#197 Im Zweifel für den Zweifel – Zwischen glauben und zweifeln Teil 1

Sind Zweifel irgendwann nur noch Selbstzweck? Ist es vielleicht sogar cool geworden eine zweifelnde Haltung einzunehmen? Ausgehend von diesen Fragen reden wir im ersten Duo-Talk mit Marco über Zweifel im Allgemeinen und Glaubenszweifel im Besonderen. Wir unterhalten uns darüber, warum gerade der Zweifel uns manchmal vor dem Verzweifeln bewahren kann, unsere Sympathie für einen zweifelnde Jesus-Nachfolger und Jays heimliche Hoffnung bei Heilungsgottesdiensten 🙂

Ein Talk, den wir so spannend fanden, dass es demnächst einen zweiten und möglicherweise einen dritten Teil davon geben wird. Fortsetzung folgt.

46 Kommentare zu „#197 Im Zweifel für den Zweifel – Zwischen glauben und zweifeln Teil 1“

  1. Hey!
    Guter Talk. Ich würde sogar Note gut mit Stern vergeben 😉

    Einer der größten Punkte, die es mir (gerade? ) unmöglich machen zu glauben, ist das Phänomen, dass gerade die nicht mehr glauben können, die am meisten auf der Suche nach der Wahrheit sind. Das will ich jetzt nicht gerade für mich beanspruchen, aber für andere Menschen, die ich kenne. Es sind natürlich nicht die Naiven, es sind aber häufig auch nicht die „Starken“, denen es gut geht, sondern es sind Leute, die – wie ihr gesagt habt – eine Disposition zum Zweifel haben, weil sie zu intelligent sind, um jeden Scheiß für bare Münze zu nehmen, Leute, die aufgrund ihrer Umstände vulnerabel sind und nichts weniger brauchen, als noch ihren Glauben zu verlieren, der ihnen Halt gibt. Sollte nicht Gott, wenn es ihn/sie/es gibt, gerade denen nahe sein? Sollte ein liebender Gott sich da nicht irgendwann mal irgendwie bemerkbar machen? Wenn es beim Glauben um Wahrheit geht, sollte Gott sich nicht von denen am Ende finden lassen, die auf der Suche nach Wahrheit sind, bevor sie keine Kraft, Nerv oder Willen mehr haben und nicht von denen, die glauben würden, dass zwei mal zwei fünf ergibt, wenn es in der Bibel stände…? Ist Gott Wahrheit am Ende doch nicht so wichtig? Und wenn Gottes Bodenpersonal dann noch suggeriert, dass die Leute nur nicht mehr glauben, um unbeschwert sündigen zu können, muss er/sie/es oder die entsprechenden Nachfoger sich dann über steigende Apostatenzahlen wundern…?

    Mich würde interessieren, wie ihr das seht und wie ihr das in euren Glauben integriert oder vereinbart. Mir gehen die Antworten aus…

    Ps: Wer genug Glauben hat, um für einen größeren Penis zu beten, kann sich melden. Ich frage für einen Freund…

  2. Zum 26:40 an Jay und Marco: Und wenn es kein Leben nach dem Tod gibt, ist damit Jesu Gute Botschaft des humorvollen Gottes wie am Ende von Buch Jona hinfällig? Ist das in den Evangelien gezeichnete Gottesbild Jesu nicht die Botschaft an sich, die durch Jesusfrömmigkeit mit paulinischem Christentum verwässert wurde und durch Matthäus übermalt mit drohendem und strafenden Gott und vermeintlichen Höllenpredigten. Auch ohne Jesuskult als „Gott“ sind die uns überlieferten Predigten Jesu und Gleichnisse in meinen Augen kostbar. Ich kann nur wenig mit kirchlicher Frömmigkeit und Dogmatik anfangen. Doch die ist nicht in Jesu Predigten und Gleichnissen vorhanden. Sinngebung der Kreuzigung, Glaube an Tod und Auferstehung und Leben nach dem Tod sind in meinen Augen nicht nötig. Sie haben als Mysterienreligionrelikt sicher großen ästhetischen Reiz. Doch das kam alles als „Kirche“ später und darin liegt für mich sicher nicht Jesu Botschaft.

    1. Jesus hat an die Auferstehung der Toten geglaubt. Das sieht man aus seiner Antwort an die Sadduzäer bzgl. der Frau, die nacheinander 7 Brüder heiratet. Wenn also Jesu Botschaft relevant ist …

      Alles Gute!

      1. @André Ay: „Jesus hat an die Auferstehung der Toten geglaubt.“

        Vielen Dank für Deinen Kommentar! Wer davon ausgeht, dass keins der Evangelien von Augenzeugen Jesu geschrieben wurde, sondern durch deutlich spätere Generationen, worin sich Theologen einig sind, taugen solche berechtigten und guten Beispiele, die dagegen sprechen, nur bedingt, um zu wissen, was Jesus wirklich lehrte. Sicher kann man dagegen sein, wes Generationen später über Jesus berichtet wurde. Doch die vier überlieferten Evangelien sind spezifisch auf bestimmte Gemeinden zugeschnittene Texte. Die berichten indirekt wieder mehr, was für Ausgangssituationen in besagten Gemeinden vorhanden waren, für die der jeweilige Evangelist sein Evangelium schrieb, als das, was Jesus tatsächlich einmal gesagt hatte. Uns ist als älteste Quelle zur Zeit das sogen. Thomas-Evangelium überliefert, das bis auf bestimmte gnostische Elemente wahrscheinlich viele originäre Jesus-Zitate sammelte. Einige davon sind nahezu wörtlich bis in die vier biblischen Evangelien überliefert.

        Meine Vermutung, die Quelle Q der berühmten Zweiquellentheorie ähnelte dem Thomas-Evangelium.

        https://de.wikipedia.org/wiki/Zweiquellentheorie

    2. Moinsn Dieter,

      da waren zwei interessante Gedanken bei, die ich Mal Weiterspinne: war Jesus gar kein Christ? Hat das Christentum in echt etwa Paulus erfunden, dessen lehren weit über die von Jesus hinausgehen? Frage an euch, ich kenn mich d net so gut aus: hat Jesus nicht Rechtfertigung durch nackte kleiden und hungernde speisen gelehrt, Paulus aber später die Rechtfertigung aus glauben ?

      2. Paulus schreibt ja, dass ohne Auferstehung der Glaube keinen Sinn macht. Es gibt wohl auch Jesusgläubige denen es deswegen gut geht. Und hat nicht jeder Mensch die Sehnsucht etwas schönes zu erdenken und zu glauben?

      1. Hallo Andi,

        für Paulus funktioniert Christentum ohne Auferstehung verständlicherweise nicht, da seine Theologie praktisch ohne Predigten Jesu und Erzählungen über Jesus auskommt. Sein im wahrsten Sinn charismatisches Christentum, denn er war Ekstatiker par Excellende, Biblizisten und Charismatiker sind speziell paulinisch. An sich müssten sich „Christen“ als Pauliner bezeichnen. Doch ohne Pauli weltliterarisch höchst bedeutsame und ungeheuer wirkungsvolle Briefe, er gilt zurecht als bedeutsamster Briefeschreiber der Welt, wäre die Jesusbewegung im Lauf der Geschichte verschwunden. Seine Öffnung für Heidenchristen erst ist der eigentliche Beginn des Christentums.

        Und ja, Jesus war nie Christ, sondern Jude. Christentum an sich ist ein wilder synkretistischer Mix aus Mystereienreligionen, Jesuslegenden mit zahlreichen Versatzstücken römischer, griechischer Göttinnen und Götter. Von dem Juden Jesus ist in den Evangelien nicht mehr allzu viel zu erkennen, enthalten die Evangelien zu viele Fehler, weil die Evangelisten schlechte Kenntnisse über die Zeit und Religion Jesu und die genannten Orte hatten. Dennoch halte ich persönlich die Evangelien nicht für miserable, sondern relativ sehr gute Literatur. Und dass die Kirchenväter heftig dafür stitten, die Tora und Propheten des sogenannten „alten Bundes“ beizubehalten, ist ein enormer Gewinn. Geht einem bigottes, „frommes Geschwafel“ unter Christen fürchterlich auf den Zeiger, kann man „Rechtsgläubigkeit“ weder hören noch sehen, weil man angeblich an Engel, Dämonen, Geister, Leben nach dem Tod und Christi Auferstehung glauben müsste, mag man sich trösten, das sind paulinische Missbildungen, sie sind nicht zwingend notwendig, findet man Jesus interessant. Man muss auch Jesus gar nichts glauben, denn er lehrte, seid klug wie die Schlangen und ohne falsch wie die Tauben. Also ist Denken gerade für Christen geboten und nicht verboten. Man kann Jesus glauben. Doch was sagte Jesus wirklich? Das ist die textkritische höchst spannende Frage.

        Gruß
        Dieter

    3. Hallo Dieter,

      Und wenn es kein Leben nach dem Tod gibt, ist damit Jesu Gute Botschaft des humorvollen Gottes wie am Ende von Buch Jona hinfällig?

      Ich würde antworten: natürlich nicht. Deshalb kann ich ja auch fröhlich Christ sein, selbst wenn ich es an vielen Tagen für wahrscheinlicher halte, dass das ewige Leben ein frommer Wunsch bleibt. Darum ging es ja auch im Talk.
      Ich weiß aber auch, dass für viele Christen die Frage nach dem ewigen Leben die alles entscheidende Frage ist. Die würden diese Frage sicher anders beantworten. Und das finde ich durchaus legitim. Ich hoffe ja auch, dass das mit dem ewigen Leben stimmt. Jedenfalls fände ich es toll, wenn mit dem Tod nicht alles vorbei wäre. Notwendig für meine Jesusnachfolge ist das aber nicht. Überhaupt empfinde ich die Botschaft Jesu wesentlich diesseitiger als oft von Christen getan wird (da bin ich ganz bei dir).

      Ist das in den Evangelien gezeichnete Gottesbild Jesu nicht die Botschaft an sich, die durch Jesusfrömmigkeit mit paulinischem Christentum verwässert wurde und durch Matthäus übermalt mit drohendem und strafenden Gott und vermeintlichen Höllenpredigten.

      Das wäre mir zu simpel. Ich nehme es eher als verschiedene Deutungen des Jesusereignisses wahr, die sich in den neutestamentlichen Schriften niederschlagen. Vielleicht als so was wie verschiedene Betonungen oder Schulen. Ist doch ganz normal. Marx schreibt das Kapital und das Kommunistische Manifest und schon ein paar Jahre nach seinem Tod gibt es nicht nur Marxisten sondern auch noch Trotzkisten, Leninisten und Stalinisten. Wie sollte es auch anders sein? Paulus verhandelt diese Problematik ja sogar im Korintherbrief.

      Mir kommt es genauso vermessen vor, wenn man denkt, man könnte aus den so unterschiedlichen Ansätzen des NT herausfiltern was Jesus nun ganz genau gewollt habe, wie wenn man so tut, als ob die verschiedenen Berichte im Grunde alle dasselbe sagen. Jesus hat uns nichts schriftliches hinterlassen – wir müssen damit leben, dass wir uns lediglich an Erinnerungen und Deutungen orientieren können. (Ich halte das ja mit der Himmelfahrt und Pfingsten für einen der Clous des christlichen Glaubens.)

      Ich versuche die verschiedenen Jesusdeutungen des NT nicht (nur) gegeneinander antreten zu lassen, sondern mindestens nebeneinander stehen zu lassen und im besten Fall als Komplementär anzusehen. Natürlich gibt es bei alledem Ansätze, die mir näher sind als andere. Wie sollte es auch anders sein?

      Auch ohne Jesuskult als „Gott“ sind die uns überlieferten Predigten Jesu und Gleichnisse in meinen Augen kostbar.

      Yep. Verstehe ich gut. Und dem stimme ich – obwohl mir „Gott als Jesus“ eines der wichtigsten Axiome meines Glaubens ist – komplett zu.

      Ich kann nur wenig mit kirchlicher Frömmigkeit und Dogmatik anfangen. Doch die ist nicht in Jesu Predigten und Gleichnissen vorhanden.

      Der zweite Satz hängt natürlich auch ein wenig vom Blickwinkel ab, aber auch hier würden wir uns wahrscheinlich an vielen Punkten einig werden. Allerdings habe ich genau die umgekehrte Reise gemacht, als wie du sie im ersten Satz andeutest. Je mehr ich mich mit Spiritualität und Dogmatik beschäftige, um so näher kommen mir die Ideen, die ich in ihnen entdecke. Also nicht unbedingt im Sinne von das muss man so und so glauben oder das und das ist exakt damit gemeint, sondern eher im Sinne einer Welt die sich mir durch die Beschäftigung damit eröffnet. Denn in der Regel wurde ja über vieles davon intensiv nachgedacht, bevor man es ins Dogma gegossen hat, bzw sind Dogmen bloß die trockenen Überbleibsel spannender spiritueller Fragen und Erfahrungen. Ich kann schon verstehen, dass man mit kirchlicher Dogmatik fremdelt, aber manchmal lohnt es sich durchaus, an der Stelle nicht zu vorschnell das Kind mit dem Bade auszuschütten. Jedenfalls mache ich diese Erfahrung.

      LG,
      der Jay

      1. Allerdings habe ich genau die umgekehrte Reise gemacht, als wie du sie im ersten Satz andeutest. Je mehr ich mich mit Spiritualität und Dogmatik beschäftige, um so näher kommen mir die Ideen, die ich in ihnen entdecke. Also nicht unbedingt im Sinne von das muss man so und so glauben oder das und das ist exakt damit gemeint, sondern eher im Sinne einer Welt die sich mir durch die Beschäftigung damit eröffnet. Denn in der Regel wurde ja über vieles davon intensiv nachgedacht, bevor man es ins Dogma gegossen hat, bzw sind Dogmen bloß die trockenen Überbleibsel spannender spiritueller Fragen und Erfahrungen. Ich kann schon verstehen, dass man mit kirchlicher Dogmatik fremdelt, aber manchmal lohnt es sich durchaus, an der Stelle nicht zu vorschnell das Kind mit dem Bade auszuschütten.

        Lieber Jay,

        dass Dogmatik keine Einbahnstraße sein muss, lernte ich im Theologiestudium, zu dem selbstverständlich christliche Dogmatik gehört. Je tiefer man sich mit theologischen Themen auseinandersetzt, desto faszinierender werden sie. Ich bin nicht gegen Dogmatik als Wissenschaft, sondern halte die kirchliche Vermittlung des Glaubens an sich für mangelhaft, weil sie meines unmaßgeblichen Erachtens von falschen Prämissen ausgeht. So zB, dass Jesus im Rahmen der Trinitarischen Gottesvorstellung eins mit dem an sich unvorstellbaren Gott sei. ZB, dass sich der jüdische Gott in Jesus offenbart hätte, obwohl jüdische Gottesvorstellungen damit pervertiert werden. Wäre der historische Jesus für die Trinitätslehre? Sicher nicht. Dass Jesus Gott sei, findet sich längst nicht allein bei Paulus, sondern es schimmert mehr oder weniger deutlich auch durch die Briefe der Jerusalemer Urgemeinde.

        Mir widerstrebt darüber hinaus eine kritiklose Vermischung sämtlicher Bücher des 2. Testaments zu einem pseudochristlichen Glaubens-Potpurri, dessen geistesarme Jesus-Schlumpf-Ergebnisse längst nicht nur in Biblizististan, sondern der gesamten Christenheit anzutreffen sind. Dieser kritiklose Mischmasch, dieser geschmacklose Einheitsbrei für Glaubenssäuglinge, ergibt „Gläubige“ mit Scheuklappen, Bigotterie ² mit Dummheit als oberstem Gebot. Fast könnte man meinen, Jesus hätte mit „Schafen“ die Idioten gemeint, welche den vielen Köchen, die den verdorbenen Glaubensbrei unablässig reproduzieren, mähend hinterherrennen. Dann wäre Jesus Zyniker gewesen. Warum stört sich niemand am Bild der Schafe?

        Wir telefonierten einmal über Meister Eckhart, dessen Predigten mich faszinieren. Dankenswerterweise nahm sich Hossa Talk des Themas Meister Eckhart an. Er predigte christozentrisch. Ich genieße seine Spiritualität und suchte und fand selbst mystische Erfahrungen. Die Quintessenz: „Gott“ ist größer und unfassbarer, als sämtliche Religionen lehren. Ich beneide Jesus um sein ungebrochenes, vertrauensvolles Gottesbild, das sich in den Evangelien und Propheten des 1. Bundes finden lässt. Was mir so gut an Eckhart gefällt, ist seine geistliche Herkunft von Theologia Negativa. In dieser fand ich eine Widerspiegelung eigener Erfahrungen. Sie führt prinzipiell zum Schweigen und führt in meinen Augen völlig vom Reden über Gott weg. Bei Meister Eckhart im Gegenteil.

        Herzlich
        Dieter

        1. Lieber Dieter,
          ah, jetzt weiß ich auch welcher Dieter du bist. 🙂

          Ich glaube, in der theologischen und historischen Analyse sind wir nicht weit auseinander. Du bist dir für meinen Geschmack vielleicht ein bisschen arg sicher, in dem was du dann wie einordnest. Ab und zu am eigenen Zweifel zu zweifeln könnte die Perspektive durchaus erweitern bzw offen halten, meine ich. 🙂

          In historisch gewachsenen Ansichten und Glaubensüberzeugungen steckt m.E. mehr als bloß kirchliche Willkür oder die Rechtfertigung irgendwelcher Dogmen. Jedenfalls entdecke ich sie unter anderem als Vorstellungsräume und spirituelle Tools aber auch als Bekenntnisse in denen ich mich bergen kann und Trost finde. Als Definition des wahren Glaubens taugen sie m.E. nicht. Hier wird Gott dann in Begriffe gesperrt, die auseinanderbrechen müssen, wenn man Gott damit einzufangen sucht.

          Ich sehe das z.B. wie du: Der historische Jesus hätte nichts mit der Trinitätsvorstellung anfangen können. Natürlich nicht. Im besten Fall hätte er wahrscheinlich gelacht, im schlechtesten einen Stein aufgehoben. Ich arbeite und glaube trotzdem total gerne mit dem Modell der Trinität. Nicht aus dogmatischen Gründen, sondern weil es mir hilft, mich Gott in einer Weise anzunähern, die (für mich) besonders ist. Das Modell leistet einfach mehr als jeder andere Begriff. Jedenfalls wenn man es nicht nur als technisch, dogmatische Zuordnung verwendet. Dann hält die Trinitätslehre Gott unfassbar offen. Allerdings steht und fällt mein Glauben an Gott (anders als bei dir) tatsächlich mit der Vorstellung der Inkarnation in Jesus. Ohne wäre ich wahrscheinlich längst Atheist (im letzten Drittel unseres Abschiedstalkes mit Gofi sage ich ein bisschen was dazu, alternativ könnte man dazu mein Buch „Ist das Gott oder kann das weg?“ lesen). Jedenfalls liegt der Sprung zur Trinitätslehre, wenn man das als Glaubensaussage für sich bejaht, natürlich näher, als wenn man es nicht tut. Ist ja klar.

          Insgesamt habe ich kein Problem damit, dass sich theologisches Denken entwickelt. Die Kirche konnte Gedanken denken, die dem historischen Jesus unmöglich gewesen wären. Unserer Blick auf die Welt ist heute ein komplett anderer als der den Jesus vor 2000 Jahren hatte. Damit sind auch andere Vorstellungen und Schlussfolgerungen möglich. Ist ja logisch (und wenn man die Inkarnation ernst nimmt auch gar nicht anders denkbar, meine ich). Wie gesagt, ich würde das nicht grundsätzlich gegeneinander ausspielen (nur wenn es häretisch wird und der Name Gottes missbraucht wird), sondern als sich gegenseitig informierende, inspirierende und bezweifelnde Gedanken. Dialektik in Aktion, wenn man so will (wobei man m.E. nicht immer den Schritt der Synthese gehen muss, sondern zwei unterschiedliche Vorstellungen auch ruhig nebeneinander stehen lassen und betrachten kann, finde ich).

          LG,
          der Jay

          1. Lieber Jay,

            um 26:40 des Podcasts äußertest Du sinngemäß, dass für Dich der Glauben an Gott mit der Vorstellung eines Lebens nach dem Tod gekoppelt ist, dort ist die Rede von 60:40% für den Glauben an ein Leben nach dem Tod, wobei für dich die Wahrscheinlichkeit von 40% bestände, dass da nach dem Tod einfach nichts ist.

            Ich bemühte mich, darzulegen, dass christliche Spiritualität ohne Paulusbriefe denkbar ist, ohne den Glauben an ein Leben nach dem Tod, weil auch die zu Lebzeiten Jesu vorhandenen Sadduzäer an kein Leben nach dem Tod glaubten, für sie bestand durchaus die Vorstellung einer Auferstehung der Toten am Jom JHWH. Jesus scheint an ein Leben nach dem Tod geglaubt zu haben, will man („Noch heute wirst Du mit mir im Paradies sein“) wörtlich nehmen. Christentum muss keine Liste sein, in die man Glaubenspunkte einträgt und am Ende feststellt, ob man die nötige Punktzahl erreichte oder eher nicht. Ich kenne zumindest innerhalb der EKD, welcher ich angehöre, keine ähnlichen Verfahren. Biblizisten machten meines Wissens schon eher solche „Das muss man Glauben“-Tests inklusive „Wiedergeborenen-Christen“-Lebensübergaben für Erwachsene, Zungenreden, „Wunderheilungen“ und Ermittlungen genauer Daten des Jom JHWH, was auch unter Pietisten nicht einzig von Johann Albrecht Bengel sehr beliebt war, dessen kunstvolle apokalyptische Uhr noch heute im Bengelhaus staunend bewundert werden kann. https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Albrecht_Bengel

            Du bezeichnet Dich als christlichen Agnostiker oder agnostischen Christen. Ich gehe davon aus, es ist so gut wie überhaupt nicht ausschlaggebend, was und wieviel man im Einzelnen glaubt, sondern ob einem Vertrauen (=Glauben), Sicherheit, Geborgenheit, Wärme, Liebe vermittelt werden konnte und von einem ausgeht oder nicht.

            Die scheint mir bei Dir in hohem Maß gegeben.

            Der Glaube an ein Jenseits oder Leben nach dem Tod ist für mich nicht mit zwingend Spiritualität verbunden. So genial die Briefe sein mögen, paulinisches Christentum ist doof. Ich lese Pauli Briefe immer wieder gern und finde Paulusforschung spannend. Doch macht dies für mich nicht Christentum insgesamt aus. Jesu Gleichnisse bringen Freude.

            [quote]Ab und zu am eigenen Zweifel zu zweifeln könnte die Perspektive durchaus erweitern bzw offen halten, meine ich. 🙂[/quote]

            Textkritik ist nicht der Teufel in Person. Als der evangelische Theologe Jürgen Roloff eines Tages seinen Zürcher Kollegen Ulrich Luz zu einer Vorlesung in die theologische Fakultät Erlangens einlud und Luz am Ende Fragen der Studenten beantwortete, staunten wir stromlinenförmig Frömmelnde nicht schlecht. Eine Studentin fragte nach dem Widerspruch einer Aussage, welcher sich aus einem Jesuswort im Mt.-Evangelium ergab. Luz antwortete: „Das hat Jesus nie gesagt“ Er arbeitete damals an seinem später fast legendären Matthäus-Evangeliums-Kommentar. https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/6115/das-evangelium-nach-matthaeus-ekk-i/1
            https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Luz

            Ich sollte mir die sündhaft teuren vier Bände endlich zulegen. Luz fand ich sehr beeindruckend.

            Ich las selbstverständlich Dein Buch mehrfach und es gefällt mir sehr gut. Doch ist es eher eine kreative Selbstbestimmung, als eine Möglichkeit für Leser, sich einen ähnlichen Zugang zum Glauben wie Deinen zu verschaffen. Denn den muss sich jeder selbst verschaffen, oder er wird ein stupide blödendes Gemeindeschaf, dessen vermeintliche „Rechtgläubigkeit“ hoffentlich immer wieder einmal vom Hirten geschoren wird und dem man dennoch nicht das Fell über die Ohren zieht. Du weißt ja, Gott ist von großer Güte und hat echt Humor.

            Ich wünsche mir im Gegensatz zu Dir kein Leben nach dem Tod, wenn man sich das denn wünschen könnte. Dass da vielleicht doch etwas sein könnte, bestreite ich nicht. Selbst Jesu Auferstehung kann man glauben, ohne ein Leben nach dem Tod im Doppelpack billigend in Kauf zu nehmen. „Geister“ oder Geist. Dazu gefallen mir die Deutungen Walter von Lucadous am besten. Es gibt wundervolle Interviews mit ihm bei YouTube. Er schrieb auch absolut lesenswerte Bücher. Seine Theorien kommen komplett ohne Jenseits aus und erklären die Phänomene einleuchtend.

            Bei mir zumindest sind auch mystische Gotteserfahrungen keine Garantien für die Existenz Gottes, obwohl sie subjektiv für mich sicher keine Sinnestäuschungen waren. Man kann und darf Gott glauben. In Krisen wie nach Todesfällen sinken erfahrungsgemäß Glaubenskonstrukte bis zum 0-Bereich. Das ist ein sinnvoller und nötiger Prozess, der zur gesunden Trauer-Verarbeitung gehört. Verena Karsts fünf Trauerphasen bewegen sich in Wellen und können lange dauern, weshalb ich dafür plädiere, Traumata psychologisch unterstützen zu lassen. Du bist ein wundervoller Mensch. Ich danke Dir und Euch (einschließlich Gofi) für diesen Podcast und wünsche Dir und Marco weiterhin viel Spaß im Talk und gute Anregungen für Euer gemeinsames neues Duo.

            Gruß
            Dieter

          2. Lieber Dieter,
            wie gesagt, weit sind wir in unseren Gedanken nicht von einander entfernt. Das gilt auch für die Frage nach dem Leben nach dem Tod. (Das schrieb ich ja auch schon.) Letztlich kommt es dann, wie es kommt. Ob oder ob wir nicht daran geglaubt haben, kann daran ja sowieso nichts ändern.

            Auch in der offenen Art sich theologische Gedanken zu machen, die du beschreibst, erkenne ich eine Menge meiner eigenen Gedankenbewegungen wieder. Und Listen von Glaubensüberzeugungen zum Abhaken braucht nun wirklich niemand. Aber ich denke, das ist hier und in den Talks längst zum Ausdruck gekommen.

            Meine Ausführungen sollten dich auch nicht belehren, sondern vielmehr lediglich erklären, warum ich mit vielen im christlichen Glauben gewachsenen Ansichten und Gedanken und spirituellen Praktiken etwas anfange und wie ich fröhlich mit ihnen lebe und glaube. Man könnte sagen, ich suche die Chance eines Dogmas und versuche ihm zu verzeihen, dass es sich selbst für unersetzlich hält. So irgendwie. 🙂

            Ich finde den Austausch mit dir jedenfalls auch sehr erfrischend.

            Sei gesegnet, Bruder. Ich wünsche Dir Gottes Segen und ewiges Leben. 😉

            LG,
            der Jay

          3. PS Mir ist gerade noch was eingefallen. Weil du ja mehrfach die Stelle im Talk betont hast, in der es um das ewige Leben geht.

            Das war eher ein Beispiel und sollte nicht Gewicht auf dieses Thema legen. Ob es ein Leben nach dem Tod gibt, ist einfach eine der Fragen, in denen (m)ein Atheismus schön sichtbar wird. Hier wird gut deutlich, was ich meine, wenn ich mich als Christlichen Agnostiker bezeichne. Denn gleichzeitig ist es ja eine der Fragen, die andere überhaupt erst dazu bringt an Gott zu glauben. Bzw dazu, dass sie ohne Ewigkeitsperspektive den Glauben für komplett sinnlos halten. Wenn wir also über Zweifel an religiösen Glaubenssätzen sprechen (das war ja das Thema des Talks), dann schien mir dieses Thema ein guter Gradmesser zu sein, wo man sich auf der Skala Atheist – Gläubiger einordnet, bzw, was die Pole innerhalb dieses Schemas sind, zwischen denen man sich selber bewegt. Deshalb habe ich es als Beispiel genommen. Und nicht weil es eine Frage wäre, die mich übermäßig plagt.

            Ich selber habe immer wieder gesagt, dass ich nach diesseitigen Gründen suche, um an Gott zu glauben und Jesus nachzufolgen. Weil mir die jenseitigen zu windig sind.

            Entweder ich finde Gründe an Gott zu glauben, die auch dann Plausibilität haben, wenn es Gott gar nicht gibt oder ich werde tatsächlich Atheist. Für mich scheint es nicht viele Optionen dazwischen zu geben. Von daher ist die Ewigkeit eben gerade kein Mittelpunkt meines Glaubens. Mit der Inkarnation Gottes in Jesus sieht es da schon anders aus. Der Glaube daran (nicht notwendiger Weise das tatsächliche Geschehen) plausibilisiert mir, warum ich der christlichen Gottesdeutung nachfolge, warum ich mich auf diesen „Wahnsinn“ einlasse, Jesus nach zu folgen. Dass Geist und Materie eben nicht (mehr) zu trennen sind. Gott in der Welt. Als Teil der Welt. Und natürlich das Gottesbild, das dieser Gedanke plausibilisiert. Mir Gott einfach bloß auszudenken, wie ich sie gerne hätte, ist für mich keine Option. Deshalb ist mir die Rückbindung an eine historisch gewachsene Religion so teuer. Hier bin ich Teil einer großen Glaubenstradition und deren Gespräche über das Unsagbare und nicht nur auf meine eigenen paar Worte geworfen. Aus diesen und anderen Gründen ist das „Dogma“ der Inkarnationn eines der schönsten Dogmen des christlichen Glaubens für mich. Die Anführungsstriche deshalb, weil mir bewusst ist, dass man die Jesusnachfolge auch anders plausibilisieren kann und ich hier niemanden meine eigene aufdrücken will.

            LG,
            der Jay

          4. @ Jay:

            [quote]Jesusnachfolge [/quote]

            Jesusnachfolge ist in meinen Augen ein zu großes Wort, wenn man nicht gekreuzigt wurde oder in klösterlicher Gemeinschaft lebt.

            Der ungarische Lyriker Endre Ady schrieb in einem seiner Gedichte:

            [quote]Ungläubig glaub ich an Gott. [/quote]

            Das funktioniert.

  3. Die Leute waren fickrig! Ich sah es in der Stadt in ihren Augen stehen, das Weiße! Und ihr habt es wieder getan: Sie erlöst! Viel blubb (=Zweifel), wenig Bla (=Glaube?). Weitermachen! Das ist doch das schöne an Hossa, viele Hörer de ich kenne glauben nicht mehr den christlichen Gott oder relativ bis ziemlich weit. Und wir alle, auch die Fundis und Gemäßigten; gehen gemeinsam durchs Leben und helfen uns!

    Zweifel: Das ist natürlich schon so’n Ding mit dem Begriff „ergebnisoffen“. Oder wie der verblichene /verzweifelte Gofi mal sagte: „Also wenn ich dieses oder jenes noch zehn Minuten durchdenke, fall ich ab vom Glauben!“ Wozu ich sage: „Das Psychische ist das Spirituelle!“

    Hey Leute: Das Leben ohne garantierte Ewigkeit oder Jesus-Buddy ist nicht furchtbar! Vor allem dann nicht, wenn man ein System-Verlierer ist, z.B. Zwänge kriegt – was heißt: Weitermachen ist der Untergang! Ich will niemandem einen gesunden und begründeten Glauben wegnehmen, aber ein Glaube an einen allmächtigen Gott, der Dich nicht heilt, kann Dich kapputtmachen!

    Natürlich kannst Du sagen, ich nehm die ganze Bibel wörtlich, denn alles andere führt zum Abfall, aber dann bist halt ein unguter Typ (genauere Bezeichnung verbietet das BGB und veröffentlicht Jay vielleicht nicht ;-). Wir müssen entgegen Kierkegaards Rat (ein ebenso großer Unsympath wie Dostojewski und Lewis, ich habe sie als Christ gerne zitiert, nicht wissend dass Zitate keine Beweise sind!) „weitergehen“ und biblische Kindermorde (wenn sie denn geschehen sind) Kindermorde nennen!

    Ich finde es sehr schön, dass Zweifel inzwischen in mindestens vielen Gemeinden „erlaubt“ sind. Und dass sich der Gedanke durchsetzt „Glauben heißt nicht Wissen“.

    Angst habe ich nur vor den durch-hermeneutisierten Superschwurblern (ihre Vorbilder: Barth und Jüngel!), gegen die kein schlagkräftiges Argument mehr sticht, die sich alles schönreden können 😉

    Das mit den HJeilungsgottesdiensten u.ä. ist schon ne verrückte Kiste: Irgendwas zwischen „Wer heilt, hat Recht!“ und „Du musst schon dran glauben!“ 😉

    Grüßle, Andi

    1. Hallo Andi,
      Kannst du das mit den durch-hermeneutisierenden-Superschwurblern noch bisschen ausführen? Inwiefern meinst Du, dass bei denen kein Argument (wohin zielend?)mehr sticht und sie es sich (was?) schön reden?
      LG
      Jannik

      1. Hallo Jannik,

        Ich sehe häufig, dass Christen aus ihrem Kopf eine abgeschlossene Blackbox machen und dann keinem agnostisch-atheistischen oder andersreligiösem Argument mehr zugänglich sind. Eine Spielart hiervon ist das Superschwurbeln (ironische Bezeichnung…).

        Ich finde Hermeneutik extrem wichtig und sie hat viele Vorteile und Fortschritte gebracht.

        Aber bei Theologen sehe ich halt, dass sie Aussagen, die eigentlich ziemlich platt und unglaubwürdig sind, durch Fremdworte, Schachtelsätze und viel verzärtelter Ästhetik oder auch mal wuchtig/pathetisch/whatever geschrieben Texte zu einem großen Brimborium machen. Dadurch dass sie von allem das Für und Wider kennen, können Sie nach Belieben hin und her springen (evtl gegenüber einem unterlegenen Gesprächspartner) und Sie haben durch die intensive Beschäftigung mit der MAterie auch eine Reihe an Argumenten, die sie einseitig einbringen und betonen können (was zugegebener Maßen jeder mal mehr mal weniger tut).

        Was Sie sich so schönreden? Ich denke, die Bibel ist großenteils ein schreckliches Buch (klar stehen auch gute Sachen drin, die öfter auch mal Fortschritt brachten – ist wohl in vielen Büchern so).

        Über Jüngel und Barth hab ich jetzt keine Diss geschrieben, war bisher nur so mein Eindruck, vielleicht weißt Du da besser bescheid und erklärst es hier für alle. Würd mich freuen!

        Grüßle, Andi

        1. Hi Andi,
          Ah okay, also du meinst, dass diese Theologen sozusagen alles einem „Programm“ unterordnen in dem sie sich quasi (ideologisch) abgeschlossen haben und aus dem sie dann munter heraus argumentieren können. Trifft es das ungefähr?
          Barth zumindest hat ja auch mit seiner Dogmatik ein riesiges Programm geschaffen, das streckenweise sicher mit „Geschwurbel“ ganz gut beschrieben ist 😀
          Ich bin kein Theologe, habe aber sehr Vieles von Barth und Jüngel gelesen und kann vielleicht von einer persönlichen Sicht her versuchen, meine Sympathien zu beschreiben.
          Ich bin in einem pietistisch-evangelikalen Umfeld mit allem was dazugehört aufgewachsen. Das heißt KiGo, Jungschar etc. Vieles von dem, was dort gesagt worden ist, habe ich allerdings von klein auf nie gekauft. Beispielsweise den Dualismus Gott/Satan, die Satisfaktionslehre, den doppelten Ausgang mit ewiger Strafe für die Nicht-Gläubigen, das wortwörtliche Verständnis vieler Bibelgeschichten. Ich kann mich noch erinnern, dass ich einmal im KiGo saß und mir während der Sintflut-Geschichte dachte: Nein, das geht gar nicht!
          Aus diesem Grund bin ich auch kein Post- oder Ex-Evangelikaler, eben weil ich nie evangelikal war.
          Ab meinem 15. Lebensjahr war ich dann komplett raus aus Gemeindekontexten. Nichts desto trotz „war da Etwas“ wovon ich der Überzeugung war, dass es wahr war, ohne dass ich es für mich fruchtbar artikulieren konnte.
          Irgendwann Anfang meiner Zwanziger versuchte mich ein Freund, der sich selbst dem Fundamentalismus zuordnete, mit Argumenten von der absoluten Irrtumslosigkeit der Bibel zu überzeugen (Werner Gitt etc.). Diese Argumente waren so Sch… dass ich mich regelrecht ärgerte. Ich fragte mich, warum es mich so aufregte und kam zum Schluss, dass da für mich etwas lächerlich gemacht wurde, was mir doch irgendwie wichtig war (ja, es war wohl irgendwie eine Art empfundener Blasphemie).
          Ich begann mich mit Theologie zu beschäftigen und stieß irgendwann auf Barth. Mich begeisterte seine dialektische Theologie( und alle letztlich darauf aufbauenden Theologen, unter anderem auch Jüngel) eben weil ich den Eindruck hatte, dass da jemand versucht, von dem mir Wichtigen zu reden, in dem Bewusstsein, dass es letztendlich nicht zu erreichen ist. Der Gegenstand der Erkenntnis bleibt ein Geheimnis, dem man sich annähern, aber nie habhaft werden kann. Von daher würde ich sagen, dass der Zweifel oder die kritische Distanz zu dieser Theologie fundamental dazugehört. Natürlich wird da fast schon bekenntnishaft geschrieben. Ich lese es aber immer mit einem kleinen Augenzwinkern.
          Für Fundis auf der einen Seite ist diese Theologie ärgerlich, da sie die absolute, immer währende Eindeutigkeit vermissen lässt, ja, sie von Grunde auf ablehnen muss. Für (Religions-)Kritiker ist sie ärgerlich, da sie praktisch nicht zu packen ist (und manchmal sehr nach Geschwurbel aussehen kann). Barth selbst beschrieb seine Art zu denken glaube ich einmal als Versuch, einen Vogel im Flug zu fangen. Da fehlen dann die von Dir erwähnten letzten, verantwortbaren Antworten. Die kann es letztendlich gar nicht geben, soll es nicht geben.
          Für mich ist diese Art Gott zu denken bis heute der Weg, nicht in religiöse oder auch politische Ideologien zu verfallen und dennoch nicht sprachlos gegenüber dem zu bleiben, was mich „unbedingt angeht“ (Tillich), gerade eben weil der Zweifel einen fast schon tragenden Ort zugewiesen bekommt.
          LG
          Jannik

          1. Lieber Jannik,
            danke für diesen schönen, persönlichen Bericht. Ich kann mich sehr gut damit identifizieren.

            Ich glaube, Fundis und Atheisten haben ganz ein ganz ähnlich gelagertes Probleme mit Theologie. Beide wünschen sich klare, möglichst leicht verständliche Aussagen von ihr, die sie dann entweder glauben oder kritisieren können. Das, was sie Geschwurbel nennen, überfordert sie. Mir geht das, zB wenn ich versuche Wissenschaftliche Ausführungen zur Quantenphysik oder zur Relativitätstheorie zu verstehen, ganz ähnlich. Irgendwann komme ich kaum noch hinterher. Deshalb ist Fundamentalismus so verführerisch, weil er so tut, als sei Gott (einfach) denkbar. Das gibt sowohl der Pro-Seite ein gutes Gefühl (weil die Illusion entsteht, man hätte Recht) als auch der Gegen-Seite (weil so eine kurz gedachte Argumentation gar nicht anders als löchrig sein kann, auf die man dann genüsslich den Finger legen kann). Aber wenn es schon schwierig ist über Quantenphysik zu sprechen, müsste Gott zu fassen zu kriegen, nicht quasi unmöglich sein?

            Das hast du sehr schön bebildert. Danke dafür.

            LG,
            der Jay

      2. Hi Jannik, nochma ganz kurz:

        Hab mich gerade gefragt, ob meine Antwort was mit Hermeneutik zu tun hat 😉

        Vielleicht musste der Begriff auch nur herhalten für die beschriebenen Leute. Diese berufen sich ja auch gerne auf den „Kontext“, darauf dass bestimmte Sachen heute nicht mehr gelten oder andere Opfer gemeint waren (z.B. Tempelprostituierte statt Homosexuelle in harmonischen Beziehungen). Da frage ich mich dann, ob sie denn glauben, dass Gott die Tempelprostituierten damals hinrichten ließ.

        Mir fehlen da oft die letzten, verantwortbaren Antworten. Aber es ist ja schon mal ein Fortschritt. Mir ist jeder Dispensationalist einigermaßen recht, der glaubt, dass die Hinrichtungsgesetze nur damals galten und mich daher leben lässt 🙂

        Wenn man einen engen Glauben hat, sind es halt viele Irrungen und Wirrungen und Umwege und Akürzung, die heben, weiten. Und da gehört eben eine gewisse „Anfängerhermeneutik“ dazu, das ist doch schön so…

        Lass Dich grüßen, Andi

  4. Ein schöner Talk zu Beginn der neuen Runde mit euch beiden, vielleicht fast ein bisschen zu harmonisch ;-).
    Was mir besonders gut gefallen hat, war die entspannte Atmosphäre, so eine gewisse Leichtigkeit, die Menschen die Angst vor dem Zweifeln nehmen kann, und auch, dass ihr viel Grundsätzliches zum Zweifeln gesagt habt.
    Was mir dabei aufgefallen ist: Ihr zweifelt auf alle Fälle noch „innerhalb des Systems“, auch wenn Jay immer von seinem wieviel auch immer prozentigen Atheisten gesprochen hat. Ja, ich denke, man kann überhaupt nur dann zweifeln, wenn man, wie Marco gesagt hat, den Glauben im Grunde (noch) ernst nimmt.
    Zweifel muss irgendwie geglaubt haben. Wenn ich überhaupt noch nie geglaubt habe, dass die Erde eine Scheibe ist, dann werde ich das auch nicht anzweifeln. Ich mache mir einfach keine Gedanken darüber, schüttle höchstens verwundert den Kopf über jene, die das tatsächlich glauben und befasse mich nicht weiter damit – es sei denn, von dieser Gruppe geht Gefahr oder Unruhe aus für mich oder die Welt. (Und das wäre auf alle Fälle auch beim Thema Religion und auch christlicher Glaube einen Gedanken wert!)

    Wenn Jay sagt: Ich zweifle – und doch glaube ich….. Dann wäre interessant zu fragen, was denn „glauben“ bedeutet. Also man müsste das erst mal definieren. Heißt das, bestimmte (christliche) Dogmen für wahr halten? Oder heißt es im weitesten Sinne einfach, dass ich vertraue, dass alles irgendwie Sinn macht und gut ist und ich gehalten bin?

    Zeitweise hat es sich für mich ein bisschen so angehört, als gäbe es nur die Alternative zu glauben oder eben durch den Zweifel ins Bodenlose zu fallen. Ich denke nicht, dass jemand, der noch nie (christlich) geglaubt hat, automatisch das Gefühl hat, ins Bodenlose zu fallen. Und auch jemand, der aus dem Zweifel herausgetreten ist (und vielleicht gar nicht mehr glaubt im Sinne eines religiösen Bekenntnisses), der kann wieder sehr stabil durchs Leben gehen. Wie oben schon im Beispiel gesagt, Zweifel muss geglaubt haben – oder sogar noch glauben, damit dieses Gefühl auftritt. Ansonsten fällt man ja aus nichts heraus.

    Was mich nachdenklich gemacht hat, war Jays Formulierung: „Wenn ich nicht mehr glaube, da würde mir ja mein HAUPTLEBENSTHEMA wegfallen.“ Ich kenne das von mir selbst von früher. Und auch jetzt noch, wo ich mit vielem durch bin und ich eigentlich schon lange nicht mehr zweifle, weil sich vieles für mich erledigt hat oder mich nicht mehr interessiert, beschäftige ich mich noch mit dieser „Welt“ und höre z. b. ab und zu euren Podcast. Ich denke, es ist nicht der Glaube an sich, die Theologie oder diese Lebensfragen, auf die ich eine Antwort brauche. Es ist eine Mischung aus Gewohnheit und zwischenmenschlicher Verbundenheit,, aus eigener Geschichte und Identifikation, aus Vertrautheit und dem Gefühl der Zugehörigkeit, irgendwie Heimat, obwohl man längst woanders wohnt.
    Nachdenklich gemacht hat mich dieser Satz, weil ich mich frage, ob das gut und gesund ist, und ob es nicht an der Zeit wäre, diesem Lebensthema seine dominante Rolle zu nehmen. Ich weiß gar nicht, ob das so einfach geht, wenn man in dieser Prägung aufgewachsen ist, da ist das Gehirn doch gedanklich schon ziemlich eingespurt, andere Menschen haben das gar nicht (und ich glaube auch nicht, dass alle Menschen grundsätzlich religiös oder spirituell ticken).
    Also dieser Frage will ich auch für mich nachgehen: Was ist mein Hauptlebensthema? Kann sich das auch verändern? Brauch ich überhaupt eines? Schützt mich der Entschluss, es regelmäßig zu formulieren, davor, zu einseitig um etwas zu kreisen? Wer bin ich, wenn dies nicht meine Geschichte wäre?

    1. Hallo Claudia,

      Wenn Jay sagt: Ich zweifle – und doch glaube ich….. Dann wäre interessant zu fragen, was denn „glauben“ bedeutet. Also man müsste das erst mal definieren. Heißt das, bestimmte (christliche) Dogmen für wahr halten? Oder heißt es im weitesten Sinne einfach, dass ich vertraue, dass alles irgendwie Sinn macht und gut ist und ich gehalten bin?

      Darüber sprechen wir in Teil 2 dieser Serie. 🙂

      LG,
      der Jay

  5. Hallo Leute!

    – Glauben als anderer Ausdruck für die eigene Meinung;
    Sicher weiß Jay als erfahrener Christ, daß Glauben in der Bibel nicht bedeutet, daß man eine Meinung hat, sondern daß man einer Person vertraut.

    – Leute auf Spur halten:
    Ist eigentlich eine gute Idee, Leute mit Fragen nicht alleine zu lassen. Aber wenn man zu schwachen Antworten ausweicht, weil man auf eine Frage keine gute Antwort hat, anstatt zu bekennen, daß man die Antwort gerade nicht weiß, ist das schlecht. Auslöser dafür ist ein mangelnder Glaube an Gott. Der antwortende Mensch versucht dann, den Glauben des zweifelnden Menschen zu stabilisieren. Glaubt man hingegen, daß Gott den Glauben erhält (Joh 6, 29+39), dann muß man sich keinen Streß machen. Das ganze Problem ist hier wieder der Arminianismus.

    – Descartes: Cogito ergo sum.
    Bin ich auf Kind auch drauf gekommen.
    Bei kritischer Analyse kommt bei Cartesius nicht mehr raus als meine aktuelle Existenz.
    Um die Welt zu erschließen, benutzte Descartes ein falsches Argument, das schon Hobbes kritisiert hat, nämlich daß er sich tatsächliche Unendlichkeit in seinem Geist vorstellen kann, und nicht nur Unendlichkeit als immer-so-weiter einer endlichen wachsenden Größe. Daher ist Descartes letztlich nur eine Sackgasse.
    Daß Gott nicht lügt, ist ein Argument, das Descartes in seiner Schlußkette übrigens ebenfalls benutzen muß.

    – Ihr thematisiert viele Zweifel an Gott insgesamt.
    Ich finde eher Zweifel an einzelnen Dogmata, die nicht gleich zu grundsätzlichen Glaubenszweifeln werden, relevanter. So gibt es Leute, die fest im Glauben stehen, die aber sämliche Heilungen, Zungenrede usw. bei Charismatikern für Humbug von Irrlehrern halten. Bis vor 120 Jahren hatte auch niemand ein derartiges Problem.
    Habt ihr mal die Videos der „Strange Fire“-Konferenz von John McArthur vor einigen Jahren rezipiert? Ich hatte die im August gefunden und fand das sehr schwierig. Für ihn gibt es am Glauben nicht viel Material für die Entzauberung der Welt, weil es nur drei kurze Phasen in der Geschichte gegeben haben soll, in denen Leute echte Wunder wirken konnten: Mose und Josua, Elia und Elisa, Yeschua und Apostel.

    – Streben nach intellektueller Sicherheit war nach Hans Albert ein Kennzeichen rationalistischer Philosophien der Frühen Neuzeit und wurde im Kritischen Rationalismus aufgegeben. https://hans-albert-institut.de/ Daher meint das Hans-Albert-Institut heute: „Wir irren uns empor.“

    – Das komische Zitat von Bill Johnson klingt tief, ist aber Quatsch.
    Laut McArthur hat Johnson mangelnde Exegese-Kenntnisse.

    – Was wird geglaubt?
    Wie wäre es mit den frühen Bekenntnisformeln im NT? Sind die nicht auch in der neuesten Luther-Bibel im Satz hervorgehoben?
    https://www.youtube.com/watch?v=dEzLTtXeqs4

    – Mit Logik über den Glauben nachdenken:
    Welche Form von Logik meint M.M.? Klassische Prädikaten-Logik? Parakonsistente Logik?

    – Die Auferstehung muß geglaubt werden. wenn man als Christ gelten will.
    Wer hat das gesagt?
    Petrus in Apg 2, 24-27
    Paulus in 1. Kor 15, 14
    Diese Verse lassen sich auch nicht so oder so interpretieren.
    1.Thessalonicher soll die älteste NT-Schrift sein. 1. Thess 4, 13-14 stellt die Frage der Auferstehung klar.
    Wir als Protestanten vertrauen nicht auf Kirchenväter oder Päpste!

    – Das Christentum neige zu autoritären Strukturen.
    Das bezweifele ich mal ganz stark. Protestantische Kirchen werden von Gremien geleitet, die das Kirchenvolk vertreten. Bei der EKD kennen wir das ja. Im CVJM ist das auch so. Auch bei der größten Einzel-Kirche der USA: https://www.youtube.com/watch?v=1pg5MM2xTi4
    Bei der Bethel Church gibt es ein großes Leitungsteam:
    https://www.bethel.com/teams/senior-leadership
    Wie die Leute ins Amt kommen, wäre zu recherchieren.

    – Marco Michalzik hat sich ganz nett gemacht. Mal sehen, was noch so kommt …

    Alles Gute!

  6. Hallo zusammen und Danke für den gewohnt guten HossaTalk macht bitte weiter so.

    Trotz streng atheistischem Elternhaus und Agitatorschulung in der FDJ fing ich als Jugendliche an, am Atheismus zu zweifel 🙂
    In der Lehrzeit zeigte sich der realexistierende Sozialismus dergestalt, dass ich die Zweifel an der Richtigkeit des materialistischen Weltbilds nicht unterdrücken konnte.
    Jedenfalls suchte ich 10 Jahre nach Gott, hin- und hergerissen zwischen Glaube und Zweifel, bis ich mich tatsächlich taufen lies, zusammen mit meiner ersten Tochter. Heute bin ich wohl das was Jay als 80%tige Christin bezeichnen würde. In der Rückschau mit fast 60 Jahren stelle ich fest, dass wenn die Zweifel und die Verzweiflung am größten waren, mir Gott augenscheinlich nachgegangen ist.
    Für mich ist Glaube nicht Wissen, sondern „nur“ Vertrauen.
    Wenn Gott größer ist als alle Vernunft, dann brauch nicht verzagen, weil ich trotz aller Bemühungen bestimmte Widersprüche der Bibel für mich nicht auflösen kann, als „aufgeklärter“ Mensch nichts auf die unbefleckte Empfängnis gebe und die Trinität als ein echt vertracktes theoligisches Gebilde empfinde.
    Frage: können wir erfolgreich nach der absoluten Wahrheit streben, wenn Gott größer ist als alle Vernunft? Das wir es versuchen liegt sicher in unserer menschlichen Natur, aber ich könnte auch daran verzweifeln wenn ich es auf „Teufel komm raus“ versuche.
    Was mir persönlich hilft, ist ganz einfach der dankbare Rücklick und die Erfahrung, das eine besch… Krise mich erst zu der gemacht hat, die ich heute bin. So trage ich in mir ein gewachsenes Vertrauen (ich weiß nicht recht wie ich das beschreiben kann) dass ich – egal was noch so kommt – mit Gottes Hilfe alles überstehen kann. Dazu gehört eines nicht ganz so fernen Tages selbst das eigene Elend und Sterben, mit dem ich als Pflegehilsfkraft Berührung habe und trotzdem keine Angst davor. Ich weiß nicht woher dies kommt, empfinde es einfach irgendwie nur als Geschenk.
    Sollte entgegen meiner Erwartung nach den Sterben tatsächlich das großen Nichts stehen, na und? So habe ich doch überwiegend in der Hoffnung und im Vertrauen gelebt. Das empfinde ich allemal erstrebenswert. Und ihr?

    1. Hallo Biggi,

      Sollte entgegen meiner Erwartung nach den Sterben tatsächlich das großen Nichts stehen, na und? So habe ich doch überwiegend in der Hoffnung und im Vertrauen gelebt. Das empfinde ich allemal erstrebenswert. Und ihr?

      das ist auch mein Credo. Und Deine Schlussfolgerung ist die, mit der ich sehr bewusst auch lebe. Nur, dass ich als 40-60% Gläubiger wahrscheinlich die Wahrscheinlichkeit größer empfinde, dass es tatsächlich auf das große Nichts hinauslaufen könnte. Will sagen, auch wenn ich für mich keine Alternative zu dem sehe, was du genannt hast, hängt der Trost, den man daraus zieht, sicher eben auch davon ab, wie glaubhaft das für einen ist.

      LG,
      der Jay

  7. Ein herzliches dreifaches «Hossa» zur neusten Folge von Hossa-Talk mit Jakob Friedrichs und Marco Michalzik: Euer Relaunch in neuer Besetzung ist ganz grossartig gelungen! Starke Folge zum Thema Zweifel, die mich theologisch und persönlich zum Weiterdenken inspiriert. Zum Beispiel in die Richtung: Wie genau würdet ihr das Verhältnis von Glauben und Zweifeln nun bestimmen? Zeitweise bekommt man den Eindruck, dass Zweifeln für euch gewissermassen der MODUS des Glaubens ist – ich glaube ALS Zweifelnder, oder sogar: ich glaube, INDEM ich zweifle –, an anderen Stellen könnte man vermuten, dass das Zweifeln als KATALYSATOR oder RAFFINERIE des Glaubens funktioniert – ich glaube DURCH das Zweifeln hindurch, oder ich lassen meinen Glauben durch Zweifel läutern… Spannend wäre, mit euch über die Frage zu diskutieren, inwiefern Zweifel den Glauben notwendigerweise begleiten, und inwiefern Zweifel ein Durchgangsstadium zu einem anderen (aber nicht weniger festen) Glauben sind – und natürlich auch, welche Phänomene die Bibel denn vor Augen malt, wenn sie Zweifel verurteilt oder als überwindungswürdigen Zustand deklariert… Also: Ich freue mich auf die Fortsetzung und ausgesprochen angetan von dem neuen Duo (natürlich ohne den sagenhaften Gofi Müller zu vergessen…)!

  8. Sehr gut auch im neuen Duo :-).
    Ja, Marco (4 min vor dem Ende) hat m. E. recht; Auch als Atheist interessiere ich mich weiterhin für Podcasts/Artikel zum Thema Glaube. Sonst wäre ich ja nicht mehr hier ;-). Und Jay hat m.E. recht bzgl. der allgemeinenen Religiosität der Menschen. Jede/r hat eine/n Gott/Göttin (oder mehrere). Wie schon Dylan sang: „You gotta serve somebody.“

  9. „Wir glauben nicht, um zu denken, sondern wir denken, um zu glauben.“
    Das ist ja ein fantastisches Zitat! 🙂 – weil es ziemlich gut zu meiner persönlichen Kosmologie passt, die da lautet, dass alles aus Liebe entsteht. Dabei verstehe ich Liebe wenig romantisch als diejenige Kraft, die Dinge miteinander verbindet. Wenn also die Physiker behaupten, dass man auf der Quantenebene gar keine Teilchen mehr findet, sondern reine Bewegungsenergie, aus der heraus sich Materie verbindet, dann könnte man diese Kraft nach meiner Definition ebenfalls als Liebe bezeichnen. Evolution würde dann auch keine Teleologie, also eine Zielbestimmung, voraussetzen, sondern dadurch vorangetrieben werden, dass diejenigen Dinge, die sind, sich immer feiner verbinden wollen. Beispielhaft hätte sich dann bei einem Lebewesen irgendwann eine Membran herausgebildet, mit der es Schattierungen wahrnehmen konnte, um sich besser mit seiner Umwelt zu verbinden, woraus sich dann aus demselben Antrieb irgendwann das Auge entwickelt hätte.
    Im Hinblick auf das Zitat wäre es dann so, dass Denken sich als menschlicher Sinn herausgebildet hätte, der wiederum den Glauben möglich gemacht hat, damit sich selbstbewusste Lebewesen aus eigenem Willensantrieb mit dem Geglaubten verbinden. Aus alledem könnte man dann in Anlehnung an Klaus von Förster einen Imperativ formulieren: Handle so, dass deine Liebesoptionen (also deine Möglichkeiten, dich – in einer gesunden Weise – mit deiner Umwelt zu verbinden) größer werden – was dann natürlich den Zweifel als Korrektiv für ungesunde Verbindungen mit einschließt. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Bill Johnson das genauso gemeint hat…

  10. Verdammt, Jay, ich hab plötzlich keinen Penis mehr. Musstest Du wieder mit soviel Vollmacht sprechen?! 😉
    Lieber Marco, lieber Jay!
    hoffe, ihr habt den Sommer gut überstanden und ne gute Zeit gehabt!
    Schön, euch wieder zu hören.

    Liebe Grüße!

    Malte

  11. „Zweifel“ – ein schönes Thema! ganz nah am Hossa-Herz, sozusagen 🙂

    I

    Einige Fußnoten zu Descartes. Ich glaube, hier liegt wirklich der Knackpunkt.

    Wie kriegt Descartes das mit dem konsequenten Zweifel eigentlich hin? In der Erkenntnistheorie verwendet man dazu sog. skeptische Szenarien, z. B. „Matrix“ (hat Jay erwähnt), wo die Menschen in Bottichen schwimmen und vor sich hin träumen, weil ihre Gehirne an eine gigantische Computersimulation angeschlossen ist. Alles, was sie sehen, hören und spüren, ist irreal.

    So ein Szenario konnte Descartes sich nicht vorstellen im 17. Jahrhundert. Er dachte sich aber etwas anderes aus, ein noch (!) mächtigeres Schreckensszenario: Was wäre, wenn es einen allmächtigen bösen Betrüger-Dämon gäbe? Der mich nicht nur über alle (!) Wahrnehmungen täuschen kann, sondern sogar darüber dass 2+2=4 (mich dazu bringt, mich selbst hier zu verrechnen)?

    Hier tritt Gott plötzlich als Bösewicht auf. Descartes muss Gott in der 1. Meditation zum Gegenspieler machen, um an allem zu zweifeln . Ihm das zu verzeihen, müsste frommen Leuten echt schwer fallen.

    In der 2. Meditation kommt er dann zum ego cogito – ego sum. Das heißt, das Subjekt – z. B. der Mensch – ist plötzlich die Basis von allem. Aus frommer Sicht eine ungeheure Anmaßung, ein regelrechter Sündenfall („Sein wie Gott“) , der daher kommt, dass der Mensch sich nach dem Baum der Erkenntnis (das war D.s Thema) ausstreckt.

    In der 3. Meditation will Descartes Gott dann wieder beweisen. Dieser Beweis gilt aber erstens als gescheitert und zweitens ist Gott jetzt „ver-rückt“ worden.

    Wenn man wirklich ernst nimmt, was Descartes hier (zum Glück!!) tut, dann versteht man vielleicht auch, warum sich Gläubige mit dem Zweifel so schwer tun.

  12. II

    Nicht ganz einverstanden bin ich mit der Auffassung, man könne sich für oder gegen den Zweifel „entscheiden“ (genauso wenig für oder gegen den Glauben). Das wird ja von eurer 60-40-Regel insinuiert. Und das gehört auch zur frommen Anfrage „warum zweifelst du eigentlich dauernd, statt auch mal zu glauben?“

    Meine Antwort wäre: Ich KANN das gar nicht entscheiden. Ich sitze nicht da und überlege, woran ich zweifeln will. Es ist einfach so, dass meine Erfahrung oder bestimmte Argumente, die ich kennenlerne, mich ZWINGEN, an bestimmten Aussagen zu zweifeln. Die Wahl habe ich nicht. Ich habe höchstens die Wahl, was ich in der Praxis aus meinen Glaubens- und Zweifelssätzen mache. Aber ich kann NICHT einfach „aufhören“ zu zweifeln. Denn wenn die Frage nun mal da ist und ich noch keine überzeugende Antwort habe, dann ist der Zweifel halt Stand der Dinge.

    Andersrum ist es doch genauso. Auch der Bekehrte / Gläubige wird „überzeugt“, „mitgerissen“ etc. Etwas passiert – eine Heilung, eine Predigt etc. – was ihn dazu bringt (!) , dass er/ sie glauben kann.

    Analogie: Ich weiß nicht genau, wann der Bus fährt. Ich vermute (!), er kommt um 16.40. Ich kann mich entscheiden, um 16.40 da zu sein, vlt ein paar Minuten früher. Aber ich kann mich nicht entscheiden, zu GLAUBEN, dass er um 16.40 fährt. Während ich das denke, weiß ich doch, dass das nur eine Vermutung ist. Der Zweifel ist in diese Vermutung mit eingebaut. Wenn das zur Bedeutung von Glauben gehören sollte, dann ist Zweifel auch gar nicht mehr das Gegenteil vom Glauben (ist es sowieso nicht, da finde ich Marcos Rede von der „Rückseite“ treffender).

    Wenn ich einen Laster sehe, der mit 50 kmh auf mich zufährt, kann ich nicht entscheiden, ob ich an ihn glauben will. Ich finde diesen Glauben „fertig“ in mir vor – er hat mich von seiner Existenz bereits überzeugt und ich kenne keinen Hinweis aufs Gegenteil – und ich kann nur noch überlegen, was ich jetzt praktisch tue.

    Wir gehen eigentlich nirgends in unserem Alltag davon aus, dass Menschen erst entscheiden, was sie für wahr halten und dann danach handeln. DAs stimmt auch introspektiv nicht. Du fragst dich nicht, was du für wahr halten willst, sondern du schaust in dich hinein, welches für-wahr-Halten (welchen Glauben) du da vorfindest. Und dann fragst du dich, wie du handeln solltest.

    Wenn das stimmt, ergibt übrigens das Konzept von Glaube und Errettung plötzlich weniger Sinn. Ich kann mich nicht „entscheiden“, Dinge für wahr zu halten. Sie überzeugen mich oder sie überzeugen mich nicht. Wenn ich das aber nicht entscheiden kann, dann kann ich auch nicht dafür verantwortlich sein, was ich „glaube“. Und dann ergibt es sehr viel weniger Sinn, wenn Gott mich dafür bestraft, dass ich nicht „glaube“.

    Der Ausweg wäre, „Glauben“ eben nicht mehr so streng erkenntnistheoretisch (glauben = für wahr halten) zu verstehen. Aber dann ergibt das evangelikale Konzept von Sünde und Errettung durch Glauben vlt weniger Sinn.

  13. III

    Noch eine Ergänzung.

    Im Talk wurde von euch (und auch von der fiktiven „Gegenseite“) der Glaube als etwas verstanden, was das Individuum für sich tut. Das ergibt von Descartes her auch Sinn. Ich vermute aber, dass hier etwas wesentliches fehlt. Was wir glauben, wird umso realer, je mehr andere Leute gleichzeitig dran glauben.

    DAs beste Beispiel ist Geld.
    Ein Geldschein ist ein Stück Papier. Der ist nur (!) deshalb etwas wert, weil wir es glauben und weil wir uns darauf verlassen, dass alle anderen es auch glauben. Die Quelle des Geldes ist der Kredit (von der Zentralbank). „Kredit“ kommt von – wait for it – credere = glauben. Die Bank glaubt (!), dass du das Geld zurückzahlst.

    Geld ist ein riesiges, umfassendes Glaubenssystem. Es funktioniert genau deswegen (und genau so lange), wie wir alle (!) gemeinsam (!) daran glauben.

    Vermutlich war das mit dem Christentum auch mal so. (wäre jetzt ein eigenes Thema)
    VG

    1. Super, Florian.

      Mal wieder klasse Ergänzungen bzw Verdeutlichungen zum Talk-Thema. Du bringst das alles fantastisch auf den Punkt. Das trifft jedenfalls vieles, was mir im Talk wichtig war. Die innewohnenden Glaubensprozente bzw Zweifelprozente mit denen man Gott und die Welt ansieht, von denen ich sprach, waren übrigens nicht als etwas wofür man sich entscheiden kann gemeint, sondern als etwas was wir in uns vorfinden (deshalb sprach ich in dem Zusammenhang auch von Persönlichkeiten), womit wir uns die Welt erschließen. Ganz im Sinn, wie du es beschreibst, gehe ich davon aus, dass unser Einfluss darauf begrenzt ist.

      Was den „Glauben zur Errettung“ angeht hat Siggie Zimmer einen spannenden Vortrag bei Worthaus gehalten, der mir viel gebracht hat, in dem er die Lutherische Position stark macht, dass sich niemand für einen solchen Glauben entscheiden könne. Dies sei IMMER und ausschließlich ein Geschenk Gottes.

      LG,
      der Jay

  14. Hallo Jay,
    ich hab jetzt länger nachgedacht über deine Gedanken zur Inkarnation Gottes in Jesus aus Nazareth. Also, ich bin mit dieser Vorstellung ganz selbstverständlich aufgewachsen, aber mittlerweile geht es mir so, dass ich die Logik dahinter nicht mehr ganz verstehe.
    Warum wärst du denn Atheist, wenn Jesus nicht der menschgewordene Gott gewesen wäre? Die meisten Menschen auf dieser Erde glauben nicht, dass das so ist. Aber nicht längst nicht alle von denen, die das nicht glauben, sind Atheisten. Atheist sein heißt ja, dass man der Überzeugung ist, dass es keinen Gott gibt – egal wie man ihn oder sie oder es sich das vorstellt. Aber sowohl im Judentum als auch Muslime glauben an Gott, viele haben eine innige und sehr vertraute emotionale Hingabe zu diesem Göttlichen, sprechen mit ihm wie mit einem Freund oder Vater / Mutter und fühlen sich geborgen. Selbst die Bibel ist voll von Menschen mit tiefem Vertrauen zu Gott, ohne dass sie Jesus als göttlich bezeichnen. Man könnte ja statt AN Jesus als Gott zu glauben auch zusammen MIT Jesus an Gott glauben, wenn man das möchte. Und steht nicht der christliche Glaube mit seiner Vorstellung des menschgewordenen Gottes dem Bilderverbot entgegen? Kann man nicht auch „glauben“, also sich dem Leben / Gott oder wie auch immer man es bezeichnen und sich vorstellen mag, ohne ihn auf eine konkrete historische Person zu beschränken? Wissen wir nicht viel zu wenig von diesem Menschen namens Jesus als dass wir diese wirklich gewagte Behauptung aufstellen können, dass er Gott war? Was wäre denn so schlimm daran, wenn er es nicht war?
    Manchmal habe ich das Gefühl, hinter dem christlichen Glauben steckt ein sehr distanziertes Gottesbild. Also da ist ein Gott irgendwo ganz weit weg und wir von ihm warum auch immer getrennt, und deswegen muss er ein Mensch werden. Der Glaube daran ist doch schon sehr speziell und grenzt Gott doch auch irgendwie ziemlich ein. Man könnte Gott doch auch ein Geheimnis bleiben lassen und sich ihm trotzdem total nah und verbunden fühlen.
    Kennst du Menschen, die nicht an die Inkarnation glauben, die vielleicht nicht mal Jesus als konkreten Maßstab haben, aber sich trotzdem geborgen fühlen, mindestens so große Wertmaßstäbe haben wie sie Jesus hatte und auch eine ähnliche „Glaubensgewissheit“? Also jemand, der nicht an Jesus glaubt, aber auch kein Atheist ist? Zwischen diesen beiden Möglichkeiten gibt es doch so viele andere. Aber das heißt ja nicht, dass man sich Gott irgendwie ausdenken muss. Man kann ihn einfach so sein lassen, wie er ist – er ist ja – falls es ihn gibt – sowieso wie er ist, egal ob wir uns ihn jetzt wie Jesus (den wir nicht wirklich kennen) vorstellen oder anders. Meine Alternative zu glauben wäre nicht nichtglauben, sondern vielleicht staunen.
    Ich stellte mir irgendwann auch die Frage, was denn der VORTEIL wäre, nicht an die Inkarnation zu glauben. Und da kam ein großes Gefühl der Erleichterung und Verbundenheit. Irgendwie hatte mich dieser Glaube immer getrennt. Und es war ja eigentlich gar nicht MEIN Glaube. Ich hatte ihn ja übernommen.
    Nichtsdestotrotz verstehe ich natürlich, dass ein (idealer) menschlicher Gott leichter zu glauben oder vorzustellen ist. Aber es kostet mich mittlerweile viel mehr Kraft, das zu glauben als es nicht zu glauben.

    1. Liebe Claudia,

      warum wundert mich Dein Post nicht? 😉
      Wir hatten doch erst neulich recht intensiv zu genau diesem Thema geschrieben? Irgendwie scheint es dich ja nicht loszulassen…

      Es gäbe so viel dazu zu sagen, dass ich gar nicht recht weiß, wo ich anfangen soll. Mein Buch „Ist das Gott oder kann das weg?“ setzt sich ja exakt mit der Frage auseinander, warum für MICH die Frage der Inkarnation eine entscheidende ist. Vielleicht liest du es mal, da wird zumindest mein Gottesbild, das eben damit steht und fällt, deutlicher als ich es hier in einem Kommentar ausdrücken kann.

      Aber zunächst ein paar Disclaimer:
      – Ich habe nicht den Anspruch für die gesamte Christenheit zu sprechen. Alle deine Fragen könnte ich vielleicht versuchen dahingehend zu beantworten, warum ich glaube, dass das historische gewachsene Christentum sie so oder so beantwortet. Das wäre dann der Versuch einer gelehrten Rede. Hier ist für so was nicht genug Platz. Jedenfalls nicht, um es erschöpfend zu tun. Deshalb beschränke ich mich darauf, so zu antworten, wie es sich für mich persönlich darstellt.
      – Das will nicht allgemeingültig verstanden sein. Mir ist klar, dass es eine Menge andere Wege gibt, sich dem christlichen Glauben oder dem Glauben an Gott oder der Person Jesus von Nazareth zu nähern. Hier spreche ich von meinem eigenen. Warum mir die Inkarnation Gottes in Jesus wichtig ist. Für mich hat das durchaus eine universale Wurzel – aber letztlich kann ich ja nur sagen, wie es sich mir erschließt. Wer bin ich, diese Gedanken, diesen Zugang als den allein gültigen zu verkündigen? Ich nehme wahr, dass andere andere Wege gehbarer finden. Warum auch nicht? Gandhi konnte sehr viel mit Jesus anfangen aber wenig mit dem Gedanken der Inkarnation. Ich finde, ich kann sehr viel von Gandhi über Jesus lernen. Auch wenn mein Weg nicht der Seine ist.
      – Aber ja, wenn wenn man glaubt oder auch nur hofft, dass Jesus nicht nur metaphorisch sondern real von den Toten auferstanden ist und auch tatsächlich die Inkarnation des lebendigen Gottes war, dann ergibt sich daraus ein anderes Weltbild, als wenn man das lediglich symbolisch deutet. Da ich nicht so vermessen bin, zu denken, ich kennte die ganze reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit, lerne ich an dieser Stelle sehr gerne auch von Christen und Nichtchristen, die hier anders anders glauben als ich. Trotzdem nehme ich meinen Glauben ernst (so gut man das mit einer 40-60 Prozent gläubigen Persönlichkeit eben kann). Sonst wäre das Ganze ja auch irgendwie Quatsch mit Soße.

      Aber genug, kommen wir zur Sache. 😉

      Warum wärst du denn Atheist, wenn Jesus nicht der menschgewordene Gott gewesen wäre? Die meisten Menschen auf dieser Erde glauben nicht, dass das so ist. Aber nicht längst nicht alle von denen, die das nicht glauben, sind Atheisten. Atheist sein heißt ja, dass man der Überzeugung ist, dass es keinen Gott gibt – egal wie man ihn oder sie oder es sich das vorstellt. Aber sowohl im Judentum als auch Muslime glauben an Gott, viele haben eine innige und sehr vertraute emotionale Hingabe zu diesem Göttlichen, sprechen mit ihm wie mit einem Freund oder Vater / Mutter und fühlen sich geborgen. Selbst die Bibel ist voll von Menschen mit tiefem Vertrauen zu Gott, ohne dass sie Jesus als göttlich bezeichnen.

      Äh, ja, natürlich ist mir bewusst, dass auch andere Menschen an Gott glauben. Auch ohne Jesus mit Gott zu identifizieren. Ich bin ja nicht komplett bescheuert. Ich schrieb ja nicht, dass MAN Atheist werden müsse, ohne den Glauben an die Inkarnation Gottes in Jesus, sondern dass ICH vermutlich einer wäre. Das hängt für mich übrigens überhaupt nicht am inkarnatorischen Geschehen, also an einem Wunder wie der Jungfrauengeburt oder so was. Das ist mir alles ziemlich wumpe. Für mich ist der Gott entscheidend, der sich in Jesus zu erkennen gibt.

      Vor Jesus waren Götter der Welt fremd. Dh sie definierten sich in ihrer Andersartigkeit von der Welt. Herrlich, ewig, allmächtig, majestätisch usw. beschreiben den Frame in dem man Gott oder die Götter gedacht hat. Sie konnten in der Welt vielleicht eine Stippvisite absolvieren und hier ihr Wesen oder Unwesen treiben – aber selbst wenn sie so anthropomorphisch beschrieben werden, besteht kein Zweifel daran, dass sie nicht mit ihrer irdischen Maske zu verwechseln sind. Stippvisite oder nicht, die Götter sind anders, von der Welt unterschieden. Mächtig. Königlich. Aber eines sind sie keinesfalls: Schwach.

      Der Glaube an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus beschreibt eben keinen Gott, der eine menschliche Maske anzieht, sondern einen Gott, der tatsächlich Mensch wird. Mit allem was dazu gehört. Keinen Supermann mit rot-blauen Cape, der Mensch spielt, sondern einen realen, echten Menschen voller Begrenzungen und mit allem, was das Menschsein ausmacht. Gott wird tatsächlicher Teil der Welt. Partikulär. Sterblich. Die Passisonsgeschichte ist letztlich (aus dieser Perspektive betrachtet) die Geschichte eines Gottes, der mit dem Menschsein bis ins Letzte ernst macht. Meines Erachtens kann man gar nicht genug betonen, dass sich das Christentum einen Gott leistet, der grausam abgeschlachtet wird. Wo in der Religionsgeschichte gibt es so was? Das ist komplett absurd. Götter tun so was nicht! So weltlich sind Götter nicht. Zeig mir religionsgeschichtlich etwas vergleichbares. So wurde Gott nie vorher gedacht.

      Und dann hängt dieser Gott am Kreuz und ist ohnmächtig und schwach und stirbt. Wo gibt es denn so was? Ohnmächtig? Schwach? Sterblich? – Gott??? Wenn er die Inkarnation Gottes war, hätte er seinen Peinigern ja zeigen können, mit wem sie es zu tun haben. Vom Kreuz heruntersteigen und zeigen wo der Hammer hängt, wäre doch das mindeste für einen Gott. Dieser tut es nicht. Stattdessen betet er für die, die ihn kreuzigen und stirbt elendig.

      Das christliche Gottesbild stellt Gott komplett auf den Kopf. Oder vielmehr auf die Füße. Ich finde das wirklich irre.

      Und deshalb glaube ich an Gott. An einen allmächtigen Gott kann ich nicht glauben. Finde ich nicht plausibel. Und der Wellnessgott der Reichen und Schönen ist mir zuwider. Jedenfalls im Angesicht der Welt wie sie ist. Wenn ich immer davon spreche, dass mir der Atheismus näher liegt als der Glaube an Gott, dann meine ich das ernst. Ich halte die Welt nicht für beseelt und die Vorstellung, dass hinter all dem grausamen irdischen Chaos ein Schöpfer stehen könnte, empfinde ich, wenn ich ehrlich bin, an sich eher als eine Zumutung. Ich möchte schon gerne an Gott glauben, weil ich es als die schönere Vorstellung empfinde – aber Atheismus liegt mir näher, scheint mir die plausiblere Antwort auf die Welt zu sein. Wenn Jesus nicht wäre.

      Der in Jesus inkarnierte Gott ist so merkwürdig anders, dass mir hier die Tür zum Glauben aufgeht. Ein schwacher, ohnmächtiger, im Tod verzweifelt nach Gott rufender Gott ist so irre und mit dem, was all das impliziert (und der christliche Glaube darin identifiziert) gleichzeitig so wunderschön, dass mich dieser Gott zum Glauben bringt. Dieser Gott predigt nicht bloß Feindesliebe sondern lebt sie bis zum letzten Atemzug. Dieser Gott meint das Menschsein ernst. Todernst. Das fasziniert mich.

      Wenn es die Jesusgeschichte nicht gäbe, wäre ICH Atheist. Deshalb hängt MEIN Glaube an der Inkarnation. Denn wenn Jesus nur ein leidender heiliger Mann gewesenen ist und nicht der inkarnierte Gott, dann hätte ich keinen Grund, Gott anders als das Arschloch zu denken, als das ihn die Religionen immer schon verkaufen. Jesus dreht das für mich und macht es mir möglich an Gott zu glauben. Oder wenigstens darauf zu hoffen, dass Gott so seien könnte, wie der christliche Glaube es in Jesus sieht. Das muss niemanden anderen zum Gläubigen machen, für mich ist es der Grund, warum ich an Gott glaube.

      Man könnte ja statt AN Jesus als Gott zu glauben auch zusammen MIT Jesus an Gott glauben, wenn man das möchte.

      Ja, natürlich, das kann man tun. Und das geht sogar, wenn man Jesus als die Inkarnation Gottes betrachtet 😉

      Und steht nicht der christliche Glaube mit seiner Vorstellung des menschgewordenen Gottes dem Bilderverbot entgegen?

      Ja, natürlich. Deshalb glauben Christen ja an die Trinität Gottes. Jesus ist das Abbild Gottes, aber das ist ja nicht das Ende vom Lied. Die Inkarnation kratzt am Bilderverbot, hebt es ja aber nicht auf. Wir alle sind ja zum Bilde Gottes geschaffen und trotzdem macht das Bilderverbot Sinn. Gott ist natürlich geheimnisvoller als Jesus aussieht. Und trotzdem kommt ein Christ nicht mehr daran vorbei, seine Gedanken über Gott an Jesus zu orientieren. Für mich macht das jedenfalls Sinn. Gott wird in Jesus fassbar – aber natürlich nicht erfassbar.

      Wissen wir nicht viel zu wenig von diesem Menschen namens Jesus als dass wir diese wirklich gewagte Behauptung aufstellen können, dass er Gott war? Was wäre denn so schlimm daran, wenn er es nicht war?

      Keine Ahnung. Ich kann nur für mich das sagen, was ich oben gesagt habe. Das können andere natürlich anders sehen.

      Aber sorry, ich kann Deine Frage auch genauso gut rumdrehen: Du schreibst ja auch von konkreten Gottesvorstellungen. Weißt Du nicht viel zu wenig über Gott, um solche gewagten Behauptungen aufstellen zu können? Die Jesusgeschichte gibt mir wenigstens ein paar Anhaltspunkte zur Orientierung. Was hast du diesbezüglich zu bieten? 😉

      Manchmal habe ich das Gefühl, hinter dem christlichen Glauben steckt ein sehr distanziertes Gottesbild. Also da ist ein Gott irgendwo ganz weit weg und wir von ihm warum auch immer getrennt, und deswegen muss er ein Mensch werden.

      Wie gesagt, ich empfinde das genau andersrum.

      Man könnte Gott doch auch ein Geheimnis bleiben lassen und sich ihm trotzdem total nah und verbunden fühlen.

      Meines Erachtens mindert der Glaube an die Inkarnation das Geheimnis Gottes nicht sondern intensiviert es… Aber ja, ich glaube auch, dass man sich Gott sehr nahe und verbunden fühlen kann, wenn man nicht an die Inkarnation glaubt. Warum auch nicht? Dafür ist in der trinitarischen Gottesvorstellung meines Erachtens auch genug Platz. Die musst du natürlich genauso wenig teilen wie die der Inkarnation. Ich wollte nur sagen, dass ich in der christlichen Gottes-Perspektive der Trinität Raum für solche Glaubensausdrücke sehe.

      Kennst du Menschen, die nicht an die Inkarnation glauben, die vielleicht nicht mal Jesus als konkreten Maßstab haben, aber sich trotzdem geborgen fühlen, mindestens so große Wertmaßstäbe haben wie sie Jesus hatte und auch eine ähnliche „Glaubensgewissheit“? Also jemand, der nicht an Jesus glaubt, aber auch kein Atheist ist?

      Ja, natürlich kenne ich solche Menschen. Noch mal, warum denn auch nicht?

      Meine Alternative zu glauben wäre nicht nichtglauben, sondern vielleicht staunen.

      Das gefällt mir total gut. Und ich will es dir auch gar nicht ausreden. Im Gegenteil. Ich versuche es auch gerne auf diesem Weg. Wie gesagt, mein Grund kein Atheist zu sein, muss sich ja nicht mit den Gründen von anderen decken. Ich hoffe, ich konnte irgendwie deutlich machen, warum aber die Inkarnation für MICH ein echter Gamechanger ist (und das waren jetzt natürlich immer noch recht oberflächliche Gedanken – will sagen, da gibt’s noch mehr 😉 )

      So. Genug für heute, liebe Claudia. Ich hoffe, das war dir nicht zu ausufernd.

      LG,
      der Jay

      1. Hallo Jay,

        vielen Dank für deine ausführliche Antwort.
        Also ich habe wirklich dich persönlich fragen wollen, warum du zu dieser Schlussfolgerung mit dem Atheismus kommst, nicht irgendwie allgemein. Es hat mich einfach ehrlich interessiert, weil ich es irgendwie – wahrscheinlich auch jetzt noch nicht so ganz – nicht nachvollziehen konnte. Es hörte sich irgendwie für mich so traurig an, oder trostlos. So wie: Ich will in Teneriffa leben, denn wenn ich da nicht leben kann, muss ich in der Wüste Gobi leben, und da will ich nicht hin.

        Ich weiß nicht, ob ich mir überhaupt erlaubt hätte, manches zu hinterfragen, wenn die einzige Alternative der Atheismus gewesen wäre. Der Atheismus ist ja auch eine Überzeugung, und ich will ja eigentlich weg von Bekenntnissen und Überzeugungen, eben eher hin zum Staunen, Wundern, Sein – lassen, demütig aushalten.
        Aber danke, dass du das nochmal so ausführlich geschrieben hast.

        Du hast geschrieben, dass ich von konkreten Gottesvorstellungen schreibe und dass ich gewagte Behauptungen aufstelle. Wo liest du das? Erstens sind Vorstellungen Vorstellungen – Fantasien, und keine Behauptungen. Und eigentlich habe ich doch vor allem Fragen gestellt und quasi laut überlegt.

        Auch ist für mich die Alternative zum schwachen Gott nicht unbedingt der allmächtige und schon gar nicht ein grausamer Gott. Der Beter von Psalm 23 z. B. hat auch nicht gerade ein allmächtiges Gottesbild (und sieht Gott auch nicht als ein „Arschloch“, wie es ihm angeblich seine jüdische Religion verkaufen würde – Religionen verkaufen doch nichts, dazu sind sie doch viel zu gewachsen, individuell, vielfältig innerhalb ihrer selbst). Der Beter weiß sich auch im dunklen Tal noch Gott nahe ohne von ihm zu erwarten, davon verschont oder gerettet zu werden oder ihm vorzuwerfen, dass er das nicht verhindert hat. Er setzt sich gedanklich mit Gott an den Tisch und wohnt in seinem Haus. Das ist doch z. B. auch ein sehr nahbares Gottesbild.
        Auch Mystiker:innen aller Religionen und außerhalb davon hatten teilweise sehr innige und nahbare Gottesvorstellungen.
        Also nur, weil du gemeint hast, ich soll dir religionsgeschichtlich etwas Vergleichbares zeigen.

        Vielleicht gab es schon immer Menschen, die sich Gott nahe gefühlt haben und solche, die sich Gott fern gefühlt haben (egal in welcher Religion), und vielleicht hat das auch mehr mit dem Selbstwert, frühkindlichen Bindungsmustern, spirituellen Neigungen oder einer positiv – optimistischen Persönlichkeitsstruktur zu tun als mit der konkreten Religion, in der jemand aufwächst?
        Und die (Religions-)Geschichte ist ja noch nicht zu Ende – vielleicht gibt es ja irgendwann noch ein besseres Bild als das, dass Gott ein – einziger – spezieller Mensch gewesen ist? Ich muss mich ja nicht aus all den schon bestehenden religiösen Vorstellungen auswählen, die es schon gegeben hat, es kann ja auch etwas ganz Neues werden?

        Lieber Jay, ich will da ja auch gar nicht mit dir diskutieren, weil ich ja eigentlich gar keinen wirklichen Standpunkt habe. Ich habe nur diese für mich irgendwie sehr radikale Konsequenz nicht verstehen können. Vielleicht hat sie mich auch irgendwie traurig gemacht. Es war und ist wirklich eine ganz ehrlich gemeinte, naive, neugierige Frage.
        Vielleicht interessiert mich das auch viel mehr von der psychologischen oder philosophischen als von der theologischen Seite: Also welche Überlegungen oder Erfahrungen VERANLASSEN Menschen (und veranlassten auch mich), etwas Bestimmtes zu glauben, und welche Überlegungen oder Erfahrungen HINDERN Menschen (also auch mich) daran, einen bestimmten Glauben aufzugeben.
        Und in deinem Fall wäre das dann, dass du in der Lehre der Inkarnation dich nicht so ohnmächtig und ausgeliefert gegenüber einem (vermeintlich) allmächtigen und vielleicht sogar willkürlichen (grausamen?) Gott fühlst? Wenn du das so formulierst, würde ich auch lieber die Inkarnation wählen – aber das sage ich mit einem Augenzwinkern, weil ich denke, dass man Glaube ja nicht bewusst wählen kann. Und ich denke auch nicht, dass er ein Geschenk ist (weil, was ist dann mit denen, die nicht glauben können, haben die dann kein Geschenk bekommen? Oder ist vielleicht auch Unglaube ein Geschenk, halt nur ein anderes?).

        Vielleicht wählen wir auch unbewusst einfach das, was uns im Moment besser hilft. Was wir aushalten können. Mit dem wir besser durchs Leben kommen, im besten Fall zu besseren Menschen werden. Womit wir uns warm aufgehoben fühlen und der vermeintlichen Sinnlosigkeit entgegentreten können. Oder womit wir uns mit den Menschen verbinden können, die uns sympathisch sind und wertemäßig nahestehen.

        Auf alle Fälle vereint uns das, dass wir es ja beide nicht wissen, aber uns ganz gut aufgehoben fühlen in dem, was wir uns so vorstellen oder nicht vorstellen und in diesen Vorstellungsräumen doch recht viel Platz hat. Und solange du nicht sagst, dass wenn ich das mit Jesus als Gott für nicht mehr ganz so wahrscheinlich halte, ich in Ewigkeit verloren bin, hör ich gern weiter noch bei Hossa Talk rein ;-).

        Liebe Grüße,
        Claudia

        1. Liebe Claudia,
          mit vielem was du schreibst, kann ich sehr gut mitgehen. In meiner Motivation an die Inkarnation in Jesus zu glauben, fühle ich mich aber nach wie vor missverstanden.

          Und in deinem Fall wäre das dann, dass du in der Lehre der Inkarnation dich nicht so ohnmächtig und ausgeliefert gegenüber einem (vermeintlich) allmächtigen und vielleicht sogar willkürlichen (grausamen?) Gott fühlst?

          Sorry, das geht komplett an dem vorbei, was ich hatte sagen wollen. Für mich ist das Gottesbild entscheidend, welches mir in der Inkarnation begegnet. Weil es einzigartig die reale Welt mit ihren Härten und die unendliche göttliche Liebe untrennbar vereint.

          Ich will jetzt nicht wieder 3,5 Stunden an der Antwort sitzen und versuchen, mich (noch) klarer auszudrücken. Deshalb, wenn es Dich interessiert, lies doch einfach mein kleines Büchlein „Ist das Gott oder kann das weg?“. Es wird dich wahrscheinlich nicht überzeugen, aber erklärt hoffentlich ein bisschen besser, warum mich der christliche Glauben so entzückt.

          Ein bisschen irritierend finde ich, dass dich meine Art zu Glauben traurig macht? Weil ich an etwas festhalte, was du als unwichtig verworfen hast? Als Nichtchristin hast du vielleicht keinen Bezug mehr dazu, schon klar. Oder vielleicht nur noch einen negativ konnotierten. Aber warum wirst du traurig für mich, wenn ich davon erzähle, wie schön ich diesen Glauben finde? Ist da so wenig Raum für Vorstellungen, die nicht die deinen sind?

          LG,
          der Jay

          1. Hallo Jay,

            wo habe ich denn geschrieben, dass mich deine Art zu glauben traurig macht? Irgendwie traurig klang für mich die einzige Schlussfolgerung, die du formuliert hast für den Fall, dass du eben NICHT mehr glauben kannst, was du glaubst.

            Aber ich glaube, wir lassen mal lieber unsere Konversation. Ich habe das Gefühl, irgendwas reizt dich ganz furchtbar oder ärgert dich, und das will ich doch gar nicht. Es sind wirklich einfach nur ehrlich gemeinte Fragen, auf die ich teilweise selbst keine Antwort habe. Du musst auch keineswegs mit mir mitgehen (wohin?) oder mich überzeugen, wo ich doch jetzt schon ein paarmal erklärt habe, dass ich mich von Überzeugungen lösen möchte.

            Liebe Grüße,
            Claudia

          2. Nein, ich bin nicht gereizt. Alles gut. Und das ich dich von nichts überzeugen will, habe ich doch auch deutlich geschrieben. Irgendwie scheinst du mich nicht gut zu verstehen.

            Es hörte sich irgendwie für mich so traurig an, oder trostlos. So wie: Ich will in Teneriffa leben, denn wenn ich da nicht leben kann, muss ich in der Wüste Gobi leben, und da will ich nicht hin.

            Das war die Stelle, die ich meinte. Wenn ich dich da missverstanden habe, ist ja alles ok. Ich hatte nur rückmelden wollen, was da bei mir angekommen war.

            LG,
            der Jay

  15. Hui…geht ja richtig steil in den Kommentaren.
    habe jetzt selber nicht reingelesen. Für evtll Dopplungen bitte ich um Nachsicht.

    Ich sags mal so: Gelungener Auftakt, aber hier bitte nicht stehen bleiben.
    Ich hoffe, dass Hossa Talk es wagt, sich mit den biblischen Ansprüchen wieder direkter auseinanderzusetzen.
    Glaube an Christus funktioniert für mich nicht ohne Gottes Wort, die Bibel.
    Mir ist in den letzten Jahren immer deutlicher bewusst geworden, dass der Christ nicht in erster Linie mit seinem eigenem Glauben und Zweifeln ringen sollte, sondern mit Gott und seinem Wort – der Bibel.
    Und ja, manchmal möchte man das gute Buch einfach nur gegen die Wand klatschen, aber es lässt einen ja doch nicht los.

    Meine Anregung „in a nutshell“: Mehr Bibel wagen.

    Gofi hat in seiner Abschiedsparty explizit gesagt, dass er die Doppelfolgen „Vater Unser“ und „Bergpredigt“ sehr genossen hat 😉

  16. thomas der Hooligelikale

    Hey Ihr Lieben,

    hoffe die Frage passt hier rein:

    Würdet Ihr sagen, dass Dekonstruktion in erster Linie eher ein Ding für Leute mit höherem Schulabschluss / Bildungsstand/ Akademiker ist ?
    Wie schätzt Ihr Eure Hörer diesbezüglich ein und spielt das irgend eine Rolle für Euch ?
    Das soll jetzt bitte nicht provokant oder gar vorwurfsvoll sein:
    Mit kommt es manchmal so vor, als sei Dekonstruktion hauptsächlich eine Spielwiese von Leuten mit höherem Bildungsstand, die ihren Intellekt kitzeln, einen gewissem Individualismus kultivieren und gerne unter ihresgleichen sein/ bleiben möchten…
    Ich muss mich hierbei auch selber an der Nase fassen, zumal ich mit fundamentalistischen Biblizismus nichts anfangen kann, aber frage mich zugleich, ob wir damit nicht ( unbewußt) eine Art „Frontlinie“ aufbauen und das Bild eines gewissen elitären Abgrenzungsbedürfnisses im Verhältnis zu den „naiven Bibeltreuen“ erwecken…

    Es werden ja seitens der Dekonstruierenden gerne akademische Theologen gefeiert, die für ihresgleichen geschrieben haben und bei denen ich teilweise auch nach mehrmaligem Lesen mancher Sätze in der Primärliteratur nicht verstehe, was sie jetzt eigentlich aussagen wollen…oder ob sie womöglich ihre eigentliche Unwissenheit nur hinter total verschachtelten und mit Fremdwörtern gespickten Satzungetümen verbergen… (Barth, Bonhoeffer, Bultmann… um einige zu nennen)
    „ Imponiersprache“ fällt mit dazu ein, bin mir nicht sicher, ob ich den Ausdruck in einem ( sehr gut zu lesenden !) Buch von Friedemann Schulz von Thun (der deutsche „Kommunikationspsychologie- Papst“) gelesen hab…

    Aber ich frag mich da wirklich, ob mir als Nicht- Akademiker irgendwelche tieferen Erkenntnisse/ Weisheiten verborgen bleiben, wenn mir der Schlüssel zu höheren „Sprechweihen“ fehlt…

    Diese „Imponiersprache“ finde ich bei Euch übrigens nicht, deshalb bin ich hier gerne !

    Friedliche Grüße an alle 🙂

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