#119 Ostern: „Es geht nicht nur ums Jenseits!“ (mit T. Breuer)

100 Kommentare zu „#119 Ostern: „Es geht nicht nur ums Jenseits!“ (mit T. Breuer)“

  1. Spontan gehen mir 3-5 Gedanken durch den Kopf.
    1. Angenommen, die Römer hätten geahnt, dass Jesus vorhat, wieder aufzuerstehen und hätten ihn daher verbrannt, dann hätte er genauso gut leibhaftig auferstehen können. Die leibhaftige Auferstehung hängt also nicht an der Leiche.

    2. Und trotzdem habt ihr ja mit dem Verweis auf Siggi Zimmer bereits selber erwähnt, dass die Argumentation der biblischen Autoren auf einem leeren Grab aufbaut.

    3. Der Auferstehungsleib erinnert mich an das Licht-Paradox: je nach Perspektive nimmt man es entweder als Teilchen oder als Welle wahr.

    4. Oder an die Gestaltenwanderer aus Harry Potter.

    5. Anders als in der Antike sind wir es gewohnt, von der Substanz und nicht von der Beziehung her zu denken. Vielleicht bestimmt (in der neuen Welt) aber gar nicht die Substanz die Form der Beziehung, sondern die Form der Beziehung bestimmt die Substanz. Nicht also, weil der auferstandene Jesus Nahrung verdauen kann, kann er mit den Jüngern Tischgemeinschaft haben, sondern, weil er mit den Jüngern Tischgemeinschaft haben will (dem Menschen leibhaftig nahe sein will), kann er Nahrung verdauen.

    1. Ontologisch wird ja auch häufig zwischen dem Leib und dem Körper unterschieden 😉

      Der Vergleich mit dem Licht-(Paradoxon) oder Welle Teilchen Dualismus finde ich persönlich etwas schwierig, weil er ja auch nur als Metapher zu sehen ist, die aber leicht überspannt werden kann. Allgemein wird die Physik ja sehr häufig für alle möglichen Themen herangezogen wird. Gerade die Quantenphysik wird ja gerne ein wenig philosophisch überinterpretiert. Man darf dabei nur nicht vergessen, das es sich bei (Quanten)physik erstmal nur um mathematische Modelle handelt, die probieren empirisch gemessene Daten zu erklären bzw zu beschreiben (also nicht im Sinne von Letztbegründungen oder Beweisen. Wie man diese Modelle dann jenseits der Physik interpretiert, ist dann noch mal eine andere Frage, die aber nicht physikalisch ist.
      Bezogen auf das Licht gibt es in der Quantenphysik eben ein mathematisches Modell, das sehr abstrakt ist nur schwer mit unsere intuitiven Vorstellung (aber so wohl mathematisch) begreifbar ist. Licht ist in dieser Theorie also im Grunde weder klassisch Teilchen noch Welle, sondern andere Form von Objekt, das eben unter bestimmten Bedingungen für uns mal nach Welle und mal nach Teilchen aussieht. Es ist aber nicht so dass hier Gleichzeitig zwei verschiedene sich widersprechende Wahrheiten wahr wären, sondern dieser Widerspruch nur scheinbar existiert (oder die Theorie noch nicht ausgereift ist). Trotzdem haben ja die anschaulichen Bilder für licht ihre Berechtigung.

      In diesem Sinne passt der Vergleich dann aber doch wieder gut, weil eben verschiedene Perspektiven berechtigt. Weil ja auch bei der Frage der Auferstehung nicht zwei sich widersprechende Aussagen zugleich wahr sein können (vielleicht aber angemessen). Ich meine irgend etwas muss ja wohl mit den Atomen (Körper) aus denen der irdische Jesus gegen Ende seines Lebens bestand passiert sein (was genau weiß natürlich keiner von uns). Außer natürlich man nähme an, dass sich der Zeitstrahl der Welt an dieser Stelle aufteilt oder Ähnliches (wofür ich keinen Grund sehe). Dann würden sich verschiedene Aussagen aber auch nicht wirklich widersprechen , weil sie sich nicht auf die gleiche Zeit schiene beziehen.

      Zugegeben, ich glaube nicht, dass das was ich gerade zum besten gegeben habe soo wichtig ist für den Glauben an die Auferstehung ist. Aber ein Unterschied ist mir dann doch noch aufgefallen und den finde persönlich irgendwie sehr schön. Physikalische (empirische) Theorien bauen ja immer auf Messungen und Versuchen auf, die sich wiederholen lassen und die jeder (der ein großen Teilchenbeschleuniger im Keller hat) nachprüfen kann.
      Die Auferstehung ist ein einmaliges Ereignis, das wir nicht reproduzieren können, auch wenn wir einen Teilchenbeschleuniger im Keller haben. Aber darin liegt ja gerade das Tolle. Es ist eben kein Deus ex machina.

      In diesem Sinne wünsche ich noch Nachträglich Frohe Ostern 😉 😉

      ps: Um besagte Harry Potter Filme/Bücher zu schauen/lesen hatte ich aufgrund anderer Beschäfitgungen (Physik 😉 😉 ) bisher keiner Zeit sollte ich mal nacholen

      1. Du führst genau aus, was ich hier mit meinem Hinweis auf die „Widersprüchliche“ Eigenschaft von Licht meinte. Natürlich ist Licht anscheinend etwas komplett anderes als Welle oder Teilchen. Trotzdem erklären Licht als Teilchen und/ oder als Welle betrachtet Licht und machen es (ein Stück) begreifbar. Ich hatte es ja als Beispiel dafür verwendet, dass ich unterschiedliche, sich (anscheinend) widersprechende Modelle zur Auferstehung eben hilfreich finde und gerade nicht als absurd.

        LG,
        Der Jay

      2. Da hast du natürlich Recht und ich teile dein Unbehagen gegenüber quantenphilosophisch-esoterischen Lebensratgeber-Bestsellern, die unerlaubt Ergebnisse von Mikro- auf Makrophysik übertragen. Mir ging es nur um die Analogie, mit dem Schwerpunkt darauf, dass das, was man beobachtet, von der Beobachterperspektive abhängt.
        Egal ob Welle oder Teilchen, wichtig ist, dass Licht wärmt – und eine Begegnung mit dem Auferstandenen – wie auch immer sie aussieht – heilsam ist.

        1. “ ich teile dein Unbehagen gegenüber quantenphilosophisch-esoterischen Lebensratgeber-Bestsellern, die unerlaubt Ergebnisse von Mikro- auf Makrophysik übertragen. “

          Das wäre ja fast so perfide, wie von Mikroevolution auf Makroevolution zu schließen 😛

          (Keine Angst, bin kein Kreationist)

  2. Super, dass Ihr das Thema – gerade zu Ostern – nochmal aufgenommen habt! Ein kritisches, mutiges, aber auch ER-mutigendes Gespräch ist herausgekommen. Mal wieder 🙂

    Ich finde mich in Thomas Breuers Ansatz persönlich sehr gut wieder. Darum ist das, was ich jetzt sage, weniger als Kritik an ihm, sondern eher als eine Art Bestandsaufnahme gemeint, nach dem Motto: „Wo stehen wir gerade, wohin geht’s von hier?“

    Ich höre hier einen Glauben, der versucht, sich nicht auf „starke“ metaphysische Annahmen festlegen zu müssen, wie etwa: Das Grab ist leer, das Leben nach dem Tod hat Gestalt XY etc. Ich höre einen Glauben, der sich das offen halten und ausdrücklich die Perspektive des 21. Jahrhunderts, in der wir nun mal leben, einnehmen will.

    Meine Frage ist, was genau dieser Glaube übrig behalten kann. Was Thomas selbst behalten will, ist zumindest der Satz „ich weiß / erfahre mich gewollt und geliebt.“ Der klingt ja auch erst mal unverdächtig und modernekompatibel.

    Aber ist das wirklich so? Damit der Satz stimmt, muss es ja irgendwen geben, der mich „will“ und „liebt“. Womit augenscheinlich „Gott“ gemeint ist. Nun legt Thomas zwar Wert darauf, dass wir über Gott nur unzulänglich sprechen können. Trotzdem sollen solche sprachlichen Äußerungen zumindest in eine Richtung weisen. Und wenn „Gott“ mich „will“, muss er mich erstens geschaffen haben und zweitens zu Willensbildungen und vermutlich auch Willensäußerungen fähig sein. Wenn er „liebt“, muss er soziale Beziehungen eingehen können, die menschlichen zumindest sehr ähnlich sind, außerdem hat er vermutlich so etwas wie einen Gefühlshaushalt etc.

    Der scheinbar „unschuldige“ Satz „ich bin gewollt und geliebt“ macht also bei näherem Hinsehen sehr viele sehr starke metaphysische Annahmen. Und auch erkenntnistheoretische, wenn man sogar sagt: „Ich erlebe / erfahre mich gewollt und geliebt“ – denn dazu muss ich nicht nur die oben beschriebenen metaphysischen Annahmen machen, sondern auch behaupten, dass es irgendetwas in meinem täglichen (Er)leben gibt, das all diese Annahmen rechtfertigen könnte.

    Ich bin mir gar nicht so sicher, ob das alles im Endeffekt wirklich viel voraussetzungsärmer ist als die „evangelikale“ Lesart.

    An dieser Stelle muss ich nämlich noch ein weiteres Fass aufmachen: Das „Leben nach dem Tod“. Auch wenn man es von der Vorstellung einer „leiblichen“ Auferstehung trennt (GERADE dann), muss ich annehmen, dass „ich“ unabhängig von meinem Körper existieren kann oder existiere. Denn das „ich“, das nach meinem körperlichen Tod existiert, muss ja irgendwie identisch oder zumindest in einer Kontinuität sein mit dem „ich“, das jetzt existiert. Der Christ kauft an dieser Stelle also den ganz klassischen Leib-Seele-Dualismus, mit all den zugehörigen Problemen, die dieser mit sich herumschleppt.

    Legt uns der Bibeltext oder der Glaube wirklich darauf fest?

    Christen sind es gewohnt, das menschliche Leben dualistisch zu denken. Auch in der säkularen Gesellschaft ist die Vorstellung einer „Seele“ ja irgendwie salonfähig. Nur ist sie, denke ich, eine schlechte Basis, um die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod zu stützen. Denn entscheidende Grund, warum Christen an sie glauben, ist doch vermutlich der, dass sie an ein Leben nach dem Tod glauben wollen. Die unsterbliche Seele ist also nicht etwas, das das Leben nach dem Tod begründet, sondern eher etwas, das notwendig im Kaufpreis enthalten ist. Auch wenn die entsprechende Diskussion seit Descartes eher gegen sie spricht (Bsp. psycho-physisches Problem; Lokalität der Seele in Raum und Zeit).

  3. Bultmann! Das dachte ich auch sofort.
    Und der hat seine Berechtigung.
    Entscheident für mich ist aber der Ausgangspunkt von Bult und Breuer und den 1700JahrenChristen.
    Denn, mit Gott und seiner Botschaft vom Sohn erzeigt sich eine Wahrheit, die sich an ihm selbst festmacht.
    Sonst bliebe nur ein Buch (Buchreligion). Dann könnten wir auch mit Koran, oder Donald Duckheftschen
    argumentieren.
    Hier wird aber -zwar von Juden (die ganze Bibel wurde von Juden geschrieben) – aber mit einem Hinweis außerhalb von ihnen selbst.
    Breuer ist stark von sich selbst ausgegangen.
    Gehen Christen aber nicht von Christus aus, der lebt? Und ist Christus nicht fähig, durch seinen Geist
    am besten über sich selbst Auskunft zu geben? Und dann wird dies in der Gemeinschaft ausgetauscht?
    Dies schließt Breuer aus, weil er den Auferstandenen als jetzt lebendig ausschliesst.
    So hab ich es verstanden.

    und hier noch meine -erwartete bösartigkeit 🙂 Wäre T.Breuer nicht bei Worthaus, krähte kein Hahn nach ihm.
    dagobertr

  4. @dagobertr

    Ehrlich gesagt, habe ich den ersten Teil deines Post nicht verstanden. Was genau willst du sagen?

    Und soweit ich verstanden habe, schließt Breuer keineswegs den Auferstandenen aus.

  5. Hey Leute,

    danke für den Talk! Gofi hatte ihn ja vor einiger Zeit schon angekündigt, als wir hier wieder mal das Thema volles oder leeres Grab hatten und wir nicht genau wussten, wie Thomas das bei Worthaus gemeint hat.

    Ich muss jetzt allerdings sagen, dass Thomas‘ Auffassung für mich nichts Neues bringt. So ähnlich hatte ich mir das bei seinem Worthaus-Vortrag auch vorgestellt. Mit dieser Art liberaler Theologie habe ich meine Jugend/Adoleszens verbracht, aus dieser Ecke komme ich und da bin ich von meiner Mitgliedschaft her auch immer noch. Aber es überzeugt mich aus verschiedenen Gründen nicht mehr. Ich beschränke mich mal auf die, die mir am wichtigsten sind.

    Die ganzen Streitereien um volles oder leeres Grab scheinen mir jeweils von der gleichen Idee auszugehen: dass es eine Leiche gibt, die wiederbelebt wird. Die einen (Frommen) verteidigen das, die anderen (Liberalen) verneinen genau das. Auch Thomas bezieht sich auf dieses Bild und lehnt es ab und kippt dann in ein tendentiell eher „geistiges“ Auferstehungsverständnis.

    Der Witz an der Sache ist aber, dass die ganzen seltsamen Beschreibungen des Auferstandenen wahrscheinlich (wenn man sich mal die Texte und Sprachfiguren anschaut) etwas Paradoxes versuchen zu beschreiben: Gottes Realität und den neuen Auferstehungsleib (den Jesus einmal sogar sinnbildlich beschreibt als „ihr werdet nicht mehr heiraten, ihr werdet wie die Engel sein“ – ich persönlich stelle mir das als eine andere Materialität vor, die wir nicht kennen, eventuell sogar mir physikalischen Mitteln nie messen werden können.

    Wie Alexander oben sagt: Es ist vollkommen egal, Jesus hätte auch verbrannt werden können. Eine unbeschädigte Leiche ist nicht notwendig, um den Auferstehungsleib zu bekommen (Neuschöpfung). Die Vorstellung von einem unbeschädigten Leib ist übrigens vorchristlich „heidnisch“ und war in bezug auf die „Herrin/Göttin der Tiere“ in Europa weit verbreitet. Deshalb durften Jäger die Knochen der erlegten Tiere nicht brechen. Hat mit dem Neuen Testament aber nichts zu tun.

    Das führt mich zum nächsten Punkt: Viele Liberale haben eine Vorstellung von Modernität, die oft eurozentrisch ist und mal grundsätzlich hinterfragt werden sollte. Aufklärung der Aufklärung. Wie Alexander oben andeutet: wir haben wenig bis keine Ahnung, in welchem Verhältnis „Geistiges“ und „Materielles“ stehen, wenn es um Dimensionen geht, die nicht unserer Lebenswelt entsprechen (in unserer Lebenswelt funktioniert Newtonsche Mechanik, in kleineren oder größeren Räumen aber nicht mehr). Die Philosophie hat den Leib/Seele-Dualismus auch lange genug problematisiert und gezeigt, in welche theoretischen Probleme man kommt, wenn man den Gegensatz in die eine oder andere Richtung auflöst.
    So viel Belesenheit und Reflexionsvermögen sollten Theologen dann schon haben, wenn sie über Auferstehung philosophieren. 😉

    Last but not least: Mich nervt die Haltung, die viele Liberale vor sich hertragen: „Das kann man doch nicht mehr glauben.“ – Ach, wirklich? Das konnte man schon vor 2000 Jahren nicht so einfach glauben, denn die Leute waren kein bisschen naiver als wir (Eurozentrismus!). Tote stehen nicht einfach wieder auf. Sie glaubten wohl zwar an Geister und Dämonen, aber genau deshalb geben sich die Evangelisten ja solche Mühe, den Auferstandenen von einem Geist abzugrenzen und die Realität resp. „Materialität“ eines neuen Lebens zu betonen.

    Ich will damit Thomas nicht persönlich kritisieren, er kam sehr sympathisch rüber im Talk. (Und die liberale „Sünde“ der Arroganz habe ich selber auch oft genug begangen, als ich noch glasklar liberal war). Ich bin mir auch sicher, dass er es nicht so gemeint hat, wie ich es jetzt hier beschreibe. Allerdings kam dieses „das kann man doch nicht mehr glauben“ schon auch von ihm. Und so etwas wie „wenn das manche brauchen, dann will ich ihnen das nicht wegnehmen“. Da ging es um Vergebung und Kreuzesgeschehen. – Öhm… Sorry, Leute, das ist wirklich herablassend. Auch hier könnte der „liberalen Modernität“ ein bisschen Aufklärung der Aufklärung nicht schaden.

    Schlechtes Gewissen und Probleme mit dem Über-Ich gibt es selbstverständlich in unterschiedlich starken Ausprägungen (und das hat nichts damit zu tun, ob man gläubig ist und aus welcher Gemeinde man kommt), aber ein Über-Ich haben alle Leute, Schuld spielt bei allen Menschen (außer bei den pathologischen Persönlichkeitsstörungen) eine Rolle. Ob Gott das am Kreuz „kosmisch“ geregelt hat oder ob er für uns in Jesus eine „psychologische“ Lösung geschaffen hat, weiß ich nicht. Ich bin da nicht so streng oder begierig, alle Fragen lösen zu wollen. Und ich glaube auch nicht mehr, dass es auf solche Fragen immer nur eine einzige Antwort geben muss (Mir wurde das so beigebracht: Wenn das Kreuzesgeschehen psychologisch zu verstehen ist, ist es nicht kosmisch – ein Schluss, den man nur ziehen kann, wenn man alles „monokausal“ lösen will… Ein weiterer heikler Punkt bei vielen Liberalen, da stehen sie den Frommen in nichts nach… 😉 )

    Vielen Dank, Thomas! Das ist alles nicht persönlich gegen Dich gemeint. Ich habe Dir gerne zugehört und lasse hier jetzt bloß mal raus, was mich an meiner Kirche oft stört (ganz aktuell gerade wieder die Osternachtspredigt…). Mir reicht „ich bin von Gott geliebt“ als Essenz des Christentums nicht, und das hat mich als jüngere Frau in tiefe Glaubenskrisen gestürzt…

    Bei so Sachen wie „es geht nicht nur ums Jenseits“ bin ich ganz bei Dir, das ist für mich sonnenklar, deshalb habe ich nichts drüber geschrieben. Bin ja auch ne (Post-)Liberale. 🙂

    Liebe Grüße
    Ina

    P.S. – Disclaimer:
    Mir ist bewusst, dass es „DIE Liberalen“ nicht gibt. Das habe ich hier ja schon oft genug frommen Mitgeschwistern um die Ohren gehauen. Ich habe aus Platzgründen vereinfacht. Es gibt durchaus z.B. auch noch andere „liberale“ Varianten vom vollen Grab, die dann aber das Leib/Seele-Problem anders lösen als Thomas. Die Bandbreite ist groß. Und ich bin mit meiner persönlichen Auferstehungsvorstellung – ebenso wie Thomas – auch nicht besonders missionarisch. 🙂

    1. Was den ersten Punkt angeht, sehe ich noch nicht ganz, worin die große Differenz zu Thomas‘ Auffassung besteht. Das hat er ja schon ziemlich ähnlich beschrieben. Ich verstehe ihn auch so, dass es um Bilder geht, dass Bilder trotzdem eine Bedeutung und eigene Wahrheitsfähigkeit haben (kam im Talk dank Gofi ja auch so raus) und dass die Frage „Ist das Grab halb voll oder halb leer?“ (Zwinkersmiley) nicht der eigentliche Punkt ist. Dass man aber auch als Christ glauben kann, wenn man die Variante „halb voll“ nimmt.

      Dass das Auferstehungsthema einfach automatisch ins Fahrwasser des alten Leib-Seele-Konflikts gerät, ist auch mein starker Verdacht (s. o.). gebe Dir da völlig Recht. Ich würde diesen Konflikt auch offen thematisieren und ihn nicht etwa als „alten Hut“ zu den Akten legen. Er ist ja – in neuer Form (Metzinger etc) immer noch aktuell.

      Was eine „andere Materialität“ sein soll, kann ich mir dagegen offen gestanden nicht vorstellen. Und dass ich das nicht kann, liegt glaube ich nicht an meinem Eurozentrismus, sondern daran, dass der Begriff mir noch zu unklar definiert scheint. Wir lösen das Verhältnis zwischen Geistigem und Materiellem auch nicht damit auf, in dem wir – ist jetzt nicht böse gemeint – einen Begriff aus dem Zauberhut ziehen, der einfach behauptet, die Lösung zu sein.

      Mir klingen solche Ideen zu sehr nach Douglas Adams, nach dem Motto: Die Antwort ist 42, aber wir checken halt die Frage nicht, fertig. Ich bestreite nicht, dass es Dinge geben mag, die völlig aus unserer Vorstellung rausfallen, nur bringt mich dieser Hinweis halt auch nicht weiter. Wirkt auf mich eher wie ein Abbruch der Frage als wie ihre Lösung.

      Dann würde ich noch gerne wissen, was genau Dich am Satz „Das kann man doch nicht mehr glauben“ so stört oder was daran „herablassend“ sein soll. Hier muss man Thomas doch mit einer gewissen Fairness zuhören. Ich fände den Satz nur dann übergriffig, wenn unter „man“ automatisch ALLE verstanden werden bzw. diejenigen, die dann doch glauben, in die unaufgeklärte Schäm-Ecke gestellt werden.

      Aber SO (normativ) wird der Satz meistens gar nicht formuliert. Ich höre ihn (auch bei Thomas) entweder als deskriptives Selbstzeugnis: „So kann ICH nicht mehr glauben“, oder als deskriptiven „soziologischen“ Schätzwert: „So können heute vermutlich ZIEMLICH VIELE Menschen nicht mehr glauben“.

      1. Der Unterschied zwischen Thomas und mir besteht darin, dass ich glaube, dass das Grab leer war. Allerdings aus anderen Gründen als die Frommen, die sich immer viel zu schnell freuen, wenn ich sage, dass für mich das Grab leer war. Für mich hat Gott da etwas geschehen lassen, das sehr real war (über das wir aber nur in Bildern sprechen können – ich unterscheide schon nochmal zwischen Geschehen und dem Sprechen darüber…), aber v.a. ein Zeichen und kein Beispiel dafür, wie unsere Auferweckungen ablaufen werden, denn Paulus‘ Körper z.B. existiert ja gar nicht mehr. 😉

        Und das kann ich glauben, während ich intellektuell zurechnungsfähig und „modern“ bin.

        Dass ziemlich viele Menschen das nicht glauben können, ist – wie oben schon gesagt – nicht modern, sondern Begleiterscheinung des Christentums von Anfang an. Da kann man dann wie Paulus auf dem Aeropag um kulturell angemessene Worte ringen, aber es bleibt ein Problem, dass das Christentum ziemlich irre ist.

        Mich stört an dem Satz „das kann man doch nicht mehr glauben“, dass er impliziert, frühere Menschen seien doofer gewesen als wir. (Diese Haltung findet sich auch gerne mal gegenüber außereuropäischen heutigen Christen, wie ich kürzlich wieder feststellen durfte.)

        Und mich stört, dass dahinter ganz oft ein zu flaches Wissenschafts-/Philospophieverständnis steht. Es gibt wesentlich mehr, was wir nicht wissen, als diejenigen Forscher öffentlich zugeben, die den allgemeinen medialen Wissenschaftsdiskurs bestimmen. (Ich hatte erst vor wenigen Wochen ein interessantes Gespräch mit einer Biologin über Fragezeichen der Genetik,…)

        Zitat Florian:
        „Was eine “andere Materialität” sein soll, kann ich mir dagegen offen gestanden nicht vorstellen. Und dass ich das nicht kann, liegt glaube ich nicht an meinem Eurozentrismus, sondern daran, dass der Begriff mir noch zu unklar definiert scheint.“

        Ähm, Du vermengst da jetzt meinen Eurozentrismus-Vorwurf mit meiner ganz persönlichen Auffassung über das „Leibhaftige“ der Auferstehung… Das habe ich SO im direkten Zusammenhang nicht geschrieben.

        Ich habe damit versucht zu fassen zu bekommen, dass es bei Auferstehung nicht um eine unsterbliche Seele geht. Die Bibel kennt den Leib/Seele-Dualismus gar nicht, sondern spricht immer vom ganzen Menschen. Laut Jesus ist das neue Leben bei Gott irgendwie leiblich, aber nicht so, wie wir es kennen. Es liegt also nicht in meiner Verantwortung, wenn das für Dich zu wenig „definiert“ ist. 😉
        Selbst der eine oder andere sehr liberale Theologe spekuliert da durchaus mal rum, wie das als Form von Materialität zu verstehen sei. Da bin ich keineswegs esoterisch oder 42-mäßig unterwegs. Beides liegt mir sowieso nicht.

        Darüber hinaus gibt es außerdem in manchen Ecken der zeitgenössischen Philosophie, v.a. rund um Stichworte wie Emergenz, Evolution des Geistes, Prozessphilosophie oder Pan(en)theismus neuere Überlegungen zu Materialität. Dass ich das mal ganz platt als „andere Materialität“ bezeichnet habe, liegt daran, dass ich mich erstens vom „Vulgär-Cartesianismus“ abgrenzen wollte (klassisch-cartesianisch ist Materie tot, weil das absolute Gegenteil von Geist) und zweitens den betreffenden Diskurs und besonders ein Buch, das mich sehr beeindruckt hat, NICHT referieren kann. Da fehlt mir schlicht und ergreifend die philosophische Brillianz.

        Den (sehr seriösen) Autor, an den ich gerade denke, musst Du dann schon selber lesen: Godehard Brüntrup (Jesuit und Philosophieprofessor), Das Leib-Seele-Problem (in der aktualisierten Auflage)
        Falls Du Dich auf seine Denkweise und Belesenheit vorher lieber einstellen möchtest, bevor Du Dir das teure Buch besorgst und als unpassend verwirfst, sieh Dir mal einen Vortrag von ihm an:
        Prozessphilosophie und Theologie
        https://www.youtube.com/watch?v=oB8cMliueVY

        @all: extrem anstrengend, ich kann da auch nicht immer folgen, und hat mit Auferstehung oder Materie direkt auch nix zu tun – ich poste es nur, weil Florian mich vorschnell esoterisch fand 😉

      2. P.S. @ Florian

        Ich hab jetzt nochmal darüber nachgedacht, dass Du und ich uns dauernd im Detail beharken (das ist hier ja jetzt nicht das erste Mal, obwohl wir uns ja eigentlich theologisch recht nahe stehen. Warum Du dann immer alles bei mir ständig hinterfragst, musst Du wissen, nicht ich…)

        Eventuell habe ich mich mal wieder nicht klar genug ausgedrückt, ist ein Dauerproblem von mir.

        (Ich schreibe jetzt übrgens hier gerade nochmal, während mein letzter Kommentar an Dich noch gar nicht freigeschaltet ist).

        Aaalso: Ich bin zwar keine Freundin von Personenkult (habe ich kürzlich ja erst bei Richard Rohr hier gesagt), aber Godehard Brüntrup finde ich schon ziemlich klasse. Hier 4 Minuten zum Thema „Can we survive our death?“ (Leider auf Englisch). Das ist ungefähr auch mein Auferstehungsverständnis und wahrscheinlich griffiger als mein Link oben (im Kommentar, der noch nicht freigeschaltet ist)

        https://www.youtube.com/watch?v=7k8O0AXOFgw

        Noch ein Nachtrag zum Unterschied zwischen Thomas Breuer und mir: Ich glaube auch nicht, dass eine Kamera in der Grabkammer irgendetwas aufgezeichnet hätte. Aber nicht, weil „äußerlich“ nichts passiert ist, sondern weil die Kamera bei Gottes Aktivität durchgeschmolzen wäre. LOL

        Jaaa, okay, ich bin ja eigentlich größtenteils auf einer ähnlichen Linie wie Thomas. Aaaber…
        Warum ich es so wichtig finde, im Detail NICHT einer Meinung mit Thomas zu sein, muss ich nochmal genauer überlegen. Es hat nicht nur mit meinen „Beschädigungen“ in der liberalen Kindererziehung zu tun. Irgendwas kriege ich da was noch nicht ganz zu fassen…

        1. also ist auf jeden Fall ein interessanter Ansatz. Ich bin nicht sicher, ob ich Brüntrups Argumentation so ganz folgen kann. Vielleicht hab ich da auch zu sehr die Brille der analyt. Philosophie auf, keine Ahnung.

          1. Das Leib-Seele-Problem soll verschwinden, indem wir annehmen, dass es nur Entitäten mit geistigen und körperlichen Eigenschaften gleichzeitig gibt.

          Ist erst mal kein schlechter Move. Damit kauft man halt auch beseelte Steine etc. Er meint augenscheinlich weniger eine „neue Materialität“ (hab deinen Begriff da evtl auch falsch verstanden), sondern ein anderes Verhältnis zwischen Geistigem und Körperlichem.

          Ich frage mich aber, worin genau jetzt die Lösung desTodes besteht. Wenn der Mensch als bipolares Wesen persistiert, müsste entweder der Körper als Teil dieser Entität persistieren. Das tut er aber nicht, den fressen die Würmer. Oder er müsste in einen anderen beseelten Körper übergehen, der dann bipolar persistiert. Dann stellt sich aber die Frage, warum es noch derselbe Mensch sein sollte, der da persistiert.

          2.Inwiefern die Tatsachen-Ontologie hier mehr Möglichkeiten eröffnet als eine materiale Ontologie, wird mir in dem Video nicht ganz klar.

          3. Mit dem Ewigkeitsbegriff von Boethius kenne ich mich nicht aus. Das ist wirklich ein ganz interessanter Hinweis. Vielleicht sind wir mit dem „herkömmlichen“ Ewigkeitsbegriff einfach auf dem ganz falschen Dampfer.

          Schau ich mir gerne mal an und würde ich gerne mehr drüber lernen. Ist das auch in dem Buch drin?

          4. Nicht so hilfreich ist für mich dann der Hinweis, dass alles eine Metapher ist und wie es uns eh nicht vorstellen können. Wahrscheinlich kriege ich das gerade in den falschen Hals. Aber Wenn ich prima facie nicht wissen kann, was ich da glaube soll/kann, dann kann ich es (rein formal) auch nicht glauben. Sprich, es geht mich nichts an.

          1. Ich gehe auch nicht mit allem d’accord, was Brüntrup sagt. Und ich bin mir nicht immer sicher, ob ich ihn richtig verstehe. Whitehead habe ich nämlich nie gelesen (aber man kommt an ihm genausowenig vorbei wie an Kant und Wittgenstein).

            Ich habe oben mit „anderer Materialität“ nicht eine „neue Sorte“ von Materialität gemeint, sondern – wie Du vermutest – Materialität vor dem Hintergrund eines reflektierten Geist/Seele-Dualismus gemeint. Und so lese ich auch Brüntrup (obwohl er das wohl anders meint als ich es für meine Zwecke nutze).

            Beseelte Steine gibt es bei ihm nicht, weil der „Anteil“ des Geistigen im Materiellen nicht überall gleich ist, wenn ich mich richtig erinnere.

            An die Metaphern erinnere ich mich gerade auch nicht. Wenn das so ist, wie Du es darstellst, wäre es auch nicht mein Standpunkt. Kann aber auch sein, dass Du es wirklich in den falschen Hals gekriegt hast. 😉
            Es ist es ja schon so, dass wir das Problem haben, als Christen von einer Realität Gottes auszugehen, die unsere Realität „überbietet“, über die wir aber mit unseren Mitteln reflektieren und sprechen. Wir sind also zumindest immer an Sprache gebunden und können Gott nur analog zum Bekannten beschreiben.
            (Witziges antiquarisches Buch, das ich zur Bettlektüre empfehlen kann und nichts direkt mit Theologie zu tun hat: „Silvestergespräche eines Sechsecks.“ Autor hab ich vergessen. Da bekommt u.a. ein Kreis, der in einer zweidimensionalen Welt lebt, Besuch von einer Kugel, die (wenn sie den zweidimensionalen Raum schneidet) wie ein sich ausbreitender und wieder verschwindender Punkt/Kreis erscheint. Der Kreis versteht natürlich nicht, was eine Kugel ist und nennt sie einen „Über-Kreis“. 🙂 )

            In bezug auf die „Sequenzialität“ habe ich noch keine Meinung entwickelt. War mir bisher zu abgefahren und ich brauche es derzeit nicht…

            Ja, das Problem des Todes löst der Ansatz nicht. Ist aber vielleicht auch gar nicht Brüntrups Absicht. Zumindest in dem 4-Minuten-Video sagt er ja ganz klar, dass es einer Intervention Gottes bedarf (wie auch immer Gott das „materiell“ dann macht), weil die Seele nicht aus sich heraus unsterblich ist. Das war auch der Grund, warum ich das Video gepostet habe.
            Aber wenn man an Jesus in Gethsemane denkt, löst sein Glaube das Problem des bevorstehenden Todes selbst bei ihm auch nicht. Er hat ne Scheißangst. Der Tod ist und bleibt der ultimative Bruch.

            Boethius kommt in dem Buch, meine ich, nicht vor. Es werden v.a. verschiedene „Lösungen“ des Leib/Seele-Dualismus diskutiert und am Ende (nur in der aktualisierten Auflage, ich selbst hab hier die dritte von 2016) Brüntrups eigener Ansatz eines „neuen“ Materiebegriffs vorgestellt. Auch wenn der spekulativ ist, fand ich es interessant, weil ich prinzipiell Arbeiten gut finde, die gewohntes Denken intelligent mal gegen den Strich bürsten.

            Da Du ja Philosophie studiert hast, reicht es für Dich eventuell vollkommen aus, das letzte Kapitel in der nächstgelegenen Bib zu kopieren. (Eventuell kann ich es Dir auch kopieren oder scannen, es sind nur ca. 20 Seiten, d.h. 10 Kopien.) Vielleicht käme auch ein ganz anderes Buch für Dich infrage, aber da bin ich jetzt überfragt. Ich habe von ihm (als Herausgeber mit anderen) hier noch „Auferstehung des Leibes – Unsterblichkeit der Seele “ herumliegen, aber noch nicht gelesen. Und dann gibt es noch von ihm „Der Ort des Bewusstseins in der Natur“, wo er seinen Materiebrgriff wohl genauer ausführt. Das hab ich aber noch nicht mal in der Hand gehabt, geschweige denn hier liegen.

            Falls Du Dich dann darüber austauschen willst, kannst Du gerne eine Mail für mich an die Hossas schicken. Ich will hier die anderen Forumsteilnehmer nicht mit Nerd-Kram nerven… Würde mich freuen (auch wenn ich nicht immer sofort antworten kann), denn ich hab hier im direkten Umfeld niemanden zum Austausch über Nerdiges…

            Zum Themenkreis Whitehead, Prozessphilosophie und Christentum hat die Katholische Akademie Rottenburg-Stuttgart vor einiger Zeit eine spannende Tagung gehabt (mit Brüntrup und einem amerikanischen „big shot“), aber ich finde die Videos nicht mehr… Falls sie mir noch über den Weg laufen, poste ich sie.

            Ganz generell sind die Videos des Youtube-Kanals „Forum Grenzfragen“ ganz interessant. Dahinter verbergen sich keine Esoteriker, sondern das ist ein Projekt der Akademie Rottenburg. Da gibt es z.B. einen sehr guten Vortrag von Brüntrup über die nicht eingelösten Versprechen der Gehirnforschung @Alexander (zum Thema „wo ,sitzt‘ die Persönlichkeit?“)… Und über Nahtod-Erlebnisse und ob sie für irgendetwas aussagekräftig sind @Alexander. (Er hatte selbst eine Nahtoderfahrung, hat sie aber nie philosophisch ausgeschlachtet – was ich ziemlich seriös finde)

          2. P.S.
            Ich habe gerade auf Deiner Homepage, zu der Du verlinkt hast, gesehen, dass Du offenbar mit „Wir sind Mosaik“ und dem Remix-Podcast zu tun hast. Ja, Mensch, da brauche ich mir hier ja auch nicht den Wolf zu schreiben. Jason findet Brüntrup total spannend und kann das sicher viel besser erklären als ich. 😉

        2. Bei Brüntrup klingelt irgendetwas, ich meine, von ihm etwas über Nahtoderfahrung gelesen zu haben und ich meine, er hätte diesbezüglich erwähnt, dass ein Fortleben der Seele nach dem Tod speziell dann Schwierigkeiten macht, wenn man der strukturierten Materie einen unstrukturierten Geist gegenüberstellt. Insofern mein Denken also auch von etwas Anderem als einer materiell-neuronalen Stuktur verursacht sein könnte, besteht die Möglichkeit, dass ich meinen Tod überlebe – vielleicht ähnlich wie bei einem Hybridmotor der Elektromotor anspringt, wenn der Benziner schlapp macht.

          Das ist natürlich höchst spekulativ, aber auf der anderen Seite glauben Christen an eine andere unsichtbare Welt, manche an Engel, die allermeisten an Gott – und daran, dass auch Gott, wenn er Person ist, mit irgendetwas denken muss. All das hängt m.E. an der Frage, ob man diese Welt – und damit auch die eigene Person – materiell abgeschlossen denkt, oder eben nicht.

          Da man bei diesen Fragen eh an kein Ende kommt, halte ich mich persönlich (wieder einmal) an Jörg Splett: Wenn Gott uns liebt und Liebe heißt: Ich will, dass du bist!, dann gilt dieses Verprechen unbedingt – und ist somit auch nicht an meinen Tod gebunden.

    2. Hat mir gefallen:
      Mir reicht “ich bin von Gott geliebt” als Essenz des Christentums nicht, und das hat mich als jüngere Frau in tiefe Glaubenskrisen gestürzt…

      “ (Und die liberale “Sünde” der Arroganz habe ich selber auch oft genug begangen, als ich noch glasklar liberal war). Ich bin mir auch sicher, dass er es nicht so gemeint hat, wie ich es jetzt hier beschreibe. Allerdings kam dieses “das kann man doch nicht mehr glauben” schon auch von ihm. Und so etwas wie “wenn das manche brauchen, dann will ich ihnen das nicht wegnehmen”. Da ging es um Vergebung und Kreuzesgeschehen. – Öhm… Sorry, Leute, das ist wirklich herablassend. Auch hier könnte der “liberalen Modernität” ein bisschen Aufklärung der Aufklärung nicht schaden.

  6. In dem Talk kommt zum Ausdruck, dass die Kreuzigung Jesu an sich eigentlich nichts Besonderes war, weil allgemein üblich. Ich finde sie war schon sehr außergewöhnlich, denn außer Jesus wurde bestimmt kein Mensch gekreuzigt, der die Macht gehabt hätte, vom Kreuz herunterzusteigen geschweige denn, es gar nicht soweit kommen zu lassen. Die Macht zu haben, diese schrecklichen Qualen jede einzelne Sekunde beenden zu können, diese dann aber trotzdem stundenlang auszuhalten, ist ein Leiden das die körperlichen Qualen wahrscheinlich weit übersteigt.

    1. Mir fällt dabei ein: Die „Älteren“ unter uns erinnern sich vielleicht noch an den Film „Die letzte Versuchung Christi“, in dem Jesus am Kreuz ein Engel erscheint, der im mitteilt, Gott habe ihn nur prüfen wollen und er könnte jetzt vom Kreuz steigen, es wäre genug (Parallele zu Arbraham und Isaak). Der Film zeigt dann, wie das Leben Jesu (und die Entwicklung des Christentums 🙂 weitergeht, nachdem Jesus vom Kreuz gesteigen ist und Maria von Magdala heiratet etc.
      Am Ende zeigt sich, dass die „Fortsetzung“ ohne Kreuzestod eine Vision war. Jesus stellt sich vor, wie es wäre, wenn er jetzt herunter stiege. Er lehnt das dann ab und der Engel löst sich in eine Flamme (sic!) auf. Die letzte Versuchung Christi.
      Ich verstehe bis heute nicht, wie Christen gegen diesen – in meinen Augen hochgradig missionarischen Film – je protestieren konnten. Ich wette, keiner der dagegen Zettel verteilt hat, hat den Film vorher angesehen *augenrollen*

      1. In allen Punkten, Ja!
        Ich war grade 2 Jahre gläubig. Jemand erzählte, Jesus steigt vom Kreuz, und Christen demonstrieren vor dem Kino.
        Ich hatte den Film nicht gesehen und bildete meine Meinung mit den anderen Christen darüber.
        So schnell kann es gehen.
        _______________________
        Und nochmal. Wäre Breuer nicht bei Worthaus, krähte kein Hahn nach seiner Meinung. Aber,……
        Breuer´s Meinung gehört mit auf das menschliche Podium der Meinungsäußerung.

        Es ist eine gute Prüfung, ob ich Glauben Gottes habe, oder in einer Argumentation mein Heil suche. (Obwohl der Glaube Gottes auch eine gute Argumentation hat! Aber die fand ich nicht bei T. Breuer. Christus oder Ich. Von Wem her lebe ich ?
        Der Rest ist Möglichkeits-Möchte-ich-so- kann-ich-mir-anders-nicht-denken-theologie. Die findet sich immer wieder bei uns Menschen.
        Könnte Gott, will Gott, hätte, hätte Fahradkette .
        Aber Breuer hat ein wenig auch wie in Sekten das gebräuchliche Umdeuten in seinen Reden. Neologismus nennt man das wohl. Umdeuten, Neudeuten, Sprachverwirrung. Nicht so extrem in Einzelwörtern, aber noch besser in dem, das sein Titel und dann mit historische Betrachtungsweise; das Eingehen auf die Geschichte verbundene von ihm präsentiert ist.

        Breuer spricht sicher für einen Großteil von Menschen, denen es genauso geht wie ihm. Ich las schon vor 1986, also vor meinem Gläubig sein, ein Traktat der Katholiken, wo stand:
        „Was ist das für ein Vater, der seinen Sohn opfert.“ Und bald war ich auch von der Dialektik eingenommen.

        Zum Glück hat sich der Auferstandene Jesus Christus selbst dazwischen gemischt, und mit seiner Rede Glauben geschaffen, wie auch geschrieben steht. „Der Glaube kommt aus der Rede Christi!“ Röm 10,17
        Gläubige gründen sich nicht in Christus, sondern haben ihren Grund in Christus!

        Grüßle, dagobertr

        1. @dagobert
          „Aber Breuer hat ein wenig auch wie in Sekten das gebräuchliche Umdeuten in seinen Reden.“
          Ah, und du hast wohl die „richtige Deutung“ (von der aus du beurteilen kannst, wer „umdeutet“)? Oder wie darf ich mir das vorstellen?

        2. Welche Worte werden denn konkret umgedeutet? Kannst du da mal ein Beispiel geben, wie du einen bestimmten Begriff verstehst und wie du meinst, dass Thomas Brauer ihn füllt?

          Grüße
          Daniel

      2. Ich habe den Film damals auch (heimlich) gesehen und war sehr berührt, wenn man mal von der für meinen Geschmack etwas zu „reißerischen Aufmachung“ absieht. Vor allem diese Szene, wo er auf dem Sterbebett liegt und Jerusalem brennt und er erkennt, dass er seine Berufung „verpasst“ hat. Beeindruckend fand ich auch die Darstellung des Judas, der mal nicht als gemeiner Verräter verurteilt wird. (Ich hatte mich auch schon als Jugendliche gefragt, warum Judas eigentlich so gedisst wird, wenn Jesus doch eh am Kreuz sterben sollte und musste, und dies unbedingt zu unserer „Erlösung“ nötig war, dann ist das doch nicht Judas‘ Schuld. Und Petrus hat ihn ja schließlich auch verraten und der durfte dann Kirchengründer werden und ist „heilig“. Fand ist schon immer merkwürdig.) Ich habe auch das Buch gelesen und mich haben sowohl Film als auch Buch sehr angeregt, über die „Sache mit dem Kreuz“ tiefer nachzudenken. Es wurde ja auch nie behauptet, dass dies die historische Wahrheit sei.
        Was die Sache mit der Kreuzigung und der Auferstehung angeht, fand ich die Worthausvorträge von Thomas Breuer sehr inspirierend und befreiend. Zur Osterzeit letztes Jahr habe ich intensiv darüber nachgedacht, ob ich wirklich an eine „leibhaftige“ Auferstehung glauben soll oder ob ich denke, dass es eher um „Visionen“ ging. Für mich ist ja der Unterschied: wenn ich eine Vision habe, dann kann nur ich die sehen (und es könnte auch nur Einbildung sein), wenn es eine „echte Erscheinung“ ist, dann würde die auch jeder andere sehen, der gerade dabei ist. (Was Paulus‘ Erscheinung betrifft, gehen da wohl alle eher von einer Vision aus, aber das war ja auch eh nach der „Himmelfahrt“). Also, ich habe letztes Jahr in der Osterzeit darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich nur an die „leibhaftige Auferstehung“ glauben würde, wenn mir das selbst passieren würde und z. B. Jesus in dem Moment im Raum stehen würde, sichtbar für meinen Mann (der Atheist ist) und mich. Oh, und dann habe ich gedacht, dass mir das dermaßen unheimlich wäre, dass ich das gar nicht wollen würde. Und dann, in der Ostersonntagpredigt in der evang. Kirche, in die ich öfter gehe, wurde ein Text vorgelesen, mit dem diese meine innere Frage, die mich viele Jahre beschäftigt hat, beantwortet wurde: „Er ist wirklich auferstanden, wenn ich so sein darf, wie ich bin, ängstlich und zweifelnd zunächst, aber dann wieder voller Gewissheit und Zuversicht. …Er ist wirklich auferstanden, wenn er in mein Herz herein aufersteht, und sein Geist mich erfüllt. Wenn ich wieder lerne, das Leben zu feiern, wenn ich nicht gelebt werde, sondern lebe. Wenn ich neue Visionen habe, nach langem Warten und Zeiten der Geduld. Wenn ich Gott am Werk sehe, nicht in den großen Dingen, sondern im Kleinen und Unscheinbaren.“ Die ganzen Rede davon, ob die Geschichten historisch so passiert sind oder nicht, wird ad absurdum geführt, wenn nur der „Geist der Rechthaberei“ dahintersteckt und es keinerlei Auswirkungen auf das Hier und Jetzt und unser Handeln gibt. Ich denke, Ostern = Sterben und Auferweckung, das muss man selbst im Hier und Jetzt erlebt haben, dann erst wird diese Geschichte lebendig.

        1. „Die Letzte Versuchung Christi“ ist übrigens mein Lieblings Jesusfilm. Ich fand den viel intensiver und ergreifender als alle die 1:1 Bibelverfilmungen.

          Ach, und noch mal zur Auferstehung. Ich verstehe gar nicht, warum sich darüber aufgeregt wird, wenn sich das jemandem als Erscheinung oder wie auch immer eher erschließt. Entscheidend ist doch nicht, wie irgendwer sich dem Phänomen der Auferstehung nähert, sondern dass sie geschehen ist. Wie Jesus auferstanden ist, kann ja aber niemand überprüfen oder verifizieren. Was es an Meinungen dazu gibt, ändert aber doch nichts an der Auferstehung. Sprich, also selbst, wenn ich sie mir „falsch“ vorstelle, ist sie doch passiert, wie sie passiert ist. Die Erlösung der Welt steckt doch nicht in meiner Meinung über sie, sondern in der Auferstehung selber.

          LG,
          der Jay

          1. In meiner Familie und der Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin, gibt es eine bestimmte Vorstellung, die mit Auferstehung verbunden ist: also, während der Auferstehung wurde der Leichnam von Jesus in einen neuen Körper verwandelt, der zwar so ähnlich ist wie unser Körper, den man sehen und anfassen kann und der essen kann, aber sich auch einfach „in Luft auflösen“ kann (wie bei den Emmausjüngern). Irgendwie sieht der neue Körper aber vom Gesicht her auch nicht so aus wie der alte (denn sonst hätten sie ihn ja sofort erkannt), aber trotzdem trägt er die Wundmale. Deswegen also das leere Grab. Und wer sagt, er glaube, dass die Jünger „nur“ eine „Vision“ hatten (also jemanden, den man sehen, aber nicht anfassen kann), der „leugnet“ die Auferstehung und ist kein „richtiger“ Christ und damit nicht „erlöst“ und kommt damit (wahrscheinlich) in die Hölle. Obwohl, ich habe gerade noch mal nachgelesen (hatte mal eine Umfrage gestartet, was man tun muss, um ein „richtiger“ Christ zu sein), anscheinend reicht SGB, wenn man einsieht, dass man ein Sünder ist (S=Sündenbekenntnis), glaubt, dass Jesus einen rettet (G=Glaube an Jesus), und bekennt, was Jesus für einen getan hat (B=Bekenntnis). Hmm. Also, kein Wunder, dass ich als Kind und Jugendliche immer so verwirrt war, was man denn nun glauben soll/muss….

          2. Aber wie gesagt, selbst wenn deine Familie mit ihrer Auferstehungsvorstellung zu 100% Recht hätte, rettet sie ja eben nicht die richtige Vorstellung von der Auferstehung, sondern die tatsächliche Auferstehung (das Geschehen). Mit anderen Worten, der tatsächlichen Auferstehung von Jesus wird es egal sein, was ich über sie denke. Der Tod ist besiegt. Egal ob ich 100% oder nur 1% nagel.
            Und deshalb verstehe ich nicht, warum man in den Vorstellungen über die Auferstehung nicht großzügiger sein kann.
            LG,
            Der Jay

          3. Falls dein letzter Satz nicht rhetorisch gemeint war: ich verstehe das, warum manch einer nichtgroßzügiger sein kann, nämlich dann, wenn man die Prämisse hat, dass NUR das wahr ist (und vor allem Aussagen über Gott nur dann wahr sind), was/wenn es historisch, naturwissenschaftlich nachprüfbar ist und wenn es in irgendeiner Form anfassbar (also be-greif-bar im eigentlichen Sinne) ist.
            Und wenn Aussagen diesen nachprüfbaren gesetzten Rahmen verlassen, dann sind sie eben unwahr oder werden degradiert („nur“ eine Vision, „nur“ ein lyrischer Text, „nur“ eine Metapher etc.) – und wenn Aussagen der Bibel den aktuellen historischen/naturwissenschaftlichen Forschungsergebnissen widersprechen, dann sind eben die aktuellen Daten falsch.
            So einfach ist das (oder so schwer macht man es sich dadurch – je nachdem, von welcher Perspektive aus du dieses Denken betrachtest)

          4. Ja, das verstehe ich natürlich schon (also die Denkrichtung), aber wie sich jemand zB Gravitation vorstellt, ändert doch auch nichts daran, dass und wie sie wirksam ist. Das muss doch genauso für die Auferweckung Jesu gelten (wenn sie geschehen ist). In der Physik arbeitet man doch auch oft mit mehreren sich zum Teil widersprechenden Modellen, um Wirklichkeit erklärbar zu machen. Warum also in der Theologie diese scharfe Abgrenzung von Geschwistern, die andere Modelle präferieren? An der geschehenen Sache ändert sich ja nix.
            LG,
            Der Jay

          5. Es gibt außerhalb der Ostergeschichten in der Bibel noch eine weitere Beschreibung der Gestalt des Auferstandenen. In Offb. 1. Das ist nun klar eine Vision, aber eine die durch den Auferstandenen selbst über sich autorisiert wird. Das zeigt doch, dass der Auferstandene noch ein paar andere Verwandlungsmöglichkeiten seines Körpers draufhaben könnte. Dieser Text wird irgendwie selten (oder nie) mit in der Diskussion über die Art der Auferstehung angeführt.

          6. Danke. Ich finde, die Diskussion über die Art der Beschaffenheit des Auferstehungsleibes Christ nimmt einen viel zu großen Raum ein. Vieles ist hier Spekulation und es hilft nicht unbedingt, meine Hoffnung zu verstärken.

            Dem gegenüber finde ich es schade, dass die zentrale Rolle, die Auferstehung Jesu in der Erlösungssystematik einnimmt, in den Hintergrund tritt und zu wenig thematisiert wird. Denn alles, was uns Jesus durch seine Menschwerdung inkl. Tod an Erlösung erworben hat, kommt uns nur durch seine Auferstehung zu. Ohne die Auferstehung Jesu gibt es keinerlei Hoffnung für mich und die ganze Schöpfung – weil der Vergänglichkeit unterworfen.

            Vielleicht sind alle noch (unbewusst) sehr von der klassischen Sühnetodtheologie geprägt, bei der an Karfreitag alles Wesentliche erledigt ist. Alles andere ist dann irgendwie ein Anhängsel. In einem anderen Forum habe ich vor kurzem behauptet, dass das klassiche Sühnetodmodell auch funktionieren würde, wenn Jesus im Tod geblieben wäre.

          7. Ja, so ähnlich geht mir das auch.

            In einem anderen Forum habe ich vor kurzem behauptet, dass das klassiche Sühnetodmodell auch funktionieren würde, wenn Jesus im Tod geblieben wäre.

            Yep. Das wäre auch einer meiner Kritikpunte an so einem „funktionalen“ Erlösungsverständnis.

            LG,
            der Jay

          8. Dennoch vertrete ich eine „Funktionalität“ der Erlösung. Dass die klassische Version der Sühnetodlehre vermutlich nicht genau so „funktioniert“, heisst nicht zwingend, dass die Erlösung überhaupt nicht funktional erklärt werden kann und sollte. Dass mir Jesus durch seine Menschwerdung also etwas erworben hat, was vorher so nicht da war.
            Mit den alternativen Erlösungsmodellen (Gott hat sich mit den Leidenden solidarisiert, Bsp. für Gewaltverzicht gegeben usw.) habe ich immer das Problem, wie das Ganze dann zur mir rüber kommt und in Verbindung zu meiner Person steht. Heroische Beispiele der Selbsthingabe gibt es nicht nur bei Jesus.

          9. Ja, auch das wundert mich nicht 🙂 Habe ja Deine Arbeiten und Äußerungen zum Sühnopfer mit Interesse verfolgt.

            Und nur um das deutlich zu sagen, ich lehne nicht jegliche funktionale Deutung/ Erklärung des Werkes Jesu ab (an irgendeiner Stelle hat ja jede Erklärung, die im Leben, Sterben und Auferstehen Jesu mehr sieht, als das individuelle Schicksal eines Einzelnen, die Notwendigkeit zu erklären, wieso und inwiefern daraus etwas Universales abgeleitet werden kann). Ich äußere dann Kritik daran, wenn ich

            A. etwas problematisches daran sehe (zB die Erklärung nicht einleuchtet oder den Charakter Gottes verdunkelt),
            B. die Funktion im Vordergrund steht (das passiert beim Sühneopfer mE schnell), denn das Wesen von Liebe hat eben nur SEHR oberflächlich betrachtest etwas mit „Funktion“ zu tun. Oder
            C. So getan wird, als könne man komplett erklären, wie Erlösung/ das Werk Jesu funktioniert. Das halte ich für anmaßend und birgt die Gefahr, dass man seine Erklärungen wichtiger nimmt, als das eigentliche Geschehen. Bzw diejenigen ausgrenzt, die einer anderen Lesart folgen. „Gottes Name ist nicht Zahl“, wie Martin Buber so schön sagte. Und Gott ist auch keine mathematische Funktion.

            Deshalb kann ich verschiedene Modelle auch gut komplementierend nebeneinander stellen und stehen lassen, bzw. ein Modell als Erklärungshilfe verstehen, selbst wenn ich ihm nicht in Gänze zustimme oder es insgesamt als ungenügend empfinde. Wenn ich mich zB über Lobpreislieder mokiere, weil ich deren Deutung des Kreuzes als schwach oder gar abwegig empfinde, bedeutet das nicht, dass ich diese sofort verbieten wollen würde. Es heißt auch nicht, dass ich sie nie begeistert mitsingen werde, sondern eher, dass ich mir wünsche, dass Lieder geschrieben werden, die sich hilfreicher mit der Thematik befassen. Alle unsere Erklärungen werden immer Stückwerk sein. Damit müssen und dürfen wir leben. In unserer Theologie genauso wie in unseren Liedern. Wir leben nicht von unseren Erklärungen, sondern von der Güte Gottes.

            LG,
            der Jay

          10. @toblog&Jay
            Gute Beobachtung! Das ist mir erst diese Tage aufgefallen, dass man immer das Gebet hört „Danke Jesus, dass du für uns am Kreuz gestorben bist“, aber selten „Danke, dass du für uns Mensch geworden bist“ und nie „Danke, dass du für uns auferstanden bist“. Wo doch Paulus schon ganz messerscharf festgestellt hat, dass ohne die Auferstehung alles nichts wäre.
            Aus meiner Sicht hängt die Konzentration auf den Karfreitag und den „Sühnetod“ damit zusammen, dass für einen dadurch das erreicht scheint, was man sucht: Sicherheit darüber, dass ich nach dem Tod in den Himmel komme, weil Gott mich „durchlässt“ (denn durch Jesu Tod ist ja das überwunden, was Gott mir noch vorwerfen und weswegen er mich in die Hölle verdammen könnte).
            Das passt auch zu der Sache mit der Physik und der unterschiedlichen Weltbeschreibung: wenn schon die Welt so komplex ist, dann will man doch wenigstens einen Gott haben, den man erklären kann. Denn: wenn ich die Sache mit Gott im Griff hab, dann hab ich auch das im Griff, was nach dem Tod einmal kommt (und wovon ich ja im Grunde nichts weiß und es mir als Mensch deshalb natürlicherweise Angst macht). Ich glaube, diese ganze Wer-hat-Recht-Debatte gründet sich schlicht in der Angst vor dem Ungewissen und der Unfähgikeit, Loslassen zu können. Und es gibt immer diese drei Grundantriebe: ICH, SELBER und MEINS. Hauptsache, ich komm nach dem Tod ins Paradies, Hauptsache, ich hab das selber im Griff und Hauptsache, meiner ist der richtige Weg.

          11. @Jay
            Danke. Und dann versteht man auch, weshalb in dieser Art von Frömmigkeit das „kindlich Glauben“ hochgehalten wird, Geschichten von einfachen, ungebildeten Menschen erzählt werden (als Vorbilder), die das Evangelium angeblich besser verstanden haben als die gebildeten, „hochmütigen“ Theologen und weshalb Theologen als Irrlehrer verteufelt werden und es als Verführung/Sünde gilt, wenn man tiefer in die Texte einsteigen will. Ich kenne auch Leute, die offen sagen, dass ihnen die Welt zu komplex ist und wie gut es ist, dass es „im Glauben auf das ganz Einfache ankommt“, dass dort alles „ganz klar“ ist und dass sie Gottes Wort besonders gut verstehen, weil sie so einfältig sind und nicht so herumschwurbeln oder „Gottes Wort menschlich totphilosophieren“.

          12. @Hossa-Jay: zu deinem Punkt B. „die Funktion im Vordergrund steht (das passiert beim Sühneopfer mE schnell), denn das Wesen von Liebe hat eben nur SEHR oberflächlich betrachtest etwas mit “Funktion” zu tun.“

            Ich finde nicht, dass man die Liebe und „Funktion“ in so weiter Entfernung voneinander sehen muss. Vielleicht ist „Funktion“ auch eine zu technische Vokabel? Jedenfalls steckt die Frage nach dem Wozu des Todes Jesu dahinter. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass jemand, der(oder die) mich liebt, etwas für mich tun kann, was ich erfassen und begreifen kann….

            Aber ich kann mir schon denken woher das kommt. Nur weil die Abbezahlung der Schuld durch den Opfertod Jesu als Begründung für das Kreuz zurückgewiesen wird, kommt in vielen alternativen Deutungen des Kreuzes auch jegliche andere Begründung, die irgendwie mit der Herstellung von Gerechtigkeit zu tun hat ebenfalls nicht mehr in Betracht. Und das halte ich deutlich übers Ziel hinausgeschossen und es wird dem Befund im NT einfach nicht gerecht.

          13. Wie gesagt, die „Funktion“ (wirklich kein schönes Wort) würde ich nicht abschaffen wollen. Aber mir wird die Betonung darauf eben schnell zu technisch. Da geht das Geheimnis flöten. Und oft berührt mich das dann einfach nicht mehr. So geht es mir übrigens auch mit Deiner Erklärung – am Ende sage ich da, mag sein oder auch nicht, MEIN Herz erreicht sie nicht (deshalb bin ICH für alternative Ansätze eben sehr dankbar und verstehe auch nicht, wie irgendwer auf den Gedanken kommen kann, irgendeine Erklärung zum Nonplusultra erheben zu wollen). Wenn ich das so glauben müsste, wie du es vorschlägst, würde mich das eher kalt lassen – weil zu technisch, juristisch. Aber anderen mag das helfen, deshalb finde ich die Mühe, die Du dir damit machst (gerade auch die Verdunklung von Gottes Charakter zu vermeiden, die die klassische Sühnopfererklärung mit sich bringt), hervorragend.

            Aber ich verstehe schon auch, dass meine Ablehnung einer einzig wahren Erklärung bei vielen Brüdern und Schwestern für Irritation sorgt, weil sie so darauf getrimmt wurden, das richtige glauben zu müssen. Ich glaube statt dessen, dass man sich der Wahrheit immer nur annähern kann und halte deshalb den Gedanken mit Modellen zu arbeiten für hilfreicher.

            LG,
            Der Jay

          14. Ich verstehe die Historie dieses Forums und kann deine Einstellung nachvollziehen. Was das Geheimnis angeht, ist sie aber nicht exklusiv progessiv.
            „Da geht das Geheimnis flöten“. – Das ist auch eine der meist geäusserten Entgegnung meiner oft konservativ geprägten Gesprächspartner. Dass man auf das Kreuzgeheimnis abhebt. „So genau kann man es ja nicht wissen, wie Gott das mit seinem Sohn geregelt hat. Das ist ein Mysterium.“

            Das korrespondiert dann mit der zweiten Entgegung: „Wer wird den mit Logik kommen?!“ – Obwohl jeder seine (übernommene) logische Systematik hat – ob sie einem bewusst ist oder nicht. Der Mensch in nun mal ein heillos intellektuelles Wesen.

            Mit dem Verweis auf das Geheimnis kann allerdings auch die klassische Sühnopfertheologie nicht kritisiert werden. Und müsste dann im Modellportfolio auch noch mit enthalten sein. Immerhin ist sie in sich geschlossen und über Jahrhunderte gut abgehangen. Denn: Wissen wir denn wirklich so ganz genau über alle Aspekte des Wesens Gottes und ihre Gewichtung Bescheid? Wer hat des Herrn Sinn erkannt?

            Ich halte daran, dass ich mir über alles, was mir Gott in der Schrift offenbart hat, auch Gedanken machen darf und soll. Und eigene Spekulationen erkennen und deutlich davon abgrenzen. M. E. darf es auf dieser Basis durchaus zu einem Wettstreit der Modelle kommen. Einen Anspruch auf Vollständigkeit würde ich deswegen nie erheben. Für mich hat das mit einem mündigen Glauben zu tun. Denn gibt es nicht erst, seit Bücher mit solchen Titeln geschrieben werden. Wenn man so sehr auf das Geheimnis abhebt, besteht u. U. die Gefahr, in Abhängigkeit von denen zu geraten, die sich zu Verwaltern des Mysteriums erklären.

          15. Ha, das ist lustig, denn dem stimme ich (trotz allem, was ich vorher gesagt habe) zu 100% zu. 🙂
            Danke, das sind noch mal wirklich wichtige Gedanken.

            LG,
            der Jay

            PS Komme mir beim Schreiben dieser Zeilen ein bisschen wie der jüdische Rabbi aus einer meiner Lieblingsgeschichten vor:

            Eines Tages kommt ein Mann zu einem jüdischen Rabbi und beklagt sich bitter über sein zänkisches Weib. Die Klage gipfelt in der verzweifelten Ankündigung: „Ich lass mich scheiden!“ Der Rabbi hat aufmerksam und voller Anteilnahme zugehört. Am Ende nickt er bedächtig und sagt: „Ja, da hast du ganz Recht.“
            Am nächsten Tag kommt die Frau zu ihm und lamentiert über die Untugenden ihres Gatten. Auch ihre Tirade endet mit der Drohung: „Ich werde mich scheiden lassen!“ Und wieder hat der Rabbi zugehört, wieder nickt er und wieder sagt er: „Ja, da hast du Recht!“
            Sein Schüler, der Zeuge beider Begegnungen gewesen ist, stellt den Rabbi hinterher zur Rede: „Du kannst doch nicht heut’ zu ihm sagen, dass er Recht hat — und morgen zu ihr sagen, dass sie Recht hat! Das geht doch nicht! “
            Wieder hat der Rabbi aufmerksam zugehört, und wieder nickt er und antwortet schließlich: „Ja, da hast du auch Recht!“

            😉

          1. ich meinte bei Toblog und Jay über, was denke ich mir, wie Jesus war nach der Auferstehung und eigene Vorstellung.
            Wenn sie -Er ist wahrhaftig Auferstanden- ist, ist meine Vorstellung über das wie nicht ganz so entscheident.
            dagobertr

  7. Hallo zusammen,
    ich hab eine etwas banale Frage an die historisch Gebildeten (angesichts der hier entfalteten hohen Gedanken über Materie, Metaphysik und LeibSeeleDualismus…*Ehrfurcht*): woran macht sich die Datierung der Evangelienberichte fest (also dass sie auf jeden Fall nach Paulus und meistens nach 70 geschrieben wurden)? Ist das nur ausgehend von der Tempelzerstörung oder gibts da noch andere Kriterien? Denn wenn die Tempelzerstörung das einzige Kriterium ist und man die Tempelzerstörungsworte Jesu als prophetisch auffasst, ist die Datierung ja durchaus näher an 30 denkbar und dann stellt sich die Frage, ob das leere Grab nicht doch etwas Historisches, Zeitzeugengesehenes war…
    Danke für eure Antworten!

    1. Hey Katja,

      das ist gar nicht banal! 🙂

      Soweit ich weiß, steht und fällt die Datierung tatsächlich mit der Annahme, das Jesus die Tempelzerstörung nicht vorhergesehen haban kann, ergo die Evangelien nach 70 entstanden sein müssen. Ich bin aber keine Theologin und täusche mich da eventuell?

      Für die Wissenschaftlichkeit ist das natürlich redlich und folgerichtig (methodischer Atheismus), aber ich persönlich finde ja, dass Theologie gar keine Wissenschaft sein kann… Und selbst in den Geschichtswissenschaften können Vorannahmen falsch sein. Die Streitereien um Datierungen des AT sprechen da Bände… (Und zur Redlichkeit gehört immer, die eigenen Vorannahmen transparent zu machen und prinzipiell infragestellen zu können, aber das ist ein anderes Thema…)

      LG, Ina

    2. Im wesentlichen ist die Tempelzerstörung das Kriterium. Die Erwähnung bei den apostolischen Vätern spielt aber auch eine Rolle. Das Johannesevangelium wird z.B. nicht so häufig genannt, was für eine spätere Abfassung spricht. Allerdings gibt es vom Johannesevangelium den Papyrus 52, der wiederum für eine Datierung vor 100 n. Chr. spricht. Mir ist nur ein Professor bekannt, der die Evangelien früher als 70 – 90 n. Chr. datiert, Karl Jaros von der Uni Wien, der die ausschlaggebenden Verse nicht auf die Tempelzersörung, sondern auf die sog. Caligulakrise bezieht.

      LG Daniel

    3. Vielen Dank euch! Das heißt also, auch hier gibts mal wieder ein paar Entscheidungsbäumchen… und ich muss erstmal für mich klären, ob ich Jesus eine prophetische Gabe zutraue. Und danach kann ich dann überlegen, was ich mit dem Grab mache. Ist also doch nicht alles so gesetzt und klasklar wie man es mancherorts liest und hört…(sowohl von der einen als auch von der anderen Seite).

  8. Naben der ganzen Auferstehungsthematik habt ihr am Anfang ja auch über die Deutung des Kreuzes gesprochen. Da möchte ich nochmal auf ein Buch hinweisen (ich glaube ich hatte es schon an anderer Stelle erwähnt) „Das Kreuz mit dem Kreuz“ von Reiner Knieling. Zur Auferstehung fällt mir noch „Die Auferstehung Jesu – Fiktion oder Wirklichkeit“ ein. Ein Streitgespräch zwischen den Professoren Carsten Peter Thiede und Gerd Lüdemann. Das Buch ist nicht kompliziert geschrieben und lässt beide Richtungen zu Wort kommen.

    LG Daniel

    1. Dass die christliche Theologie mit der bekannten klassischen Version des Sühnetods einen kräftigen Schluck aus der Pulle nicht-christlicher Opfervorstellungen aufgenommen hat, denke ich auch. Vor allem, was hinter dem Begriff der „Sühne“ verstanden werden muss. Dass Sühne gewährt wird und Vergebung nicht bezahlt wird, da bin ganz bei Breuer bzw. Knieling.

      Doch wenn man deswegen die ganze Dimension von Sünde, Schuld und das ganze Rechtliche außen vor lässt, fällt man m. E. auf der anderen Seite vom Pferd. Ich denke nicht, dass Gott das Kreuz brauchte, weil er von seinem Wesen her nicht heilig/gerecht und gleichzeitig barmherzig sein kann. Sondern: Weil er durch sein Sündopfer sich selbst und alle, die ihm angehören, von der Verurteilung durch das Gesetz losgekauft hat (Gal. 3,13 udn Gal. 4,5). Und damit auch von der Anklagemöglichkeit des Verklägers und den Rechten des Todes.

      1. Auf wen beziehst du dich jetzt, wenn du schreibst, dass „Sünde, Schuld und das ganze Rechtliche außen vor“ gelassen wird?

        Grüße
        Daniel

  9. „Für Paulus war der Glaube an Auferweckung Christi zentral“ – Genau. Weil uns nur durch das Leben des Auferstanden alles zugute kommt, was uns Jesus durch seinen Opferweg von Weihnachten bis Golgatha an Erlösung erworben hat – selbst die Rechtfertigung. Auferweckt, um unserer Rechtfertigung willen. Indem er nämlich sein Leben als der 2. Adam in den Seinen vervielfältigt. Per Wiedergeburt gewinnen wir bereits heute Anteil an einem unvergänglichen Leben. Die Überkleidung mit einem neuen unvergänglichen Leib ist nur die logische Folge davon – wie man sich das auch immer naturwissenschaftlich erklären mag. Und sie sahen, dass sie nicht mehr nackt waren.

    1. Super Schlussatz!! Da wären wir wieder bei der Adam&Eva-Diskussion und der Sache mit der Scham… übrigens: Was sehen wir am Kreuz? Einen nackten Gott. Einen, der dieses Nacktsein auf sich nimmt und durchsteht bis zum Schluss. FÜR uns. Weil wir es nicht (mehr?) können…

    2. ganz besonders interessantes Detail: diese Nacktheit kündigt sich schon bei der Geburt Jesu an (oder wird da erstmals sichtbar). In der Lutherübersetzung gibt es zwei parallel konstruierte Sätze: einmal Lk 2,7: ‚und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe‘; und dann Lk 23,53: ‚und wickelte ihn in ein Leintuch und legte ihn in ein Felsengrab‘.
      Es sind Menschen, die Gottes Nacktheit (und Hilflosigkeit/Passivität als Säugling und Leiche) mit Stoff bedecken – genau umgekehrt wie in der Schöpfungserzählung, wo Gott den Menschen Kleidung macht…Was für ein Wechsel…

        1. Danke. Und das aus deinem Mund, da setz ich mir gleich ein Krönchen auf ? (und fairerweise auch Gregor Heidbrink, der mich zum Weiterdenken in diese Richtung inspiriert hat)

      1. Da es hier auch um die Materie/Gestalt des Auferstanden/Gottes geht – mir geht schon eine Weile der Anfang des Philipperhymnus im Kopf rum: „Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.“
        Also es gibt eine göttliche Gestalt (griech. morphé, lat. forma) und eine Knechtsgestalt, die den Menschen gleich ist… Interessant auch das mit dem Raub: da bin ich wieder bei Adam&Eva: war es dort nicht ein Raub, nämlich ein Obst-Raub, der die Menschen Gott gleich machte (zumindest in einem bestimmten Aspekt)? Und war es nicht die Knechtsgestalt, die sie annahmen, nachdem sie gegessen hatten, die beschämende Niedrigkeit/Geschöpflichkeit – und das Thema „Gesetz, das knechtet“, taucht ja als Motiv noch mehrfach in der Bibel auf.
        In der Vulgata steht für das griechische Wort, was Luther mit „entäußerte sich selbst“ übersetzt hat (und von dem sich der Begriff der Kenosis herleitet), ein lateinisches Wort, was man auch mit „sich nackt ausziehen“ übersetzen kann (Hauptbedeutung wie das griechische „ausleeren“).
        Und auf welche Stellen verweist mich mein griechisches NT bei diesen Philipper-Versen? Gen. 1,27 und 3,5…
        Das waren jetzt ein paar assoziative Gedanken – freue mich über Leute, die sie weiterdenken 🙂

        1. Ja, ich denke auch, dass das NT klar ist darin, dass wir wie Jesus ebenso Kinder Gottes sind und ihm auch in seiner Gestalt der Auferstehung gleich sein werden (z. B. 1, Joh. 3,2, Rö. 6,5, Gal. 4,5.6). Ohne einen neuen Leib wäre unsere Erlösung einfach unvollständig.

          Die Verbindung zwischen Gesetz und Knechtsschaft vs. Christusanbindung und Sohnschaft macht ja besonders der Galaterbrief. Daher verstehe ich Sühne auch als die Herstellung einer Wieder-ver-söhnung im Wortsinne. Hier verorte ich auch das Rechtliche mit dem Lösegeld. Und zwar folgendermaßen:

          Gott als Gesetzgeber wurde durch seine Menschwerdung selbst unter das Gesetz getan. Das ermöglichte seine Verurteilung durch Übernahme aller Schuld der Welt. Er zahlt aber mit seinem Tod nicht die Schuld ab, sondern Gott erbarmt sich wieder und sieht dabei von der ganzen Schuld der Welt ab. Damit hat er sich seinen neuen Menschen geschaffen, der nicht mehr der alten Rechtsordnung der Gesetzeswerke (AT) unterworfen ist, der für gar nichts mehr durch das Gesetz zum Tode verurteilt werden kann, weil: Er wurde ja bereits für alles verurteilt.
          Und alle, die von diesem Menschen abstammen, sind daher ebenfalls Kinder und nicht mehr der Knechtschaft des Gesetzes unterworfen.

          1. zu „das Rechtliche“: Gott sei dank haben es die modernen Rechtsstaaten mit Hilfe der Aufklärung, des Humanismus und der Rechtswissenschaft geschafft, die Todesstrafe abzuschaffen. Und der ewige Gott soll vor nicht einmal 2000 Jahren auf Golgatha plötzlich sein „eigenes“ Gesetz abgeschafft bzw. abgelöst oder eingelöst (whatever) haben. Das ist doch Kokolores. Zumal ich den Begriff Lösegeld nur im Zusammenhang mit verbrecherischen Entführungen kenne.
            Sorry für meine offensive Antwort und meinen eventuell arrogant klingenden Bezug auf die Jurisprudenz, die natürlich keine „echte“ Geisteswissenschaft ist sondern nur profane Juristerei. Aber dieser Biblizismus und der sehr klassisch evangelikale Duktus triggern mich offensichtlich immer noch richtig.

          2. @Daniel: Ich unterstütze nicht die klassische Sühnetodtheologie, weil ich denke, dass es kein Problem ist, dass Gott von seinem Wesen nicht zugleich gerecht und barmherzig sein kann und aus diesem Grund das Opfer seines Sohns braucht.

            Wenn es aber ein Gesetz Gottes gibt, welches ich aufgrund meiner geschwächten Natur auf gar keinen Fall erfüllen kann und welches mich daher unerbittlich zum Tode verurteilt, falls nicht Vergebung – dann wäre es wirklich eine Erlösung, aus diesem ganzen Rechtsrahmen (AT) rauszukommen und in einen neuen rein (NT).

            Ich verstehe nicht, wieso man am „Rechtlichen“ Anstoß nehmen kann. Wenn Paulus, der das halbe NT geschrieben hat, 2 Sätze über das Evangelium quasi als Überschrift schreiben soll, dann sagt er, dass darin „Gottes Gerechtigkeit“ offenbart wird.

          3. @Daniel
            Deine Argumentation verstehe ich nicht. Was hat unsere Abschaffung der Todesstrafe mit Golgatha vor 2000 Jahren zu tun und warum hältst du es für wahrscheinlicher, dass Menschen sie durch eigenen Anstrengungen abschaffen konnten, Gott aber nicht schon vor 2000 Jahren aus sich selbst heraus?
            Die Tatsache, dass du den Begriff „Lösegeld“ nur von Entführungen kennst, muss doch nicht notwendigerweise bedeuten, dass diesen Begriff vor knapp 2000 Jahren jemand in dieser Bedeutung in der Bibel verwendet hat…Und wenn Matthäus, Markus oder Paulus (?) für manche Kreuzesdeutungen absichtlich juristische Begriffe verwenden, weshalb soll man sie dann nicht juristisch deuten dürfen? Ich denke übrigens, dass der griech. Begriff „lytron“ (Matth., Mark.) bzw. antilytron im Timotheusbrief, der mit „Lösegeld“ übersetzt wurde, entweder das Geld meint, das jemand bezahlt, um einen Sklaven/Kriegsgefangenen/Verschuldetem freizukaufen oder aber dass es ein griechisches Bild für das ist, was jüdisch mit „Sühne“ bezeichnet wird – in beiden Fällen hat das mit der erpresserischen Geldforderung eines Entführers nichts zu tun. Vielleicht kann man es (ausgehend von dem Verb, von dem es abgeleitet ist), auch einfach als „die Ermöglichung einer Loslösung“ oder „Erlösung“ oder „die Ermöglichung von Freiheit“ übersetzen.
            Was an toblog’s Kommentar biblizistisch und „klassisch evangelikal“ sein soll, erschließt sich mir nicht (zumindest habe ich zu evangelikalen Zeite mit einer anderen Kreuzesdeutung gelebt) – wenngleich ich bei dieser Argumentation nicht ganz mitkomme. Nicht alle Argumentationen, die die Begriffe „Opfer“ und „Sühne“ enthalten, sind automatisch evangelikal (s. Thomas Breuer…) und nicht alle Argumentationen, die sich auf biblische Texte beziehen, sind automatisch biblizistisch.

          4. …genausowenig ist eine Argumentation übrigens allein deshalb besser, gesünder, wahrer etc., weil sie diese Begriffe NICHT enthält und NICHT mit biblischen Texten argumentiert. Auch wenn man das als gertriggerte(r) Ex-Evangelikale(r) meinen könnte (und es auch wirklich hilfreich sein kann, bestimmte Begriffe und Texte erstmal nicht mehr im Kopf zu haben)

          5. @Katja: In meinem nicht-klassischen Verständnis der Erlösung wird die Reinheit des Opferlamms nicht als unschuldiges Kind verstanden, über das der Vater seinen Zorn ausschütten kann, damit er barmherzig sein kann. Die Reinheit verstehe ich als die Qualifikation eines neuen Menschen, einer, der das Gesetz erfüllen kann. Diese Reinheit benötige Gott, weil wir es nicht bringen, und um diesen Menschen zu als Stammvater eines neuen Menschen zu vervielfältigen. Und dieser durch Leiden vollendete Menschensohn kauft durch sein Sündopfer und seine Auferweckung sich und alle, die von ihm abstammen, aus der alten Rechtsordnung los und konstutuiert eine neue.

            Diese Systematik ergibt sich, wenn man die Frage „Wie bekommt Jesus eigentlich die auferlegte Schuld wieder los“? anders beantwortet als man dies so gemeinhin tut.

          6. @toblog
            Danke dir für die Erklärung. Ich kann ihr irgendwie noch nicht so ganz folgen… muss das wohl erstmal noch meditieren…
            Aber dass deine Argumentation nicht klassisch ist, hab ich gleich gemerkt – aufgrund der fehlenden Schlüsselmotive „unschuldiges Kind“, „Zorn Gottes“ und „Schuld abbezahlen“ 🙂
            Wo genau geht in deiner Systematik die auferlegte Schuld hin? Stellst du dir das so vor, dass die Barmherzigkeit sie sozusagen zerschmelzen lässt o.ä.?

          7. @Katja zur Frage, wo geht die Schuld hin?:

            Ich differenziere zwischen der Beziehung zu Gott und Gottes Gesetz.

            Letztlich ist Schuld ein Konflikt/Trennung in der Beziehung zu Gott und Gottes ist es, der Schuld vergibt. Das tut er einfach, weil er gnädig ist und sich erbarmt. Diese Eigenschaft ist ganz eng mit seinem Wesen verbunden.

            Dann gibt es noch das Gesetz. Es ist zwar auch Gottes Gesetz, aber hier gilt, dass man unter einer Gesetzordnung eben nicht 5 grade sein lassen kann. Das Problem ist nun, dass Gott-feindliche Mächte, der Ankläger und der Tod als Macht/Gewalt zu Recht Besitzrechte an den Gesetzübertretern reklamieren. Aber wenn Gott gnädig sein will, dann kann er sein Gesetz durch Gnade „überschreiben“ und Übertretungen übersehen. Das tut er ja im AT. Hier zeigt bereits der Bock für Asasel, der in die Wüste geschickt wird: Wenn Gott gnädig sein und vergeben will, werden die Rechte der Finsternisseite überschrieben.

            Ich denke nun, dass das Kreuz und die Schuldübernahme nicht so zu verstehen ist, dass hier Schuld getilgt/gelöscht/abbezahlt/ausgeglichen wird, einfach beseitigt, wie man das auch immer nennen mag. Sondern das ganze mit der Schuldübernahme ist nur eine rechtliche Operation auf dem Leben der Person Jesu. Er verurteilt ihn für alle mögliche Gesetzesübertretungen (d.h. aber jetzt nicht, dass die Schuld der Welt weg ist), daher kommt er rechtmässig in den Machtbereich des Todes. Durch sein Erbarmen überschreibt er jetzt aber die Rechte des Todes und löst seine Bande und sieht dabei von der ganzen auf ihn gerechneten Schuld ab. Dadurch hat er sich ein Leben eines neuen Menschen(!) geschaffen, der zum einen natürlich permanent mit ihm versöhnt ist und zum zweiten immun gegen eine weitere Verurteilung durch das Gesetz mit Todesfolge.

            Wenn ich als Jesu Eigentum nun heute sündige, dann vergibt er mir, was die Schuld aus der Beziehung zu Gott geht bedingungslos. Und die mögliche Anklage aus dem Gesetz wird zurückgewiesen, nicht indem er sagt: Durch meinen Tod wurde auch diese Schuld getilgt, sondern indem er sagt: Du gehörst nach wie vor zu mir, und auch der Schuldbrief aus dieser Übertretung hing am Kreuz, dafür wurde meine Person auch verurteilt und diese meine Person kann nicht nochmals verurteilt werden. Ich halte dich in meinem Machtbereich. Dann bist zu safe.

            Diese Systematik löst m. E. einige Probleme, die man mit der bekannnten Version des Sühnetods haben muss. Dass Schuld mit der Währung „Tod“ bezahlt wird, kommt hierin nicht vor. Das ist moloch-mässig.

          8. @ toblog: Im Ergebnis kann ich dem nun zustimmen. Wirkliche Nähe zu Gott ist nur ohne Schuld bzw. Schuldgefühle möglich.
            Die Relativierung des Lösegeldbegriffs war hilfreich, da dies sonst echt moloch-mäßig wäre. Die Herleitung über das „Gesetz“ empfinde ich als postchristlicher Jurist zwar nach wie vor als unlogisch bzw. unnötig. Für einen biblisch bzw. alttestamentarisch Denkenden kann dies aber durchaus eine schöne Brücke sein.
            Ich würde die Befreiung von Schuld aber gerne um für mich zwei wichtige Aspekte erweitern.
            Der erste Punkt betrifft die Ewigkeit Gottes, da die Vergebung m.E. jenseits von Raum und Zeit geschieht. D.h. dieses göttliche Prinzip gilt nicht erst seit 2000 Jahren, sondern schon immer. (Damit sollte auch deine Frage, liebe Katja, beantwortet sein). Christus sagt selbst: „Bevor Abraham war bin ich“ (ungleich war bzw. werde ich 2000 Jahre später sein). Dies ist für mich von entscheidender Bedeutung für das Christusverständnis. Christus ist die Gegenwärtigkeit bzw. unsere Gott-Essenz. Jesus war, Christus ist.
            Der zweite Punkt ist die religionsübergreifende Bedeutung von Vergebung. M.E. geschieht Vergebung und gilt die göttliche Befreiung von Schuld auch unabhängig von Religionszugehörigkeit und bedarf keiner Entscheidung des Menschen.
            Ich weiß zwar, dass insbesondere der 2. Punkt nicht unbedingt deine Zustimmung finden wird. Aber vielleicht können wir mit der schönen Sufi-Weisheit, die ich heute (bzw. jetzt gestern) auf einer spirituellen Liedernacht in der ev. Johanneskirche in München gehört habe, verbleiben : „Es gibt ein Feld jenseits von richtig und falsch, auf dem wir uns einmal treffen werden.“ Diese Liedernacht war übrigens unglaublich schön und ich kann sie jedem wärmstens empfehlen, der offen für religionsübergreifende Spiritualität ist (die nächste Liedernacht findet im Oktober in der kath. Michaeliskirche statt). Der Abend endete mit dem Lied „Wir sind alle verbunden“. Eine Erde, eine Menschheit, ein Geist! Love and Peace, Daniel

          9. Lieber Daniel,
            ja, meine Frage ist beantwortet. Ich hatte dich so verstanden, dass du es für unwahrscheinlich hältst, dass Gott vor 2000 Jahren die Todesstrafe abschaffen konnte (oder vergeben), wo wir Menschen es doch erst im 18. Jahrhundert geschafft haben.
            Meine Zustimmung findet der Punkt mit der religionsübergreifenden Vergebung auf jeden Fall. Und zwar aufgrund der biblischen Aussagen dazu. Z.B. dass Gott DIE WELT mit sich versöhnt hat. Also nicht nur alle Menschen, sondern überhaupt die ganze Schöpfung/Kreatur. Ich denke aber doch, dass es einer menschlichen Entscheidung bedarf, nämlich dahingehend, ob ich das als Mensch so glauben/annehmen/leben möchte, dass mir vergeben IST, ohne mein eigenes Zutun. Dass ich mir nicht erarbeiten muss, nicht bestimmte Gesetze dafür einhalten muss, dass ich frei bin, geliebt bin etc. Und es gibt einen Haufen Menschen (in allen Religionen/Weltanschauungen, auch solche, die sich Christen nennen), die nicht in diesem Glauben leben und sich und anderen das Leben schwer machen – die sich und anderen das Leben zur Hölle machen (für mich ist Hölle eine Lebensform, in der ein Mensch sich nicht der vorauseilenden, bedingungslosen Liebe&Vergebung öffnen kann/will und lieber selbst alles schaffen und im Griff haben möchte – sowohl im Diesseits als auch im Jenseits).

          10. @Daniel: Schön, wenn einige meiner Gedanken bei dir nicht auf die anfängliche Ablehung stossen!

            – persönl. Schuld, Vergebung, Versöhung und Zorn halte ich für Beziehungsbegriffe.
            – Gesetz, Übertretung, Gerechtigkeit, Gericht ordne ich der Juristerei zu.

            Zu den persönlichen Begriffen: Vergebung währt eben so lange, wie es die Personen gibt – außer es kommt neue persönl. Schuld hinzu, die wieder vergeben werden muss.

            Sich erbarmen und vergeben kann Gott erstmal einseitig, aber zu einer Versöhnung gehört meine Person doch auch dazu. Eine Versöhnung entsteht ja zwischen 2 Personen erst, wenn derjenige, der den anderen geschädigt hat, mind. einen Funken Reue und Einsicht zeigt.

            Das Gesetz ist m. E. nicht nur für diejenigen eine Hilfe, die altestamentarisch denken. Man darf sich durchaus mal die Frage stellen, wann das AT, der Bund der Gesetzeswerke denn endet. M. E. besteht der immer noch und endet erst mit dem Weltgericht. Der Neue Bund kommt hinzu. Das Erbarmen Gottes aufgrund seines Wesens muss mit dem Weltgericht aber nicht zwingend auch an ein Ende kommen. Das kann man auch schon aus den Psalmen herauslesen (z. B. Ps. 103, 8.9). Doch wenn ich heute schon angeboten bekomme, „unter der Gnade“ zu sein, dann wäre ich blöd, wenn ich „unter dem Gesetz“ bleiben wollte. Denn dann muss ich die Leistung selbst bringen.

          11. @toblog
            zu der Reue/Einsicht: ich glaube, dass das Gesetz genau diese Funktion hat: Einsicht zu geben. Dass es nicht aus Selbstzweck existiert oder weil Gott Lust hatte, den Menschen Vorschriften zu machen. Sondern „das Gesetz“ (in Form der Gebote der Thora) spiegelt das wider, wie Gott sich Beziehung, Gesellschaft, Leben vorgestellt hat, wenn sie nach seinem Wesen der Liebe funktionieren. Durch das Gesetz wird auch Gottes Heiligkeit deutlich (das spiegeln zB die Reinheitsvorschriften). Und auch die Tatsache, dass wir als Menschen da nie hinkommen. Wenn ich angesichts des Gesetzes diese Einsicht gewonnen habe, habe ich nun entweder die Möglichkeit, dass ich „unter die Gnade schlüpfe“ (diese Funktion hat dann das Evangelium, Gott ermöglicht mir das in Jesus). Oder dass ich zwar sehe, dass ich an Gott nicht rankomme, aber anfange, dafür zu schuften (dann bin ich „unter dem Gesetz“ und leiste mich zu Tode). Oder dass mir das alles egal ist und ich mich zum Maß aller Dinge mache (me first, make my profit great again etc.). Ich kann auch durchaus mit der Vorstellung eines Fegefeuers was anfangen als einem Zustand, in dem ein Mensch Gott in seinem Wesen direkt begegnet und diese Vollkommenheit und Liebe so „glühend heiß“ ist, dass er das kaum ertragen kann – aber dass sie sozusagen auch all das wegschmilzt, was ihr nicht entspricht und den Menschen dadurch reinigt. Ich meine aber, dass das nicht unbedingt ein Ort nach dem Tod sein muss, sondern dass das jedesmal passiert, wenn ich einem Stück von Gottes Wesen begegne (zB in Jesus) und mich selbst in dieser Begegnung erkenne – und davon ist man auch nicht ausgenommen, wenn man einmal das mit dem Evangelium verstanden hat (also nicht in dem evangelikalen Sinn, dass man „sich einmal für Jesus entscheidet“ und dann ist man safe und muss an sich nichts mehr ändern; das regt mich super auf bei manchen Frommen, dass sie so oft davon reden, dass „Gottes Wort unangenehm ist“ und man „sich etwas sagen lassen muss“, aber dass das immer nur für andere gilt, für die Ungläubigen, aber NIE für die „rechtgläubigen“ Frommen selbst). Ich fand zum Thema „Heiligkeit“ das Themenvideo vom Bibel-Projekt gut: https://www.youtube.com/watch?v=IZO-B2s8Xgc
            Das Spannende daran, wenn man „unter die Gnade schlüpft“ (oder auch: „Jesus anzieht“ oder „Jesus in einem wohnt“) ist, dass man dann selbst auch dahingehend verändert wird (i.e. ein neues Herz bekommt), dass man sich gerne so verhält, wie es in den Geboten steht: Rücksichtnahme auf andere, Empathie, Zuwendung zu gesellschaftlichen Randgruppen, Einsatz für Schwache, Großzügigkeit, Ehrlichkeit, Streben nach Gerechtigkeit etc.- dass man gewissermaßen durchlässig wird für das liebende Wesen Gottes, das durch einen dann lebt/die Welt gestaltet.

          12. @Katja. Ja, vieles sehe ich auch so (ähnlich). Danke auch für den Link zu dem Video. Die Erfahrung, dass man sich auf seine Heilsgewissheit verlässt und glaubt, man sei selbst schon so ganz recht – die habe ich in frommen Kreisen nicht gemacht. Sondern in Teilen des Pietismus, wo ich ursprünglich mal herkomme ist es eher umgekehrt: dass man einen ständigen Blick auf sich gerichtet hat, ob man denn schon heilig genug sei für die Begegnung mit Gott.

            Dennoch finde ich die Betonung der Heilsgewissheit wichtig. Der Glaube ist eben nicht nur doxa, eine Meinung, sondern etwas, wo ich mein Leben drauf baue und das mir Halt gibt – gerade in Schwierigkeiten. Mit „safe“ hatte ich jetzt Joh. 10 im Hinterkopf, wo Jesus sagt, dass niemand seine Schafe aus seiner Hand reißen wird und er ihnen das ewige Leben gibt. Und dann macht er einen Hinweis auf die Macht des Vaters. Heisst umgekehrt: Es gibt eine starke Macht, die daran interessiert ist, die Schafe wieder in die Todeszone zu holen – die aber nicht stärker ist als der Vater.

          13. @toblog: mein „safe“ war nicht auf deins bezogen. Und eine „Heilsgewissheit“ (ich mag diesen Begriff nicht, er ist SO fromm) für das Leben als tragenden Grund finde ich auch wichtig.
            Ich habe auch zT pietistischen Hintergrund und kenne das mit der heiligkeitsstrebenden Selbstbespiegelung nur zu gut. Mir ging es eher um die Beobachtung, dass Leute sich auf ihrem „Gerettetsein“ (eben auf dieser Heilsgewissheit) ausruhen, also dass es die Hauptsache ist, einmal sicher in den Himmel zu kommen und dass es zweitrangig bis egal ist, wie sie HIER leben. Ich hab erst mit Mitte 20 verstanden, dass ich offenbar die einzige in meinem Umfeld bin, die das mit dem „wo bin ich noch nicht heilig genug und muss mich ändern“ ernst nimmt (und diese Finde-den-Fehler-Einstellung hat mir mein Leben ruiniert, vor allem, weil ich leidvolle Lebenserfahrungen immer daraufhin untersucht habe, auf welche Fehlerhaftigkeiten sie mich denn hinweisen sollen oder aufgrund welcher Fehler sie mir widerfahren sind) und dass die anderen zwar immer davon reden, wie „verkehrt“ sie doch sind und wie demütig, aber dass das letztlich nur Gerede war, aber sie nicht danach gelebt haben und viele auch mit sich sehr zufrieden waren und Kritik nicht ertragen konnten. Aktuell erlebe ich das bei einem Brüdergemeindefreund, der alles, was nur den Hauch von Selbstreflexion hat, mit „das ist eine von den angekündigten Bedrohungen der Endzeit, die die wahren Christen treffen“ abschmettert. Aber Hauptsache, er „hat am Ende mal Recht“ (das ist seine „Heilsgewissheit“) …

        2. Oh, eine Assoziation hatte ich noch vergessen, die kam mir am Sonntag in der Osterpredigt: In Genesis heißt es, dass Gott den Menschen in den Garten Eden setzt, damit er ihn bebaut und bewahrt. Sein Job ist also schlicht gesagt: Gärtner. Und für wen hält Maria Magdalena den auferstandenen Jesus zunächst? Richtig, für den Gärtner… Da bekommt das „Jesus ist der neue/letzte Adam“ nochmal ne ganz andere Komponente, find ich.

  10. Irgendwie versucht ihr die Quadratur des Kreises, wenn ihr beide Meinungen nebeneinander stehen lassen wollt. Entweder ist Jesus leiblich auferstanden oder eben nicht. Ist ja nett wenn Hr. Breuer niemanden missionieren will, aber ich sehe – bei allem Wohlwollen für die historisch kritische Auslegung – keinen Gewinn in seinen Ansichten.
    Nirgendwo in der Bibel haben mehr als eine Person, an unterschiedlichen Orten, zu unterschiedlichen Zeiten die gleiche „Erscheinung“ gehabt. Auch sonst ist mir dieses Phänomen unbekannt. Sorry aber das Konzept überzeugt nirgends.

    1. Versteh ich…
      Aber nur, wenn du deine Auffassung als die reale Rezeption des tatsächlichen Geschehen glaubst. Sobald du den leisen Zweifel zulässt, dass Deine eigene Auffassung Begrenzungen unterliegt, werden andere Deutungen daneben mindestens zulässig, finde ich.
      LG,
      Der Jay

      1. Du hast Zweifel an der leiblichen Auferstehung? Versteh ich. Aber du hast Glauben dafür das Gegensätzliches möglich ist? Verstehe ich nicht.

        1. Ich habe Glauben daran, dass ich die Welt nur bruchstückhaft erkenne, und dass sich deshalb diese jemand anderem anders erschließt als mir. Und dass ich oft nicht entscheiden kann, ob und wer von uns beiden wirklich Recht hat.

          Außerdem arbeitet jeder von uns ständig mit Modellen und Vorstellungen, die nicht 1 zu 1 übereinander zu legen sind. Licht = Welle UND Teilchen. Dein Unverständnis ist mE konstruiert.

          LG,
          Der Jay

  11. Hallo ihr beiden Talker,
    hab den Talk jetzt erst fertig gehört und muss mich mal dazu äußern.
    Ich möchte mich herzlich für dieses Gespräch bedanken. Thomas Breuer scheint ein sehr sympathischer und kompetenter Gesprächspartner zu sein und ihr habt eine gute Mitte zwischen kritischen Fragen und konstruktivem Gespräch gefunden.
    Allerdings fand ich seine Argumentation nicht sehr überzeugend. Hier meine kritischen Anfragen:
    Mir ist kein evangelikaler Theologe bekannt, der behauptet, dass Jesus bei der Auferstehung in den gleichen Köper zurückgekehrt ist. Und mir ist auch niemand bekannt, der meint, die Himmelfahrt hätte innerweltlich stattgefunden und Jesus und Gott schweben nun irgendwo hinter einer weit entfernten Galaxie.
    Hier setzt auch meine Kritik an den Positionen Breuers an. Bei allem Verständnis für moderne Interpretationen der biblischen Botschaft – die sind dringend nötig – hier schüttet er das Kind mit dem Bad aus. Er ignoriert Paulus eindringliche Worte von der Sinnlosigkeit des Glaubens ohne die Auferstehung Christi. Und das Fehlen von Aussagen über das leere Grab bei Paulus als Beleg für einen fehlenden Glauben des Paulus an die reale Auferstehung Jesu zu nehmen ist schon sehr gewagt.
    Auch seine Argumentation von den unterschiedlichen Auferstehungsgeschichten scheint mir sehr dünn zu sein. Es ist ein Phänomen der Evangelien, dass sie sich in ihren Berichten über Jesus ergänzen. Und es ist auch keine Frage, dass die vier Autoren ihre Leser zur jeweiligen Zeit der Verfassung im Blick hatten. Aber von der fehlenden Einheitlichkeit in den Berichten über den Auferstandenen auf ein nicht statt gefundene reale Auferstehung zu schließen scheint mir wenig überzeugend zu sein. Gerade darin, dass Jesus leiblich auferstanden ist, sind sich die biblischen Autoren absolut einig. Übrigens auch darin, dass er auferstandene Jesus in seiner Körperlichkeit sich deutlich vom vorösterlichen Jesus unterschiedet.
    Ich finde Breuer konstruiert einen Widerspruch, denn es meines Erachtens nicht gibt. Eine reale Auferstehung ist doch keine Verlagerung des Glaubens in eine absolute Jenseitigkeit. Jay sagt es sehr richtig: Sie ist der entscheidende Sieg über die Macht des Todes. Mir gefällt der Satz: Die Auferstehung ist nicht Umkehr des Todes, sondern der Durchbruch des Lebens. Wie das funktioniert hat, muss dabei offen bleiben. Aber das ist das Wesen des Wunders: Es entzieht sich unseren wissenschaftlichen Erklärungsversuchen.
    Ich bin ganz bei Breuer, wenn er in der sehr menschlichen Vorstellung dieses unvorstellbaren Geschehesn die Größe Gottes minimiert sieht. Und hier liegt für mich eine entscheidende Antwort: Auferstehung und Himmelfahrt, ebenso wie Wiederkunft und Vollendung der Welt sprengen unsere menschlichen Möglichkeiten, dies zu erklären und zu begreifen. Darum ist der Glaube auch die einzige Zugangsmöglichkeit. Breuer würde dem wahrscheinlich zustimmen und doch dekonstruiert er all das, was sich nur dem Glauben erschließen kann durch seine Versuche es mit menschlich wissenschaftlichen Möglichkeiten zu erklären. Und damit nimmt er dem Glauben seine Grundlage.
    Für mich ist solch ein Glaube weder trostvoll noch sinnvoll. Was soll ich denn noch glauben, wenn als sich alles in menschliche Erklärung auflöst? Breuer nutzt ja selbst die Formel von der Transzendenz in der Immanenz, löst sie aber letztlich in die Immanenz hinein auf. Damit dekonstruiert er, was am Glauben Geheimnis ist und so unserem Zugriff entzogen bleibt. Und genau hier liegt der Schwachpunkt liberaler Theologischer Ansätze.
    Ich bin sehr dafür, neue Vermittlungsformen für das ewige Geheimnis der Erlösung durch Jesus zu finden. Aber das darf nicht dazu führen, die Grundlagen der Erlösung in Kreuz und Auferstehung weg zu interpretieren.

    1. „Mir ist kein evangelikaler Theologe bekannt, der behauptet, dass Jesus bei der Auferstehung in den gleichen Köper zurückgekehrt ist. “

      –> Was sagen dann evangelikale Theologen, was mit Jesus‘ altem Körper passiert sein soll? Und wenn Jesus‘ leiblich auferstanden ist, aber in einem neuen Körper, warum beharren Evangelikale denn dann so eisern auf einem leeren Grab?

      „Und mir ist auch niemand bekannt, der meint, die Himmelfahrt hätte innerweltlich stattgefunden und Jesus und Gott schweben nun irgendwo hinter einer weit entfernten Galaxie.“

      –> Was glauben Evangelikale denn dann, was mit dem neuen Körper von Jesus passiert sein soll? Hat der sich in Luft aufgelöst?

      Bei der Breuerschen Version geht Alles auf – ihr Evangelikalen habt gleich zwei überflüssige physische Jesus-Körper, über deren Verbleib ihr keine Rechenschaft ablegen könnt.

  12. Da es ja auch Thema war, hier noch mal meine Gedanken dazu, warum Jesus sterben musste.
    Im Auto höre ich gerade die Hörbibel, was gegenüber dem Lesen den Vorteil hat, dass man sich bei einzelnen Texten nicht lange aufhält und daher den roten Faden besser sieht.

    Der besteht m.E. darin, dass Gott Israels Vertrauen einfordert, Israel aber anderen Göttern (oder eigenen Gesetzen) hinterherläuft und Gott daraufhin damit droht, andere Völker herbeizurufen, die Israel auslöschen oder wenigstens dezimieren.

    Was erst einmal grausam klingt, ist m.E. ein genialer Schachzug der biblischen Autoren, ihre Selbstwirksamkeit zurückzugewinnen. Denn bedenkt man, dass Israel historisch von viel stärkeren Völkern bedroht war, dann ist die Aussage: Es scheint zwar so, dass wir hilflos den Feinden ausgeliefert sind, aber wenn wir nur wieder unserem Gott vertrauen, dann hat der Feind keine Chance gegen uns.

    Das wäre also ungefähr das Gleiche wie wenn Heidenheim 0:12 gegen Bayern verliert, und ein Heidenheimer Spieler selbstbewusst vor den Kameras verlauten würde, dass eigentlich Bayern haushoch verloren hätte, wenn sie nur auf ihren Trainer gehört hätten.

    Wenn Jesus nun am Kreuz stirbt und von den Feinden (Römern) hingerichtet wird, dann geht er stellvertretend den Weg zu Ende, den Israel mit seinem Misstrauen gegenüber Gott eingeschlagen hat. Nur mit dem Unterschied, dass er in alledem nicht aufhört, Gott zu vertrauen – was nun dazu führt, dass dort, wo das Vertrauen über den Tod hinausreicht, neues Leben beginnt.

    Mein Punkt wäre, dass Jesus etwas leistet, das Menschen unmöglich ist: nämlich den unendlichen Gott (im Leben und Sterben) bedingungslos zu lieben und zu vertrauen, wozu endliche Geschöpfe, die tausenden Bedingungen unterworfen sind, gar nicht imstande sind.

    Fernab von aller Theorie hätte der Mensch davon ganz konkret etwas, wenn er sich an diesen Jesus dranhängt, denn sitze ich mit ihm in einem Boot, dann liegt es nicht an meinem, sondern an seinem Glauben, dass wir Gott entgegensteuern – weswegen ich mich auch einfach mal entspannt zurückzulehnen und die Bootsfahrt genießen kann.

    1. Interessant, so hab ich das noch nie gesehen.
      Das Bild mit dem Boot gefällt mir sehr gut. Da kann ich dann hinten im Boot sein und auf einem Kissen schlafen 🙂
      A propos roter Faden: ich hab durch den NT-podcast von Jens Stangenberg die Videos vom Bibel Projekt entdeckt und find sie hilfreich, um einen Überblick zu bekommen und Zusammenhänge in der Bibel zu entdecken. https://dasbibelprojekt.de/

      1. Das geht klar, ich wünsche gute Träume!
        Der Punkt ist, denke ich, dass es auf dem Boot, das sich Gemeinschaft nennt, Arbeiten gibt, die nur Gott selbst erledigen kann.
        Was mich zum Beispiel geärgert hat, waren die Alles-ist-vergeben-Posts auf Facebook, kurz nach den Sri Lanka Anschlägen. Das ist halt leicht gesagt, wenn man unbeteiligt ist – wer dagegen liebe Menschen verloren hat, dem kommt sowas ungleich schwerer über die Lippen.
        Wenn aber Vergebung im eigentlichen / göttlichen Sinne Neuschöpfung bedeutet (siehe Psalm 51: Tilge alle meine Schuld und erschaffe in mir ein neues Herz!), dann kann das eben nur Gott – und dann kann ich es mir hinten im Boot auch einfach mal gemütlich machen, ohne gleich irgendwem irgendwas vergeben zu müssen.
        Mit Jesus als Steuermann steuert das Boot sowieso auf die Mitmenschen zu – und wenn man sich irgendwann zum sturmerprobten Seeman (-frau) gemausert hat, wird dann auch Zeit für Versöhnung sein.
        Danke für den Tipp, klingt interessant, werde ich mir ansehen.

        1. Danke. Melde mich, falls mir ein antiker Bartträger erscheint 😉
          Mich ärgern auch diese Storys von Leuten, die gleich nach dem Mord an ihren Kindern dem Täter vergeben haben wollen. Ich meine, solche Menschen belügen sich letztlich selbst. Weil sie sich nicht eingestehen, dass und wie sehr sie verletzt wurden und was alles an Rache und Hass in ihnen steckt. Und weil sie sich keine Zeit nehmen, zu trauern. Ich bin keine Schnellvergeberin. Es gibt Dinge, die liegen fast so lange zurück, wie ich lebe, die lassen mich immer noch nicht los (oder ich sie). Warum? Weil ich mir immer die Schnellvergeber zum Vorbild nehmen musste.
          Da hab ich einen neokreativen Steuermann dringend nötig. Und auch einen, der es aushält, mit einem Wutbündel unterwegs zu sein.

          1. Das kenn ich, speziell, wenn jegliche Einsicht fehlt und Versöhnung einfach nur um des sozialen Friedens willens stattfindet.
            Dann sagt man zwar, miteinander reden hilft, aber letzlich gibt es in jeder Konversation ein Kompetenzgefälle: der, der sich am besten verkaufen kann, gewinnt.
            Und weil die besten Verkäufer meistens auch die sind, die sich selbst ganz gut was vormachen können, reicht die eigene Schulderkenntnis meistens nur so weit wie es für die Selbstdarstellung notwendig ist.
            In der Erkenntnistheorie gibt es doch dieses Bild vom Netz, mit dem man Fische fängt: analog dazu hängt wohl auch die Frage, welche Schuld aus meinem eigenen inneren Meer auftaucht, damit zusammen, welches Netz ich zum Fischen benutze.
            Wobei uns alle natürlich betrifft, dass wir so sehr in Schuld verstrickt sind, dass wir sowohl die eigene als auch die Schuld des Anderen immer nur ansatzweise begreifen.
            Wenn aufgrund dieser Verstrickung Schuld etwas Multikausales ist, dann ist es vermutlich auch kein Wunder, dass das Kreuz eine multikausale Bedeutung hat – weil es diese Schuldverstrickung auf allen Ebenen entknotet.
            Bei alledem ist mir gerade erst klar geworden, warum Jesus ausgerechnet zu dem Gelähmten sagt, und das auch noch ungefragt: Deine Schuld ist dir vergeben! Es scheint so, dass Schulden immer lähmen – und zwar sowohl den mit den Schulden als auch den mit dem Schaden. Da Lahme aber nicht aufeinander zugehen können, ist somit Vergebung der erste Schritt zur Versöhnung.

      2. Ich nutze den Thread, um mir über meine eigenen Gedanken klarzuwerden (sorry Jay fürs häufige Freischalten).

        Ich habe gesagt, dass Jesus etwas tut, was kein Mensch tun kann, nämlich Gott vollkommen zu vertrauen.

        Ich habe gesagt, dass Vergebung für Gott immer auch Neuschöpfung bedeutet (Psalm 51: Schaffe in mir ein neues Herz!)

        Ist dann Vertrauen etwas, dass Jesus leistet, damit Gott vergeben kann?

        Ja und Nein. Nein, weil Vergebung keine Belohnung für Vertrauen ist.

        Und ja, weil Vertrauen dazu führt, dass ich mich einer Person öffne (während Misstrauen verschließt) und dies eine Voraussetzung für Vergebung ist (wenn die Tür verschlossen ist, kann man den Raum dahinter nicht wischen).

        Vollkommenes Vertrauen in Gott führt nun zu einer vollkommenen Offenheit für Gottes Vergebung und damit zu einer vollkommenen Neuschöpfung (von Herzen und der Beziehung zwischen Herzen).

        Das ist es, woran der Mensch lediglich partizipiert, ohne es selber leisten zu können.

  13. skeptischerchrist

    Ich habe einige Beiträge von Thomas Breuer auf Worthaus angehört und geärgert haben mich eigentlich alle sodass ich jetzt nicht wirklich erstaunt bin das ich mich auch hier wieder geärgert habe 🙂
    Erstmal ärgert mich die auch hier in den Kommentaren immer wieder angemerkte Überheblichkeit des „so kann man doch heute nicht mehr glauben“ die ja letztendlich alle abwertet die heute „noch so glauben“. Dann ärgert mich regelmäßig die Verwechslung von liberalem Christentum und naturalistischem Christentum. Ein liberaler Christ (jemand der wie ich im interreligiösen Dialog aktiv ist und ein hohes Maß an Akzeptanz von Schwulsein etc. hat) kann durchaus dezidiert und aus Überzeugung Antinaturalistisch sein und an die leibliche Wiederauferstehung Christi , an die heilige Eucharistie (also die Realpräsenz Christi), ja sogar an die immerwährende Jungfräulichkeit Marias glauben ( an all das glaube ich).
    Trotzdem bin ich ein liberaler Christ. Allversöhner der daran glaubt das alle Religionen zum gleichen Ziel führen.
    Außerdem ärgert mich, dass diese „Liberalität“ die auch bei Zimmermann (den ich ja sehr schätze) sich immer nur auf die bezieht die sich auf den richtigen Weg des wahren modernen Naturalismus befinden, alle anderen werden zwar immer wieder als Brüder und Schwestern „wert“geschätzt aber eben als fehlgeleitete und frühkindlich indoktriniert/verkorkst.

    Thomas Breuer sagt an einer Stelle das er NICHTS über das Jenseits weiß aber ganz sicher weiß das es sich die mittelalterlichen Christen sicher ganz falsch vorgestellt haben. Um dann wieder gönnerhaft zu sagen, der Mensch ist halt schwach (er auch manchmal) und muss sich halt so etwas vorstellen.
    ich frag mich wenn er nichts weiß wieso weiß er dann ganz sicher welche Bilder falsch sind?
    Nichts wissen heißt nichts wissen.
    Und warum sollte eigentlich ein Gott der diese Welt schon gut gemacht hat eine jenseitige Welt erschaffen die ganz ganz anders als Gut ist? Warum nicht ähnlich oder sogar gleich?

    Dieser Naturalismus Kompatible Weg den vor allem die EKD aber auch Teile der katholischen Kirche gegangen ist ist meiner Meinung nach ein ziemlicher Irrweg und letztendlich eine Form des Pantheismus der wie Schoppenhauer schon sagte eine höfliche Form des Atheismus ist.

    Ein paar gute Argumente warum Naturalismus und Theismus unvereinbar sind finden sich hier:

    http://naturalismuskritik.de/Kirche_und_Naturalismus.html

    Eine Lösung aus der Newtonschen Falle wird hier vorgeschlagen:

    http://naturalismuskritik.de/Raus_aus_Newtons_Kiste%21.html

    Hier wird auch ein schönes Bild gezeichnet wie man sich Wunder ohne weiteres erklären kann:

    „Ein schönes Beispiel ist die Überzeugung mancher Sufis, nach der die Welt von Moment zu Moment jeweils ins Nichts versinkt und anschließend wieder neu geboren wird, freilich in leicht veränderter Form. Jede Veränderung verdankt sich damit einem Eintauchen in jenes mystische Nichts, das wir nie verstehen werden, dem aber alle Veränderungen zuzuschreiben sind, die uns – naiver Weise – so erscheinen, als ob sie auf irdische Ursachen bzw. Kräfte zurückzuführen wären.“

    Wie schon geschrieben ich habe von Worthaus einiges gelernt aber diese Punkte halte ich für wirklich Kritikwürdig. Es ist nicht Aufgabe der Theologie die Christen oder das Christentum Naturalismus oder Szientismuskompatibel zu machen.
    Es reicht wenn Theologen sagen, der Glaube an die leibliche Auferstehung Christi steht nicht im Widerspruch zum Christlichen Glauben. Oder der Kreationismus ist mit dem Schöpfungsgedanken des Christentums problemlos zu vereinbaren.

    1. Danke für den Link. Den neuen Beitrag kannte ich noch nicht. Er regt mich jetzt doch noch zu einem Post an. Ich denke, das Arbeiten mit verschiedenen Mustern oder Modellen der Erlösung hat dann seine Berechtigung, wenn man die verschiedene Aspekte einfach (noch) nicht in einem Schema zusammendenken kann (Welle-Teilchen-Dualismus). Ansonsten strebt der denkende Mensch immer danach, die eine allumfassende Theorie aufzustellen oder zumindest vorher unzusammenhängende Erkenntnisteile zu verbinden wie bei einem Puzzle.

      Wenn die verschiedenen Bilder nun weit voneinander entfernt sind, gibt es erstmal keine Problem. Wenn nicht, dann sind schon logische Brüche erkennbar. Z. B. sagt er einerseits, dass es bereits im AT Vergebung gab, z. B. bei Jesus vor dem Kreuz und andererseits, dass das Bild vom stellvertretenden Sühnetod uns zeige, dass Schuld nicht verjährt, sondern beglichen werden muss. Hm. Womit? Mit der Währung „Tod“? Ja, wat denn nu?

      Dann schön, dass das Bild vom Loskauf enthalten ist, wie man einen Sklaven auslöst. Doch der Loskauf vom Fluch des Gesetzes fehlt (Gal. 3,13)! Das bestätigt meinen Befund, dass viele um die rechtliche Dimension bei der Erklärung der Erlösung einen Bogen machen. Daher kann ich mit meinen rechtlichen Modell durchaus eine Lücke füllen bei der Erklärung, wie der Loskauf vom Gesetz vorstellbar sein könnte. Gerade in einem Forum, welches dazu beitragen will, Gesetzlichkeit zu überwinden.

      1. Das mit der Vergebung im AT und zu Jesu Lebzeiten und dem stellvertretenden Sühnetod ist für mich kein Widerspruch. Schreib das aber doch mal in die Kommentare zu seinem podcast. Würde mich auch interessieren, was er dazu denkt und warum er das mit dem Gesetzesfluch nicht erwähnt hat.

      2. Moin toblog,
        Ein paar (kurze) Gedanken zu deinem Post. Besser spät als nie.

        1) Ich habe eine andere Sicht von „Mustern und Modellen“. Sie sind nicht nur eine Übergangslösung, bis wir eine „allesumfassende Theorie“ besitzen. Sondern sie erinnern uns daran, dass sich die Wirklichkeit einer letztgültigen Systematisierung durch den Menschen entzieht. Die biblischen Texte sind widerspenstig in Bezug auf eine Vereinheitlichung. Die zwanghafte Total-Systematisierung ist – verkürzt gesagt – Ausdruck des „griechischen Geistes“, der sich allem gedanklich bemächtigen will. Aber auch ich liebe „Muster und Modelle“. Sie sind jedoch aus meiner Sicht immer nur Annäherungen und müssen beständig revidiert werden. Dieses ist ein unabschließbarer Prozess.

        2) Die Deutung des Kreuzes: In meinem anderen Podcast „3 Gesichter des Evangeliums“ versuche ich, die missionswissenschaftlichen Erkenntnisse in Bezug auf unterschiedliche Zugangswege darzustellen. In Schuld-Kulturen wird der rechtliche Aspekt der Erlösung betont, in Angst-Kulturen der schützende Aspekt und in Scham-Kulturen der integrierende Aspekt. Natürlich könnte man daraus eine Meta-Theorie machen, aber wem nützt das? Genauso wenig wie es „den Menschen“ gibt, gibt es „das Evangelium“. Man bekommt es immer nur in einem konkreten kulturellen Kontext. Auch die biblischen Texte liefern es uns nicht in Reinkultur, sondern schon als Anwendung auf einen bestimmten orientalischen Kontext.

        3) Fluch des Gesetzes: Das hätte ich auch erwähnen können. Danke für den Hinweis. Ich habe mich aber eher an den Schwerpunkten der einzelnen neutestamentlichen Bücher orientiert. Den Galaterbrief hatte ich nicht mit aufgenommen. Inspirationsvorlage war Anselm Grün, wie ich es erwähne.
        Grundsätzlich lässt sich zwischen Schuld der Sünde und Macht der Sünde unterschieden. Schuld bezieht sich auf Taten, Macht bezieht sich auf den Einflussbereich. Bei Schuld ist der Mensch Täter, bei Macht ist er Opfer. Wenn wir vom „Fluch des Gesetzes“ befreit werden, dann macht das deutlich, dass das Gesetz nicht nur böse Taten verurteilt, sondern selbst – unter gewissen Umständen – zu einer destruktiven Macht werden kann.

        4) Was den „Widerspruch“ zwischen AT-Vergebung und Notwendigkeit des Kreuzestodes angeht: Ich denke, damit müssen wir leben. Gott hat im AT Menschen aus freien Stücken vergeben. Jesus war dafür noch nicht gestorben. Auch Jesus selbst hat vor seinem Tod vergeben. Und doch wird der Kreuzestod als notwendig dargestellt. Darauf muss man versuchen, sich einen Reim zu machen. Folgende Lösungsvarianten:

        a. Die AT-Vergebung war gar keine richtige Vergebung, sondern eine Vergebung „in Hinblick auf“ Jesus Sühnetod. Dann nimmt man den NT-Sühnetod als hermenteutischen Schlüssel und interpretiert damit die AT-Vergebung. Diese Deutung halte ich für unbefriedigend.
        b. Die AT-Vergebung ist vollgültig. Der Sühnetod ist nur eine Verdeutlichung der Barmherzigkeit Gottes. Damit wäre der Kreuzestod nicht zwingend. Auch unbefriedigend.
        c. Man könnte auch differenzieren: Im AT war die Vergebung vorwiegend auf Israel beschränkt. Im NT sind der Kreuzestod und die Auferstehung der Ausgangspunkt für die spätere Heidenmission. Klingt schon richtiger.
        d. Deswegen mein Vorschlag: Es braucht nicht den Kreuzestod, DAMIT Gott barmherzig ist. Das ist er auch so. Aber der Kreuzestod (Gott stirbt in seinem Sohn aus Liebe zu uns) ist notwendig für uns Menschen, damit wir Gottes Barmherzigkeit und sein Versöhnungswillen glauben. Die „Sühnevorstellung“ ist ein jüdisches Deutungsmuster, das sehr hilfreich ist, um die Erlösungsnotwendigkeit zu verstehen. Nicht Gott, sondern die Menschen müssen versöhnt werden.
        e. Gleichermaßen gilt aber: In der Apostelgeschichte wird kein einziges Mal auf den Tod Jesu als Sühnetod Bezug genommen – außer in Apg.20,28 – und dort auch eher auf „das Blut“ als Bezahlmittel. Offenbar ist die Sühnetodvorstellung im NT sehr wichtig, aber doch nicht so wichtig, dass sie immer erwähnt werden muss.

  14. Torsten Dietz hat es gestern auf Worthaus sehr schön in seinem Vortrag zum Auferstandenen ausgedrückt:
    (Der Vortrag kommt wahrscheinlich Ende des Jahres/Anfang 2020)
    Generell hat sich gefühlt jeder 2. Vortrag auf die Aufestehung bezogen.
    Die Auferstehung ist ein ziemlich seltsame und teilweise mit einem Augenzwinkern versehene Geschichte.

    Laut Lukas Evangelium begegnen uns am Ende Maria, Petrus und Jakobus. Sie glauben die Auferstehung nicht, Petrus rennt dann zum Grab um sich selbst zu überzeugen.
    Dann Schnitt: Jesus erscheint den Emmarus Jüngern(wer sind die beiden überhaubt?). Laut Dietz stehen sie für jedermann. Sie ekennen ihn erst mal nicht, er bricht das Brot mit ihnen, sie erkennen ihn und zack ist er weg.
    Sie rennen zurück nach Jerusalm, mit der Story ihres Lebens und kommen dann nicht zu Wort, weil Petrus plötzlich mit seiner persönlichen Erscheining anfängt und Jesus dann zum Abschluss durch die Wand kommt. Wie müssen sich sich die beiden vorgekommen sein? 😉
    Toll, und dafür jetzt diese Erzählung vorher.
    Alleine schon wie Jesus sich ständig hin und her beamt zwischen den einzelnen Orten. Er erscheint den Frauen, dann den Jüngern und wusch ist er wieder weg.
    What? Ganz großes Humorkino.

    Die Auferstehung bzw. der Auferstandene ist passiert und entzieht sich unserer Wahrnehmung.
    Es wäre eine starke Reduzierung würden wir das ganze auf unsere technisch-dieseitige Wahrnehmung rpressen und den Auferstanden zum Teil der greifbaren Welt machen .
    Luther hat dazu gesagt, die Augen in die Ohren zu stecken.
    Eigentlich ist das ganze ein Zeitsprung ins jetzt verweist aber gleichzeitig in die Zukunft.

    Torsten Dietz plädiert dafür, die Wahrheit liquide zu halten und die Auferstehung als eine Art Einladung zu sehen: drüber nachdenken, reflektieren, lernen, glauben.
    und die Auferstehung als Zeichenhandlung für die eigene Gebrochenheit hin zur Hoffnung zu deuten.
    Der Glaube soll schließlich ewig jung und lernend sein.
    Und diese Adrian Plassche Deutung des Endes von Lukas gefällt mir auch ganz gut.

  15. Dass Thomas Breuer bei 58:45 sagt, die Auferstehung von den Toten werde kein Backup sein und keine Minute später (59:42) das Update-Geräusch zu hören ist, ist wohl Gottes Art zu sagen: I see you 😉

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