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#257 Es ist vollbracht! Oder doch nicht? (m. Martin Thoms) Teil 1

Die Fantasie der Allversöhnung, die Hölle und die Offenbarung Gottes

In der aktuellen Folge diskutieren Jay, Marco und Gofi gleich über mehrere der ganz heißen theologischen Eisen: Hölle, Jüngstes Gericht, Apokalypse, Erlösung und die Liebe Gottes, um nur einige Schlagwörter zu nennen. Und das tun sie nicht nur zu dritt, sondern freuen sich vor allem auf die Ausführungen ihres Gastes Martin Thoms.

Martin studierte Theologie in Braunschweig und Reutlingen. Zu seinen Lehrern gehörte Jürgen Moltmann, der auch jeweils ein Vorwort zu Martins Büchern geschrieben hat. Martin ist gerade nach Bochum gezogen und war bereits im letzten Jahr schon einmal bei Hossa Talk zu Gast. Damals hat er über den „gottverlassenen Gott“ und das Kreuz geredet. Im Gepäck hat er diesmal sein neues Buch „Es ist vollbracht! Oder doch nicht?“, in dem er sich ausgiebig mit der sogenannten Allversöhnungslehre auseinandersetzt. Im Gespräch mit Jay, Marco und Gofi geht Martin auf die häufigsten Einwände gegen eine Vorstellung der Allversöhnung ein und erklärt, warum er die Allversöhnung eine Fantasie nennt, warum viele der Einwände dagegen eigentlich eher dafürsprechen und warum das nicht in Beliebigkeit mündet, sondern in einem christozentrischen und biblisch begründeten Optimismus, der den Auferstandenen und seine Möglichkeiten vor Augen hat.

Ein sehr dichtes, inspirierendes und faszinierendes Gespräch, das unmöglich in einem einzelnen Talk abgehandelt werden konnte. Der zweite Teil mit Martin Thoms erscheint dann in zwei Wochen.

Du findest unseren Gast Martin Thoms online

auf seiner Webseite: www.martinthoms.de

und auf Instagram: instagram.com/martinthoms.de

Hier findest Du Martins Buch „Es ist vollbracht! Oder doch nicht?“, über das wir in der Folge geredet haben: https://www.eva-leipzig.de/de/es-ist-vollbracht-oder-doch-nicht-2

Und hier findest Du Martins Online-Kurs: https://martinthoms.de/onlinekurs.html

25 Kommentare

  1. Schöner Talk. Ich bin noch nicht ganz durch und werde sicherlich nochmal inhaltlich Stellung nehmen, aber fürs Erste würde ich anregen, dass es sicherlich auch mal fruchtbar wäre, über das Motiv zu reden, warum Jesus von der Hölle (oder dem „unauslöschlichen Feuer, wo ihr Wurm nicht stirbt“) redet. Mich erinnert das an das literarische Konzept von Katharsis durch eleos und phobos, also von Mitleid und Schrecken, die in der Kunst vermittelt werden sollen, um eine Seelenreinigung zu erreichen. Die Rede Jesus vom Weltgericht würde ich als politisch gefärbte Rede deuten, die alle anspricht und in der es darum geht, die Menschen durch Schrecken (phobos) zur Räson zu bringen, im Sinne von: „Wenn ihr tatenlos zuseht, wie Hungernde und Durstige jeden Tag durch die Hölle gehen, dann wird euch das Leben selbst zur Hölle werden!“ Dagegen schlägt er z.B. im Gleichnis vom barmherzigen Samariter einen persönlichen Ton an, der Mitleid oder Rührung (eleos) hervorrufen soll, im Sinne von: „Schaut mal, da liegt jemand blutig und niedergeschlagen auf dem Boden und niemand kümmert sich, außer der Samariter!“ Wenn Jesus also von der Hölle spricht, dann möglicherweise (auch) als stilistisches Mittel, um für die Geprügelten einzutreten. Statt uns also wegen der Hölle Sorgen zu machen, sollten wir uns erstmal um diejenigen sorgen, für die Gott Sorge trägt. Dass Jesus dafür auf solche drastischen Bilder zurückgreifen muss, zeigt am Ende nur, wie träge und ignorant Menschen sind (auch sich selbst gegenüber sind, siehe z.B. sein Verstümmelungsgebot), denen es (zu?) gut geht.

  2. Andi Andi

    Ich glaube, es wird problematisch, wenn man alles mit der Bibel begründen will oder muss. Was für ein Wahnsinn, wenn ein ganzes Leben mit einem ganzen Buch übereinstimmen muss! Aber so erlebe ich Martin gar nicht mehr. Ich glaube, er lebt eine Synthese aus Bibel und Verstand. Aber halt doch noch viel mehr als ich es würde (- für mich ist die Bibel ein Buch wie Moby Dick, eher deutlich schlechter…).

    Ich kann nicht widerlegen, dass es einen Himmel geben könnte; für die, die gar nix haben vom Kuchen wegen Krankheit oder weil sie im globalen Süden leben, ist es eine große Hofffnung. Warum sollte ich die kaputtmachen? Ich glaube, um in diesem Sinne zur Hölle zu kommen, Theologie ist oft eine Extrapolierung einer beschissenen Welt. Anders gesagt: Die Leute können an eine Hölle glauben, weil ihr Leben schon eine ist. Mit einer manischen Dosis Selbstverzwergung verbunden.

    Gofi hat einen Dreh- und Angelpunkt: Wir glauben immer mehr oder weniger; und unsere verschiedenen Ich-Anteile liegen da im Streit. Wir alle stehen irgendwo zwischen einen Tacken atheistischer als Dawkins und ne Ecke härter drauf als der Taliban-Chef. Mal so, mal so.

    Nur: Wenn du irgendein Prediger bist, der seinen Kram vom Stapel lässt, damit die Bibel ihm hilft, seinen Tag zu strukturieren und besseren Sex zu haben, dann überlege mal, was ein psychisch kranker Jugendlicher aus deinen Worten und aus sich macht! Verlang dein Ding nicht von andern, wenn du ein halbsteifer bist. Die Konsequenten werden krank. So ist es doch. Die Konsequenten werden krank.

    Paar Thesen (- ich gehe jetzt gedanklich da mal bei vielem mit Fragezeichen mit, wissend, dass man immer sehr viel Zeugs plausibilisieren kann. Zwei Fragen wären etwa, warum Gott mit Erlösungswerk und Himmel nicht gleich kommt, und ob wir im Himmel, wenn der freie Wille doch was Gutes ist, wieder in Sündenfall fallen können….):

    1. Das (universlistisch gelesene) Christentum als einzige integrative Großkaft zu sehen, ist dem Affen doch schon sehr viel Zucker gegeben – oder?
    2. Bei einer Predigt Martins in der cc in Wü fand ich es ehrlich gesagt abstoßend, ein sich über Stunden strangulierendes Kind in Auschwitz „poetisch“ als etwas zu beschreiben, in dem Gott ist – zumal aus der Täternation kommend. Da halte ich es eher mit Thorsten Dietz, der einen Kriegsheimkehrer Borcherts zitiert, der zum trauernden Gott auf der Parkbank sagt: „Ne, komm – geh heim!“

    3. Ich glaube nicht, dass Glaube an Gott immer eine schlechte Kraft und übel motiviert ist. Da ist ganz viel Wunsch, es feierlich zu gestalten. Aber bald kommt halt die Frage auf: „Was ist eigentlich mit denen, die sich einen andern Manitou geschnitzt haben?“ Und da wirds halt meistens schnell finster.

    4. Unglaube ist kein Charakterfehler. Das würden auch die Christen sagen. Um hinzuzufügen: „Du kommst trotzdem in die Hölle!“
    5. Oder wie Richard Dawkins sagt: „Warum sollte Gott ausgerechnet Glaube belohnen, und nicht Nettigkeit?“ Die Sache mit dem Glauben ist ganz offensichtlich ein Mitmach-Trick! (Ich glaube auch nicht, dass Jesus eine paulinische Glaubenslehre hatte!)

    6. Um den Bogen zu schließen: Man kann wie gesagt durch irre Theorien immer wahnsinnig viel plausibilisieren, wo ich ganz nüchtern nicht mit kann. Man denkt sich dann halt: Klar, warum soll das alles nicht wirken, nur weil ich nicht dran glaub…
    Eine Jesus-Exklusivität finde ich trotzdemwahnsinnig übergriffig (- so nach dem Motto: Ja, glaub nur an deinen Shiva, mein Jesus erlöst dich in echt halt auch durch den…) . Zumal da, wie ich die Sache auf der Welt einschätze, rein nix für spricht…

    • Alexander Alexander

      „1. Das (universlistisch gelesene) Christentum als einzige integrative Großkaft zu sehen, ist dem Affen doch schon sehr viel Zucker gegeben – oder?“

      Das sehe ich auch so. Nix gegen das Narrativ eines Universal Christ, das finde ich gut, aber nicht im Sinne „EINZIG-gültiges-Narrativ“

      „2. Bei einer Predigt Martins in der cc in Wü fand ich es ehrlich gesagt abstoßend, ein sich über Stunden strangulierendes Kind in Auschwitz „poetisch“ als etwas zu beschreiben, in dem Gott ist – zumal aus der Täternation kommend.“

      Hmm, irgendwann in meiner Rekonstruktionsphase wurde es mir wichtig, dass mein neu entstehendes Gottesbild / Narrativ zumindest für mich persönlich auch so Abartigkeiten wie Ausschwitz mit einschliesst. Die beste Antwort die ich dazu bislang gefunden habe ist das Gottesverständnis von Etty Hillesum (einfach mal bei Wikipedia eingeben) das sie auch im KZ Gott hat sehen lassen.
      Nicht das ich das erleben will aber einen derartig tragenden Zugang zu Gott finde ich persönlich maximal erstrebenswert.
      Ich spekuliere mal, dass Martin Thoms Satz in diese Richtung hin zu verstehen ist.
      Ansonsten ist es, grade als Deutscher, immer brisant den Holocaust zu nutzen um einen Punkt rüber zu bringen, das muss schon sicher und respektvoll den Opfern gegenüber eingehegt werden.

      • Andi Andi

        Jason Liesendahl vom schöner-glaube-podcast nennt das ja den holocaus-test. er fragt sich immer, ob ein Ansatz wert wäre, einem Opfer als Antwort oder lösung zu gereichen. und hat sie in der Prozesstheologie gefunden. ich sehe das nicht so, obwohl ich die Prozesstheologie noch fast für die beste halte. der Holocaust ist so furchtbar, da kann man nur dran scheitern. da gibt es keine lösung zu oarlieren. und doch haben wir gute philosophische Konstrukte und theologische Bilder für vieles. die unterschiedlich weit reichen und oft Recht nicht zueinanderpassen, obwohl einzeln gut.

        • Alexander (mit Shiva Spleen) Alexander (mit Shiva Spleen)

          Die Frage der Theodizee wird, aus meiner Sicht, nie zufriedenstellend beantwortet werden. Zumindest nicht für Jemanden der sich mit dem Leid identifiziert.
          Wenn man aber die paradoxe Fähigkeit entwickelt das Leid als solches anzuerkennen / zu ertragen ohne es zu verdrängen UND GLEICHZEITIG aber auch erkennt dass es dennoch nicht das Einzige ist was es gibt, dass es dennoch das Gute auch in diesem Moment gibt – dann ist dass das was ich meine.
          Wichtig ist dabei das es hier nicht um intellektuelle Gedanken geht, sondern um eine Erfahrung.
          Diese Art von Erfarhung ist uns im Default-Hirnmodus (Ego) sowas vom fremd dass wir entweder durch sowas wie göttliche Gnade oder durch Bewusstseinstechniken in einen anderen Mode switchen müssen um sie überhaupt machen zu können.
          Ich bin ziemlich überzeugt davon dass Jesus, Paulus, Etty, Eckhardt, Buddha, Mahatma Gandhi die Fähigkeit hatten in diesen Mode öfters und auch bewusst hinein zu switchen.
          Nur so kann man Sprüche wie z.B. den von Paulus (Phil 4:12) „ich kann satt sein und Hungern“ nachvollziehen.

          Aber es bleibt: Einem Holocaust Überlebenden oder einem Vergewaltigungsopfer, …. als Antwort zu geben: Naja, Du must halt nur mal kurz deinen Bewusstseins Mode wechseln um nicht mehr zu leiden. Ist einfach grundfalsch.
          Ich denke aber genauso dass die Brüche des Lebens das Potential haben, dass der Mode-Switch in uns aufploppen kann, wenn man das bemerkt und dem nachgeht hat man einen wesentlichen Schritt auf Gott hin getan.
          Wenn man das im Leben nicht erlebt, erlebt man es, in meiner Fantasie, auf jeden nach dem Ableben.
          Womit wir dann allversöhnt im Himmel sind (um wieder auf das Ursprungsthema zurück zu kommen)

  3. André Ay André Ay

    Feuer und Würmerlis hat der Yeschua aus Jesaja 66, 24 kopiert. Da liegen lauter Leichen rum. Jes 66: „16 Denn mit Feuer und mit seinem Schwert geht der HERR ins Gericht mit allem Fleisch, und die der HERR erschlagen hat, werden zahlreich sein.“
    Ist doch nicht schwer zu verstehen.
    Alles Gute!

  4. André Ay André Ay

    Hallo!

    Die Talker sind hier offenbar massiv durch die Lehre der ewigen Folter fehlgeprägt und suchen jetzt dringend das möglichst gegenteiligste Gegenteil. Wenn man die Bibel unvoreingenommen liest, dann kommt man kaum auf ewige Folter und sieht auch wenig Belege für Allversöhung, während die Aussagen zur Annihilation sehr viele sind. Martins Methode ist vor allem ein engagierter Tonfall statt einer eher sachliche Analyse der biblischen Befunde. Das ist eher etwas nervig statt erhellend.

    Thoms sagt, Gott sei im Leid. Solange er da nix bewirkt, kann er da sein oder auch nicht sein, das ist völlig egal und uninteressant. „Ich bin der ich bin“ in 2. Mose 3, 14 verweist auf die Wirksamkeit Gottes, denn da hebr. Wort für „Ich bin“ steht auch in 2. Mose 12 in „Ich werde mit dir sein“, womit Gott dem Mose nicht nur bloße Anwesenheit, sondern Hilfe und Beistand verheißt. Die Exodus-Geschichte ist der Prototyp der Rettung vor Tod und Verdammnis durch Jesus. In beiden Geschichten werden diejenigen, die gegen Gott agieren, vernichtet, wobei das allerdings ein Nebeneffekt der Rettung und nicht Teil von Gottes Identität, die er durch seinen Namen ausdrückt, ist. In Offb 11, 18 steht die Vernichtung klar: „… und zu vernichten, die die Erde zerstören.“ Offb 11, 18 ist die Kurzzusammenfassung des Weltgerichts nach Auffassung des Autors der Offb und sollte daher als exegetischer Schlüssel für die Offb genutzt werden.

    Ich kann leider nicht dazu raten, Martins Kurs zu besuchen, denn ich habe hier einige grobe exegetische Schnitzer gefunden.

    Thoms behauptet: Gott vernichtet in der Bibel niemanden.
    Das ist bibelwissenschaftlich unseriös, wie man auf https://www.die-bibel.de/ressourcen/wibilex/altes-testament/tag-jahwes-at nachlesen kann.
    Paulus hat in 2. Thess 1 klar geäußert: „5 Ein Hinweis auf das gerechte Gericht Gottes ist dies alles, … 8 … Dann wird er Vergeltung üben an denen, die Gott nicht kennen und die dem Evangelium Jesu, unseres Herrn, nicht gehorchen. 9 Ewiges Verderben wird die Strafe sein“. Allein dieser Vers ist schon ein hinreichender Einwand gegen die Allversöhnung.

    Thoms behauptet: Vernichtung widerspräche der Schöpfung. Das ist nur eine Behauptung. In der Bibel steht davon nix. Vielmehr verknüpft die Noah-Geschichte Zerstörung und Neuschöpfung miteinander.

    Laut Thoms bedeute die Sintflut-Geschichte: die babylonischen Götter vernichten, Gott nicht. Das ist reine Eisegese. Die falschen Götter werden aber in der Sintflut-Geschichte gar nicht erwähnt, obwohl die Bibel an zahlreichen Stellen die falschen Götter thematisiert. Die Kritik an den Götzen ist geradezu das, was den AT-Autoren am allerwichtigsten ist.

    Yeschua sprach nicht nur von der Gehanna, sondern auch von der äußersten Finsternis in Mt 8, 12 und Mt 22, 13 und vom Feuerofen in Mt 13, 42-50. Dort herrschen Heulen und Zähneknirschen. Was das bedeutet, steht in Psalm 112: „10 Der Frevler sieht es voller Wut, er knirscht mit den Zähnen und vergeht, zunichte wird das Verlangen der Frevler.“ und in Psalm 37, 12ff.

    Thoms sagt: Alles wird durcheinander gebracht. Es stimmt, daß einige Anhänger der ewigen Folter Scheol = Hades und Gehenna auf unzulässige Weise zusammenrühren. Man muß zwischen dem Totenreich vor dem Weltgericht und der Vernichtung als Folge des Weltgerichts differenzieren. Zusammenhänge kann man aufgreifen, wo diese in der Bibel selbst hergestellt werden. Z.B. Schwefel und Rauch: in Offb 14, 10-11 (aus 1. Mose 19, 23+24+28 und 5. Mose 29, 22 und Psalm 11, 6 und Jes 34, 9-10 und Hes 38, 22 und Lk 17, 29).

    Daß „kolasis“ von einem Verb kommt, das „Pflanzen beschnippeln“ heißt, stimmt, aber das heißt nicht, daß der Bedeutungsaspekt in allen Verwendungsweisen von „kolasis“ noch vorhanden ist. Es kann übrigens sein, daß es nicht um die Pflanze geht, von der was abgeschnippelt wird, sondern um die Zweige, die entfernt werden. Metaphern mit Pflanzen, die abgefackelt werden, gibt es oft in der Bibel, so z.B. Mt 3: „12 In seiner Hand ist die Wurfschaufel, und er wird seine Tenne säubern. Seinen Weizen wird er in die Scheune einbringen, die Spreu aber wird er in unauslöschlichem Feuer verbrennen..“

    In Offb 22, 1 wird gar nicht gesagt, daß der Fluß aus der Stadt rausfließt.

    Offb 22, 2: „2 In der Mitte zwischen der Strasse und dem Fluss, nach beiden Seiten hin, sind Bäume des Lebens“
    https://www.blueletterbible.org/lexicon/g1782/kjv/mgnt/0-1/
    „Nach beiden Seiten hin“ ist gr. enteuthen. Das kommt 9mal in NT vor und heißt mindestens 7mal „dort“. Ob es in Offb 22, 2 wirklich „beide Seiten“ heißt, ist daher unklar. Das Wort ist ein Adverb, modifiziert also den Satz, in dem es steht. Die Mauer wird in dem Satz nicht erwähnt. Gemeint ist wohl eher, daß die Bäume zu beiden Seiten des Flusses stehen.

    Eine antike Stadt hatte offene Tore, wenn es keine äußere Gefahr gab: kein Belagerungsheer, evtl. Räuberbanden, wilde Tiere. Wer auch immer außerhalb der Stadt sein sollte, die Leute sind außer Gefecht gesetzt. Das paßt zum Separationismus, schließt aber Annihilation nicht aus. Das da Leute draußen bleiben ist im Licht von V. 11 zu sehen: „Wer Unrecht tut, tue weiter Unrecht“. Deswegen werden die Leute in V. 15 auch als Täter beschrieben. Eine Reinigung derselben wird nicht angedeutet.

    Alles Gute!

    André

  5. Alexander Alexander

    Erfrischende Sicht. zB die Verwendung des Wortes „Fantasie“ – ehrliche Umschreibung von „Ich weis es nicht Objektiv möchte dazu aber trotzdem dazu was reflektiertes ausdrücken“. Das was ab Minute 20 diskutiert wird hat mich auch jahrzehntelang madig gemacht. So war mein erster Schritt in die Dekonstruktion das Nein zur ewigen Verdamnis. Ein weiterer wesentlicher Schritt war die Entgöttlichung der Bibel. Ist halt ein Buch mit menschlichen Fantasien über Gott. Bin gespannt auf das Buch zum kosmischen Christus. Einer der wesentlichen Teile meiner RE-Konstruktion ist für mich die „Fantasie“ von Non-Dualität/Oneness/Einswerdung. Da ist dann natürlich Allveröhnung mit dabei. In der Christenheit gibt es dieses Narrtiv zwar auch durch die Jahrhunderte hindurch, aber mehr so als häretische Randerscheinung so richtig griffig als System wurde es für mich in anderen religiösen Narrativen wie Kashmir Shaivism.
    Insofern irritiert mich das Festhalten an Jesus Christus as the one and only way to God. Auch wenn Christen es für sich claimen, die Idee das Gott Mensch wurde ist kein Alleinstellungsmerkmal des Christentums.
    Martin’s Deutungen der Bibelstellen kann ich weitgehend folgen, die Deutungen sind mir persönlich aber noch nie entgegengesprungen. In einer Diskussion könnte ich sie auch nicht nachhaltig vertreten. Das entwertet für mich die Bibel als Inspirationshilfe um Gott im Leben zu erfahren. Vielleicht geht’s anderen anders und sie müssen nicht in anderen religiösen Systemen fischen um die kognitive Dissonanz, die die Bibel auslösen kann, auf zu lösen.

    • Alex, wie lösen denn die von dir genannten religiösen Narrative den offensichtlichen Dualismus den wir in der Welt sehen in etwas nonduales auf? Erzähl doch mal.

      Beim christlichen Glauben finde ich so charmant, dass nicht einfach eine Idee dagegen gehalten wird oder ein Mythos, sondern etwas weltliches (jedenfalls wenn man das glauben kann). Inkarnation, Leben, Leiden, Sterben und Auferstehen eines konkreten historischen (Gott-)Menschen. Ich würde die Exklusivität Jesu hier auch nicht im Sinne von Bätschi-unser-Gott-ist-besser-als-eurer begreifen, sondern eher darin, dass sich hier sehr konkret Nondualität in einer dualistischen Welt fassbar macht und ein (echter) Weg gegangen wurde, diesen Dualismus zu überwinden und damit eine echte Hoffnung besteht, dass Dualität/ Entfremdung/ Leid/ Tod tatsächlich nicht der Modus bleiben muss, der unsere Existenz bestimmt.
      LG,
      der Jay

      • Alexander Alexander

        > wie lösen denn die von dir genannten religiösen Narrative den offensichtlichen Dualismus den wir in der Welt sehen in etwas nonduales auf? Erzähl doch mal.

        Gerne 🙂

        In den Traditionen/Glaubenssystemen in die ich in den vergangenen 2 Jahren reingeschaut habe löst sich Dualität ziemlich einfach auf.
        Der Summary:
        Bewusstsein = das Absolute / Unveränderliche / Brahman / Shiva / Christus / Allah / YHWH / …
        Alles was ist kommt aus Bewusstsein, ist durch Bewusstsein und geht wieder ein in’s Bewusstsein. (analog zu Röm 11,37)
        In diesen Traditionen wird die Fantasie aufgestellt, dass Bewusstsein ewig und unendlich ist.
        Um sich selbst aus verschiedenen Perspektiven zu erfahren bzw. zu reflektieren gibt es sich, unter anderem, die konkrete Form eines Menschen.
        In dieser konkreten Form erfährt es etwas das es vohrher nicht kannte: Begrenzung, durch die Begrenzung teilweise unerfüllbare Bedürfnisse.
        Aus diesen Bedürfnissen und den Strategien zur Bewältigung entsteht ein Ego.
        Erfahrungen die das Ego überfordern nennen wir Leid.
        Das mit dem das Ego durch sein Handeln oder Unterlassen weiteres Leid erfährt nennt es Schuld.
        Um aus Leid und Schuld wieder in den Ursprungszustand von unbegrenzter Fülle ein zu treten lässt man ab von den immer währenden Impulsen des Egos.
        Sprich: In die Stille gehen.
        Dort kann sich dass Bewusstsein wieder seiner selbst bewusst werden – statt ständig von den Inhalten und den Urteilen des Egos umgetrieben zu werden.
        Die Identifikation mit dem Ego und dessen Unzufriedenheiten lässt nach.
        Hinter dem Ego (Fleisch bzw https://en.wikipedia.org/wiki/Ahamkara) kommt das wahre Selbst (Cit/Atman/Seelengrund/ChristusInUns) zum Vorschein
        Aus diesem Selbst heraus siehst du die Welt klar und Gott-in-allem so wie Daniel in der Hossa-Talk Folge 192 oder auch Etty Hillesum und wohl alle Mystiker.
        In den Yoga-Sutras wird dieser Zustand Samadhi genannt in der christlichen Mystik Unio Mystica.
        Und plötzlich erfährst du das die Früchte des Geistes (Gal 5,22-23) einfach in dir zum Vorschein kommen auch wenn sich nichts an deinen Umständen geändert hat.
        Das ist so viel besser als diese ewig unzulänglichen Versuche die Früchte mittels Willenskraft / Anstrengung / feste Glauben heraus zu pressen.
        Das ist für echte (Bewusstseins)-Umkehr / Heimkehr.
        Und ja, Bewusstsein ist in der Tat etwas das man nicht greifen kann aber dennoch jedem zu eigen ist.
        Mit dieser Fanatsie wird auch der Himmel etwas konkreter, da rennen keine frommen Egos rum sondern Bewusstseinsanteile die sich mit ihren Erfahrungen gegenseitig bereichern.
        A la Hegel: das Wahre / Absolute ist nur das Ganze.
        Was ich am Kashmir Shaivism auch befreiend finde ist dass Gott/Shiva mit daran beteiligt ist das sich das Ego bildet (ohne Vorgabe wie genau es sich gestaltet), er verbirgt sich vor sich selbst indem sich in verschiedene Formen hineinbegibt und limitiert. D.h. ich bin nicht der Depp der / dessen Vorfahren was verbotenes gemacht haben sondern ein Teil von etws gößerem Ganzen dass durch mich ( und jeden anderen ) etwasd erfährt was es sonst nie erfahren könnte. Das Ego ist aber aus dieser Sicht nur sowas wie ein temporärer Schatten.

        Die Sündenfall-Geschichte der Bibel hat zwar den zutiefst waren Kern dass wir an unseren Urteilen über die Welt zugrunde gehen, hat aber für mich immer das Problem gehabt dass Gott dort völlig verantwortungslos handelt. So wie ein Vater der im Kinderzimmer seiner beiden 2 jährigen Kinder eine rotierende Kreissäge stehen lässt beiden sagt dass sie da nicht reingreifen dürfen und dann arbeiten geht und sie dann vor die Tür setzt als er feststellt dass jeder sich eine Hand abgesägt hat. – da hatte ich immer ein Problem mit diesem Vater zu vertrauen.

        Das waren jetzt meine Worte, hier eine 1000 Jahre alte Fantasie/(Heilige)-Schrift/Lehre: https://www.youtube.com/watch?v=OnHw7uQIrUE
        ( ist leicht emotional unterlegt aber nicht vergleichbar mit dem was ich seinerzeit 2000 in einer Frankfurter charismatischen Gemeinde mit dem Lobpreis-HolySpirit-Hinein-Hammer erlebt habe )

        Die Tradition ist natürlich eng mit Techniken des Yoga verbunden. Auch das ein Pluspunkt aus meiner Sicht.
        Der Non-Duale Meister Eckhart hat das als Christ mit der Einswerdung zwar ganz ohne Techniken erkannt (zumindest beschreibt er keine) mir ist das aber nicht gegeben.
        Wenn ich mich in Stille begebe ist da Gedankliches Chaos. Mit einer kleinen Vorbereitung von Körperüberungen und vor allem Atemtechniken kann ich weitaus besser in Stille hineingehen.

        Das abstreifen des Egos das immerfort bewertet / in Schubladen steckt / verurteilt, sich isoliert und abgeschnitten fühlt (=leidet), sich mit äußerem wie Besitz, Status, Leistung identifiziert, ist für mich der common-ground jeder ernsthaften Religion/Spiritualität. In meiner Denke unterscheiden sich Religionen in den unterstützdende Narrativen dahin. Die Narrative sollem dem Ego/Verstand zu verstehen geben dass es sich etwas Größerem / Vollständigerem zuwenden kann. Nicht für jedes Ego ist jedes Narrativ so passend das es sich darauf einlassen kann, deswegen gibt es eine Vielzahl von Narrativen und unterstützenden Techniken.
        Das Dumme ist nur wenn diese Narrative vom Ego gelebt werden wollen, statt dass es sich in sie hineingibt.
        Dann sind wir bei den Absolutsheitsansprüchen von Relgionen mit allem Murks der dabei heraus kommt.

        Da ich mich nach wie vor in christlichen Kreisen bewege ( ernst zu nehmende Shaivaites / Vedantists sind in meiner pietistischen Ecke des Schwabenlandes schwer zu finden ) versuche ich das auch in Jesus Christus zu sehen. In meiner Fantasie hat er genau dass vor Beginn seiner Predigerzeit in den 40 Tagen der Wüste in der Tiefe erfahren und sich davon durchdringen lasen. Seine Erfahrung von: Am-Grunde-meiner-Selbst-ist-Gott ist halt um Welten stärker und nachhaltiger als das was ich, in leichten Ansätzen erlebe, so dass er dass auch auf eine ganz andere Art und Weise ausgestrahlt hat. In meiner Denke hat das potential Gott-in-sich zu entdecken jeder Mensch. Nicht erst seit Jesus und nicht erst seit Pfingsten (bei dem Event scheint es aber vielen Menschen sehr viel leichter gefallen zu sein).

        • Danke für die ausführliche Schilderung. Sehr interessant. Mir ist mystische Spiritualität ja auch kein Fremdwort.

          Ich persönlich stoße bei dieser Ansicht an die Grenze, dass ich darin eine gute Idee sehen kann, aber davon gibt es ja viele. Mein Blick in die Welt sieht von dieser Idee nichts. Sondern das Gegenteil. Und schon gar keine Überwindung des Dualistischen. Deshalb kann ich mit der christlichen Deutung von Jesus Christus mehr anfangen. Hier ist etwas Handfestes geschehen (Auferstehung), was, wenn es geschehen ist, alles ändern würde. Zumindest erscheint mir das realistischer zu hoffen, als irgend eine Idee.

          LG,
          der Jay

          • Alexander (mit dem Shiva Spleen) Alexander (mit dem Shiva Spleen)

            Hmm, in meiner Gedankenwelt bietet der oben beschriebene Weg einen klaren therotischen Ansatz der praktisch, mit dem was jeder immer hat (Bewusstsein) nachvollzogen werden kann. Stories/Mythen wie in dem verlinkten Video laden das noch mit Bedeutung auf so dass unser Verstand auch was hat mit dem er sich beschäftigen kann.

            Wieso jetzt ausgerechnt die Auferstehung von Jesus Christus der Gipfel der Non-Dualität sein soll kann ich wiederum schwer bis gar nicht nachvollziehen.
            Tät mich aber interessieren.
            Stories das mystische Meister ihren Nachfolgern auch Jahrhunderte später erschienen sind gibt’s jedenfalls auch in fernöstlichen Religionen.
            Meinst Du mit „Handfest“ die Erzählung dass Thomas seine Hand in die Wunde legen konnte und die Auferstehung nicht „bloß“ eine Massenvision war?

          • Nein, mit handfest meine ich, dass wenn Jesus von den Toten auferstanden ist (und nicht bloß eine Erscheinung war, ein Gespenst), dann wäre das etwas bisher einmaliges. Jedenfalls stehen die Toten normalerweise nicht wieder auf. Das ist das was wir empirisch nachvollziehen können. Wer tot ist, ist tot. Alle Ideen, die darüber hinausgehen, sind eben nur Ideen. Spekulationen. Fantasy. Oder Fan Fiction.

            Wenn der Tod endgültig ist, ist der dualistischen Lauf der Welt bestätigt. Fressen und gefressen werden, drehen sich im ewigen Kreislauf einfach weiter. Die Mächtigen sind oben und machen mit den Ohnmächtigen, was sie wollen. Trennung, die und wir, deins und meins, würdig und verachtet. Wenn ich die Tagesschau anmache, habe ich wenig Hoffnung, dass sich das jemals ändern könnte. Da gibt es viele schöne Ideen, so wie deine, oder wie Marxismus uswusf. Aber nichts Handfestes. Ideen sind toll, inspirierend. Aber auch Schall und Rauch. Rosa Rauschen.

            Wenn nun die christliche Erzählung nicht auch bloß eine schöne Idee ist (was natürlich sein kann), sondern hier etwas schildert, was passiert ist, dann gibt mir das eine handfeste Hoffnung darauf, dass Dualismus und Gewalt nicht das letzte Wort haben werden. Die christliche Deutung dieses weltlichen Geschehen ist ja, dass die Inkarnation Gottes diesen Tod gestorben ist und durch die Auferstehung die Macht dieses Siegels des Dualismus durchbrochen hat. Dualismus, könnte man sagen, würde damit offiziell abgeschafft worden sein.

            Wenn Jesus auferstanden ist. Wenn nicht, ist das bloß eine weitere Idee, die mich vertröstet, wenn ich die Tagesschau anmache.

  6. André Ay André Ay

    Hallo!

    Ihr könnt übrigens nicht das glauben, was der Liesendahl sagt, dessen Buch Mira und Marco mit Vor- und Nachwort verziert haben, und das glauben, was der Thoms sagt.

    Die klassischen Theologen sagen: Gott hat gar keine Gefühle (laut Liesendahl, S. 123), das ist in der Bibel nur bildhaft zu verstehen (Liesendahl, S. 123).

    Der Liesendahl sagt: Gott hat doch Gefühle!

    Der Thoms sagt: Gott vernichtet niemanden,

    Die Bibel sagt: Gott hat Gefühle, deshalb vernichtet er die Bösewichter:

    Psalm 5: „6 Prahler dürfen nicht vor deine Augen treten. Du hasst alle Übeltäter, 7 vernichtest die Lügner. Den Mörder und Betrüger verabscheut der HERR.“ Hebr. ta’av = „verabscheuen“. Von dem Wort kommt „toeva“ = „etwas Verabscheuungswürdiges, Ekelhaftes, ein Gräuel“. Gott macht seine Werturteile in der Tora nicht in Form distanzierter, rationaler ethischer Überlegungen, sondern „toeva Jahwe“ = „etwas Verabscheuungswürdiges in der Sichtweise von Jahwe“ steht in 5. Mose 7, 25; 12, 31; 17, 1; 18, 12; 22, 5; 23, 18; 25, 16; 27, 15 und ähnlich in 5. Mose 24, 4 und erinnert eher an die Emotion anläßlich einer Stelle, wo ein Hund hingemacht hat.
    Psalm 11, 5: „… seine Seele hasst den, der Gewalt liebt.“ Hebr. „nephesch“ deutet daraufhin, daß Gott Emotionen nicht rein äußerlich simuliert. V. 6: „Feurige Kohlen und Schwefel lasse er auf die Frevler regnen, und Glutwind sei das Los ihres Bechers.“
    Die Vernichtung der Bösewichter ist eine emotionale Reaktion, denn der hebr. sel-afa = Glutwind aus Psalm 11, 6 ist ein Wind des glühenden Zornes, den der Psalmist in Psalm 119, 53, mit dem gleichen hebräischen Worte ausgedrückt, über die Bösewichter verspürt. hebr. sel-afa kommt von hebr. sa-äf = „sich ärgern, traurig sein, wütend sein“.

    Wenn Gott sich in Yeschua offenbart hat, dann gilt das, was die Psalmen sagen, weil der Rabbi Yeschua am meisten aus den Psalmen zitiert hat.

    Alles Gute!

    – Liesendahl, Jason, Gott kann auch nicht alles, Einführung in die Prozeßtheologie, ruach.jetzt, 2024 Trier

  7. André Ay André Ay

    Hallo!

    Der Thoms hat auf den kosmischen Christus und Richard Rohr verwiesen.
    Das macht mich höchst mißtrauisch. Noch schlimmer als Evangelikalien ist es, wenn man in eine Sekte gerät oder aber sektentypischen Blödsinn glaubt.
    Sektentypischer Unsinn ist dieser Art ist die Lehre der Charaktertypen gemäß des Enneagramm, die weitweit von Richard Rohr verbreitet wird. Laut Rohr geht es immer nur Persönlichkeitsentwicklung. Der Glaube, daß man durch Jesu Selbstopferung mit Gott versöhnt wird, ist für Rohr nur eine Entwicklungsstufe, über die man hinwegkommen kann.
    Die Ennegramm-Charakterypenlehre geht zurück auf automatic writing des Esoterik-Gurus Claudio Naranjo, einem Schüler des Esoterik-Gurus Oscar Ichazo:
    https://www.youtube.com/watch?v=wlO3KJWnNd8
    Der Ursprung der Lehre ist also entweder die Phantasie von einem Eso-Guru oder gleich dämonische Inspiration.
    Wer an die Enneagramm-Lehre glaubt, hat eine verzerrte Selbst- und Fremdwahrnehmung und sieht Menschen nur als Nummern. Bei der Lehre geht es um Persönlichkeitsentwicklung, die aber von den Heiligungsideen aus der Bibel ablenkt.
    Wissenschaftlich gesehen ist die Lehre nicht empirisch validiert und beruht auf dem Barnum-Effekt.
    Die Evangelikalen in Deutschland sind hier völlig nutzlos, denn laut dem Handbuch Weltanschauungen der VELKD hat sich die Enneagramm-Lehre in theologisch konservativen Kreisen ausgebreitet, weil diese der wissenschaftlichen Psychologie mißtrauen. Allein in Leipzig gibt es zwei evangelikal-charismatische Gemeinden, wo der Oberpastor von der Lehre beeinflußt ist. Ich bin da schneller raus als der Gofi aus Evangelikalien.
    Auch die postevangelikalen Dekonstruierer in Deutschland sind hier bislang ein Totalausfall, weil die alle Fans von dem Rohr sind. Die glauben án Evolution, aber nicht an wissenschaftliche Psychologie, weil es denen immer nur darum geht, das Gegenteil dessen zu sagen, was in Evangelikalien gesagt, ohne Rücksicht auf Widersprüche.

    Der Gofi hat die Rechtfertigung aus Glauben ohne Werke in Frage gestellt, weil es einige Bibelstellen gibt, die das Gericht Gottes mit Werken in Verbindung bringen. Da ist in Evangelikalien was schief gelaufen. Der Gofi wurde gar nicht richtig in lutherischer Theologie ausgebildet, bevor er als Jugendpastor eingesetzt wurde. Ich hatte ähnliche Frage beim Theologie-Seminar in Volkenroda 2021, aber Thorsten Dietz konnte die lutherische Lehre noch mal klar erklären: Aus dem Glauben folgen auch Werke.
    Gericht nach Werken kann man verstehen wie ein Spurenfossil: Von dem Saurierkörper ist nix mehr erhalten, aber da der Abdruck seines Fußes im Sand versteinert wurde, ist nachgewiesen, daß er da mal stand. Kein Bibelvers lehrt alles, man muß die verschiedenen Verse auf passende Weise kombinieren.

    Alles Gute!

    André

  8. Huch, jetzt mischt hier plötzlich noch ein Alexander mit. Gute Beiträge, aber @Jay: direkt löschen, das verwirrt mich sonst zu sehr. Entweder er oder ich. 😊

    Nachdem ich nun den Talk komplett gehört habe, muss ich leider sagen, dass ich die Replik von Alles-Gute-André schon ziemlich stichhaltig finde. Da ich kein Theologe bin, kann ich die Fakten nicht überprüfen, aber als Laie fällt mir ebenfalls auf, dass die behandelten biblischen Texte einen Ton anschlagen, der nicht mit Martins Analyse übereinstimmt.

    D.h. der Tonfall, von dem die Texte m.E. motiviert sind, ist der eines gerechten Gottes und eines ungerecht handelnden Menschen, über den ein Urteil gefällt wird (in Bildern von Flut, Feuer oder Finsternis). Wäre es die Absicht der Autoren gewesen, das Bild eines allgnädigen Gottes zu zeichnen, dann müsste das an Form und Stil der Texte viel deutlicher werden und nicht nur eine Frage der lexikalischen Auslegung einzelner Wörter sein.

    In dem Sinne fand sich den Hinweis, dass mit der Stadt in der Offenbarung das Allerheiligste als Wohnstätte Gottes gemeint ist (war doch so?) zwar richtig gut, aber egal wie viele tausend Kilometer die Stadt hoch ist – eine 60m Mauer bleibt für Menschen unüberwindbar. Und auch hier entspricht es m.E. nicht dem Stil des Textes, die Mauer in der Größenrelation als besonders winzig darzustellen.
    Meine grundsätzliche Herangehensweise ist eine andere und lässt sich auf das Wort „Kontingenzbewältigung“ bringen. Am Anfang steht dabei keine Theologie, sondern eine konkrete Gottesbegegnung (siehe brennender Dornbusch). Der in die Welt geworfene Mensch ist also den Schlägen von Natur und Zufall (oder der Willkür der Götterwelt) ausgesetzt und begegnet in der kontingenten Situation dem einzig lebendigen Gott, der ihm seine Fürsorge zuspricht. Und in dem Moment liegt es am Menschen, alle Weltbilder so umzudeuten, dass nicht mehr der Zufall oder die Willkür der Götter am Werk ist, sondern der sich ihm geooffenbarte Gott. Der Mensch steht also vor der Wahl, ob er sich als Spielball der Natur (oder der Götter) versteht und daher Krisen, Katastrophen und Kriegen ohnmächtig gegenübersteht – oder ob er all dies aus der Hand Gottes nimmt, in der Gewissheit, dass derjenige, der es zugelassen hat, auch wieder wegnehmen kann. Worum es geht, wäre also die Wiederherstellung von Selbstwirksamkeit, nach dem Motto: Weil alles von Gott kommt, muss ich mich nur zu Gott bekehren und dann wird (auf kurz oder lang) alles gut.

    • Aber meine Antwort an den anderen Alex steht ja unter dem richtigen Post. Von daher passt es doch.

      Was die Deutung zB der Sintflutgeschichte angeht, so bin ich mir auch nicht immer sicher, was die exakte Intention der Autoren war. Persönlich denke ich, dass sich oft verschiedene Traditionen mischen. Man findet beide Richtungen in der Bibel. Deshalb ist für mich Christus als der Grundlegende Auslegungsschlüssel auch so grundlegend. Nicht der Text entscheidet, sondern die Gottesoffenbahrung in Christus.
      LG,
      der Jay

    • Alexander (mit dem Shiva Spleen) Alexander (mit dem Shiva Spleen)

      Jep, in Deinen Ausführungen finde ich dass wieder was ich kurz mit kognitive Dissonanz umschrieben habe.

      Jep2, ohne Gottesbegegnung ist Glauben ein purer Willensakt der früher oder später zur Verhärtung führt.

      Zum Stichwort bekehren: da bin ich raus. Hinwenden / Wieder entdecken was eh schon immer da war – gerne.

      ( unser Vorname ist halt ein Sammelbegriff, wir kennen dass doch aus der Schule oder in Teams wo es oft noch 1-2 andere Alexander gibt )

  9. Jannik Jannik

    Hi,
    habe vor ein paar Tagen Martins Buch auf der Verlagsseite gesehen und nur auf den entsprechenden Talk gewartet – und schwupps…toll!
    Ich kann eigentlich zu allem, was Martin gesagt hat, nur Ja und Amen rufen, es vielleicht sogar noch ein wenig zuspitzen.
    Für mich ist wahrhaft evangelischer Glauben ohne die Allerlösung schlicht und einfach nicht denk- und lebbar (war es übrigens noch nie – auch in Zeiten des Kindergottesdienstes nicht). Die Rechtfertigungslehre bleibt ohne die (auch explizite Erwähnung!) der Allerlösung kurz vor Schluss stecken und ist ohne sie letztlich zuhöchst inkohärent.
    Und Karl Barth kann sich vor Festlegungen winden wie er will, seine Lehre von Gottes Gnadenwahl in der KD 2 ist noch vor jenen Schriften der Reformatoren und Augustins die wichtigste und leuchtenste der westlichen Christenheit. Ehre, wem Ehre gebürt.

    Musste mal raus;)

    LG
    Jannik

    • Alexander (mit dem Shiva Spleen) Alexander (mit dem Shiva Spleen)

      wieso sind solche Auffassungen in den christlichen Kreisen in denen ich mich bewege / bewegt habe. Nie zu hören?
      ( Und schon gar nicht von der Kanzel )
      *seufz*

  10. Mitchmax Mitchmax

    Man muss sich ja nur mal die nackten Zahlen anschauen:

    Zur Zeit Jesu gab es auf der gesamten Erde geschätzt zwischen 170 und 400 Mio. Menschen. Um das Jahr 1800 herum wurde erstmals die Zahl von 1 Mrd. erreicht. Inzwischen sind wir bei über 8 Mrd. Menschen (Quelle: wikipedia).

    In einer repräsentativen Umfrage, die ich vor einigen Jahren las, bezeichneten sich nur noch 0,5 % der befragten Personen explizit als „wiedergeborene Christen“. Rechnet man auf der Basis mal hoch, wie hoch der Anteil der wiedergeborenen Christen an der gesamten Weltbevölkerung, die jemals auf der Erde gelebt hat, ist, landet man schon nach dem Stand von heute bei weit unter 0,5 %, wobei die Tendenz stark fallend ist; im Jahr 2100 wird das wahrscheinlich eine Zahl von unter 0,1 % sein.

    Nach dieser Kalkulation wäre der große Heilsplan Gottes mit der Rettung der Menschheit durch den Kreuzestod Jesu global menschheitsgeschichtlich betrachtet krachend gescheitert. Darüber könnten sich dann eigentlich nur noch diejenigen freuen, die sich einerseits zur geretteten Elite zugehörig wähnen und denen es andererseits völlig egal ist, was aus dem ganzen Rest der Menschheit wird.

    • Für mich als Agoraphobiker, der Menschenmengen am liebsten meidet, sind das nicht die schlechtesten Nachrichten. 🙂

    • Alexander (mit dem Shiva Spleen) Alexander (mit dem Shiva Spleen)

      Solche Rechnungen (mit etwas großzügigeren Zahlen) habe ich innerlich auch immer angestellt. Und bin auch zu dem Ergebnis gekommen, dass das in einem starken Widerspruch zu einem liebenden Gott steht.
      Pech, an der Stelle das die Bibel als unumstösslich, irrtumslos und vollumfänglich ernst zu nehmend galt …
      Und dann gab es da noch den Spruch das Jesus sich beispielsweise Moslems im Traum offenbart mit der Schlussfolgerung, dass er das quasi irgendwie bei jedem Menschen macht, so dass sich nach dieser Denke keiner rausreden kann nix gewusst zu haben…
      In sich alles rund und logisch man darf halt nicht von aussen drauf schauen…

  11. Hanna Hanna

    Großartiger Talk. Vielen Dank für die tolle Auslegung der Offenbarung und all den inspirierenden Gedanken. Ich hab schon lange die Hoffnung einer Allversöhnung, aber dachte immer, dass sei nicht biblisch. Breiter und schmaler Weg……..
    Daher DANKE, dass ihr mir helft meiner Hoffnung zu folgen. Sehr tiefgründig und doch echt unterhaltsam. Ich freu mich schon auf die nächste Folge.

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