#158 „Ich möchte die Lager zusammenhalten“ – Im Gespräch mit Andreas ‚Boppi‘ Boppart

Der Schweizer Andreas Boppart hat sich einen Namen als mitreißender christlicher Redner gemacht. Dabei ist Boppi, wie er genannt wird, den einen zu konservativ, den anderen zu liberal, und auch die dritten und vierten haben irgendwelche Probleme mit ihm. Er selbst versteht sich als ein Brückenbauer zwischen den auseinanderdriftenden Lagern und versucht, das zu sein in seiner Funktion als Leiter von  ‚Campus für Christus‘ in  Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wie seine Bemühungen für mehr Einheit aussehen und welche Herausforderungen ihm dabei begegnen, erfahrt ihr in diesem spannenden Gespräch. Viel Spaß!

55 Kommentare zu „#158 „Ich möchte die Lager zusammenhalten“ – Im Gespräch mit Andreas ‚Boppi‘ Boppart“

  1. Ich habe den Talk erst bis min 60 gehört aber finde den Punkt wichtig, dass es im Evangelium um Schuld, Scham und Angst gleichermaßen geht. ( Wurde aber auch schon vor mindestens 10 Jahren in Missiologie an einer der evangelikalen theologischen Ausbildungsstätten gelehrt. ;)) Um was es mr geht: Ich denke nicht, dass das Kreuz „nur“ die Antwort auf die Schuld/ Sünde ist, sondern das sich auch im und am Kreuz die Antwort auf Scham und Angst findet… Jesus hing nackt, geschlagen und verachten am Kreuz (siehe auch Hebräer 13,12+13) und Jesus betete auch „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ = Angst. Man könnte an dieser Stelle weiter reflektieren und diskutieren in wie weit sich auch am Kreuz die verschieden Aspekte im Kreuz finden… dazu bin ich aber gerade nicht in der Lage… 😉

    1. Es ist m. E. schon möglich, die verschiedenen Aspekte des Evangeliums (Schuld-Vergebung, Scham-Annahme, Angst-Schutz) gedanklich zusammen zu bringen. Man darf dazu allerdings das Kreuz nicht isoliert betrachten, sondern muss das Leben Jesu über seine Menschwerdung, sein Wirken, Kreuz und Auferweckung als Gesamtheit des Erlösungswerks Christi begreifen. Erst das durch alle diese Stationen qualifizierte Leben des Auferstandenen (!) ist mMn das Ergebnis des Erlösungswerks und in der Lage, mich auch zu erlösen, indem ich daran Anteil gewinne.

      1) Dieses Leben ist die Gerechtigkeit Gottes (Schuld-Vergebung).
      2) Dieses Leben ist grundsätzlich und dauerhaft mit Gott versöhnt (Scham-Annahme/Gemeinschaft)
      3) Dieses Leben ist dem Machtbereich der Finsternis/dem Tod grundsätzlich entzogen (Angst-Schutz).

      Im irdischen Leben Jesu findet sich in manchen Aspekten eine Vorschattung dessen, was aber erst durch das gesamte Erlösungswerk realisiert wird, z. B.

      1) Jesus vergibt Sünden und zeigt damit an, dass der Weg zur Vergebung/Gerechtigkeit künftig über ihn läuft

      2) Jesus kommt den Menschen, insbesondere den Sündern so nahe, wie nie zuvor und zeigt damit an, dass sein Erlösungswerk die Gemeinschaft zwischen Gott und dem Menschen/Sünder wieder herstellt

      3) Jesus weckt Lazarus auf und schattet damit vor, dass er künftig stärker als der Tod und Herr über Tote und Lebende sein wird.

      Gruss

      1. Das wäre auch mein Blick darauf. Nicht das Kreuz (isoliert betrachtet) erlöst den Menschen, sondern Jesus Christus in der Gesamtheit seines Seins. Dazu gehört Weihnachten (und nicht nur als eine Art initiativ-Ereignis, nach dem Motto, ohne Geburt kein Tod – sondern umgekehrt, in der Menschwerdung Gottes verkörpert sich bereits die Erlösung des Menschen), das ganze Leben Jesu, seine Passion, Tod, Begräbnis, Auferweckung und Himmelfahrt. Ich denke das nicht in erster Linie so, dass Jesus die Erlösung erwirkt habe, sondern, dass in ihm Erlösung geschieht.

        Oder anders ausgedrückt, was die Erlösung des Menschen bedeutet, lässt sich (vielleicht mit unterschiedlichen Schwerpunkten) in jedem Moment seiner irdischen Existenz ablesen, bzw wird darin zugänglich, verkörpert, geschieht. Von daher muss ich am Kreuz nicht alle Aspekte der Erlösung suchen, weil sein ganzes Leben diese Erlösung verkörpert. Wie Jesus zB mit Sündern umgeht (Schamkultur) macht damit nicht minder die Erlösung des Menschen aus als sein Tod am Kreuz, sondern verkörpert sie genauso.

        Kurz gesagt: Jesus hat nicht die Erlösung des Menschen erwirkt – er ist ihr Erlöser.

        LG,
        der Jay

        1. Den Begriff der Erlösung hat jetzt Simon oben zwar nicht gebraucht. Um das Evangelium zu beschreiben, komme ich allerdings nicht an „Erlösung“ vorbei. Denn für mein Empfinden steht bei der klassischen Sühnelehre lediglich eine Art Vergebungswerk im Zentrum. Aber das Erlösungsthema ist im Talk ja auch kurz angeschnitten…

          Ich erfahre es so, dass sehr breit Christen nicht begreiflich machen können, was Erlösung denn bedeutet. Zumindest nicht so, dass man sagen kann: Danke, Jesus für die Erlösung – im Sinne von Befreiung. Dabei ist die Befreiung _das_ dominante Erinnerungsmuster am Passamahl als Vorschattung von Christus. Daher verorte ich die eigentliche Erlösung schon am Kreuz und an der Auferstehung. Das Leben Jesu ist dann die charakterliche Zubereitung dazu bis zur Feindesliebe.

          Deine Betonung von Weihnachten gegenüber Ostern habe ich schon vernommen. Beim Fokus auf die Betrachtung des Lebens Jesu besteht dann allerdings schnell wieder die Gefahr eines unerfüllbaren Leistungsanspruchs und dem Versuch einer imitatio christi Wer kann denn schon so leben wie Jesus?

          Gruss
          Tobias

          1. Da hast Du mich, glaube ich, falsch verstanden. Mir ging es nicht darum, dass man Jesus als Vorbild, dem man nacheifern soll, versteht (da habe ich natürlich auch nichts gegen), sondern darum, worin man die Erlösung, Errettung etc festmacht. Wenn Kreuz und/ oder Auferstehung dieses „erschaffen“, dann liegt der Fokus auf dem, was Jesus getan hat (und alles was vor Kreuz und Auferstehung war, wird damit im besten Fall zu einer Vorschattung des Eigentlichen). Ich halte es für hilfreicher, Jesus selbst als die Erlösung zu betrachten und Kreuz und Auferstehung als Teil dessen, was ihn, und das was wir Erlösung nennen, ausmacht. Gott stiftet (verschenkt) Anteil an Jesus, der Gläubige wird in Jesus hineingenommen in das, was Jesus Zeit seines Lebens repräsentiert: Kindschaft, Erlösung, Vergebung, Errettung, Annahme, Überwindung des Todes, Neugeburt, die Hochzeit von Geist und Materie, göttliche Gerechtigkeit, Gnade usw.

            Somit wäre zB die Erlösung von Scham nicht etwas, was man im Kreuz „unterbringen“ muss (wie Simon das oben probiert), damit es rechtmäßig erwirkt worden sein könnte, sondern etwas, was Teil der Erlösung ist, einfach weil das Leben Jesu es über alle Maßen verströmt. Das „reicht“ dann, weil man sich nicht auf einen „Erlösungspunkt“ fixiert (Kreuz und/ oder Auferstehung) sondern auf den Erlöser.

            Mir erscheint so eine Perspektive ganzheitlicher. Und sie bewahrt einen davor, Jesus aus theologischen Gründen in ganz wichtig, wichtig und „nice to have“ aufzuteilen, wenn Du verstehst, was ich damit meine.

            LG,
            der Jay

          2. @Jay, Katja
            Dass die Person Jesu die Erlösung verkörpert – mit dieser Formulierung könnte ich noch leben. Die Frage ist halt, wie kommt die Erlösungskraft zu mir rüber. Nur durchs Anschauen des Lebens Christi? Durch den Glauben? Denn Gott ist’s, der in uns wirkt usw.
            Meine Antwort lautet hier: Dadurch, dass wir eine Neugeburt in Christus werden. Dann gilt alles, was für sein Leben gültig ist, auch für mich.

          3. Ja, das wäre für mich eine Modellformulierung mit dem ich gut arbeiten kann.
            Wie das letztlich tatsächlich von statten geht, darüber kann ich nicht wirklich etwas sagen. Aber das kann ich auch getrost Gott überlassen.

            LG,
            der Jay

          4. @Tobias
            Die evangelikale Lösung hat da schon den Vorteil der klaren Definition: Wenn du ein Bekehrungserlebnis hast, hast du dir die Erlösungskraft „gesichert“. Und es gibt ja auch viele Menschen, die davon berichten, dass ihnen dabei spürbar eine Last abfällt und sie sich danach erlöst fühlen.
            Für mich spielt schon das Anschauen des Lebens Jesu eine wichtige Rolle (nicht umsonst heißt es ja, denke ich, dass wir „in sein Bild“ verändert werden). Die aktive Auseinandersetzung mit dem, was er gesagt und getan hat, wie er war. Die dann Rückfragen an mich stellt, wie es denn bei mir aussieht und die Veränderungsprozesse anstoßen kann. Und dass ich mich bewusst öffne für das, was Gott in Jesus gezeigt hat: Liebe, Sanftmut, Geduld, Dienen, Hingabe, sich nicht an sich selbst klammern, sich verschenken, sich deutlich positionieren, wenn es gegen die Schwachen geht usw. Aber ich kann den Anstoß für diese Veränderungsprozesse nicht selbst herstellen. Es ist essenziell, dass ich berührt werde, angesprochen, herausgefordert, dass ich überhaupt merke, dass ich Veränderung brauche – das wäre dann für mich das Wirken Gottes.

          5. Mir ist heute noch ein Gedanke gekommen, den ich hier hinterher einspeisen muss:

            Selbst wenn Jesu Leben insgesamt auch viele attraktive Aspekte von erlösendem/befreienden Handeln zeigt (deine Betonung) und auch wenn die Erlösung zwingend die Auferstehung erfordert (meine Betonung), geht der im NT vorgestellte _Zugang_ zu Gott und seiner angebotenen Erlösung inkl. Vergebung nun einmal über das Kreuz und den Tod Jesu, dargestellt auch im Abendmahl. Hier nähere ich mich in einer bestimmten Herzenshaltung vergleichbar den Sühneritualen im AT bei Annäherung an die Bundeslade.

          6. …und auch ein nachösterlicher Blick.
            Meine Fragen dazu sind: Wenn der Zugang zu Gott nur über das Kreuz und die Auferstehung ginge, weshalb hat Jesus dann zu Lebzeiten schon so viele Menschen erlösen können – von Krankheit, sozialer Isolation, kaputten Beziehungen, verqueren Lebenswegen, Scham, Schuld, sogar vom Tod? Weshalb hat das Kreuz und die Auferstehung in seiner Verkündigung keine Rolle gespielt? Hat er selbst überhaupt jemals davon gesprochen, dass das Kreuz NÖTIG wäre zur Vergebung, Erlösung, zum Zugang zu Gott?

          7. @Jay: Nach meinem Wissenstand betont die Ostkirche vor allem die Überwindung des Todes, die protestantische Sicht die Gerechtsprechung. Beide Aspekte sind m. E. auf der Ergebnisseite der Erlösung zu verbuchen. Sie hängen in der Person Jesu miteinander zusammen. Mir wäre jetzt nicht bekannt, dass die Ostkirche einen anderen Zugang zum Neuen Bund lehrt als über Taufe und Abendmahl. Und beides hat mit dem Tod des Herrn zu tun. Der Vorhang zum Allerheiligsten zerreisst nun mal erst am Kreuz und nicht vorher.

          8. @Katja:
            Wenn man von Erlösung spricht, dann ist es sinnvoll, zu beschreiben, was man unter dem Begriff versteht. Gerade weil Christen hier sehr unkonkrete und unterschiedlichen Vorstellungen haben.

            Der Messias war ja zu Recht erwartet worden als der Erlöser/Befreier der Gesamtheit des Volks Israel aus Fremdherrschaft. Dies hat sich beim ersten Kommen nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil.

            Dagegen hat er sich gezeigt als ein persönlicher Befreier/Erlöser, wie du schreibst von Krankheit, Isolation usw. bis hin zum Tod. Jedoch sind die ganzen Geheilten und selbst Lazarus doch auch noch gestorben. Und so deute ich diese ganzen Ereignisse als eine Vorschattung dessen, was dann seine ewig gültige Erlösung leistet. Die hat diese ganzen features dann auch und noch viel besser…

            Wenn man dann von Erlösung sprechen will, dann halte ich mich an die Ausdrucksweise des NT. Im Hinterkopf die Geschichte Isreals und die Ereignisse des Erdenlebens Jesu. Hat Jesus selbst von Erlösung gesprochen? Zumindest finde ich in den Briefen:
            1) die Erlösung vom Leibe dieses Todes (Röm. 7)
            2) die Erlösung aus dem Machtbereich der Finsternis (Kol. 1,13.14)
            3) die Erlösung vom Fluch des Gesetzes (Gal. 3,13).
            Das alles erwirkt er durch seine Erlösungstat.

            Warum war das Kreuz und die Auferstehung nicht seine zentrale Botschaft? Ich denke, das Kreuz und die Auferstehung war ein Stück weit ein Geheimnis, welche er erst gegen Ende seinen Jüngern offenbart hat. Seine zentrale Botschaft war die vom Reich Gottes und wie man rein kommt.

          9. Danke für den link. Was ich verstanden habe: In der protestantischen Sicht kann Gott den Menschen das Leben geben, weil der Sohn mit seinem Tod der Blitzableiter für den Zorn Gottes wird, diesen Zorn mit seinem Tod quasi ausgleicht. Ist bekannt. In der Sicht der Ostkirche nähert sich Gott einfach in lebensspender Weise dem durch die Sünde gebrochenen Menschen, verkürzt gesagt.

            Mann kann jetzt sicher jeder Variante in irgendeinem Verständnis den Aufkleber „Erlösung“ verpassen – von Schuld, aus Sinnlosigkeit, Selbstkorruption, Tod etc. Doch ist m. E. die Lage, aus der heraus der Mensch Erlösung benötigt, ich sag mal, etwas komplexer. Es gibt in diesem Drama doch verschiedene relevante Faktoren: den heiligen und barmherzigen Gott, das Gesetz, die Freiheit des Menschen, den Leib des Menschen, die Finsternisseite mit ihren Machtansprüchen.

            Warum Gott dem Menschen wie er heute ist, trotzdem dauerhafte Gemeinschaft anbieten kann ohne seine Heiligkeit zu kompromittieren, dazu habe ich noch eine andere Erklärung gefunden. Hier mein letzter Post dazu:
            https://churchinbalance.de/was-kann-gott-nicht/

          10. @Tobias
            Vielleicht ist der Begriff der Erlösung in der Christenheit deshalb so uneindeutig, weil er es auch schon in der Bibel ist? Auch die Bilder von dem, was da am Kreuz passiert ist, sind ja schon im NT vielfältig.
            Dazu hab ich zwei Hörempfehlungen:
            – eine Predigt von Niko Kohler beim jesustreff: https://soundcloud.com/jesustreff/jesu-tod-am-kreuz-warum-lasst-uns-das-haufig-kalt-bibel-und-botschaft-09042019?in=jesustreff/sets/bibel-und-botschaft
            – und eine Doppelfolge movecast mit Andreas Loos: https://movecast.de/mc-60-wie-muessen-wir-das-kreuz-verstehen-special-mit-dr-andreas-loos/, https://movecast.de/mc-61-teil-2-wie-muessen-wir-das-kreuz-verstehen-special-mit-dr-andreas-loos/
            Die NT-Zitate, die du anführst, sind ja nun gerade NICHT Zitate aus den Reden Jesu, sondern Ausführungen/ Interpretationen von Paulus zum Thema Erlösung. Die heutige christliche Sicht auf das Kreuz ist ja vor allem eine paulinische und nicht eine, die sich auf Jesus stützt (weil er dazu so wenig gesagt hat).
            Zu der Erwartung des Messias als Befreier von den Römern hat Martin Benz auch eine echt interessante Folge gemacht: https://movecast.de/mc-103-der-verrat-des-judas-ischariot/
            Ich denke, dass diese Erwartung mit dem Background des AT gar nicht so abwegig war. Dort spielte ja auch der Aspekt der Erlösung zu einem ewigen Leben keine Rolle – da gab es gar nicht den Bedarf und auch nicht problematisch, dass man mit dem Tod eine natürlich gesetzte Grenze hat. Da ging es ja eher um ein erfülltes Leben vor dem Tod, wenn ich das recht verstehe.

            Das mit dem „Geheimnis“, das Jesus erst am Ende seinem „inner circle“ anvertraut hat, finde ich keine sinnvolle Erklärung. Wenn das Kreuz und die Auferstehung wirklich so einen zentralen Stellenwert im Auftrag Jesu und seiner Erlösungsgeschichte haben, weshalb hat er es dann der breiten Masse verschwiegen? Weshalb ein Geheimnis darum gemacht und sich dann so kryptisch ausgedrückt, dass es nicht einmal seine engsten Vertrauten verstanden haben? Hätten sie es begriffen, hätten sie ja seinen Tod nicht verhindern wollen und hätten erstmal gefeiert und wären nicht in Trauer, Verzweiflung, Angst und Unsicherheit versunken.

            Was die Abendmahls“liturgie“ von Jesus angeht, habe ich erst kürzlich was Interessantes gehört (ich weiß nicht, ob es stimmt, aber es hat mich echt beeindruckt und vieles in ein neues Licht gerückt): Dieses Ritual, den Becher zu reichen und das Gegenüber zu bitten, zu trinken, um einen „Bund“ zu bekräftigen, stammt aus den jüdischen Hochzeitsritualen. Da trifft sich der Bräutigam mit seiner und der Brautfamilie an einem Tisch zum Essen und dann reicht er seiner Auserwählten den Kelch entgegen mit etwa den Worten: „Das ist mein Bund mit dir. Nimm und trink!“ – sie kann dann den Kelch nehmen und somit in die Ehe einwilligen, oder ablehnen. Wenn sie ihn annimmt, bekommt sie einen neuen (Bei-)Namen, der auf deutsch in etwa übersetzt heißt: „Mit einem hohen Preis erkauft“. Auch einige Gleichnisse (zB das von den 10 Jungfrauen) Jesu nehmen Bezug auf Bestandteile dieser vorhochzeitlichen jüdischen Rituale. Oder auch die Aussage, dass Jesus zu seinem Vater geht und im Hause seines Vaters viele Wohnungen bereiten wird: Der junge Man hatte in seiner Verlobungszeit die Aufgabe, im Haus seiner Familie eine Wohnung einzurichten für sich und seine Zukünftige. Im Bild mit der Gemeinde als Braut und dem großen Hochzeitsmahl wird das dann im NT in den Briefen und der Offenbarung weitergeführt. Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass das erste öffentliche Wirken/Wunder Jesu bei einer Hochzeitsfeier stattfand?
            Ich glaube daher, das mit der Vergebung der Schuld und der Befreiung vom Tod ist nur ein kleiner Aspekt dieser ganzen Erlösungsgeschichte. Da geht es um mehr, um ein Werben um Liebe, eine Beziehung. Was man ja auch schon im AT öfter durchscheinen sieht.

            Ich denke auch, dass die Betonung der Befreiung von Schuld und der Erlösung hin zu einem nicht durch den Tod begrenzten Leben ein sehr menschenzentrierter Aspekt ist bzw. ein Aspekt, der sich nur auf den „Benefit“ der Menschen bezieht – die nun keine Angst vor einem wie auch immer gearteten Gericht, der Verdammnis und einer ihrem Leben gesetzten Grenze haben müssen oder die Trost in der Vorstellung erfahren, dass sie verstorbene Freunde und Angehörige irgendwann einmal wieder treffen werden. Was aber ist dabei der „Benefit“ für Gott? Gemeinschaft mit den Menschen kann er ja schon vor ihrem Tod durch den Heiligen Geist haben und auch trotz ihrer Sünde, so wie Jesus ja auch mit den Sündern Gemeinschaft haben konnte – ohne dass er sterben musste und auferstehen. Und was das Thema „Heiligkeit“ angeht, hier noch ein Video vom Bibelprojekt, das ich auch schon an anderer Stelle hier verlinkt habe: https://dasbibelprojekt.visiomedia.org/videos/heiligkeit/ Demnach ist sie nichts Trennendes, sondern etwas, was sich von Gott aus verbreitet und heilig macht.

          11. @Katja: Erstmal danke für deinen ausführlichen „Nikolaus-Post“. Ob und wann ich dazu eine Antwort schaffe, muss ich noch sehen…

          12. @Katja. Jetzt war doch noch fleissig und habe mir die Links angesehen. Vielen Dank. Eine kurze Rückmeldung dazu will ich geben:
            – der erste Link von soundcloud ging leider nicht auf
            – das Sühneverständnis von A.Loos teile ich, auch manche weitere Gedanken. Die Erklärungen für die anderen Bilder zum Kreuzverständnis finde ich allerdings nicht zufriedenstellend. Die Theologie tut sich irre schwer, hierfür gute Erklärungen anzubieten, also Anselm vollständig zu überwinden.
            – ich halte nichts von den Ansätzen, einen Keil zwischen Jesus und Paulus zu treiben, schliesslich ist er dem erhöhten Christus begegnet. Paulus war in der frühen Gemeinde anerkannt. Ohne Paulus wären wir alle nicht „da“. Paulus verdanken wir nicht nur ein paar problematisch interpretierbare Stellen, sondern auch die Lehre von der Versöhnung des ganzen Alls.
            – interessant der Podcast von M. Benz zu Judas, trifft ja das, was ich oben bereits zu Erwartung aus Fremdherrschaft betonte. Im 2-Äonen-Verständnis der Juden hatte meines Wissens das aktuelle böse Äon keine Zukunft, die Sehnsucht war auf das Reich Gottes gerichtet mit einer dauerhaften Perspektive (von nun an bis in Ewigkeit). Das schließt die Überwindung des Todes ein. Die geläufige Unterscheidung irisch und himmlich halte ich in diesem Zusammenhang für unglücklich.
            -die „Hochzeitsgeschichte“ sehe ich auch so. Das muss aber nicht bedeuten, dass die anderen Aspekte der Erlösung falsch sind. In der Person Jesu ist alles miteinander verbunden. Das ist in meiner Aufassung zentral.
            – zur Frage nach dem Benefit für Gott durch das Kreuz/die Erlösung. Ganz kurz: Es gibt die dauerhafte Versöhnung/Gerechtsprechung des Sünders ja nur im Doppelpack mit einer (beginnenden) innern Erneuerung/Reinigung. Meine Ansicht etwas ausführlicher habe ich ja bereits auf meine Seite verlinkt. Das Video mit der reinigenden Kohle ist m. E. die Vorschattung dazu.

            Gruss
            Tobias

          13. Hallo Tobias,
            – du kannst die Predigt von Niko Kohler auch über seine Homepage anhören: https://www.nikolaikohler.de/predigten/ (Titel: Der Tod Jesu am Kreuz: Was hat es damit auf sich?)
            – Ich hatte Andreas Loos damals nicht so verstanden, dass er krampfhaft andere Erklärungen sucht, um Anselm zu überwinden, sondern dass er einfach die biblischen Bilder aufzeigt, die es außer dem Sühnopferbild gibt, und die man bisher vernachlässigt hat.
            – Einen Keil zwischen Jesus und Paulus zu treiben, war nicht meine Intention. Mir ging es ja um die Frage, was Jesus zum Kreuzestod gesagt hat und da fand ich es unpassend, mit Pauluszitaten darauf zu antworten. Anders als andere Christen halte ich Paulus zwar für einen bedeutenden Theologen, Schriftausleger, Missionar, aber nicht für einen Jesus ebenbürtigen Stellvertreter Jesu nach dessen Auferstehung. Mir sind in der Vergangenheit auch Leute begegnet, die behauptet haben, sie hätten eine Vision von Christus gehabt und die als vollmächtige Prediger gehandelt wurden, die aber auch viel ungesunden Unfug verbreitet haben. Seine Vision und seine Anerkennung in der frühen Gemeinde würde ich jetzt mal nicht als Kriterium dafür nehmen, Paulus mit Jesus auf eine Stufe zu setzen…
            – Ich habe nicht behauptet, dass bestimmte Aspekte der Erlösung falsch sind. Ich habe geschrieben, dass die Erlösung über sie hinausgeht.

        2. @Jay und Tobias
          Jay, das hast du wundervoll formuliert 🙂 Danke.

          Ich nehme auch wahr, dass Christen so genau nicht sagen können, was Erlösung ist. Außer das Mantra, dass man nach der „Lebensübergabe“ sicher sein kann, nach dem Tod in den Himmel zu kommen. Das war für mich früher das A und O – mit meinem irdischen Dasein hatte mein Glaube nicht so arg viel zu tun, außer dass ich mich natürlich immer abgrenzen musste von den „Ungläubigen“ und brav nach Gottes Regeln leben, damit ich das mit dem Himmel nicht verwirke.

          Zu der Sache mit der imitatio Christi: Ich denke ja immer mal wieder über den Philipperhymnus nach. Soweit ich weiß, einer der ältesten Hymnen der ersten Christenheit. Da kommt nichts vom Kreuz als Erlösung vor. Da geht es um die Erniedrigung Jesu durch sein Menschwerden und im Laufe des Hymnus um seinen nachahmenswerten Gehorsam „bis zum Kreuz“, weswegen Gott Christus dann erhöht hat. Paulus fordert die Philipper dazu auf, dieselbe Gesinnung wie Jesus zu haben, der sich selbst aufgegeben, ent-äußert hat und Knecht wurde. Und dann kommt diese irre Aussage (Lutherübersetzung): Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist es (!!), der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen…

          1. Genau. Der Philipperhymnus macht meines Erachtens schön deutlich, was man gewinnt, wenn der Fokus „Jesus der Erlöser“ ist und nicht nur seine sogenannte Heilstat. Der Hymnus nimmt ja eben auch sein ganzes Leben in den Blick und nicht nur seinen Tod. Und unser Nachahmen dessen, ist Teil von dem, worum es geht. Auch nicht alles, aber ein wichtiger Teil, sozusagen das sich in den Erlöser hineinleben.

            LG,
            der Jay

  2. Guter MetaTalk und guter Inhalt.
    Danke an Gofi zur Klarstellung des Begriffs Metanoia.
    Wir müssen umdenken und uns für das Reich Gottes verfügbar machen.
    Ob das unter Tränen, Scham oder einfach so geschieht, ist völlig irrelevant. Danach sollten wir von Christus befreite Menschen mit einer klaren Mission sein.

    Mit Geld großzügig und sparsam umgehen. Danke! Die Wahrheit ist ja meistens leicht zu begreifen und schwer umzusetzen.

    Macht weiter so!

    Wie viele Talks kommen denn noch vor der Pause? 🙂

  3. Wow, tief und weit und gut!
    Ich spule dauernd ne halbe Minute zurück, um die Gedanken auch wirklich zu erfassen. Lerne unglaublich viel. Die Widersprüchlichkeit der (neuen) Gruppennormen zu den (von mir noch erlernten) Norm-Standards hat mich in letzter Zeit viel beschäftigt Da mit neuem Blick drauf zu schauen und dann noch mit der krass guten Herausforderung konfrontiert zu werden, nicht drauflos zu argumentieren, sondern zu fragen ‚Was kann ich von Dir lernen‘ kitzelt und begeistert mich grad sehr.
    Danke auch für die Erinnerung an die 3 Gesichter des Evangeliums, sehr wertvoll!
    Meine Güte, Ihr werdet immer besser. Trotz oder gerade wegen der sich wiederholenden Plänkelei und Rede-Anteile 😉
    Danke. Ganz liebe Grüße im Advent (wobei mir grad gar nicht nach warten ist, sondern nach Anpacken),
    Kathrin

  4. Hallo Jungs, Danke für den inspirierenden Talk!

    Ich habe eine Frage an Andreas – vielleicht liest er hier mal rein (oder Jay&Gofi können auch was dazu schreiben): Wer sind für dich die Konservativen/Bewahrenden und kannst du mir ein konkretes Beispiel dafür nennen, was sie bewahren wollen und weshalb es für die Christenheit wichtig ist, das zu bewahren?

    Ich erlebe es so, dass sich ChristInnen, die sich als konservativ bezeichnen, bestimmte Ansichten (etwa zu Ehe, Familie, Sexualität) beibehalten wollen und das damit legitimieren, dass sie mit diesen Ansichten besonders „biblisch“ sind. Wenn man ihnen dann erklärt, dass ihre Ansichten gar keine antiken/jüdischen und in diesem Sinne „biblischen“ sind, sondern eher aus jüngeren Jahrhunderten stammen (zB die Definition von Ehe, das Bild der bürgerlichen Vater-Mutter-2-Kinder-Familie usw.), wird einem vorgeworfen, man sei einer liberalen Irrlehre verfallen. Und sie meinen, sie müssten irgendwie Gott und die Bibel „verteidigen“. Gleiches gilt für das im Talk erwähnte Bild von einer irrtumslosen, widerspruchsfreien Bibel. Ich kenne auch konservative Christen, die die Mission ablehnen, mit Berufung auf ihre Bibeltreue, weil man angeblich aus der Schrift herauslesen kann, dass das Evangelium „die Welt“ schon vollständig zur Zeit des neuen Testaments erreicht hat. Und die anderen, die missionarisch tätig sind, vorwerfen, dass sie nicht biblisch sind und ihre Zeit verschwenden, denn in unserer heutigen Zeit gelte es vor allem, die „rechte Lehre“ zu bewahren und reinzuhalten – und wenn jemand nicht an Gott glauben kann/will, dann hat/ist er eben verloren, er kennt ja „das Evangelium“ (das in ihrem Fall ein Buße-Schuld-Bekehrungs-Ding ist) und wenn man es ihm anders erklärt, verwässert man die „rechte Lehre“.

    Ich habe nicht den Eindruck, dass sie wirklich das Biblische bewahren wollen, sondern nur ihre eigene Sicht auf die Bibel, ihre Auslegungen, ihr Gottesbild, ihre Dogmen und ich verstehe nicht, weshalb es für die Christenheit wichtig sein soll, dass sie sie behalten (wider besseres Wissen, das es mittlerweile durch die Forschung an den biblischen Texten und der antiken Kultur gibt).

    Und noch eine Frage: Was hat es mit dieser Angst vor der „Einheitskirche“ auf sich? Ich kenne dieses Schreckgespenst, kann mir aber nicht erklären, woher das kommt. Die ChristInnnen in meinem Umfeld, die sich davor fürchten, berufen sich auf die Offenbarung, aber ich habe da nichts finden können, was auf eine „Einheitskirche“ als teuflisches Instrument der Endzeit hindeutet.

    Danke für die Analyse zu der Schuld-Evangelisation und dem Zusammenhang mit Scham. Das ist genau das, was ich früher immer wieder erlebt habe.

    Freue mich auf Antworten!
    Katja

  5. Na da hab ich ja wieder was zum Freuen dsrauf heut abend. Ihr trefft oft echt mein aktuelles Thema. Ich ärgere mich immer über Christen, die von meinem Standpunkt aus sozusagen Rest-Schwachsinn noch hochhalten oder simplizistisch-fundamentalistische Präambeln unterschreiben, um in ner schrägen Gruppe Gehör zu finden und auch nicht immer überall alles sagen können, was sie wirklich denken. Die sich in Geschwurbel ergehen und letzlich mit einer ungebändigteb Bibel etwas über die Erde bringen, das genauso gefährlich ist wie die AfD, in derer Kritik sie sich natürlich entsprechend ihrer Sozialisation gefallen (dabei sehen die auch nur das vermeintlich Gute an ihrem Glauben und leben wie alle Gläubigen in Schmonzetten).
    Aber dann sehe ich, dass eine für evangelikale Maßstäbe gemilderte Kirche mich aus einer Hardcoresekte geholt hat, in der der Pfarrer mit leuchtenden _Augen berichtete, wie in der Bibel zwei Tauben die Köpfe agesclagen wurden und die eine im Blut der anderen gereinigt wurde (stimmt das eigentlich?). Viellewicht muss man ein bisschen Clown können um in diesen Gruppen Einfluss zu haben, lebt aber auch unter immensen Spannungen, die ich nicht misse. Und eine Ansicht fehlt mit total: die der Lebensgemeinschaft von Geburt bis zum Tod. Ich musste zwei mal als Kind/Jugendlicher einen harten Bruch mitmachen und mir fällt es daher relativ leicht, die Zelte abzubrechen und neu aufzuschlagen.
    So viel wieder mal im Vornherein, muss erst mal reinhörn, macht einfach so viel Spaß mit euch zu diskturieren, Hossa Talk ist für mich echte geistliche Heimat.

  6. Also bei mir hat der Talk etwas ganz praktisches ausgelöst: nachdem Andreas so nebenbei sagte, das CfC sich auch in Nordkorea engagiert (ich war der Annahme, dass das aufgrund der Sanktionen gar nicht möglich ist), habe ich spontan ein bisschen Geld für Kinder in Nordkorea gespendet.
    Danke für den „Tipp“!

    LG,
    Daniel

  7. Hm. Vieles ist gut. Aber natürlich konnten einige Themen nur angerissen werden.
    Ich hätte mir gewünscht, dass der Situation in den USA noch mehr auf den Grund gegangen wäre. Gerade bei einem Leiter eines internationalen Missionswerkes dessen Zentrale in den USA ist.
    Sicherlich ist die Situation dort durch eine extreme Spaltung gezeichnet, die bei uns auch schon zumindest teilweise vorhanden ist. Ob man das wirklich dadurch in den Griff bekommt, in dem man immer nur das Miteinander versucht? Das mag bei Abendmahlsfragen gehen, aber wir sind doch bei viel existenzielleren Themen.
    Dass die übergroße Mehrheit der amerikanischen (weißen) Christen Trump wieder gewählt hat, zeigt doch, dass wir auch unter Christen vielleicht viel deutlicher politischer diskutieren müssten? Und auch mehr öffentlich klar distanzieren?
    Lager zusammenzuhalten mag ein netter Ansatz sein. Allerdings gibt es da wohl auch Grenzen, wie nicht nur die USA zeigt

  8. Ein sehr, sehr guter Talk. Musste unweigerlich an die Talks mit Johannes Hartl und Markus Till denken. Ich fand euch da so wunderbar, weil ihr auf möglichst diplomatische Weise versucht habt zu relativieren und euere Talkpartner immer sehr auf ihre Meinung beharrten und nix anderes zuließen…

  9. Hi Katja und toblog,

    ich hoffe Ihr lest das hier an dieser Stelle, der Strang war schon so untergeordnet, dass man nicht mehr antworten konnte. Ich sehe das mit der Heiligkeit ziemlich anders als die monotheistischen Religionen. Ich halte das für einen ziemlich kranken Reinheitskult. Heilig ist für mich Gemeinschaft, meine Neffen und Nichten, für manchen vielleicht der FC Bayern oder sein Cello. Dass da ein alter zorniger Mann auf einer Wolke sitzt, der ein Opfer braucht, finde ich ziemlich krank. Natürlich gibt es entsetzliche Sünde und ich wünsche mir auch mit Gofi, dass Gott mal runterkommt und uns auf die Fresse gibt. Auch kann ich verstehen, dass ein KZ-Überlebender Gerechtigkeit will. Kann mir sogar einen ANGEMESSEN strafenden Gott vorstellen (vielleicht so eine Art Fegefeuer, in dem wir voreinander knien und um Vergebung bitten). Aber das LEben hat viel schmutzige Seiten und kranke, die in einen Graubereich fallen. Die sind glaube ich in ORdnung und ein Mensch, der humanistisch erzogen wird und nicht in einer Grenzsituation lebt, wird sich üblicherweise innerhalb ihrer bewegen (weshalb Erziehung und Kultur inklusive Wohlstandsaufbau unsere vornehmste Aufgabe ist). Nun scheint es archaische Kräfte im Menschen zu geben, die es ihm schick erscheinen lassen, dass Homosexualität Sünde ist oder dass wir durch und durch verdorben sind. Dies geht einher mit einer fehlerhaften Herz-Hirn-Verbindung, die uns anfällig für Ideologie wie der paulinischen macht (wer gegen ein Gebot sündigt, ist gegen das gesamte GEsetz schuldig – nun habe ich aber außer zu rauchen gar nicht viel Schlimmes gemacht im LEben und nicht gemacht ist nicht gemacht!). Mich sprechen gediegen-weisheitliche Gruppen wie die EKD oder moderne Buddhisten daher mehr an als irgendwelche Einpeitscher…
    Schönen Sonntag Euch und liebe Grüße!

  10. Würde gerne noch was ergänzen:

    Ich glaube zur fehlerhaften Herz-Hirn-Verbindung des Menschen und seiner Ideologieanfälligkeit gehört auch das Bedürfnis nach schauerlichem und aufpeitschendem Nervenkitzel. Manche scheinen den Kick, dass die eigenen Eltern in der Hölle zu schmoren drohen geradezu zu brauchen (auch wenn es ihnen oder anderen MEnschen in anderen Momenten höchstes Leid zufügt). Vielleicht ist das einzige Dämönische, das existiert, dasjenige in uns, archetypische Strömungen in uns. Pervertierte Werte gehören hier auch dazu. Viele Nazis dachten sicherlich, sie täten das richtige (und opferten ihr Leben). Die andere Seite der Medaille zu obigem Beitrag von mir sind natürlich die Sünden gegen die Menschlichkeit (inklusive falscher Religion – wenn es einen strafenden Gott gibt, wird er sicherlich auch Fundis strafen mit ihren Ausmerzungsverherrlichungen und Volksverhetzungen toter Kulturen. Warum fühlen die sich immer so sicher, nur weil sie auf den Namen Jahwe konditioniert sind?). Zu diesen Menschen gegen die Menschlichkeit gehören aber auch die bürgerlichen. Kaum einer wird delinquent, aber viele verletzen ihren PArtner und klauen ihm das LEben. Ich höre gerade den Steppenwolf und frage mich, wie wir als Normalmenschen das Wölfische und das bürgerlich-kulturell eingehegte in uns entdecken und gleichzeitig fördern können…

    1. Hallo Andi,

      uns eint die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, konfliktfreien Beziehungen, Versöhnung, Gemeinschaft. Wer will das nicht? Die Frage ist: Wie kommt man da hin?
      Dass man mit einer werteorientierten Erziehung viel erreichen kann, ist unbestritten. Viele Menschen haben solche Werte in ihrem Verhalten noch internalisiert. Davon profitiert die Gesellschaft bis heute. In Europa hatte hierbei der christliche Glaube entscheidenden Einfluss.

      Was aber, wenn bei allem Bemühen, die Anforderung für die Gemeinschaft mit Gott noch höher liegt? Ihr sollt vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist. Das ist sogar mehr als das höchste Gebot, die Summa des Gesetzes.
      Nun liegt es in der Natur des Gesetzes, dass wer nur ein einziges Gebot übertritt, verurteilt wird. Man kann Paulus als ehemaliger Gesetzeslehrer nicht ankreiden, dass er diesem Umstand betont. Nun ist Paulus aber gerade der Verkündiger der Gnade und nicht des Gesetzes. Die Gemeinschaft mit Gott wird durch sein Erbarmen und nicht durch unser Einhalten des Gesetzes hergestellt. Das geht ja sogar so weit, dass die Frage entsteht: Sollen wir jetzt desto mehr sündigen?
      Religöse Machtsystem neigen dazu, den Menschen die Hölle heißer zu machen, um sie in Abhängigkeit zu halten. Durch gewisse Lehren in diesem Feld wird m. E. ein Zerrbild des christlichen Glaubens erzeugt. Wer allerdings der Gnade Gottes überhaupt nicht bedarf, dem hat das Evangelium auch nichts zu bieten.
      gruss

    2. Um nicht falsch verstanden zu werden beim Thema AT und NT:
      Sowohl im AT (Gesetzesordnung) wie im NT (Gnadenordnung) basiert die Versöhnung mit Gott schlussendlich auf dem Erbarmen/Gnade Gottes, der Sünden vergibt. Im NT steht der Gläubige unter einer Art Dauergerechtsprechung.
      Bei dem Punkt, was ich tun muss, um der Gemeinschaft mit Gott Genüge zu tun, da unterscheidet sich das AT von NT erheblich: Im AT das Gesetz halten. Und richtig, eine Übertretung verletzt es schon. Im NT sind wir erlöst (!) vom Gesetz. Zum einen, dass uns eine Gesetzesübertretung verdammen kann, zum andern, das wir es überhaupt halten müssen. Hier wirkt Gott via Geistesleben das Wollen und Vollbringen. Der Turbo wird eingeschaltet.

      1. Hi toblog,

        ich weiß nicht, inwieweit Du mich hier über die Kommentare schon kennst. Schreibe ja ziemlich viel und „Privates“. Das Evangelium hat mir tatsächlich nichts mehr zu bieten, nachdem mich viele Worte Jesu in die Krankheit getrieben haben (wenn er sie denn so gesagt hat, wenn es falsch überliefert ist, dann ist die Bibel eh ein Märchenbuch). Habe dem Christentum daher den Rücken gekehrt. Kann gar nicht sagen, warum ich Hossa-Talk überhaupt höre 😉 Wohl wegen Jay und Gofi und weil Theo ein feingeistig-verzärteltes Hobby von mir ist, in dem ich mich sicher bewege (Cobains Erben find ich sogar n Ticken besser, weil leichter) und zwecks postevangelikaler Wundenleckerei. Ich freue mich, dass ich unter anderem durch Ablegen meines kranken Glaubens gesundheitlich wieder einigermaßen auf dem Damm bin seit der Frührente und will mir ein neues Leben aufbauen. Habe ziemlich lange die große Nüsse knacken wollen, bin aber leider gescheitert 😉
        In der Endphase meines Christentums dachte ich, eigentlich müsste die Kirche doch zurück hinter die Kanonisierung, neben dem Pakt mit der weltlichen MAcht wohl ihr größtes Eigentor. Dann könnte ich sogar auf einer ganz abstrakten Ebene mit Dir auf einer solchen mich austauschen darüber, dass vielleicht JEsus echt am Kreuz gestorben ist und auferstanden und jeder könnte zu seinem Ergebnis kommen. Das Urchristentum (einschließlich der Gnostiker und wie sie alle hießen) war bunt. Nichtsdestotz glaube ich, dass sich im heutigen Kanon die Unsympathen durchgesetzt haben, die Höllenheißmacher und die, die Abgefallene auf der Straße nicht grüßen dürfen. Alles andere ist mir ein wenig zu sehr eigenes Süppchen (und ich weiß nicht, wie man dieses aufrecht erhalten kann, wenn man regelmäßig die Bibel, ein höchst unethisches Buch, liest).
        Es ist wohl wie im Recht: Was man nicht widerlegen kann, muss man als Sonderlichkeit stehenlassen. Und Religion wird es wohl immer geben, und ich freue mich über LEute, die diesen Garten bestellen und mildernd auf Spinner wirken. Auch wenn ich mir immer mir denke: Lass die doch ihren Scheiß machen, die machen mir nicht mehr mein Leben kaputt.
        Was denkst du (ähnlich wie Jay bin ich immer auf der Suche nach Menschen, die sich mein Ergüsse anhören und quatsche gerne stundenlang über Theo und Geisteswissenschaften…)

        1. Nun. bei allem Frust über die real existierende Christenheit. Wenn man mal weglässt, was andere so falsch machen, dann kann man im Verhältnis zu Gott zwei Menschentypen feststellen: Solche, die von Gott etwas benötigen, was sie sich nicht selbst geben können. Gnade in jeder Form: Vergebung, Annahme, Erlösung, Erneuerung, ewiges Leben. Und eben die Selbstgerechten, die sich als nicht defizitär betrachten.

          1. Hi toblog,

            vielleicht hattest Du einfach nicht die Erschütterungen im Leben wie ich. Dann würdest Du vielleicht anders reden 😉 Es spricht doch rein nichts dafür objektiv, dass dieser vom Gedanken der Teilung (zwei liegen in einem Bett, der eine wird genommen der andere nicht…) geplagte Typ der Sohn Gottes ist. Ein Mann, der nicht mit Ablehnung klarkam und den Pharisäern keine Chance mehr einräumte (Sünde gegen den heiligen Geist). Glaubst Du nicht, dass ein Buddhist seinen Sohn genauso liebt wie Du Deinen? Aber er müsste ihn ja in der Hölle wähnen. Klar gibt es die Möglichkeit, dass es da ein Wesen, eine Intelligenz, eine Emotionalität gibt oder das da noch was kommt (ungefähr 50% der Deutschen glauben das) und dass ich ein Sünder bin. Deshalb lasse ich mich noch lange nicht von so nem Clown wie JEsus emotional erpressen. Wer das tut, lebt in nem Film aus PRägungen, aus dem er nicht ausbrechen kann, es sich bestenfalls darin behaglich machen kann. Statistisch gesehen, weht der Geist eben nicht wo er will, sondern wo Vati es will…

          2. @toblog Ich weiß nicht, ich würde das anders formulieren, ich denke, es gibt die, die aus diversen Gründen an Gott glauben können und die, die nicht an ihn glauben können, wobei die Meisten, die ich kenne, genau wissen, dass sie Vergebung, Annahme, Erlösung, Erneuerung nötig haben, aber, da sie nicht an Gott glauben, dies von anderen Menschen erwarten. Das kann frustrierend sein, da sie möglicherweise zu viel vom Anderen erwarten, auf der anderen Seite sind sich vermutlich viele auch bewusst, dass es ohne Gott keine ultimative Erlösung geben kann, sodass man über die Grenzen des Gebens und Nehmens weiß und den anderen daher nicht überfordert. Die Gefahr von Christen ist dagegen m.E., dass sie Gott als Abkürzung verstehen und sich daher nicht mit dem Nächsten auseinandersetzen, von wegen, ich gehe lieber ins Gebet als dieses oder jedes mit den Anderen direkt zu klären, was ja auch anstrengender wäre. Unter dem Aspekt könnte die Beziehung zwischen Nichtgläubigen sogar mehr Qualität haben, da sie genau wissen, dass sie aufeinander angewiesen sind, ohne, dass es einen Dritten gibt, der die Dinge für sie regelt. Natürlich weiß ich, dass ich gerade den Glauben falsch zeichne, aber ich denke, in der Praxis wird er von nicht Wenigen so gelebt.

          3. …und es gibt auch selbstgerechte Christen, die meinen, sie seien schon erlöst und hätten eine weitergehende Erlösung nicht nötig.

          4. @Andi: Jede Art von gebrochenen Biographien sind für Jesus kein Problem. Jeder hat so seine Themen. Als Solo-Selbstständiger habe z. B. gerade viel Zeit Kommentare zu schreiben…

            @Alexander, Katja: Zunächst hatte ich die beiden Menschengruppen im Auge, wie sie Jesus begegnet sind. Die Kranken, die des Arztes bedürfen, der verlorene Sohn und die „Gesunden“, der andere Sohn. Und dies man kann durchaus ins Heute verlängern. Das Problem ist ja nicht, dass Jesus kein Schuld-Wegnehmer oder kein Ent-Schämer wäre, sondern – so nehme ich es wahr – die Welt voll ist von Leuten, die mit dem Finger auf andere zeigen und schneller am Fremdschämem sind, als am sich selbst schämen.

            Aber eure Thema war ja eher die Enttäuschung darüber, dass Christen diskurs-unwillig sind bzw. in der Erlösung konkret weiterschreiten sollten.
            Jau. Ich erfahre das auch so, dass das Gespräch in der Regel gar nicht aufgenommen oder zu früh abgebrochen wird. Ich könnte jetzt einen Link dazu setzen, aber das lasse ich, um mir ein mögliches späteres Gespräch nicht unnötig zu verbauen.

          5. Hallo Tobias,
            Aus meiner Sicht hat das Mit-dem-Finger-auf-andere-Zeigen sehr viel damit zu tun, dass sich Menschen selbst schämen. Sie müssen das tun, um sich selbst mehr Wert zu geben. Nur dadurch, dass sie andere abwerten, können sie sich selbst besser dastehen lassen. Unser Gesellschafts-/Wirtschaftsmodell beruht darauf, andere abzuwerten, andere zu übertrumpfen, um selbst besser dazustehen (man nennt das „Wettbewerb“, aber es ist nichts anderes als das permanente Entwerten des Anderen). Ich habe die ausgebrannten Manager in der Psychotherapie erlebt, die keinen Zugang mehr zu sich und ihren Emotionen hatten, die ihren Wert verloren hatten – wie wichtig wäre ein Evangelium heute, das nicht (nur) auf Schuld-Vergebung setzt, sondern das die Agape in den Vordergrund stellt, die sich hingibt, weil der Mensch ihr so viel Wert ist. Weil er ihr genügt.
            Mir ist das zum ersten Mal bewusst geworden, als eine ältere Frau in meinem Umfeld, die sehr viel schlecht über andere redet, einmal offen darüber gesprochen hat, wie sie früher von ihren Schwiegerelten, mit denen sie in einem Haus lebte (und da nicht raus konnte), gedemütigt wurde. Wie sehr wäre das eine Hilfe für sie, zu wissen, dass Jesus ihr Würde gibt, dass er sie ohne Leistung liebt, dass sie genug ist und sie durch seine Liebe Wert erhält. Dass er sie so sehr wert-schätzt, dass er sogar für sie durch den Tod gegangen ist. Das würde sich dann auch förderlich auf ihre Beziehungen auswirken und ermöglichen, dass sie anderen auch Wert und Würde zugesteht und sie nicht permanent abwerten muss.

          6. @Katja: Ja, natürlich. Es ist schon eine pyschologische Einsicht, dass Benachteiligte auf die noch Schwächeren zeigen oder sogar einschlagen, damit sie sich besser fühlen. (Das Fass mit dem Wirtschaftsmodell möchte ich jetzt nicht so gerne auch noch aufmachen.) Und es ist ja auch unser Auftrag, Gottes Liebe und Annahme zu verkünden und ganzheitlichzu leben wie das Vorbild Jesus – weil die Menschen als Geschöpfe Gottes an sich Wert und Würde besitzen und nicht durch ihre Leistung. Es sollte ja schon rüber gekommen sein, dass ich ganz klar die Gnade Gottes betone.
            Nur halte ich dies allerdings erst für halbe Wahrheit. Die Ebenbildkeit des Menschen mit Gott hat m. E. zutiefst auch in seiner Willensfreiheit Gestalt gewonnen, verstanden als Wahlfreiheit. Auch soll er sein Herz bewahren. Von daher wird eine Sicht des Menschen als ein vor allem durch die Umstände geformtes und entschuldbares Wesen diesem wichtigen Aspekt der Ebenbildlichkeit nicht gerecht. Die ganzen Geschichte Gottes mit dem Menschen im AT und NT, wie er sich um den Menschen bemüht, ist sonst sehr schwierig zu erklären.
            Gruss Tobias

          7. Reinigendes Gewitter, schon ums Eck. Hatte an meine Gemeinde eine Mail geschrieben warum ich kein Christ mehr bin. Dazu hat der Pastor zwölf Wochen lang gepredigt. Da habe ich allerlei diplomatische Turnübungen gamacht, um die Brücken nicht abzuschlagen, was sehr kräftezehrend war. HAbe mir dann vorgenommen, öfter mal meinem Unmut Luft zu machen, wenn es nötig ist. Man kann nämlich als Chrsit auch beten: „Danke Gott, dass ich nicht bin wie dieser Pharisäer!“.

            toblog, ich wünsche Dir ein schönes Fest mit Deinen Lieben und alles Gute für Dein Business!

          8. @Katja: Erstmal vielen Dank für die engagierte Diskussion. Über diese anderen Zugänge zun Evangelium muss ich nochmals weiter nachdenken… Ich nehme für mich als Zwischenergebnis mit:

            Im Scham-Annahme-Muster nimmt Gott den Menschen an, weil er ihm genügt.

            Im Schuld-Vergebungs-Muster, nimmt Gott den Menschen an , obwohl er ihm dezidiert nicht genügt. Der Mensch muss dies aber ansatzweise erkennen.

          9. @Tobias,
            bitte für die Diskussion.
            Ja, vielleicht kann man die Muster so ganz gut zusammenfassen. Aus meiner Sicht sind die beiden Muster bzw. die Phänomene „Schuld“ und „Scham“ miteinander verschränkt (und hängen auch mit „Angst“ zusammen) – ich habe dazu noch eine unsortierte Gedankensammlung im Kopf, vielleicht gelingt es mir, das mal in eine übersichtliche Ordnung zu bringen und zu schreiben.

  11. Ich bin beim Joggen gerade an dem Begriff „Missiologie“ hängengeblieben und habe schnell mal eine eigene Theorie entwickelt, mit der ich mich kurzerhand dann auch gleich selbst therapiert habe.

    Wie es sich für eine neue Theorie gehört, habe ich auch gleich mal 4 neue Typen erfunden:
    Den Hyperimmanentisten
    Den Immanentisten
    Den Transzendentalisten
    Und den Hypertranszendentalisten

    Der Hyperimmanentist fühlt sich in dem ihm gesteckten Rahmen pudelwohl und sieht keinen Grund, ihn zu übersteigen. Das tut der Immanentist nur, wenn sich ihm dazu eine zwingende Gelegenheit bietet. Der Transzendentalist sucht aktiv nach der günstigen Gelegenheit, seinen Rahmen zu übersteigen. Während der Hypertranszendentalist keine Gelegenheit auslässt, weil er mit seinem Rahmen immer unzufrieden ist.

    Interessant ist nun, dass es dem hypertranszendentalen Christen oft genauso geht wie dem unterforderten hochbegabten Schüler, nur, dass er nicht als dumm angesehen wird, sondern als atheistisch oder viel zu pluralistisch, wobei das Gegenteil der Fall ist, da seine Kritik immer von dem Willen angetrieben wird, noch tiefer in die Geheimnisse dieser Welt einzudringen.

    Auf der anderen Seite kann der Hyperimmanentist total christlich wirken, obwohl er sich einfach konform zu dem ihm gesteckten Rahmen verhält, den sonntäglichen Kirchenbesuch inbegriffen.

    Für die Missilogie stellt sich nun die Frage wie man diesen 4 Typen auf ihre je eigene Weise begegnet, aber damit sollen sich andere beschäftigen. Ich kann nur Denkanstöße geben – und die Hand hinhalten, wenn daraus später mal irgendwas wird, das Geld einbringt…

  12. Ok, ich bin noch nicht ganz durch. Den Beginn des Talks fand ich teilweise schmerzhaft. Im Prinzip hat Boppi dazu aufgefordert, dass man z. B. als „Progressiver“ auch die „Konservativen“ quasi tolerieren solle und ihre enge Denkwelt mehr oder weniger ertragen solle. Und natürlich auch umgekehrt. Ich setze die beiden Gruppierungen bewusst in Anführungszeichen, weil ich weiß, dass ich hier vereinfache und pauschalisiere – mir ist bewusst, dass es eine Menge Graustufen gibt.

    Ich glaube, eine wichtige Frage dabei ist: wer sitzt gerade an den Hebeln der Macht? Wenn die „Konservativen“ das Sagen haben in einer Gemeinde, dann kann ich das als „Progressiver“ noch sehr tolerieren – aber ich muss die Konsequenzen des Handelns der „Konservativen“ tragen. Sprich: Menschen werden ausgeschlossen und leiden darunter. Wahrscheinlich ist das umgekehrt genauso, auch „Konservative“ leiden wahrscheinlich, wenn sie sich in Zirkeln befinden, wo „Progressive“ das Sagen haben. Allerdings weiß ich nicht, wie man das auflösen kann. Denn „Konservative“ sind ja beispielsweise der Meinung, dass Homosexuelle in der Kirche maximal zu Besuch kommen, aber nicht mitarbeiten dürfen. Das wollen „Progressive“ aber ja gerade nicht. Und sobald es darum geht, Verhaltensregeln nicht nur für mich selbst, sondern für andere aufzustellen, wird es schwierig.

    Möglicherweise ist das auch ein generelles Problem. Denn es liegt ja in der Natur des „Progressiven“, dass er neugierig auf anderes ist, dass er offen ist und neues lernen möchte. Hingegen in der Natur des „Konservativen“ liegt das Bewahren – der will ja gar nichts Neues. Der will am Status Quo festhalten. In einer Gemeinde, in der ich mal war, sagte einer der konservativen Brüder: „ich war noch nie in einer Gemeinde, in der man darüber diskutieren musste, ob Sex außerhalb der Ehe ein Problem sein könnte.“ Der konnte sich nicht mal vorstellen, dass man das mit guten Gründen anders sehen kann.

    Und da wird es dann schwierig. Noch schwieriger, wenn besagter Bruder im Leitungskreis der Gemeinde sitzt – Stichwort: wer hat das Sagen?

    Nachdem ich das verdaut hatte, wurde der Talk richtig gut. Toller Talk. Sehr erhellend, auch der Blick auf das Gleichnis mit dem „verlorenen Sohn“. Auch wenn ich Stangenbergs Podcast zu den 3 Gesichtern rauf und runter gehört habe, es war doch noch mal ein neuer Blick auf die Problematik mit der Schamkultur. (Kurze Anmerkung, wiewohl ihr das auch schon im Talk erwähnt habt: das hilft alles nix, die „Konservativen“ sind dann der Meinung, dass man die Botschaft verwässern würde…und das finde ich unendlich traurig, weil ich nicht weiß, wie man das verändern kann).

    1. Wenn man der jeweils anderen Seite zugesteht, dass sie (in Teilen) Recht hat, dann müsste man sie ja konsequenterweise an der Macht beteiligen…

        1. Gute Frage. Auf keinen Fall einen klassischen Machtkampf, wo (fast) jedes Mittel recht. Aber das kommt ja doch eher selten vor. Man geht sich lieber aus dem Weg und igelt sich in seiner Blase ein. Aber auch ein fauler Kompromiss als politischer Lösungsweg ist unbefriegend. Ich denke, der Weg die gemeinsame geteilte Erkenntnis zu verbreitern und nicht künstlich zu verengen, wäre der richtige.

          1. Meine Beobachtung: wenn die „Konservativen“ an den Hebeln der Macht sitzen, dann gehen die „Progressiven“ irgendwann einfach. Die haben nämlich die Nase voll davon, sich von den „Konservativen“ beständig vorhalten zu lassen, dass sie nicht richtig glauben würden, dass sie die Bibel nicht ernst nehmen würden usw.
            Da sind wir wieder beim Thema Schamkultur – wenn man dauernd eine auf die Mütze bekommt und nie „gut genug“ ist, dann ist es irgendwann besser, zu gehen. Allein schon aus Selbstschutz.

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