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#160 Können Fundamentalisten Demokraten sein? – Unser Rückblick auf Twentyfuckingtwenty

Was bitte war das denn für ein Jahr? Viele von uns haben gehörig Federn lassen müssen, manche sind krank geworden und einige sogar verstorben. Immerhin sind wir Donald Trump losgeworden, aber ganz ehrlich: Viele Fromme haben da keine besonders gute Figur abgegeben. Und dann auch noch die Corona-Proteste! Vorne mit dabei Christ*Innen, die auf Protestzügen vor dem Anbruch der antichristlichen Herrschaft warnen. Da drängt sich die Frage auf: Können Fundamentalisten eigentlich Demokraten sein? Widerspricht sich das nicht mit ihrem Glauben? Hat sich das in diesem Jahr nicht in aller Schärfe gezeigt? Wir lassen Twentyfuckingtwenty Revue passieren. Haltet euch fest. Apropos: Frohes Fest Euch allen!

Übrigens: Der Artikel von Thosten Dietz, den wir erwähnen, heißt: ‚Wenn Prophetie scheitert‘. Ihr findet ihn hier.

54 Kommentare

  1. Katja Katja

    Bin grad mitten im Hören an der Stelle, wo Gofi beschreibt, dass die Unmöglichkeit des Diskurses mit Religiösen mittlerweile ein gesamtgesellschaftliches Phänomen ist. Das könnte daran liegen, dass sich im Zuge der Aufklärung und Säkularisierung der Wahrheitsanspruch qua „Gott hat mir gesagt“ hin zu einem Wahrheitsanspruch durch das „ich hab selbst nachgedacht“ verlagert hat. Die Religiösen sitzen weiterhin bei ihrem „Gott hat mir gesagt“ (was in Wirklichkeit auch nur ein verschleiertes „ICH habe Recht“ ist). Heute ist nicht mehr Gott die Wahrheits-Autorität, sondern der Mensch selbst mit seinem Denken. Gerade in den aktuellen Debatten wird das ja immer wieder ins Feld geführt: Ich bin der, der WIRKLICH mal selbst gedacht hat (und nicht irgendwas nachplappert, was Wissenschaftler, Politiker etc. so sagen). Also bin Ich näher an der Wahrheit als Du. Dass man sich in seinem ureigenen Nachdenken erstens auch täuschen kann und zweitens vielleicht gar nicht so eigenständig war, sondern auch nur das nachgeplappert hat, was einem so tagtäglich in seiner eigenen Blase begegnet, ist dann meistens keine Option für die „Nachdenkenden“. Und dass jemand, der zu anderen Standpunkten und Ergebnissen kommt, als man selbst, auch nachgedacht haben könnte, ist ebenfalls keine Option – denn man weiß ja selbst nur zu sicher, dass man WIRKLICH selbst gedacht hat!! 😉

  2. Urs Urs

    Kann es sein, dieser Gott (und vermutlich alle anderen Götter auch) unendlich viel Missbrauchserfahrung hat?

    Eigentlich heisst es in den Zehn Geboten: „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.“
    Nur habe ich noch nie davon gehört, dass da jemand in den letzten 2000 Jahren bestraft worden sei.

    • Na, so richtig scheint aber auch nicht klar zu sein, was für einen Gott man will, einen, der mit Blitzen vom Himmel schmeißt und vor dem man sich fürchten muss oder einen der sich kreuzigen lässt?
      Wahrscheinlich den, vor dem sich die Anderen fürchten müssen.

      LG,
      der Jay

  3. Spannend, ich weiß nur nicht, ob die Christen das mit der Besserwisserei erfunden haben, es können auch die Fußballfans gewesen sein, schließlich haben wir Millionen von Bundestrainern im Land – wobei die meisten davon gerade umgesattelt haben und jetzt einen auf Bundeskanzler machen. Und hier muss ich auch nicht gendern, weil das ja fast alles Männer sind, ja, es scheint fast so als hätte man jetzt gerade, wo der Virus wütet und man seine Gene nicht verteilen kann, ein umso größeres Bedürfnis, dann wenigstens seine Meme unters Volk zu bringen – wobei sich der Mem-Pool dummerweise auf zwei, drei Youtube Videos beschränkt, was zu schlimmen Mutationen führen kann, siehe AFD. Bei alledem ist vermutlich das große Problem, dass wir, um nicht von der Platte gefegt zu werden, gar nicht anders können als auf Druck mit Gegendruck zu reagieren, sodass wir uns gegenseitig verbrauchen, ohne von der Stelle zu kommen.

    • Katja Katja

      …und nicht zu vergessen sind auch die Millionen Virologen, Infektionsepidemiologen, Toxikologen und Statistiker, die wie Pilze aus dem Boden geschossen sind in den letzten neun Monaten. Man fragt sich: Wozu eigentlich noch Medizin studieren, sich spezialisieren, jahrelang forschen, sich habilitieren, wenn man das alles auch mit ein paar Statements auf den youtube- und Telegram-Kanälen von fachfremden Ärzten, Psychiatern, Neu-Rechten PolitikerInnen, Neu-Rechten Journalisten, Neu-Rechten Ex-Tagesschau-Sprecherinnen oder Schlagersängern völlig überblicken kann?
      Ich fürchte, ein eigentlich gutes demokratisches Erbe der Reformation (Stichwort „Auslegungsgemeinschaft“) hat sich hier verselbständigt: Dass man zu allem eine Meinung haben darf, führt wohl auch dazu, dass ein gewisser Druck besteht, auch zu allem eine Meinung haben zu müssen. Und dies wiederum im Zuge der Individualisierung und postmodernen Wahrheitspluralisierung wohl auch dazu, dass ein gemeinschaftliches Korrektiv verloren geht, dass die eigene Einzelmeinung so hoch angesehen wird, dass kein Widerspruch geduldet wird und man sich als Opfer von Zensur wähnt, wenn der eigenen Meinung deutlich widersprochen wird, wenn darauf hingewiesen wird, dass sie nicht der faktischen Realität entspricht oder jeder faktischen Grundlage entbehrt oder dass sie die Würde anderer Menschen (und damit ein demokratisch ausgehandeltes grundlegendes universelles Recht) verletzt.

      • Ja, da geb ich dir Recht, wobei das Problem, zu allem eine Meinung haben zu müssen, vermutlich auch mit der Schnelllebigkeit der Welt zusammenhängt, die sich dann auch noch, dank Digitalisierung, in meiner Reichweite befindet und daher von mir schnelle Entscheidungen abverlangt, weil von der Trainerdiskussion auf Schalke bis zur Impfpflicht ja alles eine gewisse Dringlichkeit hat.
        Zudem besteht ein grundsätzliches Problem, glaube ich, darin, dass die Meinung dem Wissen vorausgeht und diese viel stärker durch Herkunft, Charakter und Erfahrung gebildet wird als durch Nachdenken. Zu einem Paradigmenwechsel kommt es daher meistens erst dann, wenn man neue einschneidende Erfahrungen im Leben macht – und das ist das Problem mit Corona und Klimawandel, dass die Katastrophe und damit die einschneidende Erfahrung in der Zukunft liegt und es daher möglicherweise bei vielen zu spät zu einem Sinneswandel kommt.

        • Katja Katja

          Vielleicht ist auch ein aktuelles Problem, dass Meinung mit Wissen verwechselt bzw. absichtlich gleichgesetzt wird?
          Ich denke, es könnte ein Grund dafür sein, weshalb ein Dialog oft nicht möglich ist. Eine Meinung kann man ändern, bei Wissen sieht es schwieriger aus.
          Vielleicht sind auch bestimmte Religiöse, für die die „Gewissheit“ ein zentraler Aspekt des Glaubens ist, deshalb anfälliger für aktuelle Strömungen (oder Präsidenten), die ihre Meinung als Wissen verkaufen. Vielleicht folgen sie auch deshalb eher Personen, die bspw durch einen Doktortitel Wissen suggerieren, obwohl sie einfach nur ihre persönliche Meinung verbreiten. Dazu kommt noch das Narrativ der verfolgten kleinen rechtgläubigen Herde, das ja auch säkular-politisch aktuell von Verschwörungserzählern und Rechten wie Trump bedient wird.

  4. Andi Andi

    Das mit der Demokratie und dem Richtigen ist glaube ich eine nicht aufzulösende Spannung. Sicher fanden viele Hossa-Talk-Hörer richtig, dass Kemmerich nach der AfD-Wahl zurückgetreten ist (nach starken Protesten) oder würden fordern, dass die Grünen mehr rechtlichen Druck machen gegen gewisse demokratisch beschlossenen Autobahnprojekte. Demokratie ist natürlich schon was endgeil abzufeierndes, kann aber in der Theorie zur Herrschaft des Mobs werden. Daher braucht sie als Korrektiv ein gutes Recht. In der Geschichte ist Demokratie wohl meistens mit einem relativ stark liberal geprägten Politikstil einhergegangen. Wie gesagt: Nicht auflösbar. Schön fand ich aber Jay’s Gedanken, dass sich die Menschen ihre Führer selbst suchen statt einen nach Gottes Gnaden. (Auch wenn es meiner Meinung nach einen recht großen theoretischen Spielraum gibt für Überlegungen dahingehend, dass ja Gott die Menschen zum Guten und damit richtigen Kandidaten locken kann, wenn es richtig und falsch oder zumindest besser und schlechter gibt).

    • Gegen richtig und falsch oder besser und schlechter habe ich ja gar nichts. Auch nicht dagegen, dass sich hier jemand positioniert und seine Argumente für das Bessere und gegen das Schlechtere vorbringt. Noch nicht mal gegen ein unsichtbares göttliches Locken in Richtung Besser. Sondern nur dagegen, dass jemand denkt, er könnte durch Beten die Demokratie aushebeln. Oder dadurch, dass er das, was er für den Willen Gottes hält, anderen als das Bessere aufdrückt, ohne ihnen zuzugestehen, diesbezüglich eine eigenständige demokratische Entscheidung zu fällen. Per se sucht Demokratie nicht den Willen Gottes, sondern den Willen der Mehrheit ihrer Bürger – und als Demokraten sollte man das richtig finden (also prinzipiell, dass auch das furchtbar schief gehen kann, sieht man in Deutschland in den 30er Jahren, weshalb eine Demokratie natürlich darauf achten muss, dass sie sich nicht selbst abschafft). Im Hinblick auf Politik sollten Christen in erster Linie Demokraten sein, finde ich. Und erst in zweiter Linie Christen. Alles andere geht demokratisch meines Erachtens nicht.

      LG,
      der Jay

      • Andi Andi

        Ich als eiserner Verfechter der 2-Reiche-Lehre und Ablehner eines unteilbaren menschlichen Wesenkerns kann bei dieser Spaltung voll mit 😉 Wie siehst Du das mit der 2-Reiche-Lehre, interessiert mich seit ner kritischen Anmerkung von Dir schon länger! Wäre Dein obiges Statement nicht eine ziemlich strenge 2-Reiche-Lehre?

        Grüßle

        • Wahrscheinlich. Ich bin jedenfalls sehr dafür Kirche und Staat deutlich zu trennen und die Kirche wie jeden anderen Verein zu behandeln. Gläubige sollen sich gerne und viel politisch einbringen – aber sie sollten meines Erachtens nicht davon ausgehen, mehr über die Wirklichkeit zu wissen als andere. Ihre Ansichten sind ein Teil des „Streits um die beste Idee“ so wie jede andere auch. Und ich würde mich sehr freuen, wenn Christen dabei kleinere Brötchen backen und ihr Selbstverständnis, im Auftrag des Höchsten Politik zu machen, mit mehr Fragezeichen anstelle von Ausrufezeichen versehen würden.

          Lg,
          der Jay

          • der Daniel der Daniel

            Also mein Herr hat mir ja gesagt, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist und da ich aber zuerst nach seinem Reich und dessen Gerechtigkeit streben soll, bin ich schon sehr gerne zuerst Christ und dann erst Demokrat.
            Mir sind ohnehin sämtliche Vorstellungen das man vermöge politischer Entscheidungen den „Himmel auf Erden“ installieren könnte völlig suspekt und ich bin mir eigentlich sicher, dass solcherlei Bestrebungen immer in ungesunden Ideologien enden müssen.

            Lieber halte ich mich simpel an die christlichen Basics: Gott lieben und den Nächsten wie sich selbst, den Durst der Durstigen stillen, die Hungrigen sättigen, die Nackten bekleiden, die Fremden einführen, die Gefangenen besuchen und den Verlorenen hinterhergehen.
            Eine Politik, die mich darin unterstützt bekommt sehr gerne meine Stimme, aber alles was darüber hinaus geht und in solchen Kategorien denkt, wie sie manche Evangelikale wohl mit Trump verbinden, ist mir völlig zuwider und ich kann auch beim besten Willen nicht erkennen, dass uns derlei Blödsinn geboten wäre. Oder wo sagt Jesus noch einmal, dass wir nach politischer Macht und Einfluß streben sollen?

  5. Andi Andi

    dankeschön für den Einblick 😉

  6. Andi Andi

    Ich weiß nicht, ob ich die Zwei-Reiche-LEhre als Modell oder als Prinzip im Sinnes eines „NAtur“gesetzes sehe (aber definitiv ähnlich hoch aufgehängt wie die Religionsfreiheit – man kann nicht das eine fordern und das andere ablehnen!). Ich sehe die Ethik (die da bei der Entscheidung um Sterbehilfe, Ehe für Alle und Abtreibung mitreinspielt) ähnlich wie die Anthropologie als Zwitterdisziplin: einmal säkular, einmal theologgisch. Diese Spannung bewahrt vor Totalitarismus und führt in eine Ganzheitlichkeit. Die ethischen Entscheidungen sollten für alle „von Grund auf“ einsichtig sein statt Offenbarungen für wenige („kleine Brötchen“). Daher bin ich für weitreichende Liberalisierung er Sterbehilfe und der Ehe für Alle. Bei der Abtreibung suche ich mich noch. Stehe irgendwo zwischen den Polen „Man kann einem afrikanischen teenager auf der Straße kein Kind aufzwingen!“ und „Bei Spätabtreibungen in einem reichen Land kann ich nicht mit!“Das kann aber auch philosophisch verargumentiert werden (Schutz eines Dritten = des Ungeborenen als liberaler Zentralpfosten)

    Ich bin für eine größtmögliche Trennung von Kirche und Staat. Ganz aufzudröseln wird es nie sein (Reli-Unterricht, Militärseelsorge, geistliche Krankenhäuser…). Überm großen Strich Trennung, drunter im Klein-kleinen durchwühlen…. Denke allerdings, dass die Christen sich durch Kirche und Partei- und Vereinsarbeit so einbringen sollten, dass sowohl das weltliche wie auch das geistliche Recht seinen Platz hat und bewahrt wird.

    Hey Jay, ich hoff, ich laber Dir hier net zu viel. Is einfach ein sauwichtiger Anker in meinem Leben, da ich momentan wenig habe mit Frührente und Corona (habe ich das jetzt gedacht oder gesagt ;-).

    Liebe Grüße

    • Alles gut, lieber Andi,
      dafür ist die Kommentarfunktion ja da. Und was Du schreibst hat ja nun wirklich auch einiges mit dem Talk zu tun.
      Wir schätzen das alles sehr ähnlich ein, sehe ich. Dein Zwitterbegiff gefällt mir.

      Ich habe heute noch mal über das Leben als Christ nachgedacht und kam dabei auf den Gedanken, dass es hilfreich wäre, wenn Christen in einer säkularen, aufgeklärten, demokratisch und emanzipatorisch orientierten Welt immer mehrere Schuhe gleichzeitig tragen könnten: Die des Gläubigen und die des Ungläubigen, die dessen, der Gott um Hilfe anruft und die dessen, der sich lieber selber um die Hilfe kümmert, die dessen, der versucht nach dem zu leben, was er als Gottes Gebote/ Auftrag erkennt und die dessen, der dem nicht folgen kann, die dessen, der sich die Welt von Gott her erklärt und die dessen, der solche Erklärungen nicht benötigt. Und auch die von dem, der so intelligent wie möglich und intellektuell redlich glaubt, wie auch die von dem, dessen Glauben oder Weltsicht eher simpel gestrickt ist.

      Am langen Ende braucht es nicht in erster Linie Intelligenz sondern vor allem Empathie, Wohlwollen, Nähe und Spaß am lebendig sein.

      LG,
      der Jay

  7. ein Mensch ein Mensch

    Ich wollte euch auch mal ein fucking Dankeschön für die letzten 5 Jahre geben. Ihr macht das großartig, ich weiß aus eigener Erfahrung was für ein Aufwand hinter Talk Audioformaten steckt. Da könnt ihr das Lob ruhig annehmen 😉
    Meine persönliche Jahresbilanz ist sehr positiv: Masterstudium abgeschlossen, einen tollen Job gefunden, und ein sehr nervenzehrendes persönliches Projekt nach über zwei Jahren abgeschlossen. Danke noch mal an die Erinnerung an die Künstler Aktion.

    Zur US Wahl: Trump hat genau in die Leerstelle reingesprochen, die die Liberalisierung der letzten Jahre offen gelassen hat. Weiße, unterpriviligierte Männer mit geringer Bildung und auf der anderen Seite konservative und auch religiöse Meschen, die sich eben ausgeschlossen gefühlt haben bei Rechten für die LGBTQ Gruppen, Ehe für alle, Migrationsgruppen.
    Dazu fand ich es erschreckend, das in Florida große Gruppen der Latinos und sogar Schwarzen für Trump gewählt haben.
    Da scheint Trump als erfolgsmensch gezogen zu haben, bzw. der eigene Erfolg, den man anderen nicht gönnt.
    ich finde die Rolle der Medien darf nicht ausgeblendet werden. Auf der rechten Seite ist seit über 30 Jahren eine regelrechte Medien Infrastruktur entstanden mit Fox News, Breitbart und Infowars an der Spitze. Die haben mit ihrem Hass eine regelrechte Gehirnwäsche an breiten Schichten der Bevölkerung vollzogen. Trump hart das ganze nur öffentlich sichtbar gemacht. Die liberalemn Medien auf der anderen Seite sind auch nicht unschuldig, indem sie Trump schon unter Obama mit der Birther Verschwörungstheorie immer wioeder ein Podium geboten haben. Die Jagd nach Einschaltquoten und Klicks hat auch die liberalen Medien in immer extremere Positionen getrieben, sodass eben auch gemäßigten Konservativen irgendwann dachten, die Demokraten sind ganz ganz schlimm.
    Sogut ich CNN, die NYT und die Washington Post auch finde, Fakten Checks sind wichtig, aber wäre es nicht an der Zeit auch ein bisschen das Feuer rauszunehmen?
    Dieser Zirkus wird auch nach dem 20. Januar weitergehen, befürchte ich. Zuviele Politiker haben von der Spaltung und Polarsierung profitiert
    Auch die ganzen Richter, die Trump neu besetzt hat, werden die nächsten Jahrzehnte konservativ prägen. das war das Lebensprojekt konservativer Aktivisten.

    • Die neuen Medien spielen da sicher eine zentrale Rolle.

      Andererseits sind diese Medien und die von Dir zitierten Formate aber auch nur deswegen so erfolgreich, weil es eben eine große Nachfrage danach gibt. Die Leute glauben es, weil sie es da sehen / lesen, aber sie wollen es auch sehen / lesen, weil sie es schon glauben, oder?

      Wenn das stimmt, dann können die (zu Recht) geliebten Faktenchecks dem Problem Populismus auch gar nicht restlos abhelfen, oder?

  8. Jan Jan

    Hosea Talk Kommentar

    Sehr spannender Hosea Talk. Hab erst die Hälfte gehört, aber Jay’s Rant zu Beginn hat es schon in sich. Ich selbst bin Christ in einer pfingstlichen Freikirche, schon lange auch im charismatischen Bereich unterwegs und gleichzeitig seit fast fünfzehn Jahren Mitglied der SPD. Was ich in der Zeit festgestellt habe ist, dass bei uns in Deutschland evangelikale Menschen relativ selten parteipolitisch aktiv sind. Es gibt vereinzelt welche in der CDU, noch vereinzelter in der SPD und mittlerweile leider vermehrt auch in der AfD, aber insgesamt ist eine Parteizugehörigkeit eher untypisch (wie gesagt, soweit meine Erfahrung). Eher schon findet man Leute in den Parteien, die gleichzeitig in der ev. oder kath. Kirche aktiv sind, was natürlich auch mit deren zahlenmäßigen Überlegenheit zu tun hat.

    Ich bin (mittlerweile) zu der Ansicht gelangt, dass man Römer 13,1-4 „alle Obrigkeit ist eingesetzt von Gott“ nicht individuell sondern nur allgemein verstehen kann. Was meine ich damit? Man kann herrschende Personen oder Regierungsparteien, mit Ausnahmen der biblischen Führer Israels und vielleicht wenigen weiteren geschichtlichen Personen, nicht als von Gott individuell „auserwählt“ betrachten. Mit dieser Erklärung wurde im Laufe der Geschichte einfach zu viel Schindluder getrieben, sie eignet sich bestens um Menschen zu manipulieren („Willst du den von Gott auserwählten Präsidenten in Frage stellen?“). Und mal Ernsthaft: Würden wir als Christen wirklich behaupten, dass Führer wie Hitler, Kaiser Nero oder die Führungsdynastie Nordkoreas von Gott auserwählt wurden, was man ja konsequenterweise tun müsste, wenn man Römer 13 als individuelle Auserwählung von Herrschern durch Gott versteht. Wie Jay herausgestellt hat, ist diese Sichtweise außerdem schwierig mit einem modernen Verständnis von Demokratie in Einklang zu bringen.
    Stattdessen glaube ich, dass wir diese Verse als Anerkennung staatlicher Gewalt im Allgemeinen verstehen müssen. Staatliche Gewalt ist notwendig, damit in einer ansonsten anarchischen Welt Gesetze und Regeln herrschen, damit Recht gesprochen werden kann und dadurch ein gewisses Maß an Sicherheit, Ausgleich und Versorgung der Grundbedürfnisse gewährleistet werden kann. Das klappt mal besser und mal schlechter, es gibt Herrscher die ihre Macht zum Schlechten ausnutzen, aber gar keine Regierung hat sich bisher eben auch nicht als sinnvolle Alternative erwiesen.

    Was resultiert daraus in der Praxis? Ich glaube, dass uns als Christen anstatt von Besserwisserei manchmal eine sehr viel demütigere Haltung zur Regierung und zur Staatsgewalt guttun würde. Wir sind aufgefordert für unsere Regierung zu beten, wir sollen unsere Steuern zahlen und Recht und Gesetz anerkennen. Und ja, im Zweifel müssen wir Gott mehr gehorchen als den Menschen. Was aber im Einzelfall Gottes Wille ist, lässt sich ja dann oftmals nicht so genau sagen. Schon gar nicht lässt sich sagen, ob Gott eher rechts oder eher links wäre oder ob Jesus CDU oder SPD wählen würde. Nein, ich glaube wir Christen dürfen ein demokratisches Ergebnis auch mal akzeptieren und können dann auf dieser Basis, wie alle demokratischen Staatsbürger, unsere Meinung zur Regierungspolitik mitteilen. Stattdessen habe ich leider den Eindruck, dass einige Christen sich auf Grundlage von Verschwörungstheorien ein staatsfeindliches Weltbild zimmern und damit unsere demokratische Grundordnung in Frage stellen. Dass man damit in der Öffentlichkeit zunehmend als Spinner wahrgenommen wird, wundert mich überhaupt nicht.

    Gleichzeitig würde auch manchem Regierungspolitiker, ich denke da eher an die USA als an Deutschland, Demut guttun. Man kann das alte monarchische „von Gottes Gnaden“ nämlich auch anders verstehen, nämlich nicht als glorreiche Auserwählung Gottes. Stattdessen kann man auch die „Gnade“ in den Mittelpunkt stellen, dass Gott die Führungsperson(en) mit allen ihren menschlichen Fehlern toleriert und ihnen dieses hohe und verantwortungsvolle Amt zugesteht, dass sie nach besten Wissen und Gewissen ausüben soll. Dafür lohnt es sich dann als Christ auch zu beten.

    • Lieber Jan,
      danke für Deinen Beitrag. So ähnlich würde ich das auch formulieren. 🙂

      LG,
      der Jay

      • Werner Kremers Werner Kremers

        und das entspricht auch der Auslegungstradition auch bei älteren Wissenschaftlern wie z.B. Peter Stuhlmacher, der ja durchaus nicht unfromm ist.

  9. Hanna Hanna

    Ich muss gestehen, ich hab nur bis 1:12 gehört, mehr hab ich einfach nicht geschafft. Mir fehlt ein bisschen Grundlagenarbeit: Woher kommt dieses Gottesgnadentum? Doch nicht aus der Bibel! Fundamentalisten können also weder Demokraten (gab in der Form wie heute ja damals nicht) noch einem König oder sonstwem untertan sein, als ihrem Gott alleine. Denn selbst die israelitischen Könige wollte Gott ja gar nicht, die hat er dann auf Verlangen des Volkes eingesetzt (sehr demokratisch, würd ich mal sagen!). Und TROTZDEM waren manche Könige dann Vollpflaumen. Komisch… Die Bibel sagt also nirgends, dass Gott einen Alleinherrscher, selbst wenn von ihm eingesetzt wie Saul (!), grundsätzlich geil findet.
    Und zu den Amis, ach ja… Trump war nach deren System damals auch demokratisch gewählt, und trotzdem haben wir gejammert und es nicht so richtig akzeptieren wollen. Und die Briten haben für den Brexit gestimmt und hier kommt alle Wahljahre wieder mit Stimmen der Christen eine Regierung an die Macht, die auf die Schöpfung spuckt und und das Vergängliche preist (Reiche reicher macht etc.). Und so langsam zweifle ich an Volksentscheiden, wenn ich bestimmte Gruppen gerade demonstrieren sehe. Die Demokratie ist halt so toll wie ihre Bürger.
    Und dann fällt mir noch ein: Wir müssen halt akzeptieren, dass ein paar unserer Geschwister (und dann auch noch die lauten) spinnen. Das kapieren wir nicht und die uns auch nicht. Jemand anderes anderswo oder zu einer anderen Zeit wird sich uns anschauen und an den Kopf fassen, wie wir als Christen es zulassen konnten, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken oder und von Kindern für 2 Cent Hemden nähen lassen. Es ist immer gut, sich nach solchen Überlegungen an die eigene Nase zu fassen. Drum nichts für ungut, ich stehe euch gedanklich sehr nahe und höre mir Hossa gern an, aber hier wurde es mir echt zu viel des Jammerns über andere, die „es“ nicht kapieren. Fruchtbarer ist zu suchen, wo man selbst vielleicht an einem Balken sägen kann. Und das meine ich voll und ganz ehrlich in Bezug auf mich.

    • Liebe Hannah,
      danke für die freundliche Kritik. Wenn du den Talk doch noch weiterhörst, wirst Du feststellen, dass wir gar nicht so weit weg von dem auftauchen, wo Du schwimmst. 🙂

      Meine Kritik bezog sich ja vor allem darauf, dass irgendwer zum Kandidaten Gottes ausgerufen wurde (das hätte ich auch kritisiert, wenn er Joe Biden geheißen hätte) und dass Christen aktiv gegen die Demokratie arbeiten, wenn sie nach der Wahl nicht bereit sind, deren Ergebnisse zu akzeptieren, bzw. diese versuchen zurecht zu beten. Für uns Deutsche mutet das etwas spinnert an, aber weltweit gesehen sind Christen mit einer solchen Färbung/ Weltsicht leider eher in der Mehrheit als in der Minderheit. Von daher finde ich meine Kritik nach wie vor nicht nur angemessen sondern auch wichtig. 🙂

      LG,
      der Jay

  10. Die 3 Gründe, warum ich meinen Facebookaccount gelöscht habe (neben dieser Pseudo political correctnes) waren:
    -die politischen Spinner
    -die Corona-Spinner
    -die religiösen Spinner

  11. Dominic Dominic

    Gofi hat kurz Frank E. Peretti erwähnt in der letzten Folge. Eine Folge zu ihm und seinen Büchern wäre toll😊. Die haben mir ziemlich viel Angst gemacht.

  12. eine Fragende eine Fragende

    Premiere: mein 1. Kommentar. Und ich bin schon jahrelanger treuer Hossa-talk Hörer. Ich schätze Eure Talks wirklich sehr und Ihr habt schon viel bei mir ins Rollen gebracht. Danke dafür!!! Im Hinblick auf die „Verschwörungstheroretiker“ schaut Ihr aber meiner Meinung nach nicht genau genug hin. Dieser Begriff wird meinem Eindruck nach nämlich sehr schnell verwendet, um jemandem einen Stempel aufzudrücken und ihn in eine Schublade zu stecken. Warum ist die Berichterstattung in den Mainstream-Medien aber so einseitig? Warum werden Journalisten, die einfach nur Fragen stellen, diffamiert? Warum werden so viele YouTube-Beiträge von Bhakdi und Co gelöscht? Warum erträgt unsere Meinungsfreiheit das nicht, dass zusammen am Tisch diskutiert wird? Warum wird von der Bundesregierung nur ein kleiner Kreis an Virologen gehört und andere nicht? Warum bekommt ein Lungenfacharzt, der sich bereits im März schriftlich an die Regierung und an andere entscheidende Stellen gewandt hat, keine Antwort wird aber auch nicht mehr eingeladen in den Medien (er legt sachlich und sehr detailliert nah, dass man einen Corona-Patienten mit starken Symptomen auf keinen Fall die Lunge intensiv beamten darf)? Wir sind ein freies Land und die Impfpflicht wird es nicht geben – aber das medizinische Personal ist das erste, dass quasi seinen Job verliert, wenn es sich nicht impfen lässt? Und die, die sich dagegen entscheiden, stehen da als Impfverweigerer, die unsolidarisch sind? Ich habe viele Fragen, sehe mich aber nicht als Verschwörungstheoretiker. Ich möchte die Fragen einfach stellen dürfen und möchte sehr gern darüber diskutieren. Ohne dass mir gleich die Freundschaft gekündigt wird. Mir machen diese Entwicklungen, die ich beobachte, Angst, wenn ich mich viel damit beschäftige.

    • Katja Katja

      Hallo Fragende,
      ich stelle mal ein paar Gegenfragen:
      – Warum verwendest du den Begriff „Mainstream-Medien“ und was verstehst du darunter?
      – Warum werden Journalisten auf Querdenkerdemonstrationen nicht (immer) von der Polizei geschützt, wenn sie von Querdenkern angepöbelt und geschlagen werden? Warum hindern gerade Menschen, die die Meinungsfreiheit in Gefahr sehen, Journalisten daran, ihre Arbeit zu tun, und schränken damit die Pressefreiheit ein? (Zb https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/journalisten-bei-corona-demos-berichterstattung-wird-zum-spiessrutenlauf/26594056.html; https://www.sueddeutsche.de/medien/leipzig-demo-journalisten-polizei-1.5110261; https://taz.de/Pressefreiheit-bei-der-Querdenken-Demo/!5723803/)

      Zu der Sache mit „an einem Tisch diskutieren“ in der Wissenschaft: Soweit ich das aus den Schilderungen von NaturwissenschaflerInnen verstanden habe, gibt es einen grundlegenden Unterschied zwischen dem wissenschaftlichen Prozess in den Naturwissenschaften und dem „Meinungsaustausch“ in anderen Wissenschaftsdisziplinen (wie zB in der Philosophie): In den NaWis läuft das nicht so ab, dass man sich mit seinen unterschiedlichen Theorien an einen Tisch sitzt und debattiert und dann irgendwann auseinandergeht mit dem Fazit: „Wir sind zwar unterschiedlicher Meinung, aber man muss das so stehen lassen – man kann nicht beweisen, was ‚richtig‘ ist.“ In den NaWis geht es darum, Theorien zu verifizieren oder zu falsifizieren. Wenn also ein Naturwissenschaftler eine Theorie aufstellt, die sich nach empirischer Forschung als falsch erweist, wird sie verworfen. Das hat nichts mit Zensur oder Missachtung der Meinungsfreiheit zu tun. Das ist der normale wissenschaftliche Prozess. Das kann für einen lange forschenden Wissenschaftler finanziell und emotional frustrierend sein, ist aber keinesfalls damit gleichzusetzen, dass er in der Wissenschafts-Community diffamiert wird. Wenn dieser Wissenschafler allerdings auf einer unbelegten Theorie beharrt oder Aussagen macht/als erwiesen darstellt, die nicht belegt sind oder auf bereits falsifizierten Behauptungen beruhen, kann es sein, dass sich andere Wissenschaftler von ihm distanzieren und er nicht mehr „gehört“ wird (so hat sich zB die Universität und Fakultät, an der Dr. Bhakdis Frau tätig war/ist(?) von ihr distanziert, nachdem ihr Buch erschienen ist). In der Wissenschaftscommunity werden selbstverständlich verschiedene Ansätze untersucht – wenn allerdings die Mehrheit der Nachforschungen ein anderes Ergebnis liefert als eine Einzelstudie, kann eher davon ausgegangen werden, dass die vielen Studien richtiger liegen als die Einzelstudie. Und auch das bedeutet dann nicht, dass ein Einzelner einer Zensur unterliegt.

      Soweit der Einblick in den naturwissenschaftlichen Forschungsprozess, den ich von NaWis bekommen habe – ich hoffe, ich habe das richtig verstanden, NaturwissenschaftlerInnen können mich gerne korrigieren.

      • Werner Kremers Werner Kremers

        Das kann ich so bestätigen! Als Physiker fällt mir immer wieder auf, wie sehr sich bekannte „Querdenker“ (oder ähnliche Leute) auf wissenschaftliche Studien berufen und sich sehr informiert zeigen. Ich kann dazu nur sagen: Prüft es nach! Ein Beispiel: Clemens Arvay aus Österreich sagt in einem seiner Videos: 70% der Leute, die sich impfen lassen, wurden laut einer Studie krank! Man hört das und denkt: Das ist ja der Horror! Ganz kurz zeigt er die Studie – aber es reicht aus, sie im Netz zu finden. Und siehe da, da steht es: 70% der Probenden werden krank! Ja, sie bekommen leichte Schwellungen, leichte Kopfschmerzen und manche auch Gliederschmerzen. Maximal einen Tag und Iboprofen hilft…Lasst euch nicht von Wissenschaftlichkeit überfahren! Macht euch an die Arbeit, Dinge selbst nachzuprüfen, sie sind nur 3 Mausklicks entfernt!

    • der Daniel der Daniel

      Hallo Fragende,

      Gratulation zur Premiere. Ich, als der schlecht gelaunte, ketzerische Teil der „Hossa Talk Kommentarsektion“ begrüße es sehr, wenn man Jay und Gofi mal bisschen auf den Zahn fühlt und ihre teils kruden Thesen hinterfragt! Womit wir dann ja auch schon sofort mitten im Thema wären, nämlich bei den Verschwörungstheoretikern.

      Du stellst meiner Meinung nach ganz zu Recht fest, dass der Begriff des Verschwörungstheoretikers gerne auch mal vorschnell und in diffamierender Weise genutzt wird, eben, um einem Menschen einen bestimmten Stempel aufzudrücken und ihn zu diskreditieren. Das führt dann in der Folge zu einem nicht wirklich fruchtbaren Diskurs, in dem die gegenseitigen Fremdbezeichnungen der lieben Menschen, kräftig ins Kraut schießen und die Gräben zwischen Mensch und Mensch beständig nur vergrößert werden.

      Die Top 3 der Fremdbezeichnungen, deren ich dieses Jahr z.B. reichlichst bedacht wurde, waren: Schlafschaf (klarer Platz 1), Systemzäpfchen (fand ich eigentlich ganz witzig) und Coronazi (find ich eine Unverschämtheit)!
      Gecancelt und vom Diskurs ausgeschlossen wurde ich dann, in Folge meines liebreizenden Wesens und den daraus entspringenden Kommentaren, von folgenden Personen: beim „Youtube-Kaiser“ und selbsternannten Endgegner der „Cancel Culture“ Gunnar Kaiser und bei, gebenedeit seist du unter den Psychotherapeuten, Raphael Bonelli, der mir wohl übel nahm, dass ich seine gesellschaftspaltende Unterscheidung zwischen „Freiheitskämpfer“ und „Gesundheitsapostel“ als eine solche entlarvte.

      Du siehst also, es geht auch andersrum. Nicht nur die Mainstreammedien (mittlerweile übrigens auch schon ein diffamierender Begriff) verschließen sich ggf. einem kritischen Diskurs, sondern das machen die selbsternannten alternativen Medien ganz genauso und das alles führt zu rein gar nix außer Spaltung. Ich bin also schlussendlich voll bei dir, dass man den Begriff des „Verschwörungstheoretikers“ nicht unbedarft nutzen und überhaupt mit diffamierenden Fremdbezeichnungen vorsichtig sein sollte!

      Wie aber soll man einen Menschen denn nun einordnen, der ernsthaft behauptet, es gebe überhaupt kein Corona, nein, schlimmer noch, es gebe überhaupt keine Viren und diese „Erkenntnis“ dann einbettet in die Theorie einer aufziehenden neuen Weltordnung, in der die Eliten (wer ist das eigentlich genau) das gemeine Volk dezimieren (durch Impfung) und versklaven (durch Grundrechtseinschränkungen) wollen?

      Du wirst mich sicher verstanden haben, denn manchmal muss man die Dinge einfach beim Namen nennen und dann ist eine Verschwörungstheorie eben eine Verschwörungstheorie und der Mensch, der eine solche vertritt eben ein Verschwörungstheoretiker. Und deshalb bin ich persönlich den Mainstreammedien sehr dankbar, dass sie das Kind auch mal beim Namen nennen und nicht jedem eine Bühne bietet, der wähnt, er hätte die satanischen Hintergründe der „Coronaplandemie“ entlarvt.

      Herrn Prof. Bhakdi wurde z.B. im Mainstream ein Format angeboten, in dem er sich, wie jeder andere Teilnehmer des Formats auch, mit jeweils drei Minuten Sprechzeit an der Diskussion hätte beteiligen können. Dies lehnte er aber ab und forderte stattdessen eine Stunde Sprechzeit exklusiv. Soll man sich als freie Presse jetzt von Kritikern das Format diktieren lassen, in dem sie sich präsentieren wollen? Das können sie in den alternativen Medien doch nun wirklich zur Genüge. Und Youtube prüft halt ganz einfach die Videos in Zusammenarbeit mit der WHO auf etwaige gesundheitsgefährdente Falschinformationen und dann fliegt halt leider auch manchmal Prof. Bhakti raus: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/coronavirus-faktencheck-bhakdi-100.html

      Die Bundesregierung wiederum steht ebenfalls mit der WHO in Kontakt und hat exakt den Kreis an Virologen und Epidemieologen um sich gescharrt, die in den letzten Jahren zum Thema Corona auch geforscht haben. Da gehört Prof. Bhakti aber nicht dazu und auch ein Prof. Kekule nicht, der nach wie vor aber im Mainstream (MDR) reden darf und dann gerne auch mal Blödsinn.

      Der von dir erwähnte Lugenfacharzt , der sich bereits im März geäußert hatte, wurde übrigens sehr wohl gehört, nämlich an der Front. Das korrekte intensivmedizinische Vorgehen bei Covid 19 war zu diesem Zeitpunkt (also März) nämlich noch überhaupt nicht klar und es sind viele Menschen nach Intubation verstorben. Mittlerweile hat man dazugelernt, weiß wie genau man beatmen und die Menschen dabei lagern muss und es wurden sehr viele Leben gerettet. Covid 19 ist halt neu und macht ganz seltsame Symptome und Verläufe, wie ich dir aus persönlicher Erfahrung versichern kann.

      Und ja, wir Pflegekräfte finden das jetzt auch nicht so super, dass es keine Daten über etwaige Langzeitprobleme im Zusammenhang mit dem Impfstoff gibt, aber über die Langzeitfolgen einer Covid 19 Infektion ist nun einmal auch nichts bekannt und diese liegen zudem noch weit mehr im Dunkeln, als die erwartbaren Folgen einer Impfung. Deshalb war die sogenannte „Teleskoptestung“ (das gleichzeitige Testen von Parametern, die ansonsten immer nacheinander getestet werden) des Impfstoffs absolut richtig, um ihn schnellstmöglich auf den Markt bringen zu können. Und er wird mehr Menschenleben retten, als vernichten. Selbstverständlich wird es aber im Zusammenhang mit der Impfung und aufgrund anaphylaktischen Schocks, leider auch zu Toten aufgrund des Impfens kommen. Das iegt allein schon an der Anzahl der Menschengruppe, die da geimpft werden soll.

      Weißt du, die ganze Sache ist ein schreckliches Dilemma, in der es keine einfachen Lösungen gibt. Und allein deshalb verbietet es sich eigentlich schon, noch zusätzlich die Gesellschaft durch die Verbreitung von Verschwörungserzählungen zu verunsichern und zu spalten. Und zu diesen Verschwörungserzählungen gehört unter anderem, dass uns die Regierung vermöge des Impfstoffes töten oder zumindest dezimieren möchte und durch die Hintertür eine Impfpflicht eingeführt werden soll. Dazu mal folgende Analogie:

      Wenn du mit einem PKW am Straßenverkehr teilnehmen möchtest, brauchst du einen Führerschein der bestätigt, dass du das Fahren und die Verkehrsregeln auch gelernt hast und beherrschst. Ansonsten stellst du ggf. eine ziemliche Gefahr für andere da. Ich habe nun in meinem Leben aus religiösen Gründen (bin diesbezüglich ein Spinner!) nie den Führerschein gemacht, bin deshalb auch nicht berechtigt mit einem PKW am Verkehrsleben teilzunehmen und also auf meine Füße, den ÖPNV und mein Fahrrad beschränkt.
      Sollte ich jetzt ernsthaft darüber klagen, dass es zur Teilnahme per PKW am Straßenverkehr eines Führerscheins bedarf, oder nicht vielmehr einsehen, dass das Problem eigentlich gar nicht die Einschränkung durch das Führerscheinmachen ist, sondern eben meine persönliche Überzeugung und mich anschließend dann halt auf’s Fahrrad schwingen?

      Oder anders: Es wird in Deutschland laut unseres Gesundheisministers keine Impfpflicht geben, gleichwohl sieht das Infektionsschutzgesetz die Möglichkeit der Einführung einer Impfpflicht vor und das ist auch schon heute bei uns Pflegekräften bzgl. der Masernschutzimpfung der Fall. Es wird also voraussichtlich so laufen, dass zunächst auf Freiwilligkeit bzgl. der Impfung gegen Corona gesetzt wird und dann der Medizinische Dienst überprüft, ob er die Impfung nicht doch noch zur Voraussetzung machen möchte, um als Pflegekraft arbeiten zu dürfen. Und dann gilt es für dich halt abzuwägen: will ich noch weiterhin als Pflegekraft arbeiten (mit dem PKW am Straßenverkehr teilnehmen), oder lehne ich eine Impfung aus irgendwelchen Gründen kategorisch ab und bin dann leider raus (muss Fahrrad fahren)?

      Jeder Job hat halt seine Zugangsvoraussetzungen die erfüllt sein müssen. Und als ausgebildete Pflegefachkraft weiß man eigentlich auch, was Impfen bedeutet und was es nicht bedeutet und lässt sich dann aus Vernunftgründen ganz einfach impfen. Das einzige Argument gegen die jetzt geplanten Impfungen ist halt die Tatsache, dass man nichts über etwaige Langzeitschäden wissen kann, aber das ist bei einer Infektion mit Covid 19, wie gesagt, auch der Fall und ich persönlich schätze die Gefahren diesbezüglich als weit höher ein, als das man aufgrund der Impfung chronische Probleme bekommen könnte.

      Wird also doch durch die Hintertür eine Impfpflicht eingeführt werden? Das mag man so verstehen, wenn man es denn so verstehen will. Ich persönlich begreife die Impfung jedoch vielmehr als Zugangsvoraussetzung um gewisse Dinge tun zu dürfen, weil man ansonsten zu einer Gefahr für andere Menschen werden kann (wie beim Fahren ohne Führerschein) und gerade in der Pflege will das eigentlich kein Mensch.

      Wenn man einmal verstanden hat, dass wir uns hier gerade in einem gigantischen Dilemma befinden, wird man vielleicht auch einsehen, dass die Impfung genausowenig eine abschließende Lösung des Problems darstellen kann, wie sich nicht impfen lassen. Das Virus aber ist ein natürliches Phänomen und Übel und Geimpfte werden ihm, im Gegensatz zu den nicht Geimpften, mehr als nur das eigene Immunsystem entgegenzusetzen haben. Deshalb bin ich persönlich „Pro Impfung“ und kann etwaige Einschränkungen für Ungeimpfte, mit gleich zwei weinenden Augen, doch irgendwie verstehen.

      Abschließend möchte ich dann gerne noch etwas zu dem Thema Angst sagen, unter der du ja leider auch zunehmend zu leiden scheinst, wie du sagtest. Vielleicht ist es ja sogar ein bisschen tröstlich?

      In der Psychologie unterscheidet man zwischen Angst und Furcht. Die Furcht wird dabei auch als „Realangst“ bezeichnet, während die Angst irrational begründet ist. Der Unterschied zwischen beiden ergibt sich aus der Evolution unserer Gehirne, in Verbindung mit Phänomenen, die bis in die Tierpsychologie hineinreichen. Angst ist also ein sehr tief verankertes Phänomen in unserer Seele.

      Nun ist es sehr vernünftig, sich z.B. vor einer ihren Nachwuchs beschützenden Wildsau zu fürchten. Der Merksatz lautet hier: „fürchte die trächtige Wildsau“. Es ist aber so ganz und gar nicht vernünftig, z.B. vor einer Maus Angst zu haben. Der Merksatz lautet hier: „sei kein Angstmäuschen“.

      Der Unterschied liegt also in der real von dem Tier ausgehenden Gefahr. Merksatz: „Wildsau potentiell wirklich gefährlich (https://www.focus.de/panorama/welt/behoerden-warnen-immer-mehr-wildschwein-attacken-keiler-toetet-jaeger-in-mecklenburg-vorpommern_id_7937307.html), Maus, völlig ungefährlich“.
      Nun gibt es aber Menschen, die vor Mäusen irrationale Angst haben ( Suriphobie ) und das ist eine wirklich schlimme Sache, weil es die Lebensqualität der Suriphobiker durchaus stark beeinträchtigen kann.

      Und jetzt hat man in der Coronakrise der Bundesregierung und den Mainstreammedien immer wieder vorgeworfen, sie würden Angst und Panik verbreiten, was ich in einigen, wenigen Fällen sogar ganz gut nachvollziehen kann, aber trotzdem gerne darauf aufmerksam machen möchte, dass es psychologisch betrachtet vielmehr Furcht war, die die Regierung und die Medien verbreitete. Denn das Coronavirus ist in der Tat eine richtig gefährliche und ggf. auch tödliche Sache. Stand heute sind allein in Deutschland trotz aller Maßnahmen über 30000 Menschen an oder mit Covid 19 gestorben. Der korrekte Merksatz lautet also: „fürchte das Coronavirus“!

      Irrationale Angst hingegen verbreiten all die Zeitgenossen, die die Pandemie lediglich als vorgeschobene Blendung der Menschheit betrachten, um in Ruhe, im Verborgenen und Hintergrund, die Vorbereitungen zur Versklavung, Chipung und Dezimierung der Gesellschaft durchführen zu können. Und das sind witzigerweise genau diesselben Protagonisten, die der Regierung Angst- und Panikmache vorwerfen. Merksatz: „vertraue keinen Menschen, die anderen Angstmache vorwerfen, selbst aber ein noch viel größeres Angstszenario entwerfen“.

      Denn, mal ehrlich, was verursacht denn das größere Unwohlsein? Ein ggf. tödliches Virus, vor dem man sich aber mit dem Einhalten einfacher Regeln (Maske, Abstand und so) und per Impfung ganz gut schützen kann, oder das Narrativ einer satanischen Elite, die im Hintergrund und Verborgenen seit Jahrhunderten ihre teuflischen Pläne ausheckt, um uns alle zu versklaven und uns unserer Rechte berauben wird, bis in den Tod?

      Diesbezügliche und abschließende Merksätze meines lieben Bruders William von Ockham:

      1. Von mehreren hinreichenden möglichen Erklärungen für ein und denselben Sachverhalt ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen.
      2. Eine Theorie ist einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen und Hypothesen enthält und wenn diese in klaren logischen Beziehungen zueinander stehen, aus denen der zu erklärende Sachverhalt logisch folgt.

      Würde die Menschheit nur mal diese beiden einfachen Merksätze aus dem 13. Jahrhundert zur Kenntnis nehmen und verinnerlichen, wäre das Ende jedweder Verschwörungserzählung besiegelt und wir könnten uns auf das wirklich Wesentliche konzentrieren und maximal angstfrei durchs Leben gehen. Das Virus zwar fürchtend, aber ganz sicher nicht irrational Angst vor dem Untergang des Rechtsstaats habend.

      Hab also bitte keine Angst, Fragende. Es ist Pandemie, es ist ein schreckliches Dilemma, aber du darfst gerne jedwede Frage stellen die du magst. Du bist herzlich willkommen!

      LG
      der Daniel

  13. toblog toblog

    Mein Glaube besteht jenseits von Verschwörungen. Ich setze nicht auf ihren Erfolg, auch nicht auf ihren Misserfolg. Ich setze nicht einmal darauf, dass ich etwaige Verschwörungen gegen mich genau genug erkenne. Meine Hoffnung ruht auf dem hellen Morgenstern – dass er aufgehen möge zur Sonne der Gerechtigkeit. Mir und der Welt.

  14. Sehr spannender Talk. Schön, dass Ihr an dieses politische Thema ran geht.

    Provokante Frage an Jay: Du beschreibst den Moment der unbeschreiblichen Erleichterung, als Trump abgewählt war. Vermutlich war der Gedanke: „Was Biden genau will, wer weiß, kann man sicher drüber streiten. Hauptsache dieser Trump ist ENDLICH weg. Es kann jetzt nur besser werden.“ – kann ich jedenfalls sehr gut nachvollziehen.

    Aber: Kannst Du Dir vorstellen, dass viele Trump-Wähler 2016 GENAU DASSELBE Gefühl hatten? (nur mit vertauschten Namen)
    Und wenn ja, was würde daraus folgen?

    • Hallo Florian,
      Ja natürlich kann ich mir das vorstellen. Ihr Aufatmen war ja sogar in Deutschland zu vernehmen. Was daraus folgt? Das weiß ich auch nicht so recht. zumindest macht es deutlich, dass wohl jeder die Welt so sieht, wie er sie sieht und dass das, woran man glaubt, mit dafür verantwortlich ist, wovor man sich fürchtet. Deshalb bin ich auch zuallererst nicht links oder liberal und auch nicht konservativ oder rechts, sondern Demokrat. Ich denke, das Wichtigste für mich ist in dieser Hinsicht, dass die Gesellschaftsform sicherstellt, dass man unterschiedlicher Meinung sein kann. Dass es den Raum gibt, mit und gegen den Gegner nach Lösungen zu suchen, am besten miteinander, ansonsten hoffentlich wenigstens im respektvollen, konstruktiven Diskurs. Dass nicht alles von vornherein feststehen muss, sondern er-arbeitet, er-lebt werden darf. Und natürlich atmen da mal die einen auf und mal die anderen. Das gehört dazu.

      Deswegen kann ich auch mit solchen hyperreligiösen politischen Anwandlungen nichts anfangen. Wenn einer der Kandidaten Gottes Kandidat ist, gibt es von vornherein kein miteinander mehr, sondern nur noch Entweder Oder. Kompromisse sind dann keine zivilisatorischen Errungenschaften mehr sonder Gotteslästerung. Und es wundert dann auch nicht, wenn am Ende der Straße die Guillotine steht.

      LG,
      der Jay

      • Paul Paul

        Hallo,
        zwischenzeitlich hört sich das so an, als wäre Paula White irgendeine Hauptvertreterin der evangelikalen Bewegung und alle Evangelikalen denken irgendwie wie sie. Aber sie ist doch nur irgendein Extrembeispiel. Und sehen die meisten Evangelikalen sie nicht eher als irgendeine Irrlehrerin an? Jedenfalls wird das in meinen russlanddeutschen Bekanntschaften eher so gesehen. Ich bin auch in erster Linie Demokrat. Ich sehe Trump jetzt auch nicht als Gottes Kandidat oder als irgendeinen Kyros. Ich finde es irgendwie aber ein wenig unfair, dass man Leuten das „Demokratensein“ abspricht, wobei ich das bei einigen Leuten auch machen würde. Dass Trump jetzt nicht gewählt wurde, ist für viele jetzt erstmal ein Schock und das müssen die erstmal verarbeiten. Ich meine, wie die das verarbeiten, ist schon ein wenig merkwürdig und dieses „Nicht-Wahrhaben-Wollen“ von Tatsachen ist schon auch irgendwie krank. Aber gib denen doch noch ein wenig Zeit. Bei dir Jay hört es sich so an, dass du der gute Demokrat bist, der alle Entscheidungen im Endeffekt mitträgt, auch wenn sie einem nicht so passen. Aber die ganze Hetze gegen Trump und die Erleichterung danach als er nicht mehr gewählt wurde, könnte man jetzt vielleicht auch so interpretieren, als seiest du irgendwie nicht viel besser als die andere Seite. Ich will dir da auch nicht zu nahe treten, deswegen die vielen „vielleichts“.

        LG
        Paul

        • Hallo Paul,
          hast du den Talk bis zuende gehört?
          Vielleicht solltest du das tun. 🙂

          Frohes neues Jahr übrigens.

          LG,
          der Jay

      • Timo Timo

        Wie jede Staatsform kann auch die Demokratie nur bestehen, solange der Souverän willens ist, seine Macht auszuüben. Und wenn sich eine Mehrheit für einen antidemokratischen Kandidaten ausspricht, kann die Demokratie auch ein jähes Ende finden.

        Und so unwahrscheinlich ist es gar nicht: Ich würde sagen, dass z.B. in Deutschland vielleicht 20% der Bevölkerung überzeugte Demokraten sind in dem Sinne, dass sie für den Erhalt der Demokratie kämpfen würden, und weitere 20%, die liebend gerne die Demokratie abschaffen würden, wenn nur sie danach das Sagen hätten. Die restlichen 60% sind Mitläufer, die alles mitmachen, solange sie ungestört ihr Leben leben dürfen.

        Ich würde mich gerne bei den 20% Demokratiekämpfern verorten, aber ich hoffe inständig, dass ich es nie herausfinden muss, denn wenn ich ehrlich bin, mit Frau und Kindern ist die Versuchung groß, einfach mitzumachen und zu hoffen, dass es schon irgendwie gut geht.

        LG
        Timo

        • Hallo Timo.

          Diese Einschätzung ist pessimistisch, aber leider vlt auch realistisch.

          Die Ironie besteht allerdings darin, dass vermutlich gerade die „Querdenker“, AfD‘ler etc sich selbst ganz sicher zu den 20% Demokratie-Rettern zählen und Dich und mich vermutlich zu den systemtreuen, geblendeten, schlafschafigen 60% , wenn nicht gar zu den „linksradikalen“ (🙄🙄) 20% Demokratie-Abschaffer*innen. Das ist es ja, was die Sache so unlösbar macht

          • Timo Timo

            Die Unbedarften halten sich vielleicht noch für Demokraten, aber die Rädelsführer der Querdenker sind entweder für den persönlichen (finanziellen) Vorteil dabei oder träumen insgeheim vom neuen großdeutschen Reich. Bei der AfD dürfte es nicht viel anders aussehen, zumal es ein offenes Geheimnis ist, dass die AfD sich bewusst einen bürgerlichen Anstrich gibt, um bei den gemäßigten Konservativen besser anzukommen.

            Ich hoffe übrigens sehr, dass meine Einschätzung zu pessimistisch ist. Umso wertvoller sind diejenigen, die öffentlich für unser demokratisches System eintreten und vielleicht den einen oder anderen Politikverdrossenen mitreißen und neu begeistern können. Und das, was bei uns schiefläuft und auch gerne lautstark und oft zurecht kritisiert wird, würde ja durch die Abschaffung der Demokratie nicht auf einmal besser.

            Vielmehr ist es doch wie beim Witz mit dem DDR-Flüchtling, der auf der Flucht erwischt wird und beim Verhör auf die Fragen nach dem Grund und ob er mit diesem oder jenen unzufrieden sei, stets antwortet: Ich kann mich nicht beklagen. Irgendwann fragt der Offizier entnervt: „Warum wollen Sie dann überhaupt in den Westen?“ Die Antwort: „Im Westen *kann* ich mich beklagen!“

  15. Werner Kremers Werner Kremers

    Danke, dass Ihr euch solch schwieriger Themen annehmt. Es ist nicht leicht, die politisch-evangelikale Szene zu durchschauen. Ja, Paula White ist ein Extrembeispiel, aber es gibt noch mehr davon. Da sei auch Lance Wallnau genannt, der eine wichtige Person in der Szene ist. Um da tiefer einzudringen, kann man Rushdoony lesen (Rekonstruktivismus) oder Francis Schaeffer, der einen großen Einfluss in den Staaten hatte. Sein „Manifesto“ enthält einen Aufruf zu offener Gewalt, wenn der Staat seine christliche Linie verlässt. Ihr habt Kris Vallonton erwähnt. (BEthel). Leider hat er sein „Bußvideo“ drei Tage später wieder entfernt, nachdem ihn Freunde darauf hingewiesen haben, dass die Sache noch nicht vorbei ist. Jetzt warte ich darauf, dass er wie er versprochen hat, den Beitrag morgen wieder draufstellt. Und ich frage mich: Was ist das für ein Prophet, der sagt, ich warte mal, ob es doch eintrifft(und sage dann, ich habs vorhergesagt). Der Mann schreibt Lehrbücher zu Prophetie! Hier sind weitere Informationen – noch einen Tag aktuell! https://www.youtube.com/watch?v=M9GinOCg-nw

    • Hallo Werner,
      danke für den Link. Das Video fasst die US-Situation wirklich sehr gut zusammen. Ist das von dir?

      LG,
      der Jay

      • Werner Werner

        Ja, das stammt von mir. Ich lese mir das schon etliche Zeit einiges zusammen.

    • toblog toblog

      Wessen Schriften enthalten einen Aufruf zu Gewalt? Aus dem Post wird es nicht eindeutig. Der Staat allein besitzt das Gewaltmonopol und die Christen haben sich der weltlichen Obrigkeit unterordnen.

    • Flo Flo

      Mir kam vor einigen Jahren mal der Gedanke „Gottes Reich ist keine Demokratie!“.
      ABER ich fürchte, die Demokratie ist der beste Ansatz, den wir haben…
      In einer idealen Welt wäre eine gottgegebene Regierung super, weil sie
      a) wüsste, was das beste ist, weil sie Gottes Reden klar hört
      b) das Gehörte auch 1:1 umsetzt

      Leider munkelt man, dass das mit Gottes Reden hören doch manchmal nicht so leicht ist und dass wir Menschen manchmal auch, wenn wir vielleicht meinen zu wissen, was richtig sei, gar kein Bock haben das auch zu tun.

      Aber zu beten, dass derjenige die Wahl gewinnt, der mehr dazu beiträgt, dass Gottes Willen geschieht, ist doch nicht verwerflich. Schwierig wird es doch erst, wenn ich meine zu wissen, wer derjenige ist, der also die Wahl gewinnen muss.
      Oder habe ich da Jay falsch verstanden?

      • Ja, gegen Gebete, die sich Gottes guten Einfluss auf die Welt wünschen, habe ich nichts. In dem Sinn kann man natürlich auch für den Ausgang einer Wahl beten. Wo ich eben anfange unruhig zu werden (und auch berechtigt finde, darüber nachzudenken, den Verfassungsschutz einzuschalten) ist, wenn Christen nicht bereit sind die Ergebnisse einer Wahl zu akzeptieren (wie man das gerade in den USA sieht) und das, was sie für Gottes Willen halten, vor den Willen des Volkes stellen.

        Theokratie war noch nie eine gute Idee. Selbst im Alten Testament nicht.

        LG,
        der Jay

        • Flo Flo

          Wie gesagt, in einer idealen Welt. Das war sie ja auch im AT nur ganz kurz. 😉

  16. Benji Benji

    Bin gerade noch mittendrin beim hören.
    Musste aber eben bei euren Ausführungen, dass Christen beten, dass ihr Kandidat gewinnt an unsere Risiko-Spieleabende früher im christlichen Jugendkreis denken. 😀 Absurd, aber die Parallele ist gegeben.

    Da kam es auch vor, dass jeder der Beteiligten gebetet hat, dass Gott ihm gute Würfelzahlen schenkt, damit man den anderen besiegt. Irgendwie witzig. 6 Christen hocken beieinander und jeder betet, dass Gott schenken möge, dass man gegen den anderen gewinnt:-D

    Genauso Mittelalter. Zwei „christliche“ Armeen treffen aufeinander. Jeder proklamiert für sich, dass Gott auf seiner Seite ist. Wer hat recht?

    Was mir noch dazu einfällt, dass Jay sich so wundert, dass viele sich selbst und was sie glauben nicht hinterfragen. Ich glaube das ist teil vieler christlicher Kulturen. Ich bin auch so aufgewachsen, dass „echte Christen“, in denen der Heilige Geist lebendig ist, dass die eine Heilsgewissheit haben.
    „Wenn du im Geist und in der Wahrheit bist, dann hast du diese Gewissheit“. Solche Aussagen machen es einem enorm schwierig, sich auch mal hinterfragen zu können. Denn dann wird Zweifel automatisch zur Sünde und zum Anzeichen, dass ich gerade auf dem Weg bin von Gott abzufallen.

    Leider wird viel zu selten gelehrt, dass Gott denen Nahe ist, die ein zerbrochenes Herz haben und ein zerschlagenes Gemüt haben, was Zweifler und Haderer ja oft haben. Bzw. wenn es gelehrt wird, dann meistens in einem anderen Kontext.

    Leider wird viel zu selten gesehen, dass Jesus seine Probleme nicht mit den Sündern, Zweiflern, Schwachen und Unsicheren hatte, mit denen war er meist sehr sanft und voller Annahme. Er war aber extrem hart zu den Leuten, die sich sehr sicher waren, dass sie gerecht sind und auf der richtigen Seite stehen. So hart, dass er sie Schlangenbrut, Otterngezücht oder sogar Söhne der Hölle nennt.

    Matthäus 23, 29-33
    29 Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr der Propheten Gräber bauet und schmücket der Gerechten Gräber 30 und sprecht: Wären wir zu unsrer Väter Zeiten gewesen, so wollten wir nicht teilhaftig sein mit ihnen an der Propheten Blut! 31 So gebt ihr über euch selbst Zeugnis, daß ihr Kinder seid derer, die die Propheten getötet haben. 32 Wohlan, erfüllet auch ihr das Maß eurer Väter! 33 Ihr Schlangen und Otterngezücht! wie wollt ihr der höllischen Verdammnis entrinnen?

    Passiert nicht genau das auch in unserer Zeit? Viele sind sich ganz sicher, dass wenn sie zu Jesus Zeiten gelebt hätten, dass sie Jesus „richtig“ erkannt und verstanden hätten und ihm und seiner Botschaft nachgefolgt wären. So, wie sich heute ja auch alle sicher sind, dass sie in der NS-Zeit natürlich im Widerstand gewesen wären. 😉 Wenige sehen die Gefahr, vielleicht selbst einer der Pharisäer und Schriftgelehrten zu sein.

    Das mag nun sehr hart und richtend klingen, aber ich würde tatsächlich bei vielen (nicht allen) dieser Propheten und geistlichen Führer, die Frage stellen wollen, ob es sich bei Ihnen nicht um genau solche modernen Schriftgelehrte, Pharisäer und Heuchler handelt. Das macht ja keiner vorsätzlich, oder zumindest hoffe ich das von den meisten.
    Aber die Frage ob man selbst zu einem dieser heuchlerischen Schriftgelehrten geworden ist (vielleicht auch nicht in allen Lebensbereichen, aber in manchen schon) sollte und muss sich jeder von Zeit zu Zeit gefallen lassen, natürlich auch ich.

  17. Flo Flo

    Nachdem ihr das Thema in #161 noch einmal aufgegriffen habt, muss ich doch nochmal nachhaken…
    Hättet ihr euch auch darüber aufgeregt, wenn die Propheten eine Niederlage von Trump vorausgesagt, für den Sieg Bidens gebetet und das als den klaren Willen Gottes verkündet hätten?

    • Auf den ersten Blick vermutlich weniger (Was das bestätigt, was man selber glaubt oder für richtig hält, dem hat man ja keinen Grund zu widersprechen). Auf den zweiten Blick dann aber schon. Dann nämlich, wenn man das, was die Propheten von sich geben in Zusammenhang bringt, mit der Frage, in welcher Welt man leben möchte. In einer, in der irgendwelche „Propheten“ (was auch immer sie weissagen), das Recht dazu eingeräumt kriegen, Menschen mit dem zu manipulieren, was sie meinen von Gott gehört zu haben? Oder in einer, in der der Bürger nicht bloß ein Bauer auf dem göttlichen Schachbrett ist, sondern in der Gemeinschaft der anderen freien Bürger daran mitwirkt und entscheidet, welche Politik man haben möchte?

      Pro-Biden Prophetien fände ich nicht weniger problematisch, weil sie meine Verantwortung genauso auf Gott abschieben.

      LG,
      der Jay

      • Noch ein paar allgemeine Gedanken zum Thema.

        Was ich mich frage ist, wozu sollte Gott den Ausgang einer demokratischen Wahl überhaupt voraussagen lassen?

        1. Um die Gläubigen dazu zu bringen, zu beten, damit sie das vorausgesagte Ergebnis in Existenz beten? Dann wäre es keine Voraussage, sollte also anders formuliert werden (eher nach dem Motto, „so spricht der Herr, wenn ihr ganz dolle betet, werde ich genügend Gebetskraft von euch kriegen, um meinen Lieblingskandidaten an die Regierung zu bringen“). Was für ein Gottesbild hinter so einer Vorstellung steck, schlösse sich als Frage natürlich sofort an… Im Fall von den Prophetien bzgl. Donald Trumps waren diese aber nicht als „wenn – dann“ formuliert, sondern als „so WIRD es kommen“.

        2. Um es vorauszusagen? Also zur Ehre Gottes, damit, wenn es sich erfüllt, alle sagen, „WTF, das hätte keiner wissen können… Es gibt Gott! HALLELOJA-SCHAKARABARABASCHAKA!“? Aber hätte es neben dem noch irgendeinen anderen Nutzen? Ich mein, ich glaube, es war Jeremiah Johnson, der 2015, noch bevor Donald Trump überhaupt als republikanischer Kandidat in Sicht war, dessen Sieg bei den Wahlen 2016 prophezeite, Plus dass dieser 3 Richter für den Supreme-Court benennen würde. Was soll man dazu anderes sagen, als dass diese Prophezeiung ziemlich treffsicher gewesen ist? Der gleiche Jeremiah Johnson prophezeite später noch die 2. Amtszeit von Donald Trump (und kriegt zurzeit Morddrohungen, weil er es wagt, sich für diese Prophetie zu entschuldigen, die ja offensichtlich falsch gewesen ist). Das schmälert den WTF-es-gibt-Gott-Moment doch beträchtlich, oder? Und stellt zumindest mich vor die Frage, ob seine erste Prophetie nicht doch auch eher als ein Glückstreffer betrachtet werden kann? Und nochmal, welchen Nutzen hat so eine Prophetie? Wieso hat Gott keinem der Propheten 2019 gesagt, dass uns 2020 eine weltweite Pandemie ins Haus steht? Am besten mit Hinweisen darauf, was zu tun sei und wie wir dagegen am besten vorgehen sollten? DAS wäre nützlich gewesen! Stattdessen gab es über 50 Prophetien von namhaften „Propheten“, die eine zweite Amtszeit von Donald Trump voraussagten. Noch mal – und nicht nur im Angesicht einer weltweiten Pandemie -, welchen Nutzen soll das vorzeitige Wissen noch mal haben, wer Präsident der USA wird? Und, man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass diese 50 Propheten der Ehre Gottes (und ihrem eigenen „Job“) einen Bärendienst erwiesen haben, und dass der Schaden für die christliche Landschaft wesentlich größer sein wird, als ihr die geglückte Voraussage 2016 gut getan hat.

        3. Wenn man sich fragt, wie es passieren konnte, dass sich so viele Männer und Frauen Gottes geirrt haben (und ich hoffe doch sehr, dass diese Frage nicht unter den Teppich gekehrt werden wird und man einfach zum business as usual übergeht), dann könnte man sich auch die Frage stellen, ob bei der Prophetie einer zweiten Amtszeit Donald Trumps nicht viel mehr der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen ist? Es ist ja kein Geheimnis, dass gerade die charismatische Szene der USA (also die Leute, die an modernes Prophetentum glauben) von Anfang an auf Kuschelkurs mit Trump gewesen ist. Biblisch gesprochen muss man fragen, ob die „Propheten“ ihrem Fleisch auf dem Leim gegangen sind, als sie etwas als Gottes Rede ausgegeben haben, was es offensichtlich nicht gewesen ist? Und, und das ist mir jetzt wirklich wichtig, war das dann unter dem Deckmantel der Prophetie nichts anderes als Wählermanipulation? Wenn man Menschen, die einen als Mann oder Frau Gottes verehren, sagt, dass Gott einen bestimmten Kandidaten dazu ausersehen habe, die Wahl zu gewinnen, für wen werden diese Menschen bei der Wahl wohl wahrscheinlicher stimmen? Prophetie als Wahlkampftaktik? Für mich sieht das ganz so aus. Und das bedeutet ja, nebenbei gesagt, dass sich ein Joe Biden in diesem Fall nicht nur gegen Donald Trump hat durchsetzen müssen, sondern auch noch gegen über 50 seiner „göttlichen Handlanger“. Hat er damit, in der Terminologie der Propheten gesprochen, nicht doppelt deutlich gemacht, dass in Wirklichkeit er der „Kandidat Gottes“ ist? Haben diese Propheten sich damit also nicht bloß ein bisschen verhört, sondern müssten dafür Buße tun, jemanden als Kandidaten Gottes verkündigt zu haben, den Gott anscheinend gar nicht gewollt hat? Und, um noch einen Schritt weiter zu gehen, wenn man in diesem Fall konstatiert, dass der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen ist, was würde man dazu sagen, wenn Trump diese Wahl nun doch gewonnen hätte? Wäre dann Gottes Weissagung eingetroffen – oder wäre das Ganze nicht vielmehr eine „selbsterfüllende Prophezeiung“ gewesen? Will sagen, welchen Wert hat die Voraussage, dass dieser oder jener Kandidat eine Wahl gewinnen wird, wenn diese Voraussage ihrerseits Leute in nicht unerheblichen Maße darin beeinflusst, genau diesen Kandidaten wählen zu gehen?

        DAS ist mein Hauptproblem mit Voraussagen dieser Art. Deswegen habe ich mich in dem Talk so darüber aufgeregt. Man zeigt damit nicht nur, dass man kein Demokrat ist, sondern unterläuft die Demokratie in perfider Weise durch „göttliche Prophetien“ geradezu. Ich finde das ethisch höchst fragwürdig, wenn nicht sogar einen Fall für den Verfassungsschutz. Oder habe ich hier irgendeinen Denkfehler? Ich meine, nicht. (Und nur um das anzufügen, ich denke nicht, dass jeder der Trump-Propheten sich dessen bewusst gewesen ist oder gar seine Prophetie willentlich gesprochen hat, um Trumps Wahlhelfer zu werden – faktisch ändert es aber daran nichts, dass er damit genau das wurde.)

        Ihr lieben Brüder und Schwestern mit prophetischer Gabe, muss sich nicht jede göttliche, prophetische Voraussage des Ausgangs einer Wahl aus diesen Gründen verbieten? Will sagen, gebietet es nicht der Anstand, selbst wenn Du Dir ganz sicher bist, den Ausgang der Wahl von Gott gehört zu haben, dieses für Dich zu behalten?
        LG,
        der Jay

        PS
        4. wäre noch die Ansicht anzufügen, dass nicht Gott sondern der Teufel persönlich den Propheten ihr „Wissen“ zugesteckt habe – vor der Wahl 2016 noch mit den richtigen Informationen, nur um 2020 die öffentliche Blamage des Christentums um so größer zu machen… Muss ich sagen, dass ich von „der Teufel war’s“-Erklärungen nicht viel halte? Erstens trennen sie nur und teilen bloß wiederum in „die und wir“ ein, in die Irrenden und die wahrhaft Erleuchteten (verteilt die Rollen nur andersrum). Und Zweitens verhindern sie jedes konstruktive Gespräche darüber, was da passiert ist und damit die ehrliche Beschäftigung damit, wozu Prophetie hilfreich sein kann und wozu nicht und was ihre ethisch vertretbare Rolle bei so etwas wie einer politischen Wahl sein kann. Mit „der Teufel hat es mir gesagt“ erklären viele Serientäter warum sie getan haben, was sie getan haben – verhindern damit aber lediglich, dass man tatsächlich dem auf die Spur kommt, was mit ihnen los ist.

        Dieser 4. Punkt nur der Vollständigkeit halber – und, weil er als Nebelkerze immer vom Eigentlichen wegführt, auch nur als Post Scriptum. 🙂

        • Flo Flo

          Hey Jay,

          vielen Dank für deine ausführlichen Antworten! Ist das Problematische an derlei „Prophetien“ nicht weniger, dass sie den Ausgang der Wahl voraussagen, als viel mehr, dass sie diesen Ausgang als Gottes Willen deklarieren und dadurch manipulieren? Ich als guter Christ kann schließlich schlecht die Demokraten wählen, wenn Gott ein Trump-Wähler ist…

          Was mich glaube ich stört, ist, generell auszuschließen, dass Gott solche Voraussagen machen würde. Du stellst ja (absolut zu Recht, wie ich finde) die Frage, was solch eine Voraussage nutzen sollte.
          Wie gesagt, den manipulativen Aspekt finde ich auch sehr problematisch. Aber was wäre bspw. wenn Propheten ankündigen würden, dass entgegen allen Prognosen die nächste Bundestagswahl durch eine extremistische Partei gewonnen wird, deren erklärtes Ziel es ist, die Demokratie durch eine Diktatur abzulösen und die sich, kaum an der Macht, daran machen wird, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu verfolgen.
          So eine Prophetie würde ermöglichen, dass man sich vorbereitet, indem man etwa Verstecke für Verfolgte anlegen und Fluchtrouten planen würde.

          Die Trump-Prophetien finde ich auch äußerst befremdlich, trotzdem würde ich nicht prinzipiell ausschließen, dass es (echte) Prophetien geben könnte, die den Ausgang einer Wahl voraussagen.
          Ob jede Prophetie dazu bestimmt ist, von der ganzen Welt gehört zu werden oder ob manche für einen sehr kleinen Personenkreis bestimmt sind, ist dann nochmal eine ganz andere Frage.

          • Hallo Flo,
            ja, deinem Beispiel kann ich folgen. In so einer Voraussage kann ich auch Sinn sehen. Ich schließe Prophetien übrigens keineswegs kategorisch aus. Im Gegenteil. Ich wollte, es gäbe mehr hilfreiche prophetische Worte.

            LG,
            der Jay

  18. Ich überlege gerade, dass man, statt zu fragen, ob Gott in einer Demokratie wie damals durch Propheten redet, ja auch fragen könnte, ob Gott nicht damals durch die Propheten demokratisch geredet hat, also im Sinne des Volkes. Denn die meisten alttestamentlichen Prophetien könnte man ja ungefähr so zusammenfassen: Du Regierender, sorge dafür, dass dein Volk ein gutes, freies und gottgefälliges Leben führen kann, und wenn nicht, werde ich dich absetzen! Genauso wie nun das Wunder der Medizin bestimmte andere Wunder überflüssig macht, könnte auch die Demokratie bestimmte Prophetien überflüssig machen, da nun das Volk selbst eine Stimme hat, mit der es die Regierung einsetzt oder abwählt. Damit will ich natürlich nicht sagen, dass der Wille der politischen Mehrheit gleichbedeutend mit dem Willen Gottes ist, aber wenn das Volk der Souverän ist, dann sind es möglicherweise nicht mehr die großen Prophetien, sondern die vielen kleinen Gebete für die Nachbarn, die den politischen Unterschied machen.

  19. mARi mARi

    Lieber Gofi, lieber Jay,

    Vielen Dank für diesen Talk. Ihr habt mir oft aus der Seele gesprochen. Besonders du, Gofi, als du beschrieben hast, wie diese neue Gesprächs(un) kultur dir zu schaffen gemacht hat in diesem Jahr. Ich habe es noch nie zuvor erlebt, dass ich mich mit Menschen, die ich persönlich kenne, plötzlich in Gesprächen wiedergefunden habe – on- und offline – in der man wirklich keinen noch so kleinen Nenner mehr finden konnte. Es gab dann keine Beschreibung der Wirklichkeit, auf die man sich noch einigen konnte (von der Bewertung will ich ja gar nicht erst anfangen…!) Das macht mir wirklich Angst. (Oder ist es Furcht?! ;-))
    Mir ist ein Zitat begegnet, dass ich gerne in diesen Zusammenhang setzen möchte – es ist von dem deutschen Philosophen Hans-Georg Gadamer:
    „Ein Gespräch setzt voraus, dass der andere Recht haben könnte.“
    Allerdings empfinde ich es als sehr frustrierend, mich immer selbst zu ermahnen, diesem Grundsatz so gut es geht gerecht zu werden, wenn ich das bei manchen Gesprächspartnern einfach komplett vermisse. Ich habe immer den Grundsatz verteidigt, dass man mit allen reden sollte, aber da vergeht einem doch die Lust am Gespräch.
    In diesem Sinne noch mal vielen Dank für eure Talks – ich finde, ihr seid in dieser Hinsicht ein gutes Vorbild.
    Alles Gute für 2021 wünscht euch
    mARi

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