#168 Zwischen Nächstenliebe und Selbstliebe – Kann man es auch übertreiben? Und wo soll die Liebe herkommen?

Robert hat uns angerufen und gefragt, wie weit die Liebe zum Nächsten eigentlich gehen darf. Bedeutet das, dass man die eigenen Bedürfnisse dabei vernachlässigen muss? Und ist Selbstliebe aus christlicher Sicht wirklich so schlecht? Was bedeutet es, den Nächsten zu lieben wie sich selbst? Und wie viel ist in dieser Hinsicht zu viel? Wir haben uns darüber unterhalten, erzählen von unseren eigenen Erfahrungen und haben ein paar gute Erkenntnisse für Euch. Aber hört selbst.

Gofi schwärmt von dieser Seite täglichen Andachtsseite der irischen Jesuiten: Sacred Space.
Und wenn ihr noch bei ‚Künstler unterstützen‘ helfen möchtet: Hier entlang, bitte.

43 Kommentare zu „#168 Zwischen Nächstenliebe und Selbstliebe – Kann man es auch übertreiben? Und wo soll die Liebe herkommen?“

  1. Die krasseste Erkenntnis für mich aus diesem Talk: Jay ist introvertiert!! Wow…. Was bin ich dann?? 🙂

    Über den Rest muss ich noch nachdenken 😉

    Aber weil Jay das mit dem sacredspace so gefallen hat, gleich hier erstmal die Werbung für die Audio-Version der ignatianischen Bibeltextmeditation für jeden Tag. Leider gibt es die nicht auf deutsch, aber dafür auf
    – englisch: https://pray-as-you-go.org/
    – französisch: https://prieenchemin.org/
    – spanisch: https://rezandovoy.org/ und
    – niederländisch: https://biddenonderweg.org/

  2. Gott von ganzem Herzen zu lieben, heißt doch nichts anderes, als zuzugeben, es nicht zu können.
    Und damit ist das Thema, liebe deinen Nächsten wie dich selbst, ebenfalls gestorben. Das ist ja schließlich der Grund warum wir von neuem geboren werden müssen, wir können als Sünder nicht so leben wie Gott sich das vorstellt.
    Die Liebe, so wie Gott sie versteht, ist eine Frucht des Heiligen Geistes und nicht unsere. Gruß Andy

    1. Wobei das mit der Neugeburt m.E. auch schnell zu einem getünchten Grab wird – nämlich dann, wenn wir einen guten Lebensstil als „Gabe des Geistes“ deklarieren, der sich im Grunde gar nicht von einem normalen Lebensstil unterscheidet. Denn seinen Nächsten lieben, heißt doch für die meisten Menschen, egal, ob Christ, Moslem oder Atheist: Helfen, wenn jemand in Not ist, gastfreundschaftlich sein, spenden, wo jemand bedürftig ist usw. – das sind alles Dinge, in denen wir uns nur graduell (aber nicht substantiell) voneinander unterscheiden.

      Wenn man also die Neugeburt im Sinne eines neuen Lebensstils versteht, sollte man ehrlicherweise zumindest den Maßstab von Jesus ansetzen, also: Absage an materielle Abhängigkeiten und völliges Geworfensein auf Gott – was für uns alle der bessere Lebensstil wäre, aber was auch für „neugeborene Christen“ in der letzten Konsequenz unmöglich ist, weil wir alle ja nur natürliche Mittel zur Verfügung haben, um den übernatürlichen Willen Gottes zu vollbringen.

      Neugeburt würde ich daher lieber verstehen als Hineingeburt in eine neue Elternschaft – und das bedeutet, dass uns Gott, gleich der Mutter, die den Säugling anlächelt, übernatürliches Vertrauen einflößt, das uns den Blick öffnet für sein übernatürliches Wirken.

      Das aber ist etwas, was m.E. die Kirche total vernachlässigt und wo wir dringend mehr Mystik benötigen, um Räume zu schaffen, in denen Vertrauen fließen kann, z.B. Stichwort Kontemplation – denn auch das beste Vertrauensverhältnis ist schnell am Ende, wenn man sich in gar keiner oder nur oberflächlicher Weise (Stichwort Lobpreis?) zueinander verhält.

      1. @Alexander, das finde ich einen sehr wertvollen Beitrag. Was die sogenannte „Neugeburt“ angeht, darf man auch nicht vergessen, dass Jesus ausgerechnet zu einem Pharisäer, also einem theologisch gebildeten, sehr frommen Menschen darüber geredet hat. Mal abgesehen davon, dass wir heute doch ehrlich gesagt gar nicht mehr wissen können, was genau Jesus damit gemeint hat, bedeutet für mich persönlich dieser Begriff so etwas wie „Bewusstwerdung“. Vielleicht so ähnlich, wie es die Buddhisten mit „Erwachen“ beschreiben, oder wie man manchmal von „Paradigmenwechsel“ spricht. Ich bin sehr christlich, eher evangelikal aufgewachsen, und der Begriff „wiedergeborener Christ“ war eine sehr übliche (im Grunde sehr arrogante) Bezeichnung für Gläubige, die es wirklich ernst meinen und durch Jesus erlöst wurden (bzw das für sich so verstanden) und damit nun endlich Gemeinschaft mit Gott haben können. Heute würde ich sagen, ich habe mich noch nie in meinem Leben von Gott getrennt gefühlt, auch wenn mir das immer eingeredet wurde (und zwar sowohl VOR einem speziellen Neugeburtserlebnis als auch heute NACH meinem Abschied aus diesem dogmatischen religiösen Denken.) Es macht mich irgendwie traurig, dass man solche Begriffe nimmt, um die eigene theologische Position zu untermauern und sich dadurch abzugrenzen. Wer weiß, was Jesus damals damit gemeint hat. Und wer weiß, ob es überhaupt ein Originalzitat war. Viel wichtiger ist doch, dass Menschen (immer wieder und nicht nur einmal) Entwicklungsstufen oder Momente erleben, in denen ihnen bewusst wird, wer sie sind – Mensch unter Menschen, Teil ihrer Mitwelt, begrenzt und endlich, geliebt und wertvoll. Und daraus resultiert dann Nächstenliebe, Mitmenschlichkeit, Barmherzigkeit, Demut, Freude am Leben, Dankbarkeit und vielleicht auch zunehmend das Bedürfnis, über Gott und theologische Dogmen weniger zu reden und dafür mehr einfach Mensch zu sein. Unabhängig von Kultur oder Religion. Ich nehme an, das ist es vielleicht auch das, was du mit Mystik meinst – Gott und einen angeblichen Weg dorthin nicht zu definieren, sondern stattdessen staunend und unwissend (wie eben ein neugeborenes Kind) vor und in ihm einfach zu leben.

        1. @Claudia
          Schön geschrieben, so ähnlich sehe ich das auch, vielleicht bin ich aber noch etwas näher am evangelikalen Gedankengut.

          Ich denke, um von Gott in eindeutiger Weise zu reden, muss man ihn entweder ganz groß oder ganz klein denken.

          Wenn ich ganz groß von ihm denke, als Gott im Sein wirkend und waltend, kann ich am Ende nur noch sagen: Was für ein Gott!

          Und ganz klein, mit den Wundmalen des Gekreuzigten, so wie der überführte Thomas: Mein Herr und mein Gott!

          Am diesem höchsten und tiefsten Punkt des Glaubens gibt es also eigentlich keine Worte mehr, sondern nur noch ein Staunen – aber hinter dem Staunen eine ganze Welt.

          Dazwischen, auf den Ebenen des Daseins, epistemisch, politisch, sozial, familiär, benötigt man dann wieder viele Worte, um von Gott zu reden, und das ist auch gut und richtig so – nur sollte man immer bedenken, dass Worte in Bezug auf das, was sie abbilden, immer fehleranfällig und missverständlich sind.

          Aber das heißt, wie gesagt, eben nicht, dass man sich vom Reden über Gott verabschieden sollte, sondern ganz im Gegenteil, ich halte mich da eher an Laotse, der, danach gefragt, was er als Erstes tun würde, wenn er ins Regierungsamt gewählt würde, gesagt haben soll: Als Erstes werde ich die Worte klären!

          Mystik würde dagegen bedeuten: Die Worte hinter sich lassen, um in der Begegnung mit der ersten Liebe staunend zu schweigen weil alles gesagt ist.

  3. Danke, Jungs, für die erneute Erwähnung unserer Initiative „Künstler unterstützen“!
    Jeder Cent hilft wirklich.
    Wir stehen mittlerweile (Stand heute, 1.5.) bei 122.000,-€!
    Es ist unfassbar, aber leider müssen wir noch weitermachen!
    Liebe & Grüße an euch alle
    Schmittie

  4. So…mit jedem Tag Nachdenken trudeln immer mehr Fragen bei mir ein.
    Was ich nicht verstanden habe, war Jays (?) Definition von „Gott lieben“ das „sich von Gott lieben lassen“ und „Gottes Liebe betrachten“. Also dass das eher etwas Empfangendes als etwas Handelndes ist. Bei der Selbst- und Nächstenliebe scheint ihr mir aber davon auszugehen, dass das etwas Handelndes ist – zB Fürsorge, Hilfsbereitschaft, Empathie, Annahme etc.
    Wie bist du zu dieser Definition gekommen? Und wie setzt du das in deinem Leben um? Weshalb ist es so eindeutig, dass Selbst- und Nächstenliebe etwas „aktives“ sind im Vergleich zur Gottesliebe?

    Nachdem ich aus der frommen „Du-bist-nicht-gut-genug“-Prägung ausgestiegen bin, fällt mir die Vorstellung nicht mehr so schwer, dass ich liebenswert und wertvoll bin. Dass Gott ein Liebender ist, allerdings immernoch/wieder.
    Wie erkenne ich diese Liebe?
    Ich habe letzte Woche was über die Bindungstheorie von Bowlby & Ainsworth gelesen. In ihrer Forschung über kindliche Bindung haben sie zwei wesentliche Faktoren für eine Bindung zwischen Kind und Bezugspersonen ausgemacht: Feinfühligkeit (Werden die Signale des Kindes aufmerksam wahrgenommen, richtig gedeutet und erfolgt eine angemessene Reaktion?) und Verlässlichkeit (Sieht das Kind seine Bedürfnisse zuverlässig beantwortet?). Im Hinblick auf das, was Alexander zu Neugeburt und Elternschaft formuliert hat, muss ich für mich sagen: Ich habe zu Gott keine Bindung, denn ich habe ihn selten bis nie in meinem Leben als feinfühlig und verlässlich erlebt. Er hat mich nicht getröstet, als ich traurig war, er war nicht da, als ich missbraucht und gedemütigt wurde, er hat mir keine Nähe geschenkt, als ich einsam war, er hat meine Schmerzen nicht gelindert, als ich körperlich zerbrochen bin und er hat mein Vertrauen in ihn insbesondere in wesentlichen Lebensentscheidungen nicht „belohnt“ (insofern, dass mich die Entscheidungen zu einem friedvollen etc. Leben geführt hätten), sondern mich ins offene Messer laufen lassen. Wenn man das, was Jesus sagte oder allgemein das, was wir in der Bibel lesen können, als Rede Gottes verstehen kann, dann hat er mir ziemlich viel versprochen und nicht gehalten.
    Wie kann ich da Gott lieben, mich von ihm lieben lassen und seine Liebe betrachten, wenn ich nicht davon ausgehen kann, dass er mich liebt (auf eine Eltern-Kind-Weise)? Wie kann ich ihm vertrauen, wenn er sich nicht als verlässlich gezeigt hat?

    Eine der Fragen im Teaser für die podcast-Folge war, woher die Liebe kommen soll. Die christliche Antwort darauf lautet: von Gott. Nur wenn wir Gott lieben/ von ihm geliebt werden, können wir auch Liebe weitergeben. Ich glaube das nicht. Ich merke nichts von Gottes Liebe und dennoch kann ich andere Menschen lieben und mich wertschätzen (lernen). Und wenn ich mir die Welt so ansehe mit all den Verlassenen, den Opfern, den Gehassten und Misshandelten, dann ist mein Antrieb zu lieben angesichts von der Nichtsichtbarkeit eines liebenden Vater/Muttergottes sogar noch größer. Ich sehe, wie er nicht liebt und sich nicht kümmert, aber ich will so gut ich kann der liebende und sich kümmernde Mensch für mich und andere sein, der Gott für mich wieder und wieder nicht war.

    1. Danke, Katja, für deinen mutigen und ehrlichen Kommentar. Das musste einfach mal gesagt werden. Und sollte und darf es auch. Wieder mal zeigt sich da für mich auch die Notwendigkeit zu definieren, was man unter dem Begriff „Gott“ versteht. Wenn man, wie in den meisten christlichen Kreisen, sich Gott irgendwie als eine Person vorstellt, kommt man früher oder später (vorausgesetzt man ist so ehrlich wie du) unweigerlich zu einer Enttäuschung. Enttäuschung heißt aber – wie der Name schon sagt – das Ende einer Täuschung. Deswegen halte ich es wirklich nicht für glücklich oder hilfreich, sich Gott als Person zu denken – auch wenn das Vater (oder Mutter-) Bild für Gott, das ja auch Jesus vertreten hat, sicher viel Gutes bewirkt hat. Manche denken sich Gott als das „Gute“, kommen aber dann an die Grenze, wenn sie erklären sollen, woher dann das (in unseren Augen „Böse“). Wie gesagt, es ist Definitionssache, und bevor man über Gott, oder Gottes Liebe oder Liebe zu Gott redet, müsste man Gott erst mal definieren, und ehrlich gesagt – ich kann das nicht.
      Erstaunlich viele Aussagen in der Bibel (oder auch in anderen heiligen Schriften) machen für mich auf einmal Sinn, wenn ich dafür das Wort „Natur“ oder „Sein“ – „Alles, was ist“ („Ich BIN“ – Jhwe?) einsetze. Dann komme ich weg vom personalen, fast menschlich zugeschriebenen Charakter Gottes, wo „er“ mit meinen elterlichen Vorstellungen zwangsläufig versagen muss. Vielleicht gibt es deswegen in der Bibel von Gott auch so viele Bilder, weil sich dieses „Phänomen“ halt auch so verwirrend unterschiedlich zeigt (Vater, Mutter, Richter, Rächer, Allmächtiger, Leidender, Segnender, Strafender usw.) Aber wie gesagt, es sind MENSCHLICHE Bilder von etwas, das wir nicht verstehen (oder uns wünschen).
      Wenn du dich mit Bindungstheorie beschäftigt hast, ist dir sicher auch der Gedanke gekommen, dass ein Mensch nur so viel lieben und sich binden kann, als er es selbst erfahren hat. Freilich kann das menschliche Gehirn im Laufe des Lebens durch gute Erfahrungen und Therapie hier viel nachholen, aber es ist doch so, dass Bindungs- und Liebesfähigkeit einfach eine teils angeborene, vor allem auch erlernte Fähigkeit ist. Da fällt mir der Satz von Jesus ein: „Wem viel gegeben ist, von dem wird auch viel gefordert.“ Das gilt meines Erachtens auch für Bindungs- und Liebesbegabung. Manche können eben nur so viel weitergeben (sich selbst und dem nächsten), wie sie haben, aber Jesus meinte mit dem Gleichnis der Witwe und ihrem letzten Groschen, das ist voll genug! Auch wenn es der Gesellschaft und dieser Welt natürlich umso besser geht, je mehr bindungs- und liebesfähige Menschen es gibt (und dafür gilt es sich einzusetzen!), wird niemand von einem Menschen mehr fordern können, als er geben kann. Auch Gott nicht – egal, wie man ihn definiert. Auch hier gibt es wieder viel Sinn, wenn man dafür „Natur“ oder „Gesetzmäßigkeit“ einsetzt – dann ist es halt so, wie es ist. Das hört sich vielleicht irgendwie unpersönlich, nüchtern oder abstrakt und unnahbar an, aber ich fühle mich darin mittlerweile unglaublich geborgen und gehalten, vor allem, weil da auch nichts Verurteilendes ist. Es ist einfach alles so wie es ist, und ich darf darin sein.
      Manche definieren ja Gott auch als „Liebe“. (Siehe Johannesbriefe). Wie wäre es, wenn dann Gottesliebe = Selbstliebe = Nächstenliebe ist? so wie Theresa von Avila es mal ausgedrückt hat: Es gibt nur EINE Liebe. Liebe ist Liebe. Wie man die natürlich wieder definiert, ist auch wichtig. Und kann ich nicht auch lieben ohne zu wissen, wer oder was Gott ist? Trotz allem und gegen alles, so gut ich kann? Selbst wenn es sowas wie Gott gar nicht gäbe – wäre es dann nicht trotzdem besser und schöner zu lieben? Einfach weil es gut tut. Mir und anderen.
      Danke dir nochmal, Katja, du magst durch deine ehrlichen Aussagen manches Gedankengebäude erschüttern, aber das ist besser und reiner (heiliger?) als etwas glauben müssen gegen das eigene Empfinden.

      1. Hallo Claudia,
        danke für deine ausführliche Antwort und deine Gedanken!
        Vielleicht ist dein Ansatz eine Lösung. Ich denke aber, dass das Gottesbild in den jüdisch-christlichen Schriften viel zu krass personal ist, als dass man einfach nur „das Sein“ einsetzen braucht und dann weniger Probleme hat. Auch das Wort „JHWH“ beschreibt ja nicht ein bezugloses „Seiendes“, sondern hat in sich einen Bezug, bedeutet so etwas wie „ich bin im Bezug auf dich/euch“, „ich bin für dich (da)“. Und in den biblischen Texten geht es immer um Beziehung(en). Ich kann ein personloses Sein nicht mit der jüdisch-christlichen (Text)Tradition in Einklang bringen. Da wären andere spirituelle Traditionen besser geeignet – vielleicht der Buddhismus, oder Naturreligionen. Nun schleppe ich halt durch meine christliche Prägung diese Tradition mit mir herum und kenne mich in anderen nicht so gut aus.

        Die Sache mit der Bindung/Bindungs- und Liebesfähigkeit ist ja im Prinzip das, was ich über den christlichen Ansatz geschrieben habe, der besagt, dass man nur (so viel) lieben kann, wie/weil man auch von Gott Liebe bekommen hat.
        Das, was du im letzten Absatz schreibst, ist genau das, was ich ausdrücken wollte: Dass ich auch ohne Gottes Liebe zu empfangen selbst lieben kann, einfach, weil ich weiß, dass das für die Welt besser ist, wenn mehr geliebt wird. Woher ich diese Überzeugung habe, weiß ich nicht (explizit hat mir das zumindest niemand vermittelt). Vielleicht daher, dass ich weiß, wie sehr Einsame Nähe brauchen, Ausgegrenzte Verbundenheit, in eine missbräuchliche Situation Geratene Schutz, Missbrauchsopfer jemanden, der sie ernst nimmt und nicht in ihrer Scham alleine lässt, Kranke Linderung, Trauernde Trost, Ängstliche Beistand, Depressive Hoffnung und Schönheit…

        1. Claudia Stangl

          Das hast du schön geschrieben, Katja. Da wirst du zum „wounded healer“. Es erinnert mich an den Jesaja – Text, den Jesus damals auf sich bezog: „Ich bin gesandt, … zerbrochene Herzen zu verbinden …“. Du schreibst, du musst dich mit der jüdisch – christlichen Tradition abschleppen. Ich kann das verstehen, dass das manchmal echt ein Ballast ist. Aber ich denke, man darf aus einer Tradition immer das wählen, was zu einem passt und muss nicht das ganze Paket nehmen. Außerdem ist gerade die jüdische Tradition ein ziemlicher Mix aus ganz verschiedenen bunten religiösen Strömungen.
          Genauso hat es doch auch Jesus gemacht, hat sich in manchem aus seiner Tradition wiedergefunden, in anderem nicht oder hat Neues entwickelt. Insofern bist du ihm da ganz schön ähnlich. Aber nicht nur ihm (ich seh ihn jetzt einfach nur mal als einen Menschen in einer langen Reihe von Menschen, ohne den ganzen Kult um seine Person). Jeder darf entscheiden, was aus seiner Tradition er behalten, wovon er sich verabschieden und wo er sich für Neues öffnen will, und manchmal kann man sogar Ballast in etwas Wertvolles verwandeln, „Stroh zu Gold zu spinnen“. Bewahr die das. Ich find das toll und ganz stark.
          Und du bist da auch nicht allein. Wenn du mal gern was liest und ähnliche Erfahrungsberichte von Menschen hören willst, die sich aus ihren Traditionen gelöst haben und wieviel Kraft und Mut das gekostet hat (und wieviel Spuren das auch hinterlassen hat), dann kann ich dir das Buch „Sektenkinder“ ( Kaufmann, Illig, Jungbauer) empfehlen. Ist letztes Jahr herausgekommen und total wertvoll, nicht nur für Leute, die in den „klassischen“ Sekten aufgewachsen sind, sondern auch für Menschen aus engeren christlichen Gemeinschaften, die eher fundamentalistisch angehaucht sind. Die Auswirkungen sind oft dieselben. Auch die Netflix – Serie „Unorthodox“ ist dazu absolut sehenswert! Liebe Grüße

        2. Mir war das Bild mit dem Eimer, der gefüllt werden muss um zu geben, auch immer etwas zu simplizistisch und Kindhaft. Ich sehe liebe als etwas, das gebärt und aus dem Nichts erschafft. So viele großartige Leute haben ihre Tränen in perlen umgewandelt, da könnt ich heulen …

        3. Hi Katja, ich lese ja immer gerne, was du schreibst, das ist so tief und ehrlich und hat diese persönliche Note, die mir ja völlig abgeht. 🙂

          Ich weiß nur nicht, ob es, wenn Gott die Liebe ist, Sinn macht, zwischen der Liebe zu unterscheiden, die du bekommst und der, die du gibst, zumal dein innerer Kompass, dein Gespür für das, was gut und richtig ist, ja auch bereits ein Gottesgeschenk ist.

          Was die Gottesvorstellung im AT angeht, würde ich dir auf jeden Fall Recht geben, dass es eine explizit persönliche ist. Die Frage ist allerdings, ob sie auf genauso expliziten Gotteserfahrungen beruht oder die Menschen ganz „normale“ Erfahrungen (wie du und ich) gemacht haben, die sie auf Gott hin gedeutet haben. Gemessen daran, wie schnell sie sich immer wieder von Gott losgesagt und parallel auch anderen Göttern gedient haben, würde ich eher auf das Zweite tippen.

          Wenn Gott ihnen dann trotzdem ihren Mangel an Glauben zum Vorwurf macht, dann scheint die „Glaubensleistung“, die von uns gefordert ist, genau darin zu bestehen – dass wir unpersönliche Erfahrungen im Hinblick(en) auf einen persönlichen Gott interpretieren.

          Ich sage es, damit du mich, auch im Hinblick auf das, was ich über Neugeburt gesagt habe, nicht dahingehend missverstehst, dass meine Gottesbeziehung auf expliziten Erfahrungen beruht. Stattdessen ist es eher so, dass ich mich in der Geschichte des historisch waltenden Gottes wiederfinde und als Teil dieser Geschichte alles, was mir widerfährt, im selben Kontext (im Kontext einer verdorbenen Schöpfung und einem erlösenden Gott) interpretiere.

          Ich sehe also die Zusammenhänge zwischen dem, wie die Welt ist und wie sie sein sollte und wie ich bin und wie ich sein sollte und Gott als notwendigem Bindeglied zwischen Sein und Sollen – und diese (historisch begründete) Hoffnung auf Vervollkommnung oder Erlösung ist dann letztlich das, was mir den Glauben bewahrt.

          1. Hallo Alexander,
            ich denke, dass das Persönliche an Gott im NT/Christentum nochmal stärker wurde, allein dadurch, dass sich Gott nach christlicher Vorstellung in eine Person (Jesus von Nazareth) inkarniert hat. Diese Person hat dann wiederum als theologischer Lehrer seinen SchülerInnen gesagt, sie sollen Gott als „Vater“ ansprechen (oder sowas wie „Wer mich sieht, der sieht den Vater“). Bevor er verschwand, hat er ihnen versprochen, ihnen seinen Geist zu schenken als Tröster und als eine Kraft Gottes, die in ihnen sein würde. Sowohl die Vaterbezeichnung als auch die in-die-Menschen-Hineinsendung des Geistes sind aus meiner Sicht Anzeichen für eine sehr personhafte Art Gottes und für eine enge persönliche Verbindung der Menschen mit Gott.

            Aus meiner christlichen Prägung sind mir zahlreiche Berichte von Menschen bekannt, die in schwierigen Situationen (zB Trauer, Angst, wichtige Entscheidungsfindung etc) erlebt haben, wie sie nach einem Gebet von Freude, Trost, Frieden, einer Antwort auf ihre Frage(n) erfahren haben. Oder wie auf einmal sich andere Menschen bei ihnen gemeldet haben mit Worten oder Dingen, die sie dringend brauchten. Das wurde dann gedeutet als das Wirken des heiligen Geistes in uns (also Gottes persönliche Antwort auf die Bitte/ Bedürfnisäußerung) oder in anderen, die dann für die Bittenden zu Gottes Hilfe wurden.
            Ich kann mich nicht erinnern, dass mir das zuverlässig passiert ist. Oder dass „Frieden im Herzen“ bei wichtigen Entscheidungen dazu führten, dass die Entscheidungen dann auch im Nachhinein gut waren.
            Natürlich kann man da sagen: Ja, das ist eben die Unverfügbarkeit Gottes (und in bestimmten Kreisen 😉 wird die ja auch gefeiert). Im Zuge dessen, was ich über die Bindungstheorie gelesen habe und selbst aus dem Eltern-Kind-Alltag weiß, muss ich aber sagen: Das ist die Unzuverlässigkeit eines Vaters, die dazu führt, dass das Kind sich seiner Liebe und Fürsorge nicht gewiss sein kann. Und es geht mir hier nicht um Parkplätze, gute Noten oder schönes Wetter im Urlaub, sondern um existenzielle Bedürfnisse nach Trost, Nähe, Schlaf, Schutz, Wertschätzung… Klar kann ich als Mutter/Vater einem Kind nicht alle Wünsche erfüllen. Aber ich würde NIE meinen Trost verweigern, meine Nähe, den Ausdruck meiner Liebe usw. wenn mein Kind mir zu verstehen gibt, dass es das braucht.

            Zu deiner (und Claudias) Gleichung Liebe = Liebe und der Annahme, dass kein Unterschied besteht zwischen Gottes-, Selbst- und Nächstenliebe: Angesichts von Jesu Aussage „Was ihr getan habt einem meiner geringsten Brüder, das habt ihr mir getan“ ist das ja durchaus ein christlicher Ansatz. Und er würde mir die vielen Fragen nach Gottes Liebe ersparen, weil dann Gottesliebe nicht mehr ein „sich von Gott lieben lassen/Gottes Liebe betrachten“ ist 😉

          2. Mir geht das ja ähnlich wie Dir, Katja. Ich habe mich dazu entschlossen, dass meine Liebesrezeptoren wohl nicht besonders gut ausgeprägt sein können. Damit fahre ich im Großen und Ganzen ganz gut. Ich bin dann wohl so was wie ein geistlicher Autist. Die Alternative wäre, dass Gott mich entweder nicht genre hat, dass das Christentum mit seinem Gottesbild Humbug ist oder dass das ganze Gerede von Gott bloß ein Luftschloss ist. Alles 4 gehbare Straßen.

            LG,
            der Jay

          3. Hi Jay,
            und obwohl du schlecht ausgeprägte Liebesrezeptoren hast, definierst du „Gottesliebe“ als ein „sich lieben lassen“ und „Gotte Liebe betrachten“. Wie machst du das – ohne die Liebe wahrzunehmen??

          4. Mein ganzes Gebetsleben (Meditation, mein Baum etc), ist der Versuch mich dort hinein zu üben. Das klappt mal besser und mal schlechter. Das mich „lieben lassen“ ist dann ein Schritt des Glaubens für mich. Klingt nicht wahnsinnig aufregend und ist es auch nicht, funktioniert aber auf die lange Strecke ganz gut.

            LG,
            der Jay

          5. @Katja: Kein Widerspruch, was die Art der Beziehung angeht, nur bleibt es eine Beziehung zu einem transzendenten Gott. Er wird seine Möglichkeiten haben, in die Schöpfung – ins uns – hineinzuwirken, aber normal ist, dass wir Gott nur mittelbar erkennen, also von Rauch auf Feuer schließen, wofür viel Interpretationsarbeit nötig ist (da oft viele Feuer in Frage kommen).

            Und das, finde ich, deckt sich auch mit der evangelikalen Praxis, denn sonst, wenn jeder ständig intensive Gotteserlebnisse hätte, wäre das „Zeugnisgeben“ auf der Bühne ja gar nichts Besonderes. So wie ich das einschätze, laben wir uns aber alle daran, dass wir jemand kennen, der jemand kennt, der ganz Wunderbares mit Gott erlebt hat.

            Das ist m.E. eine Art induktives Framing – wenn also einer aus fünfhundert regelmäßig auf der Bühne Zeugnis gibt, oder wir alle im Internet von denselben Personen lesen, denen Unglaubliches widerfahren ist, dann kommt einem das Normaler vor als es ist – gerade, wenn es gemäß einer bestimmten theologischen Richtung ja auch die Norm sein sollte.

            Die Katholiken sind da m.E. in dem Sinne entspannter als dass sie die Petrus-Episode anders interpretieren – d.h. im Vordergrund steht, dass Jesus die Autorität an Petrus übergeben hat und seit der Himmelfahrt im (transzendenten) Hintergrund wirkt, während Jesus bei den Evangelikalen ganz vordergründig und viel präsenter da ist.

            Aber eigentlich habe ich keine Ahnung, ich bin ja nur ein einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn. 🙂 Nur was meinen eigenen Glauben angeht, da versuche ich mich dahingehend „abzusichern“ (in Bezug auf Glauben ein seltsames Wort), dass ich mir rein hypothetisch überlege, wie und woran ich glauben würde, wenn einzelne Aspekte meines Glaubens wegfallen würden. Wenn ich also eine persönliche Gottesbegegnung kategorisch ausschließen könnte, dann wäre mein Glaube noch nicht am Ende – wenn Jesus dagegen nicht von den Toten auferstanden ist, dann wäre das die Vollkatastrophe – in dem Sinne schlägt für mich die historische Hoffnung die persönliche Glaubenserfahrung.

            (Es wäre natürlich super spannend, was man glauben würde, wenn der christliche Glaube nicht wahr ist, aber darüber mach ich mir ein anderes Mal Gedanken…)

            P.S.: Es könnte sein, dass du denkst, dass ich an deinem Kommentar vorbeischreibe, da ich mich auf alltägliche Gotteserfahrungen beziehe und nicht auf dieses existentielle Gefühl des Aufgehobenseins in Gott, von dem du sprichst – aber auch das ist, glaube ich, viel mehr ein willentlicher Kraftakt als ein konstantes Gefühl – Jörg Splett nennt das den Abraham-Glauben: auch wenn alles dagegenspricht, trotzdem an den Versprechen Gottes festzuhalten.

            Bei einem Spaziergang musste ich letztens außerdem an etwas von Viktor Frankl denken, nämlich, dass es ausreichen würde, wenn im KZ auch nur eine Person seine Hoffnung nicht verloren hätte, denn dann wüsste man, der es prinzipiell möglich ist, dass jemand von der Gattung Mensch seine Hoffnung trotz allem nicht verliert. In dem Sinne, dachte ich mir, genügt es eigentlich auch, dass ich mir in einer einzigen Situation meines Lebens meines Glaubens sicher war (oder sein werde) – denn dann weiß ich, dass es prinzipiell möglich ist, dass ich mir meines Glaubens sicher sein kann.

          6. Lieber Alex,
            ich finde mich in deinen Ausführungen sehr wieder. So ähnlich gehe ich auch damit um. Deine Gedanken und Schlussfolgerungen zu Frankl sind bombe. Danke für die starken Worte.

            LG,
            der Jay

          7. @Alexander
            Ja…vielleicht…
            In dem, was Martin Schleske über die Entartung der Überraschtheit zur Willkür in Bezug auf die Musik schreibt, habe ich mein Leben/ meine Gottesbeziehung sehr wiedergefunden: „Die Willkür erlaubt keine Aussage. Alles ist möglich. Es gibt keine Plausibilität, kein nachvollziehbares Muster. Die Willkür überfordert uns, da sie nichts zu erkennen gibt.“
            Ich bin überfordert. Und müde. Ich habe jetzt 17 Jahre gesucht und gekämpft. Da ist keine Kraft mehr für diesen willentlichen Kraftakt Glauben, für diese Hoffnung wider die Erfahrung, für das Ausgeliefertsein an die Willkür des Transzendenten. Ich brauche Aufgehobensein. Einen JHWH-Gott, der sich finden lässt von allen, die ihn von Herzen suchen.

  5. Was ich an Gofi noch loswerden will:
    Ich denke, es ist ganz gut, dass dein Selbstporträt im Keller steht 🙂
    Du solltest dir eines von euren Fotos von Timm Ziegenthaler aufhängen. Ich finde, er hat euch in seinen Portraits wirklich schön vor die Linse gekriegt. Schönheit liegt eben immer im Auge des Betrachters (oder des Fotografen 🙂).
    Vielleicht ist das wie mit der Betrachtung Gottes. Für mich zumindest. Wenn ich ihn mit den Augen anderer ansehe, entdecke ich meistens mehr Schönheit als wenn ich ihn aus meiner Perspektive anschaue.

  6. Als ich den Verweis auf Sacred Space in den Shownotes gesehen habe, dachte ich: „Das ist ja cool, dass Gofi auch Sacred Space nutzt, das sollten noch viel mehr Leute kennen!“ Beim Anhören des Podcasts ging mir dann auf, dass ich wahrscheinlich die Hörerin war, die das vor langer Zeit mal in einem Kommentar empfohlen hatte 😉 Die Audio-Versionen hat Katja ja oben schon verlinkt.

    Noch eine andere Empfehlung, die mit dem Narrativ „Alles für Jesus geben“ und einer bestimmten Art von Biographien zu tun hat, von denen wir ehemals junge Evangelikale damals geprägt wurden: „Five Wives“ von Joan Thomas ist ein sehr guter, einfühlsam-kritisch-respektvoller Roman über die fünf Missionare, die Gofi kurz erwähnt hat (Jim Elliot & Co., die in Ecuador getötet wurden), mit Schwerpunkt auf den Frauen im Team – also den Ehefrauen bzw. in einem Fall der Schwester eines der Männer. Es ist eine Weile her, dass ich den Roman gelesen habe, aber ich fand es sehr gut, wie sie auch die ganz menschlichen Motivationen herausgearbeitet hat, die bei der ganzen Sache eine Rolle gespielt haben könnten. Vor allem die Darstellung von Jim Elliot als charismatischer, aber auch durchaus dominanter junger Mann, der vielleicht nicht immer ganz so reif war, wie er es von sich selbst dachte, fand ich ziemlich plausibel. Der Roman hinterfragt die Heldenverehrung, die aus der Geschichte entstanden ist, ohne dabei den Respekt für seine Hauptfiguren zu verlieren.

  7. @ Alexander: Warum wäre das denn für dich die Vollkatastrophe, wenn Jesus nicht von den Toten auferstanden wär? Den Punkt hab ich noch nie verstanden, warum das jetzt so dramatisch wäre….

    1. Spontan wäre meine Antwort: Weil dann am Ende doch der Tod, die Krankheit, das System der Tyrann, das Nichtversöhnte, das Aufrechnen, das Böse, das Banale und Belanglose gewonnen hätte – vom Gefühl vielleicht so ähnlich als hätte man die Raupe bereits fliegen sehen und müsste dann mit ansehen wie sie zerquetscht wird, ohne zum Schmetterling zu werden.

      Man kann natürlich sagen, das mit der Auferstehung ist zu schön, um wahr zu sein oder ist auch auf anderem Weg zu haben, aber wenn mir jemand ein Geschenk gemacht hat, dann sage ich ja auch nicht, dass ich es mir woanders hätte selber kaufen können oder, dass es eigentlich keinen Wert hat, sondern ich halte es schon deshalb in Ehren, weil ich im Geschenk – im Akt des Schenkens – das Herz des Schenkers entdecke. Diese Erfahrung als nichtreal aufgeben zu müssen, wäre für mich die Vollkatastrophe. 🙂

      1. Hm, so ganz kann ich deinen Gedanken nicht folgen …. Warum hätte dann das Böse gewonnen? Grundsätzlich hat sich in dieser Welt durch das Sterben von Jesus ja erst mal nichts geändert. Und auch durch seine (vermeintliche) Auferstehung nichts. Zumindest nichts, was man irgendwie belegen könnte. Ich kann Gott irgendwie schlecht durch ein einziges geschichtliches Ereignis denken.
        An ein Leben nach dem Tod glaubten Menschen auch schon vor Jesus und auch außerhalb des christlichen Glaubens. Auch ein Prophet Elia ist ja angeblich mit einer Feuerkutsche direkt in den Himmel gefahren, das Grab von Mose wurde nie gefunden (und dann erscheinen die beiden zusammen mit Jesus wieder auf dem Berg Tabor? So wie es zahlreiche andere Erscheinungen gestorbener Menschen in geschichtlichen Überlieferungen gibt?). Wurde nicht in der Geschichte immer wieder und in allen Kulturen bedeutenden Persönlichkeiten nachgesagt, nicht wirklich gestorben oder wieder auferstanden zu sein? Und ist es nicht letztlich auch Auferstehungsglaube, der einen islamistischen Terroristen zum Selbstmordattentäter werden lässt?
        Aus der Psychologie und auch der Neurowissenschaft weiß ich, dass visionäre Erscheinungen gestorbener geliebter Menschen in den ersten 4 – 6 Wochen nach deren Tod gar keine Seltenheit sind. Ich habe das selbst ganz eindrücklich erlebt, wo ich heute nicht mehr sagen kann, ob ich das geträumt oder tatsächlich „gesehen“ habe, und könnte da sicher eine Geschichte (sogar mit Anwesenheit von Zeugen) schreiben, die man in 2000 Jahren als Auferstehungsgeschichte deuten könnte (wenn es sich denn um eine geschichtlich relevante Person gehandelt hätte ;-))
        Ich will damit weder etwas widerlegen noch beweisen, auch niemanden verunsichern, einfach auch mal zu bedenken geben, ob das denn wirklich soooooo wichtig ist und ob man sich das einfach auch mal denken trauen darf. Für mich ist das wirklich auch die Frage, ob der Auferstehungsglaube denn wirklich die zentrale Botschaft des Christentums ist, oder ob es nicht vielmehr das Leben und die Botschaft (der Liebe und Vergebung) dieses Jesus von Nazareth sein sollten, die viele Menschen, auch „Nichtchristen“ teilen würden. Für mich persönlich habe ich irgendwann gemerkt, dass es nicht wirklich eine Konsequenz hat, ob Jesus nun leibhaftig auferstanden ist . Selbst wenn Jesus 85 Jahre alt geworden wäre und einen friedlichen Tod gestorben und danach keinem mehr erschienen wäre, hätten Menschen in ihm die inkarnierte Liebe Gottes gesehen. Darin möchte ich ihm gern, so gut ich kann, nachfolgen und fühle mich dabei ganz entspannt. Eine Auferstehung hätte keinerlei Konsequenz auf mein Verhalten in diesem Leben und auch nicht auf meine (Nicht – ) Angst vor dem Sterben oder auf eine Hoffnung auf ein Danach. Auch nicht auf mein Gefühl des Umgebenseins von Gottes Nähe und der Gewissheit, dass alles irgendwie schon Sinn haben wird. Meine Aufgabe ist das Leben VOR dem Tod. Alles andere möchte ich eigentlich Gott überlassen, den ich mir einfach gut, barmherzig und mir gewogen vorstelle.
        Ein bisschen geht es mir da auch wie Katja – ich bin so müde von all den theologischen und religiösen Konstrukten und unterschiedlichen Vorstellungen, die doch nur Menschen trennen und dabei kaum reale Auswirkungen auf das Leben haben.

        1. @Claudia Das kann man natürlich so sehen. Ich denke, wir alle bilden unsere Prämissen gemäß unserer persönlichen Vita. Wer Auswirkungen der Auferstehung erlebt hat (oder erlebt zu haben glaubt), der wird für deren Relevanz argumentieren, wer nicht, dagegen – die Vernunft ist eine Hure, wie Luther sagt. 🙂 Ich persönlich verspüre in dieser Hinsicht keinen Leidensdruck, meine Prämissen abändern zu müssen, eher eine Art Freudensdruck, der mich an dieser Hoffnung festhalten lässt, zumal dieses Nachspüren, Glauben und Hoffen für mich auf eine gewisse Art auch sehr erquicklich ist – was wäre das Leben langweilig, wenn es keine Rätsel zu lösen gebe. 🙂

          Auf der anderen Seite gehört zur Wahrheit, dass mich die Kluft zwischen Anspruch (Ich bin bei euch alle Tage!) und der gefühlten Wirklichkeit (Wo denn?), genauso wie Katja, oftmals sehr frustriert – ich denke, da ist die Kunst, in eine Adventsstimmung hineinzukommen, dass das, was sein soll, zwar nicht ist, aber auch nicht nur kommt, sondern am Kommen ist.

          Und in der Gewissheit, dass man Gott sowieso nicht herbeiglauben kann, muss man dann einfach leben, und das möglichst unverkrampft (da sind wir uns, glaube ich, einig).

          1. „In der Gewissheit, dass man Gott sowieso nicht herbeiglauben kann …“ Das ist irgendwie schön formuliert. Denn Glaube ist ja keine Leistung und auch keine Möglichkeit, das Göttliche zu kontrollieren. Herbeiglauben kann man die theologischen Konstrukte, in denen man sich dann vertraut und sicher fühlt (oder eingeengt und auserlesen).
            „Einfach leben …“ Und in diesem Leben ganz gegenwärtig sein und es gestalten, erleiden, genießen, vielleicht ist das genug.
            „… und möglichst unverkrampft“: Wenn ich Gott wäre, wäre das genau das, was ich uns Menschen gern sagen wollte: Mensch, entspannt euch! Lebt euer Leben mit all seinen Herausforderungen und Freuden, helft einander l(i)eben und macht euch Gedanken über EUCH, nicht über mich. 😊 Vielleicht ist das alles, was Jesus über gelungenes Menschsein sagen wollte:

            Es ging ein Mensch von Jerusalem nach Jericho.
            Er war kein richtiger Jude.
            Und schon gar kein Christ.
            Er sah einen Verwundeten am Wegrand und kümmerte sich.
            Dann zog er seine Straße weiter.

          2. [quote] und macht euch Gedanken über EUCH, nicht über mich. [/quote]

            Ich muss tatsächlich sagen, ich finde das Spannendste am jüdisch/christlichen Glauben, dass Gott de Weltbühne betritt und als Person Anspruch auf eine exklusive Beziehung erhebt.

            Der Gedanke, dass die Gottesliebe in der Nächstenliebe aufgeht, kommt mir sehr postmodern und naturalistisch geprägt vor – denn, wenn die Welt alles ist, was wir erkennen können, dann muss man sich in der Tat keine Gedanken über Gott machen.

            Diesen Schritt bin ich aber nicht bereit zu gehen, ich fühl mich da eher wie Bayer Leverkusen – selbst, wenn ich also nie Meister werde, trete ich jede Saison aufs Neue mit dem Ziel an, Meister zu werden – denn wenn ich das nicht hätte, würde es für mich gar keinen Sinn machen, an der Meisterschaft teilzunehmen.

            Insofern ist mein Glaube eher externalistisch als internalistisch geprägt: ich glaube mehr an die Meisterschaft als an mein (gefühltes) Meistersein. Mehr also dem, was ich glaube, als dem, wie es sich anfühlt, bzw. mehr der Geschichte mit Gott als meiner Geschichte mit Gott.

            Damit ist mein Glaube natürlich dogmatisch, das hat externalistisches Denken so an sich, aber ich finde das eigentlich ganz gut, auch, weil formulierte Wahrheitsansprüche überhaupt erst in den konkreten Diskurs führen.

            Mit dem Verwundeten am Wegesrand hast du natürlich Recht – ich denke, wenn man Gott in die Augen schaut und sich die Verwundeten dieser Welt nicht darin spiegeln, dass dann etwas nicht stimmen kann.

  8. Moin Gofi, moin Jay,
    ich habe gerade eure letzte Folge zu Ende gehört.
    Mir hat die Folge gut gefallen.
    Beim Hören ist mir immer wieder ein Gedanke gekommen, den ihr häufiger berührt habt, der aber gerade im Zusammenhang mit dieser Frage vielleicht noch tiefer behandelt werden könnte.
    Gofi hat es am Ende der Folge, als er über Jesus geredet hat, auf den Punkt gebracht. Er war sich treu, er war selbstbewusst, damit meine ich, er war sich seiner selbst bewusst.
    Eines der größten Phänomene in Evangelikalien und besonders in der hochcharismatischen Szene ist, dass viele, einschließlich mir, es verlernt haben, sich selbst zu glauben bzw. sich selbst zu vertrauen. Die Wahrheit lag immer in der Bibel (bzw. in der Interpretation der Bibel, entweder durch den eigenen Leiter oder einen externen Megastar der Szene) oder manchmal lag die Wahrheit einfach, auch ohne Bibel, in der Hand der Leiterschaft.
    Wenn man lang genug dabei war, hat man gut gelernt der eigenen Wahrnehmung nicht mehr zu vertrauen. Abgesehen davon, dass man ja auch raus war, wenn man Gedanken oder Haltungen hatte, die von der Hauptrichtung abwichen.
    Ich kenne einige, die mit therapeutischer Hilfe erst wieder lernen mussten bzw. müssen, sich selbst zu vertrauen, bzw sich und ihren eigenen Gedanken überhaupt wieder zuzuhören und dem Gehörten/Gefühltem dann zu vertrauen.
    Ich denke also, dass wir um in einen Zustand wie Jesus kommen zu können, wie der, den Gofi in den Talk eingebracht hat, noch mehr Selbstermächtigung und Stärkung bräuchten, damit wir uns und dem Reden Gottes wieder vertrauen können. Vielleicht müssen wir es überhaupt erst lernen, die eigene, leise innere Stimme und die leisen Impulse Gottes wahrzunehmen, ohne gleich den Gedanken zu haben, was wohl ein Leiter dazu sagt.
    Genug geschwafelt, ich wollte den Gedanken nur kurz los werden.
    Liebe Grüße aus dem hohen Norden Mathias

  9. Hab mich gerade durch alle Kommentare durchgelesen. Hammer, was ihr da teilweise an Weisheiten zusammengebracht habt. (Wenn nur ein Mensch Hoffnung im KZ hat, dann gibt es Hoffnung in jeder Situation!! 🙂 )

    Großartig im Talk fand ich die Erkenntnis, dass wahre Selbst- und Nächstenliebe immer eine gute Selbstkenntnis voraussetzt. Ich kann mich total aufopfern für andere und dabei kaputt gehen, weil ich es nicht merke (bzw weil ich gelernt habe, dass Gott das so von mir will!). Die Selbstliebe wurde in meiner christlichen Tradition immer verneint, weil die in der Bibel ja anscheinend nicht steht. Aber soweit ich mich erinnern kann, waren die überwiegende Lehrer dieser Meinung Menschen mit gutem Selbstwert. Wenn man den nicht hat (wie z.B. ich) dann kann man noch so viel für andere tun und geht dabei kaputt. Wenn das christlich ist, dann frage ich mich, was das für ein Gott der Liebe sein soll. Wie du Jay mit der Freizeit so schön beschrieben hast (das Beispiel hab ich fast gleich auch sehr schmerzhaft durch!), wir sind eben nicht Gott und haben ohne Ende Kapazitäten. Klar gibt es Wunder und Ausnahmen, aber das ist nicht die Regel.

    Was mich an dem Thema noch interessiert hätte, wäre der Gedanke, wo die Grenze zwischen Nächsten- und Selbstliebe ist. Das finde ich gerade mega schwierig. Wenn Coronagegner sich irgendwann infizieren (Weil Masken ein Gesundheitsrisiko darstellen 😉 ) und schwere Verläufe haben. Dann springen Menschen, die davor von ihnen beschimpft wurden, ein und helfen ihnen (Weil sie entsprechende Jobs haben und das ihre Pflicht ist). Das finde ich gerade sehr herausfordernd und frage mich häufig, wie viel muss man tolerieren muss und was ist christliche Pflicht ist (wenn es die gibt) und hört die irgendwo auf!?!?
    Und weiter frage ich mich natürlich, wer lehrt mich, dass Gott mich liebt? Christliche Antwort: Du musst (!!) Jesus wirklich in dein Herz lassen! Aber wenn ich nur den Gott kenne, der mir sagt, dass ich schlecht bin. Wie kann mir dann der gleiche Gott sagen, dass er mich liebt?

    1. Hallo Hanna,

      Die Selbstliebe wurde in meiner christlichen Tradition immer verneint, weil die in der Bibel ja anscheinend nicht steht. Aber soweit ich mich erinnern kann, waren die überwiegende Lehrer dieser Meinung Menschen mit gutem Selbstwert.

      Ja. Wenn die christliche Welt für dieses Missverhältnis mal ein Gefühl entwickeln würde, wären wir um einiges weiter. Es ist einfach Selbstaufgabe zu predigen, wenn man sich selbst klasse findet. Aber das solche Predigten Zuhörer mit einem miserablem Selbstwertgefühl produzieren oder sie in der mangelnden Annahme ihrer selbst bestätigt, dafür ist kaum Bewusstsein da. Und das ist ein echtes Problem! Dabei ist die Stoßrichtung des Evangeliums hier unmissverständlich: So SEHR hat Gott die Welt geliebt! Wenn Gott mich liebt kann ich nicht wertlos sein. Wenn Gott mich liebt, wäre es doch Blasphemie, nicht dasselbe zu tun.

      Was mich an dem Thema noch interessiert hätte, wäre der Gedanke, wo die Grenze zwischen Nächsten- und Selbstliebe ist. Das finde ich gerade mega schwierig.

      Willkommen im Club. 🙂 Ich weiß gar nicht, ob man diese Frage abschließend beantworten kann. Ist es nicht eine der Fragen, die einen das ganze Leben lang in der einen oder anderen Form beschäftigen wird? Und sind nicht alle Antworten, mit denen wir es versuchen einzugrenzen, immer notwendigerweise temporär? Der Gedanke macht mir Mut, zu dem, was ich diesbezüglich augenblicklich zu fassen kriege, zu stehen. Immer im Bewusstsein, dass sich das wahrscheinlich wieder ändern wird. Aber eben auch mit der Freiheit, das Augenblickliche fröhlich zu Leben. Jemand sagte mir mal, „Du musst nicht das ganze Evangelium leben, Jay. Sondern nur das, was DU davon verstanden hast.“

      Und weiter frage ich mich natürlich, wer lehrt mich, dass Gott mich liebt? Christliche Antwort: Du musst (!!) Jesus wirklich in dein Herz lassen! Aber wenn ich nur den Gott kenne, der mir sagt, dass ich schlecht bin. Wie kann mir dann der gleiche Gott sagen, dass er mich liebt?

      Das ist natürlich unmöglich.

      Jesus ins Herz zu lassen, ist nur für manche die Antwort auf Deine Frage, denke ich. Alle anderen brauchen darüber hinaus Menschen, die ihnen sagen und sie spüren lassen, dass sie liebenswert sind. Das ist einer der Gründe, warum es die Kirche gibt. Zumindest vom Grundgedanken her (in Realitas tut sie sich damit, wie viele von uns schmerzhaft erfahren haben, ziemlich schwer). Deshalb steht im Neuen Testament immer wieder: „habt einander lieb“. Was ist das anderes, als „spart nicht damit, euch spüren zu lassen, wie wertvoll ihr seid“.

      Wenn Du nur den Gott kennst, der dir immerzu sagt, wie schlecht du bist, dann wird der dir natürlich nie etwas anderes sagen. Mehr kennt der ja nicht. Ich weiß nicht, ob es darauf eine allgemeingültige Antwort gibt (die Menschen sind ja sehr verschieden), kann hier also nur darüber sprechen, wie ich mit diesem Problem umgegangen bin, bzw. umgehe. Denn ich kenne gut, wovon du sprichst. Das Problem solcher inneren Gewissheiten bzw inneren „göttlichen“ Botschaften ist ja, dass sie meistens tief in uns verankert sind. Sonst wären sie ja kein Problem. Ich bin dazu noch ein sehr Kopforientierter Mensch, dh jemand, dem es schwerfällt, die Welt über den Körper oder das Gefühl zu erfassen. Von daher kann ich leider nicht von einer großen Gottesbegegnung erzählen, der großen Liebe, die alle meine Selbstzweifel und Selbstverachtung hinfort gespült hätte. Wenn ich ein anderer Typ wäre, würde mir solch eine Art der Gottesbegegnung sicher leichter fallen. Jedenfalls erkläre ich mir so, dass diese Art der Problemlösung (die ich natürlich viel lieber hätte) für mich nie passiert ist, obwohl ich sie herbeigebetet habe, wie kaum etwas anderes. Aber da ich nun mal ein Kopforientierter Mensch bin, habe ich mich irgendwann dazu entschlossen, dem Gott, der mir nur sagt, wie schlecht ich bin, den Mund zu verbieten. Der lügt! Und mich stattdessen auf den Glauben konzentriert, der fokussiert warum Jesus in die Welt gekommen ist – nicht weil ich so schlecht und verdorben bin, sondern weil Gott mich über alle Maßen liebt. Ich habe dieses bewusste kognitive Umdenken, also das bewusste Ersetzen der Botschaften des „du bist wertlos“-Gottes (man könnte es auch neuronale Neu-Programmierung nennen), flankiert mit einer mystisch orientierten Gebetspraxis, die ebenfalls das Geliebtsein in den Fokus nimmt und einen inneren (Meditation) und äußeren (mein Baum) Ausdruck hat. Das mache ich seit ein paar Jahren und inzwischen ist die Stimme des Du-bist-nichts-als-ein-armes-Würstchen-Gottes, deutlich leiser geworden, bisweilen sogar verstummt. Ich bin immer noch kein Meister darin, Gottes Liebe zu spüren (wobei auch das besser geworden ist), aber an meinen schlechten Tagen halte ich mich nicht mehr für verachtungswürdig und an meinen guten finde ich mich sogar richtig gut. Und das ist doch schon mal ne ganze Menge.

      LG,
      der Jay

      1. Danke Jay für deine Antwort und die Beschreibung deines Weges. Ja, ich bin auch extrem kopflastig und werde das mal versuchen.
        Zumindest merke ich, seit ich nicht mehr ständig in Gottesdiensten sitze und seit ich keine Gebetszeit mehr mache (bzw. denke ich will das, weil ich sonst kein Christ sein kann 😉 ), dass dieser Gott nachlässt zu reden. Regelmäßig erklärt er mir dann noch, dass ich in die Hölle komme. Aber dann erkläre ich ihm, dass ich ja da meine Freunde treffe, die Jesus nicht als ihren Herrn und Erlöser angenommen haben 😉 . Das hilft manchmal. Nicht immer, aber manchmal.

  10. Hallo!

    Ihr habt im Talk viel Weisheit demonstriert.

    Das böse Lied, das ihr zitiert habt, ist:
    https://www.youtube.com/watch?v=VqUKzrl_Rzc
    DÖF – Codo
    Die Botschaft des Liedes ist fast christlich: Die Erde wird beherrscht von einer finsteren Macht, dem „Herrn des Hasses“.
    Hilfe kann nur von außen kommen, von einer kosmischen Macht: Codo bringt die Liebe mit, überwindet den Haß-Schirm und beendet die Herrschaft des Hasses.
    Unterschied zum Christentum: Codo muß sich dazu nicht selbst opfern.

    Optische und charakterliche Unterschied zwischen dem Herrn des Hasses und Gofi sind m.E. klar erkennbar.

    sacredspace.ie gucke ich mir mal an.

    Jay, ich habe da mal eine Frage: Du sagst, besondere Momente, wenn du z.B. von einem Lied besonders angesprochen wirst, reichen nicht; du brauchst regelmäßig meditatives Gebet. Aber kannst du den besonderen Moment nicht einfach wiederaufleben lassen, indem du das Lied einfach erneut abspielst (wenn du nicht gerade gestreßt oder müde bist)?

    Viele Grüße!

    1. Hallo André,

      Jay, ich habe da mal eine Frage: Du sagst, besondere Momente, wenn du z.B. von einem Lied besonders angesprochen wirst, reichen nicht; du brauchst regelmäßig meditatives Gebet. Aber kannst du den besonderen Moment nicht einfach wiederaufleben lassen, indem du das Lied einfach erneut abspielst (wenn du nicht gerade gestreßt oder müde bist)?

      Das funktioniert bei mir leider tatsächlich nicht so gut. Also natürlich kann derselbe Song zu einem anderen Zeitpunkt eine ähnliche Stimmung, ein ähnliches Gefühl oder so herstellen, aber nicht auf Knopfdruck. Mir fällt es überhaupt sehr schwer, aus vergangenen Erfahrungen zu leben. Das ist bei mir ein bisschen wie mit dem Manna bei der Wüstenwanderung, wenn ich etwas davon in den nächsten Tag retten will, schmeckt es nicht mehr. Das mag bei anderen anders sein, aber mir fällt es schwer, etwas Vergangenes wiederaufleben zu lassen. Das regelmäßige meditative Gebet hilft mir, mich immer neu zu gründen, zu erden, zu transzendieren oder wie auch immer man das ausdrücken mag.

      Lg,
      der Jay

      1. @Jay,
        Das tut mir grade so gut zu lesen, dass es auch andere gibt, denen es mit solchen besonderen Momenten genauso geht wie mir!! 🤗

  11. Hi! 🙂
    Bin ein bisschen spät dran… Hatte die Folge im April verpasst und hab sie jetzt erst nachgehört. Das hat aber super gepasst, denn das Thema hat mich in den letzten Wochen total beschäftigt.

    Gofi & Jay, erstmal ein großes Dankeschön! Die Folge war echt spannend und hat viele neue Gedanken angestoßen.

    Ich glaube, es wurde in manchen Kommentaren schon erwähnt, dass ihr die Liebe (und besonders die Nächstenliebe) darüber definiert habt, was man für andere Menschen tut. Und dadurch ergibt sich dann die Frage, ob es denn ok ist, dass man manchmal eben nix tut, wenn man gerade dafür keine Energie hat und sich mal um sich selbst kümmern muss.
    Mein Vorschlag wäre, dass man Liebe auch als „Annahme“ definieren könnte. „Ich bin von Gott geliebt “ heißt ja, dass ich so angenommen bin, wie ich bin. Ich muss nicht erst irgendwas beweisen, schaffen oder tun. Für die Selbstliebe würde das bedeuten, dass ich mich so annehme, wie ich bin. Ich weiß nicht, wie es euch und den anderen Hörern geht, aber das habe ich definitiv nicht so in meiner Gemeinde gelernt. Da war das Thema, dass ich als Mensch schlecht bin, voller Sünde und froh sein kann, dass Gott da irgendwie einen Weg aus dem Schlamassel gefunden hat. Es wurde zwar gesagt, dass Gott mich liebt, aber das war irgendwie bloß eine leere Phrase ohne Bedeutung im Kontext der restlichen Lehre.

    Je mehr ich darüber nachdenke umso mehr bemerke ich, wie viele Christen (mich eingeschlossen) mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, weil sie so wenig Selbstwertgefühl besitzen. Sie haben gelernt, dass alles Gute in ihnen von Gott kommt und das schlechte eben das menschliche ist. Und diese Einstellung wird dann oft noch als super demütig und heilig betrachtet.

    Macht mich gerade extrem ärgerlich und traurig und hat dazu geführt, dass ich jetzt mal eine Kirchen-Pause mache, weil ich ein bisschen Abstand brauche…

    Bis zur Frage, was das dann alles für die Nächstenliebe bedeutet, bin ich noch nicht gekommen… aber ich denke mal, je mehr ich es schaffe, mich so anzunehmen, wie ich bin – mit allem guten und allen Macken – umso einfacher wird es dann auch, meinen Nächsten genauso liebevoll zu betrachten.
    Da fällt mir ein Satz aus Torsten Hebels Buch ein: „Ich bin ok. Du bist ok.“

  12. Ich glaube, dieses Thema – Liebe – ist vermutlich, wenn auch oft latent das zentrale Lebensthema der Menschheit überhaupt. Vor allem für die Menschen, die da eher einen Mangel empfinden, weniger für die Menschen, die sich immer geliebt fühlen und somit auf der Sonnenseite sitzen.

    Ob man einen Gott lieben kann und wie man „die Liebe Gottes“ versteht, hat immer etwas mit den eignen Liebeserfahrungen zu tun, also: Liebeserfahrungen mit Gott hängen von den Liebeserfahrungen mit Menschen ab, denke ich (siehe Claudias Bindungs-Ausführungen).

    Mit Jays Ausführungen wie man Gott lieben kann oder wie sich das anfühlt, kann ich nichts anfangen. Ich habe nie erlebt, dass da etwas herumwabert, was ich lieben kann oder was mich liebt. Nie erlebt, wenn auch gesucht.

    Ich habe als Christ diese ganzen Liebes-Sachen immer als GEBOT verstanden. Das hat mich in meiner christlichen Kindheit und Jugend total geprägt: Liebe als Gesetz. Das war grauenvoll!! Ich war gezwungen Gott zu lieben und meine Eltern zu lieben (steht ja in den 10 Geboten) und alle anderen Menschen zu lieben und auch noch mich selbst zu lieben. OMG, kann man einen Menschen vielleicht noch mehr erdrücken als mit einem „Befehl“ etwas positives fühlen zu müssen bezogen auf seine Mitmenschen, seine Familie, einen Gott und bezogen auf sich selbst?!! Für mich ist Liebe nunmal überwiegend ein Gefühl. Was sich dann in Worten oder Taten ausdrücken kann. Und das kann man nicht auferlegen oder wie in der Bibel als Regel aufstellen! Für Menschen, die Liebe rationaler betrachten, ist dann Gott lieben oder den Nächsten lieben vielleicht einfacher.

    Aber diese auferzwungene Liebe, die ich nie gefühlt habe, hat mich echt aus dem Christsein verjagt. Ich check überhaupt nicht, warum sich Christen herausnehmen, dass genau und nur IHR Gott Liebe ist. Wie auch Alexander und Claudia hier schreiben: Wäre es nicht cool, wenn man Menschen unabhängig von einer Religion mit Liebe begegnet? Also mir macht das viel mehr Spaß – als Atheist nett zu sein. Harhar. 😀 Ist vielleicht ein bisschen trotzig á la: „Guckt mal, ihr Gläubigen, ich bin Atheist, ätsch, und ich bin trotzdem ein Mensch voller Zuneigung für andere!“, aber ich bin halt gerne trotzig.

    Als ich meinen ersten Freund hatte, sagte ich zu meiner damals besten Freundin: Einen Menschen zu umarmen ist das Schönste auf der Welt. Sie sagte: Nein, Gott lieben ist das Schönste auf der Welt. Hm. Also ich spür da nix.

    Als Jugendliche dachte ich immer, laut den Worten Jesu müsse ich theoretisch keine anderen Menschen lieben, denn als Christ muss ich ja andere nur so sehr lieben wie mich selbst. Und da ich mich als junger Mensch mich selbst überhaupt nicht geliebt habe (scheiß Erfindung, diese Pubertät), musste ich im Prinzip meinen Nächsten gar nicht lieben. In der Praxis hatte ich natürlich trotzdem ein schlechtes Gewissen und habe mich gezwungen, Liebe für andere zu empfinden.

    Die Stelle an der Gofi seine Harzwanderung und seine Gefühle dort beschreibt: Ja, damit kann ich mich identifizieren. Ich laufe seit drei Jahren fast täglich, teilweise stundenlang durch den Wald, weil ich dort etwas Schönes empfinde. Ob das jetzt die Liebe Gottes ist oder etwas anderes, ist mir wurscht. Es ist halt einfach geil. Auf den Waldboden legen und den Ameisen beim Leben zugucken. Kann schon sein, dass das eine Form ist, die Schöpfung und deren Ursprung zu lieben. Aber ich nenne es nicht „Gott“. Christen machen das mit der Liebe echt so kompliziert!

    Den Gedanken, dass Jesus regelmäßig switchte zwischen Alleinzeit (zum Sichselbstlieben) und Zeit für andere Menschen, finde ich super. Optimal gelöst!

    Und noch: Gofi, du bist nicht hässlich und fett (Jay übrigens auch nicht). Ich kenne euch zwar nicht, aber ich hab nochmal extra auf den Fotos hier auf eurer Homepage nachgeguckt. Da ist niemand, der hässlich und fett aussieht; alles schöne Menschen hier!

    1. Herrlich. Danke für diesen schönen Kommentar, liebe Katharina. Habe ich mit viel Gewinn gelesen.

      Du klingst nach jemandem, die ihren Umgang mit den Stolpersteinen des Lebens und der Spiritualität gefunden hat. Das ist toll.

      Wäre es nicht cool, wenn man Menschen unabhängig von einer Religion mit Liebe begegnet?

      Yes! Preach it, Sis.

      Also mir macht das viel mehr Spaß – als Atheist nett zu sein. Harhar. 😀

      Noch mal, Yes! Ich mag Atheisten, die mir vorleben, wie hilfreiches Leben geht. Und auch den Trotz darin verstehe ich megagut.

      Hau rein!

      LG,
      der Jay

    2. Liebe Katharina,
      ich hab neulich was Cooles gehört zu deinem Problem mit Liebe als Gesetz.
      In einem Podcast über das Buch Leviticus (https://m.youtube.com/playlist?list=PLtSaxWZzhmtX1eQ6myUFfVtxfVuBIM0l9)
      In Leviticus ist die erste Bibelstelle, in der das Gebot ‚Du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst‘ steht.
      Man kann das auch übersetzen mit ‚Liebe deinen Nächsten – er ist wie du‘
      Das geht letztlich in die goldene Regel über „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden möchtest“

      Auf die Frage, warum das als Gebot formuliert ist, hat der Podcaster einen richtig guten Ansatz: Es als Hilfestellung zu verstehen, nach dem Motto: probier es doch mal aus, deinem Umfeld so zu begegnen, als würdest du es lieben. Tue liebevolle Dinge. Das hat nicht nur positive Auswirkungen auf euer Miteinander, sondern könnte auch dazu führen, dass sich deine Herzenshaltung verändert.
      Heute finden wir den Ansatz in der Psychologie. Es gibt Untersuchungen mit depressiven Patienten, die zeigen, dass es ihnen hilft, wenn sie regelmäßig lächeln (obwohl sie sich nicht glücklich fühlen). Also das bloße Trainieren von Handlungen/Muskeltätigkeiten, die man normalerweise tut, wenn man sich freut, führt dazu, dass man wieder mehr Freude empfinden kann.

    3. Zu der Frage, wie „Gott lieben“ geht kann ich wenig sagen. Dieses fromme Soinlovewithgod funktioniert bei mir nicht.
      Ich konzentriere mich auf das mit den Mitmenschen und mir.
      Ausgehend von der Darstellung Jesu vom Weltgericht in Matthäus 25 wage ich sogar, dass Doppelgebot der Liebe so auszulegen: Liebe Gott von ganzem Herzen usw.. – und das tust du, indem du deinen Nächsten liebst, wie dich selbst.

    4. Liebe als Gebot – das erinnert mich an dieses Gedankenspiel von Jörg Splett, in dem Menschen, weil Berührung wichtig ist, verordnet wird, 10 Streicheinheiten am Tag zu verteilen, was zur Folge hat, dass sie sich auf 10 beschränken und die elfte – und einzig freiwillige – gar nicht mehr geben, weil sie nach 10 das Gefühl haben, ihre Pflicht bereits erfüllt zu haben.

      Auf der anderen Seite stimmt natürlich auch, dass Gleiches nur von Gleichem erkannt wird, sodass Liebe die Voraussetzung ist, geliebt zu werden. Und in dem Sinne würde ich das Gebot, Gott zu lieben, dann vielleicht eher als Fähigkeit verstehen, sich von Gott lieben zu lassen – so wie ich, wenn ich nie lesen gelernt hätte, vermutlich auch nie John Steinbeck lieben gelernt hätte.

      Und das ist möglicherweise auch ein ganz gutes Beispiel für die Gottesliebe, denn verliebt habe ich mich zunächst einmal in Steinbecks Geschichten, in die Figuren und das Leben- und Lebensgefühl, das in und zwischen den Zeilen wabert – aber darüber, weil ich in alledem die Tiefe seiner Gedanken und die Größe seines Charakters entdecke, dann letztendlich auch in den Autor.

      Warum ich dann aber speziell den christlichen Gott lieben gelernt habe, ist vermutlich das, was Nassim Taleb „Skin in the game“ nennt – dass also Gott nicht aufgrund von Worten liebt und vergibt, sondern, dass Liebe und Vergebung etwas ist, das sich an ihm vollzieht, indem er sich selbst dieser Welt aussetzt. Das berührt mich natürlich anders als mich Menschen berühren, und doch würde ich schon sagen, dass es mir (in manchen Momenten) in einer ähnlichen Weise unter die Haut geht.

      Darüber hinaus finde ich natürlich auch nicht, dass Jay und Gofi fett sind.

  13. Danke Katja für deine Ausführungen. Ich habe ja kein Problem mehr damit, dass bei den Christen bzw. in der Bibel Liebe als Gesetz verstanden werden kann bzw. ich es so verstanden habe. Ich bin nämlich kein Christ mehr – Problem gelöst. Also interessiert mich auch recht wenig, also gar nicht, was an welcher Bibelstelle steht. Die Bibel hat für mich persönlich null Relevanz – Problem gelöst. 🙂 Wenn für dich die Bibel als Wegweiser relevant ist und dir hilft, dann ist das schön. Ich brauche sie nicht (mehr) als Wegweiser.

    Die „Gebote“ als Hilfestellung zu interpretieren ist sicherlich total sinnvoll. Aber wie gesagt – ich benötige keine Religion, um zu lieben.

    Was deinen Vergleich mit den depressiven Patienten, die lächeln üben und sich dann besser fühlen angeht: Ja, das ist so der Mythos. Der kursiert, aber nicht wirklich belegt ist. Selbst wenn die Wissenschaft das belegt, heißt das nicht, das es im wirklichen Leben bei allen funktioniert. Lies mal Die Glücklüge von Michael Mary.
    Dein Ansatz, also das Lieben üben wissenschaftlich gesehen funktioniert so wie man Sich-gut-fühlen üben kann, ist mir ehrlichgesagt zu einfach, zu naiv. So einfach ist es dann leider nicht im Alltagsleben.

    Und wir haben hier unterschiedliche Auffassungsweisen von Liebe. Für manche ich es ein Gefühl, für manche eine rationale Entscheidung. Ich denke, ungefähr weiß ich, was du meinst; also dass die Bibel/der Glaube/whatever dazu ermutigen will, sich zu öffnen. Für mich hat sich das dennoch als Christ immer als Zwang angefühlt. Aber wie gesagt: Problem gelöst, mir geht’s als Atheist nun besser mit diesem Thema, weil ich mich freier fühle und freier auf MEINE WEISE lieben kann. 😀

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