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#135 Christen am rechten Rand (mit Liane Bednarz)

Diese Buchtipps gibt uns Liane in unserem Talk (Titel anklicken):

Konservativ 21.0: Eine Agenda für Deutschland (Andreas Rödder)

Kann Kirche Demokratie?: Wir Protestanten im Stresstest (Arnd Henze)

Mit Rechten reden: Ein Leitfaden

247 Kommentare

  1. KritiSir KritiSir

    Schöner rechtskritischer Talk.

    Kommt auch noch ein linkskritischer?
    DENN: Unangenehme Fragen kann man auch linken Thesen entgegenhalten!

    Ich bitte um AW von Jay oder Gofi 🙂

    • Da wir beide selber linksgrünversifft sind, ist das wohl eher nicht zu erwarten. Aber solche Vorträgen etc gibt es auch schon zur genüge. Einfach mal bei bilipedia.de usw vorbeischauen, da wirst du sicher fündig.

      LG,
      Der Jay

      • KritiSir KritiSir

        Wie würdet ihr dann die Frage beantworten:
        Wie legt man als Befürworter von Migration eine Höchstgrenze fest?

        • KritiSir KritiSir

          Aber DANKE für die Antwort.

        • der Daniel der Daniel

          Hat man doch schon längst. Nennt sich „Dublin“ und damit kann man jeden, der nicht über die Nord/Ostsee gepaddelt kommt ggf. auch wieder abschieben. Die Höchstgtenze bemisst sich demnach nicht nach Zahlen, sondern nach „Stimmung im Land*, respektive „Stimmung im BAMF“, die 2018 eine Fehlerquote von 31% hatten, weshalb mir der Hinweis auf deren Befindlichkeit bitte erlaubt sei.

          Ist vielleicht ein blödes Beispiel, aber wenn ich meinen Patienten 31% der verordneten Medikamente falsch verabreichen würde, könnte das durchaus Probleme geben….

          Die Asylsuchenden hingegen werden dann von einem EU Land ins nächste geschoben. Meist nach Italien oder Griechenland. Wie wir alle wissen kann man da fein Urlaub machen, jedoch endet es für nicht aus Gottes Gnaden in Deutschland Geborenen nicht selten in der Obdachlosigkeit.

          Guckst du: https://www.proasyl.de/thema/fakten-zahlen-argumente/

          Aber sag doch mal, welche Höchstgtenze an Mittmenschlichkeit und Nächstenliebe schwebt dir denn so vor?

          • Ist es nicht auch symptomatisch, dass der Eine “Migration” sagt und der Andere “Flüchtling” versteht?

        • Mir sind die Begriffe in dieser Frage nicht klar.

          Mich würde interessieren, was genau ein „Befürworter von Migration“ ist – was genau will / fordert der und wer ist es konkret, der solches fordert? und wäre dann entsprechend die Position des „Gegners von Migration“?.

          • der Daniel der Daniel

            Soweit ich das sehe, ist das eigentlich ganz einfach. Nach Deutschland kommt man auf legalen Wegen eigentlich nur, wenn es der Wirtschaft beliebt. Hochqualifizierte und entsprechend begehrte Nicht-EU-Ausländer hatten da auch noch nie größere Probleme, bei geringqualifizierten Nicht-EU-Ausländern sah das jedoch alles komplett anders aus. Die hatten so gut wie keine Chance legal nach Deutschland einzuwandern.

            Zurzeit wird ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz diskutiert, dessen Entwurf mittlerweile beschlossen ist: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/fachkraefteeinwanderungsgesetz.html.
            Allerdings wird auch dieses bereits als nicht zureichend kritisiert und gefordert, dass auch Migranten mit noch geringer Qualifikation legale Möglichkeiten erhalten sollten nach Deutschland zu kommen. Ist logisch, denn schließlich brauchen wir ja Menschen die bereit sind in völlig unterbezahlten Jobs fleißigst ihren Dienst zu tun: https://www.boeckler.de/107127_107135.htm#

            Zusammenfassend lässt sich also sagen: Eine Höchstgrenze für Migration regelt Dublin oder die Wirtschaft. Wenn die Damen und Herren CEOs „Stopp sagen“ wird keiner mehr kommen dürfen, sagen sie „Weiter, weiter“ kommen halt noch paar….

        • Peter Peter

          Interessante Frage. Vor allem vor dem Hintergrund, dass so ziemlich alle Forscher, die sich mit dem Thema beschäftigen, zu dem Schluss kommen, dass wir ein demografisches Problem in Deutschland haben. Relativ viele alte Menschen, zu wenig junge Menschen. Deutschland hat zu wenige Kinder. Und wenn das so bleibt, dann steuern wir auf veritable Probleme zu: finanzieller Natur (nicht genügend Menschen, die in die Rentenkasse einzahlen) und personeller Natur (nicht genügend Fachkräfte).
          Um das Problem zu beheben gibt es zwei Stränge, die man verfolgen kann: Deutschland muss per se kinderfreundlicher werden, so dass Menschen einfach Lust haben, mehr Kinder zu bekommen. Und wir brauchen zudem den Zuzug von Menschen von außerhalb Deutschlands.

          Die Frage ist daher zumindest aktuell nicht: wie legt man eine „Höchstgrenze“ für Migration fest? Sondern: welche Maßstäbe legen wir an Migration an? Wie schaffen wir es, dass Menschen nach Deutschland kommen? Eigentlich muss man eher eine „Untergrenze“ für Migration festlegen.

          • Rebekka Tünker Rebekka Tünker

            Absolut richtig! Die drei Lösungen für die demographische Frage sind Immigration (Qualifizierter, wenn wir von rein wirtschaftlichen Belangen sprechen), die Verlängerung der Arbeitsfähigkeit im fortgeschrittenen Alter (Rente mit 80 ~) und die sogenannte Tech-Offensive.
            Ersteres ist verwaltungstechnisch komplex und muss (in Bezug auf die ethische Debatte) unbedingt von Flucht & Asyl getrennt werden. Hier ist ausdrücklich eine gezielte Arbeitsmigration gemeint.
            Um das Fordern und Fördern von Arbeitswille & Arbeitsfähigkeit im fortgeschrittenen Alter werden wir ebenfalls nicht herum kommen, wenn wir als Staat nicht massiv in Technik (Roboter, KI) investieren wollen, die v. a. minderqualifizierte Jobs ersetzen kann (*Schreie aus dem Hintergrund wegen des voranschreitenden Stellenabbaus und der schwarzen Null*).
            Vmtl. wird eine Kombination aus beidem angewandt werden: Ein bisschen mehr gesundheitliche Vorsorge (vllt. mit Smart-Watches, also ein bisschen mehr Überwachung der Staatsbürger*innen der Volkswirtschaft zu Liebe) und zugleich bzw. in Verbindung mehr Technik im Alltag und in der Wirtschaft … wenn die Roboter dann noch Sozialabgaben leisten und keine Rente beziehen, hätten wir ein Paar wirklich produktive neue „Staatsbürger“.

      • Cato Cato

        >Da wir beide selber linksgrünversifft sind, […]
        Bei aller berechtigter Kritik an euch, muss man euch eins lassen: Ihr seid ehrlich und humorvoll. Es gibt deutlich schlimmere Linke.
        Die berechtigte Kritik wäre: Ihr bewegt euch in einer Filterblase und habt in euren Talks fast nur Gäste, mit ähnlich linker Weltanschaung.
        Grüße
        Cato

        • Danke.
          Dein Einwand stimmt aber nicht. Wir hatten schon einige Gäste aus dem konservativ-christlichen Lager. Selbst solche, die uns öffentlich der Irrlehre bezichtigt haben oder die gegen Gendermainstream wettern. Nazis werden wir aber keine einladen, das ginge selbst uns zu weit.

          Grüße
          der Jay

          • Cato Cato

            Ich hatte ja eingeräumt „fast nur Gäste, mit ähnlich linker Weltanschaung“, aber ich nehme das mit der Filterblase trotzdem zurück! Das ihr meine anonymen kritischen Kommentare freischaltet, zeigt mir, dass der Vorwurf falsch war. Tut mir leid!

          • Cato Cato

            Wer waren eigentlich die Kritiker? Bekannt sind mir die Folgen mit Holger Lahayne, Markus Till und Johannes Hartl. Gibt es weitere?

          • Das wären die klaren Kritiker. Aber ich hatte ja auch von Gästen aus dem konservativen Lager gesprochen. Die müssen ja nicht gleich Kritiker von uns sein, auch wenn sie eine deutlich andere Theologie vertreten. Da fallen mir spontan zB Tobias Schöll und Johannes Müller ein. Und Michael Blume ist CDU-Mitglied, den hatten wir schon zwei Mal zu Gast.

            Kehr mal bitte vor der eigenen Tür. Warum hat uns denn Bibel und Bekenntnis noch nie zu einer ihrer Veranstaltungen eingeladen? Sigfried Zimmer stand da meines Wissens auch noch nie auf der Rednerliste. Und Ich wurde auch noch nie gefragt, ob ich auf Biblipedia.de bloggen möchte. Ist immer leicht, lieber Cato, anderen vorzuwerfen, sie würden nur ihren eigenen Leuten Raum geben. Ich finde, wir haben mit Hossa Talk diesbezüglich unsere Hausaufgaben gemacht. Das kann man von den rechts-konservativen christlichen Vereinen nun wirklich nicht behaupten.

            Grüße,
            der Jay

        • Es gibt da auch den “balance bias”: Wenn man immer “ausgewogen” berichten soll, können selbst die irrsten Positionen plötzlich einen Anspruch anmelden, repräsentiert zu werden.

          Die US Newschannels haben z B vor dem Vorwurf der Voreingenommenheit solche Angst, dass Evangelikale im Fernsehen die Botschaft verbreiten können, die “Schöpfungslehre” sei eine wissenschaftliche Theorie. Denn hey, immerhin ist ja auch noch ein Biologe von der Uni da, der das Gegenteil behaupten darf.

          Es muss eben nicht jeder beliebig schräge Position gesendet werden. Das wäre nicht etwa “fair”. Denn die Gruppe derjenigen, die dann aus Fairness Gründen auch noch einen Sendeplatz beanspruchen könnten, ist beliebig groß.

          Man sollte auch fair gegenüber dem wissenschaftlich und moralisch Vertretbaren bleiben.

          • Ina Ina

            Ich verstehe, worauf Du hinaus willst und unterstütze es.

            Allerdings stimmt das in der Form so nicht, wie Du es begründest. Sag ich als jemand, der regelmäßig (fast täglich) CNN und MSNBC schaut. „Angst“ gibt es bei denen nicht. Und das ist gut so.

          • Cato Cato

            Lieber Jay,
            ich hatte den Vorwurf ja bereits zurückgenommen und mich entschuldigt.
            Grüße, Cato

    • Gerd Gerd

      @KritiSir: Du fragst: „Wie legt man als Befürworter von Migration eine Höchstgrenze fest?“

      Die antwort darauf finde ich recht einfach. Man definiert Regeln zur Einwanderung, ermöglicht Einwanderung auf anderer Grundlage als politische Verfolgung (=> Recht auf Asyl). Damit kommuniziert man klar (auch in die Herkunftsländer), welchen Anspruch ein Einwanderer erfüllen muss, man kann die Regeln dem eigenen Einwanderungsbedarf (Anzahl, Qualifikation etc. pp.) anpassen und an weitere (änderbare!) Bedingungen für die Zeit nach der Einwanderung knüpfen. Dass wir das bis heute nicht haben – Kannada macht es vor! – ist das Ergebnis einer konservativen „Heile Welt“ Politik der CDU, die uns die letzten 40 Jahre erzählt, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Wenn man Regeln setzen würde, würde man ja akzeptieren, dass wir ein Einwanderungsland sind. „Die gehen ja alle wieder nach Hause, deshalb heißen sie ja auch ‚Gastarbeiter'“ – Diese Realitätsverweigerung ist m.E. ein riesiges Versagen des Konservatismus und der letzliche Grund für die heutigen Verhältnisse zum Beispiel in Neukölln.

      Das von Dir formulierte Problem entsteht nur, wenn man eine Obergrenze für Asylsuchende festlegen wollte und die kann es per Definition nicht geben. Das Asylrecht ein individuelles Recht und der Staat muss mindestens prüfen, ob ein Asylgrund vorliegt oder nicht. Da kann es keine Obergrenze geben. Die Menschen beantragen zumeist Asyl, weil es keinen anderen Einwanderungsweg gibt. Das wird auch weiter geschehen, wenn auch in geringerem Maß, aber bitte: Wir können es uns als eines der 5 reichsten Industrieländer dieses Planeten LOCKER leisten, eine Million Asylanträge pro Jahr zu prüfen, die Menschen so lange zu versorgen und auch ggf. eine Rückführung zu bezahlen. Kann man ungerecht finden, ist aber angesichts der wirtschaftlichen Ungerechtigkeit – auf der unser Reichtum beruht! Nicht auf unserer Bildung, unserem Talent oder sonst was – ein Schnäppchenpreis.

      Das Problem derer, die sich durch Zuwanderung bedroht sehen, ist doch das Gefühl, dass sie selbst zu kurz kommen aber „für die Ausländer Geld da ist“. Dabei ist auch der letzte Harzt4-Empfänger im GLOBALEN Maßstab ein sehr, sehr reicher Mann/Frau. Und wenn morgen keine Einwanderer mehr kämen und alle abgeschoben wären, dann würde sich KEINES der empfundenen (und auch tatsächlich vorhandenen ) Probleme im Leben dieser Menschen ändern…. Aber dazu müsste man halt selbst denken – AfD Wählen ist halt einfacher und ist m.E. letztlich Denkfaulheit.

      Sorry, bin ein bisschen abgeschweift 🙂

      Grüße, Gerd

      • Rebekka Tünker Rebekka Tünker

        Danke für die ausführliche Klarstellung !!!
        Trotzdem stellt sich hier die entscheidende Frage: WER soll die Kosten letztlich tragen? Der Staat. Also der Steuerzahler.
        Auch Jeff Bezos? Wir haben es uns gemütlich eingerichtet in unserer heilen Konsumwelt, einige haben es gemütlich, einige (Harzt4-Empfänger, um das Beispiel aufzugreifen) weniger … Und einige wenige haben mehr als sie in zehn Menschenleben ausgeben könnten (zumindest, wenn wir von sinnvollen Ausgaben sprechen).
        Und hinter uns stehen die USA und erheben den transatlantischen Zeigefinger, wenn wir in Soziales statt in die NATO investieren … Steuererhöhungen vertreiben aber Investoren. Blöd, wenn man kein Agrarstaat ist und auch nicht nennenswerte Rohstoffe vorzuweisen hat, folglich also auf die Attraktivität als Firmenstandort achten muss.
        Wir sind ans Kapital gebunden und ich bin mir nicht sicher, ob wir uns ohne wirkliche Steuerreformen und eine bessere Umverteilung wirklich so weit aus dem Fenster lehnen können, während täglich am Demokratie-Tod gewirtschaftet wird. Dass das klar ist: Kein Asylsuchender (der den Rechtsstaat und das Grundgesetz achtet) trägt irgendetwas zu diesen antidemokratischen Tendenzen bei … die erwachsen aus unserer Medienlandschaft, politischen Fehlentscheidungen und einer lähmenden Trägheit. Und mangelndem geschichtlichen Wissen.

        „Wir wollen mehr Demokratie wagen.“ (W. Brandt)

        • ein Mensch ein Mensch

          Du siehst doch schon was so ein Instrument wie der Mietendeckel für ein Geschrei auslöst. Wenn die SPD die Erbensteuer abgeschafft hat, ist klar in welche Richtung die Gesellschaft geht. Entsolidarisierung ist Trumpf (Jhat ha schließlich auch der AfD zum Erfolg verholfen)
          Denke aber trotzdem dass wir uns auch international Gedanken machen sollten.

          • Ina Ina

            „Entsolidarisierung“ ist ein Begriff, der nicht auf alles passt. Ich glaube nicht, dass wir der AfD beikommen, wenn wir sozialistische Parolen vertreten. Das treibt unsere Gesellschaft nur weiter in die Spaltung, siehe Weimarer Republik.

            Das „Geschrei“ bezieht sich darauf, dass der Mietendeckel alleine die Wohnungsknappheit (die für die zu hohen Mieten verantwortlich ist) nicht bereinigen wird, im Gegenteil. Es sind Investitionsprogramme wie nach der Wiedervereinigung nötig (durch z.B. Steuervorteile), damit sich Wohnungsbau überhaupt lohnt. Wir haben eine Immobilienblase, d.h. die Preise sind unrealistisch hoch, aber der Mietendeckel verhindert eine Rendite, sodass niemand so blöd wäre Wohnungen zu bauen (und den Bauherrn die Wohnungen abzukaufen).

            Eine Erbschaftssteuer haben wir schon. Was die SPD einführen will, ist die Vermögenssteuer.

            Und da kann man wenigstens mal diskutieren, ob die Steuerfreigrenze nicht zu niedrig angesetzt ist, weil 1. damit v.a. mittelständische Familienunternehmen betroffen sein werden (die für die meisten Jobs im Land sorgen und sowieso schon seit längerem zu kämpfen haben) und 2. bei der derzeitigen wirtschaftlichen Lage eine Vermögenssteuer an die Substanz dieser Leute gehen würden (wir haben zu wenig Substanzvermögen in diesem Land). Und diese Substanz wird schon genug herausgefordert von nötigen Investitionen in die Zukunft: Klimaschutz (CO2-Bepreisung) und Digitalisierung. Man stellt eine Volkswirtschaft nicht einfach mal schnell um, sondern wir stehen vor einer doppelten industriellen Revolution.

            Die Kuh, die man melken will, sollte man gut behandeln, wenn sie weiter Milch geben soll. Es geht uns nicht so gut, wie anscheinend alle denken.

            Die Jeff Bezos dieser Welt kriegen wir damit jedenfalls nicht. Stört aber keinen, denn die SPD hat mit Olaf Scholz den letzten mit Wirtschaftkompetenz in ihren Reihen abgewatscht und setzt auf Symbolpolitik.

            Dass man mit Linksradikalität keine Wahlen gewinnt, haben wir letzte Nacht in UK gesehen. Absolute Mehrheit für einen Populisten und Aufschwung der Nationalisten in Schottland und Nordirland. Die nächsten, die es treffen könnte, sind die amerikanischen Demokraten. Je nachdem, welchen Kandidaten sie aufstellen, haben wir dann vier weitere Jahre Trump.

            Zur Außenpolitik kann ich die Sendung von Maybritt Illner von gestern Abend in der ZDF-Mediathek empfehlen.

        • Gerd Gerd

          Ist vielleicht schon ein bisschen spät für eine Antwort, aber ich versuche es:

          Wer bezahlt das? Ja, wir alle, zumindest die Steuerzahler. Rechnet man alle öffentlichen Ausgaben in Deutschland zusammen (auf allen Ebenen, Bund, Länder, Kommunen etc. pp.), dann gibt die öffentliche Hand ungefähr 110 Mrd. (!!!) Euro pro MONAT aus. Quelle: http://www.bpb.de/nachschlagen/datenreport-2018/wirtschaft-und-oeffentlicher-sektor/278058/ausgaben-und-einnahmen-des-oeffentlichen-gesamthaushalts dort dann Abbildung 1.

          Meine These: Es ist genug Geld im System, um SEHR, SEHR viele Asylsuchende aufzunehmen, zu versorgen und ggf. zurückzuführen. Wir müssen niemandem etwas wegnehmen, ggf. ein bisschen Prioritäten setzen.

          Dass unser Steuersystem bestimmte Gruppen bevorzugt und andere benachteiligt ist ein ganz anderes Thema, dass man m.E. abolut nicht mit der Frage der Anzahl von Asylsuchenden vermischen darf!

    • Peer Peer

      Ist halt wirklich typisch, bei Problemen mit Rechtsextremismus, gleich auf Linksextremismus zu verweisen. Dieses „Whataboutism“ ist ein typischer Trick rechtsoffener Menschen, um Kritik abzuwehren.

  2. ein Mensch ein Mensch

    Hey,
    erst mal starker Talk, schade dass ihr nicht das Diener Kapitel angesprochen habt.
    Schwieriges Thema mit ausschließen oder mit den rechten reden.. seit 2014/2015 haben doch die öffentlich-rechtlichen quasi im Stundentakt von Pegida Demos und mit Afd Vertretern in Talkshows geredet.
    Ich würde sogar behaupten, dass das ständige Wiederholen der Behauptungen und des Vokabulars der neurechten diese erst richtig groß gemacht haben.
    Als würde jetzt ein blokiertes Lucke Seminar die Meinungusfreiheit einschränken. Das war ein Fall, zählt mal die Talkshows bei Will,Maischberger etc. und Interview O-Töne in den letzten Jahren wo die baune Gülle ungefiltert in die bundesdeutschen Wohnzimmer gekippt wurde (braun eben da wo menschenfeindliche Äußerungen getätigt wurden).
    Das ist mir ein bisschen zu einfach gedacht, dass die „Linken“ alles nicht linke mit Nazis diffamieren. Im Gegenteil bin ich sehr dankbar, dass sich viele Leute aktiv an Gegendemonstrationen beteiligen und AfD Versammlungen nicht der Normalfall werden.

    • Matthias Matthias

      Moin Mensch!

      Da bin ich auch ratlos – aber grundsätzlich will man als Demokrat / Bürger / Linker / Christ doch „besser“ handeln als die AfD’ler / Neurechten / Nazis … Oder ?

      Man macht sich evtl. unglaubwürdig, wenn man sich gegenüber diesen Menschen genaus ausgrenzend verhält, wie man es Ihnen vorwirft….

      Auf der anderen Seite nutzen die Radikalen genau diese liberale Haltung als „Schwäche“ aus um die liberale Grundordnung anzugreifen …

      Siehe Talk mit Andreas Malessa …

      Es bleibt nichts anderes als faires Umgehen mit diesen Menschen und „geschickt“ handeln / argumentieren und Sachen besser machen, um diese Partei bedeutungslos zu machen ….

      Bzgl. Lucke:
      Dass nun gerade der „angegriffen“ wurde fand ich insofern blöd, weil er sich seit seinem Austritt aus der AfD mehrmals öffentlich gegen seine einstige Partei ausgesprochen hat und auch Nachteile dafür auf sich genommen hat…

      Will man Aussteiger wirklich so behandeln ?

      Bei Höcke hätte ich sowas viel eher verstanden ….

        • MATTHIAS MATTHIAS

          Das ist schon eine krasse Aussage …

          Zumindest müsste man bei der Beurteilung von Lucke auch seine aktuellen Aussagen berücksichtigen…

          • ein Mensch ein Mensch

            Das Problem ist wohl wohl dass er eine Symbolfigur für den Aufstieg des Rechspopulismus in Deutschland ist (auch wenn es vorher schon Sarrazin gab)und dann nicht irgendwo in der Wirtschaft anfängt sondern an der alten Uni, wo es klar ist, dass das unbeobachtet bleibt..

        • Ralf Ralf

          @Liane Bednartz: Sehr gute Recherche! Sehr informativer Talk!

          Eine Aussage bezüglich Herrn Lucke habe ich ein nachrecherchiert und bin danach zu anderen Schlüssen gekommen als Du, @Liane.

          Es geht um den Ausdruck „sozialer Bodensatz“, den Lucke in einem Interview verwendete und der von den meisten als tendenziell menschenverachtend, also rechtsextrem gedeutet wurde.

          Mir ist aufgefallen, wie missverständlich Begriffe werden können, die in Interviews spontan fallen. Das zeigt z.B. ein legendärer Auftritt der Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) bei Maischberger 2015. Sie sagte dort wörtlich: „Es werden auch Menschen kommen, die sind nicht unmittelbar verwertbar.“ – Huch! Ist Claudia Roth auch eine Neurechte? – Natürlich nicht. Sie hat nur unfreiwillig offenbart, was ihr und ganz vielen anderen 2015 spontan durch den Kopf ging. Zudem versäumte sie es, im Vorfeld der Talkshow sich ein für sie unverfängliches Vokabular für diese außergewöhnliche politische Situation anzutrainieren.

          Um den Menschen Lucke und sein Menschenbild einzuordnen, muss man berücksichtigen, dass er Professor der Volkswirtschaftslehre ist. Die Textpassage aus der Zeit im Jahr 2013, auf den @Florian verweist, lautete: „Lucke erklärt, dass es Menschen gebe, die ins Land kämen, ohne Deutsch zu können, überhaupt ohne Bildung. Sie kämen voller Hoffnung und Naivität. Doch wegen ihrer schlechten Voraussetzungen könnten diese Menschen gar nicht zurechtkommen. Für sie bliebe nur ein Leben in Hartz IV. Dann bilden sie eine Art sozialen Bodensatz – einen Bodensatz, der lebenslang in unseren Sozialsystemen verharrt. Ein dauerhaftes Leben in Hartz IV aber wäre nicht menschenwürdig.“

          Was einige möglicherweise nicht wissen: „Bodensatz“ ist in Luckes Wissenschaftsdisziplin ein feststehender, technischer Begriff, der in verschiedenen Zusammenhängen und wertneutral gebräuchlich ist.
          – Im Zahlungsverkehr: Der „Bodensatz eines Kontos“ ist der Guthabenbetrag auf den Kundeneinlagenkonten bei einer Bank, der im Durchschnitt entgegen bestehenden Abziehungs- oder Kündigungsmöglichkeiten langfristig auf den Konten verbleibt. (http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/bodensatz/bodensatz.htm).
          – In der Volkswirtschaftslehre: Die Summe der Menschen, die bei Vollbeschäftigung in einer Volkswirtschaft aus persönlichen Gründen dennoch keinen Arbeitsplatz bekommen (z.B. mangelnde Ausbildung, Krankheit, keine Bereitschaft für eine Arbeitsstelle umzuziehen, hohes Alter etc.).
          In diesem Sinn verwendete Lucke im Interview den Begriff „Bodensatz“ (= andauernd am Existenzminimum verbleibende Gruppe von Menschen, die keine Aufstiegschancen durch Arbeit, wie der Rest der Bevölkerung hat). Auch auf Nachfrage kam ihm das nicht sonderbar vor. Herr Lucke fiel häufiger damit auf, dass er Worte verwendete, die aus wissenschaftlicher Sprache abgeleitet waren, technisch-kalt klangen und in der Öffentlichkeit nur missverstanden werden konnten. Wer denkt bei Bodensatz schon an Volkswirtschaft? Anderes Beispiel: „entartete Politik“ https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/tv-kritik/fruehkritik-hart-aber-fair-sie-haben-entartet-gesagt-12598287.html (In diesem Artikel findet sich übrigens eine andere Darstellung als von @Liane beschrieben, zum Thema „Lucke und die NPD-Mitglieder“.)
          Folge: Lucke wurde von den meisten zum Neurechten erklärt.

          Ich habe übrigens keinerlei Bezüge zu dem Mann, halte ihn nicht für einen Neurechten sondern für einen schlecht beratenen Liberal-Konservativen.

          • MATTHIAS MATTHIAS

            Danke für die Recherche!

            Die Einschätzung von Lucke als schlecht beratenen liberal-Konservativen trifft es wohl …

          • Florian Florian

            Sehr interessanter Aspekt, Ralf.
            Ich wusste das bisher nicht.

            Aber ist diese Lucke-Lesart nicht auch zumindest sehr wohlwollend? Ich habe diese Verteidigung merkwürdigerweise noch kein einziges Mal von ihm gehört…

            Allerdings ist die politische Bühne eben kein VWL Hörsaal. „Bodensatz“ klingt hier wie bei Sarrazin. Menschen werden zu Dingen oder bloßen statistischen Phänomenen.

            Ich glaube, solche Leute unterschätzen zu sehr, wie sehr bereits das Reden über Politik schon selbst zur Politik gehört

        • Ina Ina

          Du willst damit aber nicht irgendwie rechtfertigen, dass bestimmte Studierende und/oder Aktivisten Redeverbote erteilen wollen?

          Diese Antifa-Aktionen (die ich auch von meiner eigenen Uni aus geringeren Anlässen kenne) sind nicht nur undemokratisch, sondern auch unwissenschaftlich.

          Und es passiert ja auch wesentlich „harmloseren“ Leuten als Lucke. Thomas de Maiziere war offenbar auch nicht „moralisch integer genug“ ist, um an einer Hochschule zu sprechen…

          Im Kampf gegen rechte Ideologien sollte man nicht linke Ideologien verteidigen, wenn sie undemokratisch sind. Das war einer der Fehler in der Weimarer Republik.

          • Florian Florian

            Natürlich nicht

            Ohne die Aktion jetzt relativieren zu wollen, müssen wir auch mal festhalten, dass es sich um lediglich zwei Vorlesungen gehandelt hat, die inzwischen auch ohne Probleme wieder stattfinden. Wie seine Seminare auch, von Anfang an.

            Ich will nur sagen, dass sich Lucke ein bisschen zu Unrecht wundert, was bei seinem kleinen politischen Projekt herausgekommen ist.

            Bei der Störaktion hätte m. E. die Leitung der Uni früh und entschlossen einschreiten müssen.

            Abgesehen davon bringt uns die Frage zurück zum Problem des “zivilen Ungehorsams”, um das es am Ende des Talks ging. Ich bin da nicht ganz Lianes Meinung. Fände aber die Frage spannend, inwiefern ziviler Ungehorsam bei Jesus oder in der kirchlichen Tradition angelegt ist.

          • Rebekka Tünker Rebekka Tünker

            DANKE, DASS DAS HIER AUSGESPROCHEN WIRD!
            Mir geht immer wieder folgender Leitsatz durch den Kopf: „Keine Toleranz den Intoleranten!“ Das wird in dem Zusammenhang gerne propagiert und ist absolut UNDEMOKRATISCH. Dass unsere Demokratie weder mit dem rechten, noch dem linken Rand klar kommt, zeigt, wie weit wir uns von einer Herrschaft des Volkes wegbewegt haben und wegbewegt wurden.
            Für jede Demonstration eine Gegendemonstration, wo bleibt der echte Austausch, ohne dass irgendwelche Kameras draufhalten und einer mit dem Mikro daneben steht ??? Eigentlich sollte der freie Journalismus das bindende Element zwischen Randgruppen sein und allen Positionen Räume bieten …
            … wenn ich auf YouTube unterwegs bin, sehe ich jedesmal die traurige Wahrheit. Der Stern, der offenbar nur noch von der Polarisierung lebt zum Beispiel … „Feministin vs. Abtreibungsgegnerin“, „Muslima vs. Atheistin“, „Richter vs. Polizist“, „Polizist vs. Aktivistin“, „Jägerin vs. PETA-Aktivistin“ ………………….. WAS SOLL DAS?

  3. Katja Katja

    Wie kann ich denn mit konservativ-evangelikalen Menschen umgehen, reden, die vor meinen Augen nach rechts driften? Ich fühle mich oft hilflos. Und ich sehe, genau wie im Talk herausgearbeitet, dass es erheblich von der eigenen Theologie abhängt, ob man sich die Parolen aneignet und mitläuft oder nicht (Fundamentalismus und fundamentalistische Diskurse folgen eben überall denselben Prinzipien, egal ob rechts, links, islamisch oder christlich). Wo kann ich ansetzen? Bei der Theologie? Hinweise auf den gesunden Menschenverstand nützen ja nichts…

    • der Daniel der Daniel

      Nach rechts driften ist meiner Meinung nach gar nicht so schlimm. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Schwester Liane, die hier einen wirklich tollen Talk abgeliefert hat und sogar mehr Redeanteil hatte als Jay und Gofi (!), ziemlich weit rechts von mir steht. Das ist für mich aber völlig okay! Weil in der Mitte ihrer konservativen Grundhaltung der Mensch mit seinen Bedürfnissen verankert scheint. Sie sieht menschliche Not und ignoriert sie nicht. Das kann man nun linkspolitisch oder rechtspolitisch tun, der Kern bliebe der gleiche.

      Es gibt zurzeit aber Bestrebungen, sowohl von links, als auch von rechts, diesen Kern aufzulösen und ihn zu Ungunsten der Menschlichkeit, auf dem Altar der jeweiligen politischen Ideologie, zu opfern. „InfoWars“ nennt man das dann und es vollzieht sich tagtäglich auf allen(!) sozialen(?) Netzwerken deiner Wahl.

      Dazu Jesus: „Siehe, es kommt die Stunde und ist schon gekommen, dass ihr zerstreut werdet, ein jeder in das Seine, und mich allein lasst. Aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir. Dies habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“

      Und daran halte ich mich, als links- (nicht grün-die sind mir schon zu rechts) versiffter 4minus Christ.

      Ernsthaft: Für mich persönlich ist Glaube vertrauen auf- und Rückbindung an Christus und der hat in der sogenannten Endzeitrede gesagt: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.“ Und exakt das lobt er ausdrücklich! Wie nun? Abschieben? Höchstgrenze? Für mich funktioniert das nicht.

      Gleichwohl bin ich dankbar für alle Geschwister, die konservativer sind, als ich es bin. Ich möchte ihnen nur zärtlich zurufen: Seid getrost, er hat die Welt überwunden….

      • Katja Katja

        Ok. Ich glaube, ich muss präzisieren. Ich meine ChristInnen, die sich nicht mehr über die „normalen“ Medien informieren, sondern nur über diverse Newsletter und sog. „Untergrundjournalisten“, die angeblich von den Mainstreammedien und dem Staat (?) mundtot gemacht wurden, ChristInnen, die in den Grünen eine teuflische Macht sehen, die die Gesellschaft in den Abgrund stoßen möchte, die an eine „Gender-Verschwörung“ glauben, die in der EKD die Hure Babylon sehen und in der Ökumene die vom Teufel geplante „Einheitskirche“, ChristInnen, die die Gesellschaft „dem Islam“ massiv bedroht sehen und die abfällig über Menschen sprechen, die anders denken, eine andere Kultur oder Sprache haben als sie oder eine andere Religionszugehörigkeit.
        Verstehst du jetzt besser, weshalb ich besorgt bin und ich Schwierigkeiten habe, mit ihnen zu sprechen?

        • der Daniel der Daniel

          Naja, für die gilt halt auch: “Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.” Oder ihr habt es halt nicht getan, weil ihr an „Untergrundjournalisten“ geglaubt habt und an eine Gender-Verschwörung, oder an die EKD als Hure Babylon. Es finden sich immer tausend Gründe nicht dem unmittelbaren Impuls des Herzens zu folgen, der die Not des Menschen sieht, so wie Jesus es getan hat.

          Gott wohnt in dem Gefühl der Sehnsucht nach einer Liebe, die bis ins Unendliche reicht. Woanders findet man ihn nicht. Christsein ist also keine Frage der Politik, oder des jeweiligen Zeitgeistes, es ist eine Frage der persönlichen Entscheidung. Man kann nicht Christ sein und sich gleichzeitig vor der Not Anderer verschließen, weil es dem politischen Status Quo gerade so gefällt, oder weil gerade böse Buben und Mädchen an der Macht sind.

          Kurz, Gott ist Liebe, dementsprechend ist unser Auftrag Liebe. Ganz egal was Journalisten, Teufel, Verschwörer oder angebliche Huren auch immer sagen mögen.

          • MATTHIAS MATTHIAS

            Gut geschrieben. Das sehe ich genauso!

        • Katja Katja

          Und da kommt die Theologie ins Spiel: Für sie bedeutet Christsein eben NICHT, dem „Impuls des Herzens“ zu folgen (was für eine verweichlichte, emotionale Haltung!) oder einem „Gefühl der Sehnsucht nach Liebe“ (was für ein emotionaler Firlefanz!). Für sie bedeutet Christsein: Recht/ „die Wahrheit“ haben, standhaft bleiben, nüchtern sein (auf keinen Fall Emotionen, schon gar keine freundlichen, zulassen!), Irrlehrer orten, sich abschotten vor „der Welt“ und ihren bösen Einflüssen, gegen Abtreibung, Homosexualität, Ehe für alle und den Islam sein. Sie erkennen ihre eigene „Richtigkeit“ darin, dass sich Menschen von ihnen entfernen, dass sie Gegenwind für ihre Positionen zu spüren bekommen und in der Minderheit sind (Stichwort: die „kleine Herde“).
          Sie sehen das nicht, dass Gott Liebe ist und ihr Auftrag Liebe ist. Sondern dass Gott „die Wahrheit“ ist und sie den Auftrag haben, gegen alle Widerstände diese „Wahrheit“ zu bewahren, zu verteidigen und ihr „treu zu bleiben“.

          • Peter Peter

            @Katja: da stimme ich Dir sehr zu.
            Das Problem kommt doch daher, dass man den Glauben zum starren Regelsystem umfunktioniert hat. Dabei geht es um ein Beziehungssystem: liebe Gott von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst.
            Heißt auch: etliche Themen muss man viel individueller betrachten und entscheiden. Das ist aber schwieriger, aufwendiger, unklarer usw.
            Aber ich glaube, dass Gott uns nix anderes gegeben hat als das.

          • der Daniel der Daniel

            Also ich fürchte, dass man da theologisch nicht wirklich gehört wird, wenn sich das Christsein erst einmal zu einem religiös-ideologischen-Bollwerk zur Verteidigung der absoluten Wahrheit hin entwickelt hat, in dem keine Emphatie, keine Emotionen und keine Sehnsüchte Aufmerksamkeit erlangen dürfen, sondern Absonderung und Abschottung erwartet wird. Für gewöhnlich dürften sich da nämlich bereits jahrelange Prozesse der Immunisierung gegen jegliche theologische Kritik am eigenen Standpunkt vollzogen haben .

            Jedoch, wo Abschottung zur Pflicht wird, Irrlehrer geortet werden müssen und die eigene Richtigkeit darin erkannt wird, dass man Gegenwind erfährt und sich Menschen von einem entfernen, herrscht meiner Meinung nach nicht die Wahrheit, sondern die Angst.

            Deshalb frage ich mich, wie viel Angst eine Seele verinnerlicht haben muss, dass sie sich zu solch einem Standpunkt gedrängt fühlt und wähnt, ihn unbedingt einnehmen zu müssen? Die Wahrheit von der Jesus spricht sollte den Menschen ja eigentlich befreien und ihn nicht in emotionaler Eiseskälte gefangen halten, so dass kein Sonnenstrahl des Mitgefühls und der Liebe ihn mehr erreichen kann.

            Wahrheit ist doch immer auch die Wahrheit über einen selbst. Vielleicht ist das ja ein Ansatz? Und ein empfehlenswerterer als jeder theologische? Die simple Frage: Wer bist du eigentlich?

          • Katja Katja

            @ Daniel:
            Ja, Angst ist das große Thema. Das sehe ich auch so. Und was kommt zurück, wenn ich meine Freunde darauf anspreche? „Ich habe keine Angst!“ Punkt. Ende der Diskussion.
            Das mit der „Wahrheit über mich selbst“ habe ich auch schon versucht. Da habe ich als Antwort bekommen, meine (auf Selbstreflexion hin angelegten) Fragen seien „die Bedrängnisse der Endzeit, die in der Bibel vorhergesagt sind“.
            Aaaaaaaah 🙁

          • Katja, man kann niemanden an einen Ort führen, wo er nicht selber hingehen will. Das ist frustrierend,aber nicht zu ändern.
            LG,
            Der Jay

          • Katja Katja

            ?

          • Katja Katja

            @Jay: Wie machst du das – atmest du den Frust weg, meditierst du, hast du nen Boxsack….? Oder bist du ein Naturtalent mit Elefantenhaut? Ich krieg das nicht auf die Reihe…?

          • @Jay: Wie machst du das – atmest du den Frust weg, meditierst du, hast du nen Boxsack….? Oder bist du ein Naturtalent mit Elefantenhaut? Ich krieg das nicht auf die Reihe…?

            Meine Selbsthilfemaßnahmen:

            1. Humor.
            Das Schlimmste für religiösen Wahnsinn ist ja, nicht ernst genommen zu werden – also versuche ich ihm den Gefallen der Demütigung zu tun. Dahinterstehende These: Jeder, der über die Absurdität des eigenen Wahrheitsanspruches nicht mindestens 1x am Tag schallend lachen kann, ist suspekt.

            2. Demut.
            Mich selbst daran erinnern, dass 1. auch für das gilt, was mir selber teuer ist. Immer. Demzufolge nehme ich mir die Zeit, mich immer mal wieder über meine eigenen Überzeugungen lustig zu machen.

            3. Vertrauen.
            Darauf, das Gott tatsächlich auf krummen Linien gerade schreibt. Was ich in meinem eigenen Leben täglich sehen kann, darf ich wohlwollend auch für den annehmen, der krude oder sogar gemeingefährliche Sachen vertritt. Gott ist unermüdlich auf dem Weg mit uns allen.

            4. Loslassen.
            Nicht ich trage Gott, sondern Gott trägt mich. Ich kann die Welt nicht in Ordnung bringen. Ich muss das auch nicht. Ich muss die Welt nicht tragen, weil Gott das schon tut. So kann ich fröhlich dazu beitragen, die Welt schöner und heiler zu machen. Sie zu segnen. Und wenn Jesus wiederkommt, wird alles heil. Bis dahin übe ich, Gott nicht zu tragen, sondern zu vertrauen, dass wir getragene sind.

            5. Abgrenzung
            Ich bin ich und nicht der Andere. Der Andere darf anders sein als ich. Und ich anders als er. Also muss ich mich nicht empören, selbst wenn es gute Gründe dafür gibt. Die Luft und Gottes Liebe ist für Alle da. Sogar für Arschlöcher!

            6. Ablenkung.
            Wenn das alles nichts hilft (weil meine frommen Worte auf dem Papier vielleicht gut klingen, in der Realität aber seltener Fleisch werden, als mir lieb ist…) und ich mich sehr über andere ärgere, aufrege oder frustriert darüber bin, dass ich anscheinend nichts bei ihnen auszurichten vermag – schaue ich Filme oder tue etwas anderes, was mich auf andere Gedanken bringt. Ich kann niemanden irgendwohin führen, wo er nicht selber hingehen möchte. Warum sollte ich mich zu sehr darüber grämen?

            7. Rotwein.
            Genau genommen ist das wohl ein Unterpunkt von 6… aber eine Liste mit 7 Punkten klingt heiliger.

            LG,
            der Jay

            PS 😉

          • Matthias Matthias

            Deinen Frust kann ich gut verstehen – ich habe in meiner Verwandtschaft Menschen, die so denken / glauben …

            Mittlerweile denke ich, dass es verschiedene Zugänge zum Glauben gibt, je nachdem aus welcher Situation ein Mensch kommt…

            Zum einen gibt es Menschen, die durch ihre Lebensumstände so verunsichert wurden, dass sie extreme Sicherheit brauchen, und sich diese durch eine entsprechende Theologie selbst erzeugen …

            Dann gibt es Menschen die so Schreckliches erlebt haben, dass sie nur dann einem Gott vertrauen können, wenn der auch ein harter Richter gegebenüber den Unmenschen ist, unter denen sie gelitten haben …

            Andere hatten im Leben eher Glück, fühlen sich durch den Glauben gesegnet / beschenkt, und können sich nicht vorstellen, dass der gute Gott so hart sein kann und sehen diese Aspekte des christlichen Glaubens eher kritisch und relativieren dies…

            Sehr gut und für mich hilfreich aufgedröselt hat dies Prof. Siggi Zimmer hier:
            „https://worthaus.org/worthausmedien/gibt-es-einen-strafenden-gott-8-6-1/“

            LG
            Matthias

          • Waldläufer Waldläufer

            Hi Katja,
            ich mische mich auch nochmal dazu, weil ich deine Verzweiflung sehr gut nachvollziehen kann. (Danke für deine Offenheit)
            Und dem großen Seufzer schließe ich mich gerne an. (Besonders, wenn ich an die nahenden Familienfeiern denke…) Ich würde mir gerne die Finger in die Ohren stecken und LALALALA rufen, um bloß nicht wieder an die Grenzen meiner Toleranz und meines Helferkomplexes zu kommen -.-

            Ich glaube, dass das doch im Kern genau die Problematik ist, der Gott jeden Tag mit uns gegenübersteht. Und trotzdem läuft er mir dummen Schaf nach, nennt mich Kind, spricht mich als Gegenüber an. Ich will nicht sagen, dass wir wie Gott jetzt jedem mit aller Kraft hinterherlaufen sollten (bis ans Kreuz???), aber dass Er das erledigt. Ich finde es heilsam, zu wissen, dass ich niemanden retten muss, niemanden retten KANN.

            Aber Er 😉
            Was mein Teil an der ein oder anderen Stelle ist, bekomme ich dann oft nur in Beziehung mit ihm heraus. Manchmal auch nur nach langem Schweigen oder auch Klage (bei ihm ist sie aber immerhin gut aufgehoben).
            Und im Stillen (manchmal auch ganz laut) freue ich mich daran, dass Gott nicht nur „die Wahrheit“, sondern auch die Gnade sein Eigen nennt.
            Grüße

          • Katja Katja

            @Matthias&Waldläufer
            Danke für eure freundlichen Gedanken!
            Ich denke das auch.
            In Frustphasen, in denen mich so ein „heiliger Zorn“ 😉 (wisst ihr, was ich meine??) überkommt, denke ich manchmal: LOSLASSEN! Bei mir damals war das auch nicht anders. Da hätten noch 100 Leute das sagen können, was ich jetzt sage, ich hätte es nicht verstanden! Es brauchte den einen Zeitpunkt, an dem mich Gott treffen konnte, ansprechen, an dem mein Herz das aufnehmen konnte.
            Und dennoch würde ich es meinen Freunden und Verwandten wünschen, sie kämen schon früher an diesen Zeitpunkt. Ohne die vielen Jahre Krisen, Krankheit, Leid, Verlust und Tod. Ohne, dass ihre Kinder ihnen später einmal psychisch krank das Leid klagen müssten, dass sie ihnen mit ihrer frommen Haltung und Erziehung angetan haben.
            Aber vielleicht ist das nicht möglich. Vielleicht bekommen wir tatsächlich nur durch den Tod neues Leben.

            …und dann ploppt wieder mein Mitleids-und-Harmonie-Rumpelstilzchen auf und ruft: ABER. ICH. WÜNSCHE. MIR. DOCH. NUR. WELTFRIEDEN!!

        • Katja Katja

          @Jay
          Danke für die Tipps!
          Die These mit dem Humor finde ich absolut wichtig. Humorlosigkeit ist der beste Freund des Fundamentalismus. Deswegen kommt man ja mit Humor bei Fundis nicht weit – denn: die „wahren Christen“ erkennt man ja ihrer Denke zufolge daran, dass sie „nüchtern“ sind und dass sie verlacht werden (und mit dieser Denkweise sind sie perfiderweise total biblisch!).

          • der Daniel der Daniel

            @Katja: Also wenn Verlachtwerden ein Zeichen vorbildlicher Frömmigkeit sein soll, müsste zurzeit ja allmählich die gesamte SPD-Fraktion einen Heiligenschein tragen, was aber selbstverständlich völlig unmöglich sein könnte, da das ja eine böse linke Partei ist. Und da sich Nüchternheit ganz besonders häufig bei Psychopathen oder auch Buddhisten nachweisen lässt, fürchte ich, dass weder das eine, noch das andere Kriterium, einen hinreichenden Hinweis darauf zu geben vermag, ob es mit einem Christenmenschen richtig steht oder nicht. ?

            Vielmehr sollte man meiner Meinung nach schon ein bisschen genauer hinschauen, wieso, weshalb, warum sich da jemand vor anderen lächerlich macht, bzw. gemacht hat.

            Hinsichtlich der frühen Christen ist das wohl auch gar nicht so schwer nachzuvollziehen, denn die glaubten ja an einen gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes von dem fortan das Heil ausgehen würde, was für Juden sicher absolut lächerlich geklungen haben muss, da ja grundsätzlich jeder verflucht ist, der am Kreuze hängt.

            Und die Griechen kamen hinsichtlich dieser Botschaft wahrscheinlich so gar nicht mehr aus dem Lachen raus, weil sich deren Gottesbilder zwar durchaus mit allerlei „lasterhaften Frivolitäten und Grausamkeiten“ in Einklang bringen ließe, aber unmöglich mit einem derart schwächlichen, leidenden und ohnmächtigen Gott am Kreuz. Da hilft dann auch der Hinweis nicht wirklich weiter, dass er nach drei Tagen wieder auferstanden sei.

            In den Katakomben von Rom hat man deshalb ja auch tatsächlich Einritzungen gefunden, die einen gekreuzigten Mann mit Eselskopf abbilden und darunter dann die verhöhnende Nachricht, dass das der Gott eines Christen sei.

            Nun mag es hin und wieder ja auch heute durchaus noch vorkommen, dass man als Christ wegen des Glaubens an einen Gekreuzigten verlacht wird, jedoch scheinen mir da andere Gründe deutlich schwerer zu wiegen.

            Sowas wie die feste Überzeugung zum Beispiel, dass Gott die Welt in sechs Tagen geschaffen habe, Adam und Eva tatsächlich die ersten Menschen waren und Evolution niemals stattgefunden habe. Das finden dann nicht wenige Menschen heutzutage aus durchaus nachvollziehbaren Gründen ziemlich lächerlich.

            Und wenn dann zum Beispiel auch noch behauptet wird, dass es einst ein Schiff gegeben habe, das alle Tiere der Welt tragen konnte, sowie sprechende Esel, oder von Fischen verschluckte Propheten, kann man die Lacher vielleicht sogar noch ein bisschen besser verstehen, da die, die solches behaupten, das ja alles nicht nur auf der Ebene symbolischer, allegorischer und gerade deshalb auch universaler Wahrheit verstanden wissen möchten , sondern als unbedingt zu glaubende und nicht hinterfragbare, historische Wahrheit.

            Kurz, meiner Erfahrung nach macht man sich als Christ heutzutage vorallem dadurch lächerlich, wenn man die Heilige Schrift als historischen Tatsachenroman banalisiert und deshalb wähnt, man könne damit auch naturwissenschaftliche Erkenntnisse widerlegen, was dann ja auch fleißigst versucht wird und gerade dadurch zahlreiche Lacher provoziert.

            Verlacht wird man heute also eher nicht wie damals, als man Kreuzigung und Auferstehung für ein wahrhaft göttliches Ereignis hielt, sondern weil man sich durch die Behauptung, alles in der Bibel sei als historische Wahrheit zu betrachten und wissenschaftliche Erkenntnisse dementsprechend in erheblichen Maße Lug und Trug, bewusst als Mensch des 21. Jahrhunderts lächerlich machen möchte.

            Das ist nämlich schon ein gewaltiger Unterschied, ob man verlacht wird, weil man ein neues Gottesbild und eine neue Heilsbotschaft verkündigen möchte, oder weil man geradezu krampfhaft biblische Texte in einen Verstehenskontext bringen möchte, in der diese überhaupt nicht verstanden werden müssen, um wahrhaft heilig und wahr zu sein.

            LG

          • Katja Katja

            @Daniel
            AMEN!

            Ich stelle die kühne These in den Raum, dass sich diese Christen mit ihrem Bibelverständnis einen neuen „Stein des Anstoßes“ entworfen haben, da im Laufe der Zeit das Kreuz als Zeichen des Anstoßes verblasst ist und schlicht zum selbstverständlichen Symbol des Christentums oder zu einem netten Mode-Accessoire geworden ist. Oder ein Wandelemend in den Amtsstuben bestimmter Bundesländer, um zu demonstrieren, dass hier das „christliche Abendland“ die Kulturhoheit hat…

        • Cato Cato

          Hallo Katja und alle anderen, die ihr Vertrauen in die „Qualitätspresse“ setzen:
          Du informierst dich vermutlich ausschließlich über die Mainstream-Medien, die alle im Prinzip das gleiche berichten, richtig?
          Wie wär´s wenn du dir auch mal alternative Nachrichten anschaust, wie „Die Achse des Guten“, Tischys Einblick und eigentümlich frei. Schon mal dort reingeschaut? Ich weiß, die werden bei Wikipedia und vom linken Mainstream schnell als „Neurechte“ diffamiert. Das ist dann für viele Grund genug, die Finger davon zu lassen. So findet aber keine echte Auseinandersetzung statt.
          Grüße
          Cato

          • Wer definiert eigentlich, was “Mainstream-Medien” sind?

            Immer die, die “draußen” sind. Das ist eine genauso erfolgreiche Wortschöpfung wie “Schulmedizin”.

            Mit diesem Move geht der Diskurs die bequeme Abkürzung. Ich kann was beliebig wildes behaupten. Dass bisher alle das Gegenteil sagen, sprich plötzlich latent für mich. Denn die anderen sind ja “Mainstram” (weil anders als ich) und dadurch irgendwie anrüchig.

            Cool, oder?

            Um auf Deine Frage zu kommen: Doch, ich lese bei der Achse des Guten oder bei Tichy ab und an rein.

            Ich sehe dort vor allem eine Textsorte: Kommentare.

            Keine Reportagen. Keine Features. Keine Berichte. Wenn Fakten / Tatsachen zitiert werden, kommen auch die – wait for it – aus den “Mainstream-Medien”. Ganz so Tageszeitung sind wir dann doch nicht.

            Ich sehe da einfach nicht wirklich ein gleichwertiges Pendant zum öffentlichen Rundfunk oder zu großen Medienhäusern. Nur eine Menge ziemlich wütender Leute (ok, v a weißer Männer ü45), die ihren Senf dazu gibt.

            Ich sehe da keine wirklichen “Alternativen Medien”, sondern eher verlängerte Facebook-(Hass)Kommentarspalten.

          • Ina Ina

            Hi Cato,

            die Stamm-Kommentatoren hier haben bereits bei Hossa-Talk #132 über das Klima-Thema sehr ausführlich dargelegt, warum sie Tichy nicht für seriös genug halten.

            Mein eigenes Argument bezog sich dort übrigens nicht auf „Weltanschauung“ oder so etwas, sondern dass er einzelne Punkte, die nicht immer unberechtigt sind, in einen schrägen Kontext stellt. Kritk an den etablierten Journalisten bedeutet nämlich nicht, dass man selber Meldung und Meinung einfach mal so vermischen darf.

            Grüße
            Ina

          • Peter Peter

            @Cato:
            Mainstream-Medien – die Du hier schon leicht diffamierst, indem Du die Qualitätspresse nur in Anführungszeichen setzt – haben – wenn sie wirklich Qualitätspresse sind – alle recht große Recherche-Abteilungen und zig Journalisten, die für diese Presse arbeiten (ich empfehle einen Blick ins Impressum, da kann man das gut sehen). Da werden Fakten gecheckt, es wird auf saubere Berichterstattung geachtet. Selbst Relotius ist eher ein Fall, der das Funktionieren des Systems bestätigt – Relotius ist ja deswegen aufgeflogen, weil ein anderer Journalist des eigenen Blattes ihn des Betrugs überführt hat. Und nein, Deine Aussage, die würden im Prinzip alle das Gleiche berichten, ist nicht korrekt. Ich lese verschiedene Zeitungen und lese in den Zeitungen sehr unterschiedliche Einschätzungen. Zum Teil sogar innerhalb des gleichen Blattes (Die Zeit beispielsweise).

            Nun zu den von Dir genannten alternativen Nachrichten. Hier fehlen die Rechercheabteilungen. Ganz oft handelt es sich hier nicht um einen Journalismus, der um Objektivität bemüht ist, sondern um Kommentare, die Meinung machen wollen und auch gewisse Scharfmacherei betreiben. Die Themen sind einigermaßen monothematisch und einseitig. Und Fakten…? Nun ja.

            Das kann man natürlich gerne lesen. Es gibt ja auch Menschen, die die BILD-Zeitung lesen, obwohl die nun wirklich nicht sonderlich empfehlenswert ist.

            Aber man sollte nicht so tun, als ob das guter und ausgewogener Journalismus wäre. Oder gar besserer Journalismus als das, was die Mainstream-Medien schreiben.

    • Cato Cato

      Hallo Katja,
      >Hinweise auf den gesunden Menschenverstand nützen ja nichts…
      Der Satz offenbart das Problem. Du scheinst die „nach rechts driftenden“ nicht zu verstehen und vermutlich willst du sie auch nicht verstehen, oder? Stattdessen fühlst du dich offenbar wohl in deiner angeblichen moralischen und intellektuellen Überlegenheit.
      Vielleicht interpretiere ich jetzt auch zuviel in den Satz hinein, aber den Eindruck gewinne ich tatsächlich.
      Grüße
      Cato

      • Katja Katja

        Hallo Cato,
        danke für die Nachfrage.
        Ich verstehe die „nach rechts driftenden“ sehr gut – vor allem ihre Motivation: Angst. Ich war ja mal eine von ihnen.
        Mit „gesunder Menschenverstand“ meine ich Folgendes:
        – Hass geht gar nicht
        – Herabwürdigung anderer Menschen geht gar nicht
        – ich bin nicht der Nabel der Welt
        – eine kritische Reflexion der eigenen Denkmuster ist unerlässlich
        – Angst ist oft kein guter Ratgeber

        (man könnte es christlich formulieren: die obersten Ziele für dein Denken und deine Handlungen sollten Liebe und Demut sein, Gottes „Fürchte dich nicht“ und sein Vertrauen in ihn sollte dich leiten)

        Nun findet sich all das in rechten Diskursen eben nicht. Hin und wieder lese ich tatsächlich Tichy, pi-news, science-files etc., wenn mir einer meiner konservativ-rechten Brüder mal wieder einen Artikel mailt. Sie missachten Standards für wissenschaftliches Schreiben, würdigen andere herab, halten sich für die „einzig Wahren“ etc. und bedienen populistische und fundamentalistische Diskursstrategien. Dazu gehört zB auch die Verwendung von emotionaler Sprache, Halbwahrheiten und das Herausreißen von Informationen aus dem Kontext – übrigens auch ein Mittel, dass sich so manche evangelikal-konservative Blogger zu eigen machen. Aber sie werden nicht hinterfragt, denn sie gehören ja zu den „wahren Christen“, die immer die Wahrheit sagen….

        Meine Haltung, die du als „moralisch und intellektuell überlegen“ wahrnimmst, kommt daher, dass ich genau weiß, wie diese Menschen ticken, weil ich selbst in so einer Denke aufgewachsen bin – allerdings ohne den völkischen und judenverachtenden Aspekt. Dass ich politisch aus der Weltgeschichte weiß, wohin so ein Denken führt und aus meiner eigenen Biographie (und aus der vieler anderer, die so aufgewachsen sind) in religiöser Hinsicht weiß, wohin so ein Denken führt. Zu nichts Gutem. Und, wie ich das in einem meiner vorigen Beiträge schon geschildert habe, davor würde ich diese meine lieben Brüder und Schwestern gerne bewahren.

        • Katja Katja

          DEIN Vertrauen in ihn natürlich 😉

        • Cato Cato

          Hallo Katja,
          danke für deine Antwort! 🙂
          Unter „gesunder Menschenverstand” hatte ich etwas völlig anderes verstanden.
          Mit den Werten kann ich mitgehen. Du scheinst mit anderen Leuten zu tun zu haben als ich.
          Ich find´s schön, dass dir diese Menschen nicht egal sind.
          Liebe Grüße
          Cato

          • Peter Peter

            @Cato
            „euch reicht die Vielfalt der klassischen Presse aus. Kann ich nachvollziehen. Früher habe ich auch so gedacht. “

            Das alte, beliebte Narrativ: Du bist natürlich ganz schlau, hast alles verstanden, während die anderen dumm oder „Schlafschafe“ sind. Die einfach noch nicht so weit sind.

            Sorry, das ist einfach kompletter Blödsinn. Du vermittelst ein wenig den Eindruck, als würdest Du über den Tellerrand blicken. Dabei bist Du einfach nur ganz tief in die alternativen Medien eingetaucht und hast Dir von denen einen Bären aufbinden lassen. Mit dem Ergebnis, dass Du den Medien, die in der Regel und weitestgehend eine seriöse Berichterstattung machen, nicht mehr traust und eine Art „Verschwörungstheorie“ witterst.

            Und wie ich es so oft erlebt habe: mit solchen Menschen wie Dir kann man nicht mehr sinnvoll diskutieren. Man kann Argument um Argument vorbringen – es wird alles ignoriert. Auf die Argumente wird nicht eingegangen, stattdessen wird die Diskussion im schönsten Whataboutism-Stil zum nächsten Thema gelenkt, bis man sich ganz weit vom Ausgangsthema entfernt hat.

            Es ist bezeichnend, dass Du ausgerechnet die in rechts-angehauchten Kreisen so beliebte NZZ als Beispiel für eine seriöse Zeitung erwähnst. Ich sag’s mal deutlich: Du hältst die Zeitungen für seriös, die Deine Meinung widerspiegeln. Und zwar nur die. Das hat nichts damit zu tun, ob diese Zeitungen seriös sind. Sie passen Dir einfach in den Kram und bestätigen Deine Meinung. Und dieser wiederkehrende Quatsch mit der angeblichen Staatsnähe der öffentlich-rechtlichen Medien…meine Güte. Was ein Blödsinn. Es braucht schon eine ordentliche Portion Ignoranz und Verschwörungstheorie, um das zu glauben. Klar – und dann sieht man natürlich nur noch, was man sehen möchte.

            Hier klinke ich mich daher auch aus der „Diskussion“ aus.

          • Katja Katja

            @Peter:
            Ich kann das nachvollziehen. Die Crux ist nur: Wir tendieren alle dazu, das „gut“ und „richtig“ zu empfinden, was unserer Meinung entspricht.
            Und das alte Narrativ habe ich in gewisser Weise auch Cato aufgetischt (zumindest kann man meine Zeilen genau so verstehen).
            Die Frage ist nur: Was bringt uns dazu, so zu denken, wie wir denken? Was sind unsere Motive? Was hat uns geprägt? Wie kommen wir dazu, unsere Meinung zu ändern? Weil uns jemand suggeriert, er hätte „die Wahrheit“? Oder ein besonderes Spezialwissen, was mich alle Komplexität der Welt durchblicken lässt? Oder weil ich vor etwas Angst habe und diese Angst überall bestätigt wird (s. hierzu Daniels Kommentar über das verängstigte Kind)?

          • Peter Peter

            @Katja:
            „Wir tendieren alle dazu, das “gut” und “richtig” zu empfinden, was unserer Meinung entspricht.“

            Natürlich tun wir das. Wo wir sind, ist die Mitte – so denken wir alle. Deswegen hat jeder von uns einen gewissen „Bias“. Es gibt aber durchaus Unterschiede. Beispiel: ich lese die FAZ nicht sonderlich gerne. Die liegt mir politisch nicht und ich sehe etliche Dinge anders. Ich käme aber nicht auf die Idee, die FAZ als unseriös zu bezeichnen. Oder sämtliche Medien über einen Kamm zu scheren und quasi von einer „gleichgeschalteten Presse“ zu sprechen, wie das manche tun. Oder von einem „Staatsfunk“ zu sprechen bei ÖR-Medien. Natürlich gibt es gewisse Verknüpfungen zwischen ÖR-Medien und dem Staat. Natürlich machen Medien Fehler in der Berichterstattung. Die passieren meines Erachtens in aller Regel ungewollt und unabsichtlich. Zum „Staatsfunk“ ist es noch ein verdammt weiter Weg – der Begriff suggeriert nämlich, dass die Medien in voller Absicht falsch berichten würden. Und das halte ich doch für ausgemachten Blödsinn.

            „Wie kommen wir dazu, unsere Meinung zu ändern?“
            Die Frage aller Fragen. Eine Meinungsänderung setzt meines Erachtens eine ganz wichtige Einstellung voraus: ich könnte mit meiner Meinung falsch liegen. Ich brauch einen gewissen Grundzweifel, um bereit zu sein, meine Meinung zu hinterfragen. Deshalb gibt es so viele arrogante Idioten, die komplett von sich selbst überzeugt sind. Donald Trump, Boris Johnson – das sind Menschen, die m. E. in diese Kategorie fallen. Sie haben IMMER recht. Da ist kein Zweifel da.

            Zusätzlich zum Zweifel braucht es m. E. in der Regel eine Motivation von außen. Das können gute Argumente sein. Es sind zudem oft irgendwelche Erfahrungen, die man macht. Erlebnisse mit Menschen oder so. Beispiel: ich habe lange geglaubt, Homosexualität sei Sünde und wenn ein Schwuler Christ wird, dann braucht er nur zu beten und zu glauben, und schwupps wird er hetero. Ich war der Meinung, dass die Bibel diesbezüglich ganz klar ist. Das konnte ich solange glauben, bis sich ein guter Freund von mir als schwul geoutet hat. Ein Christ. Hat alles probiert. „Therapie“, Seelsorge, Gebet, alles. Hat nicht geholfen. Weitere Freunde von mir haben sich geoutet – zum Teil NACHDEM sie hetero geheiratet hatten. Und die Ehe an die Wand gefahren haben. Großes Leid.
            All das hat mich nachdenklich gemacht. Denn wie kann es denn sein, dass die Gute Nachricht so viel persönliches Leid produziert? Ich habe dann nach und nach Literatur dazu gelesen, Vorträge gehört, mich mit Leuten ausgetauscht. Um dann auch mal festzustellen, dass ich mich eigentlich nie richtig mit der Bibel auseinandergesetzt hatte in Bezug auf dieses Thema. Es war ja schließlich so klar… stimmte halt nicht. Der biblische Befund hierzu ist wachsweich. Heute stehe ich auf dem Standpunkt, dass Homosexualität an sich keine Sünde ist. Ich habe mich riesig gefreut, als der Bundestag die „Ehe für alle“ beschlossen hat. Ich freue mich darauf, dass besagter Freund, der sich mir gegenüber geoutet hat, nächstes Jahr seinen Mann heiratet.

            Zurück zur Frage: es braucht also m. E. eine gewisse Selbstreflektion, die Grundannahme: meine Meinung könnte falsch sein, und entsprechenden Anstoß von außen.

            Oder wie siehst Du das?

          • Ina Ina

            Lieber Peter,

            ich stimme Dir voll und ganz bei dem Whataboutismus der rechten bis rechtsradikalen Meinungsmacher zu.

            Allerdings finde ich es bedenklich, wenn Traditionsblätter wie die NZZ dann diskreditiert und in die rechte Ecke geschoben werden, wie Du es hier gemacht hast.

            Das trägt dazu bei, alle und alles, was nicht eindeutig SPD, Linken oder Grünen zuzuordnen ist, als populistisch und damit rechts und dann gleich rechtsradikal zu kennzeichnen. Da läuft neuerdings etwas schef in unseren Diskussionen, denke ich.

            Jüngstes Beispiel: die Süddeutsche findet Christian Lindner „populistisch“:
            https://www.sueddeutsche.de/politik/fdp-lindner-kommentar-1.4725282

            Ja, gut, kann man machen, allerdings sind dann selbstverständlich alle Politiker „populistisch“, wenn sie auf Wählerwerbung gehen. Auch ein Robert Habeck, der oft so stark vereinfacht, dass ich mich veräppelt fühle.
            Das Schlimme ist aber, dass ein Politiker wie Lindner (von dem ich auch kein Fan bin, der aber sicherlich ein Demokrat ist) über den Begriff „populistisch“ in die rechte Ecke verschoben wird (weil die Süddeutsche Habeck sicherlich nie so nennen würde).

            Und das ist einer der Gründe (vielleicht nicht der entscheidende, aber doch ein Katalysator), warum manche Menschen den meisten etablierten Medien nicht mehr vertrauen.

            In der linken Groß-WG meines Exfreundes wurde zu Studienzeiten übrigens am Frühstückstisch die Süddeutsche, Die Zeit, die FAZ und die NZZ gelesen. Die vielen WG-Mitglieder leisteten sich alle 4 Abos im Kollektiv, um sich möglichst gut zu informieren und eine eigene Meinung zu bilden.

            Die NZZ war dafür bekannt, ein sehr gutes internationales Ressort zu haben. Inzwischen ist sie mit ihrem aktuellen Chefredakteur konservativer geworden, allerdings sicher nicht rechts. Auch ich lese regelmäßig da rein, weil sie – von der Schweiz aus – nochmal einen anderen Blick auf die EU-Politik hat. Und das kann nie schaden, wenn einem die Regierungsparteien dauernd alles mögliche als „alternativlos“ verkaufen wollen. Die neue EZB-Chefin wird z.B. aus guten Gründen wesentlich kritischer gesehen als in den meisten deutschen Zeitungen.

            Hier ein Beispiel dazu, wie es zum Impeachment-Verfahren in den USA kam. Als regelmäßige Zuschauerin des (eher linken) amerikanischen Senders MSNBC muss ich sagen, dass die NZZ da sehr gut und nüchtern zusammengefasst hat:

            https://www.nzz.ch/international/trumps-weg-in-den-ukrainischen-sumpf-wie-es-zum-impeachment-kam-ld.1528829

            Viele Grüße
            Ina

          • Katja Katja

            Hallo Peter,
            ich sehe das auch so.
            Mit dem Thema Homosexualität ging es mir genauso wie dir. Mich hat vor allem das Leid der betroffenen Homosexuellen, die mir nahestehen, dazu gebracht, meine glasklare Theorie mal etwas zu beleuchten und mich erstmals ernsthaft mit den biblischen Texten auseinanderzusetzen.

          • Peter Peter

            @Ina: bitte lies meinen Beitrag. Da steht: „Es ist bezeichnend, dass Du ausgerechnet die in rechts-angehauchten Kreisen so beliebte NZZ als Beispiel für eine seriöse Zeitung erwähnst.“

            Ich habe die NZZ nicht in die rechte Ecke gestellt. Es ist aber auffällig, wie häufig einem in Diskussionen mit rechts-stehenden Menschen diese Zeitung begegnet. Interessanterweise weisen Konservative (bewusst gewählter Begriff zur Abgrenzung von Rechten) eher selten auf NZZ hin. Es würde mich als Chefredakteur der NZZ nachdenklich machen, wenn ich so viel Beifall aus dem rechten Lager bekomme.

            Insofern war das eher bezeichnend für Cato, der – diesem Muster folgend – ebenfalls die NZZ als seriöse Zeitung erwähnt, aber so ziemlich alles andere als unseriös betrachtet.

        • ein Mensch ein Mensch

          man muss ja noch nicht mal so weit gehen. Welt, Fokus, oder die FAZ reichn auch schon um eine differenzierte Sichweise zu bekommen.
          Wer andere Meinungen lesen will, ist hier an der richtigen Adresse. Auch wenn ich hier oft nicht zustimmen will, werden hier doch gewisse Mindeststandars eingehalten.
          Als ich in einer Jugendherberge übernachtet habe, hab ich öfter mal nen Blick in die welt geworfen. Das war mal ein schönes Wechsel bad der Ambiguitätstoleranz
          Die angesprochene Junge Freiheit zähl ich nicht dazu ist für mich ie IDEA Spektrum der Neurechten.
          Aber bitte die bekommt man auch am Kiosk. Also bitte etwas differenzieren was die Presselandschaft angeht. Meinungsfreiheit heißt eben nicht, dass „DIE Wahrheit“ nur meine ist.

          • Cato Cato

            Hallo Peter und ein Mensch,
            euch reicht die Vielfalt der klassischen Presse aus. Kann ich nachvollziehen. Früher habe ich auch so gedacht.

            Warum gibt es kaum eine Zeitung, die diese 97% der Wissenschaftler Halbwahrheit genauer betrachtet. Eine richtig gute Zeitung gibt es allerdings doch, die das auch macht: die NZZ.

            Der Medienwissenschaftler Prof. Norbert Bolz sieht bei der Presse allerdings viel im Argen. Natürlich gibt es auch gute Artikel und Journalisten. Aber vieles ist schon sehr bedenklich.

            Zum öffentlichen Rundfunk sagt Bolz:
            „Ich zögere immer bei bestimmten Stichworten sofort zuzustimmen: Lügenpresse, Staatsmedien, u.ä.m. Das ist ein bischen zu pauschalisierend. Aber leider Gottes machen sie es einem von Tag zu Tag schwerer, diese Begriffe zurückzuweisen.“
            Vor allem die unendliche Staatsnähe und – was noch viel schlimmer ist – die Regierungsnähe der öffentlich rechtlichen Medien ist wirklich deprimierend. Mittlerweile hat das ein Ausmaß angenommen, das man kein Medienwissenschaftler sein muss, um das zu erkennen. Jeder, der etwas unbefangen ist, merkt das an jeder Tagesschau und jedem heute journal.

            Hier das volle Interview:
            https://youtu.be/6MJmd6nnMbI

            Grüße, Cato

  4. So, jetzt hab ich’s endlich ganz durchgehört.
    Erst mal: SUPER, dass Hossa Talk politisch(er) wird. Ganz, ganz großartig. Mit einem gut Gast, der tief in der Materie drin ist – gerade zu den Parallelen zwischen Rechts und Fromm war viel Aufschlussreiches drin.

    Ich möchte zwei Ergänzung / Entgegnungen versuchen. Liane hat natürlich ihre „liberal-konservative“ Sicht auf die Thematik – aber die anderen Sichtweisen müssen m. E. zumindest auch zur Sprache kommen (und ich hätte auch erwartet, dass sie sich dazu äußert. Vielleicht steht das aber im Buch.)

    ERSTENS. Der Werdegang der Rechten – aus ihrer eigenen Selbstbeschreibung.

    So, wie Liane es darstellt, gab es eine Radikalisierung am rechten Rand, die dann mehr in die Breite gegangen ist. Reaktionäre kapern den Begriff „konservativ“. Das sehe ich durchaus genauso.

    Aber: Ein Gauland würde es ganz anders formulieren. Er würde sagen: Die CDU ist nach links gerückt – und mit ihr der ganze Mainstream (Wer auch immer das jetzt genau ist) – und die AfD besetze eben die freibleibenden Positionen. „Was vor 10 Jahren noch normale CDU-Position war, ist jetzt angeblich rechtspopulistisch“, würde sich ein AfD-Vertreter wundern.

    Und, mal ehrlich: ist das denn 100% falsch? Wir haben ja in der Tat nach inzwischen drei (!!!) großen Koalitionen so einen riesigen Konsensdrift, der beiden „Volksparteien“ total das Profil abgegraben hat. Ehrlicherweise muss man zwar sagen, dass die zwei da nicht immer eine andere Wahl hatten. Aber die allermeisten klassischen CDU-Positionen (Atomkraft, Wehrpflicht, Alleinverdienerfamilie, Hetero-Ehe, „harte“ Sicherheitspolitik…) sind ja unter Merkel alle mehr oder weniger sang- und klanglos geräumt worden. Und in einige dieser Lücken stößt die AfD halt vor (Stichwort Gender).

    Das ist zumindest ein TEIL der Wahrheit, auch wenn es natürlich nicht rechtfertigt, mit Jens Maier vor „Mischvölkern“ zu warnen oder mit Gauland „wieder stolz auf die Leistungen der Wehrmacht“ (!!!!!!!!! W T F !!!!!!) sein zu wollen.

    Denken wir mal an die Finanzkrise: Da waren Banken- und Eurorettung – wait for it – „alternativlos“. – Man braucht gar nicht zu streiten, die Lösung ist eh klar. Hinfort, ihr Steuermilliarden.

    Da ist doch mit Händen zu greifen, dass Leute sich abgehängt fühlen. an dem Wort gab’s ja auch Kritik – Unwort des Jahres 2010. Aber es ist eben auch nur eine Frage der Zeit, bis in einem demokratischen System dann auch eine Partei auftaucht, die sich „Alternative“ nennt. Die Grunsatzdebatten, was das hier für ein Land sein soll, werden einfach nicht geführt. Das schürt enormes Misstrauen ins System.

    Damit sind wir auch schon bei der Frage, warum die AfD überhaupt so erfolgreich sein konnte. Die Flüchtlingskrise 2015 kam im ganzen Talk komischerweise überhaupt nicht vor. (oder irre ich mich?) – das war DER Durchbruch der AfD und ist bis heute ihr zentrales Totem. Auch da war Merkels Politik – die ich im Grundsatz richtig finde – scheinbar „alternativlos“. Der ganze Bundestag ist merkwürdig einhellig der gleichen Meinung. Da wurde die Stimmung im Land offensichtlich total falsch eingeschätzt.

    Der Kipp-Punkt ist, denke ich, die Kölner Silvesternacht 2015/16 (die im Talk auch nicht vorkam). Hier bestätigten sich plötzlich alle Feindbilder und Projektionen, die die Rechte geschürt hat, auf bestürzende Weise: notgeile, übergriffige Fremde, deutsche blonde Frauen als hilflose Opfer, eine überforderte / untätige Polizei, die das ganze nachher noch halb zu verschweigen versucht.

    Das hat einfach Energien freigesetzt, die nicht mehr innerhalb des Systems zu bändigen waren. Weil sie sich vom selben System hier verlassen und verraten fühlen mussten. Das sind keine bloßen Hirngespinste, sondern reale Ereignisse, die das diskursive Koordinatensystem der neuen Rechten maßgeblich festgezurrt haben.

    Welche Schlüsse man aus diesen Ereignissen ziehen sollte, ist nochmal eine andere Frage. Ich will nur sagen: Die Radikalisierung der Rechten hat ihre Ursache nicht nur in irgendwelchen rechtsextremen Zeitschriften und Blogs. Sondern eben auch in einer Realität, die diese Weltsicht in einzelnen Fällen zu bestätigen scheint. Das muss man zumindest zur Kenntnis nehmen, um darauf richtig reagieren zu können.

    • der Daniel der Daniel

      Die CDU von vor zehn Jahren vertrat mitnichten die Position der heutigen AfD. Das, was vor zehn Jahren bei der CDU der rechte Rand war, ist heute bei der AfD der „liberale Flügel“. Das ist eine komplett andere Partei!

      Aus dem Regierungsprogramm der CDU 2009-2013: Unter dem Motto „Muslime in Deutschland – Deutsche Muslime“ wurde im Jahr 2006 die Deutsche Islam Konferenz ins Leben gerufen. Sie ist die Plattform für einen dauerhaft angelegten Dialog zwischen Staat und Muslimen in unserem Land. Wir wollen diesen erfolgreichen Dialog fortsetzen, der auch die Differenzen zwischen den Partnern nicht ausklammert und bereits einen wertvollen Beitrag zum besseren gegenseitigen Verständnis geleistet hat.

      Aus dem Parteiprogramm der AfD 2019: Der Islam gehört nicht zu Deutschland. In seiner Ausbreitung und in der Präsenz einer ständig wachsenden Zahl von Muslimen sieht die AfD eine große Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung.

      Aus dem Regierungsprogramm der CDU 2009-2013: Deutschland ist Integrationsland. Die Integration der Menschen mit Migrationshintergrund ist für Deutschland eine Schlüsselaufgabe. Die von uns durchgesetzte Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung hat einen Konsens über Integration in Deutschland möglich gemacht. Wir können dabei auf eine lange Tradition erfolgreicher Integration zurückblicken. Die meisten Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen sind, wünschen sich eine gute Integration und tragen erheblich zum Wohlstand unseres Landes bei.
      Deutschland ist ein weltoffenes und tolerantes Land. Wir wollen, dass unser Zusammenleben von Respekt, gegenseitigem Vertrauen, Zusammengehörigkeitsgefühl und gemeinsamer Verantwortung geprägt ist. Unser Grundgesetz und unsere gemeinsamen Werte sind von Jedem zu achten. Erfolgreiche Integration bedeutet für uns: Identifikation mit unserem Land, gleichberechtigte
      Teilhabe und Verantwortung. Sie kann nur mit der nötigen Anpassungsbereitschaft der Zuwanderer und der Aufnahmebereitschaft der Einheimischen gelingen; sie braucht das Zusammenwirken aller. Ein erfolgreicher Integrationsprozess enthält die Chance, kulturelle und soziale Vielfalt konstruktiv zu nutzen. Zugleich trägt er dazu bei, für die Erfordernisse der globalisierten Welt besser aufgestellt zu sein. Kulturellen und religiösen Konflikten wollen wir vorbeugen. Die beste Integration ist gesellschaftliche Teilhabe aller. Sie stärkt die innere Einheit und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

      Aus dem Parteiprogramm der AfD 2019: Die multikulturelle Gesellschaft ist gescheitert. Um mit
      Einwanderern in der Zukunft friedlich zusammenleben zu können, ist deren Integration unerlässlich. Nur so lässt sich auch das weitere Vordringen von Gegen- und Parallelgesellschaften in unserem Land verhindern. Gelingende Integration fordert von Einwanderern jeden Alters nach einer angemessenen Zeit die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift, die Achtung und gelebte Bejahung unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie den Verdienst des eigenen Lebensunterhalts.
      Assimilation als weitestgehende Form der Integration ist zwar anzustreben, aber nicht erzwingbar.
      Jeder Einwanderer hat eine unabdingbare Bringschuld, sich zu integrieren; er muss sich seiner neuen Heimat anpassen, nicht umgekehrt. Eine fortgesetzte Zuwanderung von Menschen mit denkbar schlechten Integrationsaussichten verschärft die bestehenden Probleme und ist daher unverantwortlich. Gute Integrationsaussichten müssen für eine Einreise mit der Absicht eines dauerhaften Aufenthalts künftig Bedingung sein. Der Daueraufenthalt setzt gelungene Integration voraus. Wer sich der Integration verweigert, muss sanktioniert werden und letztendlich auch sein Aufenthaltsrecht verlieren können.

      Und damit man mal sieht, wie unfassbar links die CDU doch heute ist, ein Zitat aus deren aktuellem „Flugblatt für Integration“: Grundlage unserer Politik ist „Fördern und Fordern“. Wer bei uns lebt, muss sich integrieren. Wir fördern die zu uns kommenden Menschen. Gleichzeitig fordern wir von ihnen eigene Anstrengungen. Wer dazu nicht bereit ist und sich der Integration verweigert, muss mit harten Konsequenzen rechnen.

      Und zum Thema Silvesternacht 2015/16: Man muss nicht rechts sein, noch rechts werden, um die Übergriffe auf der Kölner Domplatte abstoßend und falsch zu finden. Aber fernab der Realität muss man dann schon irgendwie sein, wenn man ernsthaft behaupten möchte, dass sich dort plötzlich alle Feindbilder und Projektionen, die die Rechte geschürt hat, auf bestürzende Weise bestätigten. Die Wahrheit über die Notgeilen und Übergriffigen sieht nämlich so aus: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/giffey-praesentiert-alarmierende-zahlen-ueber-gewalt-in-partnerschaften-16503300.html

      Zitat: Eine Auswertung der Gewalttaten nach Staatsangehörigkeit macht deutlich, was Fachleute schon lange wissen: Gewalt in Beziehungen hat nichts mit der Herkunft zu tun. Natürlich gebe es Zuwanderung auch von Männern, deren Frauenbild nichts mit Gleichbehandlung und gewaltfreier Erziehung und Beziehung zu tun habe, so die Ministerin. Der Statistik zufolge sind hierzulande jedoch vor allem Deutsche Täter und Opfer von Beziehungsgewalt, der Abstand zu den folgenden Gruppen – Türken, Polen, Syrer, Rumänen und Italiener – ist groß. Die Gewalt ziehe sich quer durch alle Schichten und habe weder mit dem Einkommen noch mit der Bildung zu tun, sagte Söchting.

      • Florian Florian

        Na, dann nehmen wir halt einen längeren Zeitraum. Und weitere Themen.
        – Mindestlohn
        -Frauenquote
        -Ehe für Alle
        – Atomausstieg
        – Wehrpflicht

        Da ist “strammen” Konservativen ganz schön viel zugemutet worden. Da sind sicher selbst innerhalb der CDU Rechnungen offen. Wie sonst kommt ein Friedrich Merz ohne jedes Amt und Mandat auf 40% bei der Vorstandswahl?

        Und was die Silvesternacht angeht: was ist an dem, was ich schreibe, bitte “fern der Realität”?? Diese Übergriffe sind im öffentlichen Raum passiert. Und sie waren keine Beziehungstaten. Da verrutscht was im Sicherheitsgefühl. Erzähl mal einer Frau, die da angegrabscht / ausgeraubt wurde, dass ihre Befürchtungen “fernab der Realität “ seinen. Diese Erfahrung ist auch nicht dadurch zu enttraumatisieren, dass es zeitgleich die ganzen Beziehungstaten gibt. Wenn Frauen mir sagen, dass sie sich im öffentlichen Raum nicht sicher fühlen, habe ich das als Staat verdammt ernst zu nehmen.

        • Peter Peter

          @Florian
          „Na, dann nehmen wir halt einen längeren Zeitraum. Und weitere Themen.
          – Mindestlohn….“

          Ich stimme Dir grundsätzlich zu. Finde aber auch, dass hier eine falsche Denke bei vermeintlich stramm Konservativen vorliegt. Es gibt nun mal einen gesellschaftlichen Wandel, der ist unbestreitbar. Der ist nicht per se gut – aber auch nicht per se schlecht. Es gibt vernünftige Gründe für eine „Ehe für alle“. Und es gibt im Prinzip keine vernünftigen Gründe dagegen. „Das macht man nicht“ oder „Das haben wir noch nie so gemacht“ sind eben rein emotionale Themen, die mit Prägung zu tun haben. Oder das Thema „Vergewaltigung in der Ehe“ – ich halte es nach wie vor für skandalös, dass bei der Abstimmung darüber, ob diese strafbar sein sollte, nicht wenige Abgeordnete der Union gegen einen Strafe gestimmt haben. Von daher: ja, stramme Konservative empfinden manches als Zumutung, aber dafür gibt es oft wenige bis keine rationale Gründe.

          Zu Silvester sagst Du: „Da verrutscht was im Sicherheitsgefühl.“
          Ganz wichtiger Punkt: im SicherheitsGEFÜHL. Die AfD macht gerne Stimmung auf Basis dieser Gefühle. Dass aufm Münchner Oktoberfest auch ohne Ende gegrabscht wird, wird ausgeblendet. Es gibt genug Gegenden, in denen sich Frauen nicht sicher fühlen – und zwar nicht erst seit der Silvesternacht in Köln. Von daher halte ich es zum einen für wichtig, diese ganzen Themen einzuordnen in den Gesamtzusammenhang. Da soll der Staat auch was gegen tun – aber bitte nicht aktionistische Feigenblattaktionen, um die Rechten zu beruhigen.

          • Cato Cato

            @Peter
            >Es gibt vernünftige Gründe für eine “Ehe für alle”. Und es gibt im Prinzip keine vernünftigen Gründe dagegen. “Das macht man nicht” oder “Das haben wir noch nie so gemacht” sind eben rein emotionale Themen, die mit Prägung zu tun haben.

            Natürlich gibt es vernünftige Argumente dagegen. Aber nicht diese Strohmann Argumente.
            Dagegen spricht, dass dann „alles“ Ehe sein kann.

          • Florian Florian

            Nein, dann kann natürlich nicht “alles” Ehe sein. Es geht immer noch um Einvernehmlichkeit und damit um mündige, erwachsene Menschen.

            Und selbst WENN da eine Art schiefe Ebene entstehen sollte: Warum müssen das dann ausgerechnet die Homosexuellen ausbaden? Warum muss genau DA die (angeblich Notwendige) Grenze installiert werden?

          • Peter Peter

            @Cato
            Ist schon lustig, wenn einer anderen Strohmannargumente unterstellt und dann selbst welche verwendet. Der Begriff „Ehe für alle“ bezog sich natürlich NICHT darauf, dass Beispiels ein Mann seinen Hund heiraten kann. Oder eine Minderjährige.
            Das ist eigentlich allen Leuten klar gewesen, die sich mit dem Thema halbwegs ernsthaft auseinander gesetzt haben. Vor allem und in erster Linie ging es darum, dass auch Schwule und Lesben heiraten und sich nicht nur verpartnern können. Denn es gab und gibt keinen vernünftigen Grund, warum die nicht auch heiraten dürfen sollten. Im säkularen Rahmen überhaupt nicht. Und aus frommer Sicht betrachtet auch nur, wenn man die Bibel auf eine bestimmte Weise versteht – die aber vor allem prägungsbedingt ist.

    • Ina Ina

      Hallo Florian und Peter,

      die Idee, die CDU sei zu weit nach links gerückt und habe DESHALB auf der rechten Seite ein Vakuum für „stramme Konservative“ gelassen, in das dann Radikale stoßen, ist so alt wie die CDU – und hat noch nie gestimmt. Sie wurde allerdings schon immer von Rechten propagiert (NPD, DVU, Reps) und von vielen Linken aufgegriffen. Erstere wollten sich dadurch legitimieren, letzteren hat es das Feindbild „Konservative“ bestätigt.

      Hier eine historische Aufarbeitung:
      https://www.faz.net/aktuell/politik/die-gegenwart/frank-boesch-abrenzen-eingrenzen-15455687.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

      Und der Versuch einer historisch informierten Begriffsbestimmung von „konservativ“:
      https://essay-faz.podigee.io/65-neue-episode

      Daher glaube ich, dass Ihr „die Konservativen“ falsch einschätzt oder zumindest zu wenig differenziert. Liane hat das ja schön erklärt mit den verschiedenen Flügeln im konservativen Bereich. Dass da auch in der bundesrepublikanischen Geschichte manche am rechten Rand „eingehegt“ wurden, stimmt zwar schon, aber – wie die beiden FAZ-Artikel oben zeigen – nur punktuell. Sozusagen die Meuthens. Die Höckes waren noch nie kompatibel.

      Die Wählerwanderungen zeigen außerdem auch ganz klar, dass nicht nur von der CDU Leute zur AfD abgewandert sind. Und parallel dazu entwickelte sich die Gruppe der Nichtwähler, die kürzlich der Forsa-Chef analysiert hat: die sind auch frustriert, radikalisieren sich aber nicht (jedenfalls nicht die, die nicht zu AfD gegangen sind, sondern nach wie vor nicht wählen).

      In meinem Heimatdorf, das ich regelmäßig besuche, gibt es inzwischen eine recht breite Akzeptanz von Positionen, die vor 30 Jahren noch undenkbar waren. „Konservativ“ meint nämlich immer auch die Neuinterpretation von Traditionen, auf die man sich beruft (ich kenne mich da aus, ich komme aus einer Familie mit mehreren CDU-Kommunalpolitikern, von denen einer schon in den 80ern mit den Grünen heimlich paktierte und eine andere ihr komplettes Haus ökologisch umgestellt hat und stark innovative Landwirtschaftspolitik vertritt, denn „wertekonservativ“ gibt es auch in grün, das sagt inhaltlich erstmal nicht viel… 😉 ).

      Es sind ja nicht Themen wie Alleinverdienerfamilie, Atomkraft, Bundeswehr AN SICH, die einen Konservativen konservativ machen, sondern bestimmte Prinzipien, die dahinterstehen (und die Liane schön erklärt hat). Aus diesen Prinzipien können dann auch historisch veränderte „Umsetzungen“ resultieren (sich z.B. ein offenerer Familienbegriff etablieren).

      Dass Merz bei vielen CDU-Mitgliedern so große Unterstützung hat, liegt m.E. daran, dass er politische Baustellen klar anspricht, die in den letzten Jahren der „alternativlosen“ Groko-Politik unter den Tisch gefallen oder hinter den Groko-Phrasen verschwunden sind:
      ökonomische, ordnungs- und geopolitische Fragen (Weltmarktpositionierung, Geldmarktpolitik, Staatsverständnis, strategische Allianzen), die zu den „konservativen Kernthemen“ gehören und uns – so die Befürchtung dieser CDU-Leute – noch schneller um die Ohren fliegen könnten als das Klima.
      Alles keine AfD-Themen.

      Einen gewissen Prozentsatz an wirklich nationalistischen und autoritaristischen Rechten gibt es wahrscheinlich immer in der Gesellschaft. Um den Aufstieg der AfD zu erklären, kommen dann jedoch sicher mehrere Faktoren zusammen, die als Katalysator wirkten. Die meisten „monokausalen“ Erklärungsansätze überzeugen mich nicht. Die fehlende Opposition und das Marketing-Sprech der Groko scheint mir aber ein wichtiger Faktor zu sein (was aber nicht automatisch dazu führt, dass Menschen sich radikalisieren, wie die Gruppe der Nichtwähler zeigt.)

      Was das für nach rechts rückende Christen bedeutet, weiß ich nicht, da ich nicht aus frommen Kreisen stamme. Ich habe mich allerdings ein bisschen mit der jüngeren Geschichte der amerikanischen Evangelikalen und ihrem Trumpismus beschäftigt, bin jedoch noch unschlüssig, inwieweit man das auf Deutschland übertragen kann. Eine Parallele könnte sein, dass es mir – von außen betrachtet – um einen „Kulturkampf“ zu gehen scheint, der nur oberflächlich mit Religion zu tun hat. Aber ich bin ja auch ne Liberale. 😀

      Viele Grüße
      Ina

      P.S. @ Liane

      Vielen Dank für Deine Erklärungen zu „rechter“ Theologie! Das war mir alles nicht klar, weil ich nicht aus dem frommen Milieu stamme, d.h. sämtliche Anknüpfungspunkte von Rechten an das Christentum überhaupt nicht kannte!
      Meine CDU-Herkunftsfamilie ist sehr konservativ, aber genau DESHALB liberal-christlich. Völlig anderes Modell… Und ein weiterer Hinweis, dass man die Rechten in Politik und Religion nicht konservativ nennen sollte.

    • Cato Cato

      @Florian, ein sehr berechtigter Kommentar! Natürlich ist es so, dass die CDU nach links gerückt ist. Das lässt sich sehr einfach belegen, wenn man Reden und Programm von z.B. 2002 mit 2016 vergleicht.
      Grüße
      Cato

      • Mathias Mathias

        oder einfach die gesellschaftliche Realität, die sich stark gewandelt hatte, ausgedrückt.
        Odr würden heute die Politiker, die damals für die Vergewaltigung in der Ehe stimmten, das heute noch genauso tun?
        Die stramm konservativen haben auch nur eine Flügel, abr nicht die komplette CDU repräsentiert.
        Denen fällt es natürlich schwer, diese Wandlungsprozesse zu akzeptieren.

        Ist ungefähr so wie bei deutschen und englischen Lobpreis Liedern.

  5. ZWEITENS hat mir eine ernsthaftere Auseinandersetzung mit der linken Perspektive (das wäre jetzt meine) gefehlt.

    Die Forderung „wir müssen die AfD inhaltlich stellen“ statt sie nur „auszugrenzen“, hat erst mal was für sich: ist ja immer noch Demokratie hier.

    Mir fehlen hier aber noch die Antworten auf zwei sehr berechtigte Einwände, die von den angeblich „hysterischen“ Linken durchaus begründet ins Feld geführt werden.

    a) eine inhaltliche Auseinandersetzung setzt voraus, dass beide Seiten sich überhaupt inhaltlich artikulieren wollen. Und nicht wie Alice Weidel einfach beleidigt aus der Sendung rennen oder andere Gäste beschimpfen. Oder wie Jens Maier mit rassistischen Ausdrücken um sich werfen. Oder wie Markus Frohnmaier offen zur Selbstjustiz aufrufen. Oder wie Beatrix von Storch Verschwörungstheorien spinnen („Merkel setzt sich nach Südamerika ab“). Oder es wie Gauland als beleidigend empfinden, wenn sie Fragen zu Digitalisierung und Rente beantworten müssen, obwohl sie dazu keine Antworten haben. Und so weiter.

    Man kann eben nicht über alles sinnvoll reden.

    b) Was ist mit der Verschiebung des Diskursraums? André Poggenburg hat tatsächlich andere Menschen als „Geschwüre am deutschen Volkskörper“ bezeichnet. Das ist Nazi-Jargon. Je öfter wir sowas in Talkshows, auf Bühnen oder im Bundestag wiederholen, desto normaler wird das. Wollen wir das wirklich? Das muss sich doch jeder überlegen, der eine Diskussion veranstalten will. Weil er dafür, dass sein Raum für diese Verschiebung genutzt wird, ein Stück weit mit verantwortlich ist.

    Natürlich kann das auch nicht dazu führen, Mandatsträger einfach zu übergehen. Wir bewegen uns hier immer in Dunkelgrau-Bereichen. Aber man kann eben auch nicht unschuldig „einfach mal reden“. Ob Menschenrechte (Asylrecht) für Alle gelten, ist keine Frage, die man in unserem Staat so oder so sehen kann. Und ob wir in einer „Merkel-Diktatur“ (Gauland) leben, auch nicht. Gut, dass wir drüber geredet haben? Nein, eben nicht!

    • Ina Ina

      Die Verschiebung des Diskurses ist ein Problem, ja.

      Aber eine inhaltliche Auseinandersetzung ist nicht daran gebunden, dass AfD-Politiker das auch wollen. Man kann ihr Parteiprogramm ja auch ohne ihr Mitwirken sachlich zerlegen.

      „Diskurs“ setzt nicht zwingend voraus, dass alle Diskursteilnehmer anwesend sind oder sich „sinnvoll“ artikulieren. Wir sind im post-bildungsbürgerlichen Zeitalter. Das lernen amerikanische Journalisten auch gerade und reagieren umso strenger mit „facts“. Man braucht halt gute Nerven…

      • Okay, d’accord

        Aber was Liane vorschlägt, ist durchaus an persönliche Anwesenheit / Ansprache gebunden, richtet sich gegen „Ausgrenzung“ etc.

        Und in der Frage müssen wir, denke ich, zugeben, dass wir keine Lösung haben.

        Fakten wären auch meine Antwort. Das Zeitalter der Alternative Facts ist halt leider dadurch gekennzeichnet, dass Menschen in so verschiedenen Wirklichkeiten leben, dass sie sich kaum noch auf hereinfallen Fakten beziehen können – oder auch nur wollen.

        Wer an die große Verschwörung glaubt, beantwortet jeden Hinweis auf Fakten mit dem Hinweis, dass die zitierte Quelle (wirklich oder angeblich) irgend einer dunklen Interessengruppe angehört.

        Das wirft uns zum Problem 1 zurück.. Wollen beide Seiten überhaupt politisch ernsthaft diskutieren? Und was verstehen Sie jeweils überhaupt darunter?

        • Florian Florian

          „Gemeinsame“ Fakten sind gemeint

          ?

          Wahrscheinlich liegt das gesamte politische Problem auch nur an dieser besch…euerten Autokorrektur ?

        • Ina Ina

          Ich habe Liane so verstanden, dass sie die Menschen meint, mit denen man persönlich auch zu tun hat. In der Gemeinde z.B. Da weiß ich keine Antwort drauf, weil ich das aus meinen eigenen gemeindlichen Zusammenhängen nicht direkt kenne und eine solche Gemeinde umgehend verlassen würde.

          Ich habe allerdings ein paar Erfahrungen mit Leuten in meinem nicht-christlichen Umfeld und sogar zwei AfD-Wählern sehr lange zugehört, versucht mit ihnen zu diskutieren. Beide waren (noch?) nicht „völkisch“ radikalisiert, aber bei bestimmten Punkten nicht zugänglich. Der eine in punkto Vorurteile gegen Nicht-Europäer, der andere bezüglich total irrationaler Verschwörungstheorien. Letzteren sehe ich leider regelmäßig und diskutiere nicht mehr mit ihm, mache aber klar, dass ich seine Theorien Unsinn finde. Punkt. Anderes Thema bitte.

          Im Prinzip muss man eine Strategie fahren, die eine amerikanische Journalistin kürzlich vorgeschlagen hat (in den USA ist die Lage ja so polarisiert, dass ganze Familienfeste eskalieren):
          Fragen, warum jemand etwas glaubt und von welchen Argumenten er sich überzeugen lassen würde, nochmal nachzudenken. Und wenn es dann keine Chance zur Verständigung gibt, es eben bleiben zu lassen.

          Auf der öffentlich-politischen Bühne sieht es nochmal anders aus. Wenn man sich das historisch anschaut (für die BRD, aber auch manche Wahlkämpfe in den USA), MUSS man eine klare Abgrenzung vornehmen und die Wähler nicht immer in Schutz nehmen, sondern deutlich sagen „Ihr wählt damit Radikale, die unseren Rechtsstaat zerstören wollen.“ Allerdings möglichst nüchtern, nicht moralisch-empört.
          GLEICHZEITIG müssen Sachthemen angesprochen werden, die die Menschen umtreiben, und zwar klar, nicht so nebulöses Groko-Geschwätz. Und nicht aus einer paternalistischen Haltung heraus, das treibt die Leute nur wieder in Anti-Eliten-Phantasien.

          Und die ganze Zeit muss man sich leider bewusst sein, dass man nicht alle AfD-Wähler wieder einhegen kann. Es gibt, befürchte ich, tatsächlich so etwas wie eine Lust am Zerstören… Und wenn bei jemandem aus Protest schon eine Wut-Spirale geworden ist, wird man ihn wohl nicht mehr erreichen.

  6. MATTHIAS MATTHIAS

    So schätze ich Ralf’s Kommentar nicht ein!

    Deine Hinweise auf die problematischen Antifa-Aktionen sind m.E. absolut richtig.

    Erschreckend ist für mich, daß sich Teile der zukünftigen wissenschaftlichen Elite auch für eine im Grunde genommen gute Sache so emotional manipulieren lassen.

    Irgendwo hab ich mal gelesen:

    ‚Das Gegenteil von Gut ist gar nicht Böse, sondern: gut gemeint‘ ….

    • Ralf Ralf

      @Florian schrieb:
      „Sehr interessanter Aspekt, Ralf.
      Ich wusste das bisher nicht.
      Aber ist diese Lucke-Lesart nicht auch zumindest sehr wohlwollend? Ich habe diese Verteidigung merkwürdigerweise noch kein einziges Mal von ihm gehört…“

      2013 und 2014 habe ich häufiger Interviews mit Herrn Lucke gehört und angesehen. Schon damals fiel mir auf, dass er extrem schnell, inhaltlich verdichtet und ohne die üblichen Politiker-Phrasen spricht. Es sprudelten Begriffe aus ihm heraus, die seine Interviewpartner manchmal nicht einordnen konnten. Rückfragen konnte er dann seinerseits nicht einordnen. In dem zitierten Zeitungsartikel kann man das sogar nachlesen. Lucke kam in dem Interview der Begriff Bodensatz nicht wertend vor. „Er müsse einmal in Ruhe darüber nachdenken“, sagt er sinngemäß, als der Journalist ihn mit der in der umgangssprachlichen Bedeutung von „Bodensatz“ konfrontiert.

      Zu wohlwollend? Hm. Es ist üblich bei Hossa-Talk, die Dinge von allen Seiten zu betrachten und bewusst Perspektivwechsel vorzunehmen, um überhaupt Neues zu entdecken und nicht die üblichen Vorurteile zu reproduzieren. Wie gesagt, emotional verbindet mich mit Herrn Lucke nichts. Möglicherweise habe ich nur andere Facetten an ihm wahrgenommen.

      Ein paar Quellen weitere Quellen zum „sich selbst ein Bild machen“ 🙂
      Artikel in pro – Christliches Medienmagazin: „Lucke macht „Kampfansage an AfD“
      Der Gründer der Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke, hat vor der Partei gewarnt. Er hält die Unterstützung für nicht mit seinem christlichen Glauben vereinbar. Die AfD sei „deutschnational, migrations- und islamfeindlich“.
      https://www.pro-medienmagazin.de/politik/2019/04/15/lucke-macht-kampfansage-an-afd/

      Tipp: Interview mit Garbor Steingart – Die feindliche Übernahme der AfD
      Partei-Gründer Bernd Lucke erzählt, wie die AfD ihm entglitt (vom 22.05.2019)
      https://www.gaborsteingart.com/podcast/https-dasmorningbriefing-podigee-io-203-neue-episode/?wp-nocache=true

      Besonders empfehlenswert (!) zur Einschätzung der heutigen AfD, ein langes Interview vom 08.08.2019 mit dem Politikwissenschaftler Claus Leggewie. (ab 04:19)
      https://www.gaborsteingart.com/der-podcast/page/20/
      (Direkter Link https://gaborsteingart.com/?podcast=261 , wenn man sich kostenlos für den Newsletter einträgt.)

  7. ein Mensch ein Mensch

    Da macht sich Lucke das natürlich einfach. Solange es für ihn lief, die Wahlergebnisse nach oben gingen, hat er doch alles genommen was zusätzliche Prozente brachte. Erst als ihm dann die Führung entglitt, wurde ihm das dann plötzlich unheimlich.. Sagt der Langenwie auch selber im Podcast. Damit ist er kein völkischer Nationalist, aber dieses markt radikale ist mir ziemlich fern.
    ich sehe dazu aber auch schon eine gewisse Grundlage mit der Ausf´grenzung de „Südländer“ aus dem Euro dann bist du relativ schnell bei Flüchlingen und das war vor dem Sommer 2015.
    Hoffe, das zumindest viele eher konservativ denkende Menschen erkennen, dass die Afd keine christliche Alternative ist.

  8. Mitchmax Mitchmax

    Ein sehr spannender und aufschlussreicher Talk. Danke an Liane Bednarz, vor allem für die umfangreichen Hintergrundinformationen und das Zusammenfügen der Puzzlestückchen.

    Die Gemeinsamkeiten, Parallelen und Wechselwirkungen zwischen Neurechten und Evangelikalen werden im Talk finde ich auch sehr gut herausgearbeitet.

    Dies deckt sich im Wesentlichen mit meinen eigenen Erlebnissen in meiner Ex-Gemeinde (FeG). In dieser Gemeinde wurde von Seiten der Ältesten und der Gemeindeleitung zuletzt mehr oder weniger unverblümt für die AfD und ihr nahestehende Organisationen geworben. Es fing an mit Aufrufen in der KiGo-Gruppe und sonstigen Netzwerken der Gemeinde zur Teilnahme an der Demo für Alle und ähnlichen Protestveranstaltungen (gegen Abtreibung, gegen Sexualkundeunterricht, gegen die Ehe für Alle etc.). Dann bekam ich mit, dass die älteren Geschwister in der Gemeinde von Gemeindeältesten ganz gezielt angesprochen und richtiggehend gedrängelt wurden, bei der nächsten Wahl ihr Kreuzchen bei der AfD zu machen. Dies sei ja schließlich die einzige Partei, die für Christen noch wählbar sei. Nach dem Motto: Das ist der Wille Gottes, nun gehet hin und handelt, wie euch befohlen wurde.

    Für viele Evangelikale scheint der Antrieb, die AfD zu wählen, aus meiner Sicht von einer tief sitzenden Angst vor der immer weiter fortschreitenden Säkularisierung und Individualisierung der Gesellschaft her zu rühren. Man will unbedingt das Ruder der Gesellschaft auf dem rechten Kurs behalten, insbesondere was die Erhaltung von Institutionen wie Ehe und Familie betrifft, notfalls sogar mittels Zwang von außen. Alle Knie sollen sich beugen, wie es so schön im Bibeltext heißt. So verdichten sich evangelikale Endzeitgewaltphantasien im Sog neurechter Politik.

    • „Dann bekam ich mit, dass die älteren Geschwister in der Gemeinde von Gemeindeältesten ganz gezielt angesprochen und richtiggehend gedrängelt wurden, bei der nächsten Wahl ihr Kreuzchen bei der AfD zu machen. Dies sei ja schließlich die einzige Partei, die für Christen noch wählbar sei. Nach dem Motto: Das ist der Wille Gottes, nun gehet hin und handelt, wie euch befohlen wurde.“

      Dazu fällt mir nur ein:
      WHAAAAAAAT THE F****************CK!!!!!!

  9. Patrick Rabe Patrick Rabe

    Meine Güte. Was für ein erfolgreicher Talk.

    „Das Herz schlägt links, denn rechts, da stinkt’s!“, wusste schon mein Vater. Ob man ihn als Kulturprostestanten bezeichnen kann/konnte, weiß ich nicht. Jedenfalls hat er seine Perlen nicht vor die Säue geschmissen. Mit Liane Bednarz eint mich auf jeden Fall meine freiwillige Konfirmation und die Tatsache, dass ich mir meinen Konfirmationsspruch selber ausgesucht habe. (Komisch, ich ging damals davon aus, dass das alle gemacht haben. Wir kriegten so ’nen Zettel, da standen die drauf.)Ich habe mir völlig stranger Weise als einziger Konfirmand ever in der über 40-jährigen Amtszeit des damaligen Pastors den Spruch „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen.“ausgesucht. Mein Pastor wusste das noch 20 Jahre später.

    Genau deswegen kann ich auch heute noch Freimaurer von Freibriefen unterscheiden.

    In diesem Sinne

    Auf, Genossen. Esst Cabernossi, gebt sie nicht dem Ossi.

  10. Cato Cato

    In dem Talk geht es immer wieder um Rechte und Neurechte. Es wird als selbstverständlich angenommen, dass dies etwas böses ist. Links ist dagegen unproblematisch.
    Ich sehe das anders: Zum einen kann ich mit dem Begriff rechts und neurechts nicht viel anfangen, weil ich gar nicht weiß, was das genau sein soll.
    Zum anderen denke ich, dass Extremismus das Problem ist, also Rechsextremismus genauso wie Linksextremismus.

    • der Daniel der Daniel

      @Cato: Der Begriff der „Neurechten“ geht auf eine Selbstbezeichnung junger, rechter Aktivisten, der 1964 gegründeten NPD zurück, um auf die in Westdeutschland aufkommende Studentenbewegung, die, wie du sicher weißt, komplett und absolut linksversifft war, Antwort geben und sich gleichzeitig von den Nationalsozialisten und der sogenannten „alten Rechten“ abgrenzen zu können.

      Vielleicht ist dir ja Josef Bachmann ein Begriff? Das war der fehlgeleitete junge Mann, der 1968 mit dem Ausruf „Du dreckiges Kommunistenschwein“ den Studentenführer Rudi Dutschke niederschoss und dann 1970 in seiner Gefängniszelle suizid begang. Wie 2009 bekannt wurde, war Bachmann wohl Teil einer Neurechten Vereinigung, der sogenannten Braunschweiger Gruppe, die in den 70er Jahren zahlreiche Bombenanschläge verübte und maßgeblich von dem geschichtsrevisionistischen Gedankengut der neu entstandenen NPD beeinflusst war.

      Womit wir beim Thema „InfoWars“ wären, das dir als Leser von „der Achse des Guten“, oder „Tichys Einblick“ ja vielleicht nicht völlig unbekannt sein dürfte? Während diese Erzeugnisse der journalistischen Daueralarmierung den Menschen jedoch noch vergleichsweise behutsam ins Gehirn scheißen, zeichnen sich Neurechte Gruppierungen vorallem dadurch aus, dass sie fleißigst und unermüdlich Narrative in die Welt setzen, die uns den Eindruck vermitteln sollen, dass nicht länger Christus unser Herr alle Macht im Himmel und auf Erden habe, sondern der Satan höchstpersönlich und zu allen Zeiten die Geschicke auf unserem Erdenrund leiten würde.

      Falls du dir hinsichtlich der Neuen Rechten und deren Narrativsetzung noch ein kleines, aber maximal krankes Beispiel anschauen magst, kannst du ja mal hier reingucken: https://www.youtube.com/watch?v=jdvo6PDJBQM

      LG

      • Cato Cato

        Hallo Daniel,
        ok, dann ist Neurechts ja wirklich so schlimm wie Neonazi, oder?
        Wenn dem so ist, dann macht es mich wütend, die Junge Freiheit als Neurechts zu bezeichnen. Ja, ich weiß, der Wikipedia-Artikel stellt sie in die rechte Ecke. Aber kann hier einer echte Belege dafür geben? Ok, eine deutliche Nähe zur AfD ist offensichtlich. Aber das reicht mir nicht als Beleg. In der JU wurde z.B. Höcke scharf kritisiert.
        So schnell mit der Nazikeule zu kommen ist gefährlich! Oder um es mit Broder zu sagen:
        ‚Wenn Leute wie Sarrazin und Lucke, Mendig und de Maizière, ja: auch Meuthen und Höcke, wenn die alle Nazis und Faschisten sind, was waren dann die Nazis, die von 1933 bis 1945 Deutschland regiert und halb Europa verwüstet haben? Das ist die Frage der Fragen, die im Hintergrund wabert. Und die Antwort lautet: Eine ziemlich harmlose Truppe. So wird das Dritte Reich bagatellisiert, tatsächlich zu einem „Vogelschiss“ runtergestuft.‘
        https://www.achgut.com/artikel/wie_die_antifa_die_entnazifizierung_vollendet/P60

        In das kleine Video habe ich reingeschaut und frage mich nun, ober der Tag der Entfesselung schon war oder noch kommt? 😉 (kleiner Scherz)
        Wenn die gefährliche Narrativsetzung über solche Videos befeuert wird, braucht sich wohl niemand Sorgen zu machen. Das Ding ging nicht gerade viral. Nur etwa 2.000 Aufrufer.

        • der Daniel der Daniel

          Hallo Cato,
          meiner Beobachtung nach sind die Grenzen im politisch rechten Spektrum ziemlich fließend. Das heißt, dass man mit Etikettierungen meiner Meinung nach nicht wirklich den Kern des Problems treffen kann. Ob man einen Menschen nun als rechtskonservatv, rechtspopulistisch, neurechts oder Neonazi labelt, bringt uns ja dem inneren Erleben der so bezeichneten Person nicht wirklich näher. Gleichzeitig käme es aber genau darauf an, die Gefühlsregungen dieses Menschen nachvollziehen und verstehen zu lernen, weil dadurch dann auch die Gründe seiner politischen Überzeugungen sichtbar werden dürften.

          Kein Mensch steht ja morgens auf und beschließt fortan dem rechten Gedankengut anzuhängen, sondern da müssen in seiner Biografie ja Prozesse abgelaufen sein, die ihn mit der Zeit haben rechts werden lassen. Ich behaupte nämlich mal frech, dass kein Kind mit rechtspolitischer Einstellung geboren wird.

          Vielmehr könnte es aber sein, dass ein Kind mit verletzten Urvertrauen stark zu fremdeln beginnt und sich allem Neuen und Herausfordernden nur ängstlich zu nähern wagt. Diese verinnerlichte Angst kann dann in der weiteren Entwicklung dazu führen, dass nur Vertrautes und Altbewährtes als Sicherheit vermittelnd erlebt wird und gleichzeitig alles Fremde und Unvertraute als potentielle Bedrohung. Verständlich also, dass solch ein Mensch dann politisch eher auf der konservativen Seite angesiedelt sein dürfte, oder zumindest zu dieser Seite neigt.

          Kommen dann aber noch weitere Ängste hinzu, wie sie ja fleißigst und tagtäglich von zahllosen Rechtspopulisten geschürt werden (Stichwort Überfremdung, Umvolkung, Entfesselung, Börsen Crash, Altersarmut, Terror etc pp), kann dies ein Ohnmachtsgefühl provozieren, das dann den ansich lediglich rechtskonservativ eingestellten Menschen in seiner empfundenen Hilflosigkeit zu immer radikaleren Positionen zu treiben vermag.

          Die Gründe für die zunehmende Drift der Menschen nach rechts sind hier dann meiner persönlichen Meinung nach mit Händen zu greifen. Es ist zuvorderst die Angst! Und es ist das schüren von Ängsten.

          Selbstverständlich ist auch die Linke nicht frei von Panikmache und unangemessenen Alarmismus, jedoch setzt sie sich gleichzeitig doch deutlich engagierter für ein friedliches Miteinander ein, wie ich finde. Das wird zum Beispiel auch dadurch deutlich, dass die Linke, die einzige Partei im Bundestag ist, die die Abschaffung der NATO in ihrem Programm fordert, was ich als Christ unbedingt begrüßen würde!

          Aber das nur nebenbei. Eigentlich will ich darauf hinaus, dass die simple Feststellung, dass ein Mensch rechten oder linken Gedankengut anhängt noch rein gar nichts über seine grundsätzliche Herzenshaltung verrät. Und auf die kommt es letztlich an. Menschenfeinde, das hat uns die Geschichte schmerzhaft gelehrt, lassen sich durchaus auf beiden Seiten finden.

          Jedoch finde ich es ziemlich unerträglich, dass sich innerhalb der christlichen Community immer häufiger Brüder und Schwestern an der allgemeinen Angstmacherei beteiligen, anstatt die Angst der Menschen vermöge der uns innewohnenden Liebe zu beruhigen, wie eine Mutter ihr verängstigtes Kind beruhigen würde. Sie würde nämlich nicht noch immer mehr und immer weitere Befürchtungen und Bedrohungen prophezeien, sondern ihr Kind in den Arm nehmen, es streicheln und seine Tränen trocknen.

          Die Frage ist also wie sich die Angst der Menschen überlieben ließe, damit in deren Herzen Raum geschaffen werden kann für exakt das friedliche Miteinander, das Leute wie Höcke oder Meuthen beständig zu torpedieren versuchen, weil sie wissen, dass nur die Angst und die Unzufriedenheit der Menschen sie an die Macht bringen kann. Weshalb du die für eine harmlose Truppe hältst, will sich mir deshalb beim besten Willen nicht erschließen.

          Die AFD ist nämlich genau die Partei, die in ihrem Machtstreben dazu bereit ist jedwede gesellschaftliche Solidarität zu zerstören. Trennen und spalten ist deren Handwerk, nicht lieben und versöhnen, wie es uns geboten ist!

          Und was das kleine Video betrifft: das habe ich beispielhaft nicht deshalb ausgewählt, weil es soviele Menschen gesehen haben, sondern um zu verdeutlichen welches Gedankengut sich da in der Christenheit Bahn bricht. Die Aufnahme stammt übrigens von einer Konferenz der Organisation Pax Europa und glaube mir bitte, die erreichen deutlich mehr als 2000 Menschen.

          LG

          • Cato Cato

            Hallo Daniel,
            ich glaube, es wäre jetzt schon mal wichtig, was wir unter „rechts“ verstehen. Ich glaube, da haben du und ich ganz unterschiedliche Vorstellungen.
            Es kommt mir immer so vor, als ob hier ausländerfeindlich, rassistisch, sexistisch, homophob und islamophob gemeint ist.
            Stimmt das so in etwa?
            Mich würde mal interessieren, ob Liane Bednarz das auch so sieht. In ihrem Buch habe ich bisher keine Beschreibung dazu gefunden.
            Vielleicht sollten wir auch auf diese Begriffe verzichten, oder vorher beschreiben, was wir meinen.
            Wobei auch Kampfbegriffe wie homophob und islamophob ebenso erläutert werden müssten.
            Grüße, Cato

  11. Cato Cato

    Hallo Florian,
    weiter oben wird der „Antworten“ Button nicht mehr angeboten. Ich hoffe, du findest meine Antwort auch hier unten.

    >Wer definiert eigentlich, was “Mainstream-Medien” sind? Immer die, die “draußen” sind. Das ist eine genauso erfolgreiche Wortschöpfung wie “Schulmedizin”.

    Dem stimme ich nicht zu. Ja, wir haben den Begriff hier nicht definiert. Aber ich denke, in der Definition kommen folgende Eigenschaften vor:
    – Relativ hohe Reichweite, z.B. > 300.000 Leser / Woche
    – Relativ großes Verlagshaus, z.B. mehr als 100 festangestellte Mitarbeiter

    Könntest du dich auf so eine Definition einigen? Das hätte dann nichts mehr mit drinnen und draußen zu tun, sondern wäre objektiv.

    >Mit diesem Move geht der Diskurs die bequeme Abkürzung. Ich kann was beliebig wildes behaupten. Dass bisher alle das Gegenteil sagen, sprich plötzlich latent für mich. Denn die anderen sind ja “Mainstram” (weil anders als ich) und dadurch irgendwie anrüchig.

    Ja, das wäre eine bequeme Abkürzung, auf die aber nur dumme Menschen hereinfallen. Die Argumentationskraft davon ist ja äußerst gering.

    >Um auf Deine Frage zu kommen: Doch, ich lese bei der Achse des Guten oder bei Tichy ab und an rein.
    Glaube ich dir. Ich finde, das merkt man deinen klugen und differenzierten Kommentaren auch an.

    >Ich sehe dort vor allem eine Textsorte: Kommentare.
    >Keine Reportagen. Keine Features. Keine Berichte.
    Mag sein. Ich kenne auch nur deren Online Auftritte.
    Bei der Jungen Freiheit gibt es das alles.
    Die JF wurde in dieser Folge ja einfach als Neurechts diffamiert, ohne diesen Begriff zu erläutern.
    Was soll das eigentlich sein? Hört sich irgendwie an wie Neonazi. (Neu -> Neo, rechts -> Nazi).
    Vermutlich ist das nicht gemeint, aber was ist dann gemeint?

    >Nur eine Menge ziemlich wütender Leute (ok, v a weißer Männer ü45), die ihren Senf dazu gibt.

    Ok, jetzt kommen mir doch Zweifel, dass du achgut liest. Ist dir z.B. Anabel Schunke entgangen?
    http://www.anabelschunke.com/

    Grüße
    Cato

    • Katja Katja

      @Cato
      Mit dieser Aussage über die „bequeme Abkürzung“ tust du genau das, was du mir unterstellt hast: dich deinen konservativ-rechts denkenden Mitchristen als intellektuell überlegen darstellen. Denn die Argumentationsweise, wie Florian sie skizziert hat, ist genau diejenige, der AfD, Pegida und die nach rechts driftenden Frommen folgen: Wir sind der kleine Haufen, der die Wahrheit hat bzw. die wahren Zusammenhänge der Welt durchschaut, aber die Mehrheit, der Mainstream, ist verblendet, irregeleitet… (wie auch immer man das nennen mag) und folgt blind den großen Medien, die ihnen Fake News auftischen. Wir hingegen bieten ihnen auf unseren Portalen die Wahrheit an. Und an der Tatsache, dass uns so viel Kritik entgegenschlägt, sieht man mal, wie Recht wir haben.
      Und seit der Begriff „Gender-Mainstreaming“ so unfassbar falsch interpretiert wurde und zum Feindbild wurde, bedient die Bezeichnung „Mainstream-Medien“ auch dieses negative Gefühl und signalisiert: Obacht, davon muss man sich fernhalten, dass ist genau so eine Verschwörung im Gange, die unser aller Freiheit unterwandern möchte!

    • Katja Katja

      P.S.: Für christliche Ohren impliziert der Begriff „Mainstream“ übrigens das große Schreckgespenst des „Zeitgeistes“ oder auch „der Welt“, dem/der man sich auf keinen Fall unterwerfen/anpassen darf.

      • Cato Cato

        Hallo Katja,
        für mich ist das jetzt recht theoretisch. Mir ist niemand in meinem Umfeld bekannt, dem es als Argument ausreichen würde, dass es Anti-Mainstream ist. Das ist sowas von flach.
        Die Menschen sind nun mal unterschiedlich begabt. Manche sind sportlich oder weniger sportlich, schön oder weniger schön, musikalisch oder weniger musikalisch, klug. oder weniger klug.
        Den Linken gefällt das nicht, wie mir scheint. Sie haben lieber das alle gleich sind. Das zeigt sich z.B. in so Ansätzen, dass es keine Gewinner geben soll und auch auf Noten möglichst verzichtet werden sollte.
        Würde mich ja mal interessieren, was das für Leute in deinem Umfeld sind, die nach rechts abdriften. Schreiben die Kommentare wie „Nur noch AfD!!!!!1!“ ?
        Grüße
        Cato

        • Katja Katja

          Nur kurz: Der Gedanke, dass alle Menschen gleich viel wert sind und die gleiche Würde haben, stammt aus der Bibel. Und nicht von den Linken.
          Was das für Leute in meinem Umfeld sind, kannst du in meinen Kommentaren der letzten Tage an Daniel nachlesen, in denen ich sie und ihre Positionen charakterisiert habe.

          • Florian Florian

            Ein bisschen off topic, aber das interessiert mich jetzt.

            Dass alle Menschen gleichen Wert und gleiche Würde haben, stammt aus der Bibel? (Hintergrund der Frage: bin mir nicht sicher, ob das nicht auch ein Stück weit Wunschdenken ist… )

            Aus welchen Bibeltexten würdest Du das so herauslesen?

            Wo wird da ein Begriff von Würde (zumindest ein ähnlicher) entwickelt?

            Und wo wäre in etwa der historische Prozess zu sehen, der von der Bibel, sagen wir, zur Erklärung der Menschenrechte führt?

          • Katja Katja

            Hey Florian,
            ich finde das nicht off-topic – immerhin reden wir hier über politisches Gedankengut, das massiv mit der Abwertung anderer Menschen und Ansichten arbeitet!
            Meine biblischen Grundlagen für diese Annahme sind zum Beispiel Folgende (ganz grob):
            – die Gottesebenbildlichkeit, die (für die Zeit, in der der Text entstanden ist, ziemlich revolutionär!) erstens ALLEN Menschen zugesprochen wird (und nicht nur den Kaisern, Königen, Pharaonen) und zweitens sowohl männlichen als auch (!!) weiblichen Menschen
            – die Rede davon, dass Gott den Menschen „wenig niedriger“ gemacht hat als sich selbst (Ps. 8,6) – und zwar den Menschen in seiner Gesamtheit, den „adám“, sozusagen die „Gattung Mensch“, und nicht nur bestimmte Personen oder Personengruppen
            – die Tatsache, dass es im Volk Israel seit jeher für Randgruppen und Personen, die in der damaligen Zeit üblicherweise keinen Wert hatten, bereits Bestimmungen/Gesetze gab, die sie in irgend einer Form aufwerteten (die sie überhaupt beachteten), zB Witwen, Waisen, Frauen, Sklaven, Fremde.
            – Die Aufwertung von Frauen im AT: Sie konnten Richterinnen sein, Ehefrauen sollten nicht als Sklavinnen behandelt werden und druften nicht verkauft werden, Kinder sollten auf die „Lehre ihrer Mutter“ genauso achten wie auf die ihres Vaters (Spr. 1,8) etc.
            – im NT dann noch stärker: die Aufwertung von Kindern, die damals eigentlich nichts wert waren, und von Frauen (als Jüngerinnen, als einzige, die Jesus bis in den Tod treu blieben, als erste Zeugninnen der Auferstehung, als Anstoß für die Ausweitung des Heils auf Personen außerhalb des Volkes Israel etc.)
            – Die Aussagen, Gott habe „die Welt“ so sehr geliebt, dass er seinen Sohn sandte und Gott habe „die Welt“ mit sich versöhnt, zeigen mir, dass alles, was in dieser Welt ist (und damit spreche ich auch Tieren und Pflanzen eine Würde zu 😉 ) so wertvoll ist, dass er sich selbst hingibt, um Verlorenes wieder zu gewinnen. Ebenso auch die Gleichnisse Jesu, in denen er beschreibt, wie Gott Einzelnen nachgeht.
            Auch wenn uns heute vieles in der Bibel rückständig erscheint, was Menschenrechte und die Gleichheit von Menschen angeht, finden sich doch, wenn man sich mal in den historisch-kulturellen Kontext hineinversetzt, etliche Entwicklungsschritte und Anstöße für eine Entwicklung hin zur Gleichheit und der ein oder andere revolutionäre Gedanke. Sicher hätte Gott das auch alles in einem Aufwasch machen können, mit der Gleichheit, aber vielleicht hätten das die Menschen damals nicht verkraftet 😉 und die jüdische Religion und später das Christentum wären so absurd und anstößig gewesen, dass sie keine Strahlkraft gehabt hätten.
            Im Zusammenhang mit der Würde/Ebenbildlichkeit finde ich die word studys des bible projects zu den Themenbereichen „Sünde“ und „Gerechtigkeit“ ziemlich gut:
            https://www.youtube.com/watch?v=aNOZ7ocLD74, https://www.youtube.com/watch?v=cq-r9FFN5ew, https://www.youtube.com/watch?v=w1zkwkI9oAw, https://www.youtube.com/watch?v=A14THPoc4-4

          • Super Liste. Danke, Katja.
            Jay

        • Katja Katja

          Noch ein paar Ergänzungen: In Genesis finden wir den Gedanken der Gottesebenbildlichkeit für alle Menschen. Paulus geht dann sogar soweit, zu sagen, dass in Christus alle Unterschiede zwischen Nationalitäten, sozialen Schichten und Geschlechtern aufgehoben sind (Gal 3,28) und es sozusagen einen „Einheitsbrei“ in Jesus Christus gibt. Linker gehts nicht, oder?
          Es besteht schon ein gewaltiger Unterschied, ob man die Menschen in ihren individuellen Begabungen und Interessen wahrnimmt und fördert (meines Wissens ein großes Anliegen der Sozis und Linken) oder ob man sagt: Alle müssen denselben Standard erfüllen, der vorher von irgendwem definiert wurde – egal, ob sie dafür begabt sind oder nicht – und einer ist halt der Gewinner.
          Was empfindest du denn konkret an der Abschaffung von Schulnoten und an dem Anliegen, Konkurrenzdruck zu verringern, als bedrohlich und unchristlich?

  12. Cato Cato

    Hallo Peter,
    du siehst heute journal & co offenbar ziemlich unkritisch. Wie erklärst du dir dann, dass uns seit dem Brexit Votum erzählt wurde, die Briten wollten den Brexit gar nicht, sie wären nur uninformiert gewesen und belogen worden? Nun gibt’s die absolute Mehrheit für die Konservativen, die mit „Get Brexit Done“ Wahlkampf gemacht haben.
    Ich kann mir´s schon denken, was die Antwort ist. Ich brauche ja nur den heute Kommentar „Clown oder Außenseiter“ von Peter Frey zu hören. Die Schwachheit des politischen Gegners (Corbyn) war Schuld.
    Mir gefällt die Demontage des heute journals von Rechtsanwalt Steinhöfel richtig gut.
    https://youtu.be/uzAnxXr5Qe8
    Grüße, Cato

    • Peter Peter

      @Cato:
      Es ist Fakt, dass die Briten über die Auswirkungen des Brexit belogen wurden. Die Desinformationskampagne im Vorfeld der Wahl war enorm. Dazu brauche ich noch nicht mal das heute journal (das ich eh selten schaue), sondern kann mich selbst über alle möglichen Kanäle informieren um das herauszufinden. Und ja: sie waren uninformiert und sind es offenbar noch. Ich kenne ein paar Briten persönlich. Die, die den Brexit wollen, sehen ihre Nation als das alte britische Empire, das die Welt beherrscht. Und dass sie dann natürlich auch großartige Handelsverträge hinbekommen. Man braucht wenig Kenntnis von Märkten, um zu wissen, dass die komplette EU aufgrund ihrer schieren Größe deutlich mehr Marktmacht hat und damit auch deutlich bessere Konditionen aushandeln kann, als ein einzelnes Land. Die Empire-Zeiten sind lange vorbei.

      Es ist knapp die Hälfte der Wähler beim Brexit-Votum gewesen, die raus wollten. Die andere Hälfte wollte nicht raus. Und was die Nichtwähler wollten, wissen wir nicht.

      Die angeblich absolute Mehrheit, die Boris Johnson gewählt hat, ist natürlich keine absolute Mehrheit. Vielleicht wird das in den alternativen Medien nicht berichtet, aber in den „Mainstream-Medien“ konnte man das gut und schnell nachvollziehen, dass vor allem das Wahlsystem in Großbritannien eine Ursache für das Ergebnis ist. Durch das Mehrheitswahlrecht haben die Konservativen mehr als 50% der Sitze gewonnen – obwohl nur ca. 43% der Wähler die Konservativen gewählt hat. Alle anderen Parteien waren entweder gegen den Brexit (Liberaldemokraten, SNP) oder wollten ein weiteres Referendum (Labour). Heißt im Umkehrschluss: mehr als 50% der Menschen haben eben NICHT für die Partei gestimmt, die den Brexit endlich über die Bühne bekommen will.

      Ein weiterer Punkt, den ich mehrfach gehört habe: viele Engländer sind der Meinung, dass man das Referendum respektieren müssen und man daher den Brexit endlich hinter sich bringen solle. Daher haben wohl auch Menschen für die Tories gestimmt, die das sonst nicht machen. Und ja, Corbyn als miserabler Kandidat spielt da auch eine Rolle (aber das ist nur ein Thema von vielen, die andern habe ich genannt).
      Fairplay scheint also gerade bei links stehenden Engländern ein wichtiges Thema zu sein. Was ich mittlerweile fast problematisch finde, weil Typen wie Johnson gerade nicht fair spielen. Er hat mehrfach gelogen, er hat versucht, das Parlament kalt zu stellen, und und und.

  13. Hallo Katja,

    danke für Deine ausführliche Antwort.

    Grundsätzlich lese ich die Bibel hier auch so wie Du. Darum nimm es vielleicht nicht als Kritik, sondern eher als Ergänzung, wenn ich jetzt mal die Gegenmeinung vertrete.

    Ich sage es mal so: Natürlich können wir bestimmte Elemente von Menschenrechten, die wir von heute aus gesehen schon mitbringen, in bestimmten Ansätzen auch in der Bibel „entdecken“. Das heißt aber m. E. eher, dass wir etwas in den Text hineintragen / hineinlesen. Es ist nicht so, dass wir hier eine ausdrückliche Formulierung und Begründung von Menschenrechten finden.

    Zum einen: Die Fürsprache für Benachteiligte (Frauen, Arme, „Fremdlinge“ etc.) formuliert natürlich ein soziales Anliegen, aber noch keinen konkreten Maßstab einklagbarer Rechte. Das wäre aber schon das, was man sich heute unter Menschenrechten vorstellt (Freiheit der Lebensgestaltung, Gewissens- und Meinungsfreiheit etc.)

    Zum anderen: Die Gottesebenbildlichkeit klingt zwar nach Würde, ich lese im Schöpfungsbericht und im Psalm 8 aber relativ wenig ethische Konsequenzen, die aus diesem Gedanken tatsächlich gezogen werden können. Höchstens, dass Menschen über anderen Lebewesen, z. B. Tieren stehen (was in der Gegenwart eher ethische Probleme verursacht)

    Zudem ist es m. E. sowieso schwer bis unmöglich, allgemeine Rechte aus religiösen Texte zu begründen.

    Es ist ja kein Zufall, dass das Regime der Kirchen jahrhundertelang gerade nicht zur Etablierung der Menschenrechte führte. Die kam erst mit der Aufklärung, in Europa mit der frz. Revolution – einem in dieser Hinsicht durchaus religionskritischen Projekt. Dass Religiöse hier eine wichtige Rolle gespielt haben, kann (!) zwar sein. Nach meinem derzeitigen Kenntnisstand ist die Begründung und v. a. (ansatzweise) Durchsetzung der Menschenrechte in erster Linie von Säkularen getragen worden.

    Und das ist vermutlich kein reiner Zufall.

    Die Bibelstelle, die mir noch am ehesten passend erscheint, wäre das Endgericht nach Mt. 25: „Was Ihr einem dieser Geringsten nicht getan habt, habt ihr auch mir nicht getan.“ Das kann man zumindest so lesen, dass bestimmte Pflichten gegenüber allen Menschen bestehen, einfach deswegen, weil sie Menschen sind – und insofern sind sie gerade ohne Ansehen der (einzelnen) Person und treffen auf den „Geringsten“ im selben Maß zu wie auf Jesus selbst. Das wäre (auch wenn die spezifisch ethische Begründung hier noch fehlt) schon ziemlich nah an Kant dran.

    Ist aber nur so ein Gedanke.

    • Kurze Frage hierzu, Florian:

      Zum einen: Die Fürsprache für Benachteiligte (Frauen, Arme, “Fremdlinge” etc.) formuliert natürlich ein soziales Anliegen, aber noch keinen konkreten Maßstab einklagbarer Rechte. Das wäre aber schon das, was man sich heute unter Menschenrechten vorstellt (Freiheit der Lebensgestaltung, Gewissens- und Meinungsfreiheit etc.)

      Im Alten Testament handelt es sich hier ja gerade um Gesetzestexte eines Volkes. Auch wenn das noch nicht moralisch-philosophisch begründet ist, wie man es sich dann in der Aufklärung (richtiger Weise) zur Aufgabe gemacht hat, wurden diese Texte ja als göttliche Gebote geschrieben und verstanden. Von daher besteht da doch der Sachverhalt der Einklagbarkeit. Die Begründung ist dann eine religiöse (Gott will es so), was anderes ist in einem rein theokratischen Denkmodell ja auch kaum zu erwarten, aber es macht doch deutlich, dass hier etwas Wichtigkeit gegeben wird, was den umliegenden Völkern anscheinend nicht genauso wichtig war (dort gab es ja solche Gesetzestexte nicht, wenn ich richtig informiert bin). Sprich, auch wenn das sicher noch nicht der Weisheit letzter Schluss war (das werden es unsere Gesetze heute auch nicht sein), kann man doch davon zumindest eine Richtung ableiten, in die der jüdische Glaube und dann später auch der davon inspirierte christliche steuert. Oder?

      LG,
      der Jay

      • Genau. Das würde ich auch nicht bestreiten. Bestimmte Grundideen, die später in den Menschenrechten kodifiziert werden, tauchen in solchen Gesetzestexten schon auf.

        Allein deswegen können wir aber nicht hier schon eine Intention unterstellen, die dann mit der Aufklärung sozusagen eingelöst wird. Es stehen ja auch viele andere (grausigere) Dinge in diesen Gesetzestexten, hinter denen wieder andere Intentionen zu vermuten sind (Patriarchat etc). Es ist im Nachhinein eine Linie sichtbar. Das heißt aber nicht, dass es die schon im Vorhinein gibt und dass sie unweigerlich zum Ergebnis „universelle Menschenrechte“ führt.

        Das bedeutet: Es ist durchaus erfreulich für den Christen, wenn vieles an seinem Glauben zu den Menschenrechten kompatibel ist, wenn dort parallele (oder sogar gleiche) Ideen auftreten. Das ist aber etwas völlig anderes als zu behaupten, das Christentum habe die Menschenrechte erst begründet / ermöglicht / hervorgebracht.

        Genau diese zweite, viel stärkere (und voraussetzungsreichere) Behauptung wird aber sehr gerne von Christen formuliert als etwas, das nun für ihren eigenen Glauben sprechen soll. Und alles, was ich sagen will, ist, dass man diese These sowohl ethisch, als auch historisch höchstens in Ansätzen einlösen kann.

        Um den Bogen zur Folge zu schlagen: Deswegen ist es auch so absurd, den Glauben als nationalen Identitätsmarker („Abendland in Christenhand“) einzusetzen. Die tatsächlichen Errungenschaften, die wir heute wie selbstverständlich genießen, setzen eher eine Loslösung von bestimmten Glaubensbekenntnissen voraus.

        Die Universalität der Menschenrechte gebietet es sogar, diesen Rahmen zu überschreiten. So im von mir zitierten Gleichnis: „den geringsten unter meinen Brüdern“ – das ist ein ganz universeller Anspruch von Allen an Alle. Einer ähnlichen Logik folgt ja auch der bekannte Koranvers (ich zitiere sinngemäß): „Wer einen Menschen rettet, der rettet die ganze Welt“. Hier scheint genau deswegen eine universelle Wertidee durch, weil die Formulierung selbst gerade keine Anbindung an ein bestimmtes Bekenntnis erfordert.

        • Hallo Florian,
          wie immer sauber argumentiert. 🙂

          Wäre der Missionsbefehl ein Ansatz eines ersten Versuches bestimmte Werten aus christlicher Perspektive universale Bedeutung zu verschaffen? Also der Auftrag, die ganze Erde zu Jüngern zu machen und sie das einzuhalten lehren, was Jesus wichtig war, wäre doch der Übertrag aufs Universelle, oder? Zwar immer noch im altestamentlichen Duktus (weil Gott es so will – also noch ohne Formulierung nachvollziehbarer, allgemeiner Begründungen), aber bei Jesus ist ja eine deutlichere Richtung sichtbar als im AT (Feindesliebe, Kinderschutz, Frauenrechte, Kritik an der Todesstrafe, sozialer Ausgleich etc).

          LG,
          der Jay

          • Hmm das wäre zumindest eine sehr „mutige“Auslegung des Missionsbefehls ?.

            Gefällt mir ?

        • der Daniel der Daniel

          Hallo Florian,

          zunächst einmal hast du völlig Recht. Die Menschenrechte mussten historisch betrachtet gegen den Widerstand der Kirche errungen werden, was zuvorderst daran lag, dass die Menschenrechte Religions- und Meinungsfreiheit garantieren wollten und die Kirche in ihrem Machtstreben und -bewusstsein von einer endgültig offenbarten Wahrheit, vermittelt durch sie selbst, ausging, was für den damaligen Klerus sowohl mit der Religions- als auch der Meinungsfreiheit unvereinbar war. Die hatten also gar kein Problem mit der Würde des Menschen, die sich eben durchaus, ganz so wie Katja das ganz toll hergeleitet hat, in der Bibel finden lässt, sondern die hatten (berechtigte) Angst an Einfluss und Macht zu verlieren. Wie? Religionsfreiheit? Wo kommen wir denn da hin?Und jeder darf seine Meinung frei äußern? Gott bewahre!

          So ein Koloss wie die Kirche gibt seine Privilegien und Vormachtsstellungen nun einmal nicht gerne kampflos auf und deshalb konnten die das damals nicht freudig mittragen. Aber die Zeiten ändern sich und selbst die Kirche, wenn sie denn muss- und sie musste. Ja, sie muss auch heute noch….

          Gleichzeitig möchte ich aber bitte freundlich darauf aufmerksam machen, dass die Menschenrechte, so toll und wichtig und richtig und begrüßenswert sie auch sein mögen, als geradezu eklatant defizitär bezeichnet werden müssen, stellt man sie Christus gegenüber.

          Du hast als Mensch, laut Artikel 11 der Menschenrechtscharta, grundsätzlich das Recht auf einen fairen Prozess, solltest du einer Straftat beschuldigt werden. Du hast auch als unschuldig zu gelten, bis deine Schuld in diesem Prozess festgestellt wurde, aber du wirst keine Vergebung erlangen, sollte dir deine Schuld nachgewiesen werden. Dann gilt der Buchstabe des Gesetzes und du wirst verknackt. „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun“, ist dann nicht. Und wenn du es ganz doll getrieben hättest, Amerikaner wärst und die Todesstrafe auf dich warten würde, würdest du ganz sicher nicht im Augenblick der Vollstreckung die Worte hören: Wahrlich ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein. Eher ein „Verrecke“ aus dem Nebenraum, in dem sich ein ausgewähltes Publikum an deiner Todesangst ergötzt, während sie dir den Giftcocktail in die Vene spritzen. Jaja, die Menschenrechte – da haben wir es ja echt zu was gebracht!

          • Hi Daniel,

            diese Art der „Vergebung“ wäre auch, wenn sie eine komplette Aussetzung der Strafe bedeuten würde, im höchsten Maße UNGERECHT. Wenn die Gesellschaft nicht straft, zeigt sie, dass sie ihre Rechtsgüter und damit v.a. auch die Schwachen unter ihnen nicht schützt.

            Ich bin sehr froh darum, dass Schwerverbrecher nicht einfach mit einem „vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ freigesprochen werden. In so einer Gesellschaft würde sich niemand sicher fühlen und da würden ganz sicher auch keine Menschenrechte beschützt.

            Das Beispiel zeigt einmal mehr, dass die Sühnetheologie, wenn sie eine Analogie zur staatlichen Strafe darstellen will, in einigen Punkten höchst (!) problematisch ist.

    • Katja Katja

      Hallo Florian,
      ich kann mich da Jay anschließen.
      Welchen stark ethisch-normativen Charakter auch die Ebenbildlichkeit hat, zeigt das biblische Begriffsverständnis von Sünde und Gerechtigkeit (wie das in den Word Studys mE gut deutlich wird).
      Jesus bekräftigt das noch einmal, indem er formuliert, dass das „liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ neben dem Sch’ma Israel das höchste Gebot ist, in dem das ganze Gesetz und die Propheten zusammengefasst sind. Und natürlich ist Mt25 auch eine zentrale Stelle.
      Zu dem Vorwurf, man würde etwas in den Text hineinlesen: genau das tut man ja gerade NICHT, wenn man aus dem Text etwas ent-deckt!! (da sagt schon das Verb entdecken aus, dass man vom Text als Grundlage ausgeht und ihm etwas entnimmt, statt etwas an ihn heranzutragen oder hineinzulesen).
      Meine Theorie, weshalb sich die Kirche jahrhundertelang nicht an das höchste ethische Prinzip gehalten hat, ist, dass Macht- und Profitgier beim Menschen eben eine größere Triebfeder sind als die Achtung der Würde anderer. Das war im Volk Israel so (sonst hätte es ja nicht immer wieder Propheten gebraucht, die das Volk daran erinnern, was Gott eigentlich möchte, und auch Jesus nicht), in den frühen christlichen Gemeinden und das ist heute nicht anders. Aus meiner Sicht ist ist das das Hauptmerkmal einer Welt, die eben noch nicht vollständig erlöst ist.

      • Hallo Katja,

        da haben wir wohl gleichzeitig geschrieben – s. meine Antwort an Jay oben.

        Zur Hermeneutik: Ich wäre mit dem Begriff ent-decken etwas vorsichtiger. Dass ausgerechnet wir nach 2.000 Jahren Kirchengeschichte plötzlich glasklar sehen, was Alle vor uns aus Macht- und Profitgier übersehen haben (sorry, ich überzeichne jetzt etwas), müsste uns doch selbst irgendwie verdächtig vorkommen.

        Meine Antwort wäre hier, dass Texte eben nicht eine feststehende Bedeutung haben, die wir einfach nur freilegen müssen. Die Bedeutung eines Textes freizulegen ist nicht dasselbe wie, sagen wir, eine Ruine im Boden auszugraben. Bei der Interpretation bringen wir immer unhintergehbar unsere eigenen Perspektiven und unseren eigenen Erfahrungshorizont mit. Und erst danach entsteht Bedeutung.

        Zur Gottesebenbildlichkeit: Ich weiß nicht genau, auf welche Word Studys Du Dich beziehst. Hört sich auf jeden Fall interessant an! Meine Frage wäre da: Welche universelle Vorstellung von Gerechtigkeit wird denn (wie und wo) aus der Gottesebenbildlichkeit hergeleitet?

        • Katja Katja

          Ich meinte die word studys, die ich im Kommentar an dich gestern verlinkt hatte (ganz unten am Ende meiner Liste)

        • Katja Katja

          Hallo Florian,
          ich glaube nicht, dass wir die ersten in der Kirchengeschichte sind, die etwas entdecken, was andere übersehen haben. Ich glaube, es hat zu allen Zeiten in der Kirchengeschichte Menschen gegeben, die das gesehen haben. Wie es auch in der Geschichte des Volkes Israel immer wieder Menschen gegeben hat (Propheten), die das gesehen haben und sich zu Wort gemeldet haben. Aber wirklich besser geworden ist dadurch ja auf Dauer nicht viel. Siehe dazu auch das Gleichnis Jesu von den bösen Weingärtnern in Mt 21,33-46 (und die Reaktion der Pharisäer!).
          Zu deiner Anmerkung an Jay bzgl des Patriarchats: Das ist ja kein göttliches Gesetz, sondern wird eindeutig als (negative) Konsequenz aus dem Sündenfall beschrieben.
          Zu dem Verhältnis von Text und Interpreten: Ja, jeder Leser bringt etwas mit, eine Brille, durch die er den Text sieht. Deshalb finde ich es so besonders wichtig, dass wir lernen, uns in die Menschen hineinzuversetzen, die die biblischen Texte verfasst, als erste gehört haben oder als Hauptadressaten gedacht waren. Da sieht dann vieles anders aus als aus unserer Sicht heute.
          Zu der Frage, wie wir mit „grausamen“ Stellen umgehen: Zum einen glaube ich, dass vieles von dem, was aus unserer heutigen Sicht im AT grausam ist, nicht so grausam war wie das, was in anderen Völkern so getrieben wurde (also auch hier sehe ich eine Entwicklung). Zum anderen gehe ich nach dem Prinzip, dass Jesus die Mitte und der Auslegungsschlüssel der Schrift ist, d.h. dass ich diese Stellen daraufhin prüfe, ob sie mit dem Charakter Jesu, in dem sich Gott offenbart hat, übereinstimmen. Es gibt eine interessante Stelle in Lk9, 51-55. Jesus wird von Samaritanern keine Gastfreundschaft gewährt und seine Jünger raten ihm daraufhin, Feuer vom Himmel auf sie fallen zu lassen, wie es Elia (2.Kön.1) mit den Soldaten des Königs gemacht hat (als Zeichen dafür, dass er ein Mann Gottes ist). Wenn man die Elia-Geschichte liest, meint man, es sei Gott gewesen, der das Feuer vom Himmel hat fallen lassen. Jesus entgegnet seinen Jüngern: „Wisst ihr nicht, wessen Geistes Kinder ihr seid? Der Menschensohn ist nicht gekommen, um Menschenleben zu vernichten, sondern um sie zu retten.“ Ich finde seine Reaktion erstaunlich. Offenbar entspricht es nicht Gottes Charakter, Feuer vom Himmel fallen zu lassen, um Menschen zu verderben… Vielleicht war Jesus also nicht der Meinung, dass Gott (der ja immer derselbe ist) damals hat Feuer vom Himmel fallen lassen? Vielleicht ermöglicht uns diese Haltung Jesu, auch an anderen Stellen mit Blick auf Jesus zu fragen: War das wirklich Gott, der da gesprochen oder gehandelt hat – oder waren es die Menschen, die dieses Ereignis, Handeln oder Reden Gott zugeschrieben haben?
          Ein schönes Beispiel dafür, dass sich die Bibel selbst manchmal nicht so ganz sicher ist, ob nun Gott wirkt oder jemand anderes, ist die Schilderung der Veranlassung Davids zu einer (als Sünde bewerteten) Volkszählung einmal im 2.Samuelbuch (2.Sam 24,1f.) und einmal in 1.Chron.21. Im Samuelbuch wird berichtet, Gott habe David dazu verführt, im Chronikbuch (das später, nach dem Babylonischen Exil verfasst wurde) steht, es sei der Satan gewesen. Was ist nun richtig? In der ersten Vorstellung ist Gott auch die Quelle des Bösen, in der zweiten gibt es neben Jahwe eine zweite Instanz, die Böses will. Hat sich Gott also verändert? War Gott vorher schizophren und hat dann das Böse in der Gestalt Satans von sich abgespalten? Oder kann man sagen: Das Gottesbild derer, die diese Geschichte erzählen und deuten, hat sich verändert. So könnte man also beim Lesen der biblischen Geschichten fragen: Wird hier Gottes Wirken/Reden dokumentiert oder eine Interpretation dessen, was passiert ist? Und wenn wir Jesus als Maßstab haben, der ein für allemal offenbart hat, wie Gott ist, dann können wir diesen Maßstab an die Texte anlegen. Aus diesem Grund halte ich zB die historische Jesusforschung für wichtig, weil es für unseren Glauben zentral ist, zu wissen, wie Jesus war und was er genau gesagt hat (wobei man auch immer mal betonen sollte, dass die Bibel ein Buch ist, dass wesentlich besser überliefert ist als andere antike Schriften, wie zB Caesars Bellum Gallicum, die wir so generell für „bare Münze“ nehmen)

  14. @Cato

    Ich wundere mich immer etwas, worin diese angebliche Staatsnähe bestehen soll. Folgende Politikfelder stehen mindestens im Wochentakt in der Kritik der angeblichen Systempresse:

    – Pflege
    -Rente
    – Bildungsgerechtigkeit
    – Klima
    – Digitalisierung / Strukturwandel
    – Ausrüstung der Bundeswehr
    – Verteidigungspolitik: Verhalten in der Nato / gegenüber Erdogan
    – Nordstream 2
    – Vorratsdatenspeicherung
    – Polizeiaufgabengesetz
    – Schwarze Null

    Die Flüchtlingspolitik ist so ziemlich das EINZIGE Feld, wo die „Mainstream Medien“ (mehr dazu später) halbwegs auf Regierungskurs sind.

    Dass sie das jetzt schon als „Staatsfunk“ qualifizieren soll, sagt doch ziemlich viel über den engen politischen Horizont der Leute, die mit solchen Assoziationen um sich werfen.

    Jetzt zum Begriff Mainstream: Du hattest eine rein deskriptive / quantitative Definition vorgeschlagen. Mit der man die betreffenden Medien (ŐRR, überregionale Tages- und Wochenzeitungen) tatsächlich gut abdeckt.

    Genau das meint der Begriff „Mainstream“ aber NICHT. Er suggeriert, dass alle im gleichen Strom schwimmen bzw einen bestimmten Sog erzeugen. Was nur geht, wenn man die allermeisten Politikfelder einfach weglässt und tut, als wäre das eigene Steckenpferd jetzt das Feld, auf dass es „wirklich ankommt“.

    Darum kann man den Begriff gar nicht durch eine wertfreien ersetzen. Es kommt ihm ja gerade auf die (unterschwellige) Bewertung an.

    Ich würde ihn daher entweder ganz weglassen oder sehr vorsichtig und sehr genau sagen, wer mit wem von wo nach wo einen „Stream“ bildet.

    • Cato Cato

      Hallo Florian,

      ich lenke ein. Der Begriff Mainstream Medien ist wohl nicht hilfreich in der Diskussion. Ich werde zukünftig darauf verzichten.
      Was ich aber weiterhin kritisieren werde ist den öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR). Mit Zwangsbeiträgen kassieren die etwa 8 Mrd. EUR im Jahr!

      Täglich, egal ob in den Nachrichtensendungen, den Talkshows oder den Fernsehkrimis, wird Stimmung gegen alles gemacht, was sich außerhalb des politisch korrekten Meinungskorridors bewegt. Sie pushen ihre linkes Weltbild und prägen damit die Gesellschaft sehr stark. Sie hetzen gegen Trump und die AfD, so dass diese zu Feindbildern wurden – und jeder der mit ihnen sympathisiert ebenso!

      Von dem geleakten Framing-Manual hast du gehört, oder? Trump und AfD werden nur negativ geframed. Der ÖRR selbst wird nur positiv geframed.

      Grüße, Cato

      • Katja Katja

        Ein Grund, weshalb es so viele negative Nachrichten über Trump und die AfD gibt, ist, dass sie beide nicht mit dem d’accord gehen, was ich als Prinzipien unter „gesunder Menschenverstand“ zusammengefasst habe und weil es viele Medien gibt, die sich diesen Prinzipien des gesunden Menschenverstandes ebenfalls verpflichtet fühlen…

      • Sorry, das ist mir echt zu pauschal.

        Auf der anderen Seite haben dieselben Medien mit ihren Talkshows und reißerischen Titelseiten („Bedrohung Islam“, Terror- und Überfremdungsängste etc.) ja erst die Bühne geschaffen, auf der eine AfD sich überhaupt ausbreiten konnte. Eine ominöse Bedrohungslage voller Gewaltverbrechen und Wohnungseinbrüche wurde herbeigeschrieben, die fernab der empirisch nachweisbaren Realität (PKS) ist. Inzwischen interessiert bei allen Straftätern plötzlich als allererstes die Nationalität – außer wir haben es mit organisierter deutschstämmiger Kriminalität zu tun, wie in Lügdeer, Bergisch-Gladbach etc. Und selbst die linksliberale ZEIT titelt zur Seenotrettung „oder soll man es lassen?“

        Es ist zumindest nicht ausgemacht, wohin sich der Diskurs hier wirklich verschoben hat und wer da wirklich profitiert etc.

        Der ÖRR kriegt „Zwangsbeiträge“ – und dafür kriegen die Bürger ein Programm. Das ist alles im Rundfunkstaatsvertrag geregelt. Genauso wie der Staat auch Zwangsbeiträge einsammelt und davon Straßen, Schulen etc. baut. Der Begriff „Zwang“ alleine bringt uns hier nicht weiter.

        Jetzt zu Trump. Wir haben hier einen Präsidenten vor uns, der offen gegen Minderheiten und Schwächere hetzt. Der sich auf der Bühne über Behinderte lustig macht und mit sexuellen Übergriffen auf Frauen prahlt.

        Und das war nur sein Wahlkampf. Inzwischen haben wir
        – Kleinkinder, die an der Grenze in Käfige gesperrt und von ihren Eltern getrennt werden
        – einen Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen, der den nächsten Generationen und v.a. ärmeren Ländern enorme Lasten und Kosten aufbürden wird
        – eine destabilisierende Syrien-Politik, die weitere Flüchtlinge nach Europa treiben wird.

        Das muss man kritisieren, gerade aus deutscher Perspektive. Daneben kommt Trump hier auch mit denjenigen Anliegen zu Wort, die etwas für sich haben, Stichwort Nordstream 2 oder 2%-Ziel der NATO. Diese Anliegen werden in dt. Medien weder abgewürgt noch abgewertet.

        Jetzt zur AfD. Wir haben hier Leute vor uns, die
        – „eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ wollen (Höcke)
        – „den Schuldkult beenden“ wollen (ders.)
        – den Holocaust einen „Mythos“ nennen, der „das deutsche Volk kriminalisieren“ soll (von Gotterburg)
        – „wieder stolz auf die Wehrmacht sein“ wollen (Gauland)
        – die NS-Zeit für „einen Vogelschiss“ halten (ders.)
        – politische Gegner „in Anatolien entsorgen“ wollen (ders.)
        – Menschen „Krebsgeschwüre am deutschen Volkskörper“ nennen (Poggenburg)
        – mit rassistischen Beschimpfungen wie „Halbneger“ (Maier) oder „Kameltreiber“ (Poggenburg) um sich werfen
        – vor „Mischvölkern“ warnen (Maier)
        – offen zur Selbstjustiz aufrufen (Frohnmaier).

        Ich lese hier offenen Rassismus und Geschichtsrevisionismus. Das sind keine Einzelfälle und keine Missverständnisse. Die AfD ist keine Partei wie jede andere und muss vor diesem Hintergrund auch mit einer besonders kritischen Distanz behandelt werden. Und eine Partei, die im Parteiprogramm sagt, dass eine Million (!!!!) Deutsche „nicht zu Deutschland gehören“, weil sie die falsche Religion haben, kann nicht erwarten, als „eine Meinung unter vielen“ o. ä. repräsentiert zu werden.

        Ob da jeder einzelne Versuch der Medien besonders glücklich ist, darüber kann man streiten (das Höcke-Interview bewerte ich z. B. ähnlich wie Liane). Da haben die meisten Medien vermutlich noch keinen klaren Weg gefunden und ich wüsste aus dem Stegreif auch keinen. Ich denke, dass sowohl die Strategien „keine-Bühne-bieten“, als auch „zuvorkommend-als-konservative-Partei-bezeichnen“ gescheitert sind. Es braucht eine Fall-zu-Fall Entscheidung zwischen kritischem Dialog und Ignorieren. Und ich finde, dass Leute wie z B Dunya Hayali das durchaus schon machen.

  15. R.H. R.H.

    Leider ab heute Ex-Hörer

    Lieber Jay, lieber Gofi,

    grüsse aus Mexiko. Eigebtlich wollte ich gerade neue Folgen checke, denn ich war bis heute freudiger Hörer und auch zT Spender bei HossaTalk.
    Mit eurer neuesten Folge komme ich mir aber als Afd-wähler so von euch vorverurteilt vor, dass ich das Abo jetzt spontan gekündigt hab. Ich fand eure tolerante Haltung immer cool. Das ist js die Freiheit in Jesus.

    Warum redet Ihr von Toleranz gegenüber homosexuellen un6 vielen anderen (was ich gut finde per se), aber seid so intolerant was konservative Wähler angeht?

    Ps. Diese intolerant stösst mich ab (daher die abmeldung) und ich finde es schade weil ich viele folgen (va die vom ex pastor mit dem flow) mega fand. macht’s gut und evtl werdet Ihr ja doch irhendwann mal etwas toleranter was das angeht und verurteilt leute wie mich nicht vor bze gesteht auch und die Freiheit zu.

    vh und blessings
    R.H.

    • Reisende soll man nicht aufhalten. Alles Gute, lieber R.H.

      LG,
      der Jay

      • R. H. R. H.

        Danke, aber wäre schön wenn Du meine Frage kurz beantworten könntest?

        “ Warum redet Ihr von Toleranz gegenüber homosexuellen und vielen anderen (was ich gut finde per se), aber seid so intolerant was konservative Wähler angeht?“

        Weil so seid ihr mE letztlich intolerant.
        Lg

        • Wir sind nicht intolerant,was konservative Wähler angeht. Liane Bednarz ist ja selber eine Konservative. Die AFD verbandelt sich meiner Einschätzung nach aber zu sehr mit völkischem und rechts Außen Denken, um einfach als konservative Partei zu gelten. Im Talk ging es darum das aufzuzeigen und nicht darum AFD Wähler per se zu diskreditieren.
          LG,
          der Jay

    • Peter Peter

      R.H.: Hier haben wir genau ein wesentliches Problem der AfD: sie ist in Teilen ganz weit rechts außen – siehe Höcke oder Kalbitz. Mag sein, dass manche AfD-Mitglieder nur konservativ und nicht rechtsextrem sind – aber sie tolerieren die Rechtsextremen und geben ihnen Macht.
      Und die Wähler machen das Gleiche. Wer die AfD wählt, wählt Rechtsextreme ins Parlament. Menschen, die den Rechtsstaat verachten. Die die freie Presse verachten. Die die Meinungsfreiheit einschränken wollen. Und und und. Gerade WEIL mir sehr viel an Toleranz liegt, bin ich nicht bereit, Rassismus und Diskriminierung zu tolerieren – ganz gleich von wem. Und in der AfD ballt sich das massiv.

      Es ist einigermaßen traurig, dass Menschen wie Du noch nicht mal das Problem sehen…

      • Florian Florian

        Anmerkung:

        Die AfD ist ja teilweise selbst der AfD zu rechts.

        – einzelne Landesverbände haben bereits versucht, die Junge Alternative aufzulösen, da zu rechts
        – Doris von Sayn-Wittgenstein konnte sogar zur Landesvorsitzenden in S-H gewählt werden, obwohl die Parteiführung gleichzeitig ein Parteiausschlussverfahren gegen sie angestrengt hat.
        – gegen Höcke lief auch bereits ein Parteiausschlussverfahren. Grundlage waren u. a. die Veröffentlichungen in einer rechtsextremen Zeitschrift unter dem Pseudonym „Landolf Ladewig“, die Höcke zugeschrieben werden. Die Parteiführung hat sich hier der Beweislage aus der sog. Systempresse angeschlossen.
        – Wolfgang Gedeon, Mitglied im B-W Landtag, ist trotz seiner antisemitischen Äußerungen immer noch Parteimitglied und konnte sogar für den Parteivorsitz kandidieren.

      • Paul Paul

        „Gerade WEIL mir sehr viel an Toleranz liegt, bin ich nicht bereit, Rassismus und Diskriminierung zu tolerieren – ganz gleich von wem.“

        Den Satz habe ich auch schon oft gehört, der nervt mich. Dieser Satz soll meiner Meinung nach rechtfertigen, dass man jetzt Hass hegen darf gegen die, die nun mal nicht tolerant sind.

        „Menschen wie Du“: Auch das hört sich schon komisch an. Und woher willst du wissen, dass diese Leute nicht das Problem sehen. Das ist hochnäsig finde ich.

        • Peter Peter

          Hey Paul,
          da irrst Du. Das hat mit Hass gegen Untolerante nix zu tun. Das hat aber damit zu tun, dass man Menschen nicht widerspruchsfrei gewähren lässt. Wenn im Fußballstadion beispielsweise ein paar Deppen anfangen, schwarze Spieler rassistisch zu beleidigen, dann kann können wir ganz sicher nicht im Namen der Toleranz das einfach so hinnehmen. Da braucht es wirksame Mechanismen, Strafen bis hin zum Ausschluss aus dem Stadion. Von daher: nein, ich werde Rassismus und Diskriminierung gerade nicht tolerieren. Und es hat auch nichts mit fehlender Toleranz zu tun, wenn man das nicht toleriert.

          Würden die Leute das Problem sehen, würden sie anders handeln oder reden. Das ist eine Tatsachenbeschreibung.

    • Paul Paul

      Hmm, geht mir ähnlich, auch wenn ich jetzt nicht aufhöre die Talks zu hören. Viele haben mir sehr geholfen. Ich als Russlanddeutscher habe auch immer die früheren Kommunisten im Kopf, unter denen mein Vater, mein Opa und viele Verwandte im Gefängnis waren. Das verbinde ich mit „links“. Ich bin da sofort vorsichtig. Habe auch viele Bücher von Richard Wurmbrand gelesen, davon finde ich vieles heute nicht mehr gut, aber ich weiß, was Kommunisten machen können. Die Afd habe ich noch nie gewählt, aber die ist mir nicht ganz so unsymphatisch wie einigen anderen Hörern hier.

    • der Daniel der Daniel

      Das ist ja erschreckend was für eine Spalt- und Trennungswirkung dieses AfD-Thema bereits entwickelt hat. Kannst du mir bitte sagen was an diesem Talk dich dazu bewogen hat hier sofort auszusteigen? Ich verstehe das nämlich nicht! Du hast Hossa-Talk wiklich gerne gehört und als bereichernd empfunden und wegen diesem Talk steigst du jetzt aus? Warum denn nur?

  16. Cato Cato

    Hallo Peter,
    >Insofern war das eher bezeichnend für Cato, der – diesem Muster folgend – ebenfalls die NZZ als seriöse Zeitung erwähnt, aber so ziemlich alles andere als unseriös betrachtet.

    Das habe ich nie gemacht. Du verbreitest Lügen.
    Grüße
    Cato

    • Katja Katja

      @Cato: Oh, wow, dann ist dir also nicht bewusst, wie du in allen deinen Kommentaren über die Presse argumentiert hast?

    • Peter Peter

      @Cato: es ist schon einigermaßen absurd, dass Du mir Lügen unterstellst.
      Lies Deine Posts noch mal.

      Zum Beispiel hier:
      „Warum gibt es kaum eine Zeitung, die diese 97% der Wissenschaftler Halbwahrheit genauer betrachtet. Eine richtig gute Zeitung gibt es allerdings doch, die das auch macht: die NZZ.
      Der Medienwissenschaftler Prof. Norbert Bolz sieht bei der Presse allerdings viel im Argen. Natürlich gibt es auch gute Artikel und Journalisten. Aber vieles ist schon sehr bedenklich. „

      • Cato Cato

        Hallo Peter,
        ich kritisiere vor allem den ÖRR der mir zu einseitig und zu staatsnah ist. Von unseriös habe ich nie gesprochen. Die Sachen, die sie berichten, stimmen ja. Das Auslassen und negative Framing der Gegenseite ist das Problem.
        Grüße, Cato

        • Peter Peter

          Das ist aber nur ein Problem für Menschen, die irgendwelchen Verschwörungstheorien anhängen. Mit Verlaub: der Stuss den Du hier ablässt, ist abenteuerlich.

        • Katja Katja

          @Cato
          Da du so für Begriffsklärungen bist 😉
          Kannst du mal ein konkretes Beispiel nennen, was du unter „staatsnah“ verstehst?
          Was wäre denn für dich beispielsweise an der Kritik an Andreas Scheuer und seinem Mautprojekt „staatsnah“?
          Findest du beispielsweise auch Formate wie „Die Anstalt“ oder die „heute show“ staatsnah?

  17. der Daniel der Daniel

    Hallo Cato,

    du hattest gefragt:

    „ich glaube, es wäre jetzt schon mal wichtig, was wir unter “rechts” verstehen. Ich glaube, da haben du und ich ganz unterschiedliche Vorstellungen.
    Es kommt mir immer so vor, als ob hier ausländerfeindlich, rassistisch, sexistisch, homophob und islamophob gemeint ist.
    Stimmt das so in etwa?“

    Also für mich persönlich stimmt das so ganz und gar nicht. Deshalb hatte ich ja bereits versucht zwischen rechtskonservativ, rechtspopulistisch, der neuen Rechten, Neonazis etc. pp zu differenzieren. Mir persönlich geht es so rein gar nicht um „labeling“, sondern um die Herzenshaltung eines Menschen.

    Deshalb darf ein Mensch selbstverständlich rechtskonservative Vorstellungen vertreten und z.B. das Militär und die Wehrpflicht für eine wirklich tolle Sache halten, ohne das ich ihn deshalb sofort einen Nazi schimpfe, aber es lässt sich ja schwerlich übersehen, dass gerade die Bundeswehr für Nazis ein bevorzugter Arbeitgeber zu sein scheint. Und deshalb nannte ich die Grenzen im politisch rechten Lager ja auch fließend.

    Gerade die sogenannte Neue Rechte bedient sich zum Beispiel mit Vorliebe aller Narrative, die konservativen Menschen für gewöhnlich wichtig sind. Sicherheit beispielsweise, oder die Bewahrung von Traditionen, das Festhalten an Altbewährtem, oder auch das kritische Beäugen von allem Fremden/Ungewohnten usw.

    Sie ist dabei aber nicht einfach nur konservativ, sondern will gezielt und ganz bewusst Stimmung machen, um Einfluss auf das Denken und Fühlen der BürgerInnen zu gewinnen und auf diese Weise konservativ eingestellte Menschen weiter nach rechts ziehen zu können.

    Die haben also eine ganz klare Agenda, die der/die „normale“ Rechtskonservative sonst nicht hat. Diese wünschen sich für gewöhnlich nämlich lediglich, dass alles so bleiben möge wie es ist (oder mal war) und er/sie routiniert sein/ihr Leben meistern kann. Störfaktoren sind da eher unerwünscht (es lebe die Wohlfühlzone).

    Und wenn die Damen und Herren Neue Rechte nun aber beständig „Störfeuer“ senden und vermöge der Medien eine noch beständigere Bedrohungslage, mit reichlich an die Wand gemalten Teufeln suggerieren, kann das den ohnehin nach Sicherheit strebenden, braven konservativen Menschen derart verunsichern, dass er wähnt, er müsse unbedingt etwas unternehmen. Und wer bietet sich dann bereitwillig und gerne zur Hilfe an? Die Neuen Rechten!

    Und in dieser Szene sind dann durchaus Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Sexsismus, Homophobie und Islamophobie ein gern diskutiertes Thema, bei dem man jedoch niemals zu vermitteln vergessen darf, dass man mit absoluter Sicherheit (!!!) selbst das Opfer ist! Die Welt wird dann auf einer Seite schwarz und auf der anderen Seite weiß und man selbst zum Alabaster (falls du verstehst was ich meine).

    Kurz, ich meine da eine zunehmende Instrumentalisierung rechtschaffener, liebenswerter, rechtskonservativer Menschen wahrzunehmen, die in beständigen Daueralarm versetzt werden, um sie gerade dort zu treffen, wo sie besonders bedürftig sind: in ihrem Sicherheitsgefühl.

    Ich will sie alle in den Arm nehmen und ihnen sagen: Habt bitte keine Angst!

    LG

    • Sehr gut zusammengefasst. Das unterschreibe ich zu 100%.

      LG,
      der Jay

    • Katja Katja

      @Daniel
      Zu bedenken wäre hier aber auch, ob die Neuen Rechten das aus böswilligem Kalkül heraus machen (Stichwort „Agenda“) oder ob sie einfach selbst so angstgetrieben und verunsichert sind (und auch in den Arm genommen gehören 🙂 ), dass sie gar nicht begreifen, was sie anrichten, weil sie ihr Handeln ja für richtig halten.
      Denn: Wenn es nichts mehr gibt, was einem Sicherheit bietet – dann doch wenigstens das eigene Ego und die eigene Weltwahrnehmung, die können einen bestimmt nicht täuschen! Vielleicht war es Jesus auch deshalb ein Anliegen, uns mitzugeben, dass, wer ihm nachfolgen will, „sich selbst verleugnen“ soll??

      • der Daniel der Daniel

        Hallo Katja,

        ich bin mir absolut sicher das kein Mensch einfach so böse sein möchte und auch die Neuen Rechten ganz sicher nicht. Vielmehr folgen und vertreten sie wie jeder andere persönliche Überzeugungen die sie für vernünftig und geboten halten, da sie diese ja im Laufe der Entwicklung ihres politischen Denkens, aus vielleicht sehr gut nachvollziehbaren Gründen, gewonnen haben.

        Ich habe in einem anderen Kommentar ja bereits kurz versucht zu skizzieren, wie ein Mensch aufgrund seiner (früh)kindlichen Entwicklung und der dort gemachten Erfahrungen (Stichwort verletztes Urvertrauen) aus völlig verständlichen Gründen heraus zu einer konservativen Grundhaltung finden kann. Und da ist selbstverständlich überhaupt nichts böses dran!

        Aber es braucht dann nur noch wenig, vielleicht ein paar unangenehme Begegnungen mit Migranten (Pöbeleien, Provokationen…), oder Ärger mit dem linksgrünversifften Nachbarn, irgendwas, was auch tagtäglich in Daueralarmschleife in den sozialen Netzen voller Empörung verwurstet wird und dann sehnt man sich nach einem Ort, an dem man sich verstanden fühlt und hinsichtlich seiner Überzeugungen und Befürchtungen Bestätigung findet. Und ruckzuck wird man Teil einer Internetcommunity, in der dann die Prozesse ablaufen, die ich bereits in meinem Kommentar an Cato versucht hatte zu skizzieren.

        An all dem ist jedoch überhaupt nichts böses. Das sind keine bösen Menschen. Selbst wenn sie bewusst die Agenda von der Umvolkung und dem messerwetzenden Islam betreiben sollten. Sie tun das nicht, weil sie böse sind, sondern weil sie sich hilflos fühlen, Ängste haben, zahlreichen Befürchtungen unterliegen und ihr Vertrauen in die Politik völlig erschüttert wurde. Sie erleben sich als abgehängt, übergangen, ungerecht behandelt, schlussendlich als Opfer. Sie sind tatsächlich wie kleine Kinder, die unbedingt in den Arm genommen gehören, weil sie in einer Welt des beständigen und immer schnelleren Wandels völlig die Orientierung verloren haben und dies durch Strenge, klare Regeln, Disziplin, Zucht und Ordnung zu kompensieren versuchen.

        Deshalb hat Jesus sie ja auch Verlorene genannt und nicht Böse. Kein Schaf verläuft sich böswillig, es geht durch unglückliche Umstände verloren. Und dann muss man ihm auf der Spur seines Lebens nachgehen und verstehen lernen, wo und wie es sich verlaufen konnte, damit man seine Ängste und Befürchtungen beruhigen und mit der Zeit überlieben kann.

        Dazu wäre es jedoch notwendig, dass es der Stimme des guten Hirten überhaupt einmal Gehör schenken würde und gerade darin liegt das große Problem, weil das arme Schaf sich ja in seiner Not völlig denjenigen anvertraut hat, die es beständig weiter ängstigen, in Daueralarm versetzen und sein Gefühl der Ohnmacht damit nur vergrößern.

        Der Mensch ist ein sehr brüchiges Wesen. Jenseits von Eden kommen wir gar nicht gut zurecht. Deshalb brauchen wir unbedingt Religion. Wir brauchen Rückbindung an eine Liebe, die die Erde auf der wir stehen mit dem Himmel nach dem wir uns sehnen verbindet – bis ins Unendliche hinein und entgegen der zahllosen Widersprüche unserer Existenz. Wir brauchen den guten Hirten….

        LG

        • Katja Katja

          Hallo Daniel,
          ich habe auf deinen Kommentar noch nicht geantwortet. Eigentlich, weil ich das auch so sehe wie du 🙂
          Allerdings frage ich mich immer öfter, ob die Triebkraft der Neuen Rechten tatsächlich nur ängstliche Naivität ist. Wenn ich mitverfolge, wie systematisch und perfide neue Sprachmuster gestreut werden, die Verbrechen der Nazis und ihre menschenverachtende Ideologie verharmlost wird und das alles so durchdacht passiert, wirkt das auf mich schon eher wie ein ausgefuchstes, planmäßiges Vorgehen. Es ist ja mehr als ein „aber die anderen…“ wenn auf die Opfer von kommunistischen und sozialistischen Regimes hingewiesen wird und darauf gepocht wird, dass Linksextremismus genauso ein NoGo ist wie Rechtsextremismus. Da werden bewusst Dinge miteinander in einen Topf geworfen, die grundsätzlich zu unterscheiden sind. So sind ja nicht Menschen in kommunistischen/sozialistischen Staaten Opfer der Ideologie geworden, die die Gleichheit aller Menschen postuliert, sondern Opfer von Machtmenschen, die die kommunistischen/sozialistischen Anliegen sich zu Nutze gemacht haben (und immernoch machen, wie zB in Nordkorea, das ja nur pro forma eine sozialistische Staatsform hat, aber de facto eine Diktatur ist), um anderen wiederum auszubeuten und zu kontrollieren. Anders bei der Nazi-Ideologie. Verstehst du, was ich meine?

          • Ina Ina

            Liebe Katja,

            ich melde mich hierzu mal, weil Du einen Teil unseres öffentlichen Diskurses übernimmst, den ich für gefährlich halte…

            Zuerst mal stimme ich Dir zu, dass die „Führungsebene“ der Neuen Rechten genau weiß, was sie tut. Da sind doch auch Dokumente aufgetaucht, meine ich, in denen steht, welche Strategien sie von der radikalen Linken (seit den 1960ern) übernehmen wollen, um in den Mainstream vordringen zu können. (Weiß gerade nicht mehr, wo ich das her habe…)

            Einen Teil der Anhänger jedoch schätze ich eher als Verführte ein, denen nicht klar ist, worauf es hinauslaufen soll. Oder Protestwähler, die es entweder auch nicht schnallen oder naiv meinen, man könne die Radikalen später wieder loswerden (was schon dem Bürgertum in den 1930ern nicht geglückt ist…). Von daher sehe ich nicht jeden AfD-Wähler automatisch als Rechtsradikalen.

            Wo ich Dir (und anderen hier) NICHT zustimme, ist die Verharmlosung der radikalen Linken und das Kokettieren mit Sozialismus (wo es im übrigen auch langfristige Strategien vom Ostblock gab, den Westen v.a. allem über Medien und Universitäten zu „unterwandern“ – das weiß man von Überläufern wie Juri Besmenow (auf Youtube gibt es englische Interviews mit ihm). Warum schauen denn die Rechten jetzt auf solche Strategien, na? )

            Es ist nicht zwangsläufig rechts, wenn man vor links außen warnt. Allerdings nutzen die Rechten das für ihre Zwecke, und genau hier liegt ein Problem unseres öffentlichen Diskurses: Es gibt Sachverhalte, die wir den Rechten überlassen – und damit treiben wir unter Umständen immer mehr Leute in ihre Arme. Wenn es in Leipzig, Berlin und Hamburg fast rechtsfreie linke Subkulturen gibt, ist das ein genauso großes Problem wie rechtsfreie rechte Räume oder rechtsfreie muslimische Räume (mit rechtsfrei meine ich, dass sich die Polizei nicht mehr reintraut).

            Und es ist auch nicht „alles in einen Topf werfen“, denn Rechtsradikale und Linksradikale haben eines tatsächlich gemeinsam (und SIND deshalb im gleichen Topf): Abschaffung des Individualismus und der Freiheit. Das Kollektiv ist alles. (Sage ich aus meiner Grundhaltung des Liberalismus heraus.)

            Am allerschlimmsten finde ich aber Deine Aussage, dass niemand an der linken Ideologie gestorben sei. – Ernsthaft? Du glaubst das Märchen, dass es immer nur einzelne „Machtmenschen“ waren, die eine „an sich gute Sache“ missbraucht haben? Das behaupten linke Intellektuelle seit den 1960er Jahren WIDER besseren Wissens. Für Leute wie Sartre wäre es wohl zu viel gewesen, ihren Irrtum einzugestehe, wo sie doch so für „die gute Sache“ gekämpft haben…

            Nehmen wir mal den so beliebten Che Guevara: Ihm „wurden … Folter und Ermordung hunderter kubanischer Häftlinge, der Mord an Kleinbauern im Operationsbereich seiner Guerillatruppen sowie später die Freude an der Exekution von Gegnern und die Einrichtung des ersten Arbeitslagers auf Kuba vorgeworfen.“ Für ein Arbeitslager konnte man sich schon qualifizieren, wenn man „mangelnde revolutionäre Moral“ hatte…
            https://de.wikipedia.org/wiki/Che_Guevara#Kritik_insbesondere_an_Menschenrechtsverletzungen

            Und diese Arbeitslager hat man systematisch dann auch in ganz Kuba eingerichtet, da war Guevara kein einzelner „Machtmensch“, sondern „innovativer Vordenker“… Er hat seinen Terror ja dann auch nach Angola und Kongo exportiert, während zuhause auf Kuba der Terror auch ohne ihn funktionierte.

            Aber das kennen wir ja auch von Stalin. Egal wie psychopathisch der gewesen sein mag, es gab systematische Kontrolle der Bevölkerung auch nach seinem Tod.
            @Reverend Mole:
            Von wann stammt denn das Barth-Zitat? Wusste man da schon von den Gulags?

            Die „Kulturrevolution“ in China hat Millionen Menschenleben gekostet, und die mordenden Jugendbanden waren systemisch-systematisch:
            https://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/fuenfzig-jahre-kulturrevolution-chinas-barbarische-jugend-ld.108974

            Erinnern möchte ich auch an die Roten Khmer, die ebenfalls Millionen Menschen massakriert haben. Alles nur die Schuld eines verrückten Pol Pot? Ich habe die Killing Fields in Kambodscha besichtigt, und es hat sich genauso angefühlt wie mein Besuch eines KZ. Leichenberge hier wie dort…
            https://de.wikipedia.org/wiki/Killing_Fields

            Kein normaler Mensch würde behaupten, dass die KZs nur auf das Konto eines einzigen Machtmenschen gehen in einem ansonsten „guten System“! Warum dann die Killing Fields anders einschätzen? Wir wissen doch schon längst, wie Totalitarismus funktioniert.

            Für Kambodscha und China gab es übrigens intellektuelle kommunistische Vordenker. In Paris, da hat auch Pol Pot seine Ideen her. Akademisch-universitäre Ideen zur Deindustrialisierung und Rückkehr zum Bauerntum. In Kambodscha führte das dann dazu, dass man z.B. Brillenträger (Brillen waren Zeichen der „bourgeoisen Dekadenz“) in die Killing Fields deportiert hat. Kollektiver Wahnsinn, nicht einzelne Machtmenschen.

            Die Mutter aller Terrorherrschaften ist natürlich die Französische Revolution:
            „Der Nationalkonvent beschloss am 5. September 1793 die Einführung von Terrormaßnahmen zur Unterdrückung aller „konterrevolutionären“ Aktivitäten. Etwa 21.000 „Überwachungsausschüsse“ wurden gebildet. Das Revolutionstribunal führte als Gerichtshof die Prozesse gegen politische Täter. Gegen seine Urteile war keine Berufung möglich.“
            https://de.wikipedia.org/wiki/Terrorherrschaft
            Nur ein Jahr später (!) waren über 16.000 Menschen geköpft, weitere 25.000 bis 40.000 waren ohne Gerichtsurteil einfach so umgebracht worden oder in Gefängnissen verreckt.

            Seither hat jede linke Revolution ihre Kinder gefressen bzw. diejenigen liquidiert, die den Aufstieg des Systems ermöglicht haben. Und alle Unbeteiligten, die irgendwie nicht ins Bild passten wie Brillenträger. (Bei den Rechten natürlich auch). Alles Zufall und einzelne Machtmenschen?

            Das alles war nicht die Ideologie?! Das ist schlicht und ergreifend nicht wahr. Es ist gerade die Ideologie, die Menschen dahintreibt. In Kombination damit, dass es keinen Rechtsstaat mehr gibt, keine freie Presse und keine Trennung zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Sicherheitsapparat (Gewaltenteilung). Jede Revolution besetzt ja zuerst Rundfunk, Polizei und Militär. Und gibt sie nicht mehr her.

            Und da komme mir bitte niemand mit „demokratischem Sozialismus“, das ist ein Widerspruch in sich. Denn es geht ja nicht um die „Gleichheit aller Menschen“, wie Du meinst, das ist nur die Fassade (und gilt sowieso nicht für die Funktionäre). Das Ziel ist die „Diktatur“ von denjenigen Gruppen, die in der Gesellschaft angeblich nicht repräsentiert sind. Früher die Arbeiter („Diktatur des Proletariats“), jetzt halt was auch immer. Setz irgendetwas ein, Hauptsache wir haben einen Grund für „radikale Maßnahmen“. Eine solche Ideologie treibt von alleine immer weiter ins Extrem, denn Menschen sind nicht gleich. Also kann man immer neue Gründe finden, warum man sie gleich MACHEN muss. (Dass nicht nur rechte, sondern auch linke totalitäre Staaten immer an der technokratischen Steuerung der Gesellschaft interessiert waren, lässt da tief blicken.)

            Hier eine Liste aller Staaten, die mal mit Sozialismus experimentiert haben:
            https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_sozialistischer_Staaten
            Kein einziges Land dabei, wo es den Menschen materiell gut ging (vom geistigen Klima ganz abgesehen). Im Gegenteil bedeutet Sozialismus (und Planwirtschaft) ja, dass man das Geld anderer Leute (und nicht nur der Reichen, sondern zunehmend aller, die noch irgendwas haben) so lange umverteilt, bis alle gleich arm sind. Außer der Funktionärselite natürlich. – DAS meint der Sozialismus, wenn er „Gleichheit“ sagt. (Und es ist wurscht, ob der arme Karl Marx das alles vorhergesehen hat, er war ja Theoretiker.)

            ICH kenne Ost-Berlin zu DDR-Zeiten noch aus eigener Anschauung, danke, nein.

            Und wenn jetzt jemand meint, dass es bisher nur an der Umsetzung dieser großartigen Idee gehapert hat oder am Personal: Vergiss es. Wieso sollte es diesmal nicht wieder schief gehen? Nach über 60 Experimenten, die im 20. Jahrhundert schief gegangen sind? Und es lag über 60 mal immer an einzelnen Machtmenschen? Umgekehrt wird wohl eher ein Schuh draus: eine totalitäre Ideologie macht es Psycho- oder Soziopathen extrem leicht.

            Die menschliche Natur (conditio humana) ändert sich nicht. Es wird wieder Funktionäre geben, die v.a. für die Selbstbereicherung arbeiten (und die man nur in einem Rechtsstaat halbwegs kontrollieren kann). Es werden wieder Menschen die Ideologie benutzen, um ihre Brutalität auszuleben. Und es wird wieder umverteilt statt neuen Wohlstand zu schaffen, von dem alle profitieren.

            Sorry für den langen Text! Mir brennt das seit Tagen unter den Nägeln. Ich wollte eigentlich nichts schreiben, aber Deine „Verteidigung“ real existierender Unrechtsstaaten mit Millionen Toten hat mich dann doch getriggert…
            Der Gefahr von rechts kommen wir mit linker Ideologie NICHT bei, siehe Weimarer Republik…

            Liebe Grüße
            Ina

            P.S.
            Ach ja: Die Linksautonomen und die Antifa kenne ich sehr gut. Von innen.

            Momentan wird wieder diskutiert, was wir in den 1970ern und 1980ern schonmal hatten (damals um die RAF zu rechtfertigen): Gewalt gegen Sachen sei okay, und über Gewalt gegen Menschen müsse man neu nachdenken. Je nach Gruppierung gelten dann besonders Polizisten (und ausgewählte Einzelpersonen aus Politik und Wirtschaft) als Vertreter des „Schweinesystems“ – und sind somit keine Menschen mehr, sondern „Schweine“.

            Tja, von da aus ist es ein Leichtes, weitere Personengruppen zu entmenschlichen. Das können Linke genauso gut wie Rechte. Das hat nichts mit einzelnen „Machtmenschen“ zu tun, sondern mit Ideologien, die es SYSTEMATISCH erlauben, andere Menschen wegen irgendeines „moralischen Vergehens“ (gegen die „Gleichheit“ bei den Linken oder gegen den „Volkskörper“ bei den Rechten) zu denunzieren oder zu töten. Einzelne Psychopathen sind da nur die Spitze des Eisbergs.

          • Katja Katja

            Hey Ina,
            Danke für deine Ausführungen.
            Da habe ich wohl das „alle Menschen sind gleich“ zu wörtlich genommen. Mir war ehrlich nicht klar, dass Sozialismus/Kommunismus zuvorderst eine Diktatur angestrebt hat und die Mottos „Gleichheit aller Menschen“ und „gerechte Verteilung der Güter“ nur vorgeschoben waren, um diese Diktatur errichten zu können. Und mir war auch nicht klar, dass mit „Gleichheit aller“ die „Konformität aller“ gemeint war und alle, die „anders“ waren, ausgeschaltet werden mussten. Und zwar aufgrund des Systems, und nicht aufgrund von Machtmenschen, die sich diese Ideen zu Nutze gemacht haben.
            Meine These, dass links und rechts grundsätzlich zu unterscheiden wären, hat sich daraus ergeben, dass ich einen grundsätzlichen Unterschied zwischen „alle Menschen sind gleich“ und „es gibt eine Rasse, die allen anderen überlegen ist“, zu erkennen glaube.
            Was wäre denn dein Ansatz, um der Gefahr von rechts beizukommen? (wenn nicht, das zu leben, dass alle Menschen gleich sind)

          • Katja Katja

            Hallo Ina nochmal,
            meine Neugier und mein Hang zur Primärliteratur ließen mir keine Ruhe 😉 und so habe ich mir übers Wochenende dank längerer Zugfahrten mal das Kommunistische Manifest zu Gemüte geführt – weil ich der Meinung war, das sei sozusagen die Grundlage der Kommunistischen Ideologie (kann mich aber auch täuschen, ich bin in Sachen Kommunismus nicht wirklich fit). Mangels Druckwerke in einer Hörbuchform auf youtube, bei der ich freilich nicht garantieren kann, dass sie vollständig war.
            Man kann ja Marx&Engels alles Mögliche vorwerfen. Vor allem ihre Grobheit und das Streben nach einem gewaltsamen Umbruch – wie auch immer der aussehen soll, Konkret wird ja nichts wirklich ausgeführt, auch nicht, was die „Waffen des Proletariats“ sind (ob tatsächlich Schusswaffen oder ob das metaphorisch zu verstehen ist) und wie man sich das „gewaltsame Entreißen des Privatbesitzes der Bourgoisie“ vorzustellen hat. Manches finde ich schlicht nicht zu Ende gedacht, manches verstehe ich nicht, da fehlt mir das Detailwissen über die geschichtliche Situation, in der es entstanden ist, und auch ökonomisch-politisches Wissen.
            Allerdings habe ich dort nirgends die Ideen gefunden, dass eine Diktatur als letztgültige Staatsform angestrebt werden soll, dass Menschen ermordet werden sollen, die nicht „auf Linie“ sind, dass Arbeits- und Umerziehungslager errichtet werden sollen oder Mauern oder Ähnliches, was einen Staat von einem anderen abgrenzen soll. Und auch von Bespitzelung, Einschräkung der Presse- und Meinungsfreiheit war nicht die Rede. Wie gesagt – möglicherweise habe ich nur eine gekürzte Version erwischt, in der alle diese Aspekte nicht vorkamen, da kannst du mir gerne eine Langversion verlinken!
            Kannst du mir mal die sozialistsiche und kommunistische Literatur bzw. die soz./komm. Vordenker nennen, von denen du ableitest, dass von Anfang an Sozialismus und Kommunismus die Erscheinungsformen annehmen sollten, wie die Weltgeschichte es in Russland, Kuba, China, Nordkorea und der DDR erlebt (hat)? Danke dafür!

    • Cato Cato

      Hallo Daniel,
      >Die haben also eine ganz klare Agenda, die der/die “normale” Rechtskonservative sonst nicht hat.

      mein erster Impuls ist, dass dies erstens nicht schlimm ist und zweitens bei allen Seiten der Fall ist.

      Grüße
      Cato

      • Cato Cato

        Ergänzung: Doch, beim ÖRR ist diese Agenda schlimm und zwar weil sie 8 Mrd EUR /Jahr Zwangsgebühren einkassieren und dann ihr Angebot „kostenlos“ unters Volk bringen. Bei Spiegel und Zeit finde ich das unproblematisch.

        Grüße, Cato

        • Peter Peter

          @Cato: weißt Du, warum ich Menschen wie Dich kaum noch ernstnehmen kann? Weil sie permanent andere diffamieren und entsprechend framen. Da wird beispielsweise von „Zwangsgebühren“ gesprochen. Die AfD spricht regelmäßig von „Altparteien“.

          Fang mal an, normal zu argumentieren, ohne Dich in die Opferrolle zu begeben, ohne andere zu diffamieren, ohne andere zu framen. Dann kann man auch sinnvoll diskutieren.

          • Cato Cato

            Hallo Peter,

            >@Cato: weißt Du, warum ich Menschen wie Dich kaum noch ernstnehmen kann? Weil sie permanent andere diffamieren und entsprechend framen. Da wird beispielsweise von “Zwangsgebühren” gesprochen.

            du diffamierst mich als jemanden, den du kaum noch ernstnehmen kannst, mit der Begründung, dass ich angeblich andere diffamieren würde. Als Beispiel führst du den Begriff „Zwangsgebühren“ an. Diese sind jedoch Fakt.

            >Fang mal an, normal zu argumentieren, ohne Dich in die Opferrolle zu begeben, ohne andere zu diffamieren, ohne andere zu framen.

            Du bist derjenige, der nicht argumentiert, sondern so tut, als ob mit mir irgendwas nicht stimmen würde!

            Was ich tatsächlich interessant und auch etwas erschreckend finde, dass wir beide bei den Äußerungen des anderen denken: WTF, was der mir jetzt vorwirft, macht er doch genau selber und merkt es nicht einmal.

            Diese Struktur hatten wir auch schon an anderer Stelle.
            Es scheint so zu sein, dass du mein Schatten bist und ich deiner. Fühlt sich echt nicht schön an, aber vielleicht ist da was dran. Von diesem Konzept mit der „Schattenseite“ habe ich gerade von Gunnar Kaiser in dem Video „Von der Idee, konservativ zu sein“. (Im Video ab Minute 14).
            https://youtu.be/-O1r1QXTwi0

            Grüße
            Cato

          • Peter Peter

            @Cato: schau mal drauf, wer welche Begriffe verwendet hat und von Anfang an Framing betrieben hat. Spoiler: ich bins nicht.

            Und dass Du den Begriff „Zwangsgebühren“ noch nicht mal als problematisch empfindest, sagt viel aus – über Dich. Du müsstest in diesem Sinne sämtliche Abgaben als „Zwangszahlungen“ empfinden. Sämtliche Steuern, die wir zahlen, sind nicht freiwillig. Das kann man dann so als „Zwangszahlungen“ framen – ist dann aber genau das. Framing.
            Und generell noch was zum ÖR: geh mal in andere Länder, wo es keinen ÖR gibt. Viel Spaß dort. Der ÖR ist natürlich nicht perfekt, aber Gold wert.

            Hör übrigens auf, mir Falschaussagen zu unterstellen. Ich habe eine Menge Argumente in meinem Beiträgen gebracht – auf die Du mit nahezu keinem Wort eingegangen bist.

            Und weil Du doch immer so viel Wert auf Begrifflichkeiten legst: ich schrieb dass ICH dich kaum noch ernstnehmen kann. Das ist eine ICH-Botschaft. Das ist MEIN Empfinden. Eine Diffamierung wären Sätze wie: „NIEMAND kann dich ernstnehmen“ oder „Du BIST eine Witzfigur“.

            Und weil das hier eh nix wird – wie eigentlich immer, wenn man mit AfD-Fans und ähnlichen Menschen versucht zu diskutieren – bin ich jetzt endgültig raus.

  18. @Peter

    Kann Deinen Kommentar bzgl NZZ auch nicht ganz folgen. Was genau ist das Problem daran, “Applaus von der falschen Seite” zu kriegen?

    Sollen wir unsere Meinungen /Äußerungen wirklich danach sortieren, wer sie sonst noch gut finden könnte?

    Kriterien für die Bewertung von Meinungsäußerungen sollten in einer demokratischen, rationalen Debatte sein:

    1) ist die Meinung begründet?

    Vielleicht (!) noch in identitätspolitischen Fragen
    2) wer äußert die Meinung?

    Wobei man jetzt über 2) zumindest streiten kann. Da könnte ich noch beide Sichtweisen verstehen.

    Gar nicht einsichtig mir:
    3) wer für die Meinung gut?

    Das wäre auf den ersten Blick für mich ein ebenso abwegiges Kriterium wie
    4) wer findet die Meinung schlecht?

    Wenn Du sagen willst, dass 3) einen Hinweis auf 1) enthält, bitte gerne. Das müsste dann aber expliziert werden.

    Grüße

    • Peter Peter

      @Florian: ich finde es schon bedenklich, von der „falschen Seite“ Applaus zu bekommen.

      Warum gibt mir eine bestimmte Seite Applaus? Weil ich deren Denkwelt und Narrativ in irgendeiner Weise bestätige und bediene.
      Es existiert auch der gegenteilige Effekt: wenn ich einer Denkwelt oder einem Narrativ explizit widerspreche, dann bekomme ich von der Seite, die in dieser Denkwelt lebt, verbale Dresche.

      Beispiele:
      Die Grünen scheinen so was wie die Antipoden zur AfD zu sein. Zumindest beziehen Grüne andauernd verbale Dresche von der AfD. So massiv, wie eigentlich sonst keine Partei.
      Die Zeitung „Die Zeit“ bezieht in schöner Regelmäßigkeit (soweit ich das mitbekommen habe) verbale Dresche von beiden Rändern des politischen Spektrums. Mal von links, mal von rechts. Das konnte man immer schön an Artikeln fest machen, die das entsprechende Spektrum „bedienten“. Finde ich spannend, wirkt auf mich, als ob Die Zeit zumindest versucht, ausgewogen zu berichten und ein breites Meinungsspektrum abzudecken.
      Wenn ich die Konservativen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis verfolge, welche Zeitungen die so gut finden, dann ist es ganz oft die FAZ. Das deckt sich mit meiner Einschätzung – die FAZ ist ziemlich konservativ für meinen Geschmack. Der „Beifall“ der Konservativen passt da ins Bild.

      Und die NZZ? Die begegnet mir bei Konservativen eher selten – dafür wird sie recht häufig als Beleg angeführt, wenn AfD-Fans und weitere Rechte ihre Meinung untermauern wollen. Und wenn ich mir die Artikel anschaue, dann verstehe ich, warum. Die NZZ wirkt – in meiner eingeschränkten Sicht – ein wenig wie eine nach rechts gerückte FAZ. Das ist übrigens ein Blick, den ich nicht exklusiv habe. Es gab bei der NZZ 2015 und 2016 personelle Wechsel in der Chefetage. Wirf mal einen Blick hierher: https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Z%C3%BCrcher_Zeitung#Debatte_um_politische_Positionierung Hier stellt sich dann auch die Frage, ob die NZZ wirklich nur versehentlich Beifall von rechts außen bekommt – oder ob sie nicht doch auch gewisse Denkmuster fördert/unterstützt, die nach rechts führen oder rechts sind.

      • Ina Ina

        Sorry, aber wenn ich mir nun VOR ALLEM Gedanken machen soll, bloß nicht von den falschen Leuten Applaus zu bekommen, dann sind wir nicht mehr weit weg von einer Meinungspolizei. Das wäre das Ende der freien Meinungsäußerung, weil man dann davon ausgehen würde, dass jede Ansicht automatisch einem bestimmten Lager zuzuordnen wäre. Politisches Denken ist aber komplexer.

        Demnächst darf ich dann als Wissenschaftlerin auch nicht mehr zu Ergebnissen kommen, die zwischen die Meinungsfronten geraten können oder wie?

        Es sagt ja wesentlich mehr über die politische Strategie der AfD oder ihr nahestehenden Personen aus, die NZZ als „Westfernsehen“ zu bezeichnen, als über die NZZ selber:
        Es soll die Behauptung untermauern, deutsche Medien seien „gleichgeschaltet“, sodass man nun auf eine Schweizer Zeitung ausweichen müsse.

        Laut ihrer Statuten muss ein Aktionär der NZZ Mitglied der FDP Schweiz sein oder aber sich zur freiheitlichen und demokratischen Grundordnung bekennen (und darf dann keiner anderen Partei angehören). Da kann ich nichts „Rechtes“ entdecken:
        https://de.wikipedia.org/wiki/FDP.Die_Liberalen

        Bezeichnend finde ich eher die hyperventilierende Diskussion in Deutschland darüber, ob die NZZ mit dem neuen Chefredakteur nach „rechts“ gerutscht sei. Diejenigen, die das behaupten, stammen hauptsächlich aus der deutschen Medienlandschaft. In der Schweiz sieht man das anders, die sind traditionell viel freiheitlich-liberaler. Da kann ein führender Sozialdemokrat das moralische „Gutmenschentum“ der Linken kritisieren ohne öffentlichen Aufschrei über die Wortwahl.

        Kann es sein, dass wir einen sehr speziellen Disurs in Deutschland haben? Dass z.B. (so mein Argument oben) liberale Positionen schon als populistisch (und somit quasi rechts) wahrgenommen werden? Weil man vielleicht „liberal“ gar nicht mehr versteht? Weil Liberale vehement auf Freiheitsrechten bestehen, selbst in einer Migrations- oder Klimakrise?

        (Disclaimer: Ich verstehe mich selber als Sozial-Liberale, aber nicht in einem parteipolitischen Sinne. „Früher“ war das eine politische Positionierung, die man in allen demokratischen Parteien der sog. Mitte finden konnte, je nach aktuellem Parteiprogramm mal mehr, mal weniger.)

        Ich verstehe meine Schweizer Bekannten immer besser, die schon seit Ewigkeiten komplett entnervt sind, dass die Deutschen ihnen immer weltanschauliche Nachhilfe geben wollen und moralisch immer alles besser wissen. Inzwischen sogar bei ihren eigenen Zeitungen.

        Und by the way: Wenn Dir die NZZ „rechts von der FAZ“ vorkommt, dann könnte das natürlich auch daran liegen, dass die FAZ seit 2012 weiter „links“ ist als früher (und sich leider von Kommentatoren getrennt hat, deren ironische Bissigkeit mir in der Selbstreflexion immer gut getan haben…).

        Hier auf dem NZZ-Youtube-Kanal kann man sich davon überzeugen, wie breit die Interviewpartner gestreut sind:
        https://www.youtube.com/user/NeueZuercherZeitung/videos
        Wer eine Shalini Randeria, einen Hans Küng oder eine taz-Autorin einlädt, ist also rechts?!

        Ach nein, die Frage war ja, „ob die NZZ wirklich nur versehentlich Beifall von rechts außen bekommt – oder ob sie nicht doch auch gewisse Denkmuster fördert/unterstützt, die nach rechts führen oder rechts sind.“

        Also wenn Du diese Frage ernst meinst, dann wird es echt haarig. Totalitäre Leute argumentieren ähnlich (damit will ich Dir NICHT unterstellen, dass Du persönlich totalitär denkst, sondern dass unsere öffentlichen Diskurse inzwischen wirklich schräg laufen und wir da alle aufpassen müssen, dass Argumente nicht zwischen „Meinungslagern“ untergehen).

        Das Hauptproblem in Deiner Aussage ist m.E. v.a. der weltanschauliche Erziehungsanspruch an Zeitungen (und das ist NICHT die Aufgabe der Presse in rechtsstaatlichen Demokratien mit garantierter Meinungsviefalt). Damit werden leider rechte Positionen vom „betreuten Denken in Deutschland“ bestätigt. – Merkst Du was?

        Wenn Dich das alles nicht überzeugt, dann gib doch mal bitte ein konkretes Beispiel, wo und warum Du einen bestimmten Artikel der NZZ „rechts“ findest.

        • Peter Peter

          Hey Ina,
          ich bin nicht sicher, ob ich mich richtig ausgedrückt haben – wenn ich Deine Zeilen lese, frage ich mich zumindest, ob ich mich missverständlich ausgedrückt habe.

          Niemand muss sich VOR ALLEM darüber Gedanken machen, von welcher Seite Applaus kommt. Ich schrieb, dass ich es bedenklich finde, wenn von einer bestimmten Seite Applaus kommt – und zwar nicht nur einmal, sondern regelmäßig wiederholt.

          Grundsätzlich teile ich Deine Meinung: man sollte nicht darauf achten müssen, wie was bei wem ankommen könnte. Als Wissenschaftler*in schon dreimal nicht. Da geht’s ja in der Regel auch um Fakten oder um die Beschreibung von irgendwelchen Phänomenen. Andererseits leben wir aber auch nicht im luftleeren Raum. Es gibt beispielsweise Begriffe, die wir heute aus guten Gründen nicht mehr oder nur unter bestimmten Bedingungen verwenden, weil diese Begriffe eine entsprechende Vorgeschichte haben.

          Beispiel: der AfD-Gründer Lucke sprach in einem seiner ersten mir bekannten TV-Auftritten davon, dass die Politik in Berlin „entartet“ sei. Der in der Sendung anwesende Blogger Sascha Lobo wies darauf hin, dass dieser Begriff problematisch sei, weil von den Nazis verwendet in Bezug auf Kunst – „entartete Kunst“ war eben die Kunst, die von Juden gemalt wurde oder nicht in das Kunstbild der Nazis passte. „Entartete Kunst“ wurde beschlagnahmt, die Künstler wurden diffamiert und drangsaliert, nicht wenige sind geflohen. Lucke meinte, der Begriff sei unproblematisch und würde ganz problemlos in der Medizin verwendet, da spräche man von „entarteten Zellen“ – bei Krebs. Woraufhin Lobo antwortete, dass er diese Sicht nicht minder problematisch fände, weil die Politik schließlich kein Krebsgeschwür ist.

          Was will ich damit sagen: Lucke hat einen Begriff gewählt, der mit der Naziherrschaft eng asoziiert ist und ansonsten nur in einem eng definierten Bereich (der Medizin) vorkommt. Dass er ihn dennoch verwendet, zeigt, dass er entweder einigermaßen naiv ist oder bewusst am „rechten Rand“ fischen wollte. Wenn ich mir weitere Aussagen von ihm oder auch Plakate der AfD aus ihrer Entstehungszeit ansehe, dann vermute ich letzteres. Zumindest ist es aber ein sehr sorgloser Umgang mit Begriffen, der im Endeffekt (jetzt sehr verkürzt) dazu geführt hat, dass die AfD mehr als 10% in den Bundestag gewählt wurde – und spätestens mittlerweile eine Heimat für Identitäre und Rechtsextreme ist.

          Insofern: ja, meine Kommunikation soll nicht davon geprägt sein, von wem ich Beifall erhalte. Aber ich kann auch nicht einfach komplett sorglos jeden Begriff verwenden, ohne daran zu denken, welche Wirkung er haben könnte. Gerade, weil es besonders im politischen (Kommentar-)Bereich nicht unbedingt um Fakten geht, sondern auch darum, wie man etwas ausdrückt. Worauf man den Fokus lenkt. Wie man framt (gewollt oder ungewollt).

          Zurück zur NZZ: ich wollte hierzu kein großes Fass aufmachen, vielleicht tue ich der NZZ auch unrecht. Alles, was ich sagen wollte, ist, dass diese häufig von ganz Rechtsaußen zitiert wird. Und dass ich das zumindest bedenklich finde. Nicht mehr, nicht weniger.

          Weil Du nach Artikeln gefragt hast: sowas hier finde ich zum Beispiel problematisch.
          https://www.nzz.ch/amp/meinung/es-gruent-in-den-redaktionen-der-deutschen-mainstream-medien-ld.1488781?__twitter_impression=true

          • Ina Ina

            Hey Peter,

            ich wollte eigentlich auch nicht zu einer „NZZ-Verfechterin“ werden, ich lese die halt. 🙂 Und falls ich Dich falsch verstanden haben sollte, war das keine strategische Absicht!

            Okay, und was genau findest Du an dem Artikel (der ja ein Kommentar ist, also eine Meinung) problematisch? Den Begriff „Mainstream“? Oder die Distanz zur Politik der Grünen?

            Offenbar scheint es so zu sein, dass Journalisten hauptsächlich rot oder grün wählen. Und das war in meiner Lebenszeit bisher immer so. Man sollte es also einerseits nicht überschätzen, denn Helmut Kohl hielt sich 16 Jahre an der Macht, obwohl er mehr als 16 Jahre in Grund und Boden geschrieben und kommentiert wurde. Das Wahlvolk denkt dann eben doch selber, und die Medienleute überschätzen ihren Einfluss.

            Andererseits finde ich es allerdings inzwischen auch bedenklich, dass neuerdings eine „Krisen-“ und „Notstandsrhetorik“ um sich greift und die meisten Journalisten völlig kritiklos die konkreten Instrumente zur Umsetzung von politischen Zielen akzeptieren. Sie erlauben damit einen Politikbetrieb ohne breite öffentliche Diskussion. Das ging mit der Lehman-Pleite los über die Griechenlandrettung bis jetzt zum Klima.

            Hier mal eine Ausnahme zum Thema Klimapolitik, wo Kritiker der Bundesregierung wie der Grünen lange zu Wort kommen (interessanterweise Sarah Wagenknecht und Christian Lindner – was eine spannende und zivilisiert abgelaufene Begegnung war):

            https://www.ardmediathek.de/ard/player/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLTM1N2RjMjA5LTk5YjctNDY1Ni04MDVjLTAwYWM2NGE3NmZkNQ/klimarettung-im-wirtschaftlichen-abschwung-wer-traegt-die-kosten

            Ein weiteres Thema, das in den meisten Redaktionsstuben einfach nicht vorkommt (und auch nicht bei den Grünen), ist die Geldpolitik der EZB, die seit Jahren über ihren Auftrag (Mandat) hinausgeht – mit schweren volkswirtschaftlichen Folgen, die aber noch nicht alle so wirklich begreifen (sich vielleicht auch von den Schönwetterreden aus Brüssel einlullen lassen?). Das ist auch ein demokratierelevantes und verfassungsrechtliches Thema, ein ehemaliger Bundesverfassungsrichter warnt seit Monaten, der aktuelle Chef der Bundesbank auch, aber das Thema findet nicht breit statt, außer in ein paar Zeitungen, die sich traditionell mit Wirtschaft beschäftigen. Vor lauter „grün“ kümmert sich niemand darum, dass wir womöglich irgendwann gar keinen Wohlstand mehr haben für diese hohen Ziele…

            Es gibt auch in Deutschland Journalisten (innerhalb des demokratischen Spektrums), die eine solche unkritische „Mainstream“-Haltung brandmarken. Gerade ja auch, um den Rechten dieses Feld nicht zu überlassen. Neben der Migrationsfrage sind es nämlich v.a. eine EU-Finanzpolitik, die unter dem journalistischen Radar verschwindet, und eine wirtschaftnaive und sozialpolitisch heikle Klimapolitik, die AfD-Sympatisanten umtreibt – meiner Wahrnehmung nach – , denn die Leute sind weniger blöd, als ihnen von vielen Journalisten unterstellt wird…

            Und jetzt sind wir beim Problem Begriffe. Die AfD hat „Mainstream“ in ihrem Sinne „geframt“. Wie soll ich als Bürgerin der politischen Mitte jetzt eigentlich noch ausdrücken, dass mir die meisten Journalisten inzwischen zu zahnlos sind?!

            Viele Grüße
            Ina

          • ein Mensch ein Mensch

            @ Ina: meiner Meinung nach brauchen eine europäische Sozialunion. Das war der Konstruktionsfehler beim Euro. Da heulen natürlich alle Neoliberalen auf. Aber wenn wir uns jahrelang mit Exportüberschüssen und Zinsen bereichern, müssen wir uns nicht wundern, wenn das kritisch gesehen wird. Mit gemeinsamer Steuer, Renten und Sozialpolitik könnte man allerdings auch grössere Krisen abfedern. Die Illusion dass unser Wohlstand auf ewig besteht, sollte man auch beerdigen.

          • Peter Peter

            @Ina

            Ich nehme aus dem Text der NZZ einen Satz stellvertretend raus:

            „Heute nehmen Friedrichs’ Nachfolger einen Spitzenplatz ein, wenn es um negative Trump-Berichterstattung geht (98 Prozent), wie eine internationale Vergleichsstudie der Universität Harvard von 2017 ergab. Der US-Präsident steht für das Böse schlechthin – in einer Reihe mit «Klimaleugnern» und «Rassisten», die sich der Merkelschen Willkommenskultur widersetzen.“

            Hier wird der Eindruck erweckt, als sei Trump eigentlich ein ganz normaler, netter Politiker, der richtig gute Sachen für sein Land macht, von der Berichterstattung aber komplett verkannt und absichtlich schlecht dargestellt wird. Das ist halt mal kompletter Blödsinn. Der Grund für die negative Berichterstattung liegt nicht an der vermeintlich vorurteilsbehafteten Presse, sondern daran, dass Trump eben ein pathologischer Lügner ist, der einen enormen Schaden in seinem Land und der Welt anrichtet.

            Oder die „Merkelsche Willkommenskultur“ – es wundert mich nicht, dass solche Aussagen Applaus von rechts bekommen. Es ist doch so, und dazu muss ich etwas ausholen: aufgrund verschiedener Umstände (unter anderem, weil die EU Mittel gekürzt hat und weil man die Situation völlig unterschätzt hat) ist die Anzahl der Geflüchteten rapide angewachsen. Am Ende standen wir kurz vor einer humanitären Katastrophe – hätte niemand gehandelt, wären etliche Menschen jämmerlich ums Leben gekommen. Frau Merkel hat daraufhin in Absprache mit dem österreichischen Außenminister (damals: Sebastian Kurz!) eine große Anzahl an Menschen unbürokratisch ins Land gelassen. Sie hat dann etwas gemacht, was jeder Fußballtrainer eines Dorfclubs macht: sie hat gesagt „wir haben schon so vieles geschafft, dann schaffen wir das auch“. Übrig geblieben ist nur „Wir schaffen das“. Die ankommenden Menschen wurden von vielen hier freundlich begrüßt (von Menschen, die dann später als „Bahnhofsklatscher“ diffamiert wurden). Natürlich war das zunächst eine Überforderungen. Extrem viele Menschen in sehr kurzer Zeit in einem Asylverfahren zu „beurteilen“, sie unterbringen usw. Damit waren viele überfordert. In vielerlei Hinsicht aber war das auch ein hausgemachtes Problem, es ist ja nicht so, dass diese Menschen vom Himmel fielen. Man hätte sich durchaus vorbereiten können…
            Ich persönlich finde das gut, dass wir diesen Menschen geholfen haben. Ein Problem dabei ist sicherlich: hier wurde schnell und einigermaßen unbürokratisch auch eine Menge Geld zur Verfügung gestellt. Wenn es nun immer heißt, dass kein Geld da ist, um Schulen oder Brücken zu sanieren, dann kann man irritiert sein, dass „plötzlich“ Geld da ist. Dabei wird dann aber übersehen, dass es sich um einen Notfall handelte, dass die Misswirtschaft in Bezug auf Schulen oder Brücken eben ein anderes Thema ist und dass ohne „Flüchtlingskrise“ keine einzige Schule mehr saniert wäre als mit. Ganz zu schweigen davon, dass es immer doof ist, eine Not gegen die andere auszuspielen oder aufzuwiegen. Ich sehe das psychologische Problem dabei – aber es ist eben ein Gefühl, und keine objektive Wahrheit.

            Was danach vor allem von rechter/AfD-Seite aus dieser Thematik gemacht wurde, ist gelinde gesagt eine populistische/demagogische Schweinerei. Menschen, die sich für Flüchtlinge engagieren, wurden und werden diffamiert. Und das geht hin bis zum Mord an Lübke. Geflüchtete Menschen wurden als „Goldstücke“ oder „Wirtschaftsflüchtlinge“ geframt. Es wird von einer fortschreitenden Islamisierung des Abendlandes gefaselt. Wenn wie diese Woche eine Berliner Wurstbude verkündet, dass sie ihre beliebte „Weihnachtswurst“ in „Winterwurst“ umbenannt hätte, hagelt es einen Shitstorm. Dabei war es lediglich ein PR-Gag, eine „Weihnachtswurst“ hatte die Wurstbude nie im Sortiment. Wenn ein Verbrechen geschieht, wird als erstes nach der Herkunft des Täters gefragt. Man unterstellt den Geflüchteten, dass sie überdurchschnittlich gewaltbereit seien – auch wenn sämtliche offiziellen Statistiken das widerlegen.

            Lange Rede kurzer Sinn: all das schwingt in den Worten „Merkelsche Willkommenskultur“ mit. Eine Kultur, die angeblich keiner wollte, die uns Merkel mit ihrem Regime (so ja auch oft ganz rechts zu lesen) eingebrockt habe, und die dazu führt, dass Deutschland sich abschaffe (Grüße an Sarrazin).

            Deswegen finde ich einen solchen Artikel höchst problematisch. Er bedient das Narrativ der Rechten. Oder wenn am Ende nebulös der Satz im Raum stehen bleibt: „Fast flehentlich klingt daher Jan Fleischhauers Abschiedsappell: «Lassen wir die Feinde der Meinungsfreiheit nicht durchkommen.»“ Als ob Journalisten wie Fleischhauer die leuchtenden Verteidiger der Meinungsfreiheit seien und alle anderen Journalisten Feinde der Meinungsfreiheit. Da sind wir dann übrigens wieder bei Trump, der das exakt genauso ausdrückt.

            Im Übrigen bin ich nicht sicher, ob die Medien in Deutschland wirklich so „links“ sind, wie immer wieder behauptet wird. Ich meine auch, dass es vor kurzem eine interessante Studie dazu gab, aber ich konnte sie nicht finden. Vielleicht täusche ich mich auch.
            Ich bezweifle übrigens, dass der „Mainstream“ in Deutschland wirklich so links ist, wie gerne behauptet wird. Wenn ich mir anschaue, dass die CDU/CSU seit geraumer Zeit fast durchgehend in der Regierung ist, meist als stärkste Partei – das ist dann nicht wirklich „links“. Oder die immer weiter auseinanderklafende Schere zwischen arm und reich. Eine „linke Republik“ stelle ich mir anders vor.

  19. Cato Cato

    Hallo Peter,

    >@Cato: schau mal drauf, wer welche Begriffe verwendet hat und von Anfang an Framing betrieben hat. Spoiler: ich bins nicht.

    da kann ich nur Lachen. Ich gebe zu, ich habe das auch gemacht. Ich habe z.B. „Mainstream-Medien“ geschrieben. Für mich war der Begriff nicht diffamierend, sondern ich habe damit einfach Medien mit enorm großer Reichweite, vor allem den ÖRR, gemeint. Ich habe in der Diskussion auch gemerkt, dass dieser Begriff nicht sinnvoll ist und geschrieben, dass ich ihn nicht mehr verwenden werde. Ich nehme mir das, was ich hier höre, durchaus zu Herzen.

    Bei dir sehe ich das Muster: Egal was man dir vorwirft, du windest dich da immer wieder heraus und die anderen haben nur nicht genau gelesen. Ich habe noch nicht gesehen, dass du irgendwo eingelenkt bist. Auf mich wirkt dein Schreibstil sehr „von oben herab“!
    Ganz anders übrigens bei Jay und eigentlich allen anderen hier. In der Sache liegen Welten zwischen den anderen und mir, aber ich finde, sie schreiben fair und auf Augenhöhe! Danke, Jay und Hossa Community!

    Du siehst sehr gut, wo andere Framing verwenden und ich gestehe das zu. Aber du bist blind dafür, wo du das selber machst. Wenn du z.B. über die AfD schreibst. Aber vermutlich glaubst du, dass es bei dir rein objektiv ist.

    >Und dass Du den Begriff “Zwangsgebühren” noch nicht mal als problematisch empfindest, sagt viel aus – über Dich. Du müsstest in diesem Sinne sämtliche Abgaben als “Zwangszahlungen” empfinden.

    Ja, tue ich auch und das ist ja einfach eine objektive Tatsache. Ich bin für einen Minimalstaat der sich um innere und äußere Sicherheit kümmert. Ich finde Steuern (Zwangsabgaben) legitim.

    >Und generell noch was zum ÖR: geh mal in andere Länder, wo es keinen ÖR gibt. Viel Spaß dort.

    Gerne, die USA sind ein tolles Land!

    >Hör übrigens auf, mir Falschaussagen zu unterstellen.

    Du hast objektiv die Unwahrheit gesagt. Ich habe die Medien nicht als unseriös bezeichnet. Das war deine Interpretation.

    >Und weil Du doch immer so viel Wert auf Begrifflichkeiten legst: ich schrieb dass ICH dich kaum noch ernstnehmen kann. Das ist eine ICH-Botschaft. Das ist MEIN Empfinden. Eine Diffamierung wären Sätze wie: “NIEMAND kann dich ernstnehmen” oder “Du BIST eine Witzfigur”.

    Das ist doch Wortklauberei. Wie stufst du dann die Aussage „Ich finde, du bist eine Witzfigur“ ein?
    Diffamierung oder Ich-Botschaft?

    Grüße
    Cato

    • Peter Peter

      @Cato:
      Ein letztes, weil es so schön die Widersprüche aufzeigt:
      „Ja, tue ich auch und das ist ja einfach eine objektive Tatsache. Ich bin für einen Minimalstaat der sich um innere und äußere Sicherheit kümmert. Ich finde Steuern (Zwangsabgaben) legitim.“

      Ah ja. Dann leben wir ja in einer Welt voller Zwänge. Das sollte man dann bitte auch so offen kommunizieren. Jedes Gesetz ist schließlich ein Zwang. Und auch der Minimalstaat, der sich um die Sicherheit kümmert, macht das mit Zwang. Was Du offensichtlich gut, wichtig und notwendig findest. Wenn das so ist, frage ich mich, warum „Zwangsgebühren“ für einen ÖR ein Problem sein sollen.

      By the way: wenn der Staat ein Minimalstaat ist, muss der Rest von anderen „Playern“ geregelt werden. Beispielsweise von der unsichtbaren Hand des Marktes. Wie geil der funktioniert, sieht man leider an viel zu vielen Stellen…nicht…
      Daher halte ich eine Mischung – Stichwort: soziale Marktwirtschaft – für sinnvoll. Aber das ist ein anderes Thema.

      Zu den restlichen Themen – nö. Ist schon alles gesagt.

      • Cato Cato

        Hallo Peter,

        >Ein letztes, weil es so schön die Widersprüche aufzeigt:

        Du siehst Widersprüche wo keine sind. Ich kann jedenfalls keinen logischen Widerspruch erkennen.

        >Ah ja. Dann leben wir ja in einer Welt voller Zwänge. Das sollte man dann bitte auch so offen kommunizieren. Jedes Gesetz ist schließlich ein Zwang. Und auch der Minimalstaat, der sich um die Sicherheit kümmert, macht das mit Zwang. Was Du offensichtlich gut, wichtig und notwendig findest. Wenn das so ist, frage ich mich, warum “Zwangsgebühren” für einen ÖR ein Problem sein sollen.

        Ja, wir leben in einer Welt mit Regeln. Das ist auch notwendig, sonst hätten wir Chaos. Bei allen Regeln – man könnte auch Zwänge sagen, aber den Begriff würde ich auf die unangenehmen Dinge wie Steuern beschränken – gilt es abzuwägen, ob die Einschränkung der Freiheitsrechte gerechtfertigt ist.
        Nach Vorstellung von Minimalstaatlern ist ein gewisses (relativ geringes) Maß an Steuern gerechtfertigt, um innere und äußere Sicherheit zu gewährleisten. Andere Dinge, z.B. Zeitungen und Fernsehen, sollte man lieber dem freien Markt überlassen.

        >Beispielsweise von der unsichtbaren Hand des Marktes. Wie geil der funktioniert, sieht man leider an viel zu vielen Stellen…nicht…

        Ich weiß jetzt nicht, ob du zu den Leuten gehört, die denken, wir würden im Kapitalismus ( = freie Marktwirtschaft) leben. Falls ja, möchte ich dir dieses Zitat vom Volkswirt Roland Baader entgegehalten:
        „Betrachten wir Deutschland doch einmal mit ‚kapitalistischen Augen‘. Wir erkennen ein Land mit einem staatlichen (d.h. sozialistischen) Rentensystem, einem staatlichen Gesundheitswesen, einem staatlichen Bildungswesen, mit staatlich und gewerkschaftlich gefesselten Arbeitsmärkten, einem konfiskatorischen Steuersystem, einer Staatsquote von über 50%, mit einem erheblich regulierten Wohnungsmarkt, einem massiv subventionierten und regulierten Agrarsektor und einer in einem komplizierten Geflecht zwischen Markt und Staat eingebundenen Energiewirtschaft, mit mindestens hunderttausend Betrieben in ‚kommunalem Eigentum‘ (d.h. Staatseigentum) und einem staatlichen Papiergeldmonopol, ja sogar mit einem Staatsfernsehen samt Zwangsgebühren. Wir erkennen ein Land, in dem fast 40% der Bevölkerung ganz oder überwiegend von Staatsleistungen lebt und in welchem das gesamte Leben der Bürger von staatlichen Regelungen überwuchert ist. Wer diesen 80%-Sozialismus als Kapitalismus bezeichnet, muss mit ideologischer Blindheit geschlagen sein. Und wer gar von Turbo- oder Raubtierkapitalismus redet, den muss der Verstand ganz verlassen haben.“

        Grüße
        Cato

        • der Daniel der Daniel

          Hallo Cato,

          bezugnehmend auf das von dir gepostete Baader-Zitat, muss ich mit erschrecken feststellen, dass mich mein Verstand dann wohl offensichtlich gänzlich verlassen hat.

          Denn wenn Deutschland ein zu 80% sozialistischer Staat sein soll, wie erklärt sich denn dann die Tatsache, dass 45 deutsche Superreiche soviel Vermögen besitzen wie die ärmere Hälfte der Gesamtbevölkerung, also rund 40millionen Menschen? Ich dachte bisher nämlich immer, dass der Sozialismus soziale Gleichheit und Gerechtigkeit zum Ziel habe.

          Oder im Weltmaßstab, da besitzen die 42 reichsten Menschen der Welt soviel Vermögen, wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, also rund 3,4 Milliarden Menschen.

          Wie kann das möglich sein, wenn es keinen Turbo- oder Raubtierkapitalismus gibt, der diesen Menschen ermöglicht hat, solch unfassbaren Reichtum aufzuhäufen?

          Und hast du schon einmal was von den „big four“ gehört und ist dir „Blackrock“ ein Begriff?

          Wenn nicht, dann guck doch mal hier: https://youtu. be/IsC0V5CmmNQ und hier:
          https://youtu.be/kWsUqFgWxp8 wenn du Zeit und Lust hast.

          Das ist zumindest der real existierende Kapitalismus! Man muss ihn ja nicht Turbo-, oder Raubtierkapitalismus nennen.

          LG

          • Cato Cato

            Hallo Daniel,

            >Denn wenn Deutschland ein zu 80% sozialistischer Staat sein soll, wie erklärt sich denn dann die Tatsache, dass 45 deutsche Superreiche soviel Vermögen besitzen wie die ärmere Hälfte der Gesamtbevölkerung, also rund 40millionen Menschen? Ich dachte bisher nämlich immer, dass der Sozialismus soziale Gleichheit und Gerechtigkeit zum Ziel habe.

            Das sind die 20%. 😉 Nein, im Ernst: Das Zitat ist sicherlich sehr scharf und übertreibt mit der Prozentzahl, um den Punkt deutlich zu machen, dass wir nicht im Kapitalismus (oder Neo-Liberalismus – ich glaube beides meint in etwa das gleiche) leben.

            Baader zeigt 13 Kriterien bei den klar wird, dass in allen diesen Bereich nicht von „freier Marktwirtschaft“ geredet werden kann. Jetzt zeigst du einen Punkt auf – Ungleichheit der Vermögen. Und das soll was zeigen?

            >Wie kann das möglich sein, wenn es keinen Turbo- oder Raubtierkapitalismus gibt, der diesen Menschen ermöglicht hat, solch unfassbaren Reichtum aufzuhäufen?

            Indem wir tatsächlich einen gewissen Anteil an Kapitalismus haben. In Nordkorea, wo der Anteil an Sozialismus wohl um die 95% beträgt, haben wir diese Ungleichheit nicht. Das ist richtig.

            >Und hast du schon einmal was von den “big four” gehört und ist dir “Blackrock” ein Begriff?

            Ja, sagt mir was, aber die Filmbeiträge kenne ich noch nicht, habe aber vor, sie zu gucken. Ich glaube, der Film zu den „big four“ beschreibt etwas, was ich auch als großes Problem ansehe: den Korporatismus. Unser System lässt sich am ehesten als Korporatismus bezeichnen. Sagt dir der Begriff etwas? Wenn nicht, schau mal hier in das 5-Minuten Video:
            https://youtu.be/RX2Rb87UpOk

            Liebe Grüße
            Cato

        • ein Mensch ein Mensch

          Nettes Zitat.
          Bei deinem Rundumschlag hast du den Facebook Konzern vergessen. Da sieht man „wie der Markt es regelt“ Eine 1A Fake News Schleuder, die Leute aufhetzt und iedeolgische Gräben aufreißt.
          Private Medien brauchen immer schlagzeilenträchtige Ereignisse und Hysterie, damit sie stattfinden. Sieht man FOX News, den Murdoch Medien (Sun etc.)
          und bei Wohnraum ist es volends ein Witz. Hast du mal die Preise in Großstädten verglichen? Da braucht es staatliche Intervention genauso bei sowas wie Uber und so weiter und so fort.
          Libertäres denken muss man sich leisten können. Alle anderen fallen runter. Das ist ja auch das irrsinnige an der AfD. Meuthen und Weidel vertreten solche Vorstellungen, werden von ihren Wählern hoffiert, für die es ein böses Erwachen geben dürfte..
          Kein Wunder dass das eine Kopfgeburt von weißen Männern ist(um mal die Intellektuellen Schelte zurückzugeben) Und wenn ich lese dass Bolsonaro Anhänger ist, Pinochet Anhänger war, dann wird mir schlecht.

        • Katja Katja

          @Cato:
          Huch, na, jetzt sind wir schon bei „Staatsfernsehen“.
          Also, Herr Baader ist hinsichtlich seiner Begriffsverwendung entweder genauso naiv wie du oder er weiß genau, was seine Hörer mit dem Begriff „Staatsfernsehen“ assoziieren (DDR, China, Nordkorea…) und schiebt den ÖR in eine Ecke, die er absolut nicht ist. Ich tippe auf Letzteres. Genau dieselbe Vorgehensweise, die auch AfD-Politikern so lieb ist.
          Vielleicht war das untergegangen: Ich hatte dich gebeten, zu erklären, was du unter „staatsnah“ verstehst und mir ein Beispiel dafür zu geben, was diese „Staatsnähe“ des ÖR ausmacht. Würde mich freuen, wenn du dazu noch was schreibst.

          • Cato Cato

            Hallo Katja,
            der ÖR ist staatsnah weil:
            – der Staat seine Bürger zwingt, für diese Leistungen Beiträge zu zahlen. Wie gesagt, etwa 8 Mrd. EUR im Jahr!
            – die Rundfunkgremien ich glaube zu etwa 50% mit Politikern besetzt sind.
            Diese zwei Punkt sind objektiv.

            Der dritte ist subjektiv:
            – Die Berichtersattung des ÖR ist nicht mehr so, dass sie der Regierung auf die Finger schaut und ihr handeln kontrolliert als 5. Macht. Das sehe nicht nur ich so, sondern ein Experte auf dem Gebiet, Prof. Norbert Bolz.
            – Beispiel: Bis zum Jahr 2007 gab es noch kritische Berichte zum IPCC bei der ARD. Inzwischen kommt da nichts mehr. Warum?

            Roland Baader ist übrigens 2012 gestorben, also bevor es die AfD gab.
            Grüße
            Cato

          • Katja Katja

            Hallo Cato,
            ok, dann bleibt also als einziger objektiver Punkt die Verpflichtung zu Rundfunkgebühren. Diese sind aber keine Steuern, die die Bundesregierung erhebt (weil man nach den Nazis gemerkt hat, dass es keine so gute Idee ist, wenn die Regierung den Rundfunk finanziert), sondern sie werden von einer Institution eingezogen, die nicht die Bundesregierung ist (im aktuellen Verwaltungsrat des Beitragsservices sitzen keine Mitglieder der Bundesregierung und mW auch sonst keine aktiven PolitikerInnen).
            Woher hast du die Zahl 50%? Also gesetzlich geregelt ist, dass in den Rundfunkräten die Zahl der PolitikerInnen 1/3 nicht überschreiten darf. Du kannst dir ja mal die einzelnen Seiten von den Landesrundfunkanstalten anschauen und nachzählen, wie es da aktuell aussieht (Zum Beispiel: beim Rundfunkrat des BR sind es zZt 32%, beim MDR ca. 33% – und zwar VertreterInnen der Städte und Gemeinden sowie aller Parteien der jeweiligen Landtage, soweit ich das sehe, prozentual, und nicht nur VertreterInnen der Landesregierungen). Wie die Regelungen bei den Verwaltungsräten sind, weiß ich nicht (da ist mW immer der/die LandtagspräsidentIn drin und die anderen Mitglieder scheinen mir keine aktiven PolitikerInnen zu sein). Und man sollte halt auch nicht vergessen, dass in unserem Land PolitikerInnen gewählte InteressensvertreterInnen der Bürger sind…

            Was verstehst du unter „Kontrolle der Regierung“? Und welche Anhaltspunkte hast du dafür, dass der ÖR die Politik der Bundesregierung unkritisch betrachtet? (bei Prof. Bolz sind wir halt wieder bei dem Problem, was ich unter #132 angesprochen habe – dass es eben die Meinung EINES Professors ist). Die Berichterstattung über den IPCC finde ich als Beispiel ungeeignet, da der IPCC ja nicht der deutsche Staat/die deutsche Regierung ist. Meines Wissens hat sich die Bundesregierung seit 2007 (bis zum vergangenen Jahr) ja gerade nicht durch ein besonders großes Interesse an klimafreundlicher Politik hervorgetan – geschweige denn hysterische drastische wirtschaftliche Maßnahmen ergriffen (und das wäre ja zu erwarten gewesen, wenn sie der Meinung des IPCC widerspruchslos gefolgt wäre oder sich in einer „Öko-Diktatur“ befände)…

            Hitler & Co. sind auch schon lange gestorben – das hindert AfD-Politiker auch nicht daran, dieselben Sprach- und Denkmuster zu verwenden.

        • Ok, allmählich kommen wir zum „Kern“ der unterschiedlichen politischen Auffassungen. Das empfinde ich schon mal als Fortschritt in der Diskusion.

          Minimalstaat ist ein halbwegs klar definierbarer Begriff, darum spreche ich lieber darüber als über “den Kapitalismus”, ein meist ziemlich nebulöses Wort.

          Minimalstaat heißt im libertären Verständnis (z B bei Nozick), dass Steuern zur Aufrechterhaltung von Polizei und Justiz gerechtfertigt sind, evtl. noch bis zu einem gewissen Grad für nicht-privatisierbare Aufgaben wie Außenpolitik, Infrastruktur etc

          Zum privaten Sektor können dann so elementare Einrichtungen wie Gesundheitsfürsorge oder das Bildungswesen gehören. Sozialleistungen kommen da letztlich gar nicht begründbar vor.

          2 Fragen

          1) wer will ernsthaft in so einem System leben? Dieser Staat ist extrem unfair gegenüber allen, die aufgrund von Gesundheit oder ihrer Herkunft schlechte Startbedingungen haben.

          2) fordert die AfD wirklich einen Minimalstaat in diesem Sinn? Wäre mir neu.

          Vor allem ihre gesellschaftspolitische Position passt ja eher schlecht zu einer Auffassung vom Minimalstaat:

          – “Freiheit der Forschung” – mit Ausnahme der Genderforschung. Das soll der Staat auf einmal entscheiden, was “richtige” Wissenschaft ist

          – Identitätspolitik gegen Muslime. Aus libertärer Sicht ist es totales Teufelszeug, wenn die Politik bestimmt, welche Religionen erwünscht sind und welche nicht

          • Cato Cato

            Hallo Florian,

            >1) wer will ernsthaft in so einem System leben? Dieser Staat ist extrem unfair gegenüber allen, die aufgrund von Gesundheit oder ihrer Herkunft schlechte Startbedingungen haben.

            relativ viele Menschen. Ich zähle mich dazu. Ich glaube, das soziale Engagement, dass die Bürger dem Nächsten zeigen würden, wäre viel höher als du anzunehmen scheinst. Die Verantwortung benachteiligten zu helfen liegt dann beim einzelnen, nicht beim Staat.

            >2) fordert die AfD wirklich einen Minimalstaat in diesem Sinn? Wäre mir neu.

            Mir auch. Irgendwie ging es jetzt um die libertäre (oder um meine) Position, nicht um die der AfD.

            > – “Freiheit der Forschung” – mit Ausnahme der Genderforschung. Das soll der Staat auf einmal entscheiden, was “richtige” Wissenschaft ist
            – Identitätspolitik gegen Muslime. Aus libertärer Sicht ist es totales Teufelszeug, wenn die Politik bestimmt, welche Religionen erwünscht sind und welche nicht

            In diesen und einigen weiteren Punkten ist mir die AfD auch zu etatistisch. Die FDP in vielen Bereichen (z.B. Europa) allerdings auch. Und die anderen Parteien sowieso.

            Grüße
            Cato

          • Katja Katja

            Hallo Cato,
            gibt es für deine Angabe „relativ viele Menschen“ Statistiken? Das würde mich interessieren. Und auch für deine Annahme bzgl der Hilfsbereitschaft.
            Danke für die Infos!
            Katja

          • Ok, da trennen uns wirklich Welten . Ich glaube fast lieber an die Jungfrauengeburt als an einen Minimalstaat. ?

            Selbst WENN die Menschen in diesem Fall plötzlich wahnsinnig hilfsbereit und freigebig wären (und nicht wie bei Pegida “absaufen! Absaufen!” skandieren), wäre man im Fall von Notlagen auf das subjektive Wohlwollen zufälliger Nachbarn angewiesen.

            Puh.

            Mit der Wahrung der Menschenwürde hat ein Staat, der seine Bürger im Zweifel verhungern lässt, nicht viel zu tun. Das dt Grundgesetz schreibt die Menschenwürde zum Glück in Art 1 und legt in Art 20 fest, dass dies ein Sozialstaat ist. Beide Artikel lassen sich auch nicht mehr einfach so ändern.

            Der Staat, der Dir da vorschwebt, kann hier rein rechtlich keine Realität werden. ist nicht vorgesehen.

            In den USA kann man einen Staat besichtigen, der dem Minimalstaat schon näher kommt: Gesundheits- und Bildungssystem waren/sind stark privatisiert, mit Sozialleistungen sieht’s düster aus.

            Einige Zahlen
            Ca 45.000 US Bürger sterben pro Jahr (!!!), weil sie keine ausreichende KV haben/ sich medizinische Maßnahmen noch leisten können
            https://news.harvard.edu/gazette/story/2009/09/new-study-finds-45000-deaths-annually-linked-to-lack-of-health-coverage/

            Die USA haben mit Abstand die höchsten Preise für
            https://www.google.de/amp/s/www.aljazeera.com/amp/ajimpact/ranks-1-world-sky-high-cost-vital-medicines-191121224954634.html

            Hochschulausbildungen sind so teuer, dass über die Hälfte der Studierende Kredite zur Finanzierung aufnehmen müssen. Die verlassen die Hochschule mit einem Schuldenberg von durchschnittlich 37.000$
            https://www.google.de/amp/s/time.com/5662626/student-loans-repayment/%3famp=true

            Klingt nicht so attraktiv für mich…

  20. Ina Ina

    Hallo Peter,

    ich stimme diesem Kommentator in vielem nicht zu, aber das wäre hier gar nicht mein Punkt. Es ist eine legitime Meinung. Deine Reaktion auf diese andere Meinung geht leider ins Skandalisieren und ins Hypermoralische – und damit bestätigst Du ironischerweise die Grundthese des Autors.

    Der Kommentator scheint mir da etwas zu fassen zu bekommen, aber ich bin von seiner „Ursachenanalyse“ nicht ganz überzeugt. Ich habe oben ja schon geschrieben, dass das Parteibuch von Journalisten an sich für mich nicht das Hauptproblem ist. Meiner Ansicht nach stimmt etwas anderes nicht mit unserer Medienlandschaft, aber ich weiß noch nicht genau, was. Deshalb setze ich mich gerne mit allen möglichen Kommentaren zu diesem Thema auseinander. Ich versuche, Meinungsblasen zu vermeiden, indem ich möglichst breit lese, auch in der NZZ (und darum ging es ja eigentlich).

    Übrigens ging es dem Autor weder darum, Trump abzufeiern noch Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen. (Und es ist auch vollkommen egal, wie man Jan Fleischauer findet. Er dient hier v.a. als Aufhänger, weil er eine seltene Ausnahme beim „Spiegel“ für eine konträre Meinung war.) Der Kommentator (ich habe ihn mal gegoogelt) hat fast zeitgleich zu diesem Artikel woanders einen anderen Meinungsartikel geschrieben, in dem er u.a. Trumps Außen- und Wirtschaftspolitik hart und polemisch angeht (seinem „Wild-West-Denken“ gingen handelspolitische Grundkenntnisse nicht „unter die Fönwelle“). Er ist also kein Trump-Fan. Deshalb geht Deine Empörung total an seiner eigentlichen These vorbei.

    Der Autor denkt, es gäbe in Deutschland eine Mehrheitsmeinung in den Redaktionen, die bestimmte „Erkennungsmerkmale“ demonstrativ vor sich herträgt. Beispiele sieht er darin, Trump zur Ausgeburt des Bösen zu erklären (und ab seinem Wahltag quasi bereits seine Amtsenthebung zu fordern) und Merkels Flüchtlingspolitik ab 2015 als „alternativlos“ anzusehen. Das dient dazu, sich identifizierbar nach außen auf „der richtigen Seite“ zu positionieren, nämlich auf der moralisch guten Seite. Und in diesem allgemeinen Punkt (der die FUNKTION betrifft), stimme ich ihm zu.

    Ich würde hinzufügen, dass solche Erkennungsmerkmale umgekehrt auch als „Trigger“ für Empörung funktionieren, wie man an Deiner Reaktion sieht: Kritisiert man Merkels Flüchtlingskurs oder beschäftigt man sich mit Trump, weil wir nunmal realpolitisch mit ihm leben müssen oder sogar für unsere eigene politische Landkarte aus den USA etwas lernen könnten, ist das böse. Und weil es als moralisch verwerflich gilt, wird gar nicht erst diskutiert.

    Zur „Willkommenskultur“ (die nicht gleichbedeutend ist mit Hilfe für Schutzbedürftige!):

    Wir haben über die konkrete Politik, die Merkel gefahren ist, keine anhaltenden Debatten gehabt. Man kann konkret für den Spätsommer/Herbst 2015 sachlich kritisieren, dass aus einem humanitären Projekt (Leute aus Budapest rauszuholen) ein Präzedenzfall wurde, der ab einem gewissen Punkt in eine „verfassungsrechtlich zweifelhafte Lage“ geriet (so der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio). Und zu einem sehr lange andauernden Ausnahmezustand wurde, in dem insgesamt über 1 Million Menschen ins Land kamen, von denen wir bei den allermeisten nicht wussten, wer sie sind und wo genau sie eigentlich herkamen. Dazu ganz nüchtern und differenziert di Fabio (in einem NZZ-Interview) ab ca. Minute 36.00 bis 45:30:
    https://www.youtube.com/watch?v=TAORdcbb_JQ

    LEIDER ist hier die deutsche Regierung / die Kanzlerin niemals drauf eingegangen oder hat irgendetwas daraus gelernt. Die Medien auch nicht. Sie überließen dieses Thema der AfD, die es nun seither zum eindeutigen „Verfassungsbruch“ und „Totalversagen“ der Politik macht. Und was das Versagen betrifft, hat sie leider nicht ganz unrecht, weil bisher politisch nichts Wesentliches unternommen wurde, einen solchen Ausnahmezustand für die Zukunft unwahrscheinlicher zu machen. Oder auch nur Migration (also Einwanderung, nicht Asyl) mal über konkrete Gesetzgebung zu ordnen. Es ist also gut möglich, dass wir GENAU DADURCH die AfD erst richtig groß gemacht haben.

    Damit wollte ich jetzt v.a. sagen, dass man sehr wohl die konkrete politische WillkommensKULTUR damals kritisieren kann, ohne automatisch rassistisch zu sein. Sonstigen politischen Positionen des Kommentators muss ich deshalb übrigens nicht zwangsläufig zustimmen. 😉

    Es gibt keine Zeitung, deren Kolumnen oder Kommentare ich immer teile. Manchmal regt mich etwas zum Nachdenken an, selbst wenn ich widerspreche. Manchmal noch nicht mal das. So what?

    Viele Grüße & frohe Weihnachten!
    Ina

    P.S. @ Mensch
    Du sagst immerhin, was Du gerne hättest. Da kann man dann drüber debattieren. Und die Frage einer demokratisch legitimierten Entscheidung zuführen. Das findet aber genau gerade nicht statt, und DAS ist mein Kritikpunkt. De facto haben wir bereits eine Transfer-Union über Target2 (die meiner Auffassung nach auf unterschiedliche Weise sowohl Deutschland als auch z.B. Griechenland schädigt), ohne dass die EU-Bürger darüber jemals abgestimmt hätten. Es passiert alles über „Hintertüren“. Da muss man sich dann nicht wundern, wenn es zu Verschwörungstheorien im radikal rechten wie linken Spektrum kommt…

  21. Cato Cato

    Hallo Florian und Katja,

    > Ok, da trennen uns wirklich Welten . Ich glaube fast lieber an die Jungfrauengeburt als an einen Minimalstaat. ?

    Bruder, ich kann ja für dich beten, dass der HERR dir Glauben für beides schenkt. 😉
    Scherz beiseite, ich find´s eigentlich schön, dass es so unterschiedliche Ansichten gibt.

    > Mit der Wahrung der Menschenwürde hat ein Staat, der seine Bürger im Zweifel verhungern lässt, nicht viel zu tun. Das dt Grundgesetz schreibt die Menschenwürde zum Glück in Art 1 und legt in Art 20 fest, dass dies ein Sozialstaat ist. Beide Artikel lassen sich auch nicht mehr einfach so ändern.

    Gut, dass der Staat im Notfall einspringt, ist in Ordnung.

    >Der Staat, der Dir da vorschwebt, kann hier rein rechtlich keine Realität werden. ist nicht vorgesehen.

    Dr. Titus Gebel bereitet seit einigen Jahren etwas vor, dass sich „freie Privatstädte“ nennt.
    https://www.freeprivatecities.com/de/
    Ich finde das eine sehr interessante Idee, die in diese Richtung geht.

    @Katja, es sind zumindest so viele Menschen daran interessiert, dass Herr Gebel glaubt, sowas gründen zu können. Wenn ich sage, relativ viel, dann meine ich nicht zur 2 oder 3 Spinner. Aber ich könnte auch relative wenige Sagen, denn es sind bestimmt (noch) weniger als 100.000 Menschen (schätze ich), die sich auf sowas einlassen würden.

    Zur Hilfsbereitschaft: Die Tatsache, dass praktisch jeder, der mit Minimalstaat konfrontiert wird fragt, was mit den Kranken und Schwachen ist, zeigt, dass dies fast allen Menschen ein Anliegen ist. Ich glaube, die Hilfsbereitschaft wäre enorm groß und es würde wohltätige Vereine gäben (so wie jetzt auch). Den Menschen bliebe ja viel mehr Geld übrig. Die Steuern würden bei vielleicht 10% liegen.
    Jetzt haben wir die Situation, dass viele am Obdachlosen vorbeigehen und sich denke, der bekommt doch Sozialhilfe. Wenn es das nicht oder nur im Notfall gibt, wäre die Gebebereitschaft viel größer.

    >In den USA kann man einen Staat besichtigen, der dem Minimalstaat schon näher kommt: Gesundheits- und Bildungssystem waren/sind stark privatisiert, mit Sozialleistungen sieht’s düster aus.

    Da kenne ich mich nicht so aus. Wie hoch ist denn die Staatsquote in den USA? Gibt es keine öffentlichen Schulen und Unis? Ich glaub doch.

    Grüße und schöne Weihnachten
    Cato

    • Katja Katja

      @ Cato
      Zur Hilfsbereitschaft: Ich halte diese Einstellung für einigermaßen realitätsfern und sie lässt mE völlig die Menschheitsgeschichte außer Acht. Und gerade aus den biblischen Texten ergibt sich für mich ein anderes Bild der Menschheit. Weshalb gab es denn die 10 Gebote, die Regelung der Zehnt-Abgabe für die Armen, die Regelung, das Feld für die Armen nicht bis zum Rand abzuernten, das Erlassjahr und weitere Gebote zum Schutz der Mittellosen, die Jahwe gegeben hat (erstaunlicherweise nicht das Volk, die sind offenbar von sich aus nicht auf diese Gedanken gekommen…)? Weshalb musste er so oft Propheten damit beauftragen, sein Volk – insbesondere die obere Schicht der Reichen und Mächtigen – an diese Gebote zu erinnern, zu tadlen und zu ermahnen? Weshalb gibt es bei Jesus diese Weltgerichtsszene mit den Schafen und Böcken, wenn doch alle Menschen von sich selbst heraus so unglaublich hilfsbereit sind? Jesus sagte, dass es für Reiche unheimlich schwer ist, ins Reich Gottes zu kommen. Nehmen wir diese Aussage mit dem Weltgericht zusammen, könnte klar werden, wer die „Böcke“ sind und weshalb es für Reiche so schwer ist, ins Reich Gottes zu kommen: Weil die Reichen durch ihren Wohlstand blind geworden sind für die Hilfsbedürftigen – die „Böcke“ kriegen es überhaupt nicht mit, dass da Menschen sind, die ihre Hilfe brauchen. Weshalb sind die Reichen so oft auch die „Gottlosen“? Weil sie nicht Gottes Sinn von Gerechtigkeit entsprechen. Was ist das Hauptattribut der Hure Babylon? Reichtum. Deshalb steht sie auch Gottes Reich entgegen.
      Weshalb haben sich in allen Kulturen der Welt Gesetze herausgebildet, die gewisse „Grundrechte“ von Menschen, besonders Schwachen, schützen sollen? Weshalb gibt es die Menschenrechte, weshalb hat sich der Sozialstaat entwickelt? Weil alle von sich aus hilfsbereit sind? Weil die Hilfsbereitschaft mit dem eigenen Reichtum steigt?
      Wenn dem so wäre, dann hätten sich all diese Gesetze nicht entwickelt.
      Der Gedanke, einem Obdachlosen deshalb nichts zu geben, weil er Sozialhilfe bekommt, ist mir im Übrigen völlig fremd.

      • Cato Cato

        Hallo Katja,

        Zur Hilfsbereitschaft: Okay, möglicherweise hast du recht, dass der Mensch von sich aus nicht bereit wäre, anderen Menschen die in Not sind, in ausreichendem Maß zu helfen.
        Es bedurfte der guten Anweisungen Gottes, die du genannt hast.

        Man könnte sagen, dass die Hilfsbereitschaft, die viele Menschen haben (und wegen der wir den Sozialstaat zurückfahren können ohne das Menschen verhungern) aufgrund dieser Regeln von Gott in die westliche Kultur kam.

        Meine These ist: Der Sozialstaat führt gerade dazu, dass die Hilfsbereitschaft abnimmt. In den USA, die weniger Sozialstaat haben als wir in Deutschland, sind die Spenden pro Kopf deutlich höher als bei uns.
        https://www.welt.de/finanzen/article201972188/Globales-Spendenverhalten-Wo-die-grosszuegigsten-Menschen-leben.html

        > Jesus sagte, dass es für Reiche unheimlich schwer ist, ins Reich Gottes zu kommen. Nehmen wir diese Aussage mit dem Weltgericht zusammen, könnte klar werden, wer die “Böcke” sind und weshalb es für Reiche so schwer ist, ins Reich Gottes zu kommen: Weil die Reichen durch ihren Wohlstand blind geworden sind für die Hilfsbedürftigen – die “Böcke” kriegen es überhaupt nicht mit, dass da Menschen sind, die ihre Hilfe brauchen.

        Willst du sagen, dass die Reichen die Böcke sind? Alle Reichen werden ausgesondert und kommen ins ewige Feuer?

        > Weshalb sind die Reichen so oft auch die “Gottlosen”?

        Du meinst in der Bibel? Ist das so? Mir fallen spontan Abraham, Jakob und David ein.

        > Was ist das Hauptattribut der Hure Babylon? Reichtum. Deshalb steht sie auch Gottes Reich entgegen.

        Offb. 17,4: „Sie hielt einen goldenen Becher in der Hand, der überquoll von den Abscheulichkeiten ´ihrer Götzenverehrung` und vom widerlichen Schmutz ihrer Unmoral.“

        Es geht nicht um Reichtum per se, sondern in Kombination mit Abscheulichkeiten und Unmoral.

        >weshalb hat sich der Sozialstaat entwickelt?

        Vielleicht um die Macht der Regierenden zu zementieren und auszubauen? Es ist für sie doch schön, das Geld anderer Leute zu verteilen und dafür wiedergewählt zu werden.
        Die Frage ist natürlich komplex und diese Antwort ist gewiss nur ein Teil der Antwort.
        Ich denke, du hast schon recht, dass der Mensch von sich aus nicht so gut ist. Die Sache ist nicht so einfach. Ohne eine Beziehung zu Gott von vielen Bürgern würde der Minimalstaat sicherlich nicht funktionieren. Der Sozialstaat allerdings genauso wenig!

        Grüße
        Cato

  22. Adalbert Adalbert

    Hallo Cato,
    deiner These, dass der Sozialstaat dazu geführt hat, dass die Hilfsbereitschaft abnimmt, möchte ich schon eine wenig widersprechen. Schaut man sich das Ganze einmal historisch an, so muss man diese These eher umkehren: Der Sozialstaat ist entstanden, weil die soziale Hilfsbreitschaft eben nicht mehr ausgereicht hat, um die mit dem Frühkapitalismus zunehmenden sozialen Verwerfungen (Stichwort „Soziale Frage“) auch nur ansatzweise begegnen können. Es mag ja sein, dass es in den USA eine höhere Spendenbereitschaft gibt. Die reicht aber bei weitem nicht aus, um die krasse soziale Not vieler US-Amerikaner auch nur ansatzweise zu lindern.
    Ich glaube deswegen auch nicht, dass man den Sozialstaat so ohne weiteres zurückfahren könnte, ohne dass dies auch bei uns zu erheblichen sozialen Verwerfungen und gesellschaftlich-politischen Radikalisierung führen könnte. Genau ein solches Zurückfahren des Sozialstaates hat in der Endphase der Weimarer Republik eine gesellschaftliche Radikalisierung und damit letztlich den Aufstieg des Nationalsozialismus begünstigt.
    Der Sozialstaat ist so gesehen grundsätzlich auf jeden Fall eine Errungenschaft, ohne die es zu einem weiteren Auseinanderdriften und damit zu einer Destabilisierung unserer Gesellschaft kommen könnte. Christen insbesondere konservativer Provenienz standen dem Sozialstaat lange Zeit eher ablehnend gegenüber und haben sich kaum für eine grundlegende soziale Besserstellung der sozial Schwachen eingesetzt. Und das, obwohl es in der Bibel hunderte von Stellen gibt, die die Themen Recht und soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellen.
    Zum Thema Reichtum aus biblischer Sicht ist zu sagen, dass nicht der Reichtum an sich verwerflich ist, sondern der Umgang mit ihm. Der „widerliche Schmutz“ der “Unmoral“ der Reichen besteht eben gerade darin, dass sie gegenüber den Elenden und Bedrängten keinerlei Barmherzigkeit üben, dass ihnen ihr Schicksal eigentlich völlig gleichgültig ist. Und wenn wir von Reichen reden, dann reden wir nicht zuletzt von uns selbst.
    Dass Gott einen Fokus auf die Randständigen, Bedürftigen und Entwurzelten hat geht aus einer Legion von Stellen in der Bibel insbesondere bei den alttestamentlichen Propheten hervor. Man lese in diesem Zusammenhang einmal Jeremia 22. In Vers 16 heißt es dort:
    „Er hat dem Unterdrückten und dem Armen zum Recht verholfen. Darum ging es ihm gut. Heißt das nicht mich erkennen? spricht der Herr.“
    Soziale Hilfsbereitschaft (Almosen, Spenden) allein reichen eben nicht aus. Aus der Sicht Gottes soll den Unterdrückten und Armen zum Recht verholfen werden. Gerade dazu aber trägt der Sozialstaat nicht unwesentlich bei. Dieses Recht musste über lange Zeit erkämpft werden und ist keineswegs auf christlichem Mist gewachsen.

    • Katja Katja

      @Cato
      Den größten Teil meiner Antwort hat mir Adalbert schon vorweggenommen.
      Zu Abraham, Jakob und David: Ich hatte nicht geschrieben, dass Reiche IMMER gottlos sind, sondern dass die Reichen in der Bibel SO OFT auch die Gottlosen sind.
      Zu den Böcken: Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Die Weltgerichtsszene mit der Aussage über die Reichen und das Reich Gottes zusammengenommen verstehe ich so, dass die Böcke reiche Leute sind (und sie deshalb nicht ins Reich Gottes passen, weil sie durch den Reichtum blind geworden sind für die anderen). Das heißt aber nicht, dass alle Reichen automatisch wie diese Böcke sind. Jesus sagt ja auch, dass es für Reiche sehr schwer ist, ins Reich Gottes zu kommen, und nicht, dass es unmöglich ist. Er erwähnt übrigens nicht, dass Reichtum in Kombination mit Unmoral dazu führt, dass man nicht ins Reich Gottes passt. Offenbar liegt etwas im Reichtum AN SICH, was es schwer macht, ins Reich Gottes zu kommen.
      Die Stelle, die du aus der Offenbarung zitiert hast, lässt für mich nicht den Schluss zu, dass der Götzendienst und der Schmutz der Unmoral etwas sind, was unabhängig vom Reichtum gedacht werden muss. Insbesondere auf dem Hintergrund der Aussage Jesu (Mt 6,24 und Lk 16,13), dass man nicht zugleich Gott dienen kann und dem Mammon (also da ist das Geld an sich der Götze).

    • Cato Cato

      Hallo Adalbert,
      danke für deinen Kommentar! Ich sehe ein, dass ein gewisses Maß an Sozialstaat notwendig ist.

      Allerdings: In deinen Worten schwingt so etwas mit, als sei der „Frühkapitalismus“ dafür verantwortlich, dass es manchen Leuten sehr sehr schlecht ging. Das ist ein weit verbreiteter Irrglaube.
      Tatsächlich ging es den Menschen in der Agrarwirtschaft (vor der Industrialisierung) noch deutlich schlechter. Nur war das eher verteilt auf dem Lande und dadurch nicht so sichtbar.
      Höre hierzu bitte mal ein paar Minuten bei Gunnar Kaiser ab Minute 7:30 rein.
      https://youtu.be/aiwOnhK3FN0
      In dem Video wird Richard David Precht sehr schön entzaubert.

      Hast du zur „krassen soziale Not“ vieler US-Amerikaner einen Link mit weiteren Informationen?
      Aber auch wenn das stimmt, so spricht das nicht gegen die These: Viel Sozialstaat hemmt die Spendenbereitschaft, zumindest im Bezug auf die Leute im eigenen Land.

      >Aus der Sicht Gottes soll den Unterdrückten und Armen zum Recht verholfen werden. Gerade dazu aber trägt der Sozialstaat nicht unwesentlich bei.

      Denkst du an sowas wie Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder meinst du etwas anderes?

      Ich habe den Eindruck, die Kritik Gottes (durch Jeremia) richtet sich nicht bloß an die Reichen, sondern an die Mächtigen. In der heutigen Welt gehören die Politiker sicherlich dazu! Ich glaube, wir haben auch in Deutschland recht viel Korruption, die jedoch verdeckter ist: Korporatismus, von dem Politiker profitieren. Deren Gesetze können sehr sozial und nach Gerechtigkeit strebend aussehen. Tatsächlich profitieren häufig die großen Konzerne und es geht zu Lasten von kleinen und mittelständischen Firmen.

      Grüße
      Cato

  23. Cato Cato

    Hallo Katja,
    ich glaube auf deine Argumente vom 23.12. bin teilweise noch nicht eingegangen.

    Zunächst mal etwas versöhnliches. Ich glaube, ich habe den ÖR wohl tatsächlich als Feindbild gesehen. Da bin ich von meiner „Filterblase“ wohl auch beeinflusst werden.
    Ich bleibe zwar dabei, dass die Rundfunkbeiträge drastisch abgebaut werden sollten, aber etwas mehr Entspanntheit ist wohl hilfreich, besonders wenn ich mit Menschen rede, die den ÖR mögen und ihm vertrauen.

    Ob der ÖR-Beitrag nun über Steuern oder eine andere Organisation eingezogen wird, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass es Zwangsbeiträge sind. Ein Spiegel-Abo kannst du kündigen – den Rundfunkbeitrag nicht.

    Die 50% waren geschätzt. Danke für die korrekte Info. Es sind also max. 33% Politiker. Da habe ich etwas gelernt.

    Grüße
    Cato

    • Jens Jens

      @Cato Ich weiß nicht genau wie du darauf kommst, dass das ganze mehr Zwang ist als alles andere auch. Vielleicht solltest du den Rundfunkbeitrag mehr ALS eine Steuer sehen. Denn den Zwang dahinter scheinst du ja zu akzeptieren. Deswegen ist das sehr wohl relevant. Oder willst du als nächstes keine Steuern mehr zahlen weil dir nicht passt wofür die Steuergelder ausgegeben werden??Niemand hat je gesagt der Beitrag sei eine Gebühr für die du individuelle Unterhaltung bekommst. Solche Systeme funktionieren nur wenn alle beteiligt werden. Studenten zahlen auch das Ticket für die Bahn mit selbst wenn sie es nie nutzen. Die ekd finanziert massiv christliche Presse mit, die ständig die Verschwörungstheorien von Bibel und Bekenntnis verbreiten. Und bei Netflix interessiert dich nur ein Bruchteil der Serien. Solche Sachen sind nur günstiger wenn alle mitmachen und sowohl Linke als auch Rechte haben in den ÖR mehr als genug Redezeit bekommen. Den Beitrag mit einem Spiegelabo zu vergleichen ist ein schlechtes Beispiel. Und wenn Rechte für die sich die moderne Welt ein bisschen zu schnell dreht sich wegen einem „Meine-Oma-fährt-im-Hühnerstall-Motorrad-Song“ aufregen wird es lächerlich. Denn sonst dürfte die afd überhaupt nicht im Fernsehen auftreten, wenn Empörung über einen Beitrag dazu führt dass der Sender abgeschafft wird, wie es diese Menschen fordern.
      Hat schon alles seine Richtigkeit.

      LG, der Jens

      • Cato Cato

        Hallo Jens!

        >Ich weiß nicht genau wie du darauf kommst, dass das ganze mehr Zwang ist als alles andere auch. Vielleicht solltest du den Rundfunkbeitrag mehr ALS eine Steuer sehen.

        Habe ich gesagt, dass der ÖR „mehr Zwang“ ist als alles andere? Ich glaube nicht. Und ja, ich sehe den ÖR in der Tat als eine Art Steuern. Und zwar als völlig Überflüssige, so wie z.B. die Schaumweinsteuer.

        Warum hältst du den ÖR für wichtig? Wo wäre das Problem, wenn der ÖR privatisiert und z.B. in eine Aktiengesellschaft konvertiert wird; und jeder dann freiwillig Kunde sein oder es bleiben lassen könnte? Siehst du dann die Demokratie in Gefahr?

        Netflix kannst du jederzeit kündigen. Seltsam, dass du die als Beispiel anführst.

        Ich glaube, es gibt großen Unmut gegenüber dem ÖR und der Umweltsau-Song war nur ein Auslöser, um diesen Unmut zu äußern.

        Offizielles Argument nach dem Zweiten Weltkrieg für ein öffentlich-rechtliches Fernsehen war, dass die Privatwirtschaft keine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Rundfunk sicherstellen konnte. Eine Grundversorgung der Bevölkerung mit Printmedien und Rundfunk ist jedoch im Grundgesetz festgeschrieben. Dieses Argument ist jedoch heute obsolet, Die privatwirtschaftliche Versorgung mit Rundfunk ist längst Wirklichkeit geworden.

        Grüße
        Cato

  24. Hilde Perez Hilde Perez

    Hallo ,
    ich bin neu hier, das ist mein erster Kommentar …ähm… :
    Das Thema dieses Talks finde ich sehr wichtig , danke dafür ! Ich möchte nochmal auf einen Punkt hinweisen , den Liane Bednarz ja auch angesprochen hat, der mir wichtig ist : Warum gerade Christen ? Es gibt da einen theologischen Nährboden in uns evangelikal aufgewachsenen Christen, der sehr empfänglich ist für aktuelle rechte Parolen . Es ist wichtig, darüber nachzudenken . Deshalb will ich da nochmal aus meiner Sicht ein bisschen mehr zu sagen . Wer streng evangelikal aufgewachsen ist, so wie ich, hat in den 60er-80er Jahren folgende Botschaften verkündigt bekommen (und war als Kind und Teenie oft noch gar nicht in der Lage, das kritisch zu hinterfragen) : Die Welt draußen ist böse, da verführt der Satan die Menschen , die Zeiten werden immer schlimmer, die Gesellschaft bewegt sich schleichend von Gottes Ordnungen weg hin zum Chaos. Das wurde mit Bibelstellen und mit Beispielen untermauert, v.a. wurde die zunehmende sexuelle Freiheit als Beweis angeführt . Demgegenüber präsentierten sich Leiter in der Gemeinde als das Gute/ Gott vertretend und Sicherheit bietend . Nun hat sich die fromme Szene seit den 90ern ein moderneres Gesicht gegeben usw. Doch die Prägung sitzt mitunter noch tief und manchmal erschrecke ich in Gesprächen, wenn das so aufblitzt .
    Dazu kommt noch, dass auch Leiter in christlichen Gemeinden früher oft noch vom Weltbild der Nazizeit geprägt waren. Freikirchen wie die Baptisten haben sich im 3. Reich arrangiert und mitgemacht . In meiner Gemeinde wird jetzt erst darüber gesprochen und versucht , das aufzuarbeiten, so spät ! Die Generationen vorher sind alle noch unbewusst davon geprägt .
    Dazu kommt noch die tiefsitzende Angst vor allem , was irgendwie links ist ( und sofort mit den bösen Kommunisten gleichgesetzt wird ) bei Russlanddeutschen und auch bei Leuten wie meinen Eltern ( die aus der DDR ausgereist sind, weil sie wegen ihres Glaubens bedrängt wurden ) . Mein Vater sagte immer kategorisch, dass ein Christ schon die SPD nicht wählen könne, das sei ja sozialistisch und damit atheistisch.
    Und so kommt es, dass bei eigentlich menschenfreundlichen Leuten , die nie ein Problem mit Leuten anderer Kultur und Hautfarbe hatten ( meine Eltern, Freunde , Bekannte ) irgendwo ein Scharnier einrastet, sprich AfD, was man gar nicht vermuten würde .
    Grüße,
    Hilde

    • Reverend Mole Reverend Mole

      Hallo Hilde,

      bei deinem Kommentar habe ich mich an ein Zitat von Karl Barth erinnert:

      „Ein wirklicher Christ muss Sozialist werden, wenn er mit der Reformation des Christentums Ernst machen will. Ein wirklicher Sozialist muss Christ sein, wenn ihm an der Reformation des Sozialismus gelegen ist.“

      Lieben Gruß
      Daniel

      • Hilde Hilde

        Hallo Daniel,
        so sehe ich das ja auch . Deshalb komme ich ja drauf, die emotionalen Gründe für unerklärliche politische Haltungen verstehen zu wollen . Unlogisch , dass mein Vater als Arbeiter sich so geäußert hat. Unlogisch, dass Christen eine rassistische Partei unterstützen, Unlogisch, dass Russlanddeutsche eine Partei sympathisch finden, die nichts für sie tut , um ihre Lage zu verbessern.
        Gruß
        Hilde

        • ein Mensch ein Mensch

          Komisch, mein Vater hat als streng evangelikaler Christ und Arbeiter immer SPD gewählt.
          Obwohl er allem linken auch mehr als skeptisch gegenübersteht.
          So verschieden sind anscheinend die biografischen Erfahrungen 🙂

        • der Daniel der Daniel

          Hallo Hilde,

          meiner persönlichen Erfahrung nach ist das Verhalten dieser Geschwister gar nicht so völlig unlogisch. Es wird meiner Beobachtung nach zuvorderst aus einer „Steinbruchexegese“ geboren, die die Bibel nicht wirklich auf Christus hin deutet (im Sinne des „wer Jesus sieht, sieht den Vater), sondern sich in einem wilden Durcheinander überall dort in der Bibel bedient und Verse miteinander in Verbindung bringt, die eigentlich nicht miteinander in Verbindung stehen, aber aufgrund des grundsätzlich vorausgesetzten Narratives (alle Menschen sind schlecht, Sünde ist persönliche moralische Verdorbenheit, wir leben in der Endzeit, der Antichrist/Satan hat die Menschen im Griff etc pp) dann doch irgendwie passend gemacht werden.

          Meist ist die dann entstehende Logik zwar völlig kurzschlüssig, aber leider offensichtlich doch noch schlüssig genug, um der Vorstellung einer völlig verdorbenen Menschheit in vielen Köpfen und Herzen Vorschub leisten zu können.

          Solche Gläubige leben dann unbewusst in Angst und müssen zahlreiche Vermeidungsstrategien einüben und gleichzeitig ihre Glaubensvorstellungen möglichst wasserdicht gegen Aufweichungen absichern, womit sie sich gleichzeitig gegen jedwede konstruktive Kritik immunisieren.

          Diese Geschwister sehen dann nicht, dass Jesus die Menschen als Verlorene betrachtete, denen man mitleidig nachgehen, sie suchen und finden müsse, um sie ggf. auf den eigenen Schultern nach Hause tragen zu können. Sondern sie sehen nur Sünder und böse Welt und vor denen muss man fliehen und sich in acht nehmen.

          Und also wählt man dann die Partei, die am stärksten diese unbewussten Ängste zu nutzen versteht, indem sie die Gesellschaft in schwarz und weiß spaltet. Und hinsichtlich der Vorliebe nicht weniger Geschwister für Schwarzweißdenken muss ich dich ja sicher nicht aufklären… 😉

          LG
          der Daniel (übrigens ein anderer, als der Reverend. Hier tummeln sich seltsam viele Daniels)

          • Hilde Hilde

            @Daniel , @ ein Mensch : Sorry, meine Antworten sind verrutscht, ich muss das noch ein bisschen üben

  25. Hilde Hilde

    @ ein Mensch : ja , es ist mehr als komisch . Dein Vater – das empfinde ich als normal , wenn er im Westen aufgewachsen ist.
    Also wurde bei meinem das politische Denken sein Leben lang von diesen ein, zwei Erfahrungen bestimmt . Verstärkt wurde das durch die Kalte-Kriegs- Rhetorik und durch das Umfeld in der Gemeinde . Mehrere Vertriebene aus Ostpreußen, Schlesien usw. , wo „der Russe“ immer der Feind war und man sich gegenseitig darin bestätigt hat . Dann hat man sich den Glauben auch dahin zurechtgebogen , irgendwelche bösen Mächte in der Offenbarung oder im Propheten Daniel, das waren dann auch die Sowjets . Ohne Quatsch ! Wenn ich das so schreibe, das war echt gruselig .
    Schlimm , wenn man sich nur noch mit Leuten austauscht , die die eigene Weltsicht bestätigen und auch die Bibel dazu missbraucht . Dann nimmt man sich die Chance zu neuen Erfahrungen . Aber der Grund liegt schon in der Biografie .

    • Hilde Hilde

      Hallo Daniel ,
      danke für deine Hilfe um mich ein bißchen zurechtzufinden. Ist halt ein sehr beliebter Vorname 🙂
      >Und also wählt man dann die Partei, die am stärksten diese unbewussten Ängste zu nutzen versteht, indem sie die Gesellschaft in schwarz und weiß spaltet<
      Genau. Das ist es wohl, was ich lang und breit versuche zu sagen . Ich bin noch davon geschockt dass sich letztens einer aus meinem Umfeld (langjähriger Christ/ vernünftiger Mensch) pro AfD geäußert hat, beim Kaffeetrinken . Ich hätte das nie gedacht ! Mir ist das unheimlich, deshalb suche ich nach Erklärungen .
      Und was, würdest du sagen, kann man dagegen tun ?

      • der Daniel der Daniel

        Hallo Hilde,

        ich persönlich habe ja den Eindruck das wir uns einer derart gewaltigen Anzahl von Herausforderungen gegenüber sehen, dass es auf deine Frage unmöglich eine pauschale Antwort geben kann. Zurzeit besetzten die Rechten alle Themen die irgendwie von Interesse sein könnten. Seien sie von gesellschaftlicher-, politischer-, oder von religiöser Relevanz. Teilweise durch lautstarke Leugnung (es gäbe z.B. keinen menschengemachten Klimawandel), teilweise durch lautstarke Empörung (es gäbe z.B. einen Bevölkerungsaustausch), oder durch lautstarke Selbstviktimisierung (es gäbe z.B. eine Zensur ihrer Meinungen).
        Durch Leugnung, Empörung und Selbstviktimisierung lassen sich dann all die Menschen abholen, die sich selbst nicht gehört, nicht wirklich wahrgenommen, nicht verstanden oder missverstanden fühlen und die schon lange von einer „Politik der ruhigen Hand“ (wie die Regierung Schröder das nannte) oder des „Kurshaltens“ (wie Merkel das Selbe nochmal anders nannte) die Schnauze voll haben.
        Wir haben jahrzehntelang über sowas wie Politikverdrossenheit diskutiert, ohne mit der Zeit auch nur ein ganz klein bisschen was daran verändert zu haben. Und nun nutzen rechte Kräfte in ganz Europa exakt diese Verdrossenheit zu ihrem Vorteil und holen die Verdrossenen in ihrem Gefühl die Betrogenen, die Belogenen, die Opfer zu sein ab.
        Ich habe weiter oben bereits an Katja geschrieben, dass mir persönlich nur eine Instanz bekannt ist, die diese Verdrossenheit ins Positive zu verändern in der Lage wäre. Und das ist die Religion.
        Meiner persönlichen Überzeugung nach brauchen wir dringend Asylstätten zweckfreier Mitmenschlichkeit, also das, was Kirche eigentlich sein sollte. Einen Raum, in dem nicht danach gefragt wird wozu du mir nütze sein könntest, oder wie ich von dir profitieren könnte, sondern wo danach gefragt wird, wer du eigentlich bist, welcher Weg dich hierher geführt hat und was deine Träume, Sehnsüchte und Ängste sind. Akzeptierend, Umfangend, nicht manipulierend, nicht bewertend! Und dann könnte sich langsam all das Aussprechen, was die Verdrossenheit dieser Menschen in ihrem Innersten allmählich wachsen ließ. Und gemeinsam mit ihnen könnte man behutsam den Weg zurück zu der Quelle ihrer Verdrossenheit gehen, damit sich dort all das Leugnen, das Empören und die Selbstviktimisierung auflösen kann. Hin zu einem Menschen, der mit sich selbst identisch ist, der Frieden hat und Frieden lebt.
        Für mich persönlich sind es verlorene, blöckende Schafe, sie Nazi zu nennen, hilft da z.B. rein gar nichts.

        LG
        Daniel

  26. Cato Cato

    Ina, danke für deinen ausführlichen Beitrag! 100% Zustimmung von mir. (Auch wenn ich fürchte, dass meine Zustimmung ein Bärendienst für dein Anliegen sein könnte, wegen Zustimmung von falscher Seite…)
    Liebe Grüße
    Cato

    • Ina Ina

      Pfff…

      Ich sitze hier häufiger zwischen allen Stühlen, auch theologisch. Außerdem habe ich weiter oben ja schon die NZZ gegen „den Zeitgeist“ verteidigt. Anlass warst Du.

      Da Du Dich direkt auf mich beziehst, frage ich Dich jetzt doch mal, nachdem ich Deine Diskussionen hier und im Thread zum Klima verfolgt habe:

      Verstehe ich Dich richtig, dass Du Dich als Libertären siehst? Oder doch eher AfD-nah oder unentschlossen?

      Bei Gunnar Kaiser (dessen Kanal ich auch schätze und nur empfehlen kann) hättest Du doch lernen sollen, wie schnell man als Liberaler oder Libertärer zwischen die Fronten gerät!

      Deshalb wollte ich Dir schonmal inmitten Deiner Diskussionen sagen, dass ich Deine Diskursstrategie für ungeschickt halte, wenn Du ein Liberaler oder Libertärer bist.

      Tichy ist keine gute Quelle, da hauptsächlich Meinung und selten nachprüfbar. Und wenn nachprüfbar, dann die ursprüngliche Quelle zitieren!

      Und beim Klima am besten nicht bei der Wissenschaft anfangen, sondern bei der konkreten Politik und den Maßnahmen sowie dem Metathema Bürgerrechte (und den historischen Beispielen Notstandsgesetze, Radikalenerlass, Kontaktschuld etc. – die haben alle einen Wikipedia-Eintrag) Wie es sich für einen Libertären gehört! 😉

      • Cato Cato

        Hallo Ina,
        ich mag mich gar keiner Richtung oder Partei zuordnen. Außer zu Jesus Christus. Ich höre mir gerne verschiedene Ideen an und nehme das für mich an, was mich am meisten überzeugt. Mit Libertären habe ich eine große Schnittmenge, aber ich habe auch konservative Anteile. Zum Beispiel würde ich eine Legalisierung von Drogen als schädlich für die Gesellschaft einstufen und bin eher dagegen.

        Bei der AfD gefallen mir die wirtschaftsliberal-konservativen Leute. Höcke mag ich auch nicht. Ich bin jedoch froh, dass es endlich wieder eine echte Opposition im Bundestag gibt. Daran hat es lange gemangelt.

        Einige Libertäre sind Nichtwähler, weil sie sich mit keiner Partei anfreunden können. Ich gehe da lieber wählen und entscheide mich für das, aus meiner Sicht, geringste Übel.

        Manche Libertäre tun auch so, als ob in einer reinen Privatsrechtgesellschaft alles gut wäre. Auch daran glaube ich nicht. Der Mensch braucht Erlösung und schafft es nicht ohne Gott.

        Danke für die Hinweise bei der Diskussionsführung. Ich bin da ungeübt und hatte auch gar keine Diskursstrategie. Hast du hier einen Tipp zur Weiterbildung in diesem Gebiet?

        Grüße
        Cato

  27. Ralf Ralf

    @Katja schrieb weiter oben und bat @Ina:
    „Kannst du mir mal die sozialistsiche und kommunistische Literatur bzw. die soz./komm. Vordenker nennen, von denen du ableitest, dass von Anfang an Sozialismus und Kommunismus die Erscheinungsformen annehmen sollten, wie die Weltgeschichte es in Russland, Kuba, China, Nordkorea und der DDR erlebt (hat)? Danke dafür!“

    Zwar bin ich nicht @Ina, könnte das aber gerne übernehmen (obwohl ich nie gedacht hätte, einmal hier bei Hossa Talk Zitate von Engels hinzutippen), denn diese von @Katja nicht wahrgenommene absolute Autorität ist unausweichlich, wenn man die unterdrückte Arbeiterklasse an die Macht bringen und anschließend an der Macht halten will. Als kleine Kostprobe ein Zitat von Engels dazu: „Eine Revolution ist gewiß das autoritärste Ding, das es gibt; sie ist der Akt, durch den ein Teil der Bevölkerung dem anderen Teil seinen Willen vermittels Gewehren, Bajonetten und Kanonen, also mit denkbar autoritärsten Mitteln aufzwingt; und die siegreiche Partei muß, wenn sie nicht umsonst gekämpft haben will, dieser Herrschaft Dauer verleihen durch den Schrecken, den ihre Waffen den Reaktionären einflößen. Hätte die Pariser Kommune nur einen einzigen Tag Bestand gehabt, wenn sie sich gegenüber den Bourgeois nicht dieser Autorität des bewaffneten Volks bedient hätte? Kann man sie nicht, im Gegenteil, dafür tadeln, daß sie sich ihrer nicht umfassend genug bedient hat? Also von zwei Dingen eins: Entweder wissen die Antiautoritarier nicht, was sie sagen, und in diesem Fall säen sie nur Konfusion; oder sie wissen es, und in diesem Fall üben sie Verrat an der Bewegung des Proletariats. In dem einen wie in dem anderen Fall dienen sie der Reaktion.“ (aus „Von der Autorität“, Friedrich Engels (1872/73))
    Engels war sich also sicher, dass die (mit Gewalt) erkämpfte Macht auch ständig alle „reaktionären Kräfte“ unterdrücken muss, damit das Erkämpfte nicht wieder verloren geht. In der Weltgeschichte wurde diese logische Konsequenz vor unseren Augen immer und immer wieder reproduziert. Es entstanden immer menschenfeindliche, autoritäre Systeme, sobald jemand im Namen der Ideen von Marx und Engels loslegte. „Antiautoritarier“ wurden immer zu Feinden erklärt, als Verräter des „Proletariats“ bezeichnet und als angebliche Helfer der „Reaktionären“ schließlich angeschwärzt, angeklagt, eingesperrt, umgebracht.
    Diese marxistische Terminologie war übrigens bis 1989 auch in der Aktuellen Kamera, der Nachrichtensendung des DDR-Fernsehens, zu sehen und zu hören. Ein Besuch in einer der Gedenkstätten der SED-Diktatur hülfe denjenigen, die damals Kinder oder noch gar nicht geboren waren, um sich die letzte deutsche Diktatur in ihrer sozialistischen Realität noch einmal genau anzusehen. Die Vorstellung eines Sozialismus, der sich gewaltlos immer weiter in einen perfekten Kommunismus entwickelt, hat es nur auf dem Papier gegeben und kann es, wie Engels dargelegt hat, nicht geben.
    Marxismus, Sozialismus und die Lehren des Jesus von Nazareth erscheinen einigen Zeitgenossen auf den ersten Blick ähnlich. Es geht ja viel um die Armen und die Machtlosen. Gerne wird Jesus vereinnahmt und als erster „Linker“ beschrieben. Die kommunistische Utopie wird mit Jesus in der Hauptrolle besetzt und Gedankenspielchen über eine viel bessere Welt in der baldigen Zukunft aufgeführt, in der die heute Unterdrückten später keine Unterdrücker seien. Das ist ein netter Gag, um eigene, zutiefst menschliche politische Überzeugungen mit mehr Autorität anzufüllen. Dabei hat der Marxismus in seinem Wesen mit Jesus nichts gemein! Denn nicht bedingungslose Liebe und Freiheit wie bei Jesus sind die Triebfedern von Marx und Engels. Es ging diesen beiden sich sehr wichtig nehmenden Menschen, wie vielen vor und nach ihnen – wie allen Ideologen zu allen Zeiten – letztlich darum, dass nach ihren Vorstellungen Macht ausgeübt werden sollte. Sie bezeichneten den Kommunismus sogar als eine Wissenschaft. Menschen maßten sich also an zu wissen, was für alle anderen Menschen Gut sei und was als Böse zu gelten habe. Sie spielten also in ihren Gedanken selbst Gott, dessen Existenz sie ablehnten, und erschufen sich ein nicht existierendes Phantasialand, in dem alle Menschen nur dank einer absolut überlegenen Lehre friedlich und absolut gleichberechtigt, solidarisch und fürsorglich miteinander leben würden – also selbst nach all den notwendigen blutigen Kämpfen und Grausamkeiten, die zunächst notwendig sein mussten (s.o.). Heute spekulieren sowohl die extreme Rechte als auch die ideologische Linke darauf, durch eine demokratische Wahl an die Macht zu gelangen. Danach kann es – nach Engels – allen Gegnern (Reaktionären) nur an den Kragen gehen. Und damit haben wir gleich mehrere von @Katja anfangs nicht gesehene Parallelen zwischen Rechts- und Linksextremismus.
    @Katja: Rechte Propaganda als solche zu erkennen, darin sind viele gut geübt. Um linke Propaganda zu erkennen, benötigen viele ein wenig Übung. Einmal Hohenschönhausen zu besuchen hilft dabei. Ein Besuch auf der Website der MLPD auch.

    • Ina Ina

      Danke für die Engels-Zitate! In meinem Studium habe ich gelernt, dass Engels nur „der Kleine“, Marx aber der Wichtige ist… 😉

      Ich persönlich halte Marxismus / Kommunismus / Sozialismus auch nicht für kompatibel mit Christentum. Jesus hat dem Jüngling zwar geraten, alles den Armen zu geben, aber er hat nicht seinen Jüngern gesagt, sie sollen es dem Jüngling wegnehmen. 😉

      • der Daniel der Daniel

        Hallo Ina,
        Hallo Ralf,

        äh, hallo zusammen….

        @Ralf: Du stellst das Engels Zitat leider in einem falschen Zusammenhang dar, wenn du suggerierst, Engels habe diese Zeilen im Bewusstsein geschrieben, dass die Idee des Kommunismus auf immer und ewig mit Waffengewalt und Unterdrückung aufrechterhalten werden müsse.

        Das Gegenteil ist der Fall! Das Ideal einer kommunistischen Welt, ist das Ideal einer staatenlosen Gesellschaft, in der alle Menschen, alles mit Allen teilen, es also auch keinen Grund mehr gibt gegeneinander zu kämpfen, weil jeder nach seinem Bedarf das erhält, was er zum Leben benötigt.

        Der Weg zu solch einer Gesellschaft kann laut den Vordenkern allerdings nur durch Revolution eingeleitet werden, da die herrschende Klasse ihre Macht selbstverständlich nicht freiwillig abgeben wird. Und wie das nun am besten zu bewerkstelligen sei, überlegte sich z.B. Engels. Dabei sah er sich dann unter anderem auch den sogenannten „Antiautoritariern“ gegenüber, die zwar sehr für Revolution waren, aber im Augenblick ihrer siegreichen Revolution, sofort und stande pede sämtliche Autorität abschaffen wollten. Darauf reagiert Engels in seiner Schrift „Von der Autorität“, aus der du hier zitiert hast und in der er dann die Frage stellt:

        „Nehmen wir einmal an, eine soziale Revolution habe die Kapitalisten entthront, deren Autorität heutzutage die Produktion und die Zirkulation der Reichtümer lenkt. Nehmen wir, um uns ganz auf den Standpunkt der Antiautoritarier zu stellen, weiter an, der Grund und Boden und die Arbeitsinstrumente seien zum kollektiven Eigentum der Arbeiter geworden, die sich ihrer bedienen. Wird die Autorität dann verschwunden sein oder wird sie nur die Form gewechselt haben?“

        In der Folge leitet Engels dann aus der Notwendigkeit von Organisationsformen, um z.B. die Produktion von Waren weiterhin reibungslos gewährleisten zu können, die Notwendigkeit von Autorität ab, weshalb man im Falle einer geglückten Revolution unmöglich als erstes die Autorität abschaffen und die Autonomie einführen könne, was die Antiautoritarier jedoch ursprünglich wollten.

        Engels Schrift richtete sich also gegen eine Gruppe innerhalb (s)einer Gruppe, die schlussendlich alle dieselbe Idee verfolgten. Nur hinsichtlich der Umsetzung war man sich nicht einig. Man wusste nur, dass es ohne Revolution nicht gehen würde und Revolution geht wiederum nicht ohne Waffengewalt, weshalb Engels dann dieses Zitat von dir bringt. Mitnichten wollte er aber damit sagen, dass der realisierte Kommunismus ganz bestimmt immer mit Waffengewalt und unterdrückerisch tätig sein müsse. Die träumten von einer ganz anderen Welt, ohne Waffen, ohne Klassen, ohne Staat! Oder, um es mit John Lennon zu sagen: You may say i’m a dreamer, but i’m not the only one….

        Man sieht aber, da gebe ich dir völlig Recht, woran es damals, meiner persönlichen Meinung nach, vorallem mangelte: an Pazifismus! Durch die mit Waffengewalt hergestellte Revolution wird notwendig die mit Waffengewalt zu verteidigende Revolution werden und nicht wie erhofft die Vorstufe zum Kommunismus: der Sozialismus. Allerdings leuchtet mir nun gar nicht ein, weshalb dieser Sozialismus auf demokratischen Wege nicht herstellbar sein sollte? Ein demokratischer Sozialismus in Freiheit! Womit ich mich an Ina wenden möchte.

        @Ina: du schriebst: „Und wenn jetzt jemand meint, dass es bisher nur an der Umsetzung dieser großartigen Idee gehapert hat oder am Personal: Vergiss es. Wieso sollte es diesmal nicht wieder schief gehen? Nach über 60 Experimenten, die im 20. Jahrhundert schief gegangen sind? Und es lag über 60 mal immer an einzelnen Machtmenschen? Umgekehrt wird wohl eher ein Schuh draus: eine totalitäre Ideologie macht es Psycho- oder Soziopathen extrem leicht. “

        Du hast durchaus Recht. Die Idee wird sicher solange immer wieder schief gehen, solange sie sich dem herrschenden Kapitialismus mit seinem Wachstumsdiktat gegenüber sieht. Denn der Kapitalismus ist in seinem Kern ausbeuterisch und schreckt niemals vor Gewalt zurück! Gewalt gegen Staaten, Gewalt gegen Menschen, Gewalt gegen Tiere und Natur. Deshalb bekämpft er ja auch seit jeher die kommunistische Idee solange mit Gewalt, bis diese sich nur noch mit Gewalt zu verteidigen versteht. Das hat die Vergangenheit gezeigt. Du kannst deshalb die kommunistische Idee nicht losgelöst von ihrem Gegner (dem Kapitalismus) betrachten und behaupten, es läge allein an der grundlegenden Idee des Kommunismus, das er immer wieder gescheitert ist, was auch bis in alle Ewigkeit ganz sicher so bleiben wird. Den Kapitalismus kannst du nicht aus der (Gewalt)Rechnung nehmen, weshalb ich dir mal bisschen was über den Kapitalismus sagen möchte:

        Der Kapitalismus dient nicht den Menschen, er basiert vielmehr auf der Verwandlung der Menschen in Humankapital, nebst dessen profitabstler Ausbeutung! Die gleiche Gewalt, mit welcher im Kapitalismus die Natur dem Wirtschaftskreislauf unterworfen wird, wird das menschliche Leben auf Geldverdienen und Geldausgeben, auf Produktion und Konsum, auf die Funktion eines Rädchens im Getriebe der Kapitalvermehrung in einem stetigen wechselseitigen Vernichtungswettbewerb reduziert, der nur das Credo des ewigen Wachstums kennt und mittlerweile sogar unsere Lebensgrundlage (die Natur) völlig zu zerstören droht.

        Dieser Kapitalismus wird eines Tages, da bin ich mir absolut sicher, mit Volldampf gegen die Wand fahren und nur noch mehr unfassbares Elend verursachen, als er es bisher ohnehin schon getan hat. Wir, du und ich, leben zurzeit nur auf der „richtigen Seite“ der kapitalistischen Welt, deshalb ist uns das noch nicht so wirklich bewusst. Denn noch profitieren wir ja und die vielen Millionen Verhungernden, die Verlierer dieses Systems, die Ausgebeuteten werden sich vielleicht noch einige Zeit ignorieren und ausperren lassen? Aber nicht mehr lange und dann werden sie (mit vollem Recht!) vor unserer Tür stehen und Einlass verlangen. Und dann wird sich die Frage nach der Gewalt ganz neu stellen: bist du bereit zu teilen, alles und mit jedem? Oder eben nicht. Und das ist die grundlegende kommunistische Frage, deren die Idee zugrunde liegt, dass Alle alles miteinander teilen und auf Eigentum verzichtet wird. Und deshalb halte ich die grundlegende kommunistische Idee mit dem Christentum nicht nur für vereinbar, sondern durchaus für geboten (siehe auch Apostelgeschichte 4,32). Selbstverständlich darf zur Umsetzung dieser Idee jedoch niemals Gewalt angewendet werden. Das wird in Zukunft aber auch nicht nötig sein. Denn wenn sich der Kapitalismus selbst zerlegt haben wird, werden sich automatisch, schon aus reiner menschlicher Not heraus, solche Kommunen bilden.

        LG
        der Daniel

        • Amen dazu!!!!

          Ich möchte noch ergänzen: Gerade Marx ging es vorrangig um die Analyse des bestehenden Systems. Ich kenne bis heute keine bessere substanzielle Erklärung der Probleme, die wir haben. Und ich finde, sein Anliegen deckt sich sehr weitgehend mit dem biblischen (das ist auch ein Thema bei uns im Blog, so viel Werbung muss ich mir hier rausnehmen).

          Wie diese Probleme zu lösen sind, ist eine andere Frage. Aber man kann kann nicht alles, was sich Auf Marx beruft, ihm anlasten.

          Und wenn wir schon bei der Vereinbarkeit mit dem Glauben sind: wäre die „freie Marktwirtschaft“ denn besonders jesusmäßig? Sicher?

          • Und weil der Florian zu bescheiden ist, um seinen Blog auch zu nennen und nicht nur zu empfehlen, mache ich das hier mal an seiner Stelle: https://gottistlinks.wordpress.com/ 🙂

            Und ich empfehle ihn auch ausdrücklich. 🙂

            LG,
            der Jay

          • Ralf Ralf

            @Florian schrieb: „Und wenn wir schon bei der Vereinbarkeit mit dem Glauben sind: wäre die „freie Marktwirtschaft“ denn besonders jesusmäßig? Sicher?“

            Wir haben in Deutschland keine freie Marktwirtschaft.
            Wir haben hier möglicherweise ein Bildungsproblem.
            https://www.youtube.com/watch?v=lPEJ0NcKoGE

        • Ina Ina

          @Daniel

          Ähm, danke, aber mit Kapitalismus kenne ich mich wahrscheinlich besser aus, als diejenigen (die unisono von links UND rechts) schreien, er sei an allem schuld.

          VOR Marx bedeutete Kapitalismus einfach Marktwirtschaft, und die ist per se nicht schlecht. Handel, meist mit allgemein akzeptierten Wertgegenständen (Zahlungsmittel) haben fast alle Leute in der Menschheitsgeschichte betrieben. Mit Warentausch alleine kommt man nämlich nicht weit.

          Was Du meinst, ist Korporatismus, Monopol- und Kartellbildung und inzwischen auch ungedeckte Papiergeldwirtschaft. Und das wird uns umbringen, richtig.

          In der Apostelgeschichte lese ich übrigens, dass es jedem frei stand, wieviel er in die Gemeinschaft gibt. Hananias und Saphira sind dafür gestorben, dass sie vorgaben, edler zu sein als sie eigentlich waren. Wenn sie einfach nur gesagt hätten, wir geben nicht alles, wäre alles okay gewesen.

          Die christlichen Gemeinden waren außerdem keine staatlichen, sondern private (!) Einheiten. Und sie funktionierten offenbar eher subsidiär.
          In einer Face-to-face-community ist außerdem vieles mehr möglich als in größerem staatlichem Maßstab. Ich sag nur Bürokratie..

          Man kann die Gewaltlosigkeit betonen wie man will: Sobald man glaubt, das Recht auf den Besitz anderer Leute zu haben, ist man auf einem schlechten Weg, der schnell in Gewalt kippen kann.

          Remember:
          Du sollst nicht stehlen (das kann auch indirekt über ein Wrtschaftssystem passieren)
          Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus usw.

          @Florian

          Definiere Marktwirtschaft bitte.

          Selbstverständlich ist das Modell von z.B. Ludwig Erhard vereinbar mit der christlichen Lehre.

          Ich empfehle auch die klassische katholische Soziallehre mal anzuschauen. Stichwort Subsidaritätsprinzip.

          Einen Staat mit Rundumversorgung halte ich auch deshalb nicht für christlich, weil er die Menschen entmündigt statt ermuntert. Zur Freiheit sind wir bestimmt, nicht zum Nanny State, der uns alle Gefahren angeblich abnimmt, uns aber dafür auch kontrolliert.

          Das Kriterium „jesusmäßig“ trifft es für mich nicht, denn Jesus hat keine Partei gegründet. Ich halte es für unangemessen, aus der biblischen Botschaft eine politische zu machen.

          Deshalb ist Gott genauso wenigt links wie er rechts ist. (Sorry, Jay.)

          Bei Worthaus hat Thorsten Dietz einen sehr guten Vortrag über Theologie und Zeitgeist gehalten. Am Beispiel Karl Barth und NS.
          Da kann ich nur empfehlen, das mal gedanklich umzudrehen und sich zu fragen, ob wir momentan einen Zeitgeist haben, der von anderer politischer Seite alles mögliche in die Bibel hineinliest.

          Außerdem ist der Staat kein Kirchentag. Vielleicht muss man das mal so krass sagen, wenn so viele Christen meinen, ihre Glaubensüberzeugungen direkt in konkrete Politik überführen zu müssen.

          Und da hatte ich ja schon dargelegt, warum Planwirtschaft notwendigerweise nicht funktoniert.

          Marx hatte ich übrigens bereits „entschuldet“, s.u. und auch schon oben.

          • der Daniel der Daniel

            Hallo Ina,

            das was ich meine, ist der real existierende Kapitalismus, so wie er sich uns heute darstellt, so wie er sich nun einmal entwickelt hat und uns überall begegnet. Das dieser Kapitalismus korporatistische Züge trägt entspricht dabei seinem grundlegenden Wesen und widerlegt ihn nicht. Das grundlegende Wesen des Kapitalismus ist es nämlich immer mehr Rendite zu erwirtschaften und um immer mehr Rendite erwirtschaften zu können, braucht es unbedingt Wettbewerbsvorteile im allgemeinen Konkurrenzkampf.

            Diese lassen sich nun auf den verschiedensten Wegen verwirklichen. Man kann z.B. die Löhne der Arbeitnehmerinnen bis ins Perverse drücken, was bekanntlich sehr gerne gemacht wird, oder man wandert mit seinem Betrieb gleich ganz dorthin ab, wo die Menschen für noch weniger Lohn zu arbeiten bereit sind. Benötigte Rohstoffe versucht man zudem natürlich möglichst kostengünstig zu erwerben (gerne auch auf Kosten der Umwelt, oder mittels Krieg und Korruption), aber vorallem bildet man Interessen- und Lobbygruppen um Wettbewerbsvorteile zu erhaschen, die dann schlussendlich aber leider auch dafür verantwortlich sind, dass sich die von dir beklagten korporatistischen Züge im Kapitalismus entwickeln können, da diese Gruppen selbstverständlich Teilhabe an politischen Entscheidungen zu ihrem Vorteil erlangen möchten.

            Es ist das dem Kapitalismus inhärente Wachstumsstreben in Kombination mit einem gerne auch erbittert geführten Konkurrenzkampf, der all das notwendig erzeugt. Oder, um es mit der Bibel zu sagen: „Wer habgierig ist jagt nach Reichtum und weiß nicht, dass Mangel über ihn kommen wird (Sprüche 28,22).

            LG
            der Daniel

          • Zunächst mal gibt es zwischen „Rundumverxorgung“ / „Nanny States“ und der Welt, in der wir leben, durchaus noch ein paar Abstufungen.

            Ich wiederhole hier einfach mal altbekannte linke Agendapunkte:
            – die reichsten 10 % in D besitzen 60 % des Vermögens, die ärmsten 50 % dagegen nur 2 %.
            – Bildungserfolg und ökonomischer Erfolg ist in D überdurchschnittlich vom Einkommen der Eltern bzw. vom Elternhaus abhängig.
            – Unter den Folgen des Klimawandels werden Ärmere deutlich stärker zu leiden haben als die Reicheren, die sie verursachen.
            – Wir haben einen Notstand in der Pflege.
            – bezahlbarer Wohnraum in den Städten wird immer knapper. In Wien, der laut Forbes (?) lebenswertesten Stadt der Welt, kostet Wohnraum etwas über der Hälfte im Vergleich zu dt. Großstädten. Wenn nur noch Topmanager und Chefärzte in München wohnen – wer bringt dann für sie den Müll weg?
            – Frauen werden schlechter bezahlt als Männer und erhalten 25% weniger Rente

            und so weiter und so weiter. Da ist viel Luft nach oben. Die Benachteiligten können ihre Benachteiligung nicht privat und im Alleingang lösen. Das sind Themen, die entweder der Staat angeht oder niemand.

            Jetzt zum Zusammenhang von Christentum und Politik.

            Den Begriff „Zeitgeist“ halte ich für eine Nebelkerze. Richtig ist, dass jede Zeit ihre eigenen Kontexte und ihre eigenen Fragen an die Texte und Traditionen richtet. Es gibt keine Kontext- und Leser-lose Lektüre. Es kann sie nicht geben und selbst wenn es sie gäbe, wäre sie niemandem nützlich. Klar lese ich die Bibel aus der Brille meiner „Zeit“ heraus. was denn sonst.

            Wenn die biblische Botschaft keine politische sein sollte, dann frage ich mich, warum zumal Jesus ständig von Verteilung, Armut und Reichtum, Arbeit, „Königsherrschaft“ / „Reich Gottes“ und so weiter spricht. Alles nur „metaphorisch“ und „allegorisch“? Wohl kaum. Ferner: überall, wo es darum geht, das Zusammenleben zu organisieren, und sei es „nur“ unter den Jüngern oder in der Ortsgemeinde, geht es um Politik. Denn Politik ist die Organisation des Gemeinwesens, auf welcher Ebene auch immer.

            Und davon mal abgesehen zieht auch hier wieder der alt-linke Talking Point, dass man nicht wirklich unpolitisch sein kann. Wer Politik nicht aktiv mit macht, stützt damit einfach die „herrschenden Verhältnisse“. und das ist natürlich selbst wieder politisch, ob man will oder nicht.

            Das menschliche Leben ist sowieso durchzogen von Politik , bis in die Identität hinein. Da wäre es doch merkwürdig, wenn ausgerechnet der Glaube, der ganz intensiv etwas mit meiner Identität zu tun hat, sich von Politik ganz Fernhalten sollte. Und umgekehrt ist es so, dass wir in einer Demokratie gefordert sind, uns politisch zu positionieren und einzubringen. Ob wir gläubig sind oder nicht. Da ist zumindest die Frage: „Was kann Dein Glaube in die politische Waagschale werfen?“ eine sinnvolle Frage – und in einer pluralistischen Demokratie auch wünschenswert. Und wenn man diese Frage als Staatsbürger*in ernst nimmt, muss man automatisch als nächstes die Frage stellen, welche Aspekte hier politisch wirksam werden können usw.

  28. Ina Ina

    Liebe Katja,

    puh, ganz schön viele Fragen von Dir! Okay, eins nach dem anderen:

    1.
    Die Zeit-Artikel spiegeln ein linkes Narrativ wider, das ich schon mein Leben lang kenne und lange selber für wahr gehalten habe. Inzwischen muss ich sagen: es gibt tatsächlich Ideologen, die so extrem links sind, dass sie rechts wieder raus kommen.
    Antisemitismus bei den deutschen Kommunisten vor hundert Jahren oder völkisches Denken in so mancher sozialistischen Dritte-Welt-Bewegung oder auch rassistische Argumentationen bei den Linken, die besondere Behandlung für Straftäter aus anderen Kulturen fordern – zum Beispiel. Oder der grüne Vordenker Rudolf Bahro, der sich einen „grünen Adolf“ gewünscht hat…

    2. Was kann man gegen rechts tun?

    Ich kann Dir Deine Frage leider nicht konstruktiv konkret beantworten. Demonstrationen oder Konzerte gegen rechts oder ritualisiertes Warnen vor Rassismus bringen jedenfalls nichts, außer dass sich die Teilnehmer gut fühlen… Im Gegenteil wirken diese mantra-artigen Reaktionen und die moralische Selbstgefälligkeit auf diejenigen Menschen, die weiter nach rechts oder in die Nichtwählergruppe abwandern, eher abstoßend.

    Als Liberale würde ich ja immer sachpolitische Aufklärung fordern, aber ich weiß leider nicht, wer das leisten soll. Die Themen Finanz- und Außenpolitik oder zunehmende undemokratische Machtfülle bzw. -anmaßung in Brüssel (gerade auch bei Migration und Klima) werden im öffentlichen Diskurs, den ich tatsächlich enger und moralischer wahrnehme als vor 25 Jahren, nicht sachkundig behandelt und können daher leicht von den Rechten instrumentalisiert werden. (Es ist erstaunlich, wie viele AfD-Sympathisanten finanzpolitisch argumentieren. Denen geht es nicht nur um Migration.)

    Die Mitte der Gesellschaft reagiert dann v.a. panisch, so dass man die Themen inzwischen kaum noch außerhalb der Trampelpfade von Maybritt Illner und Konsorten diskutieren kann. In Berlin wird nur kleinteilig gearbeitet, aber die großen Fragen (UN-Flüchtlingspakt und Euro-Green-New-Deal) hinter einem einschläfernden Politikstil einfach durchgewunken. Und die Mehrzahl der Journalisten singt das Lied mit … Solange niemand im breiten „Mainstream“ prinzipiell und anhaltend fragt, was zum Henker sich die Damen Lagarde und von der Leyen da eigentlich erlauben, bin ich ratlos…

    3. Karl Marx, Diktatur des Proletariats u. weitere Themenfelder

    Also, Marx hatte ich nur als eine Art „Chiffre“ erwähnt. Er ist ja nicht der einzige, der kommunistische und sozialistische Ideologien beeinflusst hat. Mir ging es erstmal darum, dass man bei einem Theoretiker nicht unbedingt vorhersagen kann, was in der Praxis aus seinen Theorien wird.

    Bei Marx selber muss man immer werkgeschichtlich schauen. Es gibt wichtige Unterschiede zwischen Früh- und Spätwerk. Und generell zwischen ihm und Engels. Er hat eine Geschichtsphilosophie entwickelt. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ist die ENDform seiner Gesellschaftsutopie „die wahre Republik“ und eine klassenlose Gesellschaft. Die ergeben sich quasi „von alleine“ (zumindest sagt er nicht viel dazu, wie es sich in der Zukunft entwickeln wird). Ob das dann eine Demokratie in unserem Sinne ist, weiß ich nicht. Verwirrend fand ich bei ihm schon, dass er durchaus von „der Partei“ und der „Herrschaft“ der Arbeiterklasse spricht. Das ist zwar eigentlich nur ein „Übergangsstadium“, aber da gibt es eine Art von dauerhaft revolutionärer Republik. Frankreich war da ein Vorbild.

    Ihm ging es zuerst mal v.a. darum, die aktuelle Gesellschaft (also die ständische Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts mit Millionen Verelendeten) zu ändern. Nicht notwendigerweise mit Gewalt (Revolution und revolutionärer Zustand sind bei ihm nicht zwangsläufig gewalttätig), aber durchaus auch gewalttätig, wenn nötig.

    Was den Begriff „Diktatur des Proletariats“ betrifft, so kommt er bei Marx tatsächlich sehr selten vor, und man hat sich immer trefflich darüber streiten können, was genau er meinen sollte (nicht notwendigerweise „Gewaltherrschaft“). Genau diese Unklarheit finde ich allerdings gefährlich, weil es in der gesellschaftlichen Praxis leicht kippen kann, selbst wenn die Akteure es eigentlich „gut meinen“. Ich erinnere mich immer an den Stasi-Chef, der kurz nach Mauerfall sagte, „aber ich liebe doch alle Menschen“…

    Konkrete Literatur kann ich Dir nicht empfehlen. Was ich weiß, habe ich über meinen ehemaligen Lebensgefährten erfahren, der seit 25 Jahren Marx liest (und durch ihn weiß ich, dass nichts einfach ist… vielleicht wurde Marx aber nur zu seinem Halbgott, weil er irgendwann erkannte, dass sein Held Mao ein Massenmörder war…). Ich habe lediglich seine Texte regelmäßig Korrektur gelesen, bevor sie veröffentlicht wurden. 😉

    In der Aufnahme und Diskussion der Marxschen Thesen wird „Diktatur des Proletariats“ aber dann ein Schlüsselbegriff, besonders über deutsche Sozialisten (u.a. Rosa Luxemburg) und bei Lenin. (Stalin hat „lediglich“ den Terror perfektioniert, aber Lenin war alles andere als harmlos. – Jedoch auch hier wieder gilt, dass es keinen einheitlichen Kommunismus oder Sozialismus gibt, sondern interne intellektuelle bis hin zu handfesten tödlichen Konflikten. Der Klassiker unter meinen Bekannten am linken Rand war immer, Trotzki hochzuhalten, um sich von Stalin, aber auch Lenin abzugrenzen… Wer weiß allerdings, was Trotzki noch alles angestellt hätte, wenn Lenin ihn nicht hätte ermorden lassen… Auch Danton, den Robespierre hatte hinrichten lassen, war ein Mörder.)

    Die Idee einer „Diktatur“ von Gleichen (gegen die „Reichen“ bzw. Adligen) ist aber älter als Marx (und da muss man genau in der Begriffsgeschichte unterscheiden, was gemeint ist) und wurde im 18. Jahrhundert in Frankreich im Vorfeld der Französischen Revolution revolutionär interpretiert und auch erzieherisch verstanden: die Massen müssen erzogen werden.

    Dieses pädagogische und zugleich hoch moralische Konzept hat dann m.E. erst den Tugendterror der Jakobiner möglich gemacht und scheint mir bis heute in der („demokratisch“ wie „revolutionär“ denkenden) Linken SEHR weit verbreitet.

    Dieser moralisch-erzieherische Aspekt hat meiner Auffassung nach auch damit zu tun, dass es praktisch ein Problem darstellte, wie man die „Massen“ denn organisieren soll, wenn man keinen dauerhaft chaotischen Gesellschaftszustand will. Das sowjetische Modell, das sich fast überall durchgesetzt hat, lautet: über die Einheitspartei (die dann erzieherisch tätig wird, um „die Massen“ ideologisch zu formen). „Die Partei“ gab es aber, wie gesagt, schon bei Marx. Für weitere Details musst Du dann jemand anderes fragen.

    In West- und Südeuropa hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts dann eine Art von kommunistischer Ideologie gebildet, die sich dezidiert vom Sowjetmodell abzugrenzen versuchte (sich zum Teil aber auch als DIE Partei verstand) und das „Demokratische“ betonte. Wie das im Einzelnen funktionieren sollte, kann ich Dir nicht erklären, weil ich persönlich das nicht für überzeugend halte. Schon bei Rosa Luxemburg soll die Demokratie zwar nicht abgeschafft, aber „verwendet“ werden, um die Rechte der „Bourgeoisie“ abzuschaffen und ihren Besitz auch. Bei mir klingeln da Alarmglocken, wenn eine Personengruppe beschränkt werden soll, statt ihre Möglichkeiten auch für andere zu öffnen. Mein bevorzugtes Modell wäre daher, Eigentumsbildung für benachteiligte Gruppen zu fördern… Das funktioniert aber nicht in einem planwirtschaftlich inspirierten Rahmen…

    In den meisten Spielarten des „demokratischen Sozialismus“ geht es daher immer wieder um Begrenzung von Wohlstand (Vermögensobergrenzen oder massive Besteuerung bis hin zu Enteignungen) und Verstaatlichung von Schlüsselunternehmen in Wirtschaft und Finanzwelt. Und das verträgt sich in meiner Auffassung nicht mit Demokratie und Bürgerrechten. Der Staat ist außerdem noch nie ein guter Unternehmer gewesen und tendiert dazu, immer mehr Macht an sich zu reißen, auch in einer Demokratie. Ich halte nix vom Etatismus… Und wenn man diejenigen, die für Arbeitsplätze sorgen, zu stark an die Kandarre nimmt, wandern sie eben ab und nehmen den Wohlstand mit…

    Für West-Deutschland war das Godesberger Programm der SPD ein historischer Einschnitt. Falls die SPD wieder mit der Linken zusammengehen sollte oder möchte (Aussagen der derzeitigen Parteispitze erwecken den Eindruck), dann müsste Godesberg rückabgewickelt werden.

    Was Pol Pot oder Mao betrifft, spielen französische Diskurse eine Rolle (weil Kolonialmacht in „Indochina“). Mit denen kenne ich mich nicht gut aus, ich bin eher anglophil, weniger frankophil. 😉
    Über Pol Pot habe ich das eine oder andere gelesen rund um meine Kambodscha-Reise bzw. dort vor Ort erfahren. Konkrete französische Namen sind mir leider nicht im Gedächtnis geblieben.

    Bei dem ganzen Thema spielen verschiedene Aspekte rein, denn es handelt sich nicht um die eine einzige große Ideologie. Mir scheint es eher eine Ideologie-Familie zu sein. Auf heutige Linke hatten dann auch Leute wie z.B. Antonio Gramsci oder Herbert Marcuse großen Einfluss. (Die begegneten mir an der Uni wesentlich häufiger als Marx, Luxemburg oder Lenin)

    Realsozialistische Staaten hatten sowohl radikale Industrialisierungspolitik (UdSSR) wie auch radikale Deindustrialisierung (Kambodscha). Es gab neben der „proletarischen Internationalen“ immer auch Spielarten des Nationalismus bis hin zum „Völkischen“ (Kambodscha z.B. oder manche arabische Gruppen).

    Inzwischen haben wir es sowieso weniger mit Diskussionen um „Klassenlagen“ zu tun, sondern mehr mit Identitätspolitiken wie z.B. (in ihrer Extremform) LGBTQ versus „alte weiße Männer“. (Da bin ich mir selbst noch nicht sicher, wie genau sich das entwickelt hat. Postkoloniale linke Bewegungen scheinen mir ein Hauptfaktor zu sein.) Und auch mit grün gefärbten Vordenkern (ein Teil der Grünen stammt ja durchaus aus dem kommunistischen Milieu). Beispiel:
    https://www.welt.de/debatte/article202916512/Radikale-Klimapolitik-Wo-soll-das-alles-hinfuehren.html

    Da sehe ich eine weitaus größere Gefahr für unsere Demokratie (schleichender Abbau von Bürgerrechten und marktwirtschaftlichem Handel im Namen des Klimas) als in einer klassisch sozialistischen Revolution.

    Wobei man natürlich nie weiß, wie es weitergeht. Auch die linken wie rechten Ideologien des „ganz alten“ Schlags könnten wieder mehrheitsfähig werden, wenn die (planwirtschaftliche) Euro-Politik der EZB an ihre Grenzen stößt und wir wieder Massenarbeitslosigkeit bekommen…

    Lieben Gruß
    Ina

    • Katja Katja

      Hallo Ina,
      danke für deine langen Antworten. Du bist wirklich ein Wissens-Schatz!!
      Ehrlich gesagt frage ich mich jetzt aber noch mehr, was genau deinen Kommentar vom 24.1. ausgelöst hat 🙂
      Vielleicht hatte ich mich unklar ausgedrückt und du hast, weil du von mir den Satz „Alle Menschen sind gleich“ positiv bewertet gelesen hast, gemeint, ich sei eine Linke und würde alle Formen von Linkssein und insbesondere Linksextremismus unterstützen und verteidigen (allerdings kennst du mich ja nun schon eine Weile und müsstest wissen, dass dem nicht so ist).
      Mir ging es ja, wie gesagt, darum, zu betonen, dass Menschen in sozialistischen/kommunistischen Systemen nicht aufgrund der Grundsätze gestorben sind, dass alle Menschen gleich sind (in ihrer Würde, in ihrem Wert…) und man den Besitz/die Güter gerecht verteilen sollte – Grundsätze, die ich für „typisch links“ halte -, dass aber unter den Nazis Menschen deshalb gestorben sind, weil sie nicht der überlegenen Rasse angehörten oder sonst irgendwie unlebenswerte Menschen waren, weil behindert, homosexuell… (einen Grundsatz, den ich wiederum für „typisch rechts“ halte). Und ich habe den Eindruck, in den aktuellen Diskursen, die von rechter Seite angestoßen werden, wird eben dieser Unterschied verwischt, indem mantraartig darauf hingewiesen wird, was unter linker/sozialistisch-kommunistischer Flagge alles an Unrecht und Gräueltaten angerichtet worden ist und wird. Allein davon, dass ich diese Diskurse kritisch sehe, lässt sich aber nicht ableiten, dass ich Linksextremismus für ungefährlich oder begrüßenswert halte und mir nicht bewusst ist, was in den sozialistischen und kommunistischen Regimes vor sich gegangen ist und noch vor sich geht. Ich hatte bis dato nur noch nirgends gelernt oder gelesen, dass der Sozialismus/Kommunismus grundsätzlich eine menschenverachtende, menschenvernichtende und im letzten Ziel diktatorisch orientierte Ideologie ist (inkl. Bespitzelung, Ausbeutung, Einschräkung von Meinungs- und Pressefreiheit usw.). So wie ich das bisher und auch jetzt wieder bei deinen Ausführungen verstanden habe, ging es ja nicht darum, eine bestimmte Menschensorte auszurotten, sondern eine bestimmte Gesellschaftsstruktur zu beseitigen (ohne dass dabei die gesamte Bourgeoisie ermordet werden sollte), in der der Besitz ungerecht verteilt war. Vielleicht wären die Sozialismus- und Kommunismusversuche anders abgelaufen, hätten sich Marx&Engels konkreter dazu geäußert, wie denn die gesellschaftliche Umgestaltung genau vonstatten gehen soll… – haben sie ernsthaft geglaubt, dass jene frustrierten und aggressiven Proletarier, sobald sie sich einmal zur herrschenden Klasse aufgeschwungen und den Staat umorganisiert haben, freiwillig wieder ihre Macht abgeben und alles sich in Wohlgefallen auflöst und irgendwie „von selbst“ läuft?
      Mir ging es auch nicht darum, rechte Haltungen und rechtes Gedankengut mit Konzerten und Demonstrationen und Warnungen zu unterbinden. Sondern ich frage mich, welche andere Strategie es geben könnte, außer den Grundsatz im Leben umzusetzen, dass alle Menschen gleich sind in ihrer Würde.
      @Ralf: Was deine Vermutung angeht, ich könnte keine Parallelen zwischen Links- und Rechtsextremismus erkennen: Ich habe bereits Ina erklärt und auch hier noch einmal, weshalb ich meine, dass links und rechts grundsätzlich zu unterscheiden sind.

      • Ralf Ralf

        Ja, richtig. Links und rechts sind zu unterscheiden. Man kommt zunächst woanders hin, wenn man eine Richtung präferiert. Wenn man extrem wird, und immer nur links abbiegt, dann dreht man sich im Kreis, verliert die Orientierung und erkennt nicht, dass man mit rechtem Dauerabbiegen am selben Ort gelandet wäre.

        @Katja schrieb: „Mir ging es ja, wie gesagt, darum, zu betonen, dass Menschen in sozialistischen/kommunistischen Systemen nicht aufgrund der Grundsätze gestorben sind, dass alle Menschen gleich sind (in ihrer Würde, in ihrem Wert…) und man den Besitz/die Güter gerecht verteilen sollte – Grundsätze, die ich für „typisch links“ halte -, dass aber unter den Nazis Menschen deshalb gestorben sind, weil sie nicht der überlegenen Rasse angehörten oder sonst irgendwie unlebenswerte Menschen waren, weil behindert, homosexuell… (einen Grundsatz, den ich wiederum für „typisch rechts“ halte).“

        Liebe Katja, diese Sätze machen mich ein wenig traurig. Meinst Du das tatsächlich? Ich habe den Eindruck, das Wissen über die Nachkriegsgeschichte des Linksextremismus ist verloren gegangen – oder nie präsent gewesen? Linksextremisten sind nicht der Meinung, dass alle Menschen gleich sind. Wie kommst du darauf? Es gibt in den Augen von Linksextremisten viele Menschen, die mindestens solange keine Würde haben, bis „das System“ überwunden wurde. Ein Kapitalist ist ein Kapitalist, der – weil er ein Kapitalist ist – bekämpft werden muss. Er muss weg! Ein Polizist ist ein Werkzeug der Kapitalisten, stützt das System und muss deshalb bekämpft werden. Polizisten dürfen dabei auch umkommen. Der Mensch in der Uniform ist selbst schuld, dass er keine Würde und damit keinen Wert hat. ACAB! Und ein Nazi ist ein Nazi und darf natürlich auch umgebracht werden, weil er ein Nazi ist. Alle Gegner des Linksextremismus werden im Linksextremismus bekämpft. Da ist nichts von Gerechtigkeit und gerecht verteiltem Besitz. Idealerweise soll niemand etwas besitzen. Eigentum soll „überwunden“ werden, denn das ist ja die Wurzel des Kapitalismus. Terroranschläge gelten als geeignetes Mittel, um das System zu überwinden. Der Fahrer eines Bankiers stirbt dann eben bei der Ermordung dieses Kapitalisten auch. Selbst schuld. Wenn man einem Kapitalisten dient, kann man schon mal in die Luft fliegen.

        In ihren Mitteln unterscheiden sich die Extremisten wenig und seit einigen Jahren auch in der Optik kaum noch.
        Auf der einen Seite ist „der Jude“ die Wurzel allen Übels und auf der anderen Seite „der Kapitalist“.
        Auf der einen Seite werden alle Gegner schlussendlich als „Juden“ bezeichnet, auf der anderen Seite alle politisch anders Denkenden zu „Kapitalisten“ erklärt.
        Gemeinsam sagen beide: Wenn alle auf diese Weise definierten „Juden“ bzw. „Kapitalisten“ beseitigt und weg sind, dann ist die Welt in Ordnung.
        Ganz einig sind sich beide, dass eine „jüdisch-kapitalistische Weltverschwörung“ für alle Probleme der Welt verantwortlich ist. -> Immer nur rechts oder nur links abgebogen und am identischen Ort gelandet.

        • Katja Katja

          @Ralf
          Die Metapher mit dem Abbiegen passt zwar nicht, aber ich verstehe, was du meinst.
          Und: Ja, ich meinte diese Sätze tatsächlich so. Und zwar aus folgendem Grund: Das, was die Linksextremisten und soz/komm Systeme an Opfern produzier(t)en, geht eben NICHT darauf zurück, dass sie sich an dem Grundsatz orientieren, dass alle Menschen gleich in ihrer Würde sind (obwohl das ja ein wesentlicher linker Grundsatz ist), denn dann würden sie überhaupt niemandem Gewalt antun oder ihn umbringen. Das, was die Rechten an Opfern produzier(t)en, geht allerdings sehr wohl auf ihren Grundsatz zurück, dass es Menschen gibt, die minderwertig und nicht lebenswert sind (und in diesem Punkt treffen sie sich dann mit Linksextremen, die ja ihre Gegner als bekämpfens- und mitunter auslöschenswert betrachten).
          Dadurch, dass man nun die Gewalttaten der soz/komm Systeme und der Linksextremen zu Recht kritisiert, erweckt man aber auch den Eindruck, linke Ideen führten PER SE zu Gewalt gegenüber anderen Menschen (und damit auch: linkes Gedankengut sei per se gefährlich und schädlich usw.) Tun sie aber nicht. Rechte dagegen schon.
          Verstehst du jetzt, weshalb ich einen grundlegenden Unterschied zwischen Rechts und Links wahrnehme und in meinem ersten Kommentar dieser Diskussion behauptet habe, dass die Opfer linker Systeme und Opfer von Machtmenschen (oder auch Gewaltmenschen) sind, nicht aber des Grundgedankens, das alle Menschen gleich sind?

          • Ralf Ralf

            Liebe Katja,
            verwendest du den Begriff „rechts“ und „rechtsextrem“ synonym? Meinst du mit „rechts“ die Nationalsozialistische Ideologie (zumindest stammten deine Beispiele daraus)? Habe ich das richtig verstanden?

            Falls ja, dann machen wir das einmal auf der anderen Seite des politischen Spektrums ähnlich. Ganz „links“ wird die Befreiung der Menschheit vom Kapitalismus und die Einführung des Kommunismus als Ideal erhoben. Das bedeutet in der Praxis: Beseitigung von Kapitalisten. Was sonst? Also ganz konkret: Zwingend notwendige Umerziehung von vielen Menschen. Und die sich nicht umerziehen lassen? Was passiert mit denen? Das wissen wir aus der Vergangenheit. – Dies wäre also beispielhaft der „linke“ Wert mit aller logischen Konsequenz, der zum Vergleich zu deinen „rechten“ Werten (also den von dir genannten Nazi-Idealen) anstünde. – Wo siehst du einen Unterschied?

            Die von dir zum Vergleich ausgewählten „linken Werte“ könntest du meiner Meinung nach mit Lianes „konservativen Werten“ vergleichen, aber nicht mit den von dir genannten „rechtsextremen“. Ansonsten entsteht das Missverständnis, welches durch die fehlende Differenzierung zwischen „konservativ“ und „rechts“ in der öffentlichen Diskussion ja permanent zu finden ist. Genau über diese Unwucht in der öffentlichen Diskussion hat Liane ausführlich gesprochen. Die bunte Bandbreite der möglichen politischen Positionen geht komplett verloren.

            Aber auch die Ähnlichkeit der Auswirkung aller Ideologien mit Absolutheitsanspruch wird nicht mehr wahrgenommen. Man sagt dann (so wie du), es waren die Machtmenschen, die gar nicht nach den guten Werten gehandelt haben, wenn die Ideologie in der Praxis nicht so aussah, wie es mit blumigen Worten in der Theorie versprochen wurde.

          • Katja Katja

            Hallo Ralf,
            „rechts“ ist für mich die Grundhaltung, dass es eine bestimmte Rasse/Nation/ein Volk…gibt, dass einen höheren Wert hat als andere (oder gar die alleinige Daseinsberechtigung). Und dass es demnach Menschen gibt, die einen minderen Wert haben oder nicht lebenswert sind. Und dass Menschen, die anders sind, eine Bedrohung für die Reinhaltung und Identität dieser Rasse/Nation/dieses Volkes darstellen und deshalb nicht erwünscht oder gar auszurotten sind. Diesem Verständnis steht m.E. die Vorstellung, dass alle Menschen denselben Wert haben, diametral gegenüber. Und die finde ich nicht bei Linksextremen, aber bei nicht extremen Linken typischerweise (selbstverständlich gibt es auch Konservative oder andere Parteien des politischen Spektrums, die diese Idee bejahen, aber für mich ist das eben typisch links).
            In meinem neuesten Kommentar an Ina müsste dir deutlich werden, worum es mir eigentlich ging. Damit erübrigen sich auch alle anderen Punkte.
            Und, auch wenn es dich stört: ich glaube tatsächlich, dass nicht die Idee der Gleichheit aller Menschen dazu führt, dass man andere unterdrückt, verletzt und ermordet, sondern dass es das eigene Machtstreben und die Befürwortung von Gewalt ist. Da finde ich es wiederum undifferenziert, wenn man sagt: Nur, weil etwas in der Praxis nicht gut wurde, muss auch die Theorie grundsätzlich und in allen Punkten schlecht gewesen sein. Ein Kochrezept ist ja nicht deswegen automatisch fehlerhaft, nur weil jemandem das Essen nicht gelingt. Die Fehlerhaftigkeit des Rezeptes ist nicht ausgeschlossen, aber es gibt eben auch etliche andere Faktoren.

      • Ina Ina

        Dass Menschen gleich sind in ihrer Würde, steht bereits in der Verfassung. Da muss man momentan nichts machen. Solange jemand AfD wählt, aber niemandem weh tut, kann man auch nichts machen. Außer der Tatbestand der Volksverhetzung ist erfüllt.

        Ich habe oben auf den ritualisierten Aktionismus abgezielt, weil ich im Gegenteil finde, dass wir Sachprobleme klar ansprechen und lösen sollten. Damit graben wir der AfD besser das Wasser ab.

        Was mich an Deinem Kommentar ursprünglich getriggert hat, ist das, was Du auch jetzt wieder schreibst. Dass linke Ideologie PER SE eigentlich gut ist und niemanden umgebracht habe. Du wiederholst, was schon seit Jahrzehnten behauptet wird: dass es nur schlecht umgesetzt wurde. Während Ralf und ich (mit unterschiedlich nuancierter Begründung) sagen, dass linksextreme Ideologien zwangsläufig ins Unrecht führen.

        Nochmal ganz kurz meine Hauptpunkte:
        Es ist bereits in nur hundert Jahren über 60 mal schiefgegangen. Warum sollte es plötzlich anders sein?
        Bereits die Idee, jemand anderem seinen Besitz wegzunehmen, ist unrecht und führt automatisch zu immer mehr Begehrlichkeiten und Maßlosigkeit.
        (Allein die Argumentation, irgendetwas sei ungleich verteilt, ist übrigens ideologisch…)
        Menschen sind nicht gleich, also sollte man sie nicht gleich machen wollen. (Menschen sind gleichwertig, aber nicht gleichartig.)
        Um Gleichheit ging es in der Praxis sowieso nie.
        Planwirtschaft funktioniert nicht, fördert eher eine Funktionärs-/Bürokratenkaste, die sich nicht mit Demokratie verträgt.

        Und es ging sehr wohl bereits in der Französischen Revolution darum, eine „Menschensorte“ auszurotten. Man hat Adlige inklusive König und Königin und reiche Bürger geköpft. Und sogar extra die Guillotine erfunden, um in möglichst kurzer Zeit möglichst effektiv viele Leute zu töten.

        • Katja Katja

          Ok. Verstehe, was du meinst.
          Mir ging es von Anfang an darum, aufzuzeigen, dass der Gedanke der gleichen Würde aller Menschen niemanden umbringt. Und der ist halt nunmal kein rechter.
          Ich habe auch nirgends geschrieben, dass DIE LINKE IDEOLOGIE (in der Gesamtheit ihrer Ansätze, die sich mE ja durchaus widersprechen, siehe „alle sind gleich in ihrer Würde“ und „wir müssen bestimmte Menschengruppen bekämpfen“) per se eigentlich gut ist und niemanden umgebracht hat. Da hast du in deiner Getriggertheit etwas hineingelesen, was da nicht steht 🙂 (der Satz lautete präsize:
          „So sind ja nicht Menschen in kommunistischen/sozialistischen Staaten Opfer der Ideologie geworden, die die Gleichheit aller Menschen postuliert“). Und im Kommentar an Ralf habe ich ledigilich kritisiert, dass man linken Ideen INSGESAMT, einfach, weil sie links sind, den Vorwurf macht, sie seien gewaltfördernd. Das trifft aber nicht zu (es gibt ja auch linke Ideen, wie etwa der Gedanke der Gleichheit ;), die an sich nicht gewaltfördernd sind).
          Und ich meinte mit „gleich“ nie „gleichartig“.

    • Als kurze Fußnote möchte ich anmerken, dass das Problem v a in der Verflechtung politischer („Demokratie“) und ökonomischer („Markt“) Begriffe zu stecken scheint. Beides ist nicht dasselbe, man kann es aber auch nicht restlos trennen.

      Vielleicht kann man den Streit zum Teil darauf runter kochen, ob es reicht / zielführend ist, wenn alle möglichst viele und gleiche Rechte haben (liberales Modell), oder ob Rechte so lange wirkungslos sind, wie sie gar noch realistisch wahrgenommen werden können, wir also auf die materielle Lebenswirklichkeit schauen müssen (linkes Modell).

      Was heißt das aus „christlicher“ Perspektive?

      Ich behaupte jetzt mal aus der Lamäng, dass man beide Modelle im / ins NT lesen kann. Ich persönlich finde in der Botschaft von Jesus das zweite dominanter: Wer steht wirklich draußen, wer ist wirklich krank, wer ist zu arm im zu partizipieren usw

      • Ina Ina

        Da müsstest Du erstmal präzisieren, was genau dann „liberal“ versus „links“ sein soll.

        Gerade bei „Links-Liberalen“ oder „Sozial-Liberalen“ der klassischen Prägung (zu denen ich mich dazurechne) spielt die materielle Wirklichkeit eine große Rolle, sonst wäre ja nicht die soziale Marktwirtschaft eingeführt worden.

        Klassisch „liberal“ (in Richtung „libertär“) geht es bei Bürgerrechten nicht um „Recht/Freiheit zu“ (positives Recht), sondern um „Recht/Freiheit von“ (negatives Recht), und zwar besonders „Freiheit, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden“. Das Recht hat erstmal 100% jeder, auch wenn er arm ist.

        Meiner Auffassung nach geht es v.a. darum, wieviel Interventionismus gut ist. Bislang hielt ich mich für eine „Ordoliberale“, aber momentan kann ich keine definierbare Grenze nennen, wo genau die Planwirtschaft anfängt. DAS ist mein Hauptproblem (führt hier aber sicherlich zu weit.)

        P.S. @Katja

        Dass alle Menschen die gleiche Würde haben, ist nicht links, sondern stammt aus der Aufklärung. Links ist dann eher der Weg, wie man das erreicht.

        • Ich weiß jetzt nicht, wie viel Sinn es macht, sich um Begriffe zu streiten. Ich glaube nicht, dass alle unter „liberal“ , „libertär“, „sozial“ usw. diametral verschiedene Dinge verstehen.

          Aber gut: „Liberal“ ist in meinem Verständnis die staatstheoretische Tradition von, sagen wir, John Locke. Jeder ist seines Glückes Schmied, der Staat garantiert dazu starke Eigentumsrechte. Darauf baut dann die Aufklärung insofern auf, als aus der Vernunftfähigkeit, die bei Locke schon als Begründung angeführt wird, die gleiche, unbedingte Würde aller einzelnen Menschen folgert, dann wären wir in etwa bei Kant.

          Sehr vereinfacht heißt diese Version von Menschenrechten, dass jeder alles darf, was anderen nicht schadet / sie nicht entwürdigt. Wer aber keine materielle Lebensgrundlage hat, der lebt unwürdig, egal, welche Rechte er theoretisch hätte. ER braucht ein verdammtes Dach über dem Kopf usw.

          Staatliche Eingriffe, die dieses Problem lösen, greifen notwendigerweise in Eigentumsrechte ein, jetzt wären wir in etwa bei Rousseau und dem Begriff des Allgemeinwohls. Das steht wiederum notwendigerweise in Konflikt mit den o. g. starken Eigentumsrechten.

          Wenn man die Vorstellung der Menschenwürde durchdenkt, kommt man auf politischer Ebene automatisch in diesen Konflikt hinein. Einerseits kann sie gebieten, Eigentum zu respektieren, andererseits kann sie gebieten, in Eigentumsverhältnisse einzugreifen. In diesem Konflikt stehen wir immer. Und er äußert sich dann eben auch wirtschaftlich.

          Die Frage, wo „Planwirtschaft“ anfängt, haben wir damit sowieso. Wenn der Begriff auch noch (negativ) wertend aufgeladen wird, wird es nur noch schwieriger, ihn zu definieren. Es gibt jedenfalls bestimmte Lebensgrundlagen, die erst dadurch wirklich der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden können, dass sie staatlich geregelt sind, etwa: Infrastruktur, aber auch das Gesundheitswesen. Damit wären wir schon diesseits des Atlantiks. Die Frage ist also in Wahrheit nicht, OB wir ÜBERHAUPT Verteilungen staatlich regeln bzw. in Eigentumsverhältnisse eingreifen, sondern, was alles so substanziell zur materiellen Lebensgrundlage zählt, dass diese (demokratische!) Lenkung erforderlich ist.

          Und „links“ ist ja nicht eine einzelne Position, sondern ein Bereich auf einem Spektrum. Nämlich derjenige Bereich, der tendenziell eher gewillt ist, MEHR als WENIGER unter diese Kontrolle zu stellen.

          • Ina Ina

            Nö, für mich persönlich ist links, kritisch zu sein – sogar gegen das eigene Linkssein. Hab wahrscheinlich zu viel Adornos Negative Dialektik gelesen. 😉

            Okay, ernsthaft: Du warst es selber, der oben einen ideologischen Gegensatz zwischen „liberal“ und „links“ aufgemacht hat. Ich wollte ja demgegenüber gerade darauf hinaus, dass man das erstens so krass nicht machen kann, weil zweitens die Begriffe je nach Tradition und Kontext eben unterschiedlich bestimmt sind. Mal als gesellschaftspolitische, mal als wirtschaftliche Kategorie.

            Wenn man unter „liberal“ nicht einfach nur „gesellschaftlich progressiv“ oder „freiheitlich“ versteht, sondern speziell etwas Wirtschaftliches meint, dann ist die Spannbreite schon ein bisschen größer als John Locke. Und es ist ganz generell volks- oder wirtschaftswissenschaftlich ein Unterschied, ob man Smith, Keynes, Hayek oder Erhard nahesteht.

            Und es gab ja schon immer Leute wie mich in allen westdeutschen Traditionsparteien, auch der SPD, wenn auch zunehmend weniger.

            „Die Frage ist also in Wahrheit nicht, OB wir ÜBERHAUPT Verteilungen staatlich regeln bzw. in Eigentumsverhältnisse eingreifen“

            Doch, genau das ist die Frage.

            Man kann Steuern auch einfach als Gebühren für Staatsbürger sehen, damit eine gewisse Ordnung aufrechterhalten werden kann. Und dann muss man definieren, was zur Ordnung gehört und was legitime Ausgaben sind. Wenn der Staat das dauerhaft gegen einen großen Teil der Bevölkerung definiert, gibt’s eben Beef.

            Womit wir bei der Frage wären, ob es ein Recht AUF etwas gibt (z.B. Umverteilung). Oder auch ganz praktisch, ob Steuern sich nur auf die Einnahmen oder auch auf die Substanz (Besitz) beziehen sollen.

            „sondern, was alles so substanziell zur materiellen Lebensgrundlage zählt, dass diese (demokratische!) Lenkung erforderlich ist.!“

            Darüber kann man trefflich streiten. Soziologisch betrachtet sowieso immer im Verhältnis zum jeweiligen allgemeinen Lebensstandard zu sehen. Und ökonomisch immer mit seriöser Prognose für die Zukunft (um keine ungedeckten Schulden zu produzieren).
            Wir haben übrigens schon den besten aller existierenden Sozialstaaten. Wenn man’s übertreibt, nicht mehr. Beispiel Schweden.

            Du setzt bereits voraus, was der Staat soll und können muss. Deine Begründung der Menschenwürde ist edel und gut, wer würde da nicht zustimmen.?
            Realpolitisch müssen wir uns aber damit herumplagen, was machbar ist.

            Außerdem habe ich ja schon gesagt, dass ich einen ermunternden und ermöglichenden Staat besser finde als einen entmündigenden (worauf manche Formen materieller und ideeller Alimentierung hinauslaufen).

            Auch DAS hat was mit Menschenwürde zu tun!

            Und an diesem Punkt berührt das tatsächlich mein ganz persönliches Gottes- und Menschenbild… Dass ich an Hilfe zur Selbsthilfe glaube. Und daran, dass das Reich Gottes etwas kategorial anderes ist als unsere Gesellschaft oder eine Gemeinde (wenn auch zum Teil diesseitig, aber eben nur punktuell). Dass Menschen prinzipiell korrumpierbar sind (Sünde als anthropologischer Zustand, nicht unbedingt als unmoralische Handlung) und wir dem Staat deshalb nicht zu viel Kontrolle geben sollten. Dass wir uns nicht selber retten können, so gut wir es auch machen. Dass wir uns leider die Hände dreckig machen müssen, weil wir immer in Zusammenhänge verstrickt sind, die größer sind als wir.

            Ich empfinde meinen persönlichen Glauben als etwas sehr Erdendes. Utopien glaube ich nicht.

            Vielleicht habe ich auch einfach stärker im Blick (aufgrund Erfahrungen in der realen Wirtschaft), dass Besitz, Vermögen oder materielle Grundlagen nichts Statisches sind, die man einfach anders verteilen könnte, sondern dass sie permanent erwirtschaftet werden müssen. Dazu müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Mit schlechter Politik kann man sogar Sachwerte kaputt machen.

            Das ist für mich übrigens auch eine „weltlich“ ethische Frage: An welchen Stellschrauben drehen wir herum, wenn wir verantwortlich handeln wollen? Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht.

            Wir werden uns nicht mehr einig, lass es uns bleiben lassen. Du bist eher Idealist, ich eher Realistin. Und dementsprechend ergeben sich dann die jeweiligen ethischen Prioritäten.

            Falls ich es für mich persönlich irgendwann mal klären kann, wann aus Interventionen Planwirtschaft wird, werde ich es Dich wissen lassen.

            Dazu muss ich auch nichts „negativ aufladen“, das haben real existierende Planwirtschaften von ganz alleine geschafft. Und mir geht es ja gerade darum, ab wann Eingriffe schädlich werden. Wenn ich das nicht aufdröseln kann, mutiere ich sonst noch aus lauter Verzweiflung zur Libertären… (Das wäre dann wohl meine Art der Radikalisierung in diesen verrückten polarisierten Zeiten).

    • Katja Katja

      @Ina:
      Zu dem Thema „Abbau von Bürgerrechten im Namen des Klimas (oder im weiteren Sinne: des Umweltschutzes)/ staatliche Eingriffe in die Wirtschaft“ hab ich noch eine Frage. Das ist so ein heikles Thema… Meine Beobachtung ist folgende: Obwohl Wissenschaftler seit Jahrzehnten auf den Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und Klimaerwärmung aufmerksam machen, obwohl es schon seit Jahrzehnten immer wieder neue Studien gibt, die eine Belastung/Verseuchung der Umwelt durch die Industrie deutlich machen, hat (mit sehr wenigen Ausnahmen) in der Industrie und Wirtschaft kein freiwilliges Umdenken stattgefunden. Profit Profit Profit – ein anderes Muster kann ich in der Wirtschaft (mit sehr wenigen Ausnahmen) nicht erkennen. Wie, wenn nicht mit gesetzlichen Regelungen, weil ja freiwillig da keiner mitmacht (ähnlich wie zB auch in der Lebensmittelindustrie, Stichwort Fett/Zucker/Salzgehalt von Lebensmitteln, nicht artgerechte Tierhaltung u.ä.), wäre es denn aus deiner Sicht möglich, dass sich ein Umdenken und ein verändertes Handeln einstellt?

      • Ina Ina

        Ich finde das gar kein heikles Thema. Mir geht die Freiheit im Zweifelsfall über die Weltrettung (was ich sowieso schon zu hoch gehängt finde).

        Zuerst mal: Es ist unter Wissenschaftlern immer noch umstritten, wie stark der menschliche Einfluss ist. Nochmal zu den 97%:
        https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/klimawandel-97-prozent-konsens-bei-klimaforschern-in-der-kritik-a-992213.html

        Oder mal ein Detail zum Thema Methan und „furzende Kühe“ (weshalb wir kein Fleisch mehr essen sollen): Kürzlich hat ein Forscherteam herausgefunden, dass es eine natürliche Ursache in Ostafrika für mindestens einen Teil des rapiden Methananstiegs in der Atmosphäre gibt:
        https://www.bbc.com/news/science-environment-50708544

        Mir ist die Klimadiskussion zu alarmistisch. Ganz generell.

        Zum zweiten muss man nüchtern die konkreten Methoden diskutieren. Was kann überhaupt funktionieren und was nicht?

        Da sollte man dann mit dem Profitstreben eher konstruktiv rechnen statt es interventionistisch ausschalten. Nur wenn Unternehmen Technologien entwickeln, die man auch andernorts kaufen und einsetzen würde, ändert sich was. Derzeit läuft die Politik eher darauf hinaus, bestimmte Technologien zu fördern (E-Autos z.B.) und andere abzuwürgen (Hybrid oder andere Antriebe). Politiker können aber gar nicht beurteilen, was sich durchsetzen wird.

        Wenn wir hier CO2 teuer machen, sorgen wir außerdem eher dafür, dass andere Staaten (USA, Indien, China) umso mehr CO2 verbrauchen werden. Und wir nebenbei noch unseren Wirtschaftsstandort einbüßen. An unserem Wesen wird auch dieses mal die Welt nicht genesen. Will heißen: wir werden kein „Vorbild“ sein. Allein die Idee finde ich bereits größenwahnsinnig (und ist eventuell genau deshalb sehr deutsch…)

        Ich glaube auch nicht, dass wir Leute erziehen müssen (das war weiter oben einer meiner Hauptkritikpunkte an der Linken), sondern sie werden von ganz alleine auf andere Technologien umsteigen, die marktfähig und damit bezahlbar sind.

        Das wird in der EU aber nicht passieren, da man in Brüssel nun auf Interventionismus setzt. Und die grüne Welle reitet. Allerdings nicht, weil man so einsichtig ist, sondern weil die Geldpolitik langsam an ihre Grenzen kommt und man froh ist, einen Hebel zu haben, um das Elend noch weiter hinauszuzögern…

        Das billige ungedeckte Geld sollte Investitionen bringen und hat das Gegenteil bewirkt. Nun kann man unter dem grünen Deckmäntelchen Unternehmen und Privatleute dazu zwingen, zu investieren und das Geldsystem weiter am laufen zu halten. Indem man Sachwerte entwertet (und das ist für uns Normalbürger die unschöne Seite): Dein Häuschen oder Deine Eigentumswohnung, die Du vielleicht gerade abbezahlt hast, ist wegen der Ölheizung dann nicht mehr viel wert. Du musst Dich neu verschulden. Nachdem Dir der Wert Deiner kleinen Privat- oder Riesterrente auch bereits weggenommen wurde. (Wir haben hier nämlich keinen Kapitalismus, sondern sind bereits am Rand der Planwirtschaft.)

        Dass wir wenig innovative Forschung in Deutschland in den letzten Jahren hatten (was Du als fehlendes Mitmachen bezeichnest), würde ich übrigens anders erklären. Die lockere Geldpolitik der EZB der letzten 10 Jahre (de facto Geldflutung) hat deutsche Produkte international verhältnismäßig billig gemacht (der Euro ist zu wenig wert für die deutsche Wirtschaftskraft und zu viel für Südeuropa, dadurch haben wir in der EU unterschiedliche Niveaus und unterschiedliche Erscheinungsweisen der verdeckten Inflation). Das sorgte zwar für Rekordzahlen im Export, wurde aber mit einem Nachteil bezahlt: es gab keinen Forschungsdruck mehr, wie wir ihn zu Zeiten der sehr teuren D-Mark hatten. Um die deutschen teuren Produkte weltmarktfähig zu halten, mussten sie damals wenigstens innovativ und qualitativ besser sein.

        Ein Patentrezept für effektive Klimapolitik gibt es momentan noch nicht, aber ich halte es für sinnvoll, breit und tief darüber zu diskutieren. (Gesellschaftlich, nicht unbedingt hier, zumal wir im falschen Thread sind)

        Wenn Du meine Gedankengänge besser nachvollziehen willst, müsstest Du Dir mal das eine oder andere anhören (manches hatte ich auch schon beim Thread zum Klima gepostet).

        Interview von Gabor Steingart (früher Journalist bei Spiegel und Handelsblatt) mit Prof. Radermacher vom Club of Rome zum Thema „Klima und Konsum“ (ab Minute 8:00 ca.):
        https://www.gaborsteingart.com/podcast/https-dasmorningbriefing-podigee-io-91-neue-episode/?wp-nocache=true

        Hans-Werner Sinn (ehemaliger Chef des ifo-Instituts) zum Thema „Wie retten wir das Klima und wie nicht?“:
        https://www.ifo.de/node/51100

        „Phoenix Unter den Linden“ mit Sarah Wagenknecht und Christian Lindner zur GroKo-Klima-Politik:
        https://www.ardmediathek.de/ard/player/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLTM1N2RjMjA5LTk5YjctNDY1Ni04MDVjLTAwYWM2NGE3NmZkNQ/

        Und nochmal Prof. Sinn, hier zur Weltwirtschaft und EU-Finanzpolitik, so eine Art Crash-Kurs in Volkswirtschaft, falls Dich meine Kritik an Brüssel interessiert:
        http://www.hanswernersinn.de/de/video-vortrag-entwicklung-weltwirtschaft-hm-03072019

        Wenn Du Deinen Blick auf Wirtschaft erweitern möchtest, kann ich auch den Podcast „Beyond the Obvious“ des Wirtschaftswissenschaftlers Daniel Stelter empfehlen. Er hat schon für viele große Zeitungen geschrieben, und auch sein Blog lohnt sich.

        LG, Ina

        P.S.
        Ich nehme Menschen als mündige Mitbürger wahr. Zumindest wollen sie ja so behandelt werden. Also ist es nicht meine Aufgabe, ihnen ihr Essen vorzuschreiben. Sie wissen, dass zu viel Fett und Zucker ungesund sind. Es gibt Alternativen dazu. Ihre Entscheidung.

        • Katja Katja

          Hallo Ina,
          Also aus dem, wie ich die Klima-Debatte wahrnehme (nämlich ebenso alarmistisch wie du), ziehe ich für mich schon den Schluss, dass es ein heikles Thema ist, inwiefern man Menschen in ihrer Freiheit beschneiden darf, wenn man Maßnahmen zum Klimaschutz ergreift (du darfst ruhig anderer Meinung sein 😉 ) Nicht selten höre ich da das Argument der drohenden Öko-Diktatur/ des drohenden Öko-Sozialismus und eine große Angst davor, in den Freiheiten beschnitten zu werden, die uns momentan noch geboten sind.

          Zu dem hier wiederholt auftretenden Argument, wir hätten keinen Kapitalismus: Woran machst du das fest? Ich bin gerade zufällig dabei, ein knapp zweistündiges Interview mit H.-W. Sinn anzuhören. Er redet von unserer Wirtschaft wie selbstverständlich von einer kapitalistischen, von Angebot und Nachfrage, von Wettbewerb, davon, dass höhere Mindestlöhne in unserem Wirtschaftsmodell nicht möglich sind, da sonst Geschäftsmodelle im Niedriglohnsektor nicht mehr lukrativ wären, davon, dass Reiche für unser Land so wichtig sind, weil sie das Kapital mitbringen und reinvestieren und weil sie dafür sorgen, dass Deutschland „als Investitionsstandort in dieser wettbewerblichen Welt attraktiv“ bleibt etc. Was genau verstehst DU denn unter Kapitalismus, dass du meinst, wir hätten hier keinen?

          Deine Links höre/sehe ich gerne durch, wenn ich mit dem Interview mit H.-W. Sinn fertig bin.

          Zu deinem P.S.: Ich hatte in meinem Kommentar nicht über unsere konsumierenden Mitbürger gesprochen. Sondern über die Lebensmittelindustrie. Warum bieten sie all diese ungesunden Produkte an und machen sie so billig und bewerben sie so intensiv, wenn doch angeblich jeder weiß (sie eingeschlossen), dass sie nicht gesund sind und sie kein Mensch, dem Gesundheit am Herzen liegt, freiwillig kaufen würde? Und weshalb gibt es doch so viele Menschen, die das kaufen, obwohl doch angeblich jeder weiß, dass es ungesund ist und sie angeblich frei sind in ihrer Entscheidung, es zu kaufen oder nicht? Weshalb höre ich so oft das Argument der Industrie, sie müsste das so anbieten, denn die Kunden würden diese Produkte verlangen?

          • Ina Ina

            Hey Katja,

            hör Dich erstmal durch und schau auch den Link von Ralf zur Marktwirtschaft an. DAS verstehe ich unter Kapitalismus. (Was wir hier haben, ist Korporatismus, also Herrschaft großer Konzerne)
            Bei Daniel Stelter erfährt man auch einiges über die EU-Finanz- und Klimapolitk.

            Zur Planwirtschaft der EU ganz kurz:

            Prinzipiell ist der Kritikpunkt, dass seit 10 Jahren künstliches Geld geschaffen wird, das keinen realwirtschaftlichen Gegenwert hat. Anlass waren die Griechenland- und die Bankenkrise. Seither sind wir in einem hausgemachten Blasensystem, das immer weiter aufgepumpt wird, statt zuzugeben, dass der Euro von Anfang an schlecht aufgestellt war und man nachjustieren müsste (mit inzwischen krassen Folgen, deshalb sagt das ja auch keiner)

            Denn wir sind wir in einem Wirtschaftsraum (Euro) mit nationalstaatlich unterschiedlich starken Volkswirtschaften. Früher konnte man über Währungsauf- bzw. -abwertung die Volkswirtschaft regulieren, jetzt macht das die EZB mit unterschiedlichen Folgen für die einzelnen Länder. Und zwar, indem sie Verschuldungen der Euro-Länder untereinander regelt (Target2) und direkt Staatsanleihen der schwachen Euro-Länder aufkauft, um sie am Leben zu halten. Beides ist jenseits ihres eigentlichen Mandats und hält eine künstliche Wirtschaftsblase am laufen, die irgendwann platzen wird oder sich so verstetigt, dass wir Stillstand haben („holländische Krankheit“). In jedem Fall wird es uns schlechter gehen.

            Prof. Sinn erklärt das alles da irgendwo. Auch in bezug auf Verbraucherinflation (Preise und Löhne, die marktwirtschaftlich immer voneinander abhängen). Die derzeitige Inflation ist versteckt (in Immobilien und Aktien, die zu hoch bewertet sind), Löhne und Preise entsprechen nicht der Realität, weder in Italien (zu hoch) noch in Deutschland (zu niedrig).

            Alles andere besprechen wir dann vielleicht per Mail oder telefonisch. Ich will hier nicht den Thread zerstören und den lieben Jay stressen! 🙂

            LG, Ina

            P.S.
            “So sind ja nicht Menschen in kommunistischen/sozialistischen Staaten Opfer der Ideologie geworden, die die Gleichheit aller Menschen postuliert”

            Und genau DIESEN Satz meinte ich! Und genau da liegt immer noch das Problem!

            Ich schreib Dir dazu dieser Tage mal ne Mail. Gerade hab ich Stress…

        • Zunächst mal zum Klimawandel.

          Fragen wir umgekehrt. Wieviele Studien gibt es, die den Klimawandel offen bestreiten? James Powell kommt auf die unglaubliche Zahl von 0,0058 %. http://www.jamespowell.org

          Jetzt mal ganz zugespitzt. Die nicht-interventionistische Politik in Sachen Klima fahren wir seit 40 Jahren. In der Hoffnung auf technische Innovation usw. Passiert ist genau: nichts. Warum sollen solche Innovationen auch entstehen, wenn sie sich wirtschaftlich gar nicht unbedingt rechnen? Unternehmen operieren immer innerhalb desjenigen Spielraums, den man ihnen zumisst. heißt auf Deutsch: Klimafreundlichere Entwicklungen wird es erst geben, wenn sich die Spielregeln ändern. Beim Thema FCKW hat das komischerweise auch funktioniert. Seit Jahrzehnten redet kein Mensch mehr übers Ozonloch.

          Bei der CO2-Bepreisung geht es auch nicht nur um Volkserziehung. Es geht darum, dass die Folgen des Klimawandels (Dürre / Ernteausfälle, Klimaflüchtlinge, steigende Meeresspiegel) ganz massive Kosten in der Zukunft aufwerfen werden. Wer wird diese Kosten bezahlen? Vermutlich der Steuerzahler, und zwar jeder. Damit stellt sich ein Fairnessproblem: Diejenigen, die das Problem verursachen, sollten IRGENDWIE proportional an seiner Bewältigung mit beteiligt werden.

          Dass Deutschland im Klimaschutz und der CO2 Befreiung „voran“ geht, ist ohnehin ein Mythos. unter allen OECD-Ländern sind wir jetzt schon im hinteren Mittelfeld. Abgesehen davon: Wenn wir warten bis die USA anfangen (wenn mich nicht alles täuscht, regiert da noch ein gewisser Trump), können wir es gleich bleiben lassen. Das Thema ist zeitsensibel.

          • Ina Ina

            Ähm, nein, es geht nicht darum, wer den Klimawandel wissenschaftlich bestreitet.
            „Lass uns die Frage mal umdrehen“ ist ein rhetorischer Taschenspielertrick, der leider zum Repertoire unserer zeitgenössischen Debatte gehört: wer Fragen zum Klimawandel stellt, ist bereits ein „Klimaleugner“.

            Ich habe gesagt (auch schon vor Wochen im Klima-Thread mit einem Link zum Deutschlandfunk), dass es erstens nicht klar ist, welchen Anteil der Mensch hat, zweitens wie es weitergeht (Zeitspanne und Qualität des Wandels) und drittens welche Instrumente sinnvoll sind.

            Ich habe die Probleme und Möglichkeiten, die ich sehe, per Video-Links gepostet. Da geht es auch um die CO2-Bepreisung weltweit. Dass es bereits jetzt marktwirtschaftliche konstruktive Reaktionen auf drohende Kosten gibt (z.B. bei großen Rückversicherern, die zudem schon jetzt klimaneutral arbeiten), kannst Du im Interview von Steingart erfahren.

            Weil ich keinen Masterplan zur Klimarettung habe, werde ich nicht weiter kleinteilig auf Kosten von Jays Nerven diskutieren. Ist ja auch sowieso der falsche Thread. Dass ich planwirtschaftliche Maßnahmen ablehne, dürfte ja eh klar sein.

            Und selbstverständlich ist bereits einiges passiert. Wir hatten hier Waldsterben in den 1980er Jahren, und ich durfte in den 1970ern nicht in der Dreckbrühe von Rhein und Main baden. Zeitgleich war die DDR dank ihrer Industrie verseucht ohne Ende. Kaum war man über die Grenze, konnte man es riechen. An manchen Orten war die Luft sogar optisch wahrnehmbar verschmutzt.
            Deine Behauptung kann nur mit Deinem Geburtsdatum zusammenhängen, vermute ich jetzt einfach mal…

  29. Cato Cato

    Hallo Daniel,
    bei dir verschwimmen Kapitalismus und Korporatismus. Der Begriff Korporatismus beschreibt unsere Gesellschaft (und auch die der USA) jedoch präziser. Ich stimme dir zu, dass Unternehmer, die ihren Profit vergrößern wollten, den Korporatismus herbeigeführt haben. Wie geschah das? Sie haben sich an die Politik gewandt und Regulierungen ersonnen, die den Markteintritt von Konkurenten erschweren/verhindern. Heutige Beispiele für solche Regulierungen sind z.B. DSGVO und Upload-Filter.

    Beim echten Kapitalismus (freie Marktwirtschaft) würde sich der Staat zurückhalten.

    In einer freien Marktwirtschaft gibt es auch keinen Zwang zum Wachstum. Der Zwang zum Wachstum kommt über den Zinseszinseffekt durch das Papiergeldsystem, also dem Geldmonopol der Zentralbanken. In einer freien Marktwirtschaft könnten die Marktteilnehmer auch frei entscheiden, welches Zahlungsmittel sie nutzen möchten.

    Grüße
    Cato

  30. @ All
    Wir haben jetzt über 200 Kommentare in diesem Thread. Und der Einzige, der sie alle gelesen hat, weil er sie freischalten muss, bin ich…

    Und das sind teilweise kilometerlange Fahnen…!

    Entweder, ihr fasst Euch kürzer, oder ich schließe diesen Thread. Ich kann nicht den ganzen Tag eure Kommentare lesen. Sorry. Außerdem neigt ihr dazu, Euch im Kreis zu drehen…

    Ich werde in diesem Thread jetzt nur noch alle 1-2 Tage etwas freischalten. Irgendwie muss ich Euch die Lust darauf verderben, mir die Zeit zu klauen…

    Nehmt es mir nicht übel, aber 200 Kommentare sind ne Menge. Und ich bin nur ein armer, kleiner Hossa.

    Trotzdem LG,
    der Jay

    • Cato Cato

      Hallo Jay,
      was hast du gegen automatisches Freischalten?
      Grüße
      Cato

  31. Zum Thema Umverteilung verweise ich in aller gebotenen Kürze mal auf die linksextreme Kampfschrift „Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland“, das utopische Forderungen stellt wie z B „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ (14,2) oder das Land als Sozialstaat imaginiert (20,1)

    Gruß zurück

    • Ina Ina

      Ich wollte Dir ja ursprünglich scheiben, dass das bereits im Grundgesetz steht und man dazu keine radikalen Linken braucht. Und ich wollte Dich in Deinem Sendungsbewussstein mal fragen, wie Du das gerne persönlich ausgestaltet sehen würdest.

      Ich wollte Dir sagen, dass ich mich persönlich verschuldet habe (WEIL Eigentum verpflichtet), um die Hinterlassenschaften meines Vaters weiter produktiv zu gestalten. Und „nebenbei“ auch noch für andere Leute etwas Produktives zu schaffen.

      Ja, DAS ist Unternehmertum: sich verschulden, um etwas anzubieten, das sowohl mir als auch Dir nützt.

      Die Funktionäre eines Systems, das sich anmaßt „umzuverteilen“ (ergo: Leuten etwas wegzumehmen), haften nicht mit ihrem persönlichen Arsch! Und deshalb kommt regelmäßig etwas Unmenschliches heraus: Du bist wahrscheinlich zu jung und kannst Dich gar nicht erinnern. Die Mietwohnungen in der DDR waren staatlich und der reinste Horror…

      Aber nun leben wir in anderen Zeiten. Bernd Riexinger hat dem eine neue Bedeutung gegeben, die überhaupt nicht neu ist. „Reiche“ sollen dann doch nicht erschossen werden, sondern „nur“ in einem Zwangslager arbeiten. – Wie überaus human von ihm.

      Vergiss NIE, dass der Hunger nach Opfern immer weitergeht. Wenn „die Reichen“ nicht mehr da sind (tot oder im Arbeitslager) bist DU dran. Mit allem, was Du besitzt. Mit allem, was Du erarbeitet hast für Deine Kinder.

      Ich kann Dir garantieren (aufgrund der bisher über 60 sozialistischen Experimente im 20. Jahrhundert), dass das kein Zufall ist.

      Mein Vater (Kind einer sehr armen Bauernfamilie) wurde zum CDU-Vorsitzenden meiner Heimat-Kleinstadt. Der KPD-Vorsitzende (= Kommunistische Partei Deutschlands) sagte ihm damals, mein Vater sei der erste, den er abtransportieren lassen würde, wenn sie endlich an der Macht seien. In den 70ern war man halt noch direkt…

      Oder um es mit Slavoj Zizek zu sagen: „When I and my friends take over, you go to Gulag.”

      Aber natürlich ist Gott links, und Du wirst nichts gewusst haben eines Tages. Du warst unschuldig, völlig klar. *gähn*

  32. ein Mensch ein Mensch

    Ein Ministerpräsident von der AfD. Möglich gemacht auch mit den Stimmen einer christlichen Partei (zumindest mit dem C im Namen)
    Hätte jetzt gerne einen Propheten, der mit dem Gericht Gottes, wenn dieser Sch.. nicht aufhört.
    Aber das goldene Kalb „Macht“ ist dann wohl doch zu verlockend.

    *Bitte jetzt keine nervige Rechts-Links Diskussion*
    Faschisten sind immer schlimmer, immer!!!

  33. Katja Katja

    https://www.youtube.com/watch?v=hFOgVDuO7_M
    Echt interessant. Und auch gruselig. Soviel zu „AfD ist das geringere Übel“….
    Jetzt weiß ich auch, weshalb es so schwierig bis unmöglich ist, AfDler und AfD-Wähler mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Klimawandel und mit sonstigen wissenschaftlichen Fakten überzeugen zu wollen (hätte ich mal lieber gleich Adorno gelesen, da hätt ich mehr Lebenszeit für schöne Dinge gehabt 🙂 ).

    • Daniel Daniel

      Liebe Katja,
      danke für den wirklich ganz tollen Link. I am with you. Durch den Beitrag wird für mich auch indirekt geklärt, warum es unter evangelikalen Christen so viele AFD-Wähler gibt: Weil es dort überproportional viele autoritäre Persönlichkeiten gibt. Und das liegt m.E. nicht in erster Linie daran, dass diese an einen autoritären Gott glauben, sondern daran, dass sie häufig von autoritären Persönlichkeiten (ihren Eltern) geprägt wurden. LG Daniel

      • Katja Katja

        @Daniel
        ich hab mein früheres Gottes- und Menschenbild da schon wiedererkannt: Der Gott, der über allem steht, der König, den ich anbete, der Vater & Hirte, der einen Plan für mein Leben hat, dem ich folgen muss (das ist der Aspekt der Passivität), dem ich blind vertrauen soll und keine kritischen Anfragen/Anklagen an ihn richten darf usw. – in der Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin, gab es sogar mindestens ein Lied, in dem Gott als „Führer“ angeredet wurde (das fand ich immer spooky, aber die anderen hat das irgendwie nicht so gestört – allerdings gibt es, soweit ich das momentan beurteilen kann, in dieser Gemeinde kaum Leute, die der AfD mit ihren angeblich christlichen „Werten“ auf den Leim gegangen sind, obwohl dort auch Anti-Homosexualität, pro bürgerliches Familienmodell, anti „Frühsexualisierung“, Angst vor DEM Islam eine Rolle spielen).
        Ich glaube auch, dass sich dieses Gottesbild darauf auswirkt, wie Eltern sich ihren Kindern gegenüber verhalten. Schließlich wird Gott ja in der Bibel auch als Vater bezeichnet. Und dann gibt es diese Stellen mit der Züchtigung der Kinder und das Gebot, dass man Vater&Mutter ehren soll – da findet sich schon gut was für einen autoritären Erziehungsstil…

  34. Katja Katja

    @Cato: aus zwei aktuellen Anlässen – ein verstörendes Gespräch mit einem Freund, der sich seit ein paar Jahren als einen „wahren“ Christen bezeichnet, der „allein Jesus nachfolgt“ und der „von der Liebe zur Wahrheit getrieben“, wie er das nennt, permanent auf der Suche nach „Irrlehrern“ und dem Fehlverhalten anderer Christen ist, und einem Auftritt von Höcke in einer mir verbundenen Kleinstadt in Bayern zur Unterstützung des dortigen AfD-Bürgermeisterkandidaten (und diese Stadt gehört weder einer strukturschwachen Region an noch hat sie Probleme mit MigrantInnen o.Ä.) – zu deiner Bemerkung „Höcke mag ich nicht.“ Das Problem ist: die AfD mag Höcke. Und seine Ideologie. Von dem AfD-Organisator der Höcke-Veranstaltung wird er gefeiert als Genie, als Feingeist, als Philosoph. Und, so geschehen bei besagter AfD-Veranstaltung: Eine Frau unter den Zuhörern rief etwas Kritisches dazwischen – und wurde des Saales verwiesen. Soviel zum AfD-Verständnis von Meinungsfreiheit. Und wenn ich dann lese, dass Höcke den Amtskirchen einen „Pakt mit dem Zeitgeist“ vorwirft, wird mir auch klar, weshalb mein bibeltreuer Freund keinerlei Probleme mit diesem Mann hat (und generell, weshalb die Übergänge zwischen Neurechten und konservativen Christen so fließend sind).
    Hier noch ein paar Kostproben, die zeigen, dass Höcke kein verirrter Einzelmensch mit verirrter Einzelideologie in der AfD ist, wie er gerne von Leuten dargestellt wird, die die AfD unterstützen und ihn billigend in Kauf nehmen:
    – Hans-Thomas Tillschneider (MdL Sachsen-Anhalt): „Wer versucht, die AfD zu richten, den richtet die AfD“
    – Dubravko Mandic (Kommunalpolitiker in Baden-Württemberg): „Von der NPD unterscheiden wir uns vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützer-Umfeld, nicht so sehr durch Inhalte“
    – Dieter Görnert: „Keine Angst, das Pack ertrinkt im Mittelmeer. Aber nicht genug.“ „Das Pack erschießen oder zurück nach Afrika prügeln“
    – Marcel Grauf (Referent von Christina Baum, MdL Thüringen und Heiner Merz, MdL BaWü): „Immerhin haben wir jetzt so viele Ausländer im Land, dass sich ein Holocaust mal wieder lohnen würde“
    – Marcel Grauf: „Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder, mir egal. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen. SIEG HEIL!“
    – Petr Bystron (MdB): „Solche Menschen (i.e. Flüchtlinge) müssen wir selbstverständlich entsorgen“.
    – Sandro Hersel (MdL MeckPom): „Brennende Flüchtlingsheime sind kein Akt der Aggression.“
    – Jörg Meuthen (zu Gauland, der eine Deutschtürkin in Anatolien „entsorgen“ wollte): „ihre Bescheidenheit, nur diese eine Person entsorgen zu wollen, erscheint mir hier ausnahmsweise unangebracht.“

    und und und…:
    https://www.youtube.com/watch?v=qX4mqKZe8ts&feature=youtu.be&t=497&fbclid=IwAR31xIgntbwVAvGLFYo0HaXyqUYxUJzbgE_Q5fjCgpTZvmYrPpE5bzmv0S4

  35. R. Hugo R. Hugo

    @Katja: Schade dass Du einfach einzelne Sätze von AFD-Mitgliedern etc einfach aus dem Zusammenhang herausnimmst und zitierst.
    Das kann mE zutiefst irreführend sein .

    Oder liest Du die Bibel auch ohne den Text davor und danach zu beachten und wirfst anderen Leuten einzelne Sätze dogmatisch um die Ohren? (ich denke mal nicht ;-))

    Meine Meinung zur Afd:
    Meines Erachtens gilt für diese junge Partei dasselbe wie für die Gemeinde Christi. Ich kann die Gemeinde Christi gut finden (bzw. die BIbel), auch wenn ich einzelne Meinungen diverser Mitglieder nicht 100% teile. WIr alle sind nicht fehlerfrei. Und wer ohne Fehler ist werfe den ersten Stein. Für mich zählt zB das Parteiprogramm und das erachte ich als gut. Das entspricht mE dem der CSU von vor 15 Jahren (Pro Familie, sichere Grenzen, Gegen Gender etc). Ich empfehle das jedem Kritiker mal zu lesen. Gibts online als Ppf in Google-Suche)

    Also wäre schön, wenn man nicht einfach aus dem Zusammenhang heraus zitiert 😉

    lg

    • Zwischen „wir sind nicht fehlerfrei“ und „wir wollen wieder stolz auf die Wehrmacht sein“ gibt’s allerdings schon noch ein paar mögliche Zwischentöne. Sind nämlich einfach auffällig viele „Einzelne“, die so reden, und die sind zufällig hauptsächlich in der AfD, und zwar bis zur allerhöchsten Funktionärsebene.

      Da hilft auch der Hinweis aufs Parteiprogramm nicht, denn Politik wird von Menschen gemacht, nicht von Programmen.

      Aber wenn wir schon beim AfD Programm und „gegen Gender“ sind: die AfD will Gender Forschung das Geld entziehen. Mit der Begründung, dass das keine Wissenschaft sei.

      Abgesehen davon, dass die Begründung schlicht falsch ist (die Kategorie Gender ist in Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften nach wie vor eine grundlegende), ist sie verfassungsrechtlich hoch problematisch: Die Politik soll vorschreiben, was echte Wissenschaft ist und was nicht? Ernsthaft? Klingt ziemlich nach Sowjetunion. Von wegen Freiheit der Forschung und Lehre.

      Und das nennt sich eine „liberale“ Partei. Soso.

    • Katja Katja

      @R. Hugo
      Es gibt drei Zusammenhänge, ohne die diese Zitate irreführend wären: a) „Hitler (oder wahlweise ein anderer Nazi oder Faschist) sagte:…“, b)“…das war ein Scherz“ und c) „Ich verurteile es aufs Schärfste/diestanziere mich davon (oder andere Synonyme), wenn jemand sagt:…“. In diesen Zusammenhängen standen die Aussagen aber mW alle nicht. Sofern du alle Kontexte dieser Aussagen parat hast oder selbst in die Kommunikation mit besagten AfDlern eingebunden warst und genau weißt, wie die Sätze in ihren Zusammenhängen lauteten, wäre es natürlich hilfreich, wenn du sie hier auflistest. Ich bin da gerne offen für Korrekturen aus erster Hand.
      Hier sind die Zeitungsartikel/Internetseiten, aus denen ich die Zitate habe: https://www.reddit.com/r/de/comments/djneum/dieter_g%C3%B6rnert_von_der_afd/, https://www.mz-web.de/mitteldeutschland/afd-rechtsaussen-aus-sachsen-anhalt-bremst-seine-partei-hans-thomas-tillschneider-aus–31093780?fbclid=IwAR1hrJXtd-B56UJl2U6lqynJURbvYJ-WCx_xV3cTa98QHt14Y7jwz6nnITM, https://taz.de/Chatprotokolle-der-AfD/!5441138/, https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/offener-rassismus-100.html, https://web.archive.org/web/20160406170938/https://www.badische-zeitung.de/freiburg/vorwuerfe-gegen-afd-politiker-mandic-wegen-rechtsradikalismus–120439954.html, https://www.kontextwochenzeitung.de/medien/450/wir-schweigen-nicht-6320.html, https://www.spiegel.de/kultur/facebook-chat-eines-afd-mitarbeiters-volksverhetzend-menschenverachtend-rassistisch-a-0ed3a160-37a4-497a-9496-5ea0e335fbb6, https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ex-afd-landeschef-petr-bystron-rede-im-gauland-jargon-15310769.html?fbclid=IwAR1z1NXIQ2LQ-0GbDVs0BAtCtCunlOwHXU-PHZL0cGu__ptqyusI6SxDqTs, https://www.derwesten.de/politik/stern-tv-rtl-afd-chef-greift-im-tv-zu-beliebter-strategie-besonderer-gast-graetscht-dazwischen-id227456331.html?fbclid=IwAR3XN8zeHkU7-B-xHHT7fn48tgWawDUhmn0Bl5ndvh09HYMp9ayOhnpuaGE

      Ich finde es erschreckend, dass du solche Aussagen zum Teil teilst. Und dass du sogar eine aus dem Zusammenhang gerissene Aussage Jesu dazu hernimmst, um solche Aussagen zu relativieren (übrigens gibt es in der Bibel nirgends eine Stelle, die es, weil man selbst Sünder ist, verbietet, Unrecht zu benennen und zu kritisieren). Eigentlich würde man doch von einem christlich geprägten Menschen erwarten, dass er sagt: Diese Aussagen teile ich zu 100% nicht, denn sie sind menschenfeindlich, würdigen andere herab, sind voller Hass und Gewalt. Aber offenbar zählen die bürgerliche Kleinfamilie, sichere Grenzen und anti-Gender heutzutage zu den biblischen Grundaussagen und christlichen Werten (obwohl sie nirgends in Jesu Verkündigung vorkommen und, sofern man nicht einzelne Bibelstellen aus dem Zusammenhang reißt oder ungenau übersetzt, auch sonst nirgends in der Bibel) und deshalb muss eine Partei befürwortet werden, die für solche Themen einsteht, egal wie sehr sie die Würde von Gottes Geschöpfen mit Füßen tritt und sich in ihrem Urteilen über den Wert eines Menschen an Gottes Stelle setzt. (Mal ganz abgesehen davon, dass diese Aussagen gegen geltendes Grund- und Menschenrecht in diesem Land verstoßen).

      @Cato:
      Soviel zu deiner Aussage: „Ich bin kein AfD-Fanboy und will die auch nicht verteidigen“…
      Danke für den corretiv-link. Wenn ich das richtig sehe, konnte correctiv nicht auf die Chatprotokolle mit Sandro Hersel zugreifen, hält aber das Zitat für authentisch. Alle anderen Zitate, die ich aufgeführt hatte, gelten als belegt (über das von Tillschneider steht, soweit ich sehe, nichts in dem Artikel von correctiv). Ich hatte zwar vor meinem Kommentar zu allen AfD-Politikern recherchiert (wo sie tätig sind, in welcher Position und ob sie noch Parteimitglieder sind), aber noch keine Infos über den Parteiausschluss von Dieter Görnert vor knapp 2 Monaten gefunden.
      Auf deine AfD-Verteidigung mittels der „Aber-die-Anderen“-Strategie und dein Ablenkungsmanöver mit Whataboutismen lasse ich mich nicht ein.

      • Cato Cato

        Hallo Katja,
        warst du eigentlich selbst bei dem Auftritt von Höcke in einer Kleinstadt in Bayern? Das klingt spannend. Ich glaube dir ohne weiteres, dass das verstörend ist. Mir würde es da bestimmt auch oft kalt den Rücken runter laufen.
        Ich stimme zu, dass es bei der AfD vieles zu kritisieren gibt. Aber warum wird nur die AfD dermaßen angeprangert? Da schreit meine Gerechtigkeitsempfinden auf!
        Warum stellen die Medien es so dar, als ob die AfD die Ursache für eine Verrohung der Sprache und für Gewalttaten ist?

        Jakob Augstein twittert: „Die Wegbereiter der Gewalt haben Namen und Adresse: Sarrazin, Broder, Tichy, und andere, die die Verrohung des Diskurses vorangetrieben haben. Zuerst kommen die Worte, dann die Taten. Das ist bei den Rechtsterroristen so, wie bei den Islamisten.“
        Ich denke, die Antifa versteht den Hinweis mit der Adresse und weiß, was sie zu tun hat. 🙁

        Für eine faire Beurteilung muss das gesamte Bild betrachtet werden, nicht nur die AfD.
        Stell dir vor, es gibt einen Richter, der strenge Urteile fällt. Das ist erstmal kein Problem. Wenn dieser Richter aber nur bei einer Gruppe so streng ist, bei einer anderen Gruppe aber ganz lax, dann muss das angesprochen werden. Das ist weder ein Ablenkungsmanöver noch Whataboutism.

        Grüße
        Cato

        • Katja Katja

          Hallo Cato,
          siehst du, und hier unterscheiden sich (einmal wieder) unsere Gerechtigkeitsempfinden. Denn meines schreit jedesmal auf, wenn ich einen AfD-Politiker oder einen AfD-Sympathisanten reden höre. Schon allein aus diesem Grund war für mich eine Anwesenheit bei Höckes Auftritt undenkbar.
          Augsteins Aussage stimme ich zu. Sie enthält übrigens keinerlei Hinweise in Richtung Antifa. Es ist einfach nur eine Bestandsaufnahme des aktuellen Diskurses. Diese formulieren übrigens auch Medien- und SprachwissenschaftlerInnen und RechtsextremismusexpterInnen seit Jahren. Und, wenn ich mich recht erinnere, hat Liane im Talk auch Ähnliches gesagt.
          Hier geht es um die AfD und deshalb wird die AfD betrachtet. Und das muss man auch mal aushalten können und nicht gleich „aber die anderen“ rufen und mit anderen Themen oder Makeln anderer Politiker ablenken. Ein Richter in Deutschland wäre übrigens dem deutschen Grundgesetz verpflichtet. Und vor allem deshalb müsste er bei der AfD so streng sein.

        • Katja Katja

          @Cato
          Hab das Augsteinzitat noch 3mal durchgelesen und mir ist jetzt erst das „und Adresse“ aufgefallen. Sry. Jetzt verstehe ich, weshalb du in seiner Aussage einen Hinweis für die Antifa zu erkennen glaubst.
          Aber, wie gesagt: Es geht hier nicht um What about Augstein, sondern um dir AfD.

    • Katja Katja

      @R. Hugo
      Noch ein Hörtipp für dich bzgl. der Gender-Thematik: https://frommundfrei.net/ff008-thorsten-dietz-und-die-grosse-gender-entspannung/
      Für mich war das ein enorm aufschlussreiches Interview – denn, wie ich aus meiner eigenen Prägung her weiß und auch in etlichen Gesprächen mit christlichen Gender-GegnerInnen festgestellt habe, sind die meisten, die dagegen sind, gar nicht richtig informiert darüber, was Gender-Mainstreaming eigentlich ist und was man in der Genderforschung eigentlich macht. Und dann wird in Debatten leider meist mit Strohmann-Argumenten um sich geworfen und die Fronten bleiben verhärtet.

  36. der Daniel der Daniel

    Dann sei doch bitte so gut, R. Hugo, und nenn‘ uns doch den Zusammenhang, in dem die von Katja zitierten Aussagen der AfD-Politiker an Widerwertigkeit verlieren und zum CSU-Programm von vor 15 Jahren werden.

    Oder kommentierst du etwa Katjas Hinweise ohne über deren Kontext informiert zu sein? ;-))

    Meine Meinung zu Kommentaren wie deinem:
    Meines Erachtens gilt für deinen Kommentar dasselbe wie für jeden relativierenden Kommentar. Er möchte die Realität nicht wahr haben (und nicht die damit verbundene Gefahr) und flüchtet sich deshalb in Floskeln wie „wir sind alle nicht fehlerfrei“. Doch bleibt er gerade deshalb schlussendlich nichtssagend, denn, weißt du was, das ist uns durchaus bewusst.

    Und so möge auch dir in Liebe gesagt sein, was einem Christenmenschen von unserem Herren geboten ist, Nein, es sind keine geschlossenen Grenzen und auch nicht deren heuchlerische Euphemisierung als „sichere Grenzen“, sondern, und so steht’s geschrieben und ergeht das Wort uns: „Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen (Matthäus 25,35). Und später, im von dir so sehr geschätzten Kontext der Schrift heißt es dann: „Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! Denn […]ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. “

    Also wäre es schön, wenn du vielleicht den Zusammenhang beachten könntest. ?

    Danke! Und Gott befohlen!

  37. Katja Katja

    Hier zwei sehr interessante Vorträge, die einige Themen aus der Diskussion aufgreifen, mit Tiefgang, Hintergründen, Anlass zur Demut – und sie zeigen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven, wie wichtig metanoia ist.

    https://www.youtube.com/watch?v=3tuaXaXJ02g&feature=youtu.be
    (Ein Vortrag von 2017, da geht sie auf die aktuellen politischen Ereignisse ein; sie gibt aus ihrer Forschung auch Einblicke in konservative Gehirne, das finde ich total spannend)

    https://worthaus.org/worthausmedien/jesus-aus-nazareth-von-krieg-zu-frieden-10-1-2/

  38. Kriti-Sir Kriti-Sir

    Hier wurde damals ja schon viel gestritten.

    Mich würde, gerne auch nur als Randbemerkung in eine der kommenden Folgen interessieren, wie ihr zurzeit die Lage in Belaraus seht.
    Greift auch hier die Nächstenliebe, wenn Menschen als Schachfiguren für politische Zwecke missbraucht werden?
    Oder wie würde die Hossarchie mit dieser – man kann es ruhig so sagen – „beschissenen“ Lage umgehen.

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