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#250 Der Herr ist kein Hirte?!

Über Gottesbilder, den Psalm 23 und Paternalismus 

Am 3. Advent unterhalten sich Jay, Marco und Gofi über einen der klassischen biblischen Weihnachtstexte: Den Psalm 23 und das Bild des Guten Hirten. „Hä? Weil in der Weihnachtsgeschichte Hirten vorkommen oder was?“ So könnte man es sich vielleicht unbeholfen versuchen hinzubiegen, in Wahrheit jedoch, steckt eine sehr spannende Hörerfrage hinter dieser auf den ersten Blick ungewöhnlichen Textauswahl:

Ist das Bild des Guten Hirten nicht eigentlich ziemlich problematisch und paternalistisch? Ein Gott als Hirte, der sich um alles kümmert und die Menschen als passive, hilflose Schafe, die als Nutztiere nur hinterherlaufen? Ist dieses Bild des Hirten oder gar des Königs nur ein Bild neben vielen anderen oder legen die biblischen Texte genau dieses Verständnis am Ende doch nahe? Woher kommen diese Bilder eigentlich? Und warum werden gerade diese im modernen Liedgut so oft reproduziert? Müssen wir diese Bilder übernehmen? Und falls ja, können wir das überhaupt? Immerhin stammen diese Bilder ja aus einer ganz anderen Zeit und ganz anderen Lebensrealitäten. 

Ein adventliches Gespräch über Poetik, einen Gott, über den man nur in Bildern sprechen kann und der Frage, wie machtkritisch biblische Texte eigentlich sind. 

Und natürlich kommt dennoch das weihnachtliche und ein kleiner Rückblick auf das vergangene Jahr nicht zu kurz in dieser Folge und kleine Vorwarnung: Es wird sogar gesungen.  

Mit diesem Talk verabschiedet sich Hossa Talk in eine kurze Feiertagspause. Die erste Folge im neuen Jahr erscheint am 12. Januar.  

11 Kommentare

  1. „Leute aufgepasst hier, Hossatalk ist da!
    10 Jahre gingen rum, bevor man sich versah.
    Flug nach Israel, auf Freak Stock und per Zoom,
    lieber Scheiß und Jubel als warten auf Day Doom.

    Wie schön dass ihr ne Stimme gebt,
    dann wenn das Alte nicht mehr trägt.
    und auch im Spiegellabyrinth
    wir gratulieren dir, Geburtstagskind!

    Engel und Dämonen, Teufel und die Brut,
    hier kommt Hossatalk, seid besser auf der Hut!
    Siggi, Thorsten, alle, sagt was nicht mehr geht:
    manches muss erst fallen, damit was anderes steht.

    wie schön dass ihr eine Stimme gebt…

    Evangelikalien, ich wandere hier aus!
    zieh nach Progressivien, kauft jemand noch mein Haus?
    Fundis protestieren, doch wer muss sich hier bekehren?
    Frag doch mal den Ralph, der kann euch viel erzählen!

    wie schön dass ihr ne Stimme gebt…“

    (Nur so aus Spaß 😂🤟🏼)

  2. Andi Andi

    Gott ist ja noch einigermaßen fraglich und man könnte vielleicht sagen: Wer’s mag…

    Wo die Sache schon deutlich vertrackter ist, ist, wenn sich einer hinstellt und sagt er ist der Sohn Gottes und darf dann alles. Die Bibel scheitert oft an ihren Aussagen. Wir wissen dass – entgegen Johannes‘ Worten, die vollständige Liebe treibe die Furcht aus – die biblische Liebe häufig eine fürchtende ist. Und so untergräbt auch Jesus in vielen Einzelaktionen die Ansage, man solle vor dem Turmbau prüfen (- der Turm ist der eigene Glaube!), ob man die Kosten zahlen könne.

    Machte man das mal und prüfte auch Jesus (- nicht die Pfarrer als Leiter, nein: den echten Kopf!), käme man nicht umhin, zu sagen, dass hier beileibe kein Sündloser steht. Er hatte schlicht sehr starke Stärken und Schwächen. Er missbrauchte Geschiedene, steigerte die im AT nur rudimentäre Höllenlehre ins Unermessliche, experimentierte mit Vorherbestimmung, nannte die Ausländer Hunde, erfand eine bizarre und an Traumatisierung nicht zu überbietende Sünde gegen den Heiligen Geist etc. pp.!

    Was mich zu meinem zentralen Anliegen an Christen führt:
    Warum kritisierst du an Jesus nicht, was du an konservativen Christen kritisierst?

    (Ich halte es absolut unverantwortlich, wenn ein Therapeut oder Seelsorger, der das nicht kann, einen traumatisierten Christen betreut.)

    (P.S: Ich will keinem völlig enthemmten Individualismus frönen. Wahrscheinlich glauben auch die Querdenker, sie seien aufgeklärte, weil sie gemäß der Definition des Kant von Aufklärung ohne fremde Hilfe denken. Nein, in einer hochkomplexen Wissenschaftsgesellschaft sind auch wir in Glaubenskontexte eingebunden, müssen anderen vertrauen. Begründet Wissen und Erfahrungswerte anderer zu übernehmen und dabei um das Unvollkommene, Konstruierte wissen – das ist für mich der Mittelweg zwischen Offenbarungsglaube einerseits und andererseits alles selbst von Grund auf neu zu denken…)

    • André Ay André Ay

      Hallo!

      Yeschua hat der Lehre von der Vernichtung der Sünder aus dem Tanach nichts beigefügt, sondern dieselbe wiederholt. Oft hat er einfach Redewendungen gebraucht, die nur im Tanach erklärt werden.
      „Heulen und Zähneknirschen“ ist nur in Psalm 112, 10 und Psalm 37,12+38 erklärt.
      Feuer und Würmer werden nur in Jes 66 klar.
      Yeschua hat zwar den Begriff „Gehenna“ benutzt, der im Tanach nicht vorkommt, aber dazu nur erklärt, daß Gott darin den ganzen Menschen vernichten kann.
      Der von Yeschua vielfach angekündigte Dies Irae ist im Tanach krass beschrieben:
      Jesaja 13: „9 Sieh, der Tag des HERRN kommt, grausam und mit Wut und glühendem Zorn, um die Erde entsetzlich zu verwüsten und ihre Sünder von ihr zu tilgen.“
      Zephanja 1: „15 Ein Tag des Zorns ist jener Tag, ein Tag der Not und der Bedrängnis, ein Tag des Unheils und der Vernichtung, ein Tag der Finsternis und des Dunkels, ein Tag des Gewölks und des Wolkendunkels,“
      Nicht Yeschua hat aus dem Ende mit Schrecken ein Schrecken ohne Ende gemacht; das waren Tertullian und Augustinus.

      Alles Gute!

  3. André Ay André Ay

    Hallo!

    Das Bild mit Gott als Hirten habe ich noch nicht analysiert.

    Ihr habt aber auch viel vom König gesprochen. Geistliche Gesetze und Gott als König im Herzen kommen in der Bibel nicht vor.

    Gott als König auf dem Thron ist aber m.E. kein Problem. Relevante Verse dazu sind:

    Psalm 89, 14 (15)
    „Gerechtigkeit und Recht sind die Stütze deines Throns, Gnade und Treue stehen vor deinem Angesicht.“
    tsedek, mischpat, chesed, emeth
    Psalm 97, 2
    „Gerechtigkeit und Recht sind die Stütze seines Throns.“

    tsedek ist Gerechtigkeit in juristischen Fällen.
    mischpat steht im Gegensatz zu chamas = Gewalt, Grausamkeit, Ausplünderung von sozial Schwachen und Rechtsbeugung durch Bestechung oder falsche Zeugen
    chesed = Freundlichkeit, Güte, Zuwendung, Barmherzigkeit, Gnade
    emeth = Wahrhaftigkeit, Zuverlässigkeit, Wort halten

    Jer 22, 3
    „So spricht der HERR: Schafft Recht und Gerechtigkeit und errettet den Beraubten von des Frevlers Hand und bedrängt nicht die Fremdlinge, Waisen und Witwen und tut niemand Gewalt an und vergießt kein unschuldiges Blut an dieser Stätte.“

    Psalm 45, 6 (7)
    „Dein Thron, Gott, steht immer und ewig, das Zepter des Rechts ist das Zepter deines Reichs.“
    olam = ewig, mischor = gleich, eben, gerecht

    Psalm 103, 19
    „Der HERR hat im Himmel seinen Thron errichtet, und sein Königtum herrscht über das All.“

    Psalm 145, 11+12+13
    „10 Es preisen dich, HERR, alle deine Werke, und deine Getreuen loben dich. 11 Sie sprechen von der Herrlichkeit deines Reichs und reden von deiner Macht, 12 um den Menschen kundzutun deine mächtigen Taten, Glanz und Pracht deines Reichs. 13 Dein Reich ist ein Reich für alle Zeiten, und deine Herrschaft währt von Generation zu Generation. 14 Der HERR stützt alle, die fallen, und richtet alle Gebeugten auf.“

    Jer 9, 23
    „Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.“
    chesed, mischpat, tsedakah

    1. Petr 2, 15-16:
    „15 Denn das ist der Wille Gottes, dass ihr durch Tun des Guten den unwissenden und törichten Menschen das Maul stopft – 16 als Freie und nicht als hättet ihr die Freiheit zum Deckmantel der Bosheit, sondern als Knechte Gottes.“

    Röm 14, 17
    „17 Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist.“

    Sind wir Bürger oder Unterthanen?

    Phil 3: „20 Wir aber sind Bürger im Himmel“
    Gal 5: „1 Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“

    Alles Gute!

  4. hto hto

    Philosophie bleibt Philosophie, egal welche Zeit – „Gott“/Vernunft ist der „Hirte“ / die „Hirtin“ / das Dach, bzw. sollte es sein.

  5. hto hto

    @Andi: „Warum kritisierst du an Jesus nicht, was du an konservativen Christen kritisierst?“

    Weil die Philosophie der Bibel falsch interpretiert/missbraucht ist, so daß es in der Konfusion des geistigen Stillstandes nichts anderes als konservative „Christen“ gibt.

  6. hto hto

    @Andi: „Ich will keinem völlig enthemmten Individualismus frönen.“

    Seit Mensch erstem und bisher einzigen GEISTIGEN Evolutionssprung („Vertreibung aus dem Paradies“), frönt Mensch die gleichermaßen unverarbeitet-instinktive Bewusstseinsschwäche in Konfusion von Angst, Gewalt und egozentriertem „Individualbewusstsein“ – Der zeitgeistlich-reformistische Kreislauf des immer und überall imperialistisch-faschistischen Erbensystems in heuchlerisch-verlogener Schuld- und Sündenbocksuche, derzeit in Vorherrschaft des „gesunden“ Konkurrenzdenkens für den nun „freiheitlichen“ Wettbewerb um die Deutungshoheit der daraus resultierenden Symptomatik.

  7. Hallo,
    ein interessanter Talk aus dem ich nicht nur die „Nutz- & Wildtierspiritualität“ als Bilder mitnehme…
    Für mich bleibt die Spannung zwischen dem „sich Gott anvertrauen“ und mündige Entscheidungen treffen eine Herausforderung in meinem Glaubensleben, die ich nicht in eine Richtung aufgeben möchte. Auch wenn ich mich zeitweise von dem Bild von Gottes als Hirten befreien musste bzw. meine, von ihm schmerzhaft davon befreit worden zu sein (im Sinne von Bonhoeffers „etsi deus non daretur“).
    Für mich war eine erhaltene Postkarte der Befreiungsschlag, auf dem eine Marionette abgebildet ist, die eifrig in eine Richtung rennt und meint: „Cool, da wollte ich sowieso hin!“

    Ein Aspekt hat mir bei eurer Betrachtung aber gefehlt, der mir bei diesem ganzen Thema (und noch mehr bei der Übertragung auf anderer Hirten im Namen Gottes) zu kurz kam: Die Fähigkeit bzw. die Ausgangssituation, mündig sein zu können und Einfluss auf die eigene Lebenssituation zu haben. Wie bete ich Psalm 23 als unterdrückte Minderheit oder als Teil eines Volkes, dass von einer Großmacht verschleppt worden ist (auch eine denkbare Datierung des Psalms)? Als Spielball der Ereignisse mit wenig Einflussmöglichkeiten auf meine aktuelle Situation. Ich glaube, dann kann dieses „sich anvertrauen“ auch zu einer Selbstermächtigung führen und zurück in die beschränkte Handlungsfähigkeit führen. (Natürlich leider auch zu einer drollig-narkotisierenden Realitätsflucht)…
    Ist nicht unsere Lebenswelt oder nur sehr eingeschränkt, punktuell und abstrakt. Es bestärkt mich aber darin, dieses Bild vom guten Hirten auch in meinem freien, priveligierten Leben nicht dranzugeben, sondern einen Tisch zu bereiten…

    • Hallo Marian,
      super Gedanken. Danke für die Ergänzung.
      LG,
      der Jay

  8. Silke Römer Silke Römer

    Hallo,Marco, Gofi und Jay,
    bin jetzt kein Spezialist in Sachen Hirte und Schafe, habe aber mal eine Sendereihe im WDR gesehen, wo der Job eines Hirten ganz gut sichtbar wurde. Auch das Schaf,( selbst das nicht Wilde) stellte sich als weder dumm noch beugsam heraus und dies wurde besonders klar, als der Hirte seine Herde durch ein Dorf trieb.Schafe wussten wo die leckeren Blumen standen und liefen oft genug ihre eigenen Wege.
    Was ich damit sagen möchte ist, dass es EINE Art von VIELEN Erklärungen gibt, die Christen versucht zu beschreiben ( und damit hoffentlich auch als mündige, selbstentscheidene und freie), wie ihr ja auch schon erwähntet.
    Ich finde es eher tröstlich zu wissen, dass wenn ich mich “ verrenne“, oder mal wieder „kopflos“ handle, dass es da den Hirten gibt, der weiß wo es lang geht und das, wenn ein Problem auftritt, eine Möglichkeit findet mich zu beruhigen und zur saftigen Wiese zu leiten. Der mich sogar rettet, wenn ich im Sumpf drohe zu ertrinken.
    Wir haben mal ein in der „Heide“ ein einzelnes ( für uns verlorenes ) Schaf gemeldet, aber der Hirte meinte nur, dass er es schon gemerkt hätte und wüsste, dass dieses Schaf den Weg schon zu der Herde wiederfinden würde.
    Interessant oder? Keine Rede von dummen Schaf, aber auch ein Hirte, der dem Schaf zutraut, es alleine zu schaffen.
    In diesem Sinne und den besten Grüßen wünsche ich euch allen ein gutes Weihnachtsfest und freue mich auf weitere Hossa talk Gedanken.Eure Silke

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