel ist, sondern die Person Jesus Christus. Die Bibel ist nur sozusagen das Medium. Also ich glaube, wenn mich jemand fragen würde, wie viel Bibel in meinem Leben steckt, könnte ich darauf wenig antworten, aber wenn mich jemand fragt, wie viel Glauben in meinem Leben steckt oder welchen Einfluss Jesus auf mein Leben hat, da könnte ich sicher mehr sagen.“

    Obwohl es am Anfang meines Glaubenslebens auch eine Zeit gab, dass Gott immer sehr merklich da war, wenn ich die Bibel aufschlug .

  5. Hallo,

    ich will hier mal klarstellen, dass Zeugen Jehovas theologisch nichts mit Christen zu tun haben. Auch wenn sie gerne die Gemeindsamkeiten in den Vordergrund stellen, ist dies schlichtweg eine Methode anzuknüpfen um Leute zu gewinnen.
    Ich habe mir vor einiger Zeit die Mühe gemacht in Liebe und Verständnis füreinander mich mit regelmäßigem Besuch von Zeugen Jehovas auszutauschen. Ich durfte mir ein von ihnen ausgesuchtes Thema erarbeiten und anhand der Bibel den theologischen Standpunkt der Christen sogar ausführlich erleutern . Dabei stellte sich eindeutig heraus, dass am Anfang Gemeinsamkeiten von Zeugen Jehovas gerne sehr hervorgehoben werden. Schlussendlich ist die Theologie aber grundverschieden. Das will ich hier nur mal deutschlich klarstellen.
    Wir beendetet die freunfschaftlichen Treffen mit der Aussage, dass wenn wir es wünschen wir uns wieder kontaktieren. Als ich nach einiger Zeit mich mal nach der netten Frau und ihrem Ehemann erkundigte kam nie mehr etwas zurück. Das haben bisher wohl auch noch nicht viele geschafft?

    1. Und das stellst du jetzt aufgrund einer Begegnung fest. Tolle empirische Grundlage..
      Warum muss es immer auf diesen Wettstreit hinaus laufen, wer die überzeugendere Theologie hat?
      Das ist genau diese Überheblichkeit, die man den Zeugen oder allen anderen Religionen immer vorwirft.

      Manchmal würde ich mir von Christen einfach mal wünschen, Hoffnung und Freiheit zu verbreiten, statt überall Sicherheitsplanken einzuschlagen, damit nur ja kein Schäfchen m falschen Busch schnuppert…

      1. Ich finde das eher voll toll von mir, dass ich mich liebevoll mit ihnen auseinandergesetzt habe. Das war auch Aufarbeitung meiner Kindheit, weil mein Vater wenn Zeugen klingelten, der Meinung war, dass man sie böse und wie einen Vertreter verjangen müsse.
        Deshalb gab ich ein gutes Beispiel und handelte aus Sicherheit und Liebe heraus.
        Von meinem Mobiltelefon gesendet

    2. Simona schreibt : „Zeugen Jehovas theologisch nichts mit Christen zu tun “

      Mein Hörer-Eindruck bei diesem Hossa-Talk war auch, dass die Zeugen Jehovas gleich wie Homosexuelle ein Problem in der theologischen Sichtweise der Christen ist.
      Und das homosexuelle Christus lieb haben dazu brauchte ich auch einige Jahre.
      Und das Verständnis über Homosexualität in der Bibel Ist für mich tatsächlich nicht mehr urteilend oder beurteilen an der sexuellen Ausrichtung zu bestimmen.

      Versteht man die Zeugen Jehovas als eine Organisation (also nicht als einzelne Menschen),
      dann stimme ich Simone zu, Es fehlt mir der trinitarische Gott, ohne den ich mir Erlösung nicht vorstellen kann .

      dagobertr

  6. Hallo,

    wie unterschiedlich Texte gelesen werden können.
    In einer Diskussion mit einem Christen zu Abtreibung wurde mir der Psalm 139 genannt.
    Ich denke, es war vor allem die Stelle:
    „Es war dir mein Gebein nicht verborgen, / als ich im Verborgenen gemacht wurde, als ich gebildet wurde unten in der Erde.
    Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war. “

    Ich habe mir dann den ganzen Text angeschaut und sehr gestaunt, dass wenige Sätze später dort steht:

    „Ach Gott, wolltest du doch die Gottlosen töten! Dass doch die Blutgierigen von mir wichen!
    Denn sie reden von dir lästerlich, und deine Feinde erheben sich mit frechem Mut.“

    Ich empfinde das als ein Mordaufruf an mir, einem Atheisten.
    Ich kann es ja verstehen, dass ein Verfolgter seinen Gegnern den Tod wünscht, aber die Begründung „sie reden von dir lästerlich“) finde ich als unzureichend. Und wenn es die Feinde Gottes sind, die sich erheben, dann sollte das den Verfasser der Psalmen ganz ruhig lassen, da ja in seiner Vorstellungswelt, Gott allmächtig ist, wie in den Versen vorher lyrisch ausgeführt wurde.

    Von daher kann ich den Psalm insgesamt nicht schön finden, auch wenn der erste Teil durchaus schöne lyrische Anteile hat.

    Merkt man als Christ diese Mordaufrufe nicht? Filtert man die automatisch weg?
    Denn ich glaube keinen Augenblick, dass ihr diesen Mordaufruf unterstützt oder gut findet 🙂

    1. Oh doch, die merken wir schon… Und wir unterstützen Mordaufrufe natürlich nicht. 🙂 Und ja, uns wäre es auch lieber, wenn sie da nicht stünden… Natürlich! Die Frage ist hier eben, wie man mit so einem antiken Text umgeht/ umgehen sollte (darum ging es ja unter anderem auch in der Frage im Talk). Man kann der Auffassung sein, dass sich solch ein Text an dem messen lassen muss, wie wir ihn heute beurteilen würden. Damit würde man aber dem Schreiber des Psalms nicht zugestehen, in der Zeit geschrieben zu haben, in der er geschrieben hat. Damals hatten die Menschen anscheinend noch kein Problem, ihre Entzückung über Gott mit ihrem Wunsch in Einklang zu bringen, dass Menschen, die diese Entzückung nicht teilen, am besten einen Kopf kürzer gemacht werden sollten (das lehnen wir heute zu Recht ab). Ist damit automatisch alles, was der Psalmist ansonsten schreibt automatisch nichts mehr wert? Ich würde sagen, nein. Man muss Autoren ihren zeitbezogenen Kontext schon zugestehen (sollte sich zB in 100 Jahren die Auffassung durchsetzen, dass vegan zu leben, die moralisch richtigere Auffassung ist – wäre es da angemessen, alle heutigen Texte, die diese Auffassung nicht teilen, nur deswegen auch in allen ihren anderen Aussagen insgesamt abzulehnen?). Aus unserer heutigen Perspektive (und aus der des Neuen Testamentes) stimmen wir einem Mordaufruf (ob religiös motiviert oder wie auch immer) nicht zu. Da hat eine Entwicklung statt gefunden. Deshalb ist es natürlich wichtig, so einen Text eben auch kritisch zu antizipieren (wie Du es ja auch tust). Nur weil etwas in der Bibel steht, macht es damit aus christlicher Perspektive eben nicht automatisch wahr oder nachahmenswert.

      Allerdings ist Deine Deutung, in der Aussage einen Mordaufruf zu sehen, ja trotz allem auch eine Übertreibung. Nicht jeder, der einem anderen an den Kopf wirf, „ich wollte du wärst tot“, wünscht sich das tatsächlich bzw ruft andere dazu auf, diesen Wunsch in die Tat umzusetzen oder würde es gleich selber tun. Das war vor 3000 Jahren sicher nicht anders. Und das gilt, denke ich, auch, wenn es als Bitte an Gott formuliert ist. Dem Schreiber des Psalms dafür haftbar zu machen, dass er seine Wut auf andere im Gebet vor Gott rausbrüllt, würde bedeuten, dass die Gefängnisse heute von ziemlich vielen Autofahrern gefüllt wären, oder? 🙂

      LG,
      der Jay

  7. Danke für deine nette Antwort,
    es ist in Gesprächen mit Christen (oder Moslems) manchmal verwirrend, warum bestimmten Texten eine höhere Wertigkeiten zugemessen wird.
    Ich habe als Kind begonnen viele Geschichten aus unterschiedlichen Mythologien zu lesen, aber es war für mich immer klar, dass es von Menschen geschaffene Literatur ist. Das empfinden ja auch Christen vermutlich bei Geschichten aus der nordischen, griechischen, römischen oder indischen Mythologie so. Warum ich die Bibel anders behandeln sollte, hat mir nie eingeleuchtet.
    Warum behandelst du die Bibel anders, als andere Bücher mit Mythen?

    Das mit dem vegan ist ein witziges, nettes Argument – aber ich würde meinen Aussagen in 100 Jahren auch keinen allzu großen Wert mehr zumessen :-). Das scheint bei den Psalmen ja anders zu sein.
    Ich selber habe kein Problem mich bei Geschichten aus der Bibel zu bedienen, wenn ich sie lehrreich oder schön finde (z.B. wer ohne Sünde sei, werfe den ersten Stein) und sie meinen Kindern zu erzählen. Genau so, wie ich ihnen auch andere Geschichten (z.B. Phaethon) erzählte.

    Nach welchem Maßstab beurteilst du denn Texte, und wie und woran hat sich deiner Meinung nach dieser Maßstab gebildet?

    Du findest die Deutung der Textstelle als Mordaufruf als übertrieben.
    Naja, es ist zumindest erstmal der, vielleicht geseufzte, Wunsch, dass die Feinde des mächtigen Gott, an dem der Verfasser glaubt, von diesem getötet werden. Als Teil eines Psalms erscheint mir die Deutung als nicht ernst gemeinter Stoßseufzer etwas sehr defensiv. Und ich will den Autor des Psalmes nicht dafür haftbar machen – wie sollte das auch gehen :-). Aber es zeugt von keiner moralischen Größe den Tötunsgwunsch so stehen zu lassen.
    In meinem Leben habe ich vielleicht einmal kurz den ernst gemeinten Wunsch nach dem Tod eines anderen Menschen gedacht – und es eigentlich sofort wieder zurückgenommen. Das passiert im genannten Text ja aber nicht. Der Tötungswunsch wird im Psalm ja nicht reflektiert. Das wäre dann eventuell unter dem Gesichtspunkt interessant geworden.

    Aber in der folgenden Zeile scheint eine Botschaft enthalten zu sein, nämlich dass Gotteslästerung besonders bestraft gehört.
    „Denn sie reden von dir lästerlich, und deine Feinde erheben sich mit frechem Mut.”
    Tatsächlich gibt es ja immer noch einen besonderen Blasphemieparagraphen.
    Der Gott, der in den ersten Zeilen in lyrischen Begriffen und Bildern als allmächtig beschrieben wird, dessen Ansehen beschützt werden soll – was ich sehr undurchdacht finde.

    Ist der Grund für diesen Tötungswunsch nicht eher darin zu sehen, dass der Autor Zweifel an seinem Glauben oder an der Allmächtigkeit seines Gottes hat, und daher von seinem Gott ein sichtbares Zeichen haben möchte, nämlich den Tod seiner Feinde. Es erscheint mir so, als ob dies ein sehr religiöser Mensch geschrieben hätte, der in der Lästerung seines Gottes eine Kränkung seines Ichs sieht.

    Aber langsam läuft mir die Zeit davon – ich hoffe, ich habe mich nicht allzu unverständlich ausgedrückt.
    Schöne Grüße
    ptie

    1. Hallo ptie,
      erst Mal finde ich es völlig legitim, die Bibel auf der gleichen Ebene zu behandeln, wie andere antike Schriften oder Sagen. Erst mal ist sie ja Literatur. Von daher, nur zu!

      Für viele Christen ist sie insofern Heilige Schrift, als dass sie von der Geschichte Gottes mit den Menschen (aus jüdisch-christlicher Perspektive) „Zeugnis gibt“. Es gibt Christen, die die Bibel sogar als wortwörtlich von Gott inspiriert oder gar diktiert sehen (Nach dem Motto: hier spricht Gott O-Ton). Ich bin nicht in diesem „Camp“. Eine Anfrage wie Deine würde mir erhebliche Not bereiten, wenn ich irgendwie erklären müsste, warum Gott in den Psalmen den Ungläubigen durch den Psalmisten den Tod wünscht und sich es dann im Neuen Testament mit der Aufforderung zur Feindesliebe anders überlegt hat.

      Ich glaube also nicht, dass die Bibel uns einen unvermittelten Blick auf Gott gibt, sondern einen durch Menschen vermittelten. Menschen haben aufgeschrieben, was sie mit Gott erlebt haben. In ihrer Zeit, innerhalb ihres Denkrahmens, ihrer Überzeugungen, ihrer Kultur, ihrer Tradition usw. Christen glauben daher nicht an die Bibel, sondern an den Gott von dem sie berichtet. Das mag wie ein spitzfindiger Unterschied klingen, ist es aber imho nicht. Im ersten Fall müsste sie eindeutig sein, ohne Widersprüche, ohne Entwicklung. Im zweiten Fall gehört all das zu ihr, wie es es zu jedem anderen menschlichen Buch gehört, dass über einen Zeitraum von 1500 Jahre geschrieben wurde. Im zweiten Fall ist der Sprung von „Ach Gott, wolltest du doch die Gottlosen töten!“ zu „Liebet Eure Feinde“ als Entwicklungsschritt erklärbar, im ersten nicht.

      Ist im zweiten Fall damit alles bloß erstunken und erlogen, was in der Bibel steht? Warum sollte es das sein? Die Bibel ist wie eine 1500 Jahre währende Debatte über die Grundfragen der Menschheit, die davon ausgeht, dass Gott etwas mit den Antworten darauf zu tun hat. Aber nicht wie ein philosophisches Buch, sondern als eine Art Erfahrungsanschauung des Lebens mit Gott, aus spiritueller Perspektive. Und dann berichtet sie uns von Jesus, der für Christen eben nicht nur irgendeine Prophetengestalt ist, sondern Gottes Selbstoffenbarung (Wir könnten also vorhin auch gesagt haben, Christen glauben nicht an die Bibel, sondern an Jesus). Und als die junge Kirche entschieden hat, welche Schriften zum Neuen Testament gehören sollen, hat sie das als Orientierung ausgewählt, damit das, was was Jesus gesagt und getan hat, nicht vergessen wird. Daher kommt der besondere Wert der biblischen Schriften für Christen. Sie ist die Quelle dessen, was wir von Jesus / Gott wissen. Das entbindet den Menschen natürlich nicht von der Aufgabe, sich mit den Schriften (auch kritisch) zu befassen, denn natürlich sind es, wie schon gesagt, eben erst Mal Schriften, die Menschen aufgeschrieben haben. Christen glauben schon, dass sie von Gott inspiriert (angehaucht) sind. Aber nicht im Sinne, dass man Gott auf ein paar tausend Seiten fassen könnte, sondern im Sinne, dass sie glauben, dass Gott ihnen in der Auseinandersetzung mit den biblischen Schriften begegnet, den Weg weist, Trost spendet, Orientierung gibt usw. Daher ist sie für uns auch ein einmaliges, besonderes Buch.

      Das alles lässt sich natürlich nicht beweisen. Aber Christen glauben, dass es erfahrbar ist. Sprich, die Bibel erweist sich als göttlich inspirierte Schrift im Umgang mit ihr.

      „Nach welchem Maßstab beurteilst du denn Texte, und wie und woran hat sich deiner Meinung nach dieser Maßstab gebildet?“

      An Jesus. Jesus ist für Christen DIE Offenbarung Gottes. Auch nur menschlich vermittelt, schon klar (die neutestamentlichen Schriften sind ja auch nicht vom Himmel gefallen), aber anders geht das ja auch gar nicht (wenn Gott etwas mit dem Leben und mit den Menschen zu tun hat, wird alles, was wir über Gott sagen können, immer menschlich „gebrochen“ sein). Daher ringen Christen auch nach wie vor oder immer wieder neu damit, was Sätze in der Bibel für sie bedeuten. Aber auf unseren Fall angewendet, muss sich ein Satz wie „Ach Gott, wolltest du doch die Gottlosen töten!“, an dem messen, was Jesus zB in der Bergpredigt gesagt hat („Liebet eure Feinde“). Und da wird eben ein deutlicher Entwicklungsschritt sichtbar. Ich kann also damit imho sehr wohl die begeisterte Schilderung von dem, was der Autor des 139 Psalms über Gottes Allgegenwart schreibt, als hohe Erkenntnis feiern und gleichzeitig seinen Hass auf die Gottlosen als „er wusste es (noch) nicht besser“ fallen lassen, oder es von mir aus auch als eine Möglichkeit aufnehmen, dass man seinen Zorn bei Gott im Gebet loswerden kann. Es aus christlicher Perspektive als Aufforderung zu lesen, Gott wolle den „Gottlosen“ den Gar aus machen (selbst wenn es wahrscheinlich vom Autor so gemeint gewesen ist, da gebe ich dir Recht), wäre dagegen im Licht der Bergpredigt ein Rückschritt.

      „Ist der Grund für diesen Tötungswunsch nicht eher darin zu sehen, dass der Autor Zweifel an seinem Glauben oder an der Allmächtigkeit seines Gottes hat, und daher von seinem Gott ein sichtbares Zeichen haben möchte, nämlich den Tod seiner Feinde. Es erscheint mir so, als ob dies ein sehr religiöser Mensch geschrieben hätte, der in der Lästerung seines Gottes eine Kränkung seines Ichs sieht.“

      Das sehe ich genauso! Der neutestamentliche Befund ist hier allerdings ein ganz anderer („Liebet eure Feinde“, „Gott lässt die Sonne aufgehen über Gerechte und Ungerechte“). Wie gesagt, es entschuldigt aus unserer heutigen Sicht den Autor keineswegs – aber als Kind seiner Zeit kann ich auch nicht gerade erwaten, dass er in unseren Denkstrukturen, moralischen Urteilen, psychologischen Deutungen denkt. Das sollte ja eigentlich klar sein. Also, um das noch mal ganz deutlich zu sagen, ich stimme Deiner Deutung zu. Die Perspektive des Autors ist hier kleinlich und schmal. Eklig. Gefährlich. Das macht aber nicht den gesamten Psalm für mich obsolet, denn an anderer Stelle zeigt der Autor eine tiefe an Weisheit und Erkenntnis und Poesie, die auch heute noch Tragfähiges vermittelt. Da muss man unterscheiden können.

      Hat das meine Perspektive/ Umgang mit einem Text wie diesem deutlicher gemacht?

      LG,
      der Jay

    2. Hallo ptie,

      Ich kann viele Deiner Anfragen sehr gut nachvollziehen. Insbesondere finde ich es auch ziemlich abwegig, den 139. Psalm, ein Stück anspruchsvolle Lyrik, auf die Abtreibungsdebatte zu münzen, da bin ich voll bei Dir.

      Zum Thema Gewalt in der Bibel gibt es eine erst wenige Wochen alte Hossa Talk Folge, die mich sehr gepackt hat. Vielleicht kannst Du damit ja auch was anfangen?

      Grüße
      Florian

  8. Hallo Jay,

    zunächst vielen Dank für die ausführlichen Antworten und den ruhigen Ton, in dem sie gehalten sind.

    > „Ist im zweiten Fall damit alles bloß erstunken und erlogen, was in der Bibel steht? “
    War von deiner Seite vermutlich als rhetorische Frage gemeint, denn ich hatte dies nicht so darstellen wollen – falls ich es so dargestellt hätte.

    Mein Problem ist, dass aus deinem Text schon wieder so viele Fragen entstehen, deren Formulierung mich aber soviel Zeit kosten würden, die ich, um ein menschengefälliges Leben zu führen, nicht aufbringen kann 🙁

    Aber noch eine kleine Bemerkung: Es ist ausgesprochen angenehm, dass du häufig „Ich-Botschaften“ verwendest. Wenn du schreibst,
    > „An Jesus. Jesus ist für Christen DIE Offenbarung Gottes. “
    Dann stellst du einen Fakt dar, dem ich zustimmen kann, da du von dir bzw. Christen sprichst. Denn für mich ist es nicht plausibel, dass Jesus die Offenbarung eines Gottes ist.

    Das ist eine Art zu fomulieren, die für einen Gedankenaustausch sicherlich zuträglich ist.

    Vielleicht ein andermal mehr.

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