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#31 Machtmissbrauch unter Christen (mit Ute Aland)

In dieser Folge haben wir u. a. die Studie ‚Warum ich nicht mehr glaube‘ angesprochen (von Tobias Faix, Martin Hofmann und Tobias Künkler). Ihr findet sie z. B. hier.

Den Roman ‚Die Gottesversprecher‘ von Ute Aland findet ihr hier. Und ihren Roman ‚Die Pianistin‘ gibt es hier.

53 Kommentare

  1. Tim Tim

    Halla Jay, hallo Gofi,
    ich höre euch regelmäßig und bin ein Fan, heute fand ich den Talk aber ein bisschen zu oberflächlich, weil er sich meiner Wahrnehmung nach nur mit einer Beschreibung der Tatsache beschäftigt hat, dass es in Gemeinden Machtmissbrauch gibt. Das ist aber nichts Neues. Spannend hätte ich jetzt gefunden, welche Lösungsansätze es denn geben könnte, um dem entgegen zu wirken. Da habe ich nur gehört, dass sich die Leiter halt ändern müssten. (Gofi hat noch kurz die zugrunde liegende Theolgie erwähnt!) Wenn der Missbrauch aber so schleichend Einzug hält, wie ihr richtigerweise festgestellt habt, dann kann der Leiter doch nicht sein eigener Arzt sein. Er merkt ja nicht einmal, dass etwas nicht mit ihm stimmt. Sich mit Enttäuschten zu unterhalten, wird ihn/sie immer nur bestätigen, dass die Mehrheit seinem/ihrem Kurs folgt. Er ist letztlich auch nur ein sündiger Mensch, der wie wir alle, empfänglich für Versuchung ist.

    Mein Vorschlag wäre daher, das gesamte Leitungssystem innerhalb unserer Gemeinden mal etwas kritischer zu beleuchten:
    – warum gibt es überhaupt einen Senior-Pastor?
    – wieso muss ein Angestellter (Pastor) unbedingt predigen?
    – wieso wird er/sie in einer Vollzeitbeschäftigung angestellt?
    – wieso sind im Ältestenkreis nicht die Ehepartner dabei?
    – wie sieht die Agenda der Leitungssitzungen aus?
    – wie ist die Leitung insgesamt organisiert?
    – wieso begibt sich eine Gemeinde in finanzielle Zwänge, die es erfordern den Betrieb am Laufen zu halten?
    – wieso wird es geduldet, dass Menschen in der Gemeinde konsumieren?

    Es erscheint mir, als würden wir auf der einen Seite diese strukturellen Bedingungen als gegeben hinnehmen, obwohl sie meiner Meinung nach Machtmissbrauch fördern; und auf der anderen Seite beklagen wir uns, dass es Machtmissbrauch gibt. Verändert Strukturen können Missbrauch nicht ausschließen, aber sie könnten dem vielleicht ein bisschen entgegen wirken.

    Ich fände es daher echt spannend, wenn ihr euch mal mit den Themen Leiterschaft und Gemeindestrukturen beschäftigt. Ich glaube, dass hier ganz viele Lösungsansätze schlummern.

    Gruß
    Tim

    • Hallo Tim,
      das sind super Anstöße. Danke!!!!
      Ich schreibe mir Deinen Themenvorschlag gleich mal auf.

      LG,
      der Jay

    • Ute Aland Ute Aland

      Ach, lieber Tim.
      Ich teile deine Ansicht, dass viele der üblichen Strukturen krank sind und krank machen und verschwinden müssten.
      Allerdings hat das mit dem Phänomen Missbrauch nichts zu tun. Der existiert in allen Systemen, das kann ich dir schriftlich geben.
      Deinen Vorschlag, die üblichen Systeme im Rahmen eines Hossa-talks mal auf den Prüfstand zu stellen, finde ich allerdings super.
      Ute

      • Ute Aland Ute Aland

        Ich korrigiere mich: Der Satz „Missbrauch existiert in allen Systemen“ ist so natürlich falsch. Er ist in allen Systemen möglich. Es existiert keine „sichere“ Struktur. Natürlich fördern spezielle Strukturen Missbrauch, aber setze in eine organischere Struktur einen charismatischen Psychopathen und schon wird es zu Missbrauch kommen.

        • Ute Aland Ute Aland

          … falls da nicht mündige Christen sind, die dem entgegen wirken.
          So, jetzt ist es richtig,
          Ute

          • Trotzdem, ich glaube, in hierarchischen Strukturen ist es für Missbraucher leichter als in demokratischen oder nicht-hierarchischen.

        • Ute Aland Ute Aland

          nur um Missverständnissen vorzubeugen: mit Charismatisch meine ich hier: ein Mensch mit einer mitreißenden Ausstrahlung.

      • Tim Tim

        Hallo Ute,
        ich stimme dir zu, dass selbst mit den besten Leitungsmodellen und den besten Strukturen Missbrauch nicht auszuschließen ist. Ich finde aber, dass unsere traditionellen, kirchlichen Ansätze häufig so schlecht sind, dass sie Machtmissbrauch geradezu begünstigen. (Das war im Mittelalter schon so, und das ist in unserer heutigen freikirchlichen Szene oft nicht anders.) An dem Rädchen würde ich gerne mal drehen, ohne der Utopie zu verfallen, dass damit alles gut wird. Aber… vielleicht ein bisschen besser. 🙂
        Gruß
        Tim

  2. Birthe Birthe

    Lieber Gofi, lieber Jay, (liebe Ute)
    mal wieder ein sehr guter Hossa Talk. Ihr habt immer wieder sehr spannende Themen und das hier war eins, was mir persönlich sehr am Herzen lag.
    Ich hab, wie du, Gofi, vielleicht weißt, auch schon geistlichen Missbrauch erlebt, der mich psychisch so fertig machte, dass ich kurz davor war, Selbstmord zu begehen. Selbst jetzt noch, acht Jahre später, spüre ich noch die Nachwirkungen von dem aus dem Missbrauch resultierten Burn-out.

    Und das bringt mich zu meinem großen Kritikpunkt: Ute sagte, und ihr habt zugestimmt, dass man als missbrauchte Person auch etwas von diesem Missbrauch hat. Bestätigung oder einen Platz, zu dem man gehört und so weiter. Das hat mich sehr wütend und traurig gemacht.
    Missbrauch ist immer die Schuld von der Person, die den Missbrauch begeht. Missbrauch funktioniert nur, wenn ein Macht-Ungleichgewicht herrscht. Das gilt für geprügelte Ehefrauen und Kinder genau so wie für ausgebrannte Christen.
    Ich werfe euch nicht vor, dass ihr das böse gemeint habt. Ich bin mir auch sicher, dass ihr nicht in jedem Fall auf diese Aussage bestehen würdet.
    Ute beschreibt, dass Sarah die Bestätigung mag und sie das Lob braucht. Damit ist sie aber nicht Mitschuld an ihrer Situation. Dan ist der, der die Autorität hat. Und damit der Einzige, mit Schuld an dem Missbrauch. (Wenn auch ungewollt. Ich glaube, in den meisten Fällen merken und verstehen die Schuldigen nicht, dass sie Missbrauch ausüben)
    Die Welt ist nicht sonderlich nett. Man kriegt im Alltag relativ selten Lob und Bestätigung. Dass sie diese in ihrer Gemeinde sucht, die ein sicherer Ort – sogar so etwas wie ihre Familie – sein soll, kann man ihr – und all den nicht-fiktiven Personen, denen das passiert – wirklich nicht vorwerfen.
    In meinem Fall ging es weder um Lob oder um Bestätigung. Als mir geistlicher Missbrauch widerfahren ist, was ich 17 Jahre alt. Ich blieb nicht in der Situation, weil ich getätschelt wurde und weil ich mich wie ein VIP gefühlt hab. Ich hab innerhalb kürzester Zeit angefangen, meine Situation zu hassen. Aber ich war jung und dumm und unerfahren und ich wusste nicht, dass es überhaupt eine Option ist, da raus zu gehen. Mir wurde erzählt, Gott will, dass ich so weit gehe wie ich kann und dann noch eine Extrameile. Als ich meinem Chef, von dem der Missbrauch hauptsächlich ausging, erzählte, wie schlecht es mir geht, dass ich Panikattacken und Selbstmordgedanken habe und dass ich weg will, sagte er mir, Gott hätte mich hier her gestellt.
    Als Frau, die in die evangelikale Christenblase hineingeboren wurde, waren unbestimmte Schuldgefühle für mich alltäglich. Mein christliches Leben bestand daraus, so gut wie möglich für Gott sein zu wollen und immer zu versagen. Ich werfe es unserer Familie nicht vor, Gofi, dass ich so erzogen wurde. Aber es war die Basis für den Missbrauch, der passierte.
    Ich habe keine Schuld an dem, was mir passiert ist. Nicht mal ein kleines bisschen. Ja, ich hätte gehen können. (Und letzendlich bin ich das ja auch, obwohl es da schon viel zu spät war.) Aber Missbrauch lebt von Manipulation und von Lügen und von Schuldgefühlen und unmöglichen Ansprüchen. Mir wurde erzählt, es wäre Sünde, wenn ich ginge. Und woher hätte ich wissen sollen, dass das Bullshit ist?

    Ich habe nach diesem Erlebnis in einem langen, schmerzhaften Prozess meinen Glauben (und somit Teil meiner Identität) abgelegt. Ich sage nicht gern „verloren“, weil das impliziert, dass man es wieder finden will. Ich hab keinerlei Absicht, mich jemals wieder dem Druck und der Scham des Christentums auszusetzen.
    Es hat mich gefreut, dass ihr erwähnt habt, wie viele Leute sich nach so einem Erlebnis vom Glauben abwenden. Ich fand auch schön, dass ihr – wie ihr das immer tut und was ich an euch sehr schätze – ehemalige Christen wie mich nicht dafür verurteilt.
    Dem Hossa Talk zuzuhören gibt mir immer wieder Hoffnung für die christliche Welt. Wie ihr wisst, lässt man seine Wurzeln nie wirklich zurück. Und auch wenn ich mich sehr offensiv und vehement von Christen (vor allem Freikirchlichen) distanziere, bin ich natürlich für immer mit euch verbunden.
    Danke für die Arbeit, die ihr tut.

    Ich hoffe, meine Kritik war nicht zu harsch. Grundsätzlich kann ich euch nur sagen: Weiter so!

    Ganz ganz liebe Grüße aus Nordhorn,
    Birthe

    • Liebe Birthe,
      vielen Dank für Deinen Kommentar. Das war eine superwichtige Ergänzung. Denn Du hast Recht, die Frage, warum sich Opfer missbrauchen lassen, sucht auf der falschen Seite nach Gründen. Das kommt bei Deinen Sätzen gut heraus. Menschen in und mit Leitungsverantwortung sind die, die alles daran setzen müssen, dass so etwas nicht passiert. Danke. Das mussten/ müssen wir uns sagen lassen!
      Ich wünsche Dir alles Gute für Deinen Weg. Und, glaub mir, ich verstehe nur gut, wenn man den Glauben hinter sich lässt, wenn man so etwas erlebt hat. Da hat bei mir auch nicht viel gefehlt.
      Lg,
      der Jay

    • Gofi Gofi

      Danke, Birthe, für deine fundierte und maßvolle Kritik an uns. Sie ist völlig berechtigt! Man darf auf keinen Fall die Opfer zu Mittätern machen. Aber genau das passiert immer wieder, und daher verstehe ich deine Wut absolut. Das tut mir Leid! Wir hätten unbedingt differenzieren müssen.

    • Ute Aland Ute Aland

      Liebe Birthe.
      Danke, dass du hier nachhakst. Es soll und darf keineswegs der Eindruck entstehen, die Verantwortung der Täter sei in irgendeiner Weise geschmälert. Ich finde auch, als Jugendliche hat man das (ungeschriebene) Recht, sich einem Mentor anzuvertrauen, der einen zu einem eigenverantwortlichen Leben hin führt. Und genau das ist der Punkt. Während meiner Recherchen war ich mal bei einem Treffen von Missbrauchsopfern (ich benutze den Begriff sehr ungerne, da Opfer per Definitionem ohnmächtig sind) Einhellig empörte man sich (zu recht) über die jeweiligen Missbraucher. Dabei blieben diese Täter interessanter Weise auf ihren Sockeln stehen, behielten ihre Machtstellung über die Opfer.
      Meine Erfahrung ist, es ist hilfreich, die eigenen Optionen und somit die eigene Verantwortung in den Vordergrund zu stellen, denn das ist das Baumaterial, aus dem mündiges Christsein erwächst. Du hast das ja auch gemacht. Du hast Verantwortung übernommen, indem du gegangen bist. Übrigens in meinen Augen eine große Leistung, denn junge Menschen müssen sich Mentoren anvertrauen dürfen. Es macht mich unglaublich wütend, wenn Machtmenschen das für ihre Zwecke ausnutzen. Wenn du wüsstest, wie sehr ich mich nach Gemeinschaften sehne, die genau das tun: einander in ein verantwortliches Leben vor Gott führen. Und genau das ist der Punkt: Die Verantwortung.
      Meine Erfahrung ist, dass es der Heilung dient, sich danach zu fragen: was war mein Anteil? Wo hatte ich Optionen? Wo habe ich mir irgendwas als Evangelium verkaufen lassen? Das klingt vielleicht hart, aber nenne mir einen anderen Weg hin zum mündigen Christenleben als diesen: Verantwortung zu übernehmen, da wo eigene Verantwortlichkeit ist. Die Frage nach der eigenen Verantwortung ist nun mal der Schlüssel für Mündigkeit. Für (nach erste Johannesbrief Kapitel 2) „Kinder“ im Glauben ist das natürlich besonders schwer, sie sollten sich eigentlich im Windschatten von Mentoren bewegen dürfen.
      Das Buch „Die Gottesversprecher“ soll dazu dienen, dass Menschen, denen so übel zugespielt wurde, gestärkt werden, ihre ohnmächtige Opferidentität, die ja stabilisierender Teil des grausamen Systemes ist, umwandeln können in entschlossene Mündigkeit.
      Zum Schluss sei noch gesagt: Diejenigen, die Gottes Namen für ihre eigenen Spielchen missbraucht haben, werden dem gerechten Gericht eines zornigen Gottes unterliegen, denn dass Gott darüber zornig ist, das halte ich für wahr.
      Dir auf deinem Weg weiterhin den Segen Gottes, Ute

      • Gofi Gofi

        Hallo Ute, vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast, zu antworten. Ich muss sagen, ich teile Birthes Kritik, und ich bin nicht ganz zufrieden mit dem, was du schreibst. Aber vielleicht verstehe ich dich auch falsch.

        Ich stimme dir zu, dass es für die Genesung von Missbrauchsopfern hilfreich sein kann, wenn sie sich hinterher fragen, in welchem Punkt sie es versäumt haben, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, wo sie ihre Integrität hätten wahren müssen, wo sie sogar konstitutiver Bestandteil der missbräuchlichen Beziehung waren. Das sehe ich auch so. Und ich finde auch, dass das wichtige Schritte hin zu einer persönlichen Mündigkeit sind.

        Aber es ist ja auch klar, dass man keine Mündigkeit von Unmündigen erwarten kann (zB Jugendlichen oder Kindern oder einfach unmündigen Erwachsenen). Das hast du nicht behauptet, mir geht es nur darum, den Punkt nochmal klarzumachen. Wenn man den Missbrauch also moralisch bewertet, dann liegt die Schuld klar bei dem, der den anderen missbraucht hat, egal, welche guten Absichten die Person damit verbunden haben mag. Wenn man den Missbrauch mehr aus systemischer Sicht betrachtet, dann haben Opfer und Täter beide einen gewissen Anteil daran, dass er stattgefunden hat. Das erklärt die Sache aber nur, das bewertet sie nicht. Und ich glaube, dieser Punkt war Birthe besonders wichtig. Denn sonst würde man die Opfer auch noch damit belasten, dass man ihnen eine Mitschuld gibt, weil sie Teil einer missbräuchlichen Beziehung gewesen sind. Und das ist überhaupt nicht abwegig, sondern passiert ständig, zB wenn missbrauchten Frauen vorgeworfen wird, sie hätten den Missbrauch provoziert (ich kenne persönlich so einen Fall, der in einem evangelikalen Missionswerk passiert ist, wo genau das der betroffenen Frau gesagt worden ist). Dass den Opfern eine Mitschuld gegeben wird, soll meistens das ganze (oft missbräuchliche) System erhalten und die Täter entlasten. Und das hast du ja auch ganz klar gesagt, dass du das gerade nicht willst.

        Ich könnte mir vorstellen, dass du das genauso siehst. Es ging mir nur darum, das ganze noch mal etwas zu differnzieren.
        Liebe Grüße!
        Gofi

        • Birthe Birthe

          Danke Gofi. Du hast alles gesagt, was ich auch sagen wollte. 🙂

        • Ute Aland Ute Aland

          Absolut.
          Das Thema Verantwortung hat in meinem Verständnis hier weder etwas mit Schuld noch mit Moral zu tun.
          100% der Verantwortung liegen bei den Tätern, ganz klar. Nichts entlastet sie. Mein Punkt ist eher der, dass es (Ich habe ja gesagt, bei Jugendlichen würde ich Einschränkungen machen) hilfreich ist, sich als Jemand zu erleben, der Handlungsoptionen hat.
          Was ich auf keinen Fall will ist, dass der Eindruck entsteht, man solle den Opfern sagen: Selber schuld!. Das wäre fatal. So will ich nicht verstanden werden.
          Es ist doch der Weg zur Heilung – hinaus aus der Ohnmacht, der völligen Abhängigkeit von sogenannten Autoritäten hin dazu, diese Eigenverantwortung zu übernehmen. Zu prüfen, die Warnsignale, die wir genannt haben zu beachten und dann zu handeln.
          Es geht mir bei dem Thema Verantwortlichkeit eher darum: es ist das Handwerkszeug, das ich unbedingt!!!!!!!!!!!! brauche um mit solchen Situationen umzugehen, sie zu beurteilen, sie zu vermeiden oder aus ihnen heraus zu kommen.
          Das habe ich ja betont: es ist grausam, wenn Jugendliche in solche Situationen geraten, denn sie werden (warum eigentlich?) auch in unseren Gemeinden schlecht auf so etwas vorbereitet. In unseren (evangelikalen) Gemeinden werden die Lehrinhalte in die Jugendlichen eingeprägt und ein Zaun darum gebaut. Sie selber aber werden nicht gestärkt. Sie haben nur die eingeprägten Lehrinhalte der Welt und anderen Überzeugungen gegenüber zu verteidigen. Wie man aber zweifelt, wie man wirklich „prüft“, wie man eigenverantwortlich glaubt, das steht nicht unbedingt auf dem Lehrplan. Das und nur das ist mein Anliegen: darauf hinzuweisen, dass es nicht reicht, zu sagen: der Pastor hat aber gesagt, das ist richtig so und deswegen mache ich das.
          Es ist natürlich die Verantwortung der Gemeinde, wenn Jugendliche das nicht gelehrt bekommen und ungeschützt, unausgebildet in der Übernahme von Verantwortung für ihr eigenes (Glaubens)leben sind. So etwas macht Arbeit, solche Gläubigen sind anstrengend, leichter zu führen sind die, die einfach die Lehrsätze übernehmen und gegen alles Eindringende verteidigen.
          Das allein ist der Grund, weshalb ich auf dem Thema Verantwortung rumreite: nicht um Schuld abzuwälzen, sondern um das Bewusstsein von Würde zu schaffen. Das Wissen: Ich bin nicht zu Passivität verurteilt. Ich bin nicht nur passives. ohnmächtiges Opfer. Ich habe Optionen.
          Pfff, ich hoffe, ich habe die Sache jetzt nicht komplizierter gemacht…

          • Gofi Gofi

            Danke! Das ist superhilfreich, überhaupt nicht komplizierter. Ja, ich stimme dir vollkommen zu.

          • Ute Aland Ute Aland

            Nochmals, Birthe, ich bin echt froh, dass du deinem Unbehagen Ausdruck verliehen hast. Ich profitiere gerade sehr viel davon, denn es fordert mich heraus, noch klarer zu formulieren.
            Wirklich, dein Einwand ist sehr hilfreich.
            Ich habe nämlich viel darüber nachgedacht, was denn Verantwortung ist.
            Ich versuche es mal so: Verantwortlichkeit ist die Fähigkeit/ Möglichkeit, eigene Handlungsoptionen zu finden, zu bewerten und auf dieser Grundlage zu entscheiden. Verantwortung hat mit Schuld also erst mal rein gar nichts zu tun. Der Begriff Schuld ist in diesem Zusammenhang wohl auch nicht hilfreich.
            Um auf das Beispiel mit der misshandelten Frau zurück zu kommen.
            Wir sind uns natürlich einig, dass es in keinster Weise ihre Schuld ist, dass der Mann sie schlagt. Sprechen wir ihr aber Verantwortlichkeit ab, (die Möglichkeit, Handlungsoptionen zu sehen, zu bewerten und auf dieser Grundlage Entscheidungen zu treffen) ist sie völlig angewiesen darauf, dass jemand anders die Entscheidungen für sie fällt. Genau diese Fixierung auf den Täter ist doch das Problem. Ich kenne mich mit dem Problem der Misshandlung in der Ehe nicht aus, was aber geistlichen Missbrauch angeht, versucht das Opfer doch – auf den Täter fixiert – immer so zu handeln und zu sein, dass der Täter keinen Grund zur Beanstandung findet. Auch eine Frau, die 20 Jahre lang hofft, sie könne sich so verhalten, dass der Mann sie nicht mehr schlägt, ist also auf die Handlungsfreiheit des Täters angewiesen. Ist sie sich ihrer Verantwortlichkeit bewusst, steht sie vielleicht schon nach dem zweiten Vorfall mit gepackten Koffern in der Tür und sagt: „So, Karl-Otto, das war’s, mich siehst du nicht wieder“
            Allein die Verantwortlichkeit – meines Erachtens ein großer Teil dessen, was unsere Gottesebenbildlichkeit ausmacht – ermöglicht es dem „Opfer“, sich selber in den Fokus zu bekommen und aus der Gefangenschaft der Täterfixierung auszubrechen.
            Sich also ehrlich zu fragen: „Was hält mich in dieser Situation? Wovor habe ich Angst? Wie will ich leben? Entspricht meine ständige Angst, mein ständiges schlechtes Gewissen dem Evangelium?“ ist Teil der Fähigkeit, die es braucht, zu handeln. (Bewertung der Handlungsoptionen).
            Wahrscheinlich sind die Begriffe „Schuld“ und „Verantwortung“ hier durcheinander geraten.
            Dank also an dich, Birthe für dein Nachhaken. Sehr gut!

  3. Birthe Birthe

    Und übrigens, Themen die ich interessant fände: Abtreibung, Scheidung und Massentierhaltung/Vegetarismus. Vielleicht habt ihr mal Lust, das anzusprechen.

    • Gofi Gofi

      Yep. Danke fürs Mitdenken! Sehr gute Themen!

      • Ute Aland Ute Aland

        Ich habe auch einen Themenvorschlag:
        Über die hohe Kunst des Zweifelns.
        Damit aus Zweifeln keine Verzweiflung wird,
        was ist hilfreich?
        Was schadet?
        Gibt es „Handwerkszeug?

    • Scheidung wäre echt unbedingt dran, finde ich. Meine beste Freundin hat zwei Ehen mit Brutalos hinter sich und wurde, als sie sich scheiden ließ, aus der Gemeinde ausgeschlossen, ihr Ex war dann das arme Opfer.

  4. Ute Aland hat tiefe Weisheiten Gottes vermittelt mit dem Sterben und sich verlieren können im Christi Sinne.
    Leider wart ihr Jay und Gofi zu stark auf das Thema aus, als Geschehen, anstatt auf die Lösungsvorschläge für alle Christen/Menschen einzugehen die Ute Aland immer wieder dazwischen warf.
    Der Talk war darauf gerichtet, weil ihr euch vorbereitet habt. Aber steht in ihren Büchern nur
    das Negative. habt ihr selbst (ich habe die Bücher nicht gelesen) tatsächlich nur das Negative?

    Nun, so war es. Ist jetzt so. Vielleicht beim Nächsten mal. Nach meiner Einschätzung. Ute Aland brachte den Talk Theomässig in Qualität.

    Ein dankbarer Gast für einen Podcast.
    Bitte nochmal einladen und mehr bestimmen lassen worüber sie reden will.
    Wenn das auch mal okay für euch ist.
    dagobertrrck

  5. Ute Aland Ute Aland

    Hi Dagobertrrck
    Vorab Danke für deine freundliche Einschätzung meiner Beiträge. Was deine Eischätzung des Gespräches angeht, bin ich anderer Meinung; ich habe mich sehr wohl gefühlt mit Jay und Goofi und fühlte mich auch nicht gegängelt. Allerdings – wenn das dein Punkt ist – wir hätten sicher noch sehr gut weiterquatschen können und wären bestimmt noch auf viele interessante Gedanken gekommen.
    Aber wir hatten das Thema ja vorher festgelegt, weil wir es alle für wichtig halten und da ist es goldrichtig, in der Spur zu bleiben.
    alles Gute, Ute

  6. Elbenfrau Elbenfrau

    Ich frag mich… wo sind die Leiter hier, die sagen, wir haben da mitgemacht, aber wir wollen das nicht mehr. Meistens fliegen sie doch raus aus den Gemeinden, oder halten es nicht mehr aus. Helfen würde (wenn es jemand schafft) radikale Ehrlichkeit und Umkehr der Manipulierer. Aber das blöde ist.. dann ticken sowohl die Dachverbände, als auch die „linientreuen“ Schäfchen aus. Die Leuten, denen am Sytem viel liegt, die es vielleicht auch echt in dem Moment positiv empfinden, vielleicht sogar brauchen. (Ein Brutkasten ist wichtig für ein Frühchen, vielleicht ist auch eine verengte Moral zeitweise gut für manche Leute, wie z.B. Ex-Junkies während ihrer Reha… aber niemals als Dauerzustand für ein ganzes Gemeindeleben)…

    und, liebe Birthe… was wäre gewesen, wenn du gemerkt hättest, da hinterfragen sich Leiter, offen und ehrlich und verletzlich, und machen sich dran, da was zu ändern? Sich bei denen zu entschuldigen, die sie manipuliert haben? Immer wieder drauf achten würden, nicht übergriffig zu werden? Ihre eigenen momentanen Erkenntnisse nicht als „Schlüssel zur Erweckung“ zu verkaufen. Den Menschen zuhören, einfach als „Bruder“.. nicht als Chef? Hätte dir das geholfen? Also, mir hätte es sehr geholfen. Ich hoffe, daß ich dich jetzt nicht genervt habe, und würde mich über eine Antwort von dir freuen. Es gibt so viele Birthes in meinem Freundeskreis. Weit mehr als die, die ihren Glauben nach dem Ausstieg behalten haben.

    • Ute Aland Ute Aland

      Liebe Elbenfrau.
      das Verhalten, das du beschreibst, diese Offenheit und Demut seitens der Leiter ist auch mein Traum. Das ist natürlich nicht nur seitens der Leiter „aus dem Nichts“ zu erwarten, sondern muss Gemeindekultur von Anfang an sein. Dass das leider sehr oft anders erlebt wird ist übrigens genau das Thema meines Buches „Die Pianistin“. Mich beschäftigt das sehr, wieso Christen authentische (nicht gefrömmelte) Schwäche so schwer zulassen können.
      Die Bergpredigt sagt uns da Wesentliches zu. Wäre sie wirklich die Verfassung (also das äußere Erkennungsmerkmal) unserer Gemeinden, wären diese auch heilsam und würden ihre Identität als Verkörperung Christi (der fleischgewordenen Bergpredigt) frappierend entsprechen.
      Fazit: bringe ein Jeder einzelne den Mut auf, ehrlich zu sein. Langfristig ist das nämlich ansteckend, wenn auch sehr risikoreich.
      Gott befohlen, Ute

      • Elbenfrau Elbenfrau

        Liebe Ute (und auch liebe Hossas).

        Das Thema Mißbrauch ist ein eben so wichtiges wie auch unapetittliches Thema. Wenn ich mich zu viel damit im Kopf beschäftige, merke ich, wie es mir geradezu den Zahn ziehen kann. Eigentlich war schon immer mein Wunsch, Menschen um mich rum was Gutes zu tun, wenn ich ihnen bei Gelegenheit etwas von Jesus sage oder auch vorlebe… und eigentlich wäre das Vorleben gigantisch viel toller mit anderen zusammen. Oft sitzen wir aber dann doch nur rum und unterhalten uns drüber, was falsch gelaufen ist. Was übel und absolut indiskutabel war. Irgendwie will ich gerne mal wieder welche (hier in meiner Nähe) finden, mit denen zusammen wir das positive wiederentdecken können. Das ist vielleicht auch das, was du oben meintest, daß man die Opferrolle hinter sich lassen kann. Ich bin kein Mißbrauchsopfer, sondern ich hab mich da etwas verheddert, meine Motive waren aber eigentlich immer, daß ich es richtig machen wollte, aus Liebe zu Gott. Und, ganz anders wie die Oberheiligen es lehren, ist es keine grobe Sünde, Fehler zu machen. Unreif zu sein. Sünde ist es nur, wenn man es macht um seine Position zu festigen und andere zu unterdrücken/zu mißbrauchen. Sonst ist es eine Kinderkrankheit :). Ich freu mich immer sehr, wenn ich was von Leuten höre, die aus ihren Fehlern gelernt haben, nicht an ihnen zerbrochen sind. Was ich aber noch sagen will.. die Charismatiker sind beileibe nicht die einzigen, die mißbrauchen können. Andere Gruppieren machen es auf eine andere Art, ziehen die „du gehorchst nicht dem WORRRRT.“-Nummer ab und bauen dadurch genau so viel Angst und Druck auf. Nur Anti-Charismatisch zu sein, macht einen nicht zu einem respektvollen Mitmenschen. LG, die Elbenfrau

        • Ute Aland Ute Aland

          Liebe Elbenfrau,
          ich gebe dir recht, es wäre ein kapitaler Fehler, die Charismen in irgendeiner Weise mit geistlichem Missbrauch in Verbindung zu bringen. Ich liebe die Charismen, finde, wir sollten uns wirklich mit ihnen beschäftigen und uns von dem heraus fordern lassen, was die Bibel dazu sagt.
          Ich habe nach dem Erscheinen der Gottesversprecher Menschen kennen gelernt, die nach Missbrauch innerhalb von „charismatischen“ Gemeinden zu deren dogmatischen Hassern geworden sind und nun mit der gleichen blinden Vehemenz, mit der sie wahrscheinlich vorher „pro“ waren, nun „contra“ sind.
          Die gleiche unerschütterliche Überzeugung, die Bibel nun wirklich verstanden zu haben und die „Feinde des Wortes“ bekämpfen zu müssen. Das macht mich ziemlich traurig, weil sich im Grunde nichts geändert hat.

  7. Warum nicht -in allem Respekt- dem allmächtigen Gott mal die Schuld geben.
    Also jetzt rein als Talk darüber.

    Weil, bei den gut formulierten Beiträgen von Frau Aland, jetzt auch hier im Kommentar,
    und die Hilfetexte zu Birthe sind echt gut,
    ist die Frage, wie es schon überhaubt soweit kommen konnte, dieser Mißbrauch,
    (und damit meine ich nicht Opfer, Täter-Verhalten), sondern,

    in wieweit lässt sich dies Mitdenken können, wenn man den allmächtigen Gott, Jesus Christus im NT mit hineinnimmt?

    (Ich frage dies auch deswegen, weil Hossa-Talk zwar hier ein Fass aufgemacht hat, und dies auch nötig ist, und wahrscheinlich bis zum Ende der Welt so nötig ist,
    aber

    auf lange Zeit gedacht doch nur dann Sinn macht und Hilfe bringt,
    wenn man vom Gesamten her einmal die Sache angeht.
    Dazu hätte ich auch gerne wieder Ute Aland dabei, von ihr erhoffe ich mir Einsicht. Praktisch und ! Theologisch. aber Vorschlag: zweier/dreier/vierer Talk:
    Pastor Hans-Peter Mumssen mit dazu, oder Wolfgang Heide oder Greg Williams.

    Vielelicht, äh vielleicht als „Hossa-Talk-Show“.

    Überschrift über den Talk könnte dann auch sein “ Ist die Gute Nachricht für jeden gut?“
    oder „Hatte Jesus keine Ahnung, als er die Evangelisten begabte?“ und,
    „was gibt es noch für gute Nachrichten, die nicht stimmen in der Bibel.“
    oder: „Die Heile Welt in der Theologie der Bibel, von Jesus, Paulus,.. und Gott! Gibt es die noch?“
    oder: „Gott, mehr als nur Gedanken?“

    Adrian

  8. bernd berndman bernd berndman

    Ich interessiere mich sehr für das Thema, nicht nur im engsten Sinne geistlicher Mißbrauch – sondern generell, also z.B. auch falsche Gottesbilder die Kinder haben können und die problematisch werden können.

    Frage: Kennt jemand andere Romane, Autobiographien die sich mit der Thematik befassen?
    Ich mache mal den Anfang mit
    Tilman Moser: Gottesvergiftung
    Claudia Schreiber: Ihr ständiger Begleiter
    (und die genannte Studie: Warum ich nicht mehr glaube)

    lg bernd

    • Hallo Bernd,
      Zwei Filmempfehlungen in dem Themenbereich:
      1. Kreuzweg
      Da habe ich ungefähr vor nem Jahr auf der Hossa FacebookSeite mal was langes zu geschrieben.
      2. Higher Ground

      Beides SEHR sehenswerte Filme zu der Thematik.

      LG,
      der Jay


      • Hossa Talk
        March 5, 2015 ·
        „Kreuzweg“
        Wo wir uns in der aktuellen Woche bei Hossa Talk immer noch mit dem Thema Kunst beschäftigen, möchte ich (Jay) eine kleine Filmempfehlung aussprechen, die gut dazu (und zu den aktuellen Debatten über religiösen Extremismus) passt: „Kreuzweg“.
        (Achtung, was folgt, ist nicht bloß eine Filmempfehlung sondern eher eine Filmanalyse, mit vielen Bezügen zu meiner persönlichen Sicht des Glaubens, der Kirche und dem ganzen Rest… Ist ein langer Text. Ich finde, er lohnt sich. Würde mich freuen, wenn das jemand liest… 😉 )
        „Kreuzweg“ in kleiner deutscher Film aus dem letzten Jahr. Eine bemerkenswerte Studie über den Wunsch gottgefällig zu leben, verzweifelten, blinden Glauben und daraus resultierenden religiösen Wahn. Eine schmerzhafte Mutter-Tochter Geschichte über ein Mädchen, das seinen Platz in der Welt sucht und unter anderem an der Aufspaltung ihres weltlichen und ihres familiär-religiösen Ichs zerbricht (ähnliches beobachte ich in der Schulsozialarbeit immer wieder bei pubertierenden muslimischen Schülerinnen). Hier am Beispiel der 14jährigen Maria, die sich in den düsteren Strängen eines rigiden katholischen Fundamentalismus verfängt.
        Das ist natürlich nichts Neues, es gibt ja viele Filme mit ähnlichen Motiven. Das Spannende an „Kreuzweg“ ist, dass er nicht bloß durch seine Einteilung in 14 Szenen mit eingeschobenen Kreuzwegüberschriften den Filmtitel nachstellt, sondern es auch optisch mit einer ganz eigenen Ästhetik schafft, den Titel so einzufangen, dass der Film geradezu wie bewegte Kirchenbilder wirkt. Und das obwohl er in der heutigen Zeit spielt, die Akteure Auto fahren und auch keine Kleidung tragen, die irgendwie nach Sandalenfilm oder Mittelalter aussehen. Alles ganz normal also, bis auf die Bildsprache. Der Regisseur erreicht den Eindruck dieser „Kirchenästhetik“ allein durch die Kameraeinstellung und die Positionierung der Schauspieler. Und das ist schon wirklich beeindruckend.
        Durch diese Bilder, die einen in eine Art religiösen Bann locken (besser kann ich es nicht ausdrücken) und dem immer unausweichlicheren Abgrund auf den die Protagonistin Maria auf der narrativen Ebene zusteuert, entsteht eine ganz besondere Spannung, die zum Einen unglaublich gut vor Augen führt, wie viel die Wirkung von Kunst nicht nur ihrem Inhalt sondern auch ihrer Form zu verdanken hat und zum Anderen die Aussage des Films faszinierend unterstreicht.
        Auf inhaltlicher Seite muss man klar sagen, dies ist kein glaubensfreundlicher Film. Das Ende des sich zuspitzenden Dramas ist spätestens dann kein Geheimnis mehr, wenn man sich klar macht, worauf ein „realer“ Kreuzweg zugeht. Aber Jesus war ja auf seine Art auch kein glaubensfreundlicher Kerl. Deshalb freue ich mich immer, wenn mir Filme ein mulmiges Gefühl bezüglich meines eigenen Glaubens bereiten. Wenn sie „getünchte Gräber“ flüstern, „Schlangenbrut“ und “ Otterngezücht“. Wenn sie mir an Jesu Stelle das spiegeln, wofür ich selber bzw. die Kirche die meiste Zeit über viel zu betriebsblind bin. Dafür danke ich den Filmemachern.
        Für mich als religiösen Insider, der vielfach ähnliche – wahrscheinlich glücklicher Weise nie ganz so krasse – Geschichten aus den protestantischen Spielarten krank machenden Glaubens mitbekommen hat, ist „Kreuzweg“ ein zwar filmisch verdichteter Fall von religiösem Bullshit – aber kein unrealistischer. So etwas passiert. Und nicht zu selten. Und was die Filmemacher uns hier im katholischen Gewand zeigen, ist, glaube ich, genauso in protestantische, muslimische, jüdische, hinduistische und sonstwie religiöse Welten übertragbar. Die Mechanismen mit denen (gut)Gläubige eingefangen und auf Gott eingeschworen werden und mit denen man sich dann selbst immer tiefer in frömmelnden Blödsinn hinein manövrieren sind universell. Die funktionieren überall gleich. Auch die Umstehenden Katalysatoren des Bösen (halb Täter, halb selber Opfer) sind wahrscheinlich in allen Religionen ähnlich gut meinende Leute, die ja eigentlich nichts Böses wollen, sondern bloß dem Herrn dienen, Nachkommen Abrahams eben, die bereit sind ihre Kinder auf den Befehl Gottes hin zu opfern, alles im Namen der Reinheit, der Wahrheit, der Liebe. Die dann hinterher, wenn das Opfer noch raucht und keine Stimme vom Himmel eingeschritten ist, es zu verhindern, über den entstandenen Schaden die Achseln heben und sich irritiert umsehen … und sich dann daran machen den Nächsten zu lieben… das Werk des Herrn will getan sein, gelobt sei der Name des Herrn…! Selbst die Götter sind austauschbar, tragen nur andere Mäntel, sind letztlich überall dieselben: Sehnsucht, Angst, Gehorsam und Kontrolle.
        Bisweilen tut es richtig weh, dem zuzuschauen, was auf der Leinwand vor sich geht (ich habe mehrmals die Mutter der Protagonistin wüst beschimpft – keine Angst, ich war allein zuhause). Dennoch ist es nötig, sich so etwas anzusehen, finde ich. Extremismus – das sind nicht nur die anderen (und bitte, liebe Christen, bitte kommt jetzt nicht gleich mit dem „ja religiös sein, ist schon schlimm – wahre Christen haben ja aber eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus“-Blödsinn … unsere Psychiatrien sind voll von Leuten mit einer persönlichen Beziehung zu Jesus!). Das sind auch wir. Hier kriegt man auf jeden Fall einen packenden Blick in solch einen Abstieg in die gruseligen Verliese des Glaubens präsentiert – und zwar auf höchstem künstlerischen Niveau.
        Blaise Pascall hat mal treffend gesagt: „Nie tun Menschen grauenhafte Dinge so gründlich und glücklich wie aus religiöser Überzeugung.“ Ich füge hinzu, dass Gott (und damit meine ich auch meinen eigenen!) anscheinend manchmal das Schlimmste zu sein scheint, was einem Menschen passieren kann. Dieser Gedanke macht mich sehr traurig. Schließlich bin gerne gläubig. Aber wenn ich an Geschichten wie der dieses Filmes denke, komme ich zu keinem anderen Schluss. Atheismus ist für mich persönlich nicht die Konsequenz, die ich aus diesen Gedanken ziehen kann (wiewohl ich nicht nur Verständnis dafür habe, wenn andere dies tun, sondern manchmal tatsächlich keine andere Lösung für sie sehe und sie deshalb, auch so gut ich kann, darin unterstütze, ihren Glauben wieder loszuwerden). Aber Atheismus ist für mich keine wirkliche Alternative. Dafür bringt der Glaube an Gott auf der anderen Seite zu viel wundervolles hervor. Jesus, Martin Luther King, Gandhi, Franziskus, Nelson Mandela (um nur mal die üblichen Verdächtigen zu nennen): was mich an diesen Menschen fasziniert, ist gerade die Verbindung aus einer innigen, äußerst gesunden (d.h. kraft- und lebensspendenden) Spiritualität und einem gelebten Leben, das eben nicht bloß um sich selbst oder um den Innenhof einer bestimmten Religion und Weltanschauung kreist. Von solchen braucht die Welt nicht weniger sondern mehr Leute, denke ich. Und wenn ich das Leben solcher Leute betrachte, dann ist ihre Spiritualität eben kein unbedeutender Teil dessen, wofür sie stehen. Deshalb kann ich nicht an Atheismus als Alternative glauben.
        Aber deshalb verstört es mich auch immer wieder, dass Jesus nicht nur das Beste sondern auch das Schlimmste sein kann, was Menschen passiert. Mir fällt kein anderer Umgang damit ein, als diese Verstörtheit zuzulassen und zu bewahren. Aber das ist gar nicht so einfach. Das System Religion funktioniert auch bei einem selbst ganz großartig. Man ist ja gerne nachsichtig mit seinem Gott, übersieht großzügig dessen Schattenseiten und spendet ihm nur allzu gerne die Absolution seiner Sünden, betrinkt sich am Rausch der eigenen Religion mit Wonne, hurt mit ihren Schriften und Worten so lange bis sie sich reimen und man die Verse anderen um die Ohren hauen kann… Daher danke ich Filmemachern wie diesen für ihren Blick hinter den Schrebergartenzaun meiner Religion.
        Das ist übrigens einer der Gründe, warum ich Hossa Talk mache, weil ich mir schmerzhaft der Schwäche meiner eigenen Religiosität bewusst bin, der meiner eigenen Religion und Glaubensgemeinschaft (und damit auch der meines Gottes, wenn man so will). Und ich hoffe, solange ich darüber noch im Gespräch bin, Witze reißen und nachdenken kann, solange ist die Welt vielleicht noch sicher vor meinem Glauben, so lange hat sie vielleicht sogar mehr davon, dass ich glaube, als wenn ich es nicht täte. Und das ist auch der einzige Prüfstein, den ich für zulässig erachte: Kreiert ein Glaube, dass irgendjemand anderes Welt eine bessere wird? Wenn nein, ist er nicht mehr als ein Hobby. Dann kann man auch segeln gehen. Und wenn er gar das Gegenteil bewirkt, ist es höchste Zeit, ihn loszuwerden.
        Gott ist ein zweischneidiges Ding. Das zeigt der Film deutlich. Wir sehen jeden Tag in den Nachrichten, was für schreckliche Dinge im Namen von Göttern begangen werden. Aber wenn ich durch die christlichen Debatten meiner Facebook-Timeline scrolle, stelle ich fest, dass Christen hier nicht wirklich mit dem Finger auf andere Götter zeigen können. Nach allem, was ich da so lese, sind Christen keinesfalls besser – höchstens von staatlichen Gesetzen besser kontrolliert. Wem das allzu pessimistisch ist, möge mir verzeihen (und mir gerne widersprechen). Ich habe jedenfalls genug davon, Argumente zu hören, welches die bessere Religion sei. Zeig es mit Deinem Leben und/ oder halt den Mund.
        Punkt.
        Filme wie diesen brauchen wir also, um uns immer wieder neu der Schönheit und Hässlichkeit dessen bewusst zu werden, was wir Gott nennen. Kreuzweg also. Ich liebe es, wenn Kunst mich dahin bringt, mir solche Gedanken zu machen.
        Ach ja, wer bis hierher durchgehalten hat (ist da noch jemand?) fragt sich nach dieser etwas ausufernden Filmanalyse vielleicht, wem ich den Film nun empfehlen würde und ob er sich für den Schul-, Konfirmanden- oder Firmunterricht eignet? Da der Film in der Lebenswelt einer Jugendlichen spielt, finde ich ihn durchaus auch gerade für Konfirmanden interessant. Allerdings kann es gut sein, dass seine „spröde“ Inszenierung (die mich ja gerade angesprochen hat) hier nicht nur von Vorteil ist. Aber älteren Jugendliche (und auch Eltern!!!) kann man das schon zumuten, finde ich und sollte es auch.
        Wenn ich Gott wäre, würde ich jeden Christen dazu verpflichten „Kreuzweg“ einmal pro Jahr anzuschauen. Vielleicht ist es ganz gut, dass ich es nicht bin… 🙂
        Kreuzweg: 10/10 (gebe ich nicht oft!!!)
        http://www.moviepilot.de/movies/kreuzweg

        • JK JK

          Ja, dieser Film ist sehenswert!

        • Patrick Rabe Patrick Rabe

          Lieber Dagobert, wow, ich bin sprachlos! Ich habe bis zum Ende durchgehalten, danke, du! Berührt mich sehr, was du schreibst. Ich glaube, ich werde mir „Kreuzweg“ nicht reinziehen, das wäre bei meiner Geschichte selbstverletzendes Verhalten. Aber dank deiner Filmanalyse habe ich ja ein anschauliches Bild. Ich habe nach nachhaltigem, geistlichen Missbrauch ja nun seit drei Jahren zum christlichen Glauben zurückgefunden, weiß aber auch, wie wichtig der gegenseitige Dialog ist und bleibt, eben auch über den Tellerrand seiner eigenen Konfession oder Religion hinaus (deswegen Hossa Talk!). Ich stelle immer noch manchmal prägungsbedingte Negativeffekte des Glaubens an mir fest, wo das erlernte einfach tief in den Knochen sitzt. Und -klar- das sind dann die Momente, in denen ich mich frage: Würde ich als Atheist oder Buddhist nicht besser leben. Aber da kommt dann mein wahres Selbst ins Spiel. Ich glaube ja nun mal an Jesus und ich erlebe Gott und der Glaube ist für mich kein Kosten-Nutzen-Ding ala: Wenn ich keinen Profit mehr davon habe, sammel ich eben lieber Briefmarken. Sondern der Glaube ist tiefster Bestandteil meiner Seele. Daher weiß ich, dass es sich immer lohnt, um seinen Glauben zu ringen. Berichtigung: Ich um meinen. Anderen will ich nichts vorschreiben. Traurig nehme ich zur Kenntnis, das immer noch im Namen der Religion Menschen ermordet und manipuliert und gegängelt werden. Ich kann nur jedem gläubigen Menschen raten: Identifiziert euch nicht DAMIT. Sondern mit dem Funken Licht, Liebe und Frieden in eurer Religion. Der Mensch baut scheiße. Vielleicht der religiöse noch mehr als der a-religiöse, alleine schon dadurch, dass er einen positiven maßstab hat, der ihn leitet. Und Organisationen sind in der Menschheitsgeschichte immer wieder Macht und Mammon verfallen. Jesus spricht zum Herzen (Buddha, Mohammed, und Lao Tse auch). Wenn „Gemeinde“ zu negativ irritiert, kann ich jedem Gläubigen nur empfehlen, erstmal auf Abstand zu gehen. Das Licht leuchtet auch im Rotlichtviertel (und nicht nur das rote). Danke für diesen schönen Kommentar. Made my day! Liebe Grüße, Patrick

          • Nur der Vollständigkeit halber, die Filmbesprechung von Kreuzweise stammt aus meiner Feder. 🙂 Ich hatte sie auf Facebook veröffentlicht und ein paar Kommentare über diesem hier einem Leser empfohlen. Dagobert hat sie, um dem Leser das Auffinden zu erleichtern, von Facebook kopiert und in seinem Kommentar veröffentlicht. Wäre vielleicht gut gewesen, wenn er es deutlicher gekennzeichnet hätte, dass der Text von mir ist.
            LG,
            der Jay

      • dagobertrrck dagobertrrck

        Higher Ground gerade gesehen ! Der Film gibt so stark die damalige eigene Zeit wieder 1986. Und die Predigt war exakt dieselbe die ich hörte. (Mikroklopfen, Jesus will in dein Herz).
        Und die Erklärungen über ein Gottgefälliges leben, der Kampf gegen einen Satan, der Kampf Zungensprache haben zu s(w)ollen, das ganze Programm.
        Solch ein Film ist wirklich eine Zensur und eine Ausnahme an Wahrhaftigkeit, wer sowas sich traut zu filmen. Der Film folgt Corinne Walker (Farmiga) und ihrer schwankenden Beziehung zum Christentum.
        Corinne stellt irgendwann ihren Glauben in Frage.
        In der letzten Szene besucht Corinne einenGottesdienst, um Ethan zu sehen und die Kinder singen; Sie greift dann das Mikrofon und gibt schließlich eine Rede vor dem Pastor und der ganzen Gemeinde, spricht über ihre Lebenserfahrung mit dem Glauben, ihre Zweifel und was es bedeutet, auf „höherem Boden“ zu stehen.

        Ich hatte gedacht diesen Filmtipp bei der Hossa-Folge https://hossa-talk.de/60-der-wahre-jakob/ zu finden.
        ZumB eispiel bei der Stelle:“Über die Sehnsucht danach, dass es wirklich wahr ist “ https://hossa-talk.de/60-der-wahre-jakob/#t=21:10
        Oder auch bei der Stelle : „Nach dem Heil Gottes Ausschau halten“
        Jay „Verabschieden davon wo Heil drauf steht kein Heil drin steht!“

        Nun, es war nun mal hier. Aber die Folge von https://hossa-talk.de/60-der-wahre-jakob ist schon ein Schmuckstück hier auf http://www.Hossa-Talk.de

        Aber in Folge 25 beschreibt Jakob auch, wenn er Angst vor dem Tod hat:
        „Einer der Hauptpunkte, die mich am Christentum scheitern lassen“ gab er hier zum besten: „Wo die Auferstehung aufscheint“ https://hossa-talk.de/25-jesus-lebt-oder/#t=34:36.949

        Gofi sagt darin: „Die Auferstehung Christi muss sich am Leben messen lassen.“

        Ich denke, dazu war auch der Film ganz gut anzu sehen.
        Danke für den Tipp. Bei amazon ist er leider nicht im Angebot. Aber als Cloudstream.

        Jetzt habe ich gestern aber auch noch einen „Fremdgänger-Jay“ gehört.
        Der passt hier natürlich voll rein.
        Bei Podcast Frommundfrei labert Jay nochmal etwas entspannter. Mit der Folge bei Tiefseetauchen auf Bibeltv (ich mag den Sender nicht, aber das Konzept von Jens Böttcher) und den Jakob hier bei Hossa, hat man ein klasse allroundpaket.
        Also bei Frommundfrei: https://frommundfrei.net/ff003-jakob-friedrichs-wenn-der-eigene-glaube-am-leben-scheitert/ Kommt sogar noch ein zweiter Teil.

        Wer den Film schauen will: (muss man aber manchmal viele Popups weg drücken.
        http://streamcloud.eu/fxery2c9l6px/Higher.Ground.Der.Ruf.nach.Gott.German.AC3D.HDRip.XViD-FuN.avi.html

        • Freut mich, dass du dir Higher Ground angeschaut hast. Ist ein wirklich sehenswerter Film. Danke auch für deine vielen guten Gedanken, Dagobert. Schön, mit dir zusammen auf dem Weg zu sein.
          LG,
          der Jay

          • Gofi Gofi

            Ich denke nicht, Dago. Illegale Inhalte streamen ist verboten. Aber kostenlose Inhalte können weiter gestreamt werden und die, die keinem Copyright unterliegen.

  9. Moment mal, ihr Hossas! Auf eurem Bild, zwischen Notebook und Eistee, liegt da ne Knarre? 😮

    • Musste gerade selber nachschauen…
      Yep. Ist ne Knarre. Sozusagen das Easteregg zum Machtmissbrauch. Schön, dass es endlich mal jemand entdeckt hat. 😉
      LG,
      Der Jay

  10. Patrick Rabe Patrick Rabe

    Liebe Freunde,

    ich nehme nochmal auf Dagobert Rick’s letzten Kommentar bezug. Das folgende ist keine Kritik an Dagobert, von dem ich weiß, dass er seinen Glauben ernst nimmt. Es ist mehr so eine Beobachtung. Also „Christlicher Glaube oder Segeln gehen?“ Mich befremdet der postmoderne Umgang mit Glaubensdingen schon eine ganze Weile. Ich sehe da Menschen, die sind heute Christ, morgen Buddhist und übermorgen Anhänger des HSV. Wenn aber der Glaube keine Herzensangelegenheit ist, sondern nur ein Tool, das mich besser durch den Tag bringt, welches Recht habe ich dann, andere mit meinem Glauben zu belatschern, oder Sollenssätze für mich und andere daraus abzuleiten? Wenn man das zuende denkt, ist man im House of Horrors. In vielen freikirchlichen Gemeinden, in denen so eine „es bringt Bock, Jesus zu liken“-Stimmung herrscht, habe ich manchmal den Eindruck, es ist für viele junge Leute nur eine Phase, wie für andere ihre Gothic-Phase oder Punk-Phase. Ich stehe jedem seine wie auch immer gearteten Phasen gerne zu, muss aber sagen, für mich ist der Glaube nie eine Phase gewesen, und es war mir noch nie Banane, WAS ich glaube. Und natürlich war z.B. die Homosexuellenfrage ein Prüfstein für mich. Ich war NICHT in der Lage, einfach zu sagen: Okay, die Bibel ist gegen Schwule, dann bin ich’s jetzt auch! Denn mir war nur zu klar, dass das MENSCHEN sind. Die auch ein Recht auf Leben und ihr SO SEIN haben. Mir war ebenso klar, dass die Erkenntnisse der modernen Forschung zweifelsfrei belegen, dass Homosexualität eine VERANLAGUNG ist, und keine freie Entscheidung zu „sündiger Lust“. Heute stehe ich wieder, nach reiflicher Überlegung auf der Pro-Gay-Seite, aber es war ein langes Ringen. WEIL ich sowohl die Schrift, als auch die Menschen ernst nehme.

    Der Glaube ist für mich eine Sache des Herzens und der inneren Heimat. Ich könnte ihn niemals gegen etwas anderes eintauschen. Übrigens: Der nette Mensch, der mich damals in die Pfingstgemeinde brachte, erzählte mir vor einigen Jahren: „Ich interessiere mich nicht mehr für den Glauben, ich interessiere mich jetzt für Fußball!“ Da fiel mir echt alles aus dem Gesicht. Das war der selbe Mensch, der mich hart kritisiert hat, weil ich damals zaghaft anmerkte: „Also, ich stehe Schwulen und Lesben liberal gegenüber.“ Ich bin vielleicht eindeutig ein Kind der 1980er oder ein Kind von Sonstwiewatt, aber dieses „Ich wechsel den Glauben öfter als meine Unterhose.“ kommt mir schräg vor. Das hat bei näherem Hinsehen ÜBERHAUPT nichts mit Dagoberts Kommentar zu tun, sondern nur mit bestimmten Reizwörtern, die darin auftauchten. Wie gesagt: Christlicher Glaube oder Segeln gehen. Petri Heil. Patrick

  11. Patrick Rabe Patrick Rabe

    Aha, Jay, es ist deine Filmbesprechung… ich hätt’s wissen müssen!

    Liebe Grüße, dein auf den Leim gegangener Stadtschrat Patrick

  12. Patrick Rabe Patrick Rabe

    Leute, danke für diese Folge. Jetzt bin ich platt wie eine Flunder. Habe auch gar keine Lust mehr zum Witze machen. Könnte heulen. Bielefeld die geistliche Speerspitze der Republik? Laut einer bekannten Verschwörungstheorie existiert Bielefeld nicht mal. Habe ähnliches über Hamburg gehört: „Hamburg wird ein Leuchtturm der Erweckung sein!“ Fakt: Hamburg beherbergt prozentual die meisten Atheisten der Republik. Und fromme Sprechblasen? Kann ich auch: „Hallelujah, preist den Herrn! Kommt nach vorne und spürt diese Salbung. Jaaa, das ist der Heilige Geist. Heiliger Geist, komme auf diese Menschen, komme auf diese jungen Leute, die vor Sehnsucht nach dir brennen, mach heil! Und jaaa, wenn DU Heilung erfahren hast, gib mir ein Amen! Wenn bei dir gerade Kopfschmerzen weggegangen sind, gib ein Zeugnis! Ja, Heiliger Geist, mach frei von Dämonen! Ihr unreinen Geister, fahrt aus im Namen Jesus Christus! Hast du eben Befreiung erlebt? Dann melde dich, gib ein Zeugnis! Wahnsinn, ich spüre die Salbung im ganzen Raum! Streckt euch nach Gott aus! Heiliger Geist, befreie diese ganze Gemeinde, diese ganze Stadt, dieses ganze Land, mache alle schwulen Politiker hetero und lass sie in die Partei Bibeltreuer Christen eintreten!“ Könnt ihr noch? Ihr müsst zugeben, dass das-bis auf den letzten, satirisch gemeinten Satz- Originalton ohne jede Übertreibung ist. Gofi, ich habe höchsten respekt vor dir und den Statements, die du in dieser Folge abgegeben hast. Und danke, dass ich dich kennenlernen durfte, um endlich mal „the inside of Dan“ zu verstehen, zu respektieren und auch wieder ein Stückweit lieben zu lernen. Vielen Dank für deine Ehrlichkeit und Menschlichkeit! Sie hilft mir, meinen alten Gemeindeleitern zu vergeben. Heute gehe ich mit einem alten evangelkal-pfingstlichen Kumpel was essen. Er ist noch voll bei der Stange, und eine Sub-Szene wie Hossa Talk oder so kann man ihm sicher nicht nahe bringen. Aber ich freue mich total auf das Essen mit ihm und dank dieser einigenden Hossa-Folge hab ich ihn jetzt noch doller lieb. Ich freu mich einfach, dass ich immer noch auf Gottes toller Erde rumhampeln darf, und dass es Menschen wie euch gibt. Hossa Talk ist wichtig. Ihr leistet einen enorm wichtigen Beitrag zur Heilung von Wunden, und zum Erweitern von Tellerrändern. Und erspart sicherlich manchem den Therapeuten. Danke. Euer Patrick

  13. Patrick Rabe Patrick Rabe

    Natürlich nicht „einigenden Hossa Folge“ sondern „reinigenden Hossa Folge“ obwohl das andere auch ein schöner Freud’scher Verschreiber ist…

  14. Die Warnhinweise für geistlichen Missbrauch am Schluss, die treffen inzwischen auf mich zu, aber irgendwie erst seit ich aus diesen Systemen raus bin… seltsam.

  15. Een Een

    Vielen Dank für diesen Talk! Schon komisch, ich habe ihn heute zufällig gehört, weil er beim „Binge-Hören“ jetzt nunmal an der Reihe war… ihr kennt das.
    Ich bin seit etwa einem Jahr begeisterte Hossa- und Worthaus-Hörerin. Das begann etwa zur selben Zeit, zu der ich nach einer Kindheit in sehr engen Strukturen erstmals wieder Teil einer Kirche zu sein versuchte. Ich habe allerdings schnell aufgehört, zum Gottesdienst zu gehen, weil ich die theologischen Ansichten einfach nicht hören konnte. Den Hauskreis habe ich jedoch sehr zu schätzen gewusst.
    Zufällig wurde ich gesternnun aus meinem Hauskreis gebeten, weil meine kritischen Bemerkungen, und die von einer anderen Person, die ebenfalls zu gehen musste, den Großteil beim „Auftanken mit Gott“ gestört haben.
    Jetzt trifft der Talk mich deswegen so, weil ich die Frauen, die dafür verantwortlich sind, gestern noch als enge Freundinnen bezeichnet hätte. Jetzt beschäftigt mich der Gedanke, wie schnell diese missbräuchlichen Strukturen auch andere, ich nenne sie jetzt einmal „machtlose“ Menschen plötzlich dazu bringen, andere unter Druck zu setzen und zu verletzen, ohne dass diese Menschen es bemerken. Ich finde daran einfach nichts „göttliches“, nichts, aber auch gar nichts, was noch mit dem Auftrag Jesu in dieser Welt zu tun hat.
    Ich fände es super interessant, zu hören, wie ihr mit solchen Menschen reden würdet. Was ihr empfehlen würdet, wie man ihnen irgendwie klarmachen kann, was da gerade passiert, dass sie auf anderen Menschen herumtrampeln, ohne es zu bemerken. Ich selbst komme damit klar, ich habe mich eh in vielerlei Hinsicht auf Veränderung eingestellt und habe Perspektive. Aber ich weiß, dass beispielsweise die Freundin, die gestern ebenfalls „gefeuert“ wurde, ziemlich darunter leidet und ich wünsche mir einfach, dass diese Mädchen daraus lernen, damit so etwas nicht noch einmal vorkommt. Vielleicht habt ihr ja etwas dazu zu sagen…
    Wenn nicht, trotzdem Danke für das, was ihr tut! Ohne Euch würde ich mich selber und den Glauben nicht so gut verstehen und wäre spätestens jetzt wahrscheinlich keine Christin mehr. Liebe Grüße!

    • Liebe Een,
      habe gerade nicht viel Zeit, daher nur eine kurze Antwort.

      Erst Mal: Tut mir echt leid, dass Du so etwas erleben musstest. Das ist weder schön, noch besonders Jesusmäßig.

      Meine Erfahrung ist leider, dass die wenigsten Christen bereit sind, so eine von ihnen ausgesprochene „Kündigung“ zu hinterfragen. Aus ihrer Perspektive tun sie das ja einem Hauskreis-/ Gemeindeglied nicht an, weil sie selber so miserable Christen sind, sondern im Gegenteil, weil sie der „gekündigten“ Person damit deutlich machen wollen, dass er/sie auf dem falschen Weg sei. Gegen geistlichen Hochmut ist kaum ein Kraut gewachsen. Meistens verstehen Menschen, die so handeln erst die Tragweite so eines Rauswurfs, wenn sie selber mal auf der anderen Seite gesessen haben…

      Macht es, wie Jesus es vorschlägt, schüttelt den Staub von euren Füßen und zieht weiter.

      Kümmere Dich um Deine Freundin, damit sie nicht alleine damit fertig werden muss. Und letztlich, seid froh. Niemand kann Freunde gebrauchen, die einen so fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.

      LG,
      der Ja

      • Een Een

        Hey Jay,

        vielen Dank für deine schnelle Antwort! Auch wenn es mich wirklich nervt, hast Du wohl absolut Recht mit dem was du sagst.

        Kümmern werde ich mich auf jeden Fall, danke für deine lieben Worte, die bauen schon wirklich auf!

    • Reverend Mole Reverend Mole

      Darf ich fragen, was deine „kritischen Bemerkungen“ waren? Das würde mich interessieren, weil ich mir selber wenig vorstellen könnte, was so einen Schritt rechtfertigen würde. Unabhängig ob du es schreiben magst oder nicht tut es mir natürlich leid.

      Grüße
      Daniel

      • Een Een

        Erstmal vielen Dank dir, Reverend Mole! Sorry, dass ich jetzt erst antworte, ich hatte Zeitdruck und hab den Kommentar nicht mehr fertig bekommen…

        Puh, erstaunlicherweise muss ich da tatsächlich selbst überlegen, an welchen Aussagen irgendetwas festgemacht wurde… ich wurde im direkten Gespräch eigentlich nie konfrontiert, dass meine Aussagen schwierig seien. Sondern im Gegenteil wurde gesagt, dass meine Gedanken die Gruppe bereichern würden.
        Ich habe eine relativ schwierige Geschichte mit engen, christlichen Strukturen aus meiner Kindheit. Vor einem guten Jahr habe ich dann wieder Kontakt zu dieser Kirche gesucht, wo ich die Gruppe auch gefunden habe. Allerdings bilde ich mir eben unabhängig von der Kirche z.B. bei Worthaus auch meine eigene Meinung, und je mehr Gottesdienste ich besucht habe, desto schwieriger fand ich manche Aussagen des Pastors. Sowohl öffentlich auf der Bühne, als auch privat zwischenmenschlich, sind da einige Sachen, an denen ich (und einige andere) gehakt haben, von absolut unangemessen bis theologisch oberflächlich/ignorant. Auf meine Fragen danach wurde mit einem „Ach, wenn du xxx persönlich kennst, dann verstehst du ihn schon. Der sagt manchmal Sachen, die er nicht so meint.“ Ich weiß nicht, ob zum einen meine wachsende Distanz zu dem Pastor und den Werten, die er vertritt (die ich aber nur geäußert habe, wenn ich gefragt wurde) und zum andern der Fakt, dass ich (und das andere Mädchen genau so) vor einem Jahr getauft wurde und immer noch nicht „indoktriniert“ bin, ein Dorn im Auge waren.
        Wenn jemand in der Gruppe Probleme hatte, habe ich versucht, sowohl theologisch (allerdings eben die Theologie, die ich vertreten kann, und nicht die charismatische) als auch zwischenmenschlich Beistand und Unterstützung zu leisten, was auch immer dankbar angenommen wurde. Das wurde mir nun allerdings u.a. vorgeworfen, dass bei Problemen Beistand im Geiste, und nicht menschliche Hilfe gewünscht sei.
        Das sind jetzt nur ein paar Beispiele, es gab noch einige mehrere Aussagen, die jetzt aber glaub ich zu weit ausholen…
        Ich hoffe, man blickt durch die Nachricht durch – entschuldige, falls etwas wirr ist.
        Liebe Grüße!
        i

    • Mann, was für eine furchtbare Erfahrung. Es ist einfach mal SO traurig, dass sowas heute noch passiert.

      Ich hab das Glück, in einem Hauskreis zu sein, wo solche Fragen erlaubt und sogar erwünscht sind. Tut mir echt leid, dass das so gelaufen ist.

      Ich will nicht behaupten zu wissen, wie man sich da am besten verhält. Wenn Du ehrlich sagst: Das sind meine Fragen, ich kann nichts dafür, dass ich sie habe und ich kann nicht glauben, dass Gott Leute dafür bestraft, keine Antworten zu haben, die sie überzeugen, dann tust Du eigentlich alles, was Du tun kannst.

      Das mit dem Auftanken ist echt ein eigenartiges Argument. Bezieht sich das evtl auf den berühmten Vers „Kommt her zu mir alle, die schon alle Antworten besitzen und die eigentlich schon genau wissen, wo es lang geht. Ich will Euch erquicken (wozu auch immer)“…?

      • Een Een

        Hey Florian,
        ich musste deinen letzten Satz zweimal lesen… finde ich super! 😀 Danke für dein Mitgefühl!
        So oder so ähnlich ist das Gespräch tatsächlich abgelaufen. Es wurde gesagt, dass diese Art der Reibung langfristig einfach zu anstrengend sei und damit nicht mehr konstruktiv sei. Wobei ich einfach sagen muss, dass ich niemand bin der jemandem seinem Glauben absprechen würde oder versuche, andere von meiner Theologie zu überzeugen. Davon habe ich selbst genug erlebt, um es unbedingt zu vermeiden. Das Problem ist allerdings eher, dass ich mich nicht von der in der Kirche gängigen Theologie habe überzeugen lassen, bzw. nichtmal dagegen war, aber eben oft noch eine tiefere Frage hatte, um ein Konzept richtig zu verstehen. Daraufhin konnten die Leute mir oft nicht antworten und ich glaube, dass das die Verunsicherung ausgelöst hat…

        Du hast echt Glück mit deinem Hauskreis, tolle Sache!
        Liebe Grüße!

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