#228 Wenn Gott Angst macht (m. Jürgen Kohlhase)

Dekonstruktion, Coaching und Religious Trauma Syndrom

Da sind wir wieder! Nach ganz kurzem Winterschlaf melden sich Jay und Marco mit einer neuen Folge eures Lieblingspodcasts zurück. Und das nicht allein, sondern direkt mit einem ganz besonderen Gast. 

Der erste Gesprächspartner im Hossa-Jubiläumsjahr ist Jürgen Kohlhase. Er nimmt uns mit hinein in seine spannende Geschichte. Schon als Kind wollte er Missionar werden, studierte später Theologie und arbeitete mehrere Jahre als Pastor und Jugendreferent. Jürgen nimmt uns mit hinein in die Fragen, die kamen und einen Prozess in Gang setzten, der ihn letztlich die Antworten nicht mehr im christlichen Glauben suchen ließ. 

Und Jürgen gibt uns Einblick, wie er anhand seiner eigenen Erfahrungen und Prägungen Menschen beratend hilft, die durch ähnliche Prozesse und religiöse Traumata hindurchgehen. 

Kurzum ein spannender Talk und inspirierender Start ins neue Podcast-Jahr. 

Hier gehts zum Reflab-Fesival: https://reflab-festival.ch

Und hier findest Du Infos zu unserem Gast Jürgen Kohlhase:

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42 Kommentare zu „#228 Wenn Gott Angst macht (m. Jürgen Kohlhase)“

  1. Mir hat der Talk nix gebracht. Herr Kohlhase geht mir zu viel nur von sich aus: meine Praegung, mein Glaube, mein Trauma, meine Gedanken, meine Gnome.

    Meine Beschaeftigung mit dem Thema des Schicksals im Nachleben begann damit, daß vor ca. 10 Jahren ein 8jaehriges Maedchen von einem Sexualmoerder (beide aus Schulen in Laufweite von hier) ermordet und in einen Teich geschmissen wurde.
    Vor ca. 4 Jahren habe ich dann die Biografie von Martin Sommer aus Schkölen (einem Ort hier in der Naehe) entdeckt: https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Sommer_(SS-Mitglied) Die Strafverfolgung hat bei ihm nicht zu einer angemessenen Strafe geführt. Andererseits kann die irdische Justiz keinem Ermordeten Jahre oder Jahrzehnte gestohlene Lebenszeit zurückgeben.
    Der Tod zementiert Ungerechtigkeit und stellt sie auf Dauer. Die Atheisten glauben also letztlich an ewigen Tod für alle und ewiges Unrecht.
    Wer der Bibel glaubt, der glaubt (oder hofft), daß Jahwe am Ende Gerechtigkeit durchsetzen und auf Dauer stellen wird.
    Die Leute, die wirklich vor Gott Angst haben sollten, haben das gar nicht, siehe Martin Sommer.
    Atheismus ist auch keine Lösung für Angst, denn neben der Angst vor der Hölle gibt es ja auch die Angst vor dem Tod und dem Nicht-Sein.
    Die kann man auch nicht durch Phantasiegeschichten über Gnome wegtherapieren. Zudem: Wieso sollte die Lösung von seelischen Problemen mit der Hölle darin bestehen, daß man halbwegs historische Berichte aus der Bibel bezweifelt, eigene Phantasie-Geschichten aber nicht?
    Theologisch ist das Problem für mich von Edward Fudge gelöst worden. Das wesentliche praktische Problem, daß ich sehe, besteht darin, daß es einen Vertiefungskanal wie „Rethinking Hell“ nicht auf Deutsch gibt.
    Protestantismus ist ja im wesentlich eine Art Therapie von Höllenangst im christlichen Rahmen. Martin Luther hat die Theologie dazu geliefert, Amanda Cook von Bethel Church den Sound, der für mich ausreicht: https://www.youtube.com/watch?v=6gFSkCv3XjQ&pp=ygURYW1hbmRhIGNvb2sgbWVyY3k%3D
    Lustigerweise vertritt sie im Lied eine calvinistische Theorie der Erwaehlung und der „eternal security“:
    „Oh, love great love
    Fear cannot be found in You
    And there will never be a day
    You’re uncertain of the ones You choose“

    Eine Frage blieb aber offen: Angeblich soll der Westerwald (kenne ich auch aus eigener Anschauung) pietistisch geprägt sein. Ist das pietistisch im Sinne von Bengel, Francke oder Zinzendorf?

    Alles Gute!

    André

    1. Hallo André,
      das stimmt, dass ich sehr viel eher von mir erzählt habe, und wie ich etwas erlebt habe. Für manche ist das eine Hilfe, wenn sie hören, dass da jemand die gleichen Gedanken im Kopf hat, die man für sich vielleicht noch nicht in Worte fassen konnte.
      Wenn man selber jedoch völlig andere Erlebnisse gemacht hat, ist es immer schwer, für sich etwas zu „übersetzen“ – und sicher geht das manchmal auch gar nicht.

      Zum Atheismus würde ich allerdings sogar sagen, dass er überhaupt keine „Lösung“ für Ängste ist. Es ist schlicht eine Art und Weise, wie man die Welt sieht. Bei mir war es ja eher so, dass die Ängste begannen, als ich meinen Glauben verlor.

  2. Hallo Jay,
    hallo Marco,
    ich habe mit Interesse den Jahresauftakt Podcast gehört. Ziemlicher Marathon diesmal, reichte bei mir gleich für zwei Laufrunden…
    Bei allem Interesse und bei aller Empathie für verletzenden, ver- und zerstörenden sowie missbräuchlichem Glauben und der durch Jürgen Kohlhase angeteaserten Hilfestellungen blieben bei mir doch einige Fragen:
    Gleich von Anfang an spricht Jürgen von „Angststörungen“, an denen er zwischen fünf und zehn Jahre lang litt, bevor er „geheilt“ wurde.
    Angststörungen sind ein im ICD 10 dokumentiertes Krankheitsbild. Er selbst hat für sich keine therapeutische Hilfe gesucht, sondern über Wissensrecherche sich Wege aus seiner Angststörung bzw. Wege zum Umgang mit den Triggern, die seine Angstzustände auslösen, gesucht und gefunden. Diese und andere Wege/Ansätze gibt er an Menschen weiter, die ähnliche Folgen einer hochreligiösen/fundamentalistischen Prägung aufzeigen.
    Gleichzeitig betont Jürgen, er sein kein Therapeut, sondern Coach.
    Mir sind die Abgrenzungen hier viel zu undeutlich und unscharf. Und leider auch nicht von Euch Beiden mal konkret nachgefragt.
    Im Gegenteil: Die Gleichsetzung von PTBS (eine Erkrankung nach ICD 10) und einem religiösen Trauma Syndrom (bisher noch nicht im ICD 10 erfasst), lässt diese Grenze noch mehr verschwinden.
    Ab welchen Punkt entscheidet Jürgen, wann er einen Menschen, der seinen Rat sucht, als so „krank“ einstuft“, dass er besser zu einem Therapeuten in Behandlung geht?
    Wie kann man sich selbst als „kein Therapeut“ bezeichnen und gleichzeitig aber psychische Erkrankungen behandeln wie ein Therapeut?
    Weder eine Angststörung noch eine manifestierte Depression sind harmlose Angelegenheiten.
    Hier fehlte mir bei aller nachvollziehbaren Begeisterung eine klare Abgrenzung bzw. eine deutlicher Schärfung. Entweder ich benutze nicht diese Begriffe wie „Angststörung“ für die Phänomene oder ich sage, ich arbeite therapeutisch.
    Ich bezweifle in keinem Fall, dass Jürgen mit seinen Hilfestellungen Menschen weiterhelfen kann. Und wie bei Therapeuten auch, passt bei dem einen sein angebotener Lösungsansatz, bei dem anderen eben nicht. Dennoch fehlt mir hier die deutliche Abgrenzung.
    Das Marco gegen Ende des Gespräches scherzhaft sagt, Jürgen sei wie „ein Missionar“ in seiner Sache unterwegs. musste ich nicht nur lachen, sondern auch zu hundert Prozent zustimmen.
    Für mich hat Jürgen eigentlich nur die Seiten gewechselt: Von einem fundamentalistischen Glauben an einen Gott, Sünde, Tod, Teufel, Himmel und Hölle zu einer nicht weniger verabsolutierenden Überzeugung, dass die recherchierten wissenschaftlichen Erkenntnisse wahr und richtig sind. Und dass er sich selbst helfen und heilen kann. Und wenn ihm das hilft, ist das richtig gut so.

    1. Hallo Sven-Erik,
      so wie ich Jürgen verstanden habe, sprach er davon, dass er selbst eine Angststörung gehabt hat und nicht, dass er die Angststörungen anderer behandelt. Mehr wie immer wieder sagen, dass er nicht therapeutisch arbeitet, kann er ja auch nicht. Und Menschen zu begleiten, die unter ihrem Glauben leiden, ist ja nun nicht verboten (wenn man die gesetzlichen Grenzen einhält).

      Aber ja, wir hätten das sicher alles noch besser ein- und voneinander abgrenzen können. Da hast du sicher recht.

      LG,
      der Jay

    2. Hallo Sven-Erik,

      ganz herzlichen Dank für deinen Kommentar, denn deine genannten Punkte sind wirklich wichtig – und wie Jay schon geschrieben hat, haben wir sie in unserem Gespräch wirklich zu wenig beleuchtet.

      Daher an dieser Stelle eine kurze Stellungnahme von meiner Seite, auch wenn ich weiß, dass sie nicht alle Fragen beantworten wird:

      Wir haben es mit der Schwierigkeit zu tun, dass es eine nur sehr schwer zu definierende Grenze zwischen medizinisch gesund und medizinisch krank (im Sinne von ICD10) gibt. In unserem Gesundheitssystem beantwortet ein Arzt diese Frage nach einer ausführlichen Anamnese – und damit stimme ich voll überein. Ich empfehle auch bei eigener Unsicherheit den Weg zu einem Arzt oder Psychotherapeuten. Und wenn das gewünscht ist, könnte ich bei einer Vermittlung auch behilflich sein.
      Darüber hinaus gibt es aber auch Menschen, die lieber (oder zusätzlich) mit jemanden sprechen wollen, der einfach nur die gleichen Gedanken im Kopf hatte wie sie selber und seit vielen Jahren jetzt ohne diese gedanklichen Sackgassen im Kopf lebt. Hier kommt der Impuls eher aus der fast neugierigen Frage „Wie war das bei dir?“ oder „Wie hast du das gemacht?“. Aus dem Grund versuche ich auch, meinen eigenen Weg sehr transparent vorzustellen.

      Natürlich ist es schwer (bis unmöglich), hier eine klare Linie für alle Situationen zu schaffen. Es wird jedoch noch deutlich komplexer, wenn wir einfach mal weiterdenken und überlegen, was eine pauschale Aussage wie z.B. „damit solltest du lieber zu einem Fachmann (= Therapeuten) gehen“ für jemanden bedeuten kann, der vielleicht ein völlig falsches Bild von einer Therapie hat – was leider gar nicht so selten der Fall ist.

      Das, was ich anbiete, ist sehr weit entfernt von einer Therapie. Es unterscheidet sich sogar in vieler Hinsicht von einem klassischen Coaching. Wenn man es auf den Punkt bringen will, geht um ein Erlernen von Fähigkeiten – und wie diese zu neuen Gewohnheiten werden können. Den Inhalt würde man auch auf anderen Seiten im Internet finden. Ich habe sie nur in den Kontext einer als schädlich erlebten religiösen Prägung gebracht und biete eine gewisse Struktur für Menschen, die an diesen Punkten arbeiten wollen.

      Aber was auch immer jemand tut, dem es nicht gut geht: Es wird immer so sein, dass es seine eigene Entscheidung ist, ob er zu einem Arzt geht, in die Apotheke oder nur sein Verhalten ändert. Und leider ist er in keinem Bereich auf der „sicheren Seite“.

    3. Oh, in einem Punkt hab ich mich vielleicht nicht genau ausgedrückt: Ich halte wissenschaftliche Erkenntnisse zwar für hilfreich, aber bei weitem nicht absolut (vielleicht haben wir morgen schon neue Erkenntnisse… ).
      Hilfreich finde ich z.B., wenn ich auf einmal manche Prozesse besser verstehe, die sich in mir abspielen, damit ich nicht immer gleich „Gott“ zu ihnen sagen muss 😉

    4. Hallo Sven-Erik,

      ist es denn nicht gut und verantwortungsvoll, wenn man die Seiten wechselt, weil man erkannt und am eigenen Leib erlebt hat, dass die erste Seite (die man sich gar nicht selbst ausgesucht hat) schädlich ist? Warum sollte z. B. ein Rapper, der in der rechtsradikalen Szene aufgewachsen ist, nicht weiter gute Texte schreiben mit anderem Inhalt, nachdem er die Szene verlassen hat?

      Zum Thema Therapie / Angststörung: Ich kenne Jürgen, und er geht sehr verantwortungsvoll damit um. Auch finde ich es sehr mutig und authentisch, wenn ein Coach (oder auch ein Psychotherapeut) von eigenen durchlebten psychischen Krisen erzählt.
      Ich bin selbst Psychologische Beraterin, und wir kennen durchaus unsere fachlichen Grenzen. Jürgen hat ja ganz klar gesagt, dass er keine Therapie anbietet und da auch gar nicht darf. Letztendlich kann aber auch Coaching heilen, so wie es auch ein seelsorgerliches Gespräch tun kann oder eben auch autodidaktisches Lesen und Studieren.
      Gerade im Bereich Religiöses Trauma gibt es leider noch kaum ausgebildete Psychotherapeut:innen. Das ist ein hochsensibler Bereich, und viele Betroffene wenden sich gerade deshalb nicht an kassenärztliche Spezialisten, weil sie erstens oft gelernt haben, dass Psychotherapie weltlich und damit falsch ist, oder weil sie Angst haben vor Retraumatisierung.
      In unserem Land ist das Christentum immer noch sehr verankert. Auch Psychotherapeut:innen gehören oft einer Kirche an, und sei es nur aus Tradition. Ein „Sie waren da in einer Sekte, aber es gibt auch eine liberale Art, Christ zu sein“ ist für religiös Traumatisierte nicht hilfreich. Um Menschen mit religiösem Trauma helfen zu können, braucht man selbst eine sehr große religiöse, spirituelle und weltanschauliche Offenheit und Flexibilität und zudem Kenntnisse, wie religiöse Gruppen funktionieren.

      Ich hoffe auch, dass RT irgendwann als Diagnose in die Fachbücher und die Ausbildungsgänge Einzug hält. Das wird aber für Therapeut:innen, die in ihrem Privatleben irgendwie gläubig sind, auch eine Herausforderung sein. Bis dahin werden sich Menschen mit solchen Erfahrungen und Entwicklungen an die wenigen Berater:innen und Coaches wenden, die es bislang auf diesem Gebiet gibt. Meistens aber werden sie – wie Jürgen auch – aus Mangel an Angebot oder aus Misstrauen zumindest die erste Not ganz allein bewältigen.
      Die Klient:innen, die zu mir kommen, haben meist die schlimmste Phase allein und sehr einsam durchkämpft, bevor sie überhaupt merken, dass es nicht ihre Schuld ist, dass es ihnen schlecht geht und dass es auch anderen so geht und es Hilfe gibt. Vielleicht aber gehört das auch gerade zu diesem speziellen Trauma, dass Menschen mit religiöser Prägung lernen, erst mal allein und ohne Coach / Pastor / Guru etc für sich zu suchen, was ihnen gut tut und sich unbewusst davor schützen, wieder in eine mögliche Abhängigkeit zu geraten, denn das ist auch in der Psychotherapie und ihren vielfältigen Ansätzen möglich. Wenn dann ein bisschen Stabilität gewachsen ist, dann ist es gut, wenn man seine Geschichte mit jemandem aufarbeiten kann, der hilfreiche Tipps geben kann.
      Menschen wie Jürgen, auch wenn er „nur“ ein Coach ist, sind in diesem speziellen Bereich im Moment sehr wichtig. Seine Methoden sind vielleicht ungewöhnlich, aber mir gefällt die Leichtigkeit und der Humor darin, und auch diese Freiheit, seine Gedanken wählen zu dürfen (soweit das möglich ist).

      Liebe Grüße, Claudia

  3. Hossa-Fan
    Meines Wissens kommt der „gute Rutsch“ vom hebräischen Rosch, was „Haupt“ oder „Anfang“ bedeutet (Rosch ha Shana = Neujahr). Einen guten Rosch wünschen hieße also einen guten Anfang des neuen Jahres wünschen.

  4. Heeeey:) Ich habe mich an vielen Stellen in dem Talk wieder gefunden, vielen Dank dafür!! Ein gutes Thema mit praktischen Hilfstellungen.
    Es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine ist!

  5. Lieber Jürgen

    Vielen Dank, dass Du Deine Geschichte erzählt hast! Ich kenne diese Höllenangst. Gerade wenn man zwanghaft veranlagt ist, kann das quälende Ausmasse erreichen: Hab ich die Schlüssel WIRKLICH dabei? Hab ich das Heil WIRKLICH auf sicher? Bin ich nicht einer der nur „Herr, Herr“ sagt und sich noch wundern wird? Und selbst wenn ich mir zu 99% sicher war – 1% Chance für ewige Folter ist immer noch verdammt hoch! 😉 Dann gibt’s auch noch so lustige Stellen wie die „Sünde wider den Heiligen Geist“, die nicht vergeben werden kann. Da kann man sich wunderbar reinsteigern!! 🙁

    Bei mir hat die theologische Auseinandersetzung mit den problematischen Glaubenssätzen die entscheidende Wende gebracht. Wie entstand die Höllenlehre? Sie wurde erst im 4. Jahrhundert durch Augustinus in der Kirche durchgesetzt. Gibt es alternative Interpretationen der vermeintlichen Höllenverse? Bedeutet Aion wirklich ewig im Sinne von zeitlich unbegrenzt? Was bedeutet „Gehenna“? Ich habe schliesslich festgestellt, dass viele meiner Vorstellungen über die Hölle gar nicht aus der Bibel kamen, sondern aus ausserbiblischen Schriften, oder gar Dantes „Göttlicher Komödie“. Für Allversöhnung gibt es sehr gute Argumente und auch wenn man biblizistisch glaubt, gibt es sehr viele schöne Stellen, die man den Höllenversen entgegensetzen kann. Da wird dann zumindest mal eine Spannung sichtbar, welche die Hölle relativiert. Es folgten dann wirklich noch einige Dominosteine mehr und heute habe ich ein komplett anderes Gottesbild als früher.

    Das „Monster“ einfach in einen Schrank zu sperren und den Schlüssel wegzuwerfen hätte mir glaube ich nicht wirklich geholfen. Solange ich von etwas überzeugt bin, hilft es mir wenig einfach nicht mehr daran zu denken. Das kann für einen Moment eine Angstattacke lindern, ist aber kaum nachhaltig.

    Liebe Grüsse

    1. Hallo Martin,
      da stimme ich dir in eigentlich allen Punkten zu – und toll, dass du einen Weg gefunden hast!
      Auch den Weg über eine kritische Auseinandersetzung mit Aussagen in der Bibel finde ich tatsächlich hervorragend, und ich kenne einige, die darüber ihre Ängste verloren haben. Es ist dann so, als wenn „genügend“ gute Argumente vorhanden sind, die auch andere glauben, sodass unser Gehirn hier „aufhören“ kann, weiterzudenken.
      Ich hatte mir damals einen anderen Weg überlegt, weil ich in meiner Ausbildung eher geschult war, mich von diesen „bibelkritischen“ Gedanken eben nicht beeinflussen zu lassen. Ich erkläre mir das heute so, dass ich damals meinen Glauben nicht „aktiv“ bekämpfen wollte/konnte und fand in psychologischen Themen einen Bereich, in dem ich mehr über mich lernen konnte: Wie entstehen Ängste, welche Bedeutung hat die Prägung für uns Menschen, wie wird etwas zu einem traumatischen Erlebnis. Und eher nebenbei veränderte sich meine Weltsicht.
      Aus meiner Sicht habe ich dabei jedoch in keinster Weise ein Monster weggesperrt. Eigentlich war fast das Gegenteil der Fall: In meiner Vorstellung war es eine Kugel, der ich liebevoll einen besonderen Platz in meinem Leben gegeben habe – UND ich habe mir eingestanden, dass ich hier keine Antworten finden kann und auch nicht mehr suchen werde. Dass ich anfangen muss, mich mit den anderen (lösbaren) Problemen meines Lebens zu beschäftigen.
      Ich sehe es heute so: Wenn ich mich von einer Höllenlehre distanzieren will, sind folgende Punkte hilfreich, die ich jedoch sehr individuell füllen muss:
      – gute Argumente auf einer eher logischen Ebene, um meinen Verstand zu befriedigen und um in meinem inneren Dialog bestehen zu können (wie z.B. deine genannten Punkte)
      – ein Wissen darüber, dass unser Gehirn und unser Nervensystem oft zusätzlich noch etwas anderes braucht, als was unser Verstand uns sagt
      – die Fähigkeit, ein Gedankenkarussell beenden zu können – oder es erst gar nicht entstehen zu lassen
      – und nicht zuletzt neue (unbelastete) Themen, die mein Leben begeistern können – und für mich ist gerade dieser letzte Punkt etwas ganz Entscheidendes…

      Alles Gute,
      Jürgen

      1. > ein Wissen darüber, dass unser Gehirn und unser Nervensystem oft zusätzlich noch etwas anderes braucht, als was unser Verstand uns sagt

        Da bin ich vollkommen bei Dir. Ich würde nämlich sagen, dass das Umdenken bei mir im Herz begann. Mein Glaube verkümmerte, weil ich mich nicht mehr zu diesem harten Gott hingezogen fühlte. Rückblickend würde ich sagen: Mein Herz hat rebelliert gegen die grausame Lehre, die mein Verstand vertrat. Zum Glück gab es ein Schlüsselerlebnis, das die Situation vom Herz in den Kopf eskalieren liess. Durch diesen heilsamen Kurzschluss wurde schliesslich ein Prozess des Umdenkens möglich.

        Wer Angst hat, kann nicht lieben (1. Joh. 4,18).

      1. Behauptet nicht – aber gamacht!
        Gott ist zur Fiktion geworden 48:20 Min. und anschließend wurde er zum Atheisten (war er vielleicht auch vorher schon).
        Und mehr kommt nicht – keine Suche nach Gott.

          1. Was liest du aus meinem Kommentar?
            Natürlich kann Jürgen machen, was er will. Ich sage lediglich dazu, dass man wegen dem verlorenen Glauben
            Gott nicht den Rücken kehren muss – und habe begründet, wie ich auf Grund des Podcast darauf komme??

            Wo ist jetzt dein Problem?
            Wenn du etwas nicht verstehst, kannst du auch nachfragen.

          2. Du hast geschrieben, dass man Gott nicht den Rücken kehren müsse, ich merkte dazu an, dass das auch niemand behauptet habe, du sagtest, dass das aber gemacht worden sei, ich merkte an, dass das doch das gute Recht desjenigen sei und fragte, was dein Ausgangsposting sagen wollte. Das verstehe ich immer noch nicht. Worin besteht denn deine Kritik? Daran dass jemand für sich persönlich entschieden hat, nicht mehr zu glauben?

            LG,
            der Jay

          3. Da an deinem letzten Post keine Antwortmöglichkeit steht, antworte ich dir hier.

            Eigentlich war mein Ausgangspost überhaupt nicht als Kritik gemeint (kann ja jeder so machen wie er will), sondern nur als Gedankenergänzung.
            Und ich bin auf diesen Gedanken gekommen, weil er in dem Podcast nicht vorkam, mehr nicht.

            LG Andreas
            Beim Absenden bekomme ich ständig die Fehlermeldung: ERROR: ERROR: reCAPTCHA verification failed.Please try again.

            « Zurück (Was mache ich falsch?)

          4. Alles klar. Das hatte in meinen Ohren anders geklungen. Danke für die Erkkärüng.

            Was das Captcha-Dingens angeht, so berichten mehrere über diese Meldung. Ich hatte gehofft, ein Update auf die neuste Version würde das beheben. War aber wohl nicht so. Kenne mich nicht aus. Ich hoffe irgendwer kann uns helfen, das zu beheben.

            LG,
            Der Jay

        1. Ah, jetzt weiß ich (glaub ich), was du meinst und es stimmt: An einem bestimmten Punkt habe ich aufgehört mit dem Suchen, weil ich für mich erkannt habe, dass ich aufgrund meiner „Verschachtelungen“ im Gehirn wohl zu keiner Antwort finden würde. Weil immer unmittelbar die Frage hochpoppte „Und was, wenn das mit der Hölle (oder meinem alten Glauben) doch stimmt?“ Es war für mich, wie wenn ich mit dem Suchen nach Gott in einen Fluss springen würde, dessen überstarke Strömung mich aber in den Höllen-Gedanken hielt. Ich hab sogar am Rand die kleinen friedlichen Nebenarme gesehen, in denen andere ihren Glauben angstfrei leben konnten – ich hatte nur keine Chance, sie zu erreichen.

          Deine Schlussfolgerung: „Da war keine Suche nach Gott“ würde ich für einen für mich großen Zeitraum also verneinen – aber vielleicht meinst du auch „da war keine RICHTIGE Suche“, weil diese doch zu einem Ziel hätte führen MÜSSEN? Nur: Das kann ja niemand (auch ich nicht) beantworten. Aber jetzt sind wir bei der Frage: Wie genau kann/soll/muss denn eine Suche für jemanden aussehen, der mehrere Jahre Höllenängste hat? Manche andere, die ebenfalls hier einen Kommentar geschrieben haben, würden auf diese Frage vielleicht auch gerne eine Antwort finden.

          Und um auch die (womöglich) nächste Frage zu beantworten: Nein, ich suche heute nicht mehr nach Gott UND lebe ein überaus erfüllendes Leben – vielleicht, gerade weil ich mir Antworten, Lösungen, Wege, Sinn, Frieden, Perspektiven, Werte und Glück selber erarbeiten musste. Und vielleicht ist es auch gar nicht soo ein besonders Leben, sondern einfach nur eines, welches ganz viele andere Menschen ganz ähnlich leb(t)en – und die wohl alle nie wieder zurück wollen…

          1. 1. „weil diese doch zu einem Ziel hätte führen MÜSSEN?“ – weiß ich nicht, schließlich bestimmen wir darüber nicht oder vielleicht nur teilweise.
            2. „Aber jetzt sind wir bei der Frage: Wie genau kann/soll/muss denn eine Suche für jemanden aussehen, der mehrere Jahre Höllenängste hat? Manche andere, die ebenfalls hier einen Kommentar geschrieben haben, würden auf diese Frage vielleicht auch gerne eine Antwort finden.“ – Zunächst mal das tun, was du getan hast, diesen Glauben, wenn er nicht so in der Bibel steht – also nur auf Deutung beruht – aufgeben. Das finde ich sowieso wichtig, sich darüber im Klaren zu werden, was ist Tatsache – also steht so in der Schrift – und was ist meine Deutung dabei. Ansonsten gibt es einen Vorschlag in der Bibel, wie das geht: 5.Mose4,29″Wenn du aber von dort den Herrn, deinen Gott, suchen wirst, so wirst du ihn finden, ja, wenn du ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele suchen wirst.“ – Da steckt schon ein Anspruch drin, den jeder selber sorgsam prüfen sollte! Bevor er sagt, dass er Gott nicht gefunden hat.

            3. Was deinen letzten Abschnitt betrifft, finde ich, ist doch mein Rat garnicht so verkehrt, auch wenn ich deine Konsequenz nicht teile: Das man SEINEM Glauben den Rücken kehrt, kann sehr gut sein – Gott muss man deswegen nicht den Rücken kehren!
            Das du vielleicht einen falschen Glauben hattest, ist ja nicht Gottes Schuld oder belegt auch nicht, dass es Gott nicht gibt.
            Viele Grüße Andreas

          2. Lieber Andreas, aus meiner Sicht verbindest du die Frage nach Heilung mit der Suche nach Gott. Ich trenne diese beiden Punkte. Du folgerst, dass ich wahrscheinlich nicht richtig gesucht habe, weil ich Gott ja nicht mehr gefunden habe. Wir kommen hier jedoch zu einem völlig anderen Themengebiet – mit einer „eigenen“ Komplexität. Ein Forum wie dieses ist da sicher nicht die sinnvollste Form, oder?

  6. Wow, was für ein interessantes Interview!
    Ich hab mich in so vielen Punkten wiedergefunden, die ich schon lange „latent“ im Kopf habe, aber bisher nie in Worte fassen konnte. Ich habe diese Höllengedanken seit Jahren im Kopf und komme da nicht raus. Auch alle(!) „bibelkritischen“ Überlegungen können ja nie diese Sch**ßfrage beantworten „Und was, wenn es doch stimmt?“.
    Die Gedanken von Jürgen finde ich faszinierend, weil sie nicht den Glauben an sich angreifen, aber dennoch einen Zugang öffnen, sich von einzelnen krankmachenden Glaubens-Inhalten zu befreien.

    Ich hab keine Ahnung, wohin es mich mit meinem derzeitigen Glauben treibt, aber ich will(!) einfach auch nicht nur deshalb glauben, weil meine Psyche mir „Erfahrungen“ vorgaukelt, dich ich dann als „echt“ empfinde. Wie kann es sein, dass Menschen in anderen (sich widersprechenden) Religionen ebenso von diesen Erfahrungen sprechen? Ich finde das total verwirrend und gleichzeitig so enorm wichtig, sich damit zu beschäftigen.

    Die Kritik, dass Jürgen hier „nur die Seiten gewechselt“ hat, ja „wieder missionarisch unterwegs“ ist, sich in seinem Angebot „nicht richtig genug abgrenzt“, … empfinde ich in keinster Weise als zielführend und weiß auch nicht, was das soll. Ich glaube, wir machen es uns da etwas zu einfach, wenn wir seine Überlegungen einfach mit Themen aus Nebenschauplätzen vom Tisch wischen wollen. Ich würde mir viel lieber eine Vertiefung seiner Themen wünschen.

    Ganz herzlichen Dank an Jay und Marco für diese Folge und für eure wertschätzenden Fragen – und danke an Jürgen, dass du deine faszinierende Geschichte in einer Form teilst, die anderen helfen kann.

    1. Hallo Michael.
      Du schreibst:“Ich arbeite selber in der Seelsorge und finde das sehr problematisch, in welcher Art du argumentierst: “ Ich kann es nicht allen recht machen. Manche kommen mit meiner Art gut zurecht, da sie einfach zu verstehen ist. Das ist auch ein Vorteil, finde ich.

      Du schreibst:“Es mag für dich ein logischer Weg sein, Herz und Seele zu prüfen“ eigentlich ist das nicht mein Vorschlag, sondern der von Gott – da kann jeder etwas daraus machen oder nicht – das will ich auf gar keinen Fall beweten!!

      Du schreibst:“Ein Mensch, der Gott über einen längeren Zeitraum nicht spürt und von seiner Prägung den Höllengedanken im Kopf hat, kann durch solche Äußerungen in tiefste Krisen kommen.“ Ich hatte bei Claudia nicht den Eindruck, dass sie in einer solchen Krise ist. Und alle die sich davon betroffen fühlen, könnten mir ja antworten.

      Du schreibst:“und zwar ohne gleich mit dem „richtigen“ oder „falschen“ Weg zu winken.“ Warum soll dein Weg (immer) besser sein? Ich bin doch nicht in einer Therapiediskussion.

      Du schreibst:“ Es wird uns Christen oft vorgeworfen, dass wir uns immer hinter irgendwelchen Bibelversen verstecken, wenn uns die Argumente ausgehen. Das sehe ich mittlerweile genauso und empfinde das besonders bei dem Thema des Podcasts als weit mehr als nur unsensibel.“ Erstens sind mir keine Argumente ausgegangen und zweitens hatte ich nicht den Eindruck kranken Menschen zu schreiben. Und der lange Texter bin ich nunmal nicht. Deswegen schreibe ich eher kurz und klar.

      Du schreibst:“Wenn es Gott gibt (was ich glaube), wird er doch mit großer Wahrscheinlichkeit ein wenig anders sein als das, was unser Verstand aus ihm gemacht hat. Unser Bild von Gott und demnach unser Glaube befindet sich also immer irgendwo in einem Bereich von „nicht vollständig“ und „vielleicht auch nicht ganz richtig“ Eigentlich mache ich mir gar kein Bild von Gott. Wenn ich wissen will, wie Gott ist oder was er von sich sagt, kann ich das in der Bibel lesen. Ansonsten vermeide ich es an etwas zu glauben, was ich mir phantasiert habe. Im Wesentlichen ist Gott für mich das, was er zusagt – denn das muss er einhalten!

      Viele Grüße Andreas

  7. Ich finde diesen Punkt so enorm wichtig, weil er uns zu anderen Fragen führt:
    – „DARF man Gott den Rücken kehren, ohne mit einer Hölle als „Konsequenz“ oder gar „Strafe“ rechnen zu müssen?“
    – „Was ist mit Menschen, die nicht mehr glauben KÖNNEN, weil sie in den Gedankengängen einer Prägung gefangen sind?“
    Wir reden hier ja nicht von einer Gefängnisstrafe für schlimmste Verbrechen, sondern einer Feuerhölle auf Ewigkeit für etwas, was man nicht mehr glauben KANN.
    Und wenn wir uns von dem Bild einer Feuerhölle, die viele aufgrund unserer Geschichte und Kultur im Kopf haben, bibelkritisch distanziert haben: Wie würde denn ein Leben für Ungläubige nach dem Tod aussehen, wovor uns Jesus bewahren wollte und einen Kreuzestod auf sich genommen hat?

    Für Menschen, die in diesen Höllenängsten gefangen sind, sind solche Fragen so unvorstellbar wichtig – und es ist für sie eine zusätzliche Qual, dass sie von Menschen, die diese Ängste nicht kennen, so unvorstellbar nebensächlich beantwortet werden…

    1. Exakt!
      Mein Verdacht ist ja seit langem, dass die wenigsten Evangelikalen TATSÄCHLICH an die Existenz einer Hölle glauben. Sie denken, sie glauben daran, sie sagen, sie glauben daran, aber wenn sie tatsächlich daran glauben würden, könnten sie doch gar nicht leben, wie sie leben, ohne komplett durchzudrehen. Jedenfalls verstehe ich nicht, wie das möglich wäre.

      LG,
      der Jay

      1. Mich hat mal jemand gefragt, ob ich in meinen Angstphasen nicht über die „Bestialität der Strafe“ zu dem Schluss kommen konnte, dass diese Hölle so derart absurd ist, dass es sie nicht geben KANN. Ich hatte „nein“ gesagt, musste aber immer wieder darüber nachdenken…

        Ich erinnere mich, dass ich als Kind große Not hatte, dass andere in eine Hölle kommen würden – und ich stellte mir das auch bildlich vor (wir sprachen beim Thema Trauma darüber, was solche Gedanken in Kinderköpfen bewirken können). Es war für mich verwunderlich, warum andere Christen nicht alle ihre unwichtigen Jobs kündigten und statt dessen rund um die Uhr missionierten. Ich war überrascht, als mir Gemeindemitglieder in einem verständnisvollem Ton „erklärten“, dass das natürlich überaus schlimm sei, aber dass … [und hier erinnere ich mich nicht mehr genau] – aber es war eben eine Erklärung von Erwachsenen, die für mich als Kind einfach aus diesem Grund irgendwie akzeptiert wurde. GLEICHZEITIG hatte ich aber auch im Kopf, dass in der Bibel sehr wohl steht, dass wir missionieren sollen und dass wir sehr wohl eine Verantwortung (oder sogar Schuld) tragen, wenn andere in diese Hölle kommen.

        Ich erkläre mir das wieder so, dass wir Menschen uns Dialoge, Bilder oder Geschichten „holen“ (können), mit denen wir aus Gedankengängen aussteigen, bevor es für uns zu belastend wird. Unser Nervensystem macht das im Normalfall völlig automatisch und ohne, dass wir uns dessen bewusst sind. Es ist super interessant, dass Angstpatienten z.B. oft der Meinung sind, dass sie permanent Angst haben. Fragt man sie jedoch, ob das auch bei einem unvorhergesehen Anruf oder in einer konzentrierten Phase auf der Arbeit so ist, sagen selbst sie oft erstaunt „nein“. Wir praktizieren dieses „Aussteigen“ aus belastenden Gedanken sehr viele Male am Tag – und in der Regel ohne, dass wir das bewusst steuern.

        So denke ich auch, dass Christen aus diesen Gedankengängen automatisch an einer bestimmten Stelle aus dem Höllengedanken „aussteigen“ – der eine früher, der andere später. Weil, wenn sie das nicht machen würden, würden sie „komplett durchdrehen“ – das hast du ziemlich gut auf den Punkt gebracht!

        Interessant wäre jetzt, sich die Art dieser „Ausstiege“ näher anzuschauen, die bei uns ja allem Anschein nach schon richtig gut „funktionieren“. Was da wohl alles an humorvollen oder rein rhetorischen Elementen zum Vorschein kommen würde…

  8. Ich fand diesen Gedanken richtig gut, dass es „Hilfestellung“ auch für Menschen gibt, bei denen eine Belastung eben (noch) nicht krankhaft ist. Mir hat das mit den Musterunterbrechern total gut gefallen, weil Jürgen es hier irgendwie auch richtig gut schafft, einen Prozess zu unterbrechen, ohne dass ich meinen Glauben „antasten“ muss. Wow, euer Gespräch hat mir soviel Klarheit in einem Prozess gegeben, in dem ich grade voll drin stecke…

  9. Lieber Andreas,
    ich denke, bevor wir darüber urteilen, ob jemand „Gott sucht“ oder nicht, müssten wir zuerst den Begriff „Gott“ definieren. Wer oder was ist Gott? Und wer darf das definieren? Vielleicht ist Gott gar nichts, was man suchen muss? Viele Menschen haben z. B. gar kein personales Gottesbild, als wäre Gott eine Person außerhalb ihrer selbst, die sie finden müssten. Manche Menschen erleben Gott z. B. als „das Leben überhaupt“, als „alles was ist“.
    Wenn Jürgen sich also dem Leben zuwendet und sich selbst und sein Denken und Verhalten erforscht, dann wäre er quasi „mitten in diesem Gott“, weil man aus dem Leben und somit aus Gott gar nicht herausfallen kann. So als würde jemand die Welt suchen, obwohl er doch Teil von ihr ist.

    Ich selbst habe mich viele Jahre sehr intensiv mit Theologie und der Gottsuche beschäftigt, aber erst als ich ein tiefes Begreifen dafür hatte, dass Gottesbilder sehr menschliche Vorstellungen sind und das, was Menschen (vor allem Christen) Gott nennen vielleicht viel ursprünglicher, existentieller und lebensgegenwärtiger ist als es mir beigebracht wurde, hörte ich auf, mir über Gott und den Glauben Gedanken zu machen.
    Ich lebe. Ich bin Teil und mittendrin. Und indem ich mein Leben bewusst und dankbar lebe, es gestalte, mich darüber freue, ja gerade INDEM ich es einfach LEBE, erfahre ich Gott – ohne „ihn“ deuten, definieren, anbeten, bekennen, suchen oder sonstwas zu müssen. Es ist ein Bewusstsein darüber, dass ich BIN. Und das reicht. Das ist vielleicht schwierig zu erklären, aber es zu leben, entspannt und befreit total und würde ich so sehr allen Menschen wünschen.

    Liebe Grüße, Claudia

    1. Hallo Claudia.
      Ich weiß jetzt nicht, ob du mich meinst.

      Eigentlich war mein Ausgangspost überhaupt nicht als Kritik gemeint (kann ja jeder so machen wie er will), sondern nur als Gedankenergänzung.
      Und ich bin auf diesen Gedanken gekommen, weil er in dem Podcast nicht vorkam, mehr nicht.

      Der Rest, den du schreibst, ist so ein Glaube oder Umgang mit „Gott“, den du dir selber ausgedacht hast.
      Kann man so machen. Ob deine anschließende Zufriedenheit als Validierung ausreichend dafür ist, dass du auf dem richtigen Weg bist, bezweifel ich.

      Ich finde der Rat, der in der Bibel dazu steht fundierter. Z.B. 5.Mose4,29 ″Wenn du aber von dort den Herrn, deinen Gott, suchen wirst, so wirst du ihn finden, ja, wenn du ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele suchen wirst.“

      LG Andreas

      1. Lieber Andreas,

        Ich bin jetzt fast 70 und hoffe, dass ich noch lange mit einem wachen Geist auch auf die Veränderungen in meinem Glaubensleben blicken kann.

        Ich finde das sehr interessant, zu welchen Fragen wir hier kommen: Du vergleichst eine Überzeugung, die sich jemand „nur selber ausgedacht“ hat (und wertest diese ab), mit deiner Überzeugung, die du aus der Bibel hast – also, die sich „andere ausgedacht“ haben: Denn auch die Texte in der Bibel, bei denen in welcher Form und Intensität auch immer eine göttliche Inspiration beteiligt war, sind ja irgendwann von einem rein menschlichen Geist verfasst worden, der sich die Worte, die Struktur und den Inhalt „ausgedacht“ hat. Wie fehlerhaft es dabei zuging (vom ersten Gedanken einer ersten mündlichen Überlieferung über das erste Aufschreiben durch eine viel spätere Generation, über x-faches Kopieren, Zusammenfassen, Ergänzen und Interpretieren bis zur heutigen Version der Bibel), trauen wir uns ja oft nicht zu denken. Oder wir finden darin wieder etwas Göttliches – aber das ist ja auch wieder etwas, was wir uns „nur ausdenken“ und in diesen Gedanken eine Art „Zufriedenheit“ finden, oder?

        Darüber hinaus hat sich Claudia ja auch sehr wahrscheinlich „Ihren“ Glauben nicht nur selbst ausgedacht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Gedanken dahinter ebenfalls in Traditionen zu finden sind, die unserer eigenen wahrscheinlich ganz ähnlich sind.
        Zudem spricht Claudia meines Erachtens auch nicht von einer „Zufriedenheit“, die man vielleicht oberflächlich deuten könnte, sondern vielmehr von sehr tiefgehenden Erfahrungen, die sehr wohl mit unseren Erfahrungen vergleichbar sind.

        Und was mich jetzt brennend interessiert: Wenn Zufriedenheit und Erfahrungen als Validierung für den richtigen Weg nicht taugen – was wäre denn aus deiner Sicht eine richtige Validierung für den richtigen Weg? Welche „Instanz“ in uns sagt uns denn, ob wir „richtig“ liegen?

      2. Hallo Andreas,

        mich würde interessieren: wie merkst denn eigentlich DU, dass du Gott (auf dem „richtigen“ Weg) gefunden hast?
        Und ist es nicht so, dass wir alle – falls wir uns überhaupt über eine Gottfrage Gedanken machen – uns Gott selber ausdenken (oder ausfühlen?). Haben das nicht auch die Schreiber der Bibel getan? Was anderes als einfach ihre Erfahrungen, ihre Prägungen, ihre Eingebungen, ihre Deutungen von Ereignissen haben sie weitergegeben? Deshalb sind diese Erfahrungen und Gedanken ja auch so unterschiedlich. Glaube ist wahrscheinlich immer eine Mischung zwischen Prägung und Persönlichkeit.

        Ich glaube dir gern, dass du deinen Kommentar nicht als Kritik gemeint hast. Aber ich arbeite nun seit einigen Jahren mit religiös traumatisierten Menschen, und solche – eher gedankenlose oder auch relativ „tolerant“ klingende – Sätze wie „kann ja jeder so machen (aber ….)“ oder Formulierungen wie „der richtige Weg“ sind für manche Menschen wirklich schlimm, auch wenn ich sicher bin, dass das nicht dein Anliegen war.

        Ich nehme an, ich habe ein ganz anderes Bibelverständnis als du, aber der Satz, den du zitierst, war früher tatsächlich mein Lieblingssatz, allerdings eher noch in der Jeremia – Variante (Jer. 29,13-14). Und zwar gerade deswegen, weil ich darin eine große individuelle Freiheit gespürt habe: Gott wird sich finden lassen, und ich allein darf beurteilen, ob das, was ich da gefunden habe, für mich Gott ist. Und wenn ich es einfach „Liebe“ nenne oder „Weisheit“ oder „Leben“ und darin Frieden spüre und diesen Frieden vielleicht gar nicht mehr Gott nennen würde, weil dieser Begriff viel zu missverständlich oder missbraucht ist, dann ist es auch in Ordnung. Oder dass ich irgendwann entscheide, mit dem Suchen aufzuhören, weil ich ahne, dass ich bereits mitten im Leben bin und das genügt als „göttliches Sein“ und ich es mir nicht lebenslang schwer machen muss, nach dem „richtigen“ Weg (wohin?) zu suchen.
        Vielleicht ist das sogar so ähnlich, wie du es anfangs gemeint hast, dass man nämlich seinen Glauben (und sein früheres, durch andere oder auch durch biblische Texte geprägtes GottesBILD) aufgeben darf und trotzdem nicht das Gefühl hat, dass man „Gott“ den Rücken kehrt. Man macht sich einfach keine Gedanken mehr darüber, weil man sich in diesem Leben und seinem Sein gut aufgehoben fühlt, ohne den ganzen Sinn zu begreifen. Man müsste ja Gott erst definieren, um ihm den Rücken zuwenden zu können.

        Nebenbei: Ich kann dich gut verstehen, dein Kommentar hätte früher von mir kommen können und ich hätte es total gut gemeint. Ich hab auch nur deswegen drauf geantwortet, weil ich mittlerweile gemerkt habe, wie wenig hilfreich das für Menschen ist, denen es mit ihren religiösen Erfahrungen und jeglichem Gottesbegriff schlecht geht.

        Liebe Grüße,
        Claudia

  10. Hallo Andreas,
    Ich arbeite selber in der Seelsorge und finde das sehr problematisch, in welcher Art du argumentierst:

    – Es mag für dich ein logischer Weg sein, Herz und Seele zu prüfen, aber für jemanden, der Gott gerade nicht spürt oder erlebt, führen diese Gedanken ja im Umkehrschluss unweigerlich zu dem Punkt, dass man etwas falsch macht (Nenn mir doch mal einen Menschen, der bei einer Prüfung von Herz und Seele nicht etwas findet, was nicht ganz in Ordnung ist…)

    – Du wirst wahrscheinlich gerade keinen Zweifel an deinem Glauben haben. „Richtiger“ und „falscher“ Weg scheinen für dich auch nicht problematisch zu sein, weil du wahrscheinlich eine Gewissheit hast, auf dem „richtigen“ Weg zu sein. Du scheinst dir aber auch keine Gedanken darüber zu machen, was deine Aussagen für jemanden bedeuten, der diese Gewissheit eben nicht hat. Ein Mensch, der Gott über einen längeren Zeitraum nicht spürt und von seiner Prägung den Höllengedanken im Kopf hat, kann durch solche Äußerungen in tiefste Krisen kommen. Deine Sätze wie z.B. „Kann man so machen, aber ob das […] der richtige Weg ist, bezweifle ich“ werden wahrscheinlich bei dem anderen so ankommen: „Du kannst das gerne so machen, aber na ja, dann kommst du eben in eine ewige Feuerhölle – is ja deine Entscheidung, ich würd´s halt nicht machen…“
    Ich denke, wir stehen als Christen auch in einer Verantwortung, den Menschen zuzuhören, die eine Glaubenskrise haben oder die nicht mehr glauben können (und auch nicht mehr glauben wollen) – und zwar ohne gleich mit dem „richtigen“ oder „falschen“ Weg zu winken.

    – Es wird uns Christen oft vorgeworfen, dass wir uns immer hinter irgendwelchen Bibelversen verstecken, wenn uns die Argumente ausgehen. Das sehe ich mittlerweile genauso und empfinde das besonders bei dem Thema des Podcasts als weit mehr als nur unsensibel.

    – Ich bezeichne mich selber auch als Christ, gestehe mir aber ein, dass die biblischen Argumente eben recht häufig aus Zirkelschlüssen bestehen und daher maximal in sich selber logisch sind. Meines Erachtens sollten wir auch als Christen die Möglichkeit in Betracht ziehen (dürfen), dass unser Glaube auch nicht stimmen könnte. Für mich wäre dieser Gedanke nicht schlimm. Wahrscheinlich ist es doch so: Wenn es Gott gibt (was ich glaube), wird er doch mit großer Wahrscheinlichkeit ein wenig anders sein als das, was unser Verstand aus ihm gemacht hat. Unser Bild von Gott und demnach unser Glaube befindet sich also immer irgendwo in einem Bereich von „nicht vollständig“ und „vielleicht auch nicht ganz richtig“.

  11. Autosuggestion als Methode gegen Angststörungen oder Trigger ist sicherlich interessant.
    Mich hätte da noch interessiert, wie Jürgen zu der johanneischen Aussage: Liebe treibt die Furcht/Angst aus steht.

    In dem Talk kam mir auch zu kurz, dass es mittlerweile auch andere Vorstellungen von der Hölle (als 2. Tod in einem Augenblick ohne ewiges Leiden oder eben Allversöhnung) gibt.
    Warum hat Jürgen dann nicht zu diesen Vorstellungen gegriffen?

    Ganz wertfreie Nachfrage, da es ja schon weiter oben zu Verwirrung kam.

    Aus meiner jetzigen Sicht benötigt jeder Mensch eine Wahrheit, die er anbeten kann bzw. dann auch muss.
    Und MinionsGipfelKreuze sind zwar putzig, irgendwie schräg, aber irgendwie doch auch nicht der Weisheit letzter Schluss (sollte es den überhaupt geben).

    1. Das sind ganz tolle Fragen, zu denen ich gerne etwas sagen will (und keine Sorge, ich finde deine Fragen keinesfalls verwirrend 😉)

      „Autosuggestion als Methode gegen Angststörungen oder Trigger ist sicherlich interessant.
      Mich hätte da noch interessiert, wie Jürgen zu der johanneischen Aussage: Liebe treibt die Furcht/Angst aus steht.“

      Ich empfinde die Aussage tatsächlich als sehr „wahr“, wobei ich denke, dass ja auch Liebe eine Form von Autosuggestion ist, für die ich mich immer wieder entscheiden muss. Und ich muss auch hier einen Weg finden, indem ich meine Gedanken ganz bewusst „lenke“ – und wieder stoßen wir auf ganz menschliche Probleme:
      • Wenn wir Liebe und Angst vergleichen wollen, haben wir bei Angst (leider oft) die konkreteren Bilder und Glaubenssätze im Kopf als bei Liebe. „Das macht mir Angst“ kommt uns im Alltag schneller (und öfter?) in den Sinn als ein vergleichbarer Satz mit Liebe.
      • Etwas, was wir aber nicht so gut visualisieren können, können wir nicht so einfach „ansteuern“.
      Nun bedingen sich Gedanken und Gefühle gegenseitig, wobei nur in den Gefühlen auch die Energie liegt. Es ist recht gut erforscht, dass die Gedanken dabei wohl immer den Anfang machen. Das Ergebnis sind Gefühle, die wiederum Gedanken erzeugen, die wiederum Gefühle erzeugen… Die Frage ist also wieder: Wie komme ich zu Liebe, wenn ich in den Gedanken über die Hölle in einem Kreislauf gefangen bin, zu dem es keinen gedanklichen Ausweg gibt?

      „In dem Talk kam mir auch zu kurz, dass es mittlerweile auch andere Vorstellungen von der Hölle (als 2. Tod in einem Augenblick ohne ewiges Leiden oder eben Allversöhnung) gibt.
      Warum hat Jürgen dann nicht zu diesen Vorstellungen gegriffen?“

      Darüber habe ich oft nachgedacht.
      Wie bei den meisten großen Entscheidungen im Leben sind es die Kombinationen recht unterschiedlicher Faktoren, die irgendwann zu einer Handlung führen. Ich denke, der Hauptgrund bei mir war, dass ich nicht einfach bestimmte Punkte aus der Bibel eliminieren konnte, während ich andere so stehen ließ. Es ergab für mich einfach keinen Sinn, dass ein Gott alle Menschen am Ende mit sich versöhnt, während er gleichzeitig zulässt, dass genau das Gegenteil eben auch in seiner Bibel steht, die da gerade vor mir liegt und die ich mit meinem aktuellen Verstand und Hintergrundwissen lese. Ich habe mich gefragt, wie jemand, der völlig unvoreingenommen ist, die Passagen im Neuen Testament interpretieren würde, in denen von der ewigen Verdammnis die Rede ist. Würde er zu dem Schluss kommen können, dass es die Hölle nicht gibt? Wie umfangreich müsste sein Wissen sein, um in diesen Passagen eine alternative Interpretation zu gewinnen? Ergibt das Sinn?
      Es gibt diese interessanten Gedankenspiele, sich ein Alien vorzustellen, das auf unsere Welt kommt, uns beobachtet und uns schließlich ganz neugierig fragt, was wir eigentlich glauben. Nicht aus einer Not heraus, sondern einfach, weil es uns verstehen möchte. Und wieder diese Frage: Würden meine theologischen Theorien und Deutungen in irgendeiner Weise für das Alien Sinn ergeben?
      Ich hatte mir darauf keine (erlaubten) Antworten geben können – und irgendwann wollte ich wohl auch nicht mehr.
      Darüber hinaus konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich mit den Gedanken der Allversöhnung meine Frage aus dem Kopf bekommen würde „Und was, wenn das mit der Hölle doch stimmt?“

      „Aus meiner jetzigen Sicht benötigt jeder Mensch eine Wahrheit, die er anbeten kann bzw. dann auch muss.
      Und MinionsGipfelKreuze sind zwar putzig, irgendwie schräg, aber irgendwie doch auch nicht der Weisheit letzter Schluss (sollte es den überhaupt geben).“

      Das stimmt, und dieser Punkt kam im Interview leider nur kurz zur Sprache: Ich denke, wir brauchen 2 Dinge:
      1) Wir müssen einen Weg finden, um aus krankmachenden Mustern auszubrechen. Eine Methode dafür sind z.B. Musterunterbrecher und ich geb dir völlig recht: Mehr als ein simples Werkzeug ist das nicht (wenn ich es auch nett finde, wie es bei dir hängengeblieben ist 😉) .
      2) Und dann – und das ist ganz entscheidend – brauchen wir etwas, was unser Leben neu ausfüllt. Denn wenn wir nicht mehr mit Überzeugung sagen können „Wir sind Christ“ – was sind wir dann?
      Ich hab das für mich so erlebt und finde diese Entwicklung auch in vielen Beschreibungen von anderen wieder: Als diese eine große (und alle Lebensbereiche betreffende) Wahrheit nicht mehr da war, wurde Platz für viele kleinere, denen ich immer wieder eine besondere Bedeutung in meinem Leben geben konnte:
      • Ein großes Ziel, dem ich meine ganze Energie schenken kann.
      • Eine neue Gemeinschaft, Sport oder Kunst oder etwas ganz Eigenes.
      • Ein Streben nach Glück oder nach Wahrheit gehören ganz sicher auch dazu.
      • Und im Idealfall finde ich etwas, was ich mit Lernen verbinden kann, wodurch eine enorme Anzahl neuer synaptischer Verbindungen geschaffen wird.
      Auch ein Glaube kann eine solche Kraft in mir bedeuten. Das belegen viele Trauma-Therapien. Es muss aber kein religiöser Glaube sein. Viele umschreiben diese Kraft mit etwas, was unserem Verständnis von Glauben (oder auch Liebe?) jedoch recht ähnlich ist und dem sie dann mehr Platz in ihrem Leben geben:
      • Die Faszination des Lebens zu entdecken
      • Das Stauen vor der Natur
      • Eine Art von Geborgenheit, Teil dieser faszinierenden Natur und Zeitgeschichte zu sein
      • Die Ehrfurcht bei einem Blick ins Universum – oder ins Mikroskop
      • Es kann sogar das Staunen vor dem sein, was wir als Menschheit bereits geschaffen haben (auch wenn das weniger in unser religiöses geprägtes Bild passt)

      Ich würde es nicht Wahrheit nennen, die wir dann „anbeten“, sondern die wir uns „erschaffen“ können – und darin liegt meines Erachtens eine der ganz großen Herausforderungen in unserem Leben.

      1. Wow, vielen Dank für diese super ausführliche und nahbare Antwort. Ich dachte schon, dass ich etwas spät dran gewesen wäre.
        Du hast da eine lange Reise hinter dir und du wirkst sehr authentisch in dem, was und wie du es sagst. Davor habe ich zwar keine „Heidenangst“ ;), aber einen RiesenRespekt…
        Hatte am WE eine ellenlange Diskussion über meinen Glauben an Gott und da kam eben auch das Thema „Autosuggestion“ auf. Sie meinte an einem Punkt, du bildest dir deinen Glauben doch auch nur ein, worauf ich antwortete, ihr nicht das Gegenteil behaupten zu können und man die Bibel wie jedes andere Medium eben als „Gehirnwäsche“ ansehen kann oder gar muss. Und auch der Bußaufruf Jesu oder auch schon im AT ist ja genau das. „Metanoia“ heißt bekanntlich Umdenken = im gewissem Sinne „Gehirnwäsche“. Ich habe meiner Bekannten dann versucht zu erklären, dass es eben keine Autosuggestion ist, da ich fest daran glaube, dass Gott mich auch nicht verlässt, wenn ich ihm den Rücken zu kehren (aber richtig, auch das könnte Autosuggestion sein; man kommt da einfach nicht heraus).
        Ich könnte übrigens auch an keinen Gott glauben, der eine ewige=zeitlose Hölle bereit hält.
        Das macht für mich keinen Sinn.
        Ich hatte in meiner Jugend sehr existenzialistisches bis nihilistisches Gedankengut rein nach dem Motto „Ich kann schon nichts dafür, dass ich auf die Welt gekommen bin und dann soll ich noch in eine ewige Hölle kommen, wenn ich mich nicht bekehre.“ Und eine ewige Hölle wäre das Zwangsmittel schlechthin, wie es ja nicht nur im Mittelalter verwendet wurde. Bei Gott gibt es nur Freiwillige. Entweder man lässt sich das ewige Leben schenken oder man wollte mit Gott nichts zu tun haben und was hätte Gott dann davon, seine eigentlichen Kinder leiden zu lassen? Außerdem wäre ja auch ewiges Leiden ein ewiges „Leben“ und der Tod als singulärer Endpunkt des Lebens kann nach meinem philosophischen Verständnis gar nicht ewig sein. Darüberhinaus sage ich mir, dass, wenn die Hölle doch zeitlos sein sollte, ich dann hoffentlich auf der sicheren Seite sein werde und Gott mir schon erklären wird, warum das jetzt so sein muss (ja, ich verstehe, wenn man das nicht versteht oder lächerlich findet). Immer wenn von „ewig“ in diesem Kontext in der Bibel die Rede ist, lese ich es als „ewige Wirkung“; danach ist der Ofen sinnbildlich aus und brennt nicht ewig weiter…

        Zu deinen 2 Schritten.
        1. Musterausbrechung – Das ist für mich eben die Umkehr. Ich erkenne, es läuft etwas falsch, erkenne die eigene Hilflosigkeit und wende mich an Gott. = Auszug aus Ägypten

        2. „neues Leben“: Ja, Gott schenkt uns/mir dann das neue, echte, eigentliche Leben und bringt mir im Laufe des irrlichternden Lebens Sachen bei und formt meinen Charakter in seinem Willen. = Wüstenwanderung; Landnahme

  12. Interessant empfand ich noch den Realismus dahingehend, wie schnell sich Meinungen ändern. In meiner Schulzeit habe ich immer gedacht, dass nach einem Diskussionsgespräch sich doch nichts ändert bei den jeweiligen Einstellungen. Heute habe ich begriffen, dass es wohl ein Marathon ist und man Geduld haben muss. #LiebeDauert.

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