#112 Braucht es die Christen überhaupt?

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25 Kommentare zu „#112 Braucht es die Christen überhaupt?“

  1. Euch auch ein gutes neues Jahr, und vielen Dank für die tolle neue Folge. 🙂 (Ich mag den Poesiealbum-Satz „Gott sucht Partner.“) – Danke auch an Florian für die gute Frage, die mich auch bewegt.

    Mein Eindruck ist, dass Geschichte und Gegenwart der Christenheit katastrophal sind; und das meine ich im Hinblick auf den enormen Anspruch des christlichen Glaubens (Erlösung und Heil) und im Hinblick auf das, was, meiner Meinung nach, Christentum eigentlich sein könnte. Viele Christen haben viel Wertvolles durch ihren Glauben und auch in christlicher Gemeinschaft erfahren (mich eingeschlossen) und auch viel Gutes gemacht. Deshalb würde definitiv auch Wertvolles fehlen, wenn es das Christentum nie gegeben hätte oder plötzlich nicht mehr geben würde. Wir sind ja auch alle noch auf dem Weg und „geistliches Wachstum“ ist ein Prozess, den man auch nicht erzwingen kann, und wo man möglichst jeden mitnehmen sollte. Deshalb würde ich mich auch nicht freuen, wenn das Christentum jetzt abgeschafft werden würde. – Veränderungen und Umbrüche sind natürlich oft nicht einfach (siehe die Folge mit Markus Roll).

    Ich glaube, es wäre viel geholfen, wenn wir als Christen einen gewissen Abstand zu unseren Traditionen einnehmen würden, und neu lernen würden, uns als Diskursgemeinschaft zu erkennen. Dieser Abstand bedeutet ja nicht Beliebigkeit. Es wäre eher Zeichen von Demut. Der christliche Glaube ist ja fest historisch verankert in dem Mann aus Nazareth und der jüdisch-christlichen Tradition. Wir kommen aber nicht darum herum, diese Überlieferungen zu interpretieren und diese Interpretationen dann auch zu verantworten. – Es ist schon tragisch, dass Spiritualität so in ist wie noch nie, aber „Kirche“ dies weitgehend nicht versteht. [Vielleicht solltet ihr ja doch mal eine Folge zu Integralem Christentum machen!? – Richard Rohr gehört ja schließlich auch dazu ;-)]

    Wir sollten auch darüber nachdenken, inwieweit der Gottesbegriff heute noch sinnvoll gebraucht werden kann (siehe „Flow“ bei Markus Roll). Das personenhafte Reden von Gott, das uns in den biblischen Texten begegnet, geschah vor dem Hintergrund polytheistisch-geprägter Kulturen. Unsere Situation heute ist grundsätzlich eine andere. Bei dem Göttlichen ging es natürlich immer auch um das, was uns nicht verfügbar ist und auf das wir keinen unmittelbaren Zugriff haben. Und das wird es sicherlich noch eine Weile geben… 😉 – Und es gibt ja auch „Kriterien“ für die Positivität eines „Flows“: das Gute, das Wahre und das Schöne. (Bibel: 1. Korintherbrief 13; Galaterbrief 5,22-23; Philipperbrief 4,8; 1. Timotheusbrief 1,5; 1. Johannesbrief 4,16b; …) Das, was dem Leben und der Gemeinschaft dient.

    Wir sollten uns auch gut überlegen, wie wir mit unserem heiligen Buch (Bibel) umgehen, damit wir nicht – ungewollt – in einem antiken Christentum hängenbleiben. – Es hat sich ja schließlich in den letzten 2000 Jahren auch noch was getan… (Gab es in den 2000 Jahren eigentlich keine wichtigen Offenbarungen mehr?)

    Ich bin gerade dabei in Berlin eine Spiritual Community zu gründen. Zuerst wollte ich eigentlich noch was Christliches machen, aber bei der Vorbereitung wurde mir klar, dass ich Menschen, die noch keine wertvolle Berührung mit dem Christentum gehabt haben, nicht in die ungeklärten Probleme der Christenheit hineinziehen möchte. Deswegen versuche ich jetzt ein Projekt aufzubauen, wo Spiritualität für Menschen unterschiedlicher religiöser Traditionen und auch für nicht-religiöse Menschen anschlussfähig ist.

    Übrigens, seid ihr euch sicher mit W.W.J.D. und Mike Yaconelli? (https://de.wikipedia.org/wiki/W.W.J.D.)

    (Sorry, dass dieser Post etwas lang geraten ist …)

  2. Danke für den Talk. Ich musste an das folgende Gedicht von Andreas Knapp denken:

    Gott

    Unwort der Jahrtausende
    Blutbesudelt und missbraucht
    Und darum endlich zu löschen
    Aus dem Vokabular der Menschheit

    Redeverbot von Gott
    Getilgt werde sein Name
    Die Erinnerung an ihn vergehe
    Wie auf Erden so im Himmel

    Wenn unsre Sprache aber
    Dann ganz gottlos ist
    In welchem Wort
    Wird unser Heimweh wohnen

    Wem schreien wir noch
    Den Weltschmerz entgegen
    Und wen loben wir
    Für das Licht

  3. Gott braucht keine Christen um sich als Schöpfer zu offenbaren.
    Gott braucht erst recht keine Christen um sich als Richter zu offenbaren.
    Gott braucht keine Kirchen um sich als der Heilige zu offenbaren.
    Aber er braucht Kinder um sich als Vater zu offenbaren.
    Wenn mir jemand sagt er sei ein guter Vater, dann interessieren mich nicht so sehr seine pädagogischen Ansätze dann möchte ich gerne seine Kinder kennenlernen.
    Das würde der Welt fehlen….so was von.

  4. Wow, das war wieder ein Talk mit vielen kompakten Gedanken zum Hinterherüberlegen und nochmal anhören… Vielen Dank!
    Ich denke auch, dass es nicht wichtig ist, ob die Jesusnachfolgenden Christen heißen oder Juden oder gar keine Bezeichnung haben oder sich keiner bestimmten Kirche zuordnen – das war übrigens auch nicht meine Kritik an Markus Roll und ich hab auch fast keine andere Kritik in den Kommentaren so verstanden wie Gofi, genauso, wie ich Markus Roll nicht bzw. nicht nur so verstanden habe wie Gofi – mal ganz abgesehen davon, dass Markus zwar sagte, dass er sich nicht Christ nennen muss, aber trotzdem ja zB in seinem podcast seine Theologie ausschließlich aus den jüdisch-christlichen Texten heraus ableitet und halt noch diesen unscharfen Flow-Begriff mit reinbringt.
    Aber es hätte definitiv einen Unterschied für die Welt gemacht, wenn es Jesus nicht gegeben hätte, als Offenbarung Gottes und seines liebenden Wesens. Und darin liegt für mich auch der Knackpunkt – auf den MarkusRollTalk bezogen auch das Kriterium, an dem ich nicht mehr mitgehen konnte (was auch Stefan im Kommentar zu #109 geschrieben hat): dass mir Jesus da fehlt in der Art und Weise (oder in den verschiedenen Facetten), wie Gott sich in ihm gezeigt hat.
    Dieses „Gesicht-Zeigen Gottes in Jesus“ ist am deutlichsten in den antiken Schriften dokumentiert, weil Jesus eine historisch-geographisch gebundene antike Person war – und ich denke, dass es wichtig ist, sich mit diesen Schriften zu beschäftigen und herauszufinden, was das, was in der Antike aufgeschrieben wurde, für uns heute bedeutet – was daran antik ist und was überzeitlich. Zu Christian Schmills Frage (?), wie wir mit der Bibel heute umgehen und ob es nicht in den 2000 Jahren noch andere Offenbarungen gab: Ich denke (ähnlich wie Norbert das mit dem Vater und den Kindern so treffend beschrieben hat), dass sich alle Offenbarungen/Theologien der letzten 2000 Jahre an der Offenbarung Gottes in Jesus messen lassen müssen (die in den biblischen Texten beschrieben wird). Da kann ich in so manchen betont „christlichen“ Offenbarungen feststellen, dass das ja mit Gottes Charakter in Jesus nichts zu tun hat, genauso, wie ich im Leben und Handeln von Menschen, die sich nicht als Christen bezeichnen, sehr wohl Jesus erkennen kann. Und da gibt es den Bezug zu #109: wenn ich das, was aus der Gottesoffenbarung von Markus entstanden ist, an Jesus messe, gibt es aus meiner Sicht wesentliche Unterschiede.

    Die Frage nach der Größe der Gemeinde/Kirche hat mich stark an die Folge mit Markus Till und die anschließende Diskussion erinnert. Da ging es ja auch darum, dass er die „Richtigkeit“ oder „Falschheit“ einer Theologie/ Gemeinde/ Konfession an der Menge der ihr zugehörigen Menschen gemessen hat. Er hat aber mE Recht, wenn er sagt, dass es zu beklagen ist, wenn Kirchen ihre Mitglieder verlieren, weil das, was dort gepredigt wird, nicht mehr lebensrelevant, hilfreich, tragend ist und dass es für die Kirchen wichtig ist, sich darüber Gedanken zu machen, woran das liegt. Seltsamerweise muss man sich harsche Kritik von Evangelikalen anhören und wird zuweilen sogar verteufelt, wenn man ihre Kreise verlässt, weil man merkt, dass das, was man dort gelernt hat, mit der eigenen Lebensrealität nicht mehr vereinbar ist, es einen nicht mehr trägt und hält – und in den seltensten Fällen stellen sich dann solche Gemeinden auch die Frage, was sie ändern müssten, damit sie wieder ein Ort werden, an dem Lebens-Relevantes passiert.

    1. Hi Katja,

      danke für Deine Gedanken.

      Wenn es ein „Gesicht-Zeigen Gottes in Jesus“ gibt – und es dieses Gesicht-Zeigen auch in irgendeiner Form „braucht“ (d.h. die Welt wäre ohne das ein schlechterer Ort o.ä.) – dann könnte ich meine Eingangsfrage in einer neuen Variation auch an Dich richten: Bräuchte es in Deiner Lesart nicht auch ein Jesus-Zeigen in Jesus-Nachfolgern (aka Christen), damit das Gesicht-Zeigen Gottes in Jesus irgendwer auf der Welt auch sieht?

      1. Hey Florian,
        ich glaube, ich hab deine Frage schon beantwortet mit dem „Da kann ich in so manchen (auch betont „christlichen“) Offenbarungen feststellen, dass das ja mit Gottes Charakter in Jesus nichts zu tun hat, genauso, wie ich im Leben und Handeln von Menschen, die sich nicht als Christen bezeichnen, sehr wohl Jesus erkennen kann.“

        Falls ich deine Frage nicht so verstanden hab, wie du sie gemeint hast, hak gerne nochmal nach!
        Ich bin immer mehr der Meinung und finde es traurig, dass viele Menschen zwar von Jesus und Gott reden und sich Christen nennen, aber in einem belasteten Kontext (kirchliche autoritäre Strukturen, Missbrauch, Angst, Macht, gewaltsame Missionierung etc.) oder ein Gottesbild leben, das diesen Kontexten mehr entspricht als dem, was wir über Gottes Liebe und Gnade in Jesus in der Bibel finden.

        lg
        Katja

  5. Ich bin noch nicht ganz durch mit dem hören aber ein paar Gedanken möchte ich doch schon mal schreiben, bevor ich sie vergesse.

    Ich glaube es gibt Gruppen / Denominationen in der Christenheit, die braucht es wirklich nicht (außer meiner eigenen natürlich ;-)) Wenn ich in der Seelsorge mit Christen zu tun habe, für die der Glaube mehr Be- als Entlastung ist, und es Gruppen gibt, die unzählige Menschen mit solch einen Glauben und Gottesbildern hervorbringt , kann ich da wirklich drauf verzichten. Das mag jetzt überheblich und arrogant klingen, liegt aber an meinen Erfahrungen, die ich gemacht habe. Und zudem weiß ich auch um den eigenen Bockmist, den ich in meinen Dienst schon verzapft habe.

    Aber braucht es jetzt die Christenheit? Es wird doch immer Menschen geben, die von dem Gott, der in Jesus Christus Fleisch wurde, angesprochen werden. Dieser Gott hat den Menschen etwas zu sagen, und so wird es auch immer Menschen geben, die sich an diesen Gott halten. Und da ist es ja auch egal wie man sie nennt oder wie sie sich organisieren. Das ist alles nachgeordnet. Und diese Menschen, die mit diesem Gott unterwegs sind, die SIND Salz und Licht. Die müssen es nicht erst werden. Das wird ja oft gepredigt: Du sollst Salz und Licht sein. Nein, wir sind es schon. Und das zeigt sich in vielen Kleinigkeiten des normalen alltäglichen Lebens. Das normale und alltägliche eignet sich nur nicht so sehr für die Geschichtsbücher. Deshalb wird das negative der Kirchengeschichte auch immer mehr im Vordergrund stehen. Natürlich gibt es auch die großen, positiven Errungenschaften, die mit dem jüdisch-christlichen Menschenbild zusammen hängen, aber wir sollten das normale und alltägliche nicht vergessen, wo wir Salz und Licht sind.

    1. @Reverend Mole
      also, wenn es denn Christen gibt, die der Menschheit fehlen, dann sind es solche reflektierten Pastoren 🙂 Vielen Dank für deine Gedanken!

  6. Könnten denselben Job auch Leute übernehmen, die mit Jesus überhaupt nichts anfangen können? Ja und Nein. Ein Teil meiner Arbeit als Pastor können in der Tat auch Menschen übernehmen, die mit Jesus nichts anfangen können. Zum Beispiel begleite ich Geflüchtete zu Terminen bei Behörden, Anwälten usw. Und da bin ich auch echt begeistert, wie zum Beispiel Menschen in Hilfsvereinen viel Zeit und Sachverstand aufbringen um zu helfen. Oder z.B. Jungschar: ein Teil meiner Arbeit ist nicht anders als die von Sozialarbeitern. Und wenn ich mit Menschen zu tun habe, die ein total verkorkstes Gottesbild haben, dann empfehle ich ihnen auch einen Psychotherapeuten, der mit dem ganzen frommen kram nichts zu tun hat. Manchmal braucht es halt auch Nichtchristen, weil alles christliche triggert.
    Aber dann gibt es ja auch die geistliche Dimension. Wenn Gott spricht, und das hat er in unüberbietbarer Weise in Jesus Christus getan, dann wird es auch immer angesprochene Menschen geben. Auf der anderen Seite können Menschen, die die Ansprache Gottes nicht gehört / angenommen haben auch nicht von diesem Gott sprechen. Und da möchte ich mal Bultmann hervorholen, der sagte, dass ich nur von Gott reden kann, wenn ich von mir selbst rede. Natürlich können alle Menschen von Themen reden oder Dinge tun, die in Übereinstimmung mit dem dreieinigen Gott sind, aber van diesem Gott reden kann halt nur der, der das Reden Gottes persönlich angenommen hat. Im Talk kam ja auch die Natur als Gottesoffenbarung vor. Das ist ja ein Gedanke, den wir in Rö 1,20 finden. Karl Barth hat das aber passend als „Gottesgedanken“ beschrieben. Und dieser Gottesgedanke, also dass es einen Gott geben muss ist aber nicht die Offenbarung von Gott selbst, dazu braucht es Christus. Also Gott im Vollsinn kann nur durch Christus erkannt werden.

    Liebe Grüße
    Daniel

    1. Dazu hab ich ein paar Fragen an dich: Wie würdest du denn das „Angesprochenwerden“ durch Gott definieren? Und das „das Reden Gottes persönlich annehmen“?
      Ich denke christlich solange ich denken kann und war auch immer der Meinung, ich wäre von Gott angesprochen und hätte das Reden Gottes persönlich angenommen – das sah meistens so aus, dass ich mich irgendwie zurechtgewiesen fühlte und es mit einem Erschrecken über meine (meist moralischen) Fehler einherging. Und ich habe da auch viel von Gott geredet. Und für mich fühlte sich das alles richtig und auf seltsame Weise auch gut an.
      Und dann gab es auf einmal eine Wendung, nach der ich mich auf ganz andere Weise von Gott angesprochen fühlte: sanft, liebevoll, barmherzig – auch kritisch, aber so ganz anders als davor. Und ich habe den Eindruck, dass es tiefer geht und mich essenzieller berührt als früher. Und mein Reden von Gott ist leiser geworden, nicht mehr so plakativ und missionarisch.
      Im Bild gesprochen könnte ich das erste Angesprochenwerden vergleichen mit einem Kind, dass von seinem Vater/ seiner Mutter immer gesagt bekommt: Ich hab dich lieb, wegen Jesus. Aber wenn du dies oder jenes tust oder lässt, hab ich dich nicht mehr lieb.
      Und das zweite Angesprochenwerden mit: Ich habe dich immer lieb – sage dir aber trotzdem (oder auch gerade deshalb), wenn ich mich über dich ärgere oder ich merke, wenn etwas schief läuft (und ich bin mir auch bewusst, dass das für dich unangenehm sein kann, aber meiner Liebe darfst du dir immer gewiss sein).

      Im Gespräch mit anderen Christen merke ich, dass es da verschiedene Kriterien gibt, wie Gottes Reden, Gottes Offenbarung, das „Sein-in-Christus“ aussieht und dass sie sich bisweilen auch total widersprechen.
      Was meinst du, was sind klare Kriterien?

      1. Also das „Reden Gottes“ ist für mich mit dem dreifachen „Wort Gottes“-Begriff verknüpft. Es gibt Jesus, das offenbarte Wort Gottes, die Bibel ist das geschriebene Wort Gottes und die Verkündigung ist auch Wort Gottes ( Wenn sie sich richtig auf Jesus und die Bibel bezieht. Deshalb ist nicht jedes Reden über Gott Wort Gottes, zum Glück). Die Person Jesus ist nun das deutlichste Reden Gottes, bzw. das was er tat und lehrte. Und da denke ich auch, dass es da um vorbehaltlose, bedingungslose Liebe und Annahme geht. Natürlich auch um Korrektur, aber die ist dem nachgeordnet. Erst kommt der Zuspruch, dann der Anspruch. Und da, wo wir diese vorbehaltlose, bedingungslose Liebe und Annahme Gottes in Jesus Christus spüren, von ihr lesen oder von ihr hören, da redet Gott zu uns. Sicherlich gibt es auch nochmal so ganz individuelles „Reden Gottes“ z.B. Abraham: Geh aus deinem Land usw. aber ich denke da erstmal an die übergeordnete, dogmatische Ebene.

        Das mal eben neben bei. Du kannst gerne noch konkreter nachfragen.

        Grüße
        Daniel

        1. Vielen Dank dir!
          Mich beschäftigt die Frage (die mE mit der Frage von Florian eng zusammenhängt), warum es in der Christenheit dennoch so viele Menschen gibt, deren Glaubensgrundlage (auch bewusst) nicht eine vorbehaltlose, bedingungslose und auch – im wahrsten Sinne des Wortes – hingebungsvolle Liebe und Annahme Gottes ist. Und die sich oft besonders vollmundig als Christen bezeichnen – während es andere Menschen gibt, die sich gar nicht als Christen bezeichnen und eben genau so eine Liebe und Annahme leben und weitergeben, was sie eigentlich nur können, wenn sie sich selbst bedingungslos angenommen wissen. [und als NB zu #109: warum es auch Menschen gibt, die ein eindrückliches Erlebnis mit dieser Liebe und Annahme hatten und bei denen ich den Eindruck habe, dass sie sie nicht so leben]
          Und natürlich ist damit auch die Frage verbunden, ob es überhaupt möglich ist, als Mensch so eine Liebe zu leben (und dadurch von anderen als JesusnachfolgerIn erkannt zu werden), wo wir doch immer wieder scheitern und merken, dass es in uns etwas gibt, was nicht bedingungslos, vorbehaltlos und hingebungsvoll lieben kann.

          1. Ich glaube es gibt schon viele Christen mit dieser Glaubensgrundlage. Als jemand, der seine Wurzeln in der Landeskirche hat und dann so in die Freikirchenszene gerutscht ist, würde ich aber die These aufstellen, dass diese Glaubensgrundlage in der freikirchlich / evangelikalen Landschaft immer seltener wird, insbesondere je konservativer die Gemeinden sind. „Liebe“ ist da oftmals nur ein Wort, was rezitiert wird. Bultmann sagte mal, dass man nur von der Liebe sprechen kann, wenn man selbst von ihr ergriffen ist. Und die Gottesbilder, die in manchen Gemeinden vermittelt werden haben halt wenig mit Liebe zu tun. Manche Menschen hat es wirklich provoziert, dass ich von der Liebe Gottes gepredigt habe. Das sagt schon ne Menge.

          2. Vielleicht kommt mir das nur so vor, dass es so viele „ohne-Liebe“-Christen gibt, weil ich hauptsächlich solche kenne…
            Ich komme aus einer Prägung, in der Liebe etwas „Verweichlichtes“ ist und abgewertet wird und das Motto gilt: Der Glaube muss hart und unbequem sein.
            Wie der Kommentar einer Verwandten, der ich das Buch „Reformation des Herzens“ von J.Mette und C.Brudereck ausgeliehen hatte: ‚Die Texte von J. Mette finde ich toll, aber die Frau, die schreibt ja immer NUR über Liebe…‘
            Wie können solche Menschen/Gemeinden Liebe-voller, jesusähnlicher werden? Ist das so eine heiliger-Geist-Sache, bei der eben irgendwann einmal die Liebe in die Herzen fallen muss oder kann man da „von außen“ als Mitchrist und Mitmensch etwas bewirken, mit Reden und Anderssein?

  7. Hallo, ich bin ein bisschen spät dran mit dem Hören des Calls.
    Was für ein unendlich großes Gedankenspielfeld….manches Gesagte musste ich mir doppelt und dreifach anhören.
    Nun sitze ich hier und stelle mir die Frage :
    War es eigentlich die Idee Jesu, dass sich seine Nachfolger Christen nennen sollten? Nein.
    War es eigentlich die Idee Jesu, dass seine Nachfolger sich in Kirchen sammeln sollten?
    Hmmmm….eine gute Idee Jesu ist mir eingefallen und die heißt: werdet wie die Kinder.
    Bleibt neugierig und entwickelt euch – wohin der Geist euch führt?! Ich denke, dass nichts, was wir heute als „Kirche“ bezeichnen so bleiben muss (und auch nicht so bleiben wird) . Alles ist in Entwicklung. Schon immer so gewesen. Was brauchen Menschen? Ich glaube, sie brauchen Gemeinschaft und ein Zuhause…..und beides findet man bei Gott und hoffentlich auch bei denen, die sich Christen nennen. Und „Keimzelle“ für Gemeinschaft bin immer ich.Wäre doch schön, wenn wir in diesem Sinne einander brauchen würden. Und damit fasse ich mich mal an meine eigene Nase und überlege mal, wen ich jetzt gleich einlade. Wäre toll miteinander ins Gespräch zu kommen…so am Tisch mit nem Kaffee in der Hand…oder so.

    1. Hey Ulli

      das ist eine Antwort, mit der ich echt was anfangen kann. Klasse! Ja, es braucht mich als Christ – insofern Gemeinschaft zu meinem Christsein gehört.

      Und jetzt lass mich mal weiter spinnen: Zu diesem gemeinschaftsstiftenden Moment gehört doch grundsätzlich, dass ich selber ANDERE brauche. Sonst wäre es ein Kult mit mir als kleine Kultfigur: Alle brauchen mich und ich brauche niemand. Was offenkundig Unsinn ist. Gerade Gemeinschaft ist doch dadurch charakterisiert, dass die Menschen sich gegenseitig brauchen. Und das brauche wiederum nicht nur ich selber, sondern das braucht jeder Mensch.

      Was zu dem Ergebnis führt: Ja, es braucht mich, insofern ich die anderen brauche.

      Wenn Christentum dieses Gemeinschaftsverständnis trifft (für andere Religionen kann ich jetzt nicht sprechen, zumindest im Islam gibts ja die „Umma“ etc.), dann braucht es die Christen in gewisser Weise wirklich. Aber eben nicht weil sie etwas besonders toll können, sondern im Gegenteil, weil sie etwas besonders dringend brauchen.

      Irre, oder?

      1. dann braucht es die Christen in gewisser Weise wirklich. Aber eben nicht weil sie etwas besonders toll können, sondern im Gegenteil, weil sie etwas besonders dringend brauchen.

        Geiler Gedanke.
        Jay

      2. Jawolljawolljawoll!!! 🙂
        Und weißt du auch, warum? Weil der Gott der Christen ein Gott der Beziehung ist.
        Einer, der in sich Beziehung ist (Vater-Sohn-HeiligerGeist). Einer, der den Menschen schafft „sich zum Gegenüber“. Der dem Menschen ein menschliches Gegenüber schafft, damit der nicht allein ist. Der den Menschen aufträgt, mehrere zu werden. Der sich den Menschen als JHWH offenbart, als der „im Hinblick auf dich Seiende“, der „Für-dich-da-Seiende“. Einer, der die Liebe ist.
        Der uns ein Beziehungsgebot als höchstes Gebot gibt: Gott, uns und unseren Nächsten (inkl. unsre Feinde) zu lieben.
        Und einer, der merkt, dass wir ihn dringend BRAUCHEN und deshalb Mensch wird. Dass wir ihn brauchen, weil wir Sehnsucht nach Liebe, nach einer wertschätzenden Beziehung haben. Und wenn wir dieses Gebot ehrlich anschauen, wissen wir auch, dass wir ihn und seine bedingungslose Liebe brauchen, weil wir es ohne ihn nicht schaffen, zu lieben.

  8. …..also falls mal jemand in der Nähe ist: bei uns gibt’s immer nen guten Kaffee! 🙂
    Ich würde mich freuen, wenn Begegnung immer auch „heilsam“ sein könnte…..dazu gehört auch, dass man nicht immer einer Meinung sein muss….manchmal ist gerade eine Herausforderung gut für mich und meine Entwicklung . Wisst Ihr, was ich versuche zu lernen? Wie man gut zuhört…..Gefühle teilt…nicht richtet…fokussiert und wertschätzend …..versuche zu verstehen…..einfühlsam wahrnehmend….und dann auch noch ehrlich und klar zu leiben. huihhhhhh – nicht einfach. Damit habe ich immer genug zu tun. Und dann unterstützend zu helfen oder sich helfen zu lassen, auf welche Weise auch immer……Florian, du hast recht: es braucht mich, insofern ich den anderen brauche! Und deshalb hier an dieser Stelle….einen festen“Drücker“ an Euch alle! Kann man immer brauchen 😉

  9. Hallo, ihr Lieben,
    Ich kann mich dem Statement, dass „es die Christen nicht unbedingt braucht“ auf keinen Fall anschließen, denn die Christen automatisch dem Christen-t-u-m beizuordnen halte ich für eine äußerst eindimensionale Perspektive.
    Gott braucht aus tiefstem Herzen Christen – nicht um etwas bewegen zu können, nicht um überhaupt handeln zu können – Gott handelt, wenn es nötig wird, wenn es sich anbietet, oder einfach weil er es so will auch ohne Christen (noch einmal vielen herzlichen Dank für eure klare Schilderung). Und trotzdem besteht meines Eindrucks nach seine größte Sehnsucht in der Beziehung jedes*jeder Einzelnen zu ihm persönlich – da er selbst von Gestalt Jesus Christus ist, können wir diese immer wachsende Freiheit in Gott nur erleben, wenn wir in ihm Jesus erkennen und sein Wesen an dem, was wir über Jesus wissen, messen.
    Ich glaube, dass Gott für die Menschen tiefstes Mitleid empfindet, die ihn nicht so frei erleben können, wie Jesus selbst ihn erfahren, angesprochen, sich als eins mit ihm erlebt hat.
    Weder Gott noch die Welt brauchen Christen, die ihr Christlichsein an das -tum binden.
    Jesus fordert zum Zweifel heraus und seine Wertmaßstäbe (siehe Bergpredigt) uns.
    Dementsprechend beschreibt folgendes Gedicht meine Sicht der Dinge:
    ————————————————————–
    Worauf man verzichten könnte …

    Christ nennt sich oft, was Jesus scheut,
    und ich kann vermuten, dass Gott dies bereut,
    sicherlich leidet er jede Liebe,
    die nicht durch ihn geht, sondern an ihm vorbei,
    wenn Christus Jesus im Herzen verbliebe,
    wäre das Christen-t-u-m einerlei.

    Gott braucht JesusChristen,
    weil wir ihn in Jesus sehen,
    doch das Christen-t-u-m an sich
    kann leider ohne ihn bestehen.

    „Braucht Gott mich, oder brauche ich Gott?“
    Diese Frage will ich leben, nicht in Worten verorten,
    und ob ich eine Antwort finde oder nicht,
    muss ich nicht vor der Christenheit verantworten.
    —————————————————————-

    Die letzten Zeilen drücken aus, was authentischen Zweifel ausmacht:
    Ihn zu leben und nicht von anderen auf Worte beschränken zu lassen.

    LG an die Hossa-Community

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